Präsident. Als nächster Punkt folgt eine Erklärung der Kommission zum Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm für 2006.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! 2005 war für Europa kein leichtes Jahr. Europa musste sich mit dem Terrorismus, mit sozialer Unsicherheit, mit Naturkatastrophen auseinandersetzen. Auf institutioneller Ebene mussten wir uns all diesen Schwierigkeiten stellen, ohne dass uns eine Verfassung zu Hilfe kam und ohne dass wir bislang über einen mehrjährigen Haushaltsrahmen verfügen. Die Union sah sich veranlasst, den Integrationsprozess selbst zu hinterfragen, aber wir sind überzeugt, unsere Kommission ist überzeugt, dass die Europäische Union niemals so notwendig war wie heute.
Wir sind stolz auf die entschiedene und klare Antwort, die die Kommission auf diese Situation geben konnte. In enger Zusammenarbeit mit dem Parlament haben wir alle die Herausforderungen bestanden. Hier einige Beispiele für das, was wir gemeinsam vollbracht haben: die Erneuerung der Strategie von Lissabon, eine Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Sinne der Stärkung der Glaubwürdigkeit der wirtschaftlichen Governance Europas, mehr Solidarität dank der Verabschiedung einer erneuerten Sozialagenda, die volle Anerkennung der führenden Rolle des sozialen Dialogs und seiner Akteure, der Kampf für eine sauberere Umwelt mit der Verabschiedung thematischer Strategien und der Fortführung unserer internationalen Tätigkeit im Bereich des Klimawandels, eine bessere Sicherheit dank der Umsetzung unseres ehrgeizigen Haager Programms parallel zu zahlreichen anderen Initiativen, vor allem zu unseren Vorschlag zur Vorratsspeicherung von Daten, die Förderung der europäischen Werte in der Welt – zu nennen wäre hier die Verpflichtung zur Verdopplung der Hilfe der Union für die Entwicklungsländer und die Verabschiedung einer Strategie für Afrika –, die Verstärkung unserer Partnerschaften mit unseren strategischen Verbündeten wie den Vereinigten Staaten und die Fortsetzung eines offenen Dialogs mit neuen wichtigen Partnern wie China sowie schließlich die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien.
Die Kommission ist ihrer Verantwortung gerecht geworden. Unser Leitfaden war und bleibt das allgemeine europäische Interesse. Alle im Jahr 2005 ergriffenen Initiativen sind die erste konkrete Umsetzung der strategischen Ziele, die wir uns für fünf Jahre gesetzt haben. Das Programm, das wir heute vorstellen, bleibt den Zielen treu, die wir zu Beginn unseres Mandats beschlossen haben: Wohlstand, Solidarität im erweiterten Europa, Sicherheit und Stärkung der Rolle Europas in der Welt.
Diese Ziele haben nichts an Aktualität eingebüßt. Sie werden von den drei Institutionen geteilt, die sie zur wichtigsten Richtschnur ihres Handelns machen. Ich sehe darin ein Zeichen der Partnerschaft für die europäische Erneuerung, die ich in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen wollte. Das Rahmenabkommen ist eine konkrete Umsetzung dieser Partnerschaft zwischen unseren beiden Institutionen. Es stellt einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der politischen Initiativen dar. Es ermöglichte einen engeren und gezielten Dialog zwischen den Parlamentsausschüssen und den Kommissaren über die beste Art und Weise der Umsetzung der jährlichen politischen Strategie in konkrete Initiativen. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass dieser Dialog einen positiven Beitrag zu dem Programm geleistet hat, das ich Ihnen heute vorstelle. Ich hoffe, dass Sie Ihre Ideen, einschließlich derer, die Sie in der heutigen Debatte entwickeln, in den Maßnahmen, die wir uns für das Jahr 2006 vorgenommen haben, wiederfinden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ganze Potenzial Europas freizusetzen, das ist der Ansatz, von dem sich die Kommission bei der Erarbeitung ihres Legislativ- und Arbeitsprogramms für 2006 leiten ließ.
Welches sind die Schlüsselaktionen für 2006? Zunächst sind da die Bemühungen um die Förderung des Wohlstands. 2006 wird ein wesentliches Jahr für die Umsetzung der erneuerten Lissabonner Strategie sein. Die Kommission wird ihrer Rolle als Impulsgeberin und Begleiterin für die Anstrengungen der Mitgliedstaaten voll gerecht werden. Die nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten, die uns bereits zur Analyse vorliegen, werden in diesem Prozess eine grundlegende Rolle spielen. Es gilt, diese Programme mit unseren politischen Prioritäten zu verbinden, die wirtschaftliche Governance der Union zu verbessern und die nationalen und europäischen Reform- und Investitionsanstrengungen zu verstärken; gemeint sind Investitionen auf nationaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene mit Blick auf die Wirtschaft von morgen, Innovation, Wissen und neue Infrastrukturen. Diese beiden Arten von Investitionen, auf nationaler und auf europäischer Ebene müssen gleichzeitig erfolgen. Wir müssen diese Anstrengungen durch andere Initiativen unterstützen, so durch Vorschläge zur Vervollkommnung des Binnenmarktes, die Förderung der geografischen und beruflichen Mobilität und beispielsweise die Gründung eines Europäischen Technologieinstituts.
Besonders hervorzuheben sind die Vorschläge, die das Parlament selbst in seiner Entschließung zum Arbeitsprogramm zum Binnenmarkt gemacht hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Maßnahmen unterstreichen, die darauf gerichtet sind, einen günstigen Rahmen für die Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen als den Hauptverantwortlichen für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa zu schaffen.
Der zweite Aspekt betrifft die Solidarität. Die Solidarität bleibt eine grundlegende Komponente des europäischen Aufbauwerks, und ich möchte hier von der Solidarität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sprechen. Zugleich meine ich die Solidarität zwischen den Generationen mit Hilfe einer guten Verwaltung der natürlichen Ressourcen, einschließlich der Meeresressourcen, und der Erarbeitung einer neuen Strategie für nachhaltige Entwicklung – diese neue Strategie werden wir im Dezember vorstellen.
Zur Solidarität zwischen den Generationen gehört auch die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen und die Suche nach fairen Lösungen für die Finanzierung der Renten. Vergessen wir auch nicht die Solidarität zwischen Männern und Frauen oder die Solidarität zwischen den wohlhabenderen und den ärmeren Mitgliedstaaten sowie die Solidarität zwischen der Union und dem Rest der Welt, vor allem gegenüber den Entwicklungsländern. 2006 wird ein wesentliches Jahr sein, um all diese Probleme in Angriff zu nehmen.
Im Bereich der Sicherheit wird besondere Aufmerksamkeit der Verbesserung der Koordinierung im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität gelten. Es ist deutlich geworden, welchen Einfluss das Gemeinschaftsrecht in diesen Fragen hat. So kann ich Ihnen beispielsweise versichern, dass einer der Beschuldigten im Rahmen der Anschläge von London innerhalb von weniger als 50 Tagen von Italien an das Vereinigte Königreich ausgeliefert wurde. Ein solches Verfahren hätte sich ohne gemeinschaftliche Instrumente über mehrere Jahre hingezogen. Dies ist also ein Bereich, in dem ganz eindeutig die Bürger, auch die Bürger der Länder, die weniger begeistert für die europäische Integration sind, von Europa, von der Europäischen Union mehr und nicht weniger verlangen.
Im Übrigen werden wir auf dem Gebiet der illegalen Zuwanderung sehr aktiv sein, wie wir bereits gesagt haben. Die Probleme, denen sich einige unserer Mitgliedstaaten gegenübersahen, betreffen nicht sie allein: In Wirklichkeit handelt es sich um Probleme, die wir in ganz Europa erleben. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten müssen wir diese Geißel entschieden bekämpfen. Natürlich ist das Problem der Zuwanderung nicht ausschließlich ein Sicherheitsproblem. Gewiss weist es eine Sicherheitsdimension auf, denn es gilt, die illegal organisierte Zuwanderung zu bekämpfen. Aber zugleich müssen wir etwas für die Entwicklungshilfe in den Herkunftsländern tun. Wir müssen unseren Ansatz zur Zuwanderung mit unserem Entwicklungsansatz verbinden, und gleichzeitig müssen wir alles für eine harmonische Integration der Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft in unseren Ländern tun.
Wir wollen auch unsere Aktivitäten auf dem Gebiet des Gesundheits- und Verbraucherschutzes fortsetzen, der im weiteren Sinne ebenfalls zum Sicherheitsbereich gehört. Weiterhin wird ein wesentliches Element in der Entwicklung einer Krisenreaktionskapazität für den Katastrophenschutz bestehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die 96 vorrangigen Initiativen, die wir Ihnen vorstellen, sind der Beweis unseres Engagements für diese Ziele: Wohlstand, Solidarität, Sicherheit und Außenwirkung Europas in der Welt. Ihre Glaubwürdigkeit wird jedoch auch von ihrer Qualität abhängen. Deshalb wird die Kommission rigoros die verstärkten Methoden ihres Programms „Bessere Rechtsetzung“ anwenden. Diese Methoden sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die Absichten, die wir teilen, zu einer Realität werden zu lassen, die für unsere Bürger wirklich in ihrem Alltagsleben erfahrbar wird.
Für 2006 erstrecken sich unsere Ambitionen darauf, Europa zu einem internationalen Partner zu machen, der einen größeren Einfluss ausübt. An dieser Front muss es auch 2006 konkrete Ergebnisse geben: konkrete Ergebnisse hinsichtlich des Erweiterungsprozesses und des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses; konkrete Ergebnisse für unsere Nachbarschaftspolitik, die eine sehr wichtige Politik für die Stabilität in Europa und den unmittelbar angrenzenden Regionen darstellt; konkrete Ergebnisse in der Armutsbekämpfung, indem wir unser Versprechen, die Hilfe zu verdoppeln, in die Tat umsetzen; und schließlich Ergebnisse im Bereich der Förderung der europäischen Werte in der Welt, vor allem durch die Unterstützung des politischen Reformprozesses und des Wiederaufbaus in Afghanistan, Irak und Palästina.
(EN) Die internationale Wirtschaftsagenda 2006 wird von einem Thema beherrscht: dem Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde.
Pascal Lamy stellte fest, dass eine Angleichung der Erwartungen im Vorfeld der im kommenden Monat in Hongkong stattfindenden Ministerkonferenz nicht bedeutet, dass wir unsere ehrgeizigen Ziele für die Doha-Entwicklungsrunde zurückschrauben. Dem stimme ich zu. Die Runde ist wichtig für die Öffnung der Märkte und die Förderung des freien Handels. In der Europäischen Union kurbelt eine starke Exporttätigkeit unser Wachstum an. Wir sind an einem erfolgreichen Abschluss der Runde interessiert. Deshalb haben wir unlängst unser an Bedingungen geknüpftes Angebot – und ich betone das Wort „Bedingungen“ – im Bereich Agrarwirtschaft unterbreitet. Niemand hat sich so intensiv um die erfolgreiche Fortsetzung der Doha-Runde bemüht wie Europa. Wir tun dies auch weiterhin, aber jetzt müssen sich auch andere bewegen.
Im Mittelpunkt der Runde muss mehr stehen als die Agrarwirtschaft, so wichtig sie auch sein mag. Es gilt, das richtige Maß zu finden. Deshalb fordere ich unsere WTO-Partner auf, sich an umfassenden Verhandlungen zu beteiligen, die auch Waren und Dienstleistungen einschließen. Europa braucht keine Belehrungen von Ländern, die den Ärmsten der Armen Zugang zu ihren Märkten verweigern und in einigen Fällen höhere Zölle für Agrarprodukte erheben als wir selbst. Ich akzeptiere nicht, dass einige Leute wegen dieser Runde Europa die Schuld geben.
Wir in der Europäischen Kommission glauben, dass diese Verhandlungen nicht einfach zugunsten einiger großer Agrarexporteure in sehr reichen oder sich rasch entwickelnden Ländern geführt werden können. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den ärmsten Entwicklungsländern und solchen, die sich rasch entwickeln. Es ist an der Zeit, mit den Belehrungen aufzuhören und mit den Verhandlungen zu beginnen.
Ein Scheitern hätte einen hohen Preis, und zwar nicht nur für alle Handelsnationen, sondern auch für das faire, festen Regeln folgende internationale Handelssystem, das wir mit so viel Mühe aufgebaut haben, wie auch für die weltweiten Konjunkturerwartungen. Die Weltwirtschaft braucht vor allem wegen der hohen Energiepreise einige positive Nachrichten. Ein erfolgreicher Abschluss dieser Runde liegt also in unserem Interesse, aber nicht allein in unserem Interesse, sondern vor allem im Interesse der ärmsten Länder. Deshalb wird sich die Kommission im Vorfeld von Hongkong dazu äußern, wie wir dafür sorgen können, dass dies wirklich eine Entwicklungsrunde ist.
Morgen werden wir über die Umsetzung der Beschlüsse des Gipfels in Hampton Court sprechen. Der neue Konsens, der sich dort herauszubilden begann, hat auch etwas mit der heutigen Aussprache zu tun. Die von der Kommission vorgenommene Analyse der Frage, wie unsere Werte in einer globalisierten Welt zu schützen sind, hat sich auf dem informellen Gipfel bestätigt. Wenn wir unsere Werte erhalten wollen, müssen wir unsere Politik modernisieren.
Wir konnten eine Einigung zu den Bereichen erzielen, in denen Europa den Ton angeben soll, und zwar in Wissenschaft und Innovation, im Hochschulbereich, im Energiesektor, beim Grenzschutz und bei der Einwanderung. Europa muss auf internationaler Ebene verstärkt mit einer Stimme sprechen. Viele interne Politikbereiche der Gemeinschaft wie Umwelt, Migration, Verkehr, Energie und andere verfügen inzwischen über eine externe Komponente. Deshalb wird die Kommission im nächsten Jahr Vorschläge zur besseren Abstimmung der außenpolitischen Maßnahmen der Europäischen Union vorlegen. Wir erarbeiten derzeit eine Konzeption dazu.
Die europäischen Institutionen müssen in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen, einen Konsens erarbeiten und Bürgernähe herstellen. Deshalb habe ich heute angekündigt, dass die Kommission 2006 eine neue, wahrhaft europäische Energiepolitik vorschlagen wird. Es ist erfreulich, dass die Menschen in allen Bereichen der Europäischen Union inzwischen verstehen, dass Alleingänge bei der Bewältigung der Probleme im Energiesektor wenig sinnvoll erscheinen. Selbst die größten Zweifler erkennen jetzt, dass wir es hier mit einem europäischen Problem zu tun haben und dass wir alle vor den gleichen Herausforderungen stehen, zu denen steigende Preise, schrumpfende Vorräte, eine zunehmende Abhängigkeit von wenigen Teilen der Welt sowie die Notwendigkeit, unsere Umwelt zu schützen, zählen. Wir brauchen eine koordinierte Energiepolitik für das 21. Jahrhundert, damit wir all diese Probleme und Möglichkeiten mit Bedacht und Entschlossenheit angehen können.
Wir vergessen häufig, was für eine bemerkenswerte Leistung die europäische Integration darstellt. Es wird nur allzu leicht übersehen, dass eine der Leistungen des Jahres 2005 darin bestand, dafür zu sorgen, dass die erweiterte Europäische Union funktioniert, und das ist vor allem auch das Verdienst der neuen Mitgliedstaaten. Ich denke, dass wir 2006 noch mehr erreichen können und werden. Sehr oft wird vergessen, dass Europa kein Mini-Europa ist. Heute besteht Europa aus 25 freien und unabhängigen Mitgliedstaaten, die in Frieden und Demokratie leben. Die Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass dieses erweiterte Europa als Ganzes funktioniert. Wir haben in diesem Jahr maßgeblich zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Aufgabe beigetragen.
Ende dieser Woche werde ich nach Prag und Budapest reisen, um diese neue erweiterte Europäische Union zu besuchen und zu unterstützen. Ich bin zuversichtlich, weil immer mehr Menschen begreifen, dass die endlosen Debatten über Erweiterung oder Vertiefung und über Markt oder soziale Sicherung nicht weiterführen und weil selbst inmitten der derzeitigen Schwierigkeiten die Erkenntnis wächst, dass wir eine stärker auf Europa ausgerichtete Dimension brauchen, wenn wir die Probleme lösen wollen.
Es bildet sich ein dahingehender Konsens heraus, dass es in einem mächtigen, dynamischen Europa nicht 25 Mini-Dienstleistungsmärkte oder 25 Mini-Energiemärkte geben kann, sondern dass der Binnenmarkt ein mächtiges, dynamisches politisches und soziales Europa erfordert. Der Markt allein reicht nicht aus. Mit dem Markt allein lassen sich keine Lösungen für Probleme wie die Flugsicherheit, die globale Erwärmung oder die Integration von Zuwanderern finden.
Ja, es geht um ein pragmatisches Europa, aber um einen mit Grundsätzen versehenen Pragmatismus, es geht um einen echten Zugewinn in Bereichen, in denen wir etwas bewirken können. Es geht darum, Handlungskonzepte zu gestalten, die eine Antwort auf die Globalisierung darstellen und den Herausforderungen und Chancen unserer alternden Bevölkerung gerecht werden, es geht um ein Europa, das Teil der Lösung ist und nicht Teil des Problems.
Ich sehe eine Parallele zu Maßnahmen in Verbindung mit der Zeit der Reflexion, an denen Sie als Abgeordnete des Europäischen Parlaments intensiv beteiligt sind. Wir als Institutionen müssen zeigen, dass wir den Bürgern aufmerksam zuhören, dass wir auf ihre Sorgen eingehen. Deshalb werden wir den Plan D für Dialog und Demokratie umsetzen, und dabei zählen wir auf die offene Zusammenarbeit mit dem Parlament.
Ich habe mir die vielleicht wichtigste Information über das Arbeitsprogramm für 2006 bis zum Schluss aufgehoben. Die Pläne für 2006 sind wenig wert, wenn es uns nicht gelingt, nächsten Monat eine Einigung zur Finanziellen Vorausschau zu erzielen. Diese Einigung ist die Nagelprobe dafür, ob sich Europa wirklich bewegt. Wie können wir unseren Bürgern Wohlstand, Solidarität und Sicherheit bieten, wenn uns nicht die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen? Eine Einigung zur Finanziellen Vorausschau ist der Schlüssel dafür, dass wir das Potenzial der EU 2006 freisetzen können. Eine erweiterte und vielgestaltigere Europäische Union braucht größere Investitionen. Es ist unsere Pflicht, uns gegenüber den neuen Mitgliedstaaten, die von der Europäischen Union Unterstützung für ihre raschen und bemerkenswerten Fortschritte bei der Modernisierung und Reformierung erwarten, solidarisch zu verhalten.
Die Lasten müssen gerecht verteilt werden. Kein Mitgliedstaat kann die Erweiterung ohne größeren finanziellen Aufwand bewältigen. Ich vertraue auf die Vernunft des britischen Ratsvorsitzes und gehe davon aus, dass er uns im kommenden Monat eine ausgewogene Einigung vorlegen wird. Ich hoffe, dass er dabei die von der Kommission und vom Parlament für ein erweitertes Europa verfolgten Ziele stärkt und nicht verwässert. Ich hoffe und glaube, dass die Vorschläge, die ich Ihnen letzten Monat vorgelegt habe, dazu beitragen werden, das Verhandlungspatt zu überwinden.
Ich möchte Sie heute dazu aufrufen, dass wir 2006 diesen neuen Konsens festigen und weiter ausbauen, dass wir diese kollektive Zielstrebigkeit wieder herstellen, die Europa wieder auf die Beine helfen wird; ein geeintes Europa, das sich gemeinsam für die Belange einsetzt, die unseren Bürgern am meisten am Herzen liegen. Meines Erachtens stellt das die bestmögliche Antwort auf die Ablehnung der Verfassung vor einigen Monaten dar. Gleichzeitig bildet dies den Kern des Programms der Kommission für das zweite Jahr unserer Partnerschaft. Ich hoffe, ich kann auf Ihre aktive Unterstützung zählen. Ich kann mir kein besseres Signal denken, um unseren Bürgern deutlich zu machen, dass sich Europa für ihre Interessen einsetzt.
(Beifall)
Françoise Grossetête, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissionspräsident! Das von Ihnen vorgestellte Programm enthält wesentliche Prioritäten wie Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit, Binnenmarkt, und wir unterstreichen unseren Willen, die Ziele von Lissabon in die Tat umzusetzen. Hierzu bedarf es allerdings der entsprechenden Mittel. Ich fürchte nun aber, dass es an der Ambition fehlt, die Erwartungen eines Europas in der Krise zu erfüllen.
Ihre Methodologie des Plans D, für Demokratie, Dialog und Debatte, ist ebenfalls interessant, vorausgesetzt, er wird nicht zu einem Plan der Demagogie oder der Enttäuschung. Denn in diesem Plan D fehlt etwas, nämlich die Entschlossenheit, Ihre Entschlossenheit, konkrete Lösungen zu finden. Was mich beschäftigt, Herr Präsident, ist die Frage, welche Arbeitsplätze wir in Europa in fünf Jahren haben werden. Nicht nur Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, sondern auch in der Industrie. Welche Arbeitsplätze werden wir in Europa in fünf Jahren noch haben?
Wachstum, Beschäftigung, Sicherheit, das sind die drei Pfeiler, auf denen Europa seine Politik aufbauen muss. Aber hierfür brauchen wir in Ermangelung einer Verfassung eine politische Initiative, die den Rat, die Kommission, das Parlament zusammenführt, um die notwendigen Maßnahmen für das Funktionieren der europäischen Institutionen wirksam werden zu lassen. Auf keinen Fall kann es darum gehen, sich über das Ergebnis der Volksbefragungen hinwegzusetzen. Im Gegenteil. Sie wissen, dass die künftigen Erweiterungen sehr viele Europäer beunruhigen. Wenngleich Europa unbestreitbar die Anstrengungen unserer nächsten Nachbarn in Richtung Demokratie begleiten muss, dürfen Sie doch nicht den Eindruck erwecken, zu schnell voranzugehen und unaufhörlich erweitern zu wollen, während Sie weder das Problem unserer Institutionen noch das der Finanzen Europas gelöst haben.
Herr Präsident, wir bekunden erneut unsere Ambition, auf eine starke Europäische Kommission setzen zu können. Wir werden an Ihrer Seite stehen, aber Sie müssen uns besser zuhören. Der Rat ist nicht Ihr einziger Gesprächspartner. Im Übrigen wäre es sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen der Präsidentschaft der Europäischen Union und unserem Hause zu verstärken.
Anlässlich des jüngsten Gipfeltreffens in Hampton Court hat der Rat Sie ersucht, in Fragen der Migration und der inneren Sicherheit einen neuen Impuls auszusenden. Wir freuen uns über diese Initiative, weil der Rat bislang die von unserem Hause geforderte justizielle Zusammenarbeit eher gebremst hat. Diese Fragen der inneren Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus dürfen nicht ausschließlich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit vorbehalten bleiben. Deshalb erwarten wir starke einschlägige Initiativen und fordern auch eine vollständige Überprüfung der Schutzmaßnahmen für das Internet, die es ermöglichen sollen, eine Cybersicherheit zu schaffen, ohne jedoch die Freiheit des Internets einzuschränken.
„Better regulation“ soll nicht heißen: „nichts tun“, sondern „es besser tun“, die Intervention der Europäischen Union zielgerichteter einsetzen. Bevor man einen Vorschlag macht, muss man darüber nachdenken, wo die Pluspunkte Europas liegen. Das ist unter anderem wichtig für die Forschungsförderung. So begrüßen wir die Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts. Dieses Plus besteht auch darin, über die korrekte Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften zu wachen. Jeder Kommissar sollte vierteljährlich eine klare und präzise Bestandsaufnahme veröffentlichen. Überprüfungsbedarf gibt es auch beim Komitologie-Verfahren, und wir wünschen uns ebenfalls, stärker in den unerlässlichen Prozess zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften eingebunden zu werden. Die Kommission will sich den Problemen der Europäer von heute, aber auch den Herausforderungen von morgen widmen.
Für besonderes wichtig halte ich zwei Aspekte. Da sind erstens die Demografie und die Alterung der Bevölkerung. Diesbezüglich gilt es günstigere Rahmenbedingungen für die Familie zu schaffen. Obwohl hier die Mitgliedstaaten zuständig sind, kann die Union versuchen, die besten Initiativen innerhalb der 25 Mitgliedstaaten zusammenzufassen, und effiziente Lösungen auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik vorschlagen.
Der andere Aspekt ist die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und insbesondere der Impuls für die Energiepolitik. Der Vorschlag eines Aktionsplans zur Energieeffizienz sowie zum Projekt eines Grünbuchs mit dem Ziel der Gewährleistung sicherer, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger Energieträger geht in die richtige Richtung. Wir werden darüber wachen, dass diese Ziele, in die Tat umgesetzt werden, vor allem im Bereich der Entwicklung von Biotreibstoffen und der Binnenschifffahrt.
Schließlich wird Europa umso stärker sein je größer sein Gewicht in den internationalen Verhandlungen ist. Wir wissen, dass wir von der Ministertagung in Hongkong nicht viel zu erhoffen haben, aber wir fordern Sie auf, die im Jahr 2003 beschlossene Reform der GAP nicht in Frage zu stellen und stets eine multifunktionelle Landwirtschaft zu unterstützen. Jedoch werden unsere Zukunftsperspektiven null und nichtig sein, wenn wir nicht bis Ende des Jahres eine Finanzielle Vorausschau haben. Wie soll man sich die Funktionsweise mit jährlichen Budgets vorstellen? Sie selbst haben gesagt, Herr Präsident, dass das Jahr 2006 wesentlich sein wird, um auf Worte konkrete Taten folgen zu lassen. Sie wissen, dass zahlreiche Projekte auf diesen Haushalt warten. Das Parlament hat mit dem Bericht Böge seine Arbeit getan. Nun ist es an Ihnen, auf die britische Präsidentschaft einzuwirken, dass sie Europa aus diesem Engpass herausführt.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, liebe Kommissarinnen und Kommissare! Vieles von dem, was im Programm steht und was Präsident Barroso heute gesagt hat, können wir sicherlich unterstützen, insbesondere – und ich möchte diesen Punkt von Enrique Barón Crespo aufgreifen – die Versuche von Kommissar Mandelson, eine ausgeglichene Verhandlungsrunde in Hongkong zustande zu bringen. Trotz seiner Skepsis hoffe ich doch, dass wir dies zustande bringen.
Herr Präsident, Sie sagen in Ihrem Programm, das ein sehr ambitioniertes Programm ist, dass Sie das ganze Potenzial Europas freisetzen wollen. Aufgrund der Überlegungen unserer Fraktion glaube ich allerdings, dass darin einige wesentliche Punkte fehlen.
Ich möchte mit den Unruhen in den französischen Städten beginnen. Sicherlich sind das französische Ereignisse. Aber dahinter liegen doch tiefere Ursachen. Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum wir als Fraktion immer darauf hingewiesen haben, wie wichtig der soziale Zusammenhalt ist, denn dort wo Arbeitslosigkeit, Mangel an Integration, Isolation und Diskriminierung herrschen, kann es leicht zu solchen Unruhen kommen. Was diesbezüglich im Programm auch eindeutig fehlt, ist eine klare Aussage zur Bedeutung öffentlicher Dienstleistungen. Gerade in den Städten sind sie besonders wichtig, um zum Beispiel auch denen, die weniger Chancen haben, entgegenzukommen und ihnen zu helfen.
Ein zweites Kapitel, das Sie angesprochen haben, Herr Kommissionspräsident, ist die Energiefrage. Ich schätze den Herrn Energiekommissar sehr und arbeite gut mit ihm zusammen. Aber wir haben schon des Öfteren darauf hingewiesen, wie wichtig es angesichts der Entwicklungen ist, dass die gesamte Kommission sich klar zu einer alternativen Energiepolitik bekennt. Es wäre außerdem wichtig, Herr Kommissionspräsident, dass Sie das, was in Amerika fast durchwegs praktiziert wird, auch in Europa aufgreifen, nämlich die großen Konzerne dazu verpflichten, wenigstens einen Teil ihrer horrenden Gewinne dazu zu verwenden, um verstärkt in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wir sind neugierig auf das Grünbuch, das schon längst vorliegen sollte. Wir werden jedenfalls eine sehr heftige und ernsthafte Debatte dazu führen.
Drittens das Forschungspotenzial: Wir müssen das Forschungspotenzial wecken. Wir diskutieren jetzt das Siebte Forschungsrahmenprogramm. Aber gibt es innerhalb der Kommission auch eine Umsetzungskonzeption? Das European Institute of Technology ist beispielsweise in Ihrem Programm nur sehr vage und vorsichtig erwähnt. Sie müssen hier mit mehr Mut und Entschlossenheit auftreten und auch ein Konzept der europäischen Universitäten präsentieren. Wir müssen aufhören, Amerika durch den Export junger Forscher nach Amerika zu subventionieren. Wir bilden sie aus und lassen sie dann nach Amerika gehen, weil sie in Europa zu wenig Chancen haben. Wir brauchen auch ein Konzept, um vor allem Klein- und Mittelbetrieben besseren Zugang zu den Forschungsmitteln zu gewähren. Auch das ist absolut notwendig.
Was das Thema „bessere Rechtsetzung“ betrifft, so gebe ich Ihnen Recht. Wir müssen zu besseren Gesetzgebungsverfahren kommen. Das liegt im Interesse vieler großer Unternehmen, im Interesse der Klein- und Mittelbetriebe, aber auch im Interesse des einzelnen Bürgers. Wir unterstützen den Plan der Frau Vizepräsidentin. Aber bessere Rechtsetzung ist auch eine Aufgabe für uns, das Parlament. Wir müssen dem Bürger viel stärker denn je jede einzelne Gesetzesinitiative erklären, begründen und rechtfertigen. Wir müssen mit der notwendigen Sensibilität vorgehen. Wir müssen zielorientierter handeln. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass die Kommission die Gesetzmäßigkeit im Sinne der einzelnen Maßnahmen überprüft, sondern darauf, ob die Länder die Ziele, die jeweils mit der europäischen Gesetzgebung verbunden sind, auch erfüllen können.
Zur Frage des Sozialen: Sie haben mit Recht darauf hingewiesen. Nur wird in dem Programm viel zu wenig deutlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung mit der sozialen Entwicklung Hand in Hand gehen muss. Hier würde ich mir wünschen, dass Sie im nächsten Jahr seitens der Kommission einen Bericht über die Fortschritte bei der Erweiterung vorlegen. Ich möchte das Thema Erweiterung – vielleicht in einem etwas anderen Sinn – aufgreifen. Viele Bürger sind skeptisch. Aber viele Bürgerinnen und Bürger in den alten Ländern haben den Eindruck, dass die Erweiterung dem Herabnivellieren sozialer Standards und der Steuern dient. Wenn ich mir die Debatte anschaue, die wir mit Ihnen, Herr Präsident und mit Kommissar McCreevy geführt haben, dann glaube ich nicht, dass wir genügend vermitteln konnten, wie wichtig uns diese soziale Frage ist. Und wenn ich jetzt im Zentralorgan der Kommission, in der Financial Times, lese, dass Herr McCreevy absolut gegen die Steuerharmonisierung ist, so frage ich mich: Ist es tatsächlich unser Ziel, dass wir unsere direkten Steuern immer weiter senken und unsere sozialen und sonstigen Infrastrukturleistungen nicht finanzieren können? Ist es unser Ziel, dass wir das gemeinsame Europa auf einem viel niedrigeren sozialen Standard erreichen? Unser Ziel muss sein, dass wir – die alten und die neuen Länder gemeinsam – ein soziales Europa erreichen. Ich wünsche mir, dass die Kommission nächstes Jahr einen Bericht dazu vorlegt.
Die Financial Times hat vor kurzem geschrieben, dass viele Staatsmänner großer Länder – Schröder, Chirac, Blair – in den nächsten Jahren abtreten werden. In Polen haben wir eine völlig neue Regierung. Die Kommission muss in dieser Zeit, in der neue Regierungen und neue Regierungschefs kommen, die mit Europa vielleicht nicht so vertraut sind, eine Führungsrolle in diesem Europa übernehmen, sonst geht der europäische Gedanke immer mehr verloren. Wenn Sie diese Führungsrolle übernehmen, werden wir Sie unterstützen, aber bitte übernehmen Sie eine Führungsrolle im Sinne eines sozialen Europas!
Silvana Koch-Mehrin, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, verehrte Kommissarinnen und Kommissare! Das Arbeitsprogramm für 2006 ist nicht irgendein Programm. Es muss ein Programm sein, das die EU wieder für jeden Bürger sichtbar, und zwar positiv sichtbar macht.
Das Glaubwürdigkeits- und Akzeptanzproblem der EU mag nicht mehr in den Schlagzeilen zu findensein, aber es besteht natürlich immer noch und es kann jederzeit wieder in die Schlagzeilen zurückkommen. Es ist bei weitem nicht überwunden. Deshalb ist die Herausforderung für die EU umso größer: Ihre Politik muss zeigen, dass sie sich für die Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich lohnt. Das erreicht man durch nachvollziehbare Politik, die Ergebnisse zeitigt, und zwar möglichst gute Ergebnisse. Das bedeutet dann nicht, möglichst viel Gesetzgebung mit möglichst weit reichenden Auswirkungen für einen möglichst großen Bevölkerungskreis zu produzieren. Nein, Grundthema der gemeinsamen europäischen Politik muss immer sein: Wie können wir Europa an die Spitze bringen?
Der Titel des Arbeitsprogramms, „Das ganze Potenzial Europas freisetzen“, ist da genau richtig. Das war übrigens das Wahlprogramm der Liberalen im Jahr 2004, und ich freue mich, dass Sie das aufgegriffen haben. Deswegen begrüße ich auch, dass das Arbeitsprogramm in Zusammenarbeit mit den Ausschüssen des Parlaments erstellt wurde. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein gemeinsames Programm aller EU-Institutionen aufzustellen. Alles andere ist nämlich Stückwerk und den Bürgern gegenüber gar nicht mehr zu vertreten.
Die vier zentralen Bereiche – sie wurden ja schon genannt – sind durchaus richtig. Demnach ist er Anspruch, diese Politik auch bürgernah zu gestalten, immer noch sehr weit davon entfernt, erfüllt zu werden. Struktur und Inhalt des Arbeitsprogramms erfüllen leider diese Anforderung der Bürgernähe nicht. Es ist jedenfalls nicht better regulation, wenn die beiden Teile, die vorgestellt werden, gar nichts miteinander zu tun haben und es deshalb keinen Zusammenhang in diesem Programm gibt.
Herr Barroso, ich möchte einige Bereiche, die uns Liberalen und Demokraten besonders wichtig sind, herausgreifen. Dass die Lissabon-Agenda die größte Priorität bekommt, ist sehr gut. Mit konsequenter Politik für Bildung, Forschung und Wachstum werden weitere Arbeitsplätze geschaffen und die EU wird dadurch wettbewerbsfähig werden. Dazu gehört natürlich auch, den gemeinsamen Markt für Dienstleistungen, auch für Finanzdienstleistungen, tatsächlich herzustellen. Wichtig ist auch, die Reform der Agrarpolitik ehrgeizig weiter voranzutreiben, z. B. indem dort mehr in landwirtschaftliche Forschung und Technologie umgeschichtet wird.
Im Bereich der inneren Sicherheit muss aus unserer Sicht zwei Aspekten gleich starke Bedeutung zukommen, nämlich dem Bedürfnis der Sicherheit und dem Respekt der Freiheiten. Es wird nämlich nicht mehr Sicherheit erreicht und auch der Terrorismus nicht besiegt werden, wenn genau die Freiheitsrechte der EU beschnitten werden, die der Terrorismus ja bekämpft.
Herr Barroso, verehrte Kommissarinnen und Kommissare, Europa ist das weltweit einzigartige Modell dafür, dass dauerhaft Frieden zwischen einst verfeindeten Ländern geschaffen wird. Europa ist auch einzigartig im friedlichen Export von Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechten. Das ist großartig, aber gerade um erfolgreich zu bleiben, muss es eine gemeinsame Richtung vorgeben. Wohin will Europa weitergehen? Unsere Verpflichtung als europäischer Gesetzgeber ist es daher, verständliche, verlässliche und prompte Antworten zu finden. Das muss unser tägliches Handwerkszeug und unsere tägliche Arbeit sein. Das müssen wir in den kommenden Wochen schon einmal exemplarisch für dieses Arbeitsprogramm für 2006 gemeinsam erreichen.
Allerdings müssen wir darüber hinaus einen gemeinsamen Traum formulieren, der uns Europäer eint. Victor Hugo sagte einmal: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Eine solche Idee war und ist Europa. Das Arbeitsprogramm kann ein Mosaikstein dieser Idee sein. Es muss allerdings passen für ein Europa, das nach vorne will und vor allem stärker sein will.
Pierre Jonckheer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren Kommissare! Wenn ich Ihnen zuhöre, Herr Barroso, und die Texte der Kommission lese, drängt sich mir als erstes das Gefühl auf, Ihnen viel Erfolg zu wünschen, und den wünsche ich uns allen, denn bei jedem der Projekte hat das Parlament natürlich ein Wort mitzureden und mit zu entscheiden. Die Worte „Wohlstand, Solidarität, Sicherheit“ klingen aus Ihrem Munde gut. Es gibt noch weitere Dreiklänge: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. In der Charta der Grundrechte findet man auch die Begriffe Würde und Gerechtigkeit. Was jedoch fehlt, ist der Begriff der Nachhaltigkeit. Ich selbst habe mir gesagt: auf Englisch sustainable, das klingt gut. Das französische Wort „soutenabilité“ klingt schon weniger gut, und das Wort „durabilité“, wie es auch heißt, noch weniger. Vielleicht könnte ein anderes Triptychon lauten: leben, mobil sein und lieben. Das nur als Vorschlag!
Nun aber ernsthaft, was hat Vorrang? Wenn man Ihnen zuhört, und redegewandt sind Sie ja, sagt man sich: „Er hat Recht“. Irgendetwas fehlt jedoch, und meine Fraktion verspürt immer ein gewisses Unbehagen. Dieses Unbehagen würde – lassen Sie mich noch ein Bild verwenden – wirklich verschwinden, wenn die von Ihnen für Dezember angekündigte Strategie der nachhaltigen Entwicklung sich nicht als das Stiefkind von Papa Barroso erweisen würde. Denn wissen Sie, dieses Bild mit Ihren drei Kindern ist in unser Gedächtnis eingegraben. Ich möchte versuchen, mich verständlich zu machen: Sie beziehen sich unablässig auf die amerikanische Wirtschaft, aber wissen Sie auch, dass die ökologische Belastung der amerikanischen Wirtschaft das Sechsfache dessen ausmacht, was der Planet ertragen kann? Und dass für die europäischen Wirtschaften diese Belastung zwischen drei und vier Mal schwankt? Das ergibt sich aus einer Studie des World Wide Fund, und es wäre interessant, wenn uns die Kommission im Rahmen dieser Strategie der nachhaltigen Entwicklung sagte, ob sie diese Feststellung anerkennt und ob sie daraus irgendwelche Schlussfolgerungen hinsichtlich der europäischen öffentlichen Politik zieht.
Was die Frage der Unternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit betrifft, so sind die Umweltschützer absolut überzeugt, dass die Unternehmen nicht nur die wichtigsten, sondern die entscheidenden Akteure der nachhaltigen Entwicklung sind. Und deshalb besteht meine Fraktion sowie das Europäische Parlament, wohl wissend, dass die Unternehmen zwischen ihrer Verpflichtung, ihren Aktionären alle drei Monate Bericht zu erstatten, und der Notwendigkeit, Strategien für nachhaltige Entwicklung und langfristige Investitionen auszuarbeiten, hin und hergerissen sind, stets auf der Notwendigkeit, bezifferte Ziele festzulegen. So wollen wir 20 % bis 25 % erneuerbare Energie bis 2020 und wir wollen Autos, die 2,5 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, ebenfalls bis 2020, denn 70 % des Ölverbrauchs in der Europäischen Union fließen in den Verkehr.
Was die wirtschaftliche und soziale Frage betrifft, so wäre es klug, Herr Barroso, die Bürger davon zu überzeugen, dass der Europäische Binnenmarkt sich nicht auf der Basis von Sozialdumping errichten lässt. Teilen Sie bereits jetzt mit – Sie werden damit Ihre Befugnisse nicht überschreiten -, dass der von Frau Gebhardt vorgeschlagene Kompromiss zum Ursprungslandsprinzip der Kommission zusagen könnte. Teilen Sie auch den neuen Mitgliedstaaten und vor allem den Regierungen mit, dass die Restriktionsklauseln hinsichtlich des Arbeitsrechts aller EU-Bürger zu nichts gut sind, dass sie inakzeptabel sind und zum 1. Mai 2006 aufgehoben werden können.
Soweit einige Anregungen, die ich Ihnen unterbreiten wollte. Ich habe keine Zeit, dies weiter auszuführen, aber wenn Sie möchten, könnte ich Ihnen in einem anderen Rahmen dazu etwas sagen.
Roberto Musacchio, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Barroso, meine Damen und Herren! Zu Beginn der Wahlperiode sagte ich hier im Plenum, dieses Parlament sei aus Wahlen hervorgegangen, in denen alle Regierungsparteien eine Niederlage hinnehmen mussten – angefangen bei denen Ihres Landes, Herr Barroso, nämlich Portugal.
Das war das Zeichen für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise, die sich auch auf die europäische Politik bzw. die liberalistische Politik bezog. Es hätte eines Rucks bedurft, der jedoch nicht stattfand – nicht einmal nach dem Ausgang der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden, bei denen der Verfassungsvertrag abgelehnt wurde. Vielmehr war man versucht, das Volk abzuschreiben, anstatt die Politik zu ändern.
Dann übernahm Herr Blair die Ratspräsidentschaft, der sich als Antwort auf die Probleme Europas darstellt, während er doch offenkundig selbst Teil dieser Probleme ist. Seine Ratspräsidentschaft neigt sich nämlich ihrem Ende zu und es wurde noch nicht einmal eine Einigung über den Haushaltsplan erzielt. Das ist eine Niederlage, für die Sie, Herr Barroso, neben Herrn Blair mitverantwortlich sind, denn Sie und Ihre Kommission haben bei allen sich gegenwärtig vollziehenden Krisenprozessen assistiert und sie letztendlich sogar noch verschärft.
Was sollen wir zu Ihren jüngsten Empfehlungen sagen, als Sie von einer Vereinfachung sprachen, die faktisch bedeuten würde, nicht etwa Gutes wie die REACH-Richtlinie, sondern Schlechtes wie die Bolkestein-Richtlinie zu tun? Das Problem ist, dass der Liberalisierungskurs Europa auf ein totes Gleis führen wird. Das Problem ist nicht Europa, nicht die Erweiterung oder die Türkei, sondern die Liberalisierung, und heute haben Sie uns erneut den Kurs hin zu diesem Abstellgleis vorgeschlagen.
Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes. Es gilt, einen Plan zur Wiederbelebung einer qualifizierten Entwicklung und eines sozialen Zusammenhalts aufzustellen, mit dem das Europäische Sozialmodell wieder als Alternative zum nordamerikanischen Modell und nicht als dessen schlechte Kopie propagiert werden kann.
Um dies zu tun, brauchen wir einen robusteren, keinen rudimentären Haushalt, brauchen wir ein Vorschriftenpaket zur Förderung einer Harmonisierung nach oben, und kein Sozialdumping wie mit der Bolkestein-Richtlinie.
Wir brauchen eine Kooperation innerhalb Europas sowie mit anderen Ländern, um einer qualifizierten Entwicklung neue Impulse zu verleihen, und keinen irrsinnigen Wettbewerb und keine in den Untergang führende Diktatur der WTO. Innovation und Umwelt müssen an die erste Stelle gerückt werden, und nicht die absurde und verheerende Wiederbelebung der Kernenergie. Wir brauchen Verkehrsnetze, die die Rücksichtnahme auf die Umwelt fördern, anstatt ihrer Zerstörung Vorschub zu leisten.
Es gilt, den Zuwanderern die Staatsbürgerschaft zu verleihen und dafür Sorge zu tragen, dass es nicht wieder zu solchen Vorfällen wie in Lampedusa oder Melilla kommt. Es ist erforderlich, Demokratie zu gewährleisten, und keine so genannten Sicherheitspakete, die demokratische Rechte verletzen und selbst vom britischen Parlament abgelehnt wurden. Man muss sich für den Frieden, nicht für den Krieg entscheiden. Es gilt, einem demokratischen Parlament den Vorzug zu geben, und nicht einer weiteren bürokratischen Macht.
Und schließlich sind linke Regierungen vonnöten, die den Blick auf die Veränderung und nicht auf große Koalitionen richten, die indiskutabel sind. Wir treten für eine alternative europäische Linke ein, die sich einer europäischen Gesellschaft, die sie verändern will, immer enger verbunden fühlt.
Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich beglückwünsche Herrn Barroso zu diesem bemerkenswerten Dokument. Herr Barroso, Sie haben sich in Ihrem beharrlichen Streben nach Schaffung eines europäischen Einheitsstaates durch so lästige Details wie die Ergebnisse der Volksentscheide in Frankreich und den Niederlanden nicht beirren lassen. Ich dachte mir, dass vielleicht Herrn Blairs Initiative zur Eindämmung der Bürokratie und Aufhebung überflüssiger Rechtsakte ihren Eifer ein wenig bremsen könnte; aber nein, Sie haben unbeirrt das ehrgeizigste Arbeitsprogramm in der Geschichte der Europäischen Union vorgelegt. Wirklich schade, dass sich der britische Ratsvorsitz heute Morgen nicht blicken ließ, um ihren Ausführungen zu lauschen.
Neben erweiterten Befugnissen im Bereich Justiz und Inneres, einer einheitlichen Visagestaltung und diversen anderen Themen bis hin zu Regelungen für Kinderspielzeug ist davon die Rede, dass es für den Haushalt angemessene Audit- und Kontrollsysteme geben muss. Und das in der gleichen Woche, in der es der Rechnungshof zum elften Mal in Folge ablehnt, Ihren Rechnungsabschluss abzusegnen. Sie haben wirklich Nerven!
Sie haben bei der Verfassung den Kürzeren gezogen, und jetzt missachten Sie das Votum der Wähler in Frankreich und den Niederlanden. Viele Franzosen haben sicher gedacht, dass sie mit ihrem Nein den Strom der europäischen Bürokratie aufhalten können. Aber so wie sich 1940 ihr Vertrauen in die Maginot-Linie als trügerisch erwies, so werden sie auch jetzt von den Feinden freier, unabhängiger Staaten durch Umgehungsmanöver getäuscht und vollständig überrollt.
Sie haben mit diesem Arbeitsprogramm bewiesen, dass Sie nichts gelernt haben und dass Sie einfach nicht begreifen wollen.
(Beifall von der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie)
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich möchte Präsident Barroso und der gesamten Kommission dafür danken, dass sie heute Vormittag zu uns gekommen sind. Es ist wirklich schade, dass das Parlament nicht mit einer ähnlich vorbildlichen Anwesenheit aufwarten kann.
Bei der Beurteilung des Arbeitsprogramms muss vor allem geprüft werden, inwiefern die darin enthaltenen Vorstellungen und Vorschläge den derzeitigen Bedürfnissen der Bürger in der Europäischen Union entsprechen.
Ich möchte kurz auf ein oder zwei Punkte eingehen, die Präsident Barroso in seinem Beitrag angesprochen hat. Er erwähnte zu Recht die Bedeutung der Doha-Runde und die Auswirkungen, die sie nicht nur innerhalb von Europa, sondern weltweit auf die Steigerung des Handels und die Verbesserung einzelner Aspekte der sozialen Gerechtigkeit haben wird, wobei von einem umfassenden Paket der sozialen Gerechtigkeit keine Rede sein kann. Doch trotz der Zusicherungen von Präsident Barroso bereiten mir die Versuche von Mitgliedern der Kommission und dieses Parlaments, den europäischen Landwirten im Vorfeld der Gespräche von Hongkong noch mehr abzufordern, einige Kopfschmerzen. Die Landwirte werden aufgefordert, weitere Kürzungen hinzunehmen und Opfer zu bringen, obwohl man ihnen gesagt hatte, dass die Reform von 1999 die definitive Regelung zur GAP sei. 2003 und 2004 teilte man ihnen dann mit, dass in Anbetracht der bevorstehenden Gespräche im Rahmen der Welthandelsorganisation weitere Anpassungen erforderlich seien. Plötzlich stellen wir fest, dass weitere Forderungen an den europäischen Agrarsektor gestellt werden. Wenn wir wollen, dass sich der Agrarsektor in der Europäischen Union auch künftig nachhaltig und rentabel entwickeln soll, dann können diese Forderungen nicht erfüllt werden. Es geht hier nicht nur um den Schutz der Interessen der Landwirte, sondern dies betrifft ganz eindeutig auch Fragen der Ernährungs- und Versorgungssicherheit sowie den Standard und die Qualität unserer Lebensmittel. Zudem gilt es zu gewährleisten, dass die biologische Vielfalt und die verfügbaren Alternativen in den ländlichen Gebieten Europas erhalten werden.
Ich komme jetzt zu den verschiedenen Vorschlägen des Arbeitsprogramms und begrüße in diesem Zusammenhang die Initiativen, die im Zusammenhang mit einer Mitteilung zu den Rechten der Kinder ergriffen werden. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union die Rechte der Kinder ernst nimmt, machen sie doch über 40 % unserer Bevölkerung aus, ohne dass sie in den europäischen Handlungskonzepten und Vorstellungen einen konkreten Status haben. Wir bringen lediglich hin und wieder zum Ausdruck, dass wir die Absicht haben, sie zu schützen. Angesichts des technischen Fortschritts müssen sich unsere Vorstellungen von den Rechten der Kinder nunmehr auch auf die Sicherheit im Internet erstrecken. Denn wir haben festgestellt, dass das Internet – trotz seiner wunderbaren Intentionen, der brillanten Innovationen und der Möglichkeiten, die es uns allen bietet – von Menschen missbraucht wird, die unschuldige Seelen verderben und Geschäfte mit pädophilem Material und Kinderpornographie machen wollen.
Ein Wort zur Nachhaltigkeit. Die steigenden Preise für Öl und Kraftstoffe der letzten Monate haben in allen Wirtschaftszweigen für Erschütterungen gesorgt und auch bei den privaten Verbrauchern sehr viel Aufregung verursacht. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich der Ölpreis nicht nur auf die Wirtschaft insgesamt auswirkt, sondern auch auf Sie und auf mich und auf jeden einzelnen Verbraucher. Das betrifft nicht nur den Kraftstoff für unsere Autos, sondern den Preis der Waren in unseren Geschäften, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz usw. Es ist Zeit für einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt, auf dem wir die kollektive Stärke der 25 Mitgliedstaaten zur Erzielung eines besseren Preises nutzen können. Und es ist an der Zeit, das geistige Potenzial und die Innovationskraft in diesen 25 Ländern zusammenzuführen, um gemeinsam nach alternativen Energieträgern und vor allem nach neuen Wegen und neuen Mechanismen für den sparsamen Umgang mit Energie zu suchen. Deshalb ist auch der Vorschlag für eine Richtlinie über Biokraftstoffe zu begrüßen. Einen noch größeren Stellenwert sollten wir jedoch der Solarenergie, der Wind- und Wasserkraft einräumen, weil wir damit maßgeblich zu einem definitiven Energiekonzept beitragen können.
Ganz gleich, was bisweilen behauptet wird, die Finanzielle Vorausschau bildet den Dreh- und Angelpunkt. Wenn wir kein Geld haben, dann können wir die geplanten Maßnahmen und Handlungskonzepte nicht umsetzen. Dazu müssen jedoch die Mitgliedstaaten selbst tätig werden und ein Paket vorlegen, denn schließlich sind sie auch in diesem Falle die Zahlmeister der Europäischen Union. Nur sie können entscheiden, ob sie bereit sind, die für die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahmen erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die Tatsache, dass die Regierungen bisher keine Einigung in dieser Sache erzielen konnten, ist für alle Beteiligten unannehmbar. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Regierungen der neuen Mitgliedstaaten bei der Lösung dieses Problems mit gutem Beispiel vorangehen.
Wir dürfen dieses Unvermögen, zu einer Einigung zu gelangen, jedoch nicht als Vorwand benutzen, um Bemühungen, die gegenwärtig unternommen werden können, zu blockieren, zu behindern oder zu untergraben. Ich begrüße die Möglichkeit, mit Ihnen, Herr Barroso, und mit Ihrer Kommission bei der Umsetzung dieses Programms zusammenzuarbeiten.
Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso! Wir haben Ceuta erlebt, wir haben Melilla erlebt, und jetzt brennen die Vorstädte. Die Medien der ganzen Welt fragen sich, was wir angesichts dessen tun. Ein Legislativprogramm. Zu welchem Thema? Beispielsweise zur Erderwärmung, was logisch scheint: wenn Autos und Schulen brennen, gibt es wohl ein Problem mit der Erwärmung, und somit mit der Einhaltung des Kyoto-Protokolls. Im Übrigen könnte man mit Frau Fischer-Boel unsere Landwirtschaft noch ein wenig mehr zerstören, und auf diese Weise würde Herr Mandelson in Hongkong eine Vereinbarung erzielen, und wir bekämen noch ein wenig mehr Arbeitslosigkeit. Verabschieden wir noch ein paar mehr Richtlinien, und der Berg von Rechtsvorschriften würde einen Berg der Ohnmacht gebären. Ich schlage sogar einen Titel für das Legislativprogramm von Herrn Barroso vor: „Operation smoke and mirrors“, denn es geht hier um einen Rauchvorhang, der aus sympathischen Dingen besteht, aber lediglich dazu bestimmt ist, Tragödien zu verschleiern.
Noch ein letztes Wort, Herr Barroso, an einem Weihnachtstag im fünften Jahrhundert nach Christus war der Rhein nach einem Klimawandel zugefroren. Tausende Feuerwagen überquerten den Rhein und Rom wurde verwüstet. Wissen Sie, was der römische Senat während dieses Winters 483 gemacht hat? Er machte ein Legislativprogramm.
(Herr Cohn-Bendit ruft Herrn Martinez zu: „Mein Gott! Einfach clever der Mann, er kennt seine Geschichte!“).
VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident
Präsident. – Bitte keine Kommentare, Herr Cohn-Bendit!
Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, verehrtes Kollegium, liebe Kolleginnen und Kollegen! 96 prioritäre Projekte, davon 32 legislativer Art, liegen heute vor. Respekt! Man kann nicht sagen, dass dieses Europa nichts vorhat. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die legislativen Vorhaben, die eigentlich für 2006 prioritär sein sollten, nämlich die rund 50 Rechtsgrundlagen für die Mehrjahresprogramme 2007-2013, gar nicht im Katalog auftauchen.
Wir beraten heute also im Grunde über eine Mogelpackung. Und wo bleibt die Subsidiarität, die Subsidiaritätsprüfung? Der Rat, der heute durch Abwesenheit glänzt, hat sich einmal mehr blamiert, weil er an diesen planerischen Arbeiten inhaltlich gar nicht teilnimmt, geschweige denn Prioritäten setzt. Mit Schreiben vom 19. Oktober haben die beiden Präsidentschaften des kommenden Jahres, Österreich und Finnland, sogar ein eigenes Arbeitsprogramm für 2006 angekündigt. Deswegen darf man darauf schon gespannt sein, und auch darauf, wie sich all diese Dinge miteinander vereinbaren lassen.
Gerade der Rat hätte mit und in diesem Beratungsverfahren ein schönes Zeichen für Subsidiarität setzen und auch die nationalen Parlamente mit einbinden können, so wie das die Verfassung ja vorsieht. Er hätte auch in diesem Verfahren ein Zeichen setzen und auf das Parlament und die Kommission zugehen können, anstatt uns alle im Unklaren darüber zu lassen, wie es denn nun weitergehen soll und welche Vorschläge der Rat selbst einzubringen hat.
Das Europäische Parlament hat eine Reserve für Kommissionsposten gebildet, deren Freigabe an eine Einigung über das Arbeitsprogramm geknüpft ist. Es wäre gut, wenn dieses Arbeitsprogramm wirklich alle Projekte umfasste, von denen wir ja bereits jetzt wissen, dass sie für das Jahr 2006 auf der Tagesordnung stehen, und wenn der Subsidiaritätsgedanke, was Verfahren und Inhalt betrifft, stärker respektiert würde.
Jan Andersson (PSE). – (SV) Herr Präsident! Die Kommission hat erklärt, die Lissabon-Strategie spiegele sich in diesem Arbeitsprogramm wider. Das trifft teilweise zu, aber doch nicht ganz. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass wir eine Aussprache über die Ausgewogenheit der Lissabon-Strategie geführt haben. Dabei haben wir im Parlament die Auffassung vertreten, Sozialpolitik, soziale Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt dürften nicht als Anhängsel zu Wachstum und Beschäftigung gesehen werden. Ich dachte, wir hätten uns darauf verständigt, die Sozialpolitik als integrierten Bestandteil des Lissabon-Prozesses zu betrachten. Das kommt jedoch in diesem Arbeitsprogramm nicht zum Ausdruck, in dem die soziale Dimension nur sehr spärlich erscheint.
Wir haben darüber gesprochen, dass bessere Gesetzgebung nicht per definitionem weniger Gesetzgebung bedeutet. Für den sozialen Bereich muss ich feststellen, dass es überhaupt keine Gesetzgebung gibt. Es gibt drei Mitteilungen und ein Grünbuch dazu, was ich begrüße, aber es gibt keinerlei gesetzliche Bestimmungen. Das Parlament hat durchaus Vorschläge unterbreitet, von denen ich nur einige nennen möchte. Der erste betrifft die neuen, die so genannten atypischen Beschäftigungsformen, die heute massiv zunehmen und weniger Sicherheit, weniger Einfluss und vermutlich auch mehr Stress am Arbeitsplatz mit sich bringen. Wir haben eine Richtlinie gefordert, die diese neuen Beschäftigungsformen aufgreift.
Zweitens waren Sie, Herr Barroso, und ich auf einer Konferenz über Umstrukturierung. Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir die Umstrukturierung, wenn überhaupt, nur unter Einbeziehung der Arbeitnehmer durchführen können. Wir verfügen über Instrumente auf europäischer Ebene, wir haben die europäischen Betriebsräte, und wir haben im Parlament eine Erneuerung der europäischen Betriebsräte gefordert. Nichts von alledem haben wir bisher feststellen können.
Lassen Sie mich abschließend noch die Frage eines Programms zur Integration von Menschen mit Behinderungen aufwerfen. Dies wäre ein Anti-Diskriminierungsprogramm, das nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern für alle Bereiche gelten würde. Aber auch davon ist nichts zu bemerken.
Diana Wallis (ALDE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte dem Präsidenten der Kommission dafür danken, dass er die Vorstellung des Kommissionsprogramms konsequent in einen politischen Kontext eingebunden hat.
Ich möchte einen kleinen Punkt aufgreifen: Als ich vor sechs Jahren in dieses Haus einzog, bildeten die umfassende Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs und die Einführung des Euro das Umfeld für die Erschließung des Potenzials des europäischen Binnenmarktes. Zu diesem Zweck gab es zahlreiche Initiativen im Bereich des Zivilrechts, um zu gewährleisten, dass wir die Möglichkeiten, die Freizügigkeit zu nutzen, geschäftlich tätig zu sein, zu arbeiten, innovativ tätig zu sein und Handel zu treiben, mit einem ausgewogenen rechtlichen Rahmen untersetzen, der den Bürgern Sicherheit und Rechtsschutz bietet.
Der Kampf gegen den Terrorismus ist dazwischengekommen, und das Strafrecht ist in den Vordergrund gerückt. Aber sollte es wirklich das Zivilrecht verdrängen, dem im vorliegenden Programm lediglich ein Absatz zugestanden wird und zu dem keine neuen Initiativen oder auch nur Konsultationen vorgesehen sind? Sie brauchen sich nur einmal die zahlreichen Zuschriften anzusehen, um zu wissen, dass wir im zivilrechtlichen Bereich nicht genug tun. Sie brauchen nur einen Blick auf die Tagesordnung des Petitionsausschusses zu werfen. Es leiden – glücklicherweise – wesentlich mehr Bürger unter fehlenden Möglichkeiten zur Inanspruchnahme des Zivilrechts oder grenzüberschreitender Rechtsbehelfe als unter den direkten Folgen des Terrorismus. Bitte konzentrieren Sie sich auf das Zivilrecht.
Esko Seppänen (GUE/NGL). – (FI) Ich habe mich mit dem Dokument der Kommission vertraut gemacht. Meine Schlussfolgerung ist eindeutig: viel Gerede, wenig Taten. Die Globalisierung, die in Wahrheit eine aktualisierte Version des Kapitalismus ist, wird als gegeben hingenommen, als wäre sie ein Naturgesetz. Die Rechtsvorschriften der EU tragen dazu bei, dass die Arbeit in Europa zur Billiglohnarbeit wird, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden und dass auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten Billigflaggen aufgezogen werden.
Ich habe das Arbeitsprogramm mit Interesse nach einer Rechtsgrundlage für die Ankündigung des Kommissionspräsidenten durchsucht, Frankreich für die in den letzten Wochen auf den Straßen ausgebrannten Fahrzeuge eine zusätzliche Beihilfe in Höhe von 50 Millionen Euro zu gewähren. Ich glaube nicht, dass die gegenwärtigen Rechtsvorschriften als Rechtsgrundlage für diese Form der finanziellen Unterstützung herhalten können, und auch im Arbeitsprogramm der Kommission wird nichts dergleichen vorgeschlagen. Hat man etwa die Absicht, Frankreich mit einer illegalen Beihilfe zu bestechen, damit es den Finanzplänen der EU zustimmt?
Die Kommission regt an, die öffentliche Meinung über sich zu ihren Gunsten zu manipulieren. Das ist reine Propaganda und Indoktrination, auch wenn die Kommission von einem Kommunikationsdefizit spricht. So, wie die Kommission Informationen verbreitet, verkörpert sie eine Diktatur der Mehrheit, oder man misst die Demokratie daran, welche Haltung die Mehrheit einnimmt, wenn sie den Minderheiten zuhört. In jedem Falle hat die Mehrheit bei den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden gegen die Kommunikations- und Propagandadiktatur der Kommission votiert.
Die Ablehnung der Verfassung war Demokratie und hat die EU nicht in eine Krise gestürzt. Die Tatsache, dass es nicht gelingt, den Finanzrahmen für 2007-2013 zu verabschieden, behindert jedoch die Arbeit der EU. Da dies möglicherweise einen Ausnahmezustand darstellt, sollte die Kommission daran gehen, einjährige Strukturfonds- sowie andere Programme aufzustellen, mit anderen Worten, einen Plan B.
Jens-Peter Bonde (IND/DEM). – (DA) Herr Präsident! Die nationalen und regionalen Parlamente sollten nunmehr das gesamte Jahresprogramm durchsehen und es unter dem Motto „Weniger und besser“ nach den Grundsätzen der Nähe und der Verhältnismäßigkeit beleuchten. Wir wollen weniger Themen angehen und dafür qualitativ bessere Arbeit leisten. Die EU sollte nur verbindliche Rechtsvorschriften in grenzüberschreitenden Bereichen erlassen, in denen die nationalen Parlamente selbst nicht wirksam gesetzgeberisch tätig sein können. Auf diese Weise hätten die Wähler nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen, und wir sollten das Recht auf Mitentscheidung haben, anstatt ohne Befugnisse dazustehen. Wenn sich jedoch die EU Befugnisse in Bereichen anmaßt, in denen die nationalen Parlamente selbst Gesetze erlassen können, verlieren wir sowohl an Einfluss als auch im Hinblick auf die Demokratie.
Eine Prüfung auf der Basis des Grundsatzes der Nähe sollte in den Fachausschüssen des Parlaments beginnen, sodass sich die Sozialausschüsse mit Vorschlägen im sozialen Bereich und die Verkehrsausschüsse mit Verkehrsvorschlägen befassen usw. - ein Verfahren, das am Freitag vergangener Woche im dänischen Europaausschuss angenommen wurde. Anschließend sollten die Europaausschüsse Stellungnahmen abgeben und in der Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) zusammenkommen, um das Jahresprogramm zu verabschieden, und zwar möglichst so, dass wir sehen können, wer wofür gestimmt hat. Das Jahresprogramm sollte dann vom Europäischen Parlament und vom Rat respektiert und beraten werden. Erst dann sollte die Kommission zur Vorbereitung von Rechtsvorschriften aufgefordert werden, die dann Unterstützung von unten genießen würden. Auf diese Weise ergäbe sich eine völlig andere Situation als jetzt, wo die Kommission selbst die Autorität an sich reißt und ihr Initiativmonopol, ihre 3000 geheimen Arbeitsgruppen und ihren Zugang zum Gerichtshof dafür nutzt, noch mehr Macht in Brüssel zu zentralisieren.
Nichts ist so schlecht, als dass es nicht auch für irgendetwas gut wäre. Aufgrund der Zentralisierung haben die Wähler glücklicherweise ihre Zustimmung versagt, wie wir in den Niederlanden und Frankreich erlebt haben. Dennoch enthält das Jahresprogramm viele Elemente der abgelehnten Verfassung. Die Neinstimmen sollten respektiert werden. Alles, was in der Verfassung steht, sollte ausgeschlossen bleiben. Vielen Dank, Herr Präsident – wenn es überhaupt etwas gibt, wofür man sich bedanken kann.
Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens. Europa sieht sich anspruchsvollen, klaren und dringenden Herausforderungen gegenüber. Es besteht kein Zweifel, dass das 20. Jahrhundert den alten Kontinent auf ein Niveau der Freiheit, des Fortschritts und des Wohlstands geführt hat, das nie zuvor erreicht worden ist. Dennoch hat diese außergewöhnliche Entwicklung auch neue Probleme hervorgebracht, die Ungleichgewichte, Risiken und Spannungen bewirken.
Die jüngsten Ereignisse in den französischen Vorstädten sind ein klares Signal dafür, dass die Sicherheitsprobleme nicht allein von den Gefahren herrühren, die von Gebieten jenseits unserer Grenzen kommen. Einmal mehr zwingt uns das aktuelle Geschehen somit, den Blick auf die Entwicklungen in unserem eigenen Haus zu richten und Lösungen für Alltagsprobleme zu finden, die so allgegenwärtig und bekannt sind, dass sie oft unserer Aufmerksamkeit entgehen.
Unser Zeitalter ist durch eine außergewöhnliche Entwicklung – gepaart mit leidiger Stagnation – geprägt; durch Möglichkeiten, die sich für eine bessere Zukunft auftun, aber auch durch Keime für Bedrohungen; durch Wohlstandswachstum, das jedoch die Entstehung neuer Krankheiten nicht zu verhindern vermochte. Daher scheint klar zu sein, dass noch ein langer Weg vor uns liegt.
Wir stimmen den Eckpunkten des vorliegenden Vorschlags zu. Das Arbeitsprogramm der Kommission, das Präsident Barroso präzise und mit Überzeugung dargelegt hat, konzentriert sich zu Recht auf einige entscheidende Ziele: Wohlstand, Solidarität, Sicherheit und die Rolle der Union als Partner in der Welt. Diese Ziele verlangen ein stetiges Engagement, eine wirksame Strategie und demzufolge angemessene Ressourcen für Maßnahmen, die sich wirklich auf die sozioökonomische Situation Europas auswirken können.
Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, als Koordinator meiner Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz begrüße ich es, dass die Kommission der Vollendung des Binnenmarktes in einer Reihe wichtiger Bereiche große Aufmerksamkeit widmet. Dafür möchte ich dem Kommissar und seinem Team danken. Wir werden das sehr genau verfolgen.
Dennoch stehe ich dem Dokument insgesamt sehr kritisch gegenüber. Das ist ein merkwürdiges Dokument. Die Kolleginnen und Kollegen sprachen über Prioritäten. Ich möchte kurz aus dem Dokument zitieren: „An erster Stelle stehen die Wiederherstellung nachhaltigen, dynamischen Wachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa.“ Das steht auf Seite 29 des Dokuments. In welchem Sinne haben wir angesichts einer zusammenhanglosen Liste von 96 Positionen, die willkürlich aneinandergereiht wurden, überhaupt Prioritäten, zumal unklar bleibt, welche davon legislativer Natur sind und welche nicht? Und an Ihre Adresse gerichtet, Herr Barroso, sage ich, dass ich in Bezug auf die Arbeitsplanung wissen möchte, welche Arbeiten bereits laufen. Ich möchte nicht einfach hören, dass Sie 96 neue Vorhaben in Angriff nehmen, sondern ich möchte wissen, wie Sie mit den laufenden Arbeiten vorankommen, um die wir Sie gebeten haben, und welche Priorität Sie denen einräumen.
Ich möchte noch etwas anderes wissen, weil mir da jegliche Vorstellung fehlt. Es ist eindrucksvoll, alle Mitglieder Ihrer Kommission hier versammelt zu sehen, aber wir wollen, dass Sie enger zusammenarbeiten und Entscheidungen besser abstimmen, um das Kernproblem, das Sie selbst an die Spitze Ihrer Agenda gesetzt haben und bei dem es um Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wachstum in Europa geht, in Angriff zu nehmen. Das lösen Sie nicht mit 96 einzelnen Vorschlägen, sondern nur, indem es die Kommission gemeinsam anpackt. Warum steht davon nichts in Ihrem Programm? Ich sage das auch an die Adresse von Frau Wallström gerichtet, die heute hier sitzt und uns eigentlich bei der Vermittlung dieser Problematik helfen sollte – die uns helfen sollte. Wie kann ich den Bürgern und Unternehmen in meinem Wahlkreis vermitteln, dass die Kommission mit dieser Liste von 96 zusammenhanglosen Vorschlägen etwas zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und des Arbeitsmarktes tun wird.
Ich würde jedoch sagen, dass es sich lohnt, im Zusammenhang mit einer integrierten Initiative für mehr Wettbewerbsfähigkeit einen Blick auf Kommissar Verheugens Maßnahmen im Kfz-Bereich zu werfen. Ich möchte ihm für diese und viele andere Initiativen meine Anerkennung aussprechen. Davon brauchen wir mehr, aber wir benötigen kein Sammelsurium zusammenhangloser Vorschläge.
Ieke van den Burg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Einige meiner Vorredner haben bereits den Vergleich zu den Vereinigten Staaten angestellt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung, dem ich angehöre, unterhält ebenfalls zahlreiche transatlantische Kontakte. Mir fällt auf, dass bei der Beurteilung der Entwicklungen, insbesondere auf dem Finanzmarkt, eine Art Wende vollzogen wird.
Ich weiß nicht, ob Sie heute Morgen die Schlagzeile der „Financial Times“ gesehen haben, die da wieder einmal besagt, die USA seien neidisch darauf, was wir hier im Parlament auf der vorigen Plenartagung erreicht haben. Im Oktober haben wir einen 800 Seiten dicken Wälzer über die Eigenkapitalausstattung von Banken angenommen, was uns zu einem enormen Vorsprung gegenüber den USA verhilft. Die Menschen sind sich dessen nicht hinreichend bewusst. Ich weiß nicht, ob Sie Jeremy Rifkins Buch über „The European Dream“ kennen, aber auch dieses Buch beschreibt, dass unsere Wahrnehmung in dieser Hinsicht mitunter falsch ist.
Ich habe den Eindruck, der Kommission ist nicht bewusst, dass wir weit mehr mit der Lissabon-Strategie und mit makroökonomischer Politik erreichen könnten. Wir in Europa reden uns in die Krise, wenn einige Dinge schief laufen, vergessen jedoch, welche Chancen sich uns dadurch auch bieten. Beispielsweise könnten wir gerade aus dem Unbehagen über den Stabilitäts- und Wachstumspakt Kapital schlagen und jetzt die makroökonomische Politik verbessern, und wir könnten uns unseren Vorsprung bei der Regulierung der Finanzmärkte zunutze machen, indem wir die Investitionen, die eventuell daraus entspringen, sinnvoll einsetzen und die Kommission diese makroökonomische Politik steuern lassen.
Ich befürchte, dass die Haltung, der Markt selbst werde alles richten, auch mit Ihrer liberalen Einstellung zusammenhängt. Meiner Auffassung nach könnten die Amerikaner Sie eines Besseren belehren. Der Markt selbst kann es nicht richten. Wir müssen den Weg vorgeben, und von der Kommission erwarten wir hierbei, dass sie die Vorreiterrolle übernimmt.
Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Die europäische Integration wird so lange nicht gelingen, wie sie sich nicht auf eine gemeinsame Verantwortung gründet. Es reicht nicht aus, einfach nur einen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung zu schaffen, auch wenn diese die Integration voranbringen. Die Prioritäten der Kommission - Wohlstand, Solidarität und Sicherheit – sind wichtig und richtig.
Es gibt in Europa 18,8 Millionen Arbeitslose, eigentlich fast 20 Millionen. Was bedeutet diesen Menschen die EU und was bietet sie ihnen? Nicht unbedingt Solidarität, Wohlstand oder Sicherheit. Bloße Worte sind nicht genug: Wir brauchen konkrete Taten.
Herr Präsident, die EU muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Entscheidung der Kommission, unnötige Vorschriften und Bürokratie abzubauen und das EU-Recht zu vereinfachen, sollte unterstützt werden. Darüber hinaus hoffe ich, dass endlich das Subsidiaritätsprinzip durchgesetzt wird. Dies würde auch unsere Bürger näher an die EU heranführen und der EU ein Mandat für ihr Handeln verleihen.
Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, das Arbeitsprogramm der Kommission spiegelt die ehrenwerten Bemühungen wider, den imperialistischen Interessen der Europäischen Union und den Wünschen des Big Business auf bestmögliche Weise zu dienen.
Trotz der im Rat geäußerten Einwände wird einer Vereinbarung das Wort geredet, die radikale Änderungen in der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007-2013 generell zu Lasten der Bauern und der Arbeiter vorsieht.
Die Kommission ist bemüht, ihr Gesetzgebungsprogramm für 2006 an die neuen Gegebenheiten anzupassen, und zwar nicht durch politische Richtungsänderungen, sondern auf der Grundlage ihrer für ihre fünfjährige Amtszeit und gegenüber den Wünschen der Monopole eingegangenen Verpflichtungen. Die Hauptachse ihrer Politik ist die Kommunikationspolitik. Korruption, Bestechung und Klassenkooperation werden zu Mitteln, um das einfache Volk mundtot zu machen und die reaktionärsten volksfeindlichen Maßnahmen durchzusetzen.
Es geht um eine weitere Liberalisierung der Märkte, und dabei haben sie Elektrizität und Erdgas im Auge, es geht um die Integration des Binnenmarkts auf den Gebieten Dienstleistungen, Postämter und so weiter, um die Privatisierung der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, um neue Maßnahmen in der Transportpolitik und die Förderung neuer steuerlicher Maßnahmen zum Nachteil der Arbeiter.
Es geht um eine einheitliche Strategie zur Förderung der volksfeindlichen Zielsetzungen von Lissabon auf der Grundlage der nationalen Aktionsprogramme und zur Förderung von beschäftigungsfeindlichen Plänen für Jugendliche, Frauen und die Arbeiter im Allgemeinen.
Dieses Programm der Kommission richtet sich rundheraus gegen die Bestrebungen und Ziele der Arbeiter, und deshalb werden ihre Kämpfe für das Recht auf Arbeit, für einen besseren Lebensstandard, zur Verteidigung der Freiheiten des einfachen Volkes, für Frieden und Gleichheit in den kommenden Monaten zunehmen.
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident! Obgleich mich das beharrliche Leugnen der Europäischen Kommission und die Tatsache, dass sie die klare und deutliche Warnung des französischen und niederländischen „Nein“ während der europäischen Referenden praktisch vollkommen ignoriert, doch ein wenig erstaunt, wird 2006 vor allem das Jahr des endgültigen Beginns der Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der Türkei, womit die Kommission ein weiteres Mal unter Beweis stellt, dass ihr nicht nur der demokratische Wille der Mehrheit der Europäer, sondern im Grunde auch ihre eigenen Rechtsvorschriften, der ansonsten so heilige gemeinschaftliche Besitzstand, völlig einerlei sind.
Auf jeden Fall bin ich gespannt, welcher Tricks sich die Kommission bedienen, welche Lügen und falschen Argumente sie verbreiten wird, um trotz der Warnung des ehemaligen Agrarkommissars Franz Fischler letztendlich doch zu behaupten, die Türkei sei in die Gemeinsame Agrarpolitik integrierbar und die Kosten seien annehmbar. Das wird uns nicht davon abhalten, weiterhin darauf hinzuweisen, dass der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union untragbar und undemokratisch ist.
John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, Präsident Barroso hat uns heute Morgen u. a. aufgefordert, den Bürgern Europas, von denen zu viele dem Projekt Europäische Union desillusioniert gegenüberstehen, neuen Mut einzuflößen. Dazu müssen wir in der Lage sein, gute Gründe dafür anzuführen, weshalb Europa für das Leben der Bürger, ihre Sorgen, ihre Hoffnungen und ihre Pläne von Belang ist. Wir müssen Europa helfen, wieder deutlich Kurs auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu nehmen, indem wir Verschwendung und Bürokratie den Kampf ansagen und uns auf die Voraussetzungen für diese Agenda konzentrieren.
Zugegeben, bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um Deregulierung und niedrigere Steuern, aber auch um gesündere Menschen, die in einer gesünderen Umwelt leben. Vor allem müssen wir etwas tun, um all jene zu unterstützen, denen es schwerer fällt, die Herausforderungen des Lebens zu meistern und seine Möglichkeiten zu nutzen, all jene, die mit Behinderungen oder lebensbedrohlichen Krankheiten oder in Armut leben. Deshalb erwarten wir von der Kommission, dass sie sich konsequenter für die Gesundheit, die Gesundheitsförderung, die öffentliche Gesundheit, die Notfallversorgung, die Betreuung psychisch Kranker, die Unterstützung von Behinderten, die Patientenmobilität und die Information der Patienten einsetzt.
Ferner müssen wir auch unsere umweltpolitischen Ziele energischer verfolgen und in den Bereichen Klimawandel, Emissionshandel, Luftqualität, Abfallreduzierung, -wiederverwendung und -verwertung, Lärm und städtische Umwelt, Schutz der Flora und Fauna und der natürlichen Lebensräume sowie Verringerung von Tierversuchen verstärkt tätig werden.
Was für Europa gilt, trifft analog auch auf unsere Maßnahmen für die Entwicklungsländer zu. Doch ohne angemessene Überwachung und eine strenge Haushaltskontrolle ist nichts davon möglich. Daran scheitern oft unsere guten Absichten in Europa, und das trägt dann dazu bei, dass die Öffentlichkeit bezweifelt, dass Europa gut für sie ist.
Poul Nyrup Rasmussen (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, auf der nächsten Konferenz der Präsidenten auch das Problem, dass heute so wenig Abgeordnete anwesend sind, anzusprechen. Ich denke, wir schulden der Kommission Respekt. Alle Kommissionsmitglieder, die es ermöglichen konnten, sind heute hier. Die Abwesenheit so vieler Abgeordneter ist einfach unvertretbar und ein Ausdruck der Missachtung gegenüber der Kommission. Ich werde dieses Problem auf jeden Fall heute Abend in meiner Fraktion ansprechen.
Herr Barroso, das Problem ist nicht der eigentliche Inhalt Ihres Programms. In der wenigen mir zur Verfügung stehenden Zeit will ich das Problem in einer Reihe von wichtigen Punkten umreißen.
In Ihrem heutigen Beitrag sagten Sie:
(FR) „Es gilt, diese Programme mit unseren politischen Prioritäten zu verbinden, die wirtschaftliche Governance der Union zu verbessern und die nationalen und europäischen Reform- und Investitionsanstrengungen zu verstärken“; und weiter sagen Sie, „gemeint sind Investitionen auf nationaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene mit Blick auf die Wirtschaft von morgen, Innovation, Wissen und neue Infrastrukturen. Diese beiden Arten von Investitionen müssen gleichzeitig erfolgen.“
(EN) Gut. Einverstanden. Herr Kommissionspräsident, einigen wir uns auf Folgendes: Sie sagen dem Parlament zu, dass Sie und Ihre Kommission eine Strategie ausarbeiten werden, damit uns, wenn wir zur Tagung des Rates Beschäftigung im Frühjahr zusammenkommen, diese Botschaft als gemeinsame Konzeption des Europäischen Rates vorliegt. Gemeinsam mit dem Kommissar für Wirtschaft und Währung und der Kommission insgesamt werden Sie darauf hinwirken, dass die Regierungen zusagen, in den nächsten zwei, drei oder vier Jahren gleichzeitig zu investieren und sich abzustimmen. Ich nehme Ihnen keine Befugnisse weg. Ich möchte lediglich, dass wir unsere Investitionen abstimmen, damit wir unsere enge wirtschaftliche Verflechtung vorausschauend nutzen können.
Kurz und gut, ich habe den gleichen Traum wie die Kommission, dass nämlich dieses wunderbare Europa mehr Wachstum erzielen könnte. Ja, wir sollten Reformen durchführen, aber wir brauchen mehr Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze, und dazu bedarf es der Koordinierung. Lassen Sie uns also gemeinsam eine Strategie erarbeiten. Jetzt sind Sie am Zug.
Präsident. – Herr Rasmussen, ich werde Ihrer Bitte entsprechend den zuständigen Organen des Parlaments Ihre Bemerkung über unseren schwach besetzten Sitzungssaal übermitteln. Das Sitzungspräsidium weiß es natürlich zu schätzen, dass die Kommission bei dieser wichtigen Debatte vollzählig ist, auch wenn die Reihen des Rates ziemlich verwaist sind.
Sophia in 't Veld (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Vor einem Jahr sagte uns Präsident Barroso zu Zeiten des Falls Buttiglione zu, die europäischen Grundrechte zu einer Sache von höchster Priorität zu machen. Das ist begrüßenswert, denn das erwarten die Bürger auch. Leider findet sich in dem Arbeitsprogramm von dieser Zusage überhaupt nichts. Vielleicht gibt es 2006 eine Mitteilung über die Gleichstellung der Geschlechter, was wir begrüßen, aber wie ist es um die anderen Kategorien der Diskriminierung bestellt? Wo bleiben horizontale Nichtdiskriminierungsvorschriften? Alle Bürger müssen in der Lage sein, ihre Rechte vor einem Gericht geltend zu machen, denn sonst ist die EU-Nichtdiskriminierungspolitik nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben steht. Weshalb wurde selbst die zugesagte Machbarkeitsstudie zu der neuen Artikel 13-Gesetzgebung nicht aufgenommen, und wie steht es um die vom Parlament geforderten Vorschläge zur Freizügigkeit gleichgeschlechtlicher Ehepaare?
Wird Präsident Barrosos Kommission die Grundrechte tatsächlich fördern? Bekommen wir wirklich eine Union der Werte, oder bleibt es bei leeren Versprechen?
Maria Berger (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Mitglieder der Kommission! Ich vertrete hier den Rechtsausschuss, und selbst aus der sehr bescheidenen Perspektive unseres Rechtsausschusses muss ich feststellen, dass das Arbeitsprogramm und das Legislativprogramm der Kommission wenig anspruchsvoll und aus unserer Sicht sehr enttäuschend sind.
Auf all jenen Gebieten, wo wir Interesse angemeldet haben, und wo Sie, zumindest verbal, auch Prioritäten erklärt haben – z. B. auf dem Gebiet des Zivilrechts, des Urheberrechts, bei den Menschen- und Kinderrechten, bei den Verbraucherrechten – finden wir nur nichtlegislative Vorschläge. Zu manchen Gebieten, über deren Wichtigkeit wir uns doch immer einig sind, z. B. beim Patentrecht, finden wir überhaupt keine Initiativen, um hier in Europa weiterzukommen – obwohl wir uns doch immer darüber einig sind, dass das für die Innovation sehr wichtig ist. Ich finde auch keine Initiative zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.
Gleichzeitig müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass Sie Gesetzgebungsvorschläge zurückziehen, die uns wirklich am Herzen liegen – bei aller Anerkennung, dass es hier Probleme gibt; dies gilt für das Statut für die Gesellschaften, die auf Gegenseitigkeit beruhen, und es gilt für das europäische Vereinsrecht. Wir haben uns jetzt über Jahre hinweg bemüht, für den kommerziellen Sektor eigene europäische Statute zu schaffen, doch für die Gemeinwirtschaft, für die Sozialwirtschaft, für die Zivilgesellschaft verweigern wir offensichtlich die Erleichterungen, die europäisches Recht schaffen könnte.
Auch wir selbst haben Vorschläge für Bereiche gemacht, wo wir Gesetzgebung zurücknehmen können und wo wir europäische Regelungen nicht für erforderlich halten; die Kommission hat diese Vorschläge nicht aufgegriffen. Ich denke zum Beispiel an den Bereich der Mediation, wo wir uns mit einem Richtlinienentwurf auseinandersetzen müssen, obwohl wir Ihnen aus Anlass des Grünbuchs gesagt haben, das wäre ein Bereich der Subsidiarität, hier muss es nicht unbedingt eine Gesetzgebung auf europäischer Ebene geben. Insgesamt haben Sie meiner Meinung nach zu wenig zugehört, was Ihnen dieses Parlament in der vorbereitenden Phase gesagt hat.
Elizabeth Lynne (ALDE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße viele Aspekte des Kommissionsprogramms, bin aber enttäuscht darüber, dass darin nicht stärker auf behinderte und ältere Bürger eingegangen wird. Mir wäre sehr an einer speziellen Behindertenrichtlinie gelegen gewesen, die die Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen verbietet. Gleiches gilt für eine Regelung zugunsten unserer älteren Mitbürger.
In Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz bin ich daran interessiert, dass wir die Richtlinie über den Schutz gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe aus dem Jahr 2000 dahingehend abändern, dass sie sich auf den Schutz von Gesundheitspersonal gegen die Ansteckung mit HIV und Hepatitis C durch Verletzungen mit einer Nadel erstreckt. Jährlich treten über eine Million derartiger Verletzungen in der EU auf.
Ich begrüße jedoch die Tatsache, dass sich der Präsident der Kommission für den Abbau überflüssiger Regelungen einsetzt, die natürlich eine Belastung für die Unternehmen darstellen. Könnte er sich eingedenk dessen nochmals mit der Richtlinie zum Schutz vor der Gefährdung durch elektromagnetische Felder aus dem Jahr 2004 und deren potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auf den Einsatz von modernen Magnetresonanztomographen beschäftigen und die Möglichkeit einer Abänderung prüfen, um zu gewährleisten, dass künftig derartige Geräte nicht davon betroffen sind?
Amalia Sartori (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte Herrn Barroso zu seiner Erklärung, die er heute Vormittag abgegeben hat, beglückwünschen. Trotzdem möchte ich ihn ebenso wie viele meiner Kollegen auffordern, die Prioritäten zusammenzulegen, um ganz klar das Paket an Vorschlägen und die Ziele zu bestimmen, die wir in den nächsten fünf Jahren erreichen wollen.
Wir alle erinnern uns, dass die vorherige Kommission unter Präsident Romano Prodi in Wirklichkeit nur die Hälfte der ursprünglich in ihrem Programm vorgesehenen Vorhaben umgesetzt hat. Solche Initiativen sind meiner Ansicht nach nicht hilfreich, besonders nicht für ein Europa, das ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Die erste Empfehlung, die ich deshalb geben möchte, ist die, die Prioritäten so weit wie möglich zusammenzufassen und eine Rangfolge unter den Zielen festzulegen, die wir erreichen wollen.
Danach werden wir uns sicher den anderen wichtigen Fragen zuwenden müssen. In Ihrer Erklärung von heute Morgen wurden sehr viele Punkte angeschnitten. In meiner Eigenschaft als Koordinatorin in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter möchte ich einen Punkt besonders herausstellen, zu dem Sie sich zweifelsfrei verpflichtet haben, etwas Wichtiges zu unternehmen, nämlich die Aufstellung eines Fahrplans für die Gleichstellung der Geschlechter.
Darüber hinaus möchte ich jedoch, dass auch auf das Thema Arbeit näher eingegangen wird. Wie Sie wissen, besteht heute in Europa ein Konflikt zwischen denen, die mehr Rechte haben, und denen, die weniger haben; zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die arbeitslos sind; zwischen denen, die sich eine Schule und Bildung hoher Qualität leisten können, und denen, die keinen Zugang dazu haben, wie das in den Pariser Vororten der Fall ist. Das ist ein Problem, das heute ein Land betrifft, das aber morgen schon andere betreffen könnte.
In diesem Zusammenhang sind die Rolle der Frau in der Gemeinschaft und vor allem die Rolle der Frau am Arbeitsplatz von grundlegender Bedeutung. Deshalb muss im Rahmen der Lissabon-Strategie das Thema der geringen Präsenz von Frauen in der Arbeitswelt, die oft gezwungen sind, unqualifizierte und unterbezahlte Arbeiten zu verrichten, angepackt werden.
Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße die Tatsache, dass die gesamte Kommission hier versammelt ist, und bedauere sehr, dass so viele Kollegen fehlen. Das hängt u. a. damit zusammen, dass wir Fernsehmonitore in unseren Büros haben, so dass man problemlos die Aussprachen verfolgen kann, während man dort arbeitet. Es wäre jedoch wesentlich besser, wenn die Abgeordneten hier wären. Doch das Gesagte verhallt nicht ungehört, denn man kann auch draußen hören, was hier gesagt wird.
Ich begrüße, dass im Arbeitsprogramm der Kommission auf Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion Bezug genommen wird. Das steht nicht im Mittelpunkt unserer jetzigen Diskussion. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Arbeitsprogramm zwar sehr wichtig ist, jedoch nicht im luftleeren Raum existiert, sondern Bestandteil einer tiefgreifenden Debatte über die Richtung ist, die die Europäische Union eingeschlagen hat, über ihre Zukunft.
Wir befinden uns in einer Zeit der Reflexion – und in einer Zeit des Nachdenkens über die Verfassung –, bei der es nicht um den Text, sondern den Kontext geht. Das Arbeitsprogramm ist Teil dieses breiter gefassten Kontextes. Die Zukunft unseres sozialökonomischen Modells fügt sich zusammen mit dem Sondergipfel in Hampton Court in diesen Kontext ein. Die Notwendigkeit, im Dezember die entscheidende Einigung über den mittelfristigen Haushalt zu erzielen, der wir in Luxemburg bereits so nahe waren, ist ebenfalls Bestandteil dieses Kontextes. Wenn uns bei der Gestaltung des Kontextes einschließlich des Arbeitsprogramms keine Fehler unterlaufen, dann können wir uns in ein oder zwei Jahren erneut den Text der Verfassung anschauen und überlegen, wie es damit weitergehen soll.
Ich möchte kurz auf einen weiteren Punkt eingehen, und zwar auf die bessere Rechtsetzung. Diesbezüglich stehen wir alle hinter Ihnen, Herr Barroso. Doch angesichts dessen, dass die Antieuropäer in meinem Land und in anderen Ländern die Europäische Union als einen riesigen bürokratischen Apparat darstellen, der eine Verordnung nach der anderen ausspuckt, ist es unsere Pflicht klarzustellen, dass die europäische Gesetzgebung, wenn man sie richtig handhabt, den Verwaltungsaufwand abbaut und die Unternehmen entlastet, indem sie ein Regelwerk für den Binnenmarkt, ein Patent, eine Anmeldung für ein Warenzeichen, ein Formular, eine Gebühr anstelle von 25 vorschreibt. Gute europäische Gesetzgebung baut Bürokratie und Verwaltungsaufwand ab. Auch darauf sollte in dieser Aussprache verwiesen werden.
Joseph Daul (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, meine Damen und Herren Kommissare! Die heutige Debatte beweist, dass sich zwischen der Kommission und dem Parlament eine echte Kultur des Dialogs entwickelt hat. Was die Programmplanung betrifft, die keineswegs eine bürokratische oder statistische Übung ist, sondern ein wesentliches politisches Element – und darüber freue ich mich als Präsident der Konferenz der Ausschussvorsitzenden –, so danke ich Frau Wallström für ihre häufige Präsenz vor unserer Konferenz sowie auch den Kommissaren, die während des gesamten Verfahrens zweiseitige Gespräche mit den jeweiligen Parlamentsausschüssen geführt haben. Natürlich sind einige Verbesserungen erforderlich – bei uns übrigens auch, was die Anwesenheit in diesem Saal betrifft.
Vorbehaltlich der Analyse des von den Fraktionen vorgeschlagenen Arbeitsprogramms, die diese mit Blick auf die Verabschiedung eines Entschließungsentwurfs auf der Dezember-Sitzung vornehmen werden, glaube ich sagen zu können, dass wir in dieser Programmplanung die wichtigsten Prioritäten wiederfinden, die die Ausschüsse in den großen Kapiteln des Programms zum Ausdruck gebracht haben, das heißt Priorität, Solidarität, Sicherheit und Verantwortung nach außen.
Hingegen gibt es zwei Punkte, wo Uneinigkeit herrscht, und zwar zur Frage des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit Blick auf die Menschenrechte. Einige Vorschläge wurden durch die Kommission nicht berücksichtigt. Wesentlich ist jedoch, dass das Parlament als Mitgesetzgeber in aller Transparenz über die Gründe informiert wird, aus denen die Kommission in Ausübung ihres Initiativrechts diesen Wünschen des Parlaments nicht nachgekommen ist.
Noch ein Wort zum Ziel der Agenda von Lissabon: In den Bereichen Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit, Kohäsion und Forschung brauchen wir einen Haushaltsplan und eine Finanzielle Vorausschau.
Schließlich stellt die Programmplanung nur einen Teil einer umfassenderen Agenda unter dem Titel „Bessere Rechtsetzung“ dar, und diesbezüglich messen wir der Umsetzung und Vereinfachung der europäischen Rechtsvorschriften große Bedeutung bei. Wir brauchen eine gangbare Lösung in der Frage der Komitologie, und ich möchte auf der Notwendigkeit bestehen, bereits ab dem nächsten Jahr in das Legislativ- und Arbeitsprogramm die Vereinfachungsmaßnahmen sowie die Vorschläge zur Rücknahme aufzunehmen, um dieser Übung eine bessere Lesbarkeit und Transparenz zu geben. Ich begrüße die Verpflichtung, die Frau Wallström diesbezüglich auf unserer letzten Sitzung am 13. Oktober eingegangen ist, und bin überzeugt, dass alle Parlamentsausschüsse die Umsetzung dieses Programms aktiv begleiten werden.
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! In ihrem Programm unternimmt die Kommission den Versuch, die Lage in Europa und in der Europäischen Union zu bewerten und die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, aufzuzeigen. Ich empfehle, wir sehen uns deshalb an, was an den Kommissionsvorschlägen neu und einfallsreich ist. Sie zielen darauf ab, Wohlstand durch Wissen, Solidarität durch Arbeit und Sicherheit durch Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und Durchsetzung des Rechts zu erreichen. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob dieses Aktionsprogramm für eine Institution, die Hüterin der Verträge ist, angemessen ist und ob dies tatsächlich Ihre Prioritäten oder eher eine Reihe von Versprechen und frommen Wünschen ist, von denen Sie hoffen, sie werden sich von selbst erfüllen.
Ich möchte nunmehr zur Sache kommen und mich zunächst den Vorschlägen der Kommission zum Verfassungsvertrag widmen. In dem Programm bedauert die Kommission, dass die Verfassung in absehbarer Zeit nicht ratifiziert wird. Weiterhin erklärt sie, an den nationalen Debatten aktiv teilnehmen und dabei Unterstützung leisten zu wollen. Herr Barroso, dieser Ansatz lässt eine Menge zu wünschen übrig. Es reicht nicht aus, seinem Bedauern Ausdruck zu verleihen und darauf zu warten, dass in den nationalen Debatten eine Lösung gefunden wird. Die Kommission muss Impulse geben.
Das zweite Problem, auf das ich mich konzentrieren möchte, ist die bessere Rechtsetzung. Wir alle sind zwar für eine bessere Rechtsetzung, die wirksamer und für die Bürger auch besser zu verstehen ist, jedoch bezweifle ich, ob es das ist, was die Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach erreichen wird. Beispielsweise ist es ganz offensichtlich, dass mit dem Zurückziehen von 68 Legislativvorschlägen die verbleibenden von der Kommission initiierten Rechtsvorschriften nicht besser oder verständlicher werden. Ebenso wenig werden sie den Bürgern dadurch näher gebracht. Eben das ist nicht mit besserer Rechtsetzung gemeint.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch darauf verweisen, dass die von der Kommission beabsichtigte Einrichtung einer „neuen Struktur“, die für die Implementierung besserer Rechtsvorschriften verantwortlich zeichnet, Schlimmes ahnen lässt, da es bedeuten würde, dass das derzeitige System, in dem Vorlagen nach ihrem Inhalt bewertet werden, durch ein formales Verfahren ersetzt wird. Meinem Eindruck nach handelt die Kommission nach Parkinsons Gesetz und folgt dem Grundsatz, dass eine neue Institution immer dann geschaffen wird, wenn unklar ist, wie man vorgehen soll. Herr Barroso, wir erwarten weniger hochtrabende Worte, weniger Versprechen und mehr mutige und zielführende Taten. Diese Erwartungen hegen nicht nur die Mitglieder dieses Hauses, sondern auch die Bürger der Europäischen Union.
Csaba Őry (PPE-DE). – (HU) Herr Präsident! Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2006 geht in die richtige Richtung, was die soziale Verantwortung, das Arbeitsrecht und die Arbeitsplätze angeht. Dies lässt sich mit Sicherheit über die Initiativen zu den Arbeitszeiten, zur Standortverlagerung und zu den Menschen sagen, die aus unterschiedlichen Gründen benachteiligt sind, ebenso wie über die Initiativen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.
Gleichzeitig müssen wir jedoch sehen, dass die Bürger, die Akteure des Wirtschaftslebens, übermäßig bürokratische Verfahren ablehnen. Daher müssen wir kleine und mittlere Unternehmen so wirksam unterstützen, wie wir nur können, nämlich indem wir das Regelungsumfeld für KMU in der Europäischen Union vereinfachen und transparenter gestalten.
Ich war hocherfreut zu hören, dass sich Kommissionspräsident Barroso ausdrücklich zur Schaffung eines Dienstleistungsbinnenmarkts bekannt hat. Meines Erachtens ist das für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg gleichermaßen notwendig, ebenso wie für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig möchte ich auch hinzufügen, dass die Kommission eine besondere Rolle spielen muss, wenn sie nach Ablauf des Jahres die Erfahrungen mit der Freizügigkeit für Arbeitskräfte bewertet. Wir sind zuversichtlich, dass sie nicht einfach nur eine objektive Analyse erstellen, sondern als wahrer Motor und Katalysator fungieren wird, damit die Übergangsbeschränkungen so bald wie möglich aufgehoben werden. Dies stellt einen entscheidenden Schritt bei der Vollendung des Binnenmarkts dar und wird zur Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze führen.
Daher sind wir überzeugt davon, dass die Kommission sowohl in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung eines Binnenmarkts, der Wachstum gewährleistet, als auch bei der Ausarbeitung eines Regelungsumfelds im Sozialbereich, der auf europäischen Werten beruht, Fortschritte erzielen wird. Damit sind die entscheidendsten Herausforderungen genannt. Wir benötigen eine ausgewogene Politik in diesen Bereichen, um zu gewährleisten, dass wir 2012 nicht den Expressanschluss nach Lissabon verpassen.
Markus Pieper (PPE-DE). – Herr Präsident! Mit dem Arbeitsprogramm für 2006 haben die Europäischen Institutionen eine große Chance. Wir haben die Chance, der Bevölkerung zu signalisieren, dass wir sie verstanden haben: verstanden, dass die negativen Volksentscheide in Frankreich und auch in den Niederlanden etwas mit europäischer Überregulierung und Bevormundung zu tun haben, verstanden, dass Europa nur die Rahmenbedingungen setzen sollte, und sich nicht detailverliebt in die nationalen Kompetenzen einmischen darf.
Ich begrüße, dass die Kommission für 2006 better regulation verspricht. Ich begrüße, dass in der Einleitung zum Arbeitsprogramm von besserer Rechtsetzung sowie von Subsidiarität, Kosteneffizienz und Folgeabschätzung die Rede ist. Ich sehe hier auch gute Ansätze im Arbeitsprogramm, z. B. in den Bereichen Wachstums- und Sicherheitspolitik. Der Gesamteindruck des Arbeitsprogramms ist aber leider eher business as usual als better regulation.
Dazu drei Punkte. Erstens: Finanzielle Vorausschau. Ich vermisse eine aktive Rolle der Kommission bei der Konfliktlösung. Ich vermisse Vorschläge, wie wir auch mit weniger Geld eine schlagkräftige Strukturpolitik betreiben können, etwa durch private Kofinanzierung oder auch durch Zinszuschüsse.
Zweitens: Neue Richtlinien zum Umweltschutz und zur Energieeinsparung. Wir haben allein im Bereich Energieeffizienz bereits mehr als ein Dutzend europäische Rechtsakte. Für jede neue Richtlinie, die jetzt vorgesehen ist, müssten wir eigentlich drei alte aufgeben. In dieser Richtung geschieht aber nichts.
Drittens: Warum zieht Europa mehr und mehr Sozialkompetenz an sich? Brauchen wir wirklich ein europäisches Grünbuch über Rechte von verheirateten und unverheirateten Paaren, so wie es vorgesehen ist? So machen wir uns von Litauen bis Griechenland lächerlich. Der Gesamteindruck des Arbeitsprogramms ist trotz vieler positiver Ansätze leider nicht der, dass wir die Signale der europäischen Bevölkerung verstanden haben.
Ich fordere eine intensivere Debatte über die Legitimation der europäischen Rechtsetzung. Ich fordere einen echten Einstieg in den Ausstieg aus der Überregulierung.
Alexander Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Das Thema ist das Arbeitsprogramm 2006, das wir uns vornehmen wollen. Die erste Anmerkung, die ich nicht nur an die Kommission richte, sondern auch an die Kolleginnen und Kollegen hier im Europäischen Parlament, ist, dass wir das, was wir uns immer selbst auf die Agenda schreiben und fordern – weniger und bessere Regulierung –, auch in unseren Forderungen an die Kommission ernst nehmen, in Bezug darauf, was sie hinsichtlich Binnenmarkt und Effizienz zu präsentieren hat. Wir dürfen nicht unsere eigenen Forderungen regelmäßig konterkarieren, indem wir dann, wenn wir etwas für notwendig halten, sofort nach dem europäischen Gesetzgeber rufen; etwas mehr Selbstdisziplin ist also angebracht.
Was das Thema bessere Rechtsetzung betrifft, sind die ersten Aktionen, die von der Kommission unternommen wurden, sehr positiv, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir bitten die Kommission jedoch, künftig noch konsequenter vorzugehen und auch einen Benchmark zu setzen beim Vergleich der nationalen Umsetzungen bei den Ländern, die das berühmte Goldplating betreiben, und auch einmal transparent zu machen, wer die europäische Gesetzgebung effektiv und gut umsetzt und wer zusätzliche Bürden einführt.
Eine weitere Bitte an die Kommission: Wir haben ja, angestoßen durch den Basel-II-Bericht, die Friends of the Presidency im Bereich der Komitologie zur Erzielung von Vereinbarungen zwischen Kommission, Rat und Parlament über die Rechte des Parlaments. Diese Arbeit beginnt jetzt. Da werden wir in der künftigen Gesetzgebung, was die Komitologie anbelangt, gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen, wesentliche Klauseln haben, die das auslaufen lassen. Hier bitte ich die Kommission – und Kommissar McCreevy hat auch schon entsprechende Vorarbeiten geleistet –, uns zu unterstützen, zu einer Vereinbarung zu kommen, die die Komitologie zwischen Parlament und Rat handhabbarer macht. Der Rat ist hier in einer Position, in der er sich nicht immer gerade sehr kooperativ zeigt.
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen allgemeiner Art, und im Anschluss werden ich versuchen, auf konkrete Fragen, die mir gestellt wurden, zu antworten.
Zunächst freue ich mich sehr, und ich beziehe mich dabei auf Herrn Daul als dem Präsidenten der Konferenz der Ausschussvorsitzenden, über die gute Zusammenarbeit, die sich bei der Vorbereitung dieses Arbeitsprogramms zwischen der Kommission einerseits und dem Parlament und seinen verschiedenen Ausschüssen andererseits entwickelt hat. Das ist wichtig, denn wir haben uns bemüht, Ihren Erwartungen möglichst weitgehend gerecht zu werden. Man muss einräumen, ein Mitglied dieses Parlaments hat darauf verwiesen, dass das zu 96 konkreten Maßnahmen geführt hat. Sie fanden, dies sei zu viel, aber nachdem ich Ihnen heute zugehört habe, meine ich, einige von Ihnen hätten sich noch mehr gewünscht. Wir müssen in dieser Frage ehrlich sein. Wir brauchen Ausgewogenheit, und diese Ausgewogenheit setzt voraus, dass man, wenngleich es gilt, klare Prioritäten zu setzen – und wir haben klare Prioritäten für die erneuerte Lissabon-Strategie – dem vielfältigen Charakter der Erwartungen Rechnung tragen muss, die hier in der Diskussion mit Ihnen zum Ausdruck kommen.
Ich habe die Kommission als Ganzes sowie alle Kommissare gebeten, an die Vorbereitung dieses Programms mit Ernsthaftigkeit, Realismus und Objektivität heranzugehen. Ich wünsche mir eine sehr viel höhere Ausführungsrate als in der Vergangenheit. Ich kann Ihnen voller Stolz sagen, dass wir bereits in diesem Jahr eine sehr viel höhere Ausführungsrate als in der Vergangenheit ausweisen werden, was die Arbeiten der Kommission betrifft. Wir haben uns auf bestimmte Ziele konzentriert, die wir wirklich realisieren wollen. Natürlich erstreckt sich unser Gesamtprogramm über fünf Jahre. Wir werden jetzt das Programm für das Jahr 2006 vorstellen. Es wird nicht alles im Jahr 2006 erledigt sein. Ich möchte jedoch, dass Sie unsere Arbeit anhand realistischer und konkreter Ziele beurteilen können.
Im Übrigen möchte ich Ihnen dafür danken, dass sie unsere Initiative zum Thema „Bessere Rechtsetzung“, better regulation, im Allgemeinen so positiv aufgenommen haben. Wie bereits gesagt wurde, geht es hier um ein Anliegen, das sich nicht auf die Kommission beschränkt, sondern das von allen Institutionen, einschließlich des Parlaments, geteilt werden muss.
Lassen Sie mich nun zu den konkreten Fragen kommen, meine Damen und Herren Abgeordnete. Was die Strategie für nachhaltige Entwicklung betrifft, Herr Jonckheer, so möchte ich Ihnen sagen, dass das nicht mein Stiefkind ist, sondern im Gegenteil. Als ich in Gleneagles im Namen der Europäischen Kommission unseren amerikanischen Partnern und anderen die Bedeutung des Klimawandels als große Priorität vor Augen geführt habe, bezog ich mich keineswegs auf ein Stiefkind. Wenn wir eine neue Strategie für nachhaltige Entwicklung ankündigen, die wir im Dezember vorstellen wollen, so zeigt das auch, wie wichtig uns diese Problematik ist. Wenn wir, wie wir es gerade getan haben, eine Reihe thematischer Strategien für die Umwelt beschließen, so zeigt das wiederum unser Interesse am Schutz der Umwelt. Wir werden das also tun. Gleichzeitig werden wir natürlich versuchen, wie ich bereits sagte, unsere verschiedenen Ziele miteinander in Einklang zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie sich gegenseitig verstärken.
Herr Swoboda, Sie haben unter anderem zwei Fragen zur Steuerharmonisierung und zum Europäischen Technologieinstitut gestellt. Was die Steuerharmonisierung betrifft, so müssen wir natürlich respektieren, was Konsens zwischen unseren Mitgliedstaaten ist: dass man nämlich daran gehen muss, eine gemeinsame Besteuerungsgrundlage zu erarbeiten. Deshalb bemühen wir uns, eine Vereinbarung über eine gemeinsame Besteuerungsgrundlage in Europa zu erreichen. Diese wird es nach unserer Überzeugung ermöglichen, die Kosten für Geschäftsabschlüsse und Investitionen in unseren Ländern deutlich zu verringern, wobei gleichzeitig jeder Mitgliedstaat weiterhin die Höhe seiner Unternehmensteuer selbst festlegen kann. Das ist die Position der Europäischen Kommission.
Was die Forschung betrifft, so glauben wir, dass die Spitzenzentren für Forschung überall in der Union verstärkt werden müssen. Aus unserer Sicht müssen die europäischen Hochschulen in Forschung, Bildung und Innovation führend in der Welt sein. Wir müssen uns dafür einsetzen, unsere Hochschulen attraktiver zu machen, damit die Besten aus der ganzen Welt nach Europa kommen, anstatt in die USA zu gehen, wie es heute der Fall ist. Wir können die universitären Spitzenzentren in Europa haben. Deshalb müssen wir einen starken Kooperationsmechanismus zwischen den europäischen Hochschulen entwickeln, um das Wissenspotenzial in Europa maximal zu nutzen. Deshalb sind die Bemühungen um die Schaffung eines Europäischen Technologieinstituts eine wichtige Komponente unserer Strategie für Wachstum und Beschäftigung.
Was die Fragen betrifft, die Sie zur Erweiterung gestellt haben, Frau Grossetête, so respektieren wir Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten und der Europäische Rat einstimmig eingegangen sind. Ich kann dem Parlament versichern, dass die Kommission bei der Bewertung aller Fortschritte der Beitrittsländer strikt und systematisch vorgehen wird.
Das Thema der Familienpolitik und der Demografie haben wir auf die Tagesordnung des Gipfels von Hampton Court gesetzt, und wir haben jetzt ein klares Mandat des Europäischen Rates, einen Beitrag zu diesen Überlegungen oder besser zu konkreten Maßnahmen, die wir hoffen ankündigen zu können, zu leisten. Wir werden auch auf diesem Gebiet aktiv sein.
Hinsichtlich der Sorgen, die mehrere von Ihnen, besonders Herr Crowley, bezüglich der Landwirtschaft und der multilateralen Verhandlungen geäußert haben, kann ich Ihnen garantieren, dass Europa es nicht akzeptieren wird, in diesem Rahmen in eine defensive Position gedrängt zu werden. Aus unserer Sicht sollte wir uns in der Frage der Marktöffnung nicht länger Lektionen von denen erteilen lassen, die an Märkten festhalten, die noch abgeschotteter sind als der unsere, der einer der offensten Märkte der Welt, wenn nicht gar der offenste überhaupt ist. Wir werden antreten, um das europäische Interesse klar zu vertreten.
(EN) Die Rechte der Kinder sind ein weiteres schwieriges Thema, auf das uns Herr Crowley aufmerksam gemacht hat. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein. Vizepräsident Frattini arbeitet derzeit an Vorschlägen für eine Mitteilung, die wir demnächst erörtern wollen und hoffentlich im März 2006 vorlegen können. Zugegebenermaßen ist die Rechtsgrundlage für Regelungen in diesem Bereich nicht sehr klar, aber das sollte uns unserer Ansicht nach dennoch nicht daran hindern, eine bessere Koordinierung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zu den Rechten von Kindern anzustreben. Sie können darauf zählen, dass wir uns für die Rechte von Kindern und alle anderen Fragen im Zusammenhang mit bürgerlichen Rechten einschließlich der von Ihnen angesprochenen Bedenken in Bezug auf die Nichtdiskriminierung einsetzen werden.
Ich möchte etwas zu den Bemerkungen von Herrn Rasmussen sagen. Wir sind ebenfalls der Ansicht, dass wir beide Elemente brauchen – Wirtschaftsreformen und Investitionen. Wir haben auch bereits erste Maßnahmen ergriffen, und Hampton Court war ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Mitgliedstaaten haben auf höchster Ebene vereinbart, dass wir jetzt einige konkrete Bereiche für Investitionen und einen abgestimmten Ansatz auf europäischer Ebene auswählen und versuchen sollten, die europäische mit der einzelstaatlichen Ebene zu verbinden. Denkbar wäre dies beispielsweise in den Bereichen Energie und Forschung.
Es gibt jetzt einige Bereiche, in denen wir deutlich machen können, dass wir uns gemeinsam engagieren und dass wir einen koordinierten Ansatz für einen wirtschaftlichen Ordnungsrahmen in Europa verfolgen. Darin sind wir uns einig. Die Schwierigkeit, Herr Rasmussen und liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht darin, dass wir uns im letzten Jahr der Finanziellen Vorausschau für diesen Zeitraum befinden. Es ist jetzt unmöglich, sämtliche Prioritäten für dieses Jahr umzustellen. Was unsere Analyse der nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten betrifft, so geschieht das, was wir jetzt tun und – da können Sie sicher sein – was wir künftig tun werden, durchweg im Rahmen der neuen Lissabon-Strategie; unsere Bemühungen, weiter voranzukommen, basieren nicht nur auf einem Ansatz, der unsere Maßnahmen im Bereich der Wirtschafts- und Strukturreform untermauert, sondern auch auf einem allgemeineren ganzheitlichen Ansatz zur Förderung der Investitionstätigkeit, mit dem wir Wachstum und Beschäftigung in Europa ankurbeln wollen. Das möchte ich unterstreichen, denn das ist ein gutes Beispiel für einen Ansatz auf europäischer Ebene, der einen zusätzlichen Nutzen für die Mitgliedstaaten und deren Bemühungen bringt. Eben dieser Gedanke der Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Parlament bildet die Grundlage, auf der wir unsere Zusammenarbeit mit Ihnen für ein erneuertes, stärkeres und zielgerichteteres europäisches Projekt fortsetzen wollen.
(Beifall)
Präsident. – Das Parlament dankt dem Kommissionspräsidenten und dem, wie ich schon sagte, so vollständig anwesenden Kollegium der Kommissare.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am 14. Dezember 2005 statt.
(Die Sitzung wird um 12.10 Uhr bis zur Abstimmungsstunde unterbrochen und um 12.15 Uhr wieder aufgenommen.)