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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 28. September 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

26. Belarus
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung der Kommission zu Belarus.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Frau Ferrero-Waldner hatte sehr gehofft, dass sie an dieser Diskussion teilnehmen kann. Sie hat seit unserer Amtsübernahme engagiert an der Gestaltung der Aktivitäten der Kommission zu Belarus mitgewirkt. Im Namen von Kommissarin Ferrero-Waldner und der Kommission freue ich mich, dass ich die Gelegenheit habe, mit Ihnen Gedanken über Belarus und die Arbeit der Kommission zur Unterstützung der Demokratisierung und der Zivilgesellschaft auszutauschen.

Die Kommission ist zutiefst besorgt über den Mangel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Missachtung der Menschenrechte in Belarus. Belarus handelt eindeutig seinen im Rahmen der OSZE und der UNO eingegangenen internationalen Verpflichtungen zuwider. Wir sehen mit an, wie sich die Situation weiter verschlechtert. Das Regime schränkt die Menschenrechte immer stärker ein. Es geht gegen Nichtregierungsorganisationen vor, untergräbt die Rechte von Minderheiten, inhaftiert Bürger aus politischen Gründen und beschneidet das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Wir haben die Akte der Einschüchterung seitens der belarussischen Behörden gegen die Union der Polen in Belarus entschieden verurteilt. Zu diesen Zwischenfällen kam es vor dem Hintergrund wachsender Repressionen gegen politische Parteien, NRO und unabhängige Medien in Belarus. Unserer Ansicht nach unterminiert ein solches Vorgehen die Rechte von Minderheiten und verstößt damit gegen die Normen verantwortungsbewusster Staatsführung, zu denen sich Belarus im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verpflichtet hat.

Belarus hat ferner Dekrete erlassen, die weitere Restriktionen für ausländische Hilfe vorsehen. Damit vertieft das Land seine Isolation und die der belarussischen Bürger.

Sie fragen sich vielleicht, wie die Kommission reagiert hat. Als Reaktion auf wachsende Repressionen in Belarus haben wir unsere finanzielle Unterstützung für die Demokratisierung und die Menschenrechte erhöht, indem wir 2 Millionen Euro aus dem TACIS-Programm an die Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) überwiesen haben. Das ist eines von zwei Instrumenten, die nicht die Zustimmung der Regierung erfordern. Für das TACIS-Programm wurde ein neuer Schwerpunkt gesetzt, der jetzt auf den Bedürfnissen der Bevölkerung liegt und die umfassende Einbeziehung der Zivilgesellschaft vorsieht.

Wir haben im laufenden Jahr bereits 27 Kleinverträge im Wert von 3 Millionen Euro mit NRO abgeschlossen. Wir werden im Oktober einen weiteren Aufruf zu Vorschlägen im Rahmen des EIDHR-Programms starten, für den 420 000 Euro bereitstehen.

Wir sind ferner im Begriff, über 1,7 Millionen Euro für drei konkrete neue Projekte für Belarus zur Verfügung zu stellen, deren Umsetzung durch das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE, das UNDP und den Nordischen Ministerrat erfolgen wird. Im Mittelpunkt dieser Projekte werden Menschenrechte, Demokratisierung, die Zivilgesellschaft und unabhängige Bildungseinrichtungen wie die Europäische Humanistische Universität im Exil stehen.

Mithilfe von TACIS werden wir uns auch künftig der alltäglichen Bedürfnisse der Menschen annehmen, wobei der Schwerpunkt auf gesundheitlichen und sozialen Fragen, der Hochschulbildung, der beruflichen Bildung und Umweltfragen liegen wird.

Bei der Linderung der von Tschernobyl verursachten Probleme konzentrieren wir uns auf die Finanzierung von Vorschlägen, die uns die betroffenen Kommunen vorlegen.

Zu den wichtigsten Entwicklungen zählt die Hilfe für den unabhängigen Rundfunk. Auf der Grundlage von Vorschlägen, die von diesem Parlament und anderen Stellen unterbreitet wurden, werden wir ab dem 1. November eine Nachrichtensendung finanzieren, die täglich per Hörfunk ausgestrahlt wird. Ziel ist es, die belarussische Bevölkerung besser über Menschenrechts- und Demokratiefragen zu informieren und sie mit aktuellen Informationen über Entwicklungen innerhalb und außerhalb von Belarus zu versorgen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätte. Zunächst werden die Sendungen in Russisch ausgestrahlt. Sobald dies möglich ist, werden wir mit der Ausstrahlung von Sendungen in belarussischer Sprache beginnen.

Die Aufnahme einer unabhängigen Sendetätigkeit ist ein sehr wichtiger Schritt, und ich freue mich, dass wir der erste Geber sind, der derartige Initiativen für Belarus ins Leben ruft.

Anfang des kommenden Jahres werden wir ferner ein Büro der Kommission in Minsk eröffnen. Dem Büro wird ein Geschäftsträger vorstehen. Es wird unsere Kontakte mit der Zivilgesellschaft vor Ort erleichtern und unsere Koordinierungsbemühungen und die weitere Ausgestaltung unserer Maßnahmen unterstützen.

Wir haben uns auch damit auseinander gesetzt, wie wir gewährleisten können, dass alle auf Belarus ausgerichteten Maßnahmen stimmig und inhaltlich geschlossen sind. Im Bereich des Handels haben wir im Rahmen des allgemeinen Präferenzsystems Verletzungen gewerkschaftlicher Rechte untersucht und uns mit der Festsetzung jährlicher Textilquoten befasst. Außerdem unterliegt die EU-Liste der Vertreter des belarussischen Staates, gegen die ein Visaverbot verhängt wurde, einer ständigen Überprüfung.

Die Kommission hat in den Diskussionen über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den in Belarus tätigen Gebern die federführende Rolle übernommen. Wir haben in diesem Jahr drei Geberkonferenzen durchgeführt. Die erste fand im März in Vilnius statt, die zweite im Juli in Kiew und die dritte letzte Woche in Brüssel.

Der Demokratisierungsprozess in Belarus und das Wohlergehen seiner Menschen liegen uns sehr am Herzen und sind ein wichtiges Anliegen der Kommission. Wir tun alles in unseren Kräften Stehende, um diejenigen zu unterstützen, die sich für den Aufbau einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft in Belarus einsetzen.

Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Demokratisierung und den Menschenrechten. Gleichzeitig halten wir die demokratischen Kräfte in Belarus an, eng zusammenzuarbeiten. Das ist in Anbetracht der für nächstes Jahr anberaumten Präsidentschaftswahlen von immenser Bedeutung.

Unser Ziel ist es, Belarus als vollwertigen Partner im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik willkommen zu heißen, sobald das Land seinen Verpflichtungen in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte nicht nur in Worten, sondern auch in Taten nachkommt.

 
  
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  Bogdan Klich, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Das Parlament hat heute eine Entschließung zum Vermächtnis der vor 25 Jahren ins Leben gerufenen Solidarnośc-Bewegung angenommen. Das war jedoch mehr als eine historische Entschließung, denn es war teilweise auch ein Aufruf zur Solidarität in der Europäischen Union. Wir arbeiten nun an einer Entschließung zu Belarus, die Ausdruck unserer europäischen Solidarität mit denjenigen sein sollte, mit denen wir uns solidarisch zeigen müssen, was gegenwärtig mit Sicherheit auf unsere Freunde in Belarus, auf das belarussische Volk, zutrifft.

Man kann sich natürlich die Frage stellen, wozu wir eine weitere Entschließung zu Belarus brauchen, wenn wir die letzte doch erst im Juli, kurz vor der Sommerpause, angenommen haben. Wie der Herr Kommissar jedoch ganz richtig betont hat, verändert sich die Lage in Belarus sehr schnell. Die politische Situation verschlechtert sich von Monat zu Monat. Die jüngste Entwicklung, die uns zu Ohren gekommen ist, ist die Razzia der Behörden von Herrn Lukaschenko gegen die demokratisch gewählte Führung des Bundes der Polen in Belarus. Die gesamte zivilisierte Welt konnte mit eigenen Augen sehen, wie die größte Organisation der belarussischen Zivilgesellschaft verfolgt und ihre Führung brutal ihres Büros beraubt wurde.

Als polnischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments möchte ich den Abgeordneten dieses Hohen Hauses, die uns in dieser schweren Zeit geholfen und unterstützt haben, meinen herzlichen Dank aussprechen. Dazu gehörten Vertreter aller Fraktionen. In meinen Augen waren auch die Hilfe und der Beistand durch andere Belarussen, die das gleiche Schicksal erleiden wie die Polen in Belarus, von großer Bedeutung. Insbesondere möchte ich dabei den Vertretern der belarussischen Opposition danken, dass sie den Bund der Polen in Belarus in diesen schweren Zeiten unterstützen. Das zeigt die Entstehung eines Netzwerks der Solidarität in Europa, mit dessen Hilfe Menschen, die in der Vergangenheit selbst Hilfe benötigt haben, jetzt diejenigen unterstützen können, die gegenwärtig in Schwierigkeiten sind.

Ich meine, wir sollten auch der Europäischen Kommission zu etwas gratulieren, was der Herr Kommissar angesprochen hat: den ersten Anzeichen für eine Überprüfung der Politik der Europäischen Union gegenüber Belarus. Das ist ein positives Zeichen, und ich habe Vertrauen in die Weiterführung dieser guten Arbeit.

 
  
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  Joseph Muscat, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Ereignisse in Belarus sind nicht nur für eine begrenzte Zahl von Mitgliedstaaten wie Polen und die baltischen Republiken von Belang, bei denen offensichtliche historische, politische, geografische und soziale Gründe eine Rolle spielen. Diese Ereignisse gehen jeden einzelnen Mitgliedstaat etwas an. Hier macht sich einer der Mängel in unserem Ansatz bemerkbar: Nicht jeder von uns sieht in Belarus ein Problem, das sich vor der eigenen Haustür abspielt, aber genau das ist der Fall.

Ich möchte schon Gesagtes nicht wiederholen. Stattdessen möchte ich feststellen, dass seit unserer letzten Aussprache zu dieser Thematik in diesem Saal beträchtliche Fortschritte verzeichnet werden konnten.

Wie Sie schon sagten, Herr Kommissar, wird die Kommission eine Vertretung in Minsk eröffnen, und ein Rundfunkprojekt wird anlaufen, auch wenn einige von uns nicht glücklich sind über die Art und Weise, in der vorgegangen wird, und die Kritiker haben möglicherweise Recht. Trotzdem ist das ein erster Schritt, den wir seit langem gefordert haben, und die Kommission sollte dafür gelobt werden, dass sie Wort gehalten hat.

Aber dabei dürfen wir es nicht belassen. Die von dem Präsidenten auf dem UNO-Gipfel abgegebenen Erklärungen sind kein gutes Omen. Einige unserer Kollegen sind noch immer im Gefängnis, und ich möchte beispielhaft für alle Mikola Statkewitsch nennen.

Ich hoffe, dass das Interesse an Belarus auch bei einem Regierungswechsel in den Mitgliedstaaten nicht nachlassen wird. Die Lage in Belarus ist zu heikel, als dass sie für politische Schachzüge benutzt werden sollte. Es geht hier um ein langfristiges Bekenntnis. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Sache nicht zu lange hinzieht und mittelfristig eine Lösung gefunden werden kann. Aber dazu bedarf es des Engagements der Europäischen Union.

(Beifall)

 
  
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  Janusz Onyszkiewicz, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Belarus ist eine Ausnahmeerscheinung auf dem europäischen Kontinent. Das Land wird von einem Präsidenten regiert, der erklärt hat, die Sowjetunion sei sein Heimatland, und der das Verschwinden dieses wunderbaren Landes von der europäischen Landkarte bedauert. Diese Person versucht, Belarus von Europa abzutrennen. Sie fürchtet eindeutig den Wind der Freiheit, der im Ergebnis des Wirkens von Solidarnośc durch Europa gefegt ist. Wenn Herr Lukaschenko jetzt Gebühren für den Grenzübertritt erhebt, wäre es meiner Ansicht nach von größter Bedeutung, darauf hinzuwirken, dass die EU-Mitgliedstaaten kostenlose Visa für belarussische Bürger ausstellen, um unmissverständlich zu zeigen, dass Europa Belarus nicht den Rücken zukehrt, wie sein Präsident behauptet.

Wir brauchen aber nicht nur Gesten dieser Art, sondern auch die Unterstützung von Aktivitäten in Belarus. Ich habe mit besonderer Freude gehört, dass der Herr Kommissar Programme der Europäischen Kommission für Belarus angekündigt hat, bin aber auch gleichzeitig enttäuscht darüber, dass dies alles so lange gedauert hat. Das Jahr neigt sich schließlich schon dem Ende zu. Ich verstehe, dass erst technische Hindernisse überwunden werden mussten. Sollte es sich dabei um dauerhafte Hindernisse handeln, bin ich überzeugt davon, dass in diesem Hohen Hause der Wille besteht, die Bürokratie zu überwinden und die Kommission bei effizienten und effektiven Maßnahmen zu unterstützen. Wenn uns das nicht gelingt und wir Belarus nicht helfen können, wird dieses Land nicht nur zu einem Schandfleck auf der Karte Europas, sondern auch auf unserem Gewissen. Europa muss zu einem Synonym für Freiheit werden, das heißt auch Freiheit für Belarus.

 
  
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  Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. Herr Präsident! In der Kritik an der Besorgnis erregenden Entwicklung in unserem Nachbarland sind wir uns einig. Vor unseren Augen wird systematisch eine menschenrechtsverachtende und demokratieverachtende Diktatur installiert.

Wir sind uns sogar mit Kommission und Rat einig. Wir müssen endlich handeln und alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Demokratie und Pluralismus in Belarus zu fördern. Das sind die Worte von Frau Kommissarin Ferrero-Waldner.

Doch ich bin nicht zufrieden mit dem, was bisher geschehen ist. Die polnisch-baltisch-ukrainische Initiative wird von der Kommission im Regen stehen gelassen. Es gibt eine sehr verzwickte Gefahr an der östlichen Grenze, Spannungen zwischen den Nachbarstaaten, und es gibt keine einheitliche Außenpolitik. Die Zivilgesellschaft, die das einzige demokratische Potenzial und der Hoffnungsträger in diesem Land ist, wird nicht ausreichend unterstützt.

Herr Kommissar, das was Sie bisher vorgeschlagen haben, reicht nicht aus. Das Repertoire der diplomatischen Proteste ist längst noch nicht ausgeschöpft. Die Sanktionen sollten viel differenzierter und gezielter eingesetzt werden. Darüber reden, ist nicht genug. Die Zivilgesellschaft muss mit viel mehr Geld unterstützt werden.

Ich fordere Sie auf, ein spezielles Programm zu entwickeln und sich schnell mit dem Rat an einen Tisch zu setzen, um wirklich kohärente politische, finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, damit wir 2006 einen Anfang für Demokratie in Belarus haben können.

 
  
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  Jonas Sjöstedt, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte in die scharfe Kritik einstimmen, die heute Abend hier am Lukaschenko-Regime geübt wurde. Wir sind Zeugen einer ernsthaften Verschlechterung der bereits schlimmen Lage in Belarus, dessen Regime in zunehmendem Maße die klassischen Merkmale einer politischen Diktatur aufweist.

Ich kann allen in der Entschließung geäußerten Standpunkten generell zustimmen, meine aber, dass speziell auf ein Gebiet noch näher eingegangen werden könnte, und zwar auf die Bedeutung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung in Belarus. Die unabhängigen Gewerkschaften gehörten zu den Schlüsselakteuren des Widerstands gegen das Lukaschenko-Regime, müssen aber heute um ihr Überleben und ihren Fortbestand unter der Tyrannei kämpfen. Es gibt eine recht umfangreiche Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften in EU-Mitgliedstaaten wie z. B. Schweden und unabhängigen Gewerkschaften in Belarus. Ich hoffe, dass auch diese Organisationen von der Unterstützung der EU für die demokratische Opposition erfahren. Wir wurden in dieser Woche an die Bedeutung der Solidarność-Bewegung in Polen erinnert, und natürlich wird eine starke und unabhängige Gewerkschaftsbewegung auch in Belarus gebraucht, um den erforderlichen Wandel herbeizuführen.

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Vor elf Jahren, unmittelbar nach seiner Amtsübernahme, machte Präsident Lukaschenko seinen belarussischen Wählern ein vielsagendes Versprechen. Er werde, so erklärte er, die Sowjetunion wieder aufleben lassen. Lukaschenko hat sein Versprechen eingelöst. Die historische weiß-rot-weiße belarussische Flagge ist verboten, und Russisch ist die offizielle Landessprache. Diese absurde antinationale Politik hat ihren Tiefpunkt nunmehr damit erreicht, dass es in Minsk ein im Untergrund operierendes Gymnasium gibt, das die einzige weiterführende Schule im Lande darstellt, in der noch in der Muttersprache Unterricht erteilt wird, d. h. solange der Geheimdienst die gegenwärtig gleichzeitig als Klassenzimmer fungierenden Privatwohnungen nicht aufgespürt hat.

Vor diesem Hintergrund unterstützte ich die Initiative der Europäischen Kommission, einen finanziellen Beitrag zur Ausstrahlung unabhängiger Rundfunksendungen nach Belarus zu leisten. Die polnische Regierung praktiziert dies übrigens bereits. Brüssel täte gut daran, sich an den Polen ein Beispiel zu nehmen. Sie stellen nämlich nicht nur wesentlich mehr Mittel bereit, sondern ihre Programme werden im Herbst direkt in Belarussisch beginnen. Unterdessen muss die drastische Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem Belarus Lukaschenkos und den drei östlichen EU-Mitgliedstaaten – Polen, Litauen und Lettland – der Kommission beträchtliche Kopfschmerzen bereiten.

Das repressive Regime tut sogar so, als stünde eine NATO-Intervention bevor. Daraus könnte ein kleiner Grenzkonflikt entstehen. Die damit verbundenen Sicherheitsrisiken für die EU-25, die nicht unerheblich sind, veranlassen mich, der Kommission einige Fragen zu stellen. Wie steht sie zu der Initiative Polens, Litauens und Lettlands sowie der Ukraine, ihre Politik gegenüber Belarus zu koordinieren? Hat die Kommission Schritte eingeleitet, um Russland dazu zu bewegen, seine Verantwortung als G8-Vorsitzender wahrzunehmen und einen positiven Beitrag zum Abbau der durch Lukaschenkos Innen- und Außenpolitik hervorgerufenen Spannungen zu leisten?

Ich möchte Sie, Herr Kommissar, da Sie Frau Ferrero-Waldner vertreten, bitten, ihr diese Fragen zu übermitteln, die ja für die EU-Sicherheitspolitik von wesentlicher Bedeutung sind, nicht zuletzt angesichts der GASP. Einer Antwort sehe ich erwartungsvoll entgegen. Aufgrund von Kirchenkontakten in meinem eigenen Land und wissenschaftlichen Informationen aus Deutschland weiß ich, dass Mitbürger in den EU-Mitgliedstaaten ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Menschenrechtsverletzungen sind Alltag in Belarus. Das jüngste Beispiel in der langen Reihe solcher Verletzungen waren die nationalistischen Hetzkampagnen gegen Polen, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Verbot des Bundes der Polen in Belarus und der Verfolgung seiner aktiven Mitglieder fand.

Vor uns liegt noch ein langer Weg, aber das bedeutet nicht, dass wir uns mit einem „sanften“ Ansatz begnügen sollten. In unseren Beziehungen zu Belarus sollten wir im Gegenteil unbeirrt vorgehen. Wenn wir nicht jede Woche Menschenrechtsverletzungen in diesem Land erleben wollen, brauchen wir seitens der Kommission einen Ständigen Berichterstatter für Belarus, ebenso wie eine effiziente Methode zur Unterstützung der demokratischen Kräfte, wobei schwer vorauszusehen ist, wie eine solche Unterstützung ohne ein spezifisches Instrument für die Menschenrechte gewährt werden könnte. Dieses Instrument sollte bei der Gewährung von Unterstützung unter ungünstigen rechtlichen Bedingungen so flexibel, schnell und effektiv wie möglich sein.

Die Tatsache, dass wir bereits die zweite Aussprache zu Belarus abhalten, beweist, wie schwach das Parlament und die Europäische Union in dieser Hinsicht sind. Es ist das fünfte Mal, dass das Thema Belarus auf unserer Tagesordnung steht, und es ist uns immer noch nicht gelungen, dieser Frage Priorität einzuräumen und sie zu einer Bedingung für gute Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland zu machen. Es stimmt, dass die Europäische Kommission mehr und mehr versprochen hat, aber sie kommt nicht in Gang und agiert in Bezug auf Belarus nur widerstrebend, langsam und passiv und setzt dadurch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union auf diesem Gebiet aufs Spiel.

Ich möchte nur noch unterstreichen, dass selbst die administrativen Verfahren des gleichsam grotesken Regimes in Minsk sich in Bezug auf Rundfunksendungen als effizienter und effektiver erwiesen haben als unsere. Belarus sendet in die Europäische Union, aber von unserer Seite aus kommt nichts als ohrenbetäubende Stille. Erlauben Sie mir abschließend, noch auf eine generelle Beobachtung hinzuweisen: Europa hat sich, was Belarus anbetrifft, in eine so lächerliche Position begeben, dass seine Erklärung zur gemeinsamen Außenpolitik der Union völlig sinnlos geworden ist.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Dieses Haus hat sich schon in der Vergangenheit wiederholt mit Weißrussland beschäftigt. Aber es war eine kleine Minderheit, die das getan hat – die Kollegin Schroedter, der Kollege Gahler und einige wenige andere. Ich bin glücklich, dass wir uns nunmehr intensiv mit dieser wichtigen Frage beschäftigen. Das verdanken wir nicht zuletzt unseren polnischen Kollegen, denen ich dafür ausdrücklich danken möchte.

Es zeigt, dass sich die Geschichte auswirkt. Es gab negative, nationalistische Epochen in der Geschichte, aber auch immer wieder positive Beispiele des Zusammenlebens. Ein solches war im Mittelalter das Zusammenleben von Polen, Litauern und Weißrussen in einer Föderation. Dies war ein kleines Europa gewesen, und dieses Europa wirkt heute nach, indem sich unsere polnischen Kollegen und wir alle nicht nur für die polnische Minderheit in Weißrussland einsetzen, sondern für das weißrussische Volk insgesamt, das massiv von Unterdrückung gequält wird und das leider auch von Versuchen bedroht ist, die Sowjetunion in der einen oder anderen Form wiederherzustellen.

Derartige Versuche sind absurd und zum Fehlschlag verurteilt, aber es gibt diese Gedankenspiele weiter östlich, wie wir wissen. Deshalb ist es von elementarem Interesse der Europäischen Union, unser Nachbarland Weißrussland und das dortige Volk sowie die Zivilgesellschaft massiver als bisher zu unterstützen und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die Medienfreiheit durchgesetzt wird.

Ich möchte deutliche Kritik auch an der Deutschen Welle üben, die ihre Programme in dieses wichtige europäische Land in russischer Sprache ausstrahlt, also in der Sprache der Kolonialmacht, die lange Zeit dieses Land Weißrussland unterdrückt hat und mitverantwortlich ist für die Zustände, die heute dort herrschen. Das weißrussische Volk hat einen Anspruch darauf, dass wir es als eine einzigartige europäische Kultur respektieren, was sich auch in den Medien widerspiegeln sollte, die wir als Europäische Union fördern. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Gemeinschaft der europäischen Völker.

 
  
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  Józef Pinior (PSE). – (PL) Herr Präsident! In den letzten Jahren ist das Internet in Belarus zu einer der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen geworden. Die Anzahl der Privatcomputer und Internetverbindungen steigt ständig. Mitte 2005 verfügten 2 Millionen der 10 Millionen Einwohner von Belarus über einen Internetanschluss. Fast 450 000 Personen haben 2004 Internetcafés in Minsk besucht. Gleichzeitig hat aber die staatliche Firma Beltelecom, eine Tochtergesellschaft des Ministeriums für Kommunikation, auch weiterhin das Monopol bei den Internetverbindungen. Herr Lukaschenko versucht alles, die Nutzung des Internets durch die Zivilgesellschaft zu kontrollieren. Außerdem werden Personen, die im Cyberspace aktiv sind, unter Nutzung undemokratischer Bestimmungen im Strafrecht verfolgt und unterdrückt.

In ihrem Bestreben, die Menschenrechte in Belarus zu fördern, sollte die Europäische Union die modernsten Kommunikationsmittel nutzen. Die Rolle des Internets bei der Verbreitung unabhängiger Informationen sollte den gleichen Stellenwert erhalten wie das Radio beim Sturz der Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Die Union muss die Mittel für die Nutzung dieser neuen Formen der Kommunikation über Internet und Mobiltelefonie im Interesse der belarussischen Zivilgesellschaft erhöhen.

 
  
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  Věra Flasarová (GUE/NGL). – (CS) Meine Damen und Herren! Wir alle haben Erfahrungen mit nicht verheilten Wunden und Ungerechtigkeiten, die für unsere Sicht der heutigen Situation bestimmend sein mögen. Dies gilt auch für Belarus. Wir sollten daher drei Dinge beachten. Wir sollten versuchen, zu einer objektiven Einschätzung der Lage in diesem Land zu kommen, mit anderen Worten, es vermeiden, nur bestimmte Informationsquellen heranzuziehen. Stattdessen sollten wir versuchen, nicht all das zu übersehen, das nicht in ein Schwarz-Weiß-Schema von Belarus passt. Wir sollten auch niemanden a priori von Gesprächen ausschließen, selbst wenn wir seine Ansichten nicht unbedingt immer teilen. Belarus ist nicht allein Lukaschenko und umgekehrt.

Ziel der EU-Politik sollte es sein, die Situation des Landes und seiner Bevölkerung zu verbessern. Weder spreche ich für die Lukaschenko-Regierung noch unterstütze ich ihre verabscheuungswürdigen Taten, aber ich möchte davor warnen, dass eine Politik der Druckausübung, die auf Sanktionen, Verteufelung der Vertreter des Regimes und eine propagandistische Vereinfachung des Problems setzt, im Allgemeinen nur zu einer Eskalation der Lage führt und keine Lösung bringt.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Die Schikanen und Verfolgungen, die die polnische Minderheit in Belarus zu erleiden hat, sind weithin bekannt. Das Rahmenübereinkommen des Europarates über den Schutz der nationalen Minderheiten von 1995 wird im Hinblick auf den Bund der Polen in Belarus und andere Minderheiten wie die Roma systematisch und brutal verletzt. Das alles geschieht in einem europäischen Land direkt an der Außengrenze der Union. Das Europäische Parlament reagiert stets und berechtigterweise auf Verletzungen der Menschenrechte, einschließlich der Rechte nationaler Minderheiten in verschiedenen Teilen der Welt, und kann daher den Ereignissen in Belarus nicht gleichgültig gegenüberstehen.

Die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie unterstützt den gemeinsamen Entschließungsantrag, insbesondere im Hinblick auf die Situation der Polen in Belarus. Daher rufe ich dazu auf, der Unterstützung des Bundes der Polen in Belarus und seiner rechtmäßigen Führung Priorität einzuräumen. Die Hilfe sollte in erster Linie über die polnischen Grenzregionen geleitet werden. Dabei müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass nicht Herr Lukaschenko den Schlüssel zu einer echten Lösung für die Probleme in Belarus in der Hand hält, sondern sein russischer Übervater Putin, ein ehemaliger KGB-Offizier. Sowohl Herr Putin als auch Herr Lukaschenko greifen auf die Methoden des Geheimdienstes des ehemaligen kommunistischen Regimes zurück. Das Europäische Parlament tut gut daran, das nicht zu vergessen.

 
  
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  Inese Vaidere (UEN).(LV) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige Politik der Europäischen Union gegenüber dem Lukaschenko-Regime ist ganz und gar inkonsequent. Die Europäische Kommission hat keinen angemessenen Aktionsplan, um die Entwicklung der Demokratie in der Praxis zu fördern. Zuweilen scheint es, als ob Belarus für die Kommission gar nicht existiert – es gibt es einfach nicht. Die Koordinierung von Aktionen und Information zwischen den Institutionen der Europäischen Union, dem Europarat und den Vereinten Nationen ist völlig unzureichend. Die demokratischen Kräfte in Belarus sind im Augenblick völlig zersplittert.

Ich möchte die Kommission auffordern, einen Aktionsplan zu erstellen, um die demokratischen Kräfte zusammenzubringen. Ferner muss die Kommission weiterhin die sofortige Freilassung von Oppositionsführer Mihail Marinich fordern, der aus politischen Gründen verurteilt wurde. Was die Einrichtung eines unabhängigen Rundfunksenders für Belarus betrifft, möchte ich auf zwei Punkte hinweisen. Erstens möchte ich meine tiefe Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass aufgrund der Bedingungen der angekündigten Ausschreibung die Rundfunksender der baltischen Staaten und Polens praktisch nicht mitwirken können. Sie können sich nicht einmal an einem Konsortium beteiligen. Dabei sind gerade diese Nachbarn von Belarus mit den in diesem Land stattfindenden Prozessen am besten vertraut. Zweitens müssen die Rundfunksendungen in erster Linie auf Belarussisch übertragen werden, wie Herr Posselt bereits sagte, damit sie bei der Bevölkerung ankommen. Die Tatsache, dass viele Menschen in Belarus Russisch besser können und kein Belarussisch sprechen, ist eine direkte Folge der Russifizierung. Diesen Prozess sollten wir nicht unterstützen.

 
  
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  Barbara Kudrycka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Oppositionsparteien, Nichtregierungsorganisationen sowie nationalen und religiösen Minderheiten in Belarus erwarten mit Ungeduld die Effekte der von der Europäischen Kommission und vom Rat ergriffenen Maßnahmen. Diese lassen jedoch auf sich warten, ebenso wie die Mittelzuweisungen der Europäischen Initiative für Demokratie. Der Solidaritätsfonds für Familien verfolgter Politiker ist noch immer in der Diskussion. Die Kommission von Venedig ist noch nicht aufgefordert worden, eine internationale Untersuchung über die Gültigkeit des Referendums durchzuführen, mit dessen Hilfe Präsident Lukaschenko die bisherige totalitäre Herrschaft über weitere Amtszeiten hinweg fortführen kann. Ebenso wenig ist eine europäische Vertretung in Minsk eingerichtet worden, obwohl die Auslandsvertretung der belarussischen Regierung in Brüssel aktiv ist. Personen, die an der Verfolgung von Nichtregierungsorganisationen, Minderheiten sowie der Protestantischen Kirchen beteiligt sind, dürfen sich frei in ganz Europa bewegen, da die Visabeschränkungen nur für einige von ihnen gelten.

Aus diesen Gründen appelliere ich an die Kommission, stärker aktiv zu werden und in diesen Fragen ein größeres Engagement an den Tag zu legen. Ich schlage die Ausarbeitung eines Berichts über die Lage in Belarus sowie die Durchführung von Anhörungen und gründlichen Analysen vor, mit dem Ziel, einen Plan für die kurzfristigen und langfristigen Beziehungen der Union zu Belarus zu erarbeiten. Ein solcher Bericht wäre auch nützlich für die Feststellung von Bedürfnissen und Bedrohungen, von Mitteln sowie von Maßnahmen, die die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ergreifen sollten. Derartige Maßnahmen müssen jedoch zusammenhängend und synchronisiert durchgeführt werden, damit sie Aussicht auf Erfolg haben.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wie viele Diktaturen müssen noch zusammenbrechen, und wie viele Dissidenten müssen im Gefängnis noch ihre Gesundheit oder ihr Leben aufs Spiel setzen, bis so jämmerliche Diktatoren wie Castro oder Lukaschenko begreifen, was sie ihren Nationen antun? Wie lange müssen sich noch Dissidenten für ihre Überzeugung, für die Verteidigung von fundamentalen Menschenrechten sowie von Freiheit und Gerechtigkeit jagen lassen?

Alle Bürger der freien Welt, und insbesondere diejenigen unter uns, die aus dem Teil Europas kommen, der unter der eisernen Herrschaft des Kommunismus gelebt hat, sind aufgerufen, Totalitarismus und die Missachtung der Menschenrechte zu bekämpfen. Daher hoffe ich sehr, dass die Europäische Kommission und der Europäische Rat an unserer Seite stehen und uns in unserem Kampf unterstützen werden.

Herr Kommissar, obwohl ich für die bisher ergriffenen Maßnahmen dankbar bin, ist meiner Meinung nach die Zeit gekommen, entschlossener Stellung zu beziehen. Wie lange können wir noch ertragen, dass die grundlegenden Werte, auf denen sich die Europäische Union gründet, in Belarus derartig missachtet werden, einem Land mit dem die Union eine gemeinsame Grenze hat? Diktatoren fallen früher oder später und hinterlassen ein Trümmerfeld. Ich meine damit zerbrochene und terrorisierte Gesellschaften, in denen den Bürgern der Geist der Unabhängigkeit und der Glaube an den eigenen Wert abhanden gekommen ist.

Wir müssen dem belarussischen Volk helfen, Lukaschenko zu stürzen, die Grundlagen für eine freie Zivilgesellschaft zu legen und die junge Generation zu erziehen. Wir sollten auch die demokratische Opposition in Belarus unterstützen und Verletzungen der Freiheiten und Menschenrechte der Bürger verurteilen. Die Kommission sollte sich für die belarussische Kultur, einschließlich der belarussischen Sprache als Teil dieser Kultur, einsetzen. Darum wäre die Unterstützung von Rundfunk- und Fernsehsendungen in Russisch ein Fehler, denn damit würden wir uns an der von Herrn Lukaschenko verordneten Russifizierung von Belarus beteiligen. Europäische Fonds sind für Radio- und Fernsehsendungen in belarussischer Sprache zu verwenden. Ich möchte in diesem Zusammenhang der Kommission auch mitteilen, dass solche Sendungen bereits existieren. Sie werden von Radio- und Fernsehsendern in Polen aus gesendet und können in Belarus empfangen werden. Diese Arbeit verdient unsere Unterstützung. Gleichen Beistand sollte auch der vorgeschlagene Radiosender erhalten, der von belarussischen Emigranten in Polen, Litauen und der Ukraine gegründet wird und nach Belarus sendet. Diejenigen von uns, die aus Mitteleuropa kommen, erinnern sich sicherlich noch daran, welche Hoffnung Radio Freies Europa für uns darstellte.

Europa wird immer ein Leuchtfeuer der Freiheit sein. Daher möchte ich dazu aufrufen, ein Radio Freies Belarus zu gründen.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich danke Ihnen für Ihre überzeugenden und gewichtigen Beiträge zu dieser Aussprache über Belarus und die Lage der Demokratie und Menschenrechte in diesem Land. Ich nehme die angesprochenen Probleme zur Kenntnis und werde sie weiterleiten, damit wir uns eingehend mit ihnen befassen können.

Ich möchte Ihnen dafür danken, dass sie die Arbeit der Kommission – darunter die Eröffnung der Vertretung der Kommission in Minsk – unterstützt haben. Wie Herr Onyszkiewicz sagte, können wir Belarus nicht im Stich lassen; wir können das Land nicht ignorieren. Ich teile die Ansicht der Abgeordneten, die sich sehr besorgt über die von Belarus eingeschlagene Richtung geäußert haben.

Große Sorge bereitet mir zudem die Tatsache, dass wir dieses strategische europäische Interesse nicht entschlossen genug verfolgen, was heute leider nur allzu häufig passiert. Wir sollten bei unseren laufenden existenziellen Überlegungen keinesfalls die Frage vernachlässigen, wie wir in unserer südöstlichen und östlichen Nachbarschaft, zu der beispielsweise die Türkei oder der Westbalkan, die Ukraine oder Belarus zählen, eine stabile Zone der Freiheit und der Demokratie fördern können. Dazu zählt u. a., dass wir die uns im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik zur Verfügung stehenden politischen Instrumente umfassend nutzen und weiter ausgestalten.

Es wurden einige konkrete Fragen an die Kommissarin gerichtet, und wie ich bereits sagte, habe ich sie an unsere Dienststellen weitergeleitet. Ich möchte etwas zum Sprachenproblem sagen. Weshalb treten wir dafür ein, dass sowohl in russischer als auch in belarussischer Sprache gesendet wird? Das hängt mit einem simplen Problem zusammen, das wir nicht außer Acht lassen dürfen: 65 % der belarussischen Bevölkerung sprechen zu Hause Russisch, während nur 5 % zur Hause Belarussisch sprechen. Um die Menschen mit unserer Botschaft zu erreichen, müssen wir die Tatsache berücksichtigen, dass die Mehrheit der belarussischen Bevölkerung zu Hause Russisch spricht. Aus eben diesem Grund haben wir entschieden, in beiden Sprachen, also Russisch und Belarussisch, zu senden: In Russisch aus pragmatischen Gründen, weil das die Sprache ist, die die meisten Menschen im Alltag sprechen, und in Belarussisch aus symbolischen Gründen, weil das die Sprache ist, die von einem neuen, freien Belarus kündet, das wir uns alle wünschen.

Die Stimme des Europäischen Parlaments und seine Unterstützung für unsere Initiative verleiht den Bemühungen der Europäischen Union um mehr Demokratie und Achtung der Menschenrechte in Belarus deutlich mehr Gewicht. Das war nie so wichtig wie heute im Vorfeld der Wahlen, die sich, sofern sie fair verlaufen, als schicksalhafter Wendepunkt in der Entwicklung des Landes erweisen könnten.

 
  
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  Der Präsident. – Danke Herr Kommissar. Ich habe zum Abschluss dieser Aussprache sieben Entschließungsanträge gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung erhalten(1).

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung über die Entschließungsanträge findet morgen um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Vielen Dank, Herr Präsident! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens. Allzu oft sah sich das Parlament in letzter Zeit veranlasst, sich mit dem Verhalten der belarussischen Regierung zu befassen, des letzten Bollwerks kommunistischer autoritärer Regime auf unserem Kontinent.

Präsident Lukaschenko setzt seine antiliberale Politik fort, indem er die Stimmen unzähliger Menschen, vor allem Jugendlicher, die eine freiheitliche Zukunft für ihr Land fordern, unterdrückt.

Einige Grundrechte der Menschen werden stetig und bewusst durch die Zentralregierung verweigert, die sogar ihren Griff verstärkt hat und die Bürger daran hindert, ihre Gedanken, ihre politischen Überzeugungen und ihren Glauben frei zum Ausdruck zu bringen. Die Minderheiten im Land genießen keinen ausreichenden Schutz, sondern sind oft Opfer von Übergriffen und Diskriminierungen.

Es ist nicht hinnehmbar, dass all dies vor unserer Haustür geschieht.

Wir pflichten dem Ansatz von Präsident Barroso bei und meinen, dass die Einrichtung einer ständigen Vertretung der Europäischen Union in Minsk beschleunigt werden sollte: um Informationen zu verbreiten, Koordinierungs- und Unterstützungsaufgaben wahrzunehmen und die Lage in Belarus, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Menschenrechte, zu beobachten.

Europa muss die Fähigkeit und die Kraft haben, eine wirksame politische Maßnahme einzuleiten, nicht zuletzt durch eine engere Zusammenarbeit mit den Kräften der politischen Opposition des Landes, die mit zunehmender Unterstützung der Bevölkerung dafür kämpfen, Belarus eine andere und bessere Zukunft zu sichern.

 
  

(1)Siehe Protokoll.

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