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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 15. November 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

28. 2005 – Erweiterung II
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt eine Erklärung der Kommission zur Erweiterung II.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Vor einigen Wochen habe ich Ihnen über den Standpunkt der Kommission zu Bulgarien bzw. Rumänien berichtet. Heute freut es mich, Ihnen die Vorstellungen der Kommission zur Erweiterungsstrategie als Ganzes, zu den Bewerberländern Türkei und Kroatien und zu den potenziellen Bewerberländern des Westbalkans darlegen zu können.

Die Erweiterung ist eines der wirksamsten politischen Instrumente der EU: Sie steht beispielhaft für die „Soft Power“ der EU oder die Kraft zum Wandel, die dazu beigetragen hat, Länder in stabile Demokratien und prosperierende Gesellschaften umzuwandeln, in denen die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Wohlfahrt gesteigert wurden. Es liegt im ureigenen Interesse Europas und unserer Bürger, einen sorgfältig gesteuerten Erweiterungsprozess fortzuführen.

Kennzeichnend für die Erweiterungsstrategie der Barroso-Kommission ist die Konsolidierung. Wir müssen vorsichtig sein, bevor wir neue Verpflichtungen eingehen, doch gleichzeitig müssen wir uns an die bereits gegebenen Zusagen halten, wenn die betreffenden Länder die strengen Beitrittskriterien erfüllt haben. Konditionalität ist der Schlüssel zu unserer Kraft zum Wandel, aber sie ist keine Einbahnstraße: Konditionalität funktioniert nur, wenn die Länder den Zusagen der EU zu ihrer späteren Mitgliedschaft vertrauen können.

Darüber hinaus müssen wir wirksamer vermitteln, worin beim Erweiterungsprozess und unserem Umgang mit diesen Ländern die Ziele und die Herausforderungen bestehen. Eine breite öffentliche Unterstützung ist für eine nachhaltige Erweiterungspolitik unerlässlich, und zwar mehr denn je. Es liegt jetzt auch insbesondere an den Mitgliedstaaten, sich hinter die von ihnen einstimmig beschlossenen Strategien zu stellen und sie zu verteidigen.

Die Kommission trägt sicher ihren Teil dazu bei, und ich weiß sehr wohl um die beachtlichen Anstrengungen, die vom Europäischen Parlament und vielen von Ihnen zu Hause geleistet werden.

Mit der Türkei und Kroatien haben wir vor etwa drei Wochen mit dem Screening der Kapitel für die Beitrittsverhandlungen begonnen. In den Fortschrittsberichten wird untersucht, wie der Stand in diesen Ländern ist, und in den Beitrittspartnerschaften werden sowohl kurz- als auch mittelfristige Ziele gesetzt, um die aufgezeigten Probleme zu beheben.

Offen gesagt ergibt sich ein gemischtes Bild. In der Türkei sind jetzt mutige und wichtige Reformen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Kraft getreten, ihre Umsetzung erfolgt jedoch weiterhin uneinheitlich. Im Bericht wird unterstrichen, dass die Türkei weiter ernsthafte Anstrengungen in den Bereichen Meinungsfreiheit, Frauenrechte, Religionsfreiheit, Gewerkschaftsrechte, kulturelle Rechte und Bekämpfung von Folter und Misshandlungen unternehmen muss, wobei in der Praxis eine Null-Toleranz-Politik zu verfolgen ist. In der Beitrittspartnerschaft für die Türkei werden diese Fragen im Rahmen der kurzfristigen prioritären Maßnahmen angegangen.

Positiv ist zu erwähnen, dass die Kommission jetzt die Türkei als funktionierende Marktwirtschaft anerkennt, solange der Stabilisierungs- und Reformkurs entschlossen beibehalten wird.

Kroatien kommt bei der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften gut voran, muss aber noch erhebliche Anstrengungen zur Reformierung des Justizsystems, zur Korruptionsbekämpfung, zur Verbesserung der Lage der Minderheiten, zur Erleichterung der Rückkehr von Flüchtlingen sowie zur Stärkung der Verwaltungsstrukturen für die Durchsetzung des Acquis communautaire unternehmen. Selbstverständlich muss Kroatien auch weiterhin uneingeschränkt mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zusammenarbeiten, damit der verbleibende flüchtige Angeklagte endlich vor Gericht gestellt wird; wir werden diese Verpflichtung sehr genau überwachen.

Die Stellungnahme der Kommission zum Antrag der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auf den EU-Beitritt ist eine objektive und faire Bewertung. Das Land stand erst vor wenigen Jahren am Rande des Bürgerkriegs, hat jedoch eine beachtliche politische Stabilität und demokratische Entwicklung erreicht, insbesondere dank der Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist derzeit der einzige funktionierende Vielvölkerstaat auf dem westlichen Balkan und damit ein Beweis dafür, dass ein derartiges multiethnisches Modell wirklich gelingen kann. Aus diesen Gründen kann die Kommission empfehlen, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten zuzuerkennen; noch ist das Land aber nicht bereit für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Ein Kandidatenstatus für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wäre ein wichtiges politisches Signal für die gesamte Region. Andererseits möchte die Kommission nicht übereilt Beitrittsverhandlungen empfehlen, bevor das Land dazu gerüstet ist. Wir werden die Lage regelmäßig bewerten und die Aufnahme von Verhandlungen erst dann empfehlen, wenn die Kriterien von Kopenhagen in ausreichendem Maße erfüllt sind.

Was Albanien, Serbien und Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina betrifft, so ist es an der Zeit, unsere Beziehungen durch Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit jedem dieser Länder zu festigen. Im Falle Albaniens sollten wir hierzu bald in der Lage sein. Bei den beiden anderen Ländern rechne ich Ende 2006 damit, wenn sie bei den Reformen deutlich vorankommen. Ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union, und es muss konsequent umgesetzt werden, bevor weitere Schritte erwogen werden können.

Nach dem objektiven Bericht und der Empfehlung des Beauftragten für die UN-Standards, Herrn Eide, werden die Gespräche über den künftigen Status des Kosovo nun bald beginnen. Die Kommission unterstützt uneingeschränkt die Bemühungen des UN-Beauftragten für die Statusfrage, Präsident Ahtisaari, um eine ausgewogene und dauerhafte Lösung im Kosovo, und wir werden natürlich eng mit ihm zusammenarbeiten.

Unser Ziel muss ein Status mit Standards sein; es ist von allergrößter Bedeutung, dass die Minderheitenrechte und der Schutz kultureller und historischer Stätten sichergestellt werden, um so eine dauerhafte Lösung zu erreichen, mit der die Stabilität in der ganzen Region verbessert wird. Zu diesem Zweck werde ich in Kürze mit Herrn Solana ein gemeinsames Papier zur Kosovopolitik der EU vorlegen. Wir müssen auch den Prozess der Festlegung des Kosovo-Status mit entsprechenden Finanzmitteln vereinfachen, weshalb die Kommission das Parlament dazu aufruft, mit ihr in dieser Angelegenheit eng zusammenzuarbeiten; ich zähle bei dieser für die Sicherheit und Stabilität Europas sehr wichtigen Frage auf Ihre Unterstützung.

Jedes einzelne Land des westlichen Balkans unternimmt in diesem Herbst einen Schritt in Richtung Europäische Union. Deshalb signalisieren wir klar und deutlich, dass die EU auch weiterhin für ihre mittel- oder langfristige Beitrittsperspektive eintritt, sobald das jeweilige Land unsere strengen Auflagen erfüllt. Hier geht es nämlich um zwei Seiten derselben Medaille: Die Aussicht auf einen EU-Beitritt rückt mit jedem echten Fortschritt bei der Erfüllung der EU-Bedingungen und -Kriterien schrittweise näher.

Die Kommission tritt weiterhin für die Beitrittsperspektive der Westbalkanländer ein. Ich bin überzeugt, dass ich bei diesem sehr wichtigen Engagement auf Ihre Unterstützung zählen kann.

(Beifall)

 
  
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  Elmar Brok, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei der Kommission für das Engagement bedanken, mit dem sie in die Details geht und versucht, die Dinge voranzubringen, wie auch bei vielen Ländern dafür, wie sie versuchen, Kriterien zu erfüllen. Es muss jedoch klar sein, dass die Bedingungen erfüllt und nicht nur aufgeschoben werden. Zu diesen Bedingungen gehört auch die Aufnahmefähigkeit, bei der wir bisher keine Definition dafür haben, in welcher Weise sie operationell gemacht werden kann. Ich hoffe, dass die Kommission nach den Debatten vom 3. Oktober bald mit einem Vorschlag kommen wird.

Ich stimme dem Herrn Kommissar zu: Die Erweiterung ist eine der erfolgreichsten außenpolitischen Strategien der Europäischen Union, weil diese Erweiterung zu Stabilität und zur größeren Verbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa geführt hat. Die europäische Perspektive ist ein wichtiges Instrument, um es den Ländern zu ermöglichen, innere Reformen durchzusetzen, was sie sonst – wahrscheinlich aus innenpolitischen Gründen – meist nicht können.

Aber ich glaube, es muss klar sein, dass die Europäische Union nach der Erweiterung um zehn Länder und in Kürze möglicherweise um zwei weitere Länder auch eine Phase der Konsolidierung braucht, wie jedes Unternehmen, das nach Wachstumszeiten Konsolidierungszeiten benötigt. Es geht darum, dass wir die Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung wieder herstellen, dass wir wieder deutlich machen, in welcher Weise wir in der erweiterten Europäischen Union Handlungsfähigkeit sichern und die Frage der politischen Einheit in den Vordergrund stellen, oder ob wir zulassen, dass die Union zu einer Freihandelszone dahinsiecht.

Ich meine, dass aus diesem Bericht, der Strategiebericht heißt, nicht deutlich wird, wie eine Gesamtstrategie aussehen soll, welche innere Gestalt und welche äußeren Grenzen dieses Europa in Zukunft haben soll, die natürlich in einem solchen Bericht nicht im Detail festgelegt werden können, weil das natürlich immer ein fließender Prozess ist. Aber ein Bild davon zu haben, das ist – so glaube ich – jetzt an der Zeit, damit wir vorankommen, um nicht nur in der Fortschreibung von Einzelfällen zu verbleiben, die dann dazu führen, dass es Automatismen gibt, die die Europäische Union gefährden. Dazu gehören auch Überlegungen, ob es nicht sinnvoll ist, für eine Zwischenzeit zwischen der Vollmitgliedschaft und der Nachbarschaftspolitik eine weitere Option zu finden, die den Staaten die Möglichkeit gibt, eine europäische Perspektive für ihre Entwicklung zu haben, und gleichzeitig aber auch die Entwicklungsfähigkeit der Europäischen Union nicht zerstört – so etwas, wie es der Europäische Wirtschaftsraum einmal war. Diese Initiativen vermisse ich von der Kommission, die zu sehr am Detail hängt und nicht den großen Wurf versucht.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die erfolgreiche Integration der westlichen Balkanstaaten in Europa ist für diese Region und für Europa insgesamt von herausragender Bedeutung. Sie zählt zu den politischen Prioritäten meiner Fraktion, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Folglich haben wir zu der europäischen Zukunft der westlichen Balkanstaaten Stellung genommen, und diese Stellungnahme wurde in einem mittlerweile veröffentlichten umfassenden Strategiepapier festgehalten. Vor allem werden wir die Thessaloniki-Agenda weiterhin uneingeschränkt unterstützen. Wir müssen auf dem Balkan dauerhaften Frieden, Stabilität und Wohlstand in einem Prozess der Integration in die Europäische Union und selbstverständlich mit der Perspektive eines endgültigen Beitritts schaffen.

In diesem Prozess müssen wir uns zunächst um eine Lösung der Probleme, die in der gesamten Region bestehen, bemühen. Obgleich eine erfolgreiche Integration in die Europäische Union von der Konsolidierung der Demokratie und des Rechtsstaats, der wirtschaftlichen Entwicklung, der Flüchtlingspolitik, der Zusammenarbeit mit dem Haager Strafgerichtshof und der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität abhängt, stehen diese Dinge auch im engen Zusammenhang mit der regionalen Sicherheit und Stabilität in diesem Gebiet, das nach wie vor fragil ist. Deshalb beeinflussen diese Probleme nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen den Balkanstaaten und der Europäischen Union, sonder die Länder selbst profitieren in diesem Prozess am meisten.

Die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den westlichen Balkanstaaten ist daher ein nicht unwesentlicher Bestandteil unserer Strategie. Die EU muss zwar einen soliden Rahmen bieten, die Dynamik zur Behebung dieser Probleme muss letzten Endes jedoch von der Region selbst ausgehen. Das gilt auch für die Hindernisse, die noch immer im Wege stehen. Bei den Entscheidungen über die staatliche Struktur von Bosnien-Herzegowina, die Beziehungen zwischen Serbien und einem wahrscheinlich unabhängigen Montenegro sowie den Status des Kosovo müssen die regionalen Politiker Verantwortung übernehmen.

Gleichwohl müssen wir auch die positiven Entwicklungen anerkennen, wenn auch mit einer gesunden Portion vorsichtigem Optimismus. Bosnien hat bei der Reformierung seines Polizeiapparats einen Durchbruch erzielt, was ein wichtiges Zugeständnis vonseiten des serbischen Landesteils war. Die Tatsache, dass die Kommission der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Bewerberlandes verleihen will, spiegelt den stetigen Fortschritt in diesem Land wider.

Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen die Kommission bei ihren drei K für die Erweiterung, nämlich bei der Konsolidierung, Konditionalität und Kommunikation, ich hoffe jedoch, bald auf den letztgenannten Punkt zurückzukommen, denn eine breite Unterstützung, auch in unseren eigenen Ländern, für die künftige Erweiterung ist für ihren Erfolg unabdingbar.

 
  
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  István Szent-Iványi, im Namen der ALDE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident! Das wichtigste Ergebnis des Erweiterungspakets besteht darin, dass den Ländern des westlichen Balkans eine klare Perspektive für die Zukunft gegeben wird. Als besonders positiv ist der Teil zu bewerten, in dem der Kandidatenstatus für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien empfohlen wird. Damit werden die Entwicklung Mazedoniens und die Anstrengungen des Landes in den vergangenen Jahren anerkannt. Gleichzeitig ist es richtig, dass für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen kein Datum festgesetzt wurde, da zurzeit weder Mazedonien noch die Europäische Union dafür bereit sind. Hoffen wir, dass sowohl Mazedonien als auch Europa in einigen Jahren für den Beginn der Verhandlungen bereit sein werden.

Die Europäische Union erwartet von den Ländern des westlichen Balkans zwei Dinge. Sie sollen das tragische Kapitel ihrer jüngsten Geschichte abschließen und die Kriegsverbrecher – Ante Gotovina, ebenso wie Mladic und Karadzic – an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag ausliefern. Außerdem erwartet die EU von ihnen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den ethnischen Frieden wiederherzustellen. Anders gesagt, es müssen die Minderheitenrechte umfassend gestärkt werden, sei es in der Vojvodina oder im Kosovo. Außerdem erwarten wir, dass sie ihre Bemühungen zur Erfüllung der Beitrittsbedingungen intensivieren, das Potenzial der regionalen Zusammenarbeit erkunden und ihre Grenzen öffnen.

Der wahre Maßstab für die Integrationsfähigkeit des westlichen Balkans ist, ob die Länder fähig sind, miteinander zu kooperieren. Ich hoffe, sie werden dazu in der Lage sein und dies unter Beweis stellen, indem sie sich umfassend auf die Integration in die Europäische Union vorbereiten.

 
  
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  Joost Lagendijk, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Meiner Überzeugung nach werden noch viele Historiker ihre Doktorarbeit darüber schreiben, was nun genau im Frühjahr 2005 in Europa geschehen ist, was die Haltung, das Klima und die Stimmung in Hinsicht auf die Erweiterung betrifft. War es die Tatsache, dass wir die Erweiterung von 2004 noch verdauen mussten? Lag es an den beiden „Nein“ in den Referenden über die Verfassung? Ich weiß es nicht, und es wird sich erst später herausstellen, Fakt ist jedoch, dass die Erweiterung der EU unter Beschuss geraten ist. Nicht wenige haben den Eindruck, die Bevölkerung der Europäischen Union sei mehrheitlich dagegen, und zahlreiche Politiker verstecken sich nur allzu gern hinter diesen skeptischen Bürgern.

Deshalb stimmt es mich froh, dass die Kommission nicht nur Rückgrat bewiesen hat, sondern auch gut durchdachte Argumente für die Erweiterung der EU vorbringt – und dem pflichte ich bei –, die, wie wir sie bislang erlebt haben, eine der Erfolgsgeschichten der Europäischen Union ist, und dass es deshalb recht kurzsichtig wäre, die Zusagen, die wir Rumänien und Bulgarien, der Türkei und Kroatien sowie den westlichen Balkanstaaten gegeben haben, zurückzunehmen.

Allerdings freue ich mich auch, dass die Kommission völlig richtige Schlussfolgerungen aus dem Verfahren gezogen hat, wie wir es bislang kennen. Die Schlussfolgerungen besagen, dass es wichtiger ist, die Erweiterung praktisch umzusetzen, als Versprechen zu geben, dass – und ich wiederhole das, was Herr Brok ausgeführt hat – auch die Europäische Union selbst imstande sein muss, neue Länder aufzunehmen und dass sich die Beurteilung eines Landes auf Fakten und nicht auf Automatismen gründen muss und dass schließlich künftige Erweiterungsrunden nur dann gelingen, wenn die Politiker politische Führung an den Tag legen und bereit sind, die Erweiterung gegenüber ihrer mitunter tatsächlich skeptischen Bevölkerung zu verteidigen.

Wenn die Kommission weiterhin für eine derartige Erweiterung eintritt – die nicht auf Zusagen, nicht auf Automatismen, sondern auf Fakten beruht, eine Erweiterung auf der Grundlage einer politischen Vision und Analyse und nicht von Meinungsumfragen –, dann wird sie auch von meiner Fraktion voll und ganz unterstützt.

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die zweite Phase der Erweiterung stellt einen weiteren Schritt zur vollständigen Wiedervereinigung Europas dar. Der 1. Mai 2004 ist ein Tag, der in die Geschichte unseres Kontinents eingegangen ist, nicht nur wegen des zusätzlichen politischen Gewichts, das wir erlangt haben, sondern auch wegen der kulturellen Bereicherung, die wir daraus gewonnen haben.

Es ist wichtig, diesen Weg fortzusetzen, jedoch erst nach einer Konsolidierung der jetzigen Union und ohne die für den Beitritt weiterer Länder geltende Grundvoraussetzung aus den Augen zu verlieren, nämlich die Wahrung des acquis communautaire und der Grundprinzipien der Union. Das ist keine rein formale Frage, sondern sie wird sogar essenziell, wenn die Rechtsvorschriften der Länder, die um den Beitritt ersucht haben, gegen diese Prinzipien verstoßen.

Wie ich in meiner schriftlichen Anfrage vom 26. Oktober 2005 hervorgehoben hatte, werden in Kroatien italienische Staatsangehörige nach wie vor beim Zugang zum Immobilienmarkt diskriminiert, der indessen anderen Ländern der Union gewährleistet wird. Herr Kommissar, ich frage Sie, ob es hinnehmbar ist, dass ein Land, das die Mitgliedschaft in der Union anstrebt, die Bürger eines anderen Mitgliedstaats benachteiligt und damit eindeutig gegen Gemeinschaftsgrundsätze verstößt, und ob die Kommission bereit ist, die Anerkennung des freien Zugangs italienischer Staatsangehöriger zum kroatischen Immobilienmarkt in die Verhandlungen aufzunehmen.

Die Diskriminierung hat, abgesehen von ihrer negativen rechtlichen Bedeutung, vor allem unkalkulierbare menschliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Die Institutionen, die sie praktizieren, können nicht als glaubwürdig und zuverlässig betrachtet werden. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist ein Grundsatz, der die zivilisierten und demokratischen Länder von denen unterscheidet, die sich nicht als solche bezeichnen können, wenn dieser Grundsatz nicht in ihren Rechtsvorschriften verankert ist.

Wir sind keineswegs gegen den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union, allerdings nur unter der Bedingung, dass dieses Land die im ganzen Westen verbrieften Normen bezüglich des Grundeigentums achtet und endlich den langwierigen Streit mit den Emigranten aus Dalmatien und Julisch-Venetien, die immer noch darauf warten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt, beendet.

 
  
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  Camiel Eurlings (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Ich gebe hier die Meinung vieler wieder, wenn ich sage, dass die Erweiterung zu Europas größten Erfolgen zählt, sowohl für die neuen Länder als auch für die alte Union. Zugleich müssen wir erkennen, dass zwischen der Vertiefung und der Erweiterung ein gewisses Ungleichgewicht entstanden ist. In Nizza hätte der Vertiefungsprozess vollendet werden sollen, was jedoch nicht geschehen ist, die Erweiterung hingegen ging später dann vonstatten. Uns sollte Sorge bereiten, dass der Vertiefungsprozess noch immer aussteht. Meinem niederländischen Kollegen Wiersma möchte ich sagen, dass meine Partei zu 80 % für die Verfassung war. Wenn seine Partei beim nächsten Mal ähnlich votiert, dann sind wir möglicherweise in den Niederlanden erfolgreich.

Gleichzeitig müssen wir jetzt vor dem Beginn des Erweiterungsprozesses eine gewisse Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, und das bedeutet, wir müssen die Erweiterungskriterien ernster denn je nehmen. Wenn wir Kriterien festlegen, sowohl für die Finanzen als auch für die Erweiterung, dann müssen wir uns auch daran halten. Anderenfalls leidet unsere Glaubwürdigkeit. Zu diesen Kriterien gehört die Aufnahmefähigkeit. Wir brauchen ausreichende Unterstützung, institutionell sowie bei der Basis der Anhänger, damit die künftige Erweiterung möglich ist.

Nunmehr möchte ich mich den Kriterien der Länder selbst zuwenden. Auch dort müssen wir zeigen, dass wir sie ernst nehmen. Was Rumänien und Bulgarien betrifft, hoffe ich zutiefst, sie können 2007 beitreten, aber das hängt von den Fortschritten ab, die sie im nächsten halben Jahr erzielen. Bei der Türkei müssen wir, wenn es vorangehen soll, klarstellen, dass die Gesetze über die Meinungsfreiheit und die freie Meinungsäußerung geändert werden müssen, dass die Zypern-Frage einer Lösung bedarf, indem beide Seiten der Medaille anerkannt werden, und dass wir beispielsweise bei der Religionsfreiheit nicht noch jahrelang bis zur nächsten Wahl in der Türkei warten können, bis auf diesem Gebiet tatsächlich etwas passiert.

Die Kommission hat jetzt klipp und klar erklärt, diese Dinge seien kurzfristig möglich. Wir bestärken die Kommission darin, und ich denke, wir sollten im Moment bei der Zulassung neuer Bewerberländer umsichtig vorgehen. Gleichzeitig müssen wir in unserem eigenen Haus Ordnung schaffen und vor allem zeigen, dass wir die Verfahren tatsächlich sehr ernst nehmen. Herr Kommissar, wir als Europäer müssen einen festen Standpunkt gegenüber Populisten einnehmen, die die Menschen vor der Erweiterung warnen, allerdings wäre es falsch, sie mit Leuten zu verwechseln, die sich wirklich um die rechte Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung sorgen.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Eurlings, vielleicht liegt das Problem auch darin, dass es zu viele Politiker gibt, die die Schwierigkeiten und die Probleme der Erweiterung schildern, und zu wenige, die die Vorteile der Erweiterung schildern.

Aber ich gebe Ihnen durchaus Recht, dass wir die weiteren Schritte der Erweiterung mit Augenmaß und Sorgfalt planen müssen. Ich möchte zu drei Ländern des Balkans kurz etwas sagen. Erstens: Kroatien. Ich bin in meiner Eigenschaft als Berichterstatter sehr froh, dass wir mit den Verhandlungen beginnen. Viel ist noch zu tun, der Kommissar hat einiges davon erwähnt. Ich würde vor allem auch die Frage der Rechtsdurchsetzung hinzufügen, damit haben wir in gewissen Regionen Kroatiens noch große Probleme. Gerichtsbarkeit und Verwaltung sind dort noch nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Und wenn ich das Wort Zeit gebrauche, dann möchte ich auch Kroatien darauf hinweisen, dass man jetzt nicht über den Zeitpunkt des Beitritts reden sollte – den kennt niemand von uns –, sondern darüber, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um einen günstigen Zeitpunkt herbeizuführen.

Was Mazedonien betrifft, so möchte ich klar sagen, dass vielleicht manche Bürger in Mazedonien enttäuscht darüber sind, dass die Verhandlungen noch nicht begonnen haben. Man soll das aber auf der anderen Seite eher als Anregung dafür sehen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu einem Verhandlungsprozess und Verhandlungsbeginn zu gelangen. Ich glaube, es ist durchaus eine Erfolgsstory, was von Seiten der verschiedenen Volksgruppen in Mazedonien als Kompromiss errungen wurde, vor allem die Durchsetzung des Ohrid-Abkommens.

Zum Kosovo: Ich möchte Sie, Herr Kommissar, bitten, die Linie, die Sie in Ihrem Bericht einschlagen, weiter zu verfolgen. Es ist eine sehr, sehr kritische Linie. Jeder, der den Bericht liest, wird sehen, dass er von Sympathie für das Kosovo getragen ist, jedoch durchaus Kritik an den unhaltbaren Zuständen übt, die es nach wie vor im Kosovo gibt – politisch, wirtschaftlich, was die Minderheitsfragen betrifft usw. Das ist einer der wenigen, wirklich kritischen und objektiven Berichte

Über Status und Standards wird immer hin und her diskutiert. Ich bin der Meinung, wir können keinem Land die Unabhängigkeit geben bzw. kein Land näher an die Europäische Union heranbringen, wenn es nicht auch europäische Standards erfüllt. Ich bin absolut dafür, dass wir dem Kosovo helfen, auf die Sprünge zu kommen. Ich bin aber auch absolut dafür, dass das Kosovo die europäischen Standards einhält – auch die Mehrheit im Kosovo, für die wir in den vergangenen Jahren so gekämpft haben.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE).(EN) Herr Präsident! Kommissar Rehn hat Recht mit seiner Feststellung, dass ein sorgfältig vorbereiteter und gesteuerter Erweiterungsprozess das wirksamste und erfolgreichste politische Instrument ist, über das die Europäische Union verfügt. Wir müssen uns sehr anstrengen, um unsere Bürger für sie zu begeistern. Das klingt jetzt vielleicht etwas frivol, aber wenn wir mit attraktiven jungen Männern wie etwa auf den Plakaten mit dem polnischen Klempner werben könnten, würde uns die Vermarktung der Erweiterung womöglich leichter fallen, aber ich möchte nicht sexistisch werden.

Wir müssen den Bürgern der Bewerberländer für die großen Anstrengungen, die sie auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft leisten müssen, auch eine konkrete Belohnung bieten, aber die EU-Visaregelung in den westlichen Balkanländern ist ein kaum überwindbares Hindernis für einen Austausch durch Reisen. Sie erstickt gerade jene Bereiche der Gesellschaft, die von der EU am stärksten ermutigt werden sollten.

Im Mai dieses Jahres sagte Kommissar Rehn auf einer Konferenz, dass er die Aussichten auf Fortschritte bei der Visaerleichterung optimistisch einschätze. Ich hoffe, dass dieses Datum nun näher rückt. Mir ist klar, dass es bis zu einer vollständigen Liberalisierung der Visapraxis noch ein weiter Weg ist, doch eine Visaerleichterung für bestimmte Gruppen, vergleichbar mit den Regelungen, wie sie mit Russland, der Ukraine und China erörtert oder ausgehandelt werden, wäre sicherlich ein wichtiger Beitrag, mit dem die EU ihr Engagement für eine künftige Erweiterung unter Beweis stellen könnte. Kurzfristig würde dies die Stimmung, die Aussichten und die Perspektiven der Menschen in den Westbalkanländern verbessern. Die Tatsache, dass 70 % der Studenten in Serbien noch nie ihr Land verlassen haben, trägt sicher zu einer nach innen gewandten politischen Kultur bei.

Die Rücksicht der EU auf die innere Sicherheit ist wichtig, aber sie darf nicht so weit gehen, dass damit die Sicherheit in der Region als Ganzes aufs Spiel gesetzt wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Minderheit von Kriminellen die übrige Bevölkerung in Geiselhaft nimmt.

 
  
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  Gisela Kallenbach (Verts/ALE). – Herr Präsident! Herr Kommissar, meinen Glückwunsch zu den Schlussfolgerungen, die Sie aus den Fortschrittsberichten der Länder des westlichen Balkans gezogen haben. Sie sind damit der Linie des Parlaments gefolgt, und Sie tragen dazu bei, dass Europa zu den bisherigen Beschlüssen steht und damit auch Verlässlichkeit und Kontinuität dokumentiert. Ich finde das umso bedeutsamer in einer Zeit, in der leider sehr viel von einer europäischen Krise und einer Grenze der Aufnahmefähigkeit die Rede ist. Europa hat beim Krisenmanagement im ehemaligen Jugoslawien zu Beginn der neunziger Jahre versagt; im ureigensten Interesse geben wir nun der Region schrittweise eine europäische Zukunftsperspektive.

Gestatten Sie mir wenige konkrete Hinweise. Bitte ziehen Sie Schlüsse aus den bisherigen Erweiterungsrunden. Unterstützen Sie die Entwicklung der Zivilgesellschaft durch Bildungs- und Demokratisierungsprogramme. Bereiten Sie die Europäisierung der Bürger besser vor als bisher. Beziehen Sie diese von Anfang an ein. Es ist gut, dass Sie Ihr besonderes Augenmerk auf den Schutz und die Integration von Minderheiten richten. Um diese aber auch langfristig abzusichern, brauchen wir noch Instrumente, damit die EU auch nach einem eventuellen Beitritt noch Einfluss und Kontrollmöglichkeiten hat. Und wenden Sie sofort ab Beginn der Assoziierung die Instrumente an, die die lokalen Politiker zu tatsächlichen Akteuren machen und die sich als effizient und zielführend erwiesen haben. Ich erinnere unter anderem an den Beschluss des Parlaments zur Erarbeitung von nationalen Entwicklungsplänen durch alle Regierungen in der Region.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, was die dialektische Beziehung zwischen Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung anbelangt, ist Herr Brok bereits auf mein Anliegen eingegangen.

Gestatten Sie mir, dass ich mich in meinem Beitrag auf die schöpferische Rolle Griechenlands als einen Faktor politischer und wirtschaftlicher Stabilität in der Region konzentriere, auf eine Rolle, die sichtbar und bekannt sein dürfte.

Erstens haben wir dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union unsere aufrichtige Unterstützung gegeben. Wir haben als Erste die Beitrittsakte dieser beiden Länder zur Europäischen Union ratifiziert.

Zweitens haben wir die europäische Orientierung der Türkei in der Erwartung unterstützt, dass sie sich an das Völkerrecht und den gemeinschaftlichen Besitzstand hält. Nichtsdestotrotz dauern die Besetzung von Territorium in der Republik Zypern, der Kriegszustand, die Verletzung griechischen Luftraums, die Kampagne gegen die Religionsfreiheit und die Drohungen gegen das ökumenische Patriarchat an.

Drittens hält sich Albanien wirtschaftlich weitgehend aufgrund des Geldes aufrecht, das von seinen in Griechenland arbeitenden Bürgern eingeführt wird. Griechenland ist, gemessen an seiner Bevölkerungszahl, für Einwanderer das Aufnahmeland Nummer 1 in Europa.

Viertens unterstützen wir die europäische Orientierung der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien.

Der Kommissar hob kürzlich in Skopje hervor, dass Griechenland der größte Investor in diesem Land ist; das stimmt, und ich habe das mit Freuden vernommen. Andererseits, Herr Swoboda, verhält man sich uns gegenüber unversöhnlich in der Namensfrage – eine Propaganda, die die Geschichte sowie die historische und kulturelle Aggression außer Acht lässt.

Warum, so lautet die logische Frage, unterstützen wir die europäische Zukunft der Länder in unserer Region? Weil wir Frieden, Stabilität und Wohlstand in der gesamten Region verbreiten und festigen wollen.

Meine Damen und Herren, die uneingeschränkte Akzeptanz und Umsetzung der Prinzipien, Werte und Regeln der Union liegen in der Verantwortung der betreffenden Länder. Die Europäische Union, alle ihre politischen und institutionellen Agenturen und ihre Mitgliedstaaten haben jedoch das Recht, den Kurs ihrer Integration zu kontrollieren.

Das ist eine gemeinsame Aufgabe.

 
  
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  Borut Pahor (PSE).(SL) Ich stimme dem Bericht der Kommission im Wesentlichen zu, da ich für die weitere Erweiterung der Europäischen Union bin. Allerdings vermisse ich einen Hinweis darauf, dass die Erweiterung ihrem Umfang nach der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union entsprechen muss.

In der Schlussfolgerung des Berichts wird zudem wiederholt unterstrichen, dass die einzelnen Länder, die den Beitritt zur Europäischen Union beantragen, sämtliche Bedingungen erfüllen müssen. Diese Forderung halte ich für ebenso legitim wie gerecht, entsteht doch dadurch für alle beitrittswilligen Länder eine gleiche Ausgangslage.

Wie viele meiner Kollegen bin ich allerdings überzeugt, dass auch die Europäische Union selbst die Bedingungen für die weitere Erweiterung erfüllen muss. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass eine erweiterte Union handlungsfähig sein wird, wenn sie nicht zunächst den Verfassungsvertrag verabschiedet oder wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise die erforderlichen Änderungen an den geltenden Verträgen vornimmt.

Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen – ich bin wirklich für die Fortsetzung der Erweiterung der Union, doch gleichzeitig meine ich, dass die Europäische Kommission bei der Erstellung von Erweiterungsberichten dieser Art auch die Bedeutung der weiteren Konsolidierung der Union besonders hervorheben muss.

Da wir heute den Kommissar bei uns haben, möchte ich ihm abschließend eine Frage zum Kosovo stellen, dem er besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Vor kurzem stellte der slowenische Staatspräsident Drnovšek eine Initiative für die Unabhängigkeit des Kosovo vor. Im Rahmen der Initiative, die ich für sinnvoll halte, wird eine Reihe von inhaltlichen Voraussetzungen für die Erlangung der Unabhängigkeit des Kosovo aufgeführt. Ich möchte den Kommissar fragen, ob ihm diese Initiative bekannt ist und ob er sich dazu äußern möchte.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die Erweiterung der EU ist eine Herausforderung, die zwar Gefahren in sich birgt, jedoch auch unserer Anstrengungen wert ist. Die EU hat sich für die Erweiterung um zwei weitere Länder, Kroatien und die Türkei, entschieden. Verschiedene Einwände wurden vorgebracht, hauptsächlich in Bezug auf das letztgenannte Land, und es wird noch lange Zeit dauern, bevor sich eher die EU-Bürger als die Kommission und das Parlament den Gedanken seines Beitritts zur EU zu Eigen machen.

Die EU hat besondere Maßnahmen getroffen, Heranführungsinstrumente genannt, um den Wandel, der sich erwartungsgemäß in Kroatien vollziehen wird, zu unterstützen. Die Arbeitsgruppe hat die Einrichtung eines Sonderinstruments zur Förderung der Menschenrechte vorgeschlagen, aber bedauerlicherweise wurde dieser Vorschlag abgelehnt. Dieses Instrument wurde zu meinem Leidwesen nicht geschaffen, denn eine demokratische Gesellschaft und ein demokratischer Staat können nur auf einem tragfähigen Fundament errichtet werden. Nicht selten ist dieses Fundament eine Nation freier verantwortungsbewusster Bürger, die ihr Heimatland lieben, und keine Regierung, kein gewähltes Parlament, kein Präsident. Eine Nation sollte vielleicht bei der Bildung subjektiver Überzeugungen dieser Art mehr Unterstützung erfahren als bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft oder Verwaltung.

Das zweite Problem, auf das ich die Kommission aufmerksam machen darf, ist die Rolle des Parlaments bei der Formulierung der Heranführungsstrategie und bei der Überwachung der Anwendung dieser Strategie sowie der Entwicklung gesellschaftlicher, politischer und religiöser Prozesse im Inneren. Bei allem Respekt für die Kompetenzen der Kommission möchte ich klarstellen, dass sie nicht allein für die Instrumente und die Politik als Ganzes verantwortlich sein sollte. Das Parlament muss zumindest ein ebenbürtiger Partner mit Mitentscheidungsrechten sein und, wo immer es notwendig ist, die Rolle eines objektiven und zuverlässigen Vermittlers spielen. Man könnte den Standpunkt vertreten, es habe ausgereicht, dass die Kommission den Anweisungen des Rates Folge leistete und das Parlament lediglich eine bescheidene Rolle inne hatte, als die EU nur 15 Mitgliedstaaten zählte. Jetzt, da die EU jedoch 25 Mitgliedstaaten hat und sich bald 27 Akteure auf der europäischen Bühne tummeln werden, sind künftige Erweiterungen nutzlos, es sei denn, die gewählten Vertreter in diesem Plenarsaal sind voll und ganz eingebunden.

Summa summarum möchte ich klipp und klar sagen, dass die Kommission und der Rat den Empfehlungen, Gedanken, Visionen und Kritiken, die in diesem Hause geäußert werden, zum Wohle der Bürger der EU-Mitgliedstaaten Beachtung schenken sollten und müssen. Die endgültigen Grenzen der Europäischen Union sind noch nicht festgelegt worden, und wir müssen gemeinsam auf dieses Ziel hinarbeiten.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE).(EL) Herr Präsident, die Strategie der Erweiterung und der Integration in die europäischen Institutionen ist der einzig glaubwürdige und effektive Vorschlag der Europäischen Union, der einzig nachdrückliche Anreiz zur Mobilisierung der Prozesse der Veränderung und der Reform.

Was wir heute in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Kandidatenländern beobachten, ist gegenseitiges Misstrauen, was negative Auswirkungen auf die öffentliche Meinung in Europa hat. Wir können nicht Veränderung und Reform fordern, wenn das Ziel der künftigen Integration nicht klar ist. Ebenso können wir die künftige Integration nicht garantieren, wenn es keine Anzeichen eines ständigen Fortschritts bei der Verwirklichung von Reformen gibt. Das trifft auf die Türkei zu.

Was die Türkei angeht, so führt ernstlicher Mangel an politischem Willen zur Umsetzung spezieller Verpflichtungen offensichtlich zu einer erheblichen Verlangsamung des Reformprozesses. Wie gedenkt die Europäische Union zu reagieren, wenn die Türkei diese Praxis beibehält? Die Praxis hinsichtlich der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten? Die Praxis in Bezug auf Zypern? Genau das schürt das Misstrauen und die Vertrauenskrise unter den Unionsbürgern.

Die Europäische Kommission bewegt sich mit ihren Vorschlägen zur Festigung der europäischen Balkanstrategie und ihrer Bekräftigung der vom Europäischen Rat 2003 in Thessaloniki verabschiedeten Strategie wirklich in die richtige Richtung. Die Unterstützung einer europäischen Zukunft für den westlichen Balkan mit dem Ziel seiner künftigen Integration in die europäischen Institutionen stellt eine Investition in die Sicherheit der Europäischen Union selbst dar. Die Verhandlungen über den Abschluss von Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen mit Albanien, Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina müssen ungehindert vorangehen.

Auch würde ich dem Herrn Kommissar vorschlagen, einen klareren Zeitplan für den Abschluss dieser Verhandlungen als starken Anreiz für diese Länder aufzustellen. Die mögliche Abtrennung von Montenegro darf sich auf die Verhandlungen mit Serbien nicht nachteilig auswirken. Serbien fällt in der Frage der Stabilität des Balkans eine entscheidende Rolle zu. Die Europäische Union und die Europäische Kommission müssen bei den Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts hochrangig vertreten sein. Doch muss die Europäische Kommission ein besonderes Interesse an den Minderheitenrechten der Serben im Kosovo an den Tag legen.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich dem Kommissionsvorschlag zum Kandidatenstatus der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien von ganzem Herzen zustimme. Was die ausstehende Namensfrage betrifft, möchte ich sagen, dass zum Tangotanzen immer zwei gehören, und die Führung in Skopje befindet sich leider in einer aus der Vergangenheit herrührenden Sackgasse.

 
  
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  Doris Pack (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Grundsätzlich ist das, was die Kommission vorgelegt hat, zu begrüßen, und die Erweiterungsstrategie der Kommission für den Westbalkan ist in Ordnung. Es ist erfreulich, dass die Kommission eine mittelfristige Beitrittsperspektive für den Westbalkan nun auch formell zugestanden hat. Für die weitere Entwicklung der Region ist die EU-Beitrittsperspektive von wirklich großer Bedeutung, denn nur sie kann das Band werden, das diesen historisch sehr belasteten Teil Europas langfristig befriedet.

Unsere Fraktion, die EVP-Fraktion, richtet jedoch zugleich die deutliche Aufforderung an die Kommission, jedes Kandidatenland auf dem Westbalkan individuell und Punkt für Punkt auf seine Beitrittsfähigkeit zu überprüfen, bevor verbindliche Daten für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen und Zeitpläne für den Beitritt gegeben werden. Die Kommission darf den Fehler, den sie bei Rumänien und Bulgarien, noch mehr jedoch bei der Türkei, gemacht hat, nämlich frühzeitig ein Datum zu nennen, ohne dass die Kriterien vollständig erfüllt sind, beim so genannten Westbalkan nicht ein zweites Mal machen. Dies würde die Akzeptanz weiterer Beitritte in der europäischen Öffentlichkeit weiter senken und gleichzeitig die Reformfähigkeit der Balkanländer überfordern. Das können wir uns in dieser bis vor kurzem teilweise noch von Bürgerkriegen heimgesuchten, sehr labilen Region auf keinen Fall leisten.

Im Hinblick auf den Reformprozess kann man, wie Sie selbst gesagt haben, erhebliche Fortschritte feststellen. Die Einstellung der Kommission, dass Kroatien und bald auch Mazedonien, die größten Fortschritte gemacht haben und deshalb den Kandidatenstatus bereits zuerkannt bekamen bzw. im Falle Mazedoniens bekommen werden, ist richtig. Hier liegt auch ein Ansporn für die Nachbarstaaten, die auf dem Weg der Annäherung an die EU aus ganz unterschiedlichen Gründen hinter diesen Ländern rangieren.

Jedes dieser Länder hat sein eigenes Schicksal zu bewältigen. Albanien: die Jahrzehnte im Hochsicherheitstrakt des Kommunismus eines Enver Hodscha; Bosnien-Herzegowina: die schrecklichen Jahre der Vertreibung, des Mordens und des Krieges sowie die Last des Monstrums eines Dayton-Vertrags, der den Krieg beendete, aber keine Plattform für gutes Regieren und ein Miteinander schuf; Serbien, das sich erst spät von seinem Diktator befreien konnte und jetzt im Staatenbund mit Montenegro nicht weiß, wie lange dieser noch bestehen wird; und dann das Kosovo, dessen Status umgehend einvernehmlich zwischen Belgrad und Priština unter Vermittlung durch die internationale Gemeinschaft geklärt werden muss. Ich freue mich, dass der Kommissar eine Initiative und eine Strategie der Kommission angekündigt hat.

Der Westbalkan und die Erweiterungsstrategie in dieser Region ist der Lackmustest für unsere europäische Politik.

 
  
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  Guido Podestà (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Überlegungen, die Kommissar Rehn vor diesem Parlament zu den Ländern im Gebiet des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses angestellt hat. Mehrere Kollegen haben bereits hervorgehoben, dass in diesem Gebiet, obgleich es noch instabil ist, positive Anzeichen für einen Weg erkennbar sind, der bereits für andere Erweiterungsrunden unserer Union kennzeichnend war.

Der Erweiterungsprozess war vom Beginn der Vorbereitungsphase an positiv. Schon die Aussicht auf die Aufnahme von Verhandlungen hat sehr oft den Übergang der osteuropäischen Länder von totalitären Regimes zu überzeugten und gut auf den Weg gebrachten demokratischen Ordnungen beschleunigt und sogar heikle und schwierige Reformen in der Türkei angestoßen.

Trotzdem muss ich auch die Äußerungen von Herrn Brok in Betracht ziehen. Wir haben es mit einer Erweiterung zu tun, die die zehn bereits beigetretenen Länder umfasst, zu denen Bulgarien und Rumänien hinzukommen. Diesen Ländern müssen wir meines Erachtens Anerkennung für ihre Anstrengungen zollen, ähnlich wie es der Kommissar bei der Erläuterung seines Berichts im Oktober getan hat.

Außerdem halte ich es für angebracht, sich auch Gedanken über die neuen Länder zu machen, die den Kandidatenstatus besitzen. Ich habe festgestellt, dass die Ausführungen von Frau Muscardini bei einigen Kollegen Heiterkeit ausgelöst haben, obwohl sie doch eigentlich hätten sehr ernst genommen werden müssen. Ich glaube nämlich, dass Kroatien mehr Konsequenz in Bezug auf verschiedene Probleme zeigen müsste, die sich im Zusammenhang mit dem freien Zugang zum Grundstücksmarkt ergeben haben. Das ist ein Umstand, der ernsthaft erwogen werden muss, denn Konsequenz hat meines Erachtens keine geografischen Grenzen.

Wir verlangen, dass die Länder, die der Union betreten wollen, diese Konsequenz unter Beweis stellen müssen, und zwar nicht nur in Bezug auf die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, wie der Herr Kommissar in Erinnerung brachte, sondern auch bei allen anderen Voraussetzungen, die alle Länder, die an den freien Markt und an die demokratische Freiheit glauben, gemeinsam haben müssen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! In diesem Jahrzehnt werden vermutlich noch drei neue Mitgliedstaaten beitreten: Kroatien, Rumänien und Bulgarien.

Kroatien hat eine gewaltige Vorarbeit geleistet, und bei gutem Willen auf beiden Seiten könnten diese Beitrittsverhandlungen zu den schnellsten der Erweiterungsgeschichte werden. Rumänien und Bulgarien müssen noch auf zwei Gebieten intensiv nacharbeiten: auf dem Gebiet der Justiz und – vor allem, was Rumänien betrifft – auf dem Gebiet der Minderheiten. Wir werden im Frühjahr über das endgültige Beitrittsdatum kritisch, aber sachlich und offen zu entscheiden haben.

Die Türkei ist und bleibt ein nichteuropäisches Land, für das wir eine privilegierte Partnerschaft anstreben, aber auch diese bedarf der Erfüllung der Kriterien. Herr Kommissar, ich möchte Sie bitten, etwas zum Religionsgesetz zu sagen, denn wir haben deutlich den Eindruck, dass nach wie vor die meist christlichen Minderheiten in der Türkei massiv diskriminiert werden.

Was Südosteuropa betrifft, so haben wir vor allem drei Probleme zu lösen: erstens die Demokratisierung Serbiens, zweitens die Reform Bosnien-Herzegowinas im Sinne einer Verfassungs- und Vertragsreform und drittens die Statusfrage des Kosovo bis hin zu einer Unabhängigkeit. Ich hege hier übrigens, Kollege Pahor, große Sympathien für die Initiative des slowenischen Staatspräsidenten. Ich glaube, sie führt in die richtige Richtung.

Alle diese Probleme können wir natürlich nur in einem größeren europäischen Zusammenhang lösen, wobei schon die Frage gestattet sein muss, Herr Kommissar, was wir unter der Europäischen Union verstehen. Verstehen wir unter EU nur eine Gruppe von Nationalstaaten, die die Erweiterungsperspektive als Instrument der Außenpolitik einsetzt, um benachbarte Nationalstaaten zu stabilisieren, oder wollen wir wirklich ein starkes, handlungsfähiges, föderatives Europa, das in der Lage ist, sich weltweit durchzusetzen?

Da ich für Letzteres plädiere, möchte ich ganz klar sagen: Ich war immer ein Befürworter der Erweiterung und ich bin es auch weiterhin. Aber wir benötigen eine ganz klare Konsolidierungsphase, und wir benötigen – und das, Herr Kommissar, finde ich ganz wesentlich – ein klares Bild von den institutionellen Fundamenten und den Grenzen, die diese Europäische Union in Zukunft haben soll. Diese Debatte haben wir bisher vermieden.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Damen und Herren Abgeordneten für ihre generelle Unterstützung eines sorgfältig gesteuerten Beitrittsprozesses danken, mit dem eine Stärkung von Stabilität, Sicherheit, Freiheit und Demokratie in Europa erreicht werden soll. Ich danke Ihnen ebenfalls für ihre Reaktionen und ihre Fragen zu diesem Thema.

Ich möchte auf zwei oder drei Hauptpunkte eingehen. Dabei werde ich verschiedene Bemerkungen oder Fragen zusammenfassen, um so eine knappere Antwort geben zu können.

Herr Brok, Herr Eurlings und andere forderten, dass man eine Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung finden müsse. Dem stimme ich zweifellos zu. Es ist die Politik der Kommission, sich sowohl um die Vertiefung als auch um die Erweiterung zu kümmern; beides ist ein wichtiges politisches Ziel der Europäischen Union. Das ist ein Grund, warum wir betont haben, dass wir die Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Mitglieder berücksichtigen müssen, damit künftige Erweiterungen die Union nicht schwächen, sondern stärken und unsere Entscheidungsfindung angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen, nicht beeinträchtigt, sondern erleichtert wird.

Wenn man sich ihre jüngste Geschichte ansieht, dann hat die Europäische Union die größten Fortschritte immer dann gemacht, wenn Vertiefung und Erweiterung, wenn schon nicht Hand in Hand, so doch zumindest parallel verliefen. Seit 1989, seit dem Abriss der Berliner Mauer, haben wir unsere politische Integration durch die Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die einheitliche Währung und das Schengen-Abkommen über den freien Personenverkehr vertieft und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verstärkt. Gleichzeitig hat sich die Union erweitert: Die Zahl unserer Mitglieder stieg von 12 auf 25 und hat sich somit mehr als verdoppelt. Diese parallele Vertiefung und Erweiterung ist der Beweis dafür, dass es möglich ist und dass es der Europäischen Union auch nützt.

In der näheren Zukunft ist die Fortführung der Verfassungsreform meines Erachtens entscheidend für die Europäische Union, um unsere Entscheidungsprozesse wirksamer und effizienter zu gestalten, Demokratie und Offenheit zu fördern und unsere gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken.

Was ihren Bezug zur Erweiterung betrifft, so hätten wir die zeitliche Perspektive besser berücksichtigen sollen: Lösungen zur Verfassungsreform brauchen wir relativ bald, im Laufe der nächsten Jahre; wir müssen die Zeit der Reflexion sinnvoll nutzen; wir müssen aus den Diskussionen und Überlegungen auch Konsequenzen ziehen und mit dem Handeln beginnen.

Wie können nicht warten, bis die Verhandlungen mit der Türkei abgeschlossen sind, denn sie können noch zehn bis 15 Jahre dauern. Eine solche zeitliche Perspektive ist für unsere eigenen internen Herausforderungen viel zu lang. Deshalb müssen wir es schaffen – Europa zuliebe –, unsere Probleme im Zusammenhang mit der Finanziellen Vorausschau oder unseren institutionellen Fragen zu lösen, lange bevor die westlichen Balkanstaaten oder die Türkei der Europäischen Union beitreten.

Mein zweiter Hinweis betrifft das Kosovo. Ich möchte Herrn Swoboda voll und ganz darin beipflichten, dass der beste Beitrag, den die Europäische Union zur Herbeiführung erfolgreicher Verhandlungen und einer dauerhaften Einigung nun leisten kann, darin besteht, dass wir eine Stütze bieten und zugleich kritisch sind. Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechte sind das Herzstück der europäischen Werte. Es hängt entscheidend von diesen Werten ab, ob es in der europäischen Perspektive der westlichen Balkanstaaten Fortschritte gibt.

Die Kommission hat die Aufgabe, eine ausgewogene und dauerhafte Einigung zu erleichtern. Wir arbeiten eng mit der internationalen Gemeinschaft und dem Beauftragten für die Statusfrage, Präsident Ahtisaari, zusammen, um zu gewährleisten, dass das Ergebnis der Statusverhandlungen, wie auch immer es genau aussehen mag, mit der europäischen Perspektive für den Kosovo und die westlichen Balkanstaaten im Einklang steht.

Zum Dritten haben Herr Wiersma, Frau Pack, Herr Szent-Iványi und Herr Lagendijk auf die regionale Zusammenarbeit in den westlichen Balkanstaaten und die Fortschritte einzelner Länder verwiesen. Mit Herrn Wiersma bin ich ganz einer Meinung, dass unsere Konditionalität funktioniert. Nehmen Sie beispielsweise Bosnien-Herzegowina: Die dortige Politikgestaltung ist großenteils auf die Bedingungen zurückzuführen, die wir für das Land aufgestellt haben, damit ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen geschlossen werden kann. Gleiches gilt für Serbien und Montenegro: Die bedeutenden Fortschritte, die im Hinblick auf den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien erzielt wurden, haben mit den Bedingungen zu tun, von denen wir den Beginn von Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abhängig gemacht haben. Wir müssen bei unseren Bewerberländern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Konditionalität und Belohnung von Fortschritten finden.

Ich hoffe, dass es nächstes Jahr neue Vorstöße für die westlichen Balkanstaaten gibt. Die österreichische Präsidentschaft plant eine hochrangige Veranstaltung während ihrer Amtszeit, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die nächsten Schritte zu entscheiden, wie die politische Zusammenarbeit, die wirtschaftliche Entwicklung und Bürgerbelange – wie Visa-Erleichterungen – verbessert werden können, damit wir die europäische Perspektive für die Bürger und die Länder der westlichen Balkanregion so konkret und greifbar wie möglich gestalten können.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission die österreichische Präsidentschaft uneingeschränkt unterstützen wird. Ich gehe davon aus, dass das Europäische Parlament das Gleiche tun wird. Ich sehe der Zusammenarbeit mit Ihnen mit großer Erwartung entgegen, und ich zähle auf Ihre Unterstützung für einen sorgfältig gesteuerten Beitrittsprozess zur Union.

 
  
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  Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE) , schriftlich.(FR) Weit davon entfernt, dem Volkswillen Rechnung zu tragen, der bei den jüngsten Referenden in Frankreich und den Niederlanden zum Ausdruck kam, und nicht zufrieden mit der bereits umstrittenen Einleitung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien sind die Kommission und die Mitgliedstaaten von einer wahren Leidenschaft für die Öffnung der Europäischen Union gepackt.

Unter starkem amerikanischen Druck bereitet sich die Union darauf vor, ihre Erweiterung in Richtung Balkan drastisch zu beschleunigen: Nach dem Kosovo und Serbien wird der Bazillus sofort auf Bosnien und natürlich auf Mazedonien überspringen.

Es müsste jedoch klar sein, dass es der blanke Wahnsinn wäre, zu einem Zeitpunkt, da die Union weder eine Verfassung noch einen Haushalt hat und da alle Regierungen der großen kontinentalen Länder durch ernste interne Probleme geschwächt sind, in aller Eile die ganze Büchse der Pandora auf dem Balkan zu öffnen.

Die französische Delegation der PPE-DE-Fraktion ist nicht gegen das Prinzip einer neuen mittelfristigen Erweiterungswelle, sie wendet sich jedoch entschieden gegen die Perspektive eines so übereilten Engagements der Union gegenüber diesen neuen Partnern.

 
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