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Ausführliche Sitzungsberichte
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Dienstag, 15. November 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 3. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
 4. Debatten über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ( eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll
 5. Nördliche Dimension: siehe Protokoll
 6. Vorlage des Jahresberichts des Rechnungshofs - 2004
 7. Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm für 2006
 8. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
 9. Abstimmungsstunde
 10. Verbreitung empfehlenswerter Verfahren und Beobachtung der IKT-Einführung
 11. Europaweites terrestrisches öffentliches Funkrufsystem
 12. Gemeinsame Marktorganisation für Saatgut
 13. Gemeinsame Marktorganisation für Hopfen
 14. Gemeinsame Marktorganisation für Wein
 15. Ermöglichung von Finanzierungen durch die EBWE in der Mongolei
 16. Visa für die Olympischen und/oder Paralympischen Winterspiele 2006 in Turin
 17. Soziale Sicherheit für Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige bei Zu- und Abwanderung innerhalb der EG
 18. Aktionsplan zur Erholung der Aalbestände
 19. Eventueller Verstoß gegen das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften durch einen Mitgliedstaat
 20. Die soziale Dimension der Globalisierung
 21. Stimmerklärungen
 22. Berichtigungen des Stimmverhaltens: siehe Protokoll
 23. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 24. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
 25. Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe (REACH)
 26. Europäische Regulierungsagenturen
 27. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
 28. 2005 – Erweiterung II
 29. Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens
 30. Kernkraftwerke
 31. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 32. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: INGO FRIEDRICH
Vizepräsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
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  Michael Gahler (PPE-DE). – Herr Präsident! Nachdem wir gestern Mittag bereits erleben durften, dass der Eingang des Parlaments für eine Dreiviertelstunde durch Straßburger Taxifahrer blockiert war, habe ich heute Morgen festgestellt, dass – offenbar auf Anweisung des Sicherheitschefs Fernando Suarez – deutschen Taxis die Einfahrt auf das Gelände des Parlaments nicht mehr gestattet wurde, so dass die Fahrgäste draußen aussteigen mussten, und zwar ohne Begründung, wie mir ein Taxifahrer erklärte.

Ich halte das für einen absoluten Skandal, eine Diskriminierung, und fordere die Verwaltung unmittelbar auf, diesen Befehl, die Leute nicht mehr hereinzulassen, zurückzuziehen. Ich werde auch in einer Stunde überprüfen, ob die Taxis wieder hereinfahren dürfen. Ich frage mich wirklich, wo wir hier sind, wie es möglich ist, dass wir dem Druck der Straße von gestern nachgeben und die Taxis nicht mehr auf das Gelände des Parlaments fahren lassen.

 
  
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  Präsident. Eine erste Information dazu darf ich Ihnen geben: Es ist mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass irgendeine diesbezügliche Weisung aus den Kreisen des Parlaments kam. Wir können nicht ausschließen, dass die französischen Taxifahrerorganisationen in irgendeiner Form aktiv werden. Wir werden das Thema zum Gegenstand einer Beratung in den Gremien machen. Auf der Verwaltungsebene können wir das Thema sofort behandeln.

 

2. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

3. Mittelübertragungen: siehe Protokoll

4. Debatten über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ( eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll

5. Nördliche Dimension: siehe Protokoll

6. Vorlage des Jahresberichts des Rechnungshofs - 2004
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt die Vorlage des Jahresberichts des Rechnungshofs – 2004.

 
  
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  Hubert Weber, Präsident des Rechnungshofs. Herr Präsident! Im Namen der Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs danke ich Ihnen für die Einladung zur Aussprache über den 28. Jahresbericht des Hofes zum Haushaltsjahr 2004, den ich gestern Abend vor dem Haushaltskontrollausschuss vorgestellt habe. Ich freue mich, in meinem ersten Amtsjahr als Präsident des Hofes dabei sein zu dürfen, wenn das jährliche Verfahren zur Entlastung für die Ausführung des EU-Haushaltsplans eingeleitet wird.

Der Jahresbericht stützt sich weitgehend auf die vom Hof durchgeführten Prüfungen der Rechnungsführung sowie der Recht- und Ordnungsmäßigkeit. Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsprüfungen des Hofes werden dagegen im Allgemeinen in Form von Sonderberichten veröffentlicht.

Das Haushaltsjahr 2004 war gekennzeichnet durch den Beitritt zehn neuer Mitgliedstaaten, wodurch die Mittelansätze für Zahlungen von 98 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf 105 Milliarden Euro im Jahr 2004 stiegen. Dank einer besseren Planung und besseren Managements konnte die Mittelausschöpfung gegenüber den Vorjahren deutlich gesteigert werden. Mit 2,7 Milliarden Euro war der Überschuss im Jahr 2004 wesentlich geringer als 2003, nämlich nur etwa halb so hoch.

Ich möchte nun auf die Hauptaussagen in der Zuverlässigkeitserklärung des Hofes, die auch als DAS bekannt ist, eingehen, und zwar zunächst auf die Erklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung. Für das Haushaltsjahr 2004 gelangte der Hof zu der Schlussfolgerung, dass die konsolidierten Finanzausweise ein wahrheitsgetreues Bild der Einnahmen und Ausgaben für dieses Haushaltsjahr sowie der Finanzlage am Jahresende vermitteln, außer beim Posten „Verschiedene Schuldner“. Wie in der Vergangenheit ist das zur Erstellung des Jahresabschlusses 2004 herangezogene Rechnungsführungssystem nicht für eine vollständige Erfassung der Vermögenswerte und der Schulden in der Vermögensübersicht geeignet. Allerdings hat die Kommission deutliche Fortschritte im Hinblick auf die Einführung der periodengerechten Rechnungsführung bis zum Haushaltsjahr 2005 erzielt. Dennoch waren zum Zeitpunkt der Prüfung nach Ansicht des Hofes weitere Fortschritte erforderlich, da die zur Erstellung der Eröffnungsbilanzen für 2005 notwendigen Zahlenangaben von den Anweisungsbefugten der Kommission noch nicht validiert worden waren. Falls bis Ende dieses Jahres keine geeigneten Maßnahmen getroffen werden, wird die Zuverlässigkeit des Rechnungsabschlusses 2005 möglicherweise durch die vom Hof aufgezeigten Mängel beeinträchtigt.

In Bezug auf die Rechtmäßigkeit und die Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge stellte der Hof im Rahmen seiner Zuverlässigkeitserklärung Folgendes fest: Für das Haushaltsjahr 2004 gelangte der Hof zu der Schlussfolgerung, dass die Überwachungs- und Kontrollsysteme, die eingerichtet wurden, wirksam funktionierten und die zugrunde liegenden Vorgänge insgesamt gesehen in Bezug auf die Einnahmen, die Mittelbindungen, die Verwaltungsausgaben und die Heranführungsstrategie als Teil der Mittelansätze für Zahlungen rechtmäßig und ordnungsgemäß waren. Im Hinblick auf die übrigen Mittelansätze für die Zahlungen für die Agrarausgaben, die Strukturmaßnahmen, die internen Politikbereiche und die externen Politikbereiche ist der Hof erneut nicht in der Lage, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk zu erteilen. Die Überwachungs- und Kontrollsysteme wurden noch nicht vollständig eingerichtet, funktionierten noch nicht wirksam, und die Zahlungen sind weiterhin wesentlich durch Fehler geprägt.

Der Hof kann zum ersten Mal berichten, dass sich die Anstrengungen der Kommission und der Mitgliedstaaten in Zusammenhang mit der Einführung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems – kurz InVeKoS –, das 59 % der Agrarausgaben betrifft, positiv ausgewirkt haben. Das InVeKoS ist bei ordnungsgemäßer Anwendung ein durchaus wirksames Instrument für die Begrenzung des Risikos vorschriftswidriger Ausgaben auf ein annehmbares Maß.

Nunmehr möchte ich genauer auf die spezifischen Beurteilungen für die einzelnen Tätigkeitsbereiche im Rahmen der Zuverlässigkeitserklärung eingehen. Im Falle der Einnahmen gelangte der Hof zu der Ansicht, dass die Einnahmenvorgänge rechtmäßig und ordnungsgemäß sind. Im Zusammenhang mit den BNE-Eigenmitteln wurden jedoch sowohl auf der Ebene der Kommission als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten Systemmängel festgestellt.

Wie in den Vorjahren hat der Hof erneut Belege dafür gefunden, dass die Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik insgesamt gesehen weiterhin wesentlich durch Fehler geprägt sind. Während der Hof feststellte, dass das InVeKoS bei korrekter Anwendung wirksam funktioniert, besteht bei den Agrarausgaben, die nicht dem InVeKoS unterliegen oder bei denen das InVeKoS nicht angemessen angewendet wird, ein höheres Risiko von Unregelmäßigkeiten, da die Kontrollsysteme Schwachstellen aufweisen.

Im Bereich der Strukturmaßnahmen fand der Hof bei allen zur Stichprobe gehörenden Programmen erneut Schwachstellen auf der Ebene der Verwaltungs- und Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten. So deckte der Hof bei der Kontrolle der Mitgliedstaaten Schwachstellen auf, wie fehlende Durchführung bzw. Dokumentation von Kontrollen, fehlende Überprüfung der Kriterien für die Zuschussfähigkeit bzw. der Belege für die Erbringung der kofinanzierten Dienstleistungen.

Die Ausgabenerklärungen der Mitgliedstaaten, auf deren Grundlage die Zahlungen der Kommission erfolgen, weisen eine hohe Fehlerhäufigkeit auf. Der Hof prüfte eine Stichprobe von 167 Projekten und stellte dabei ein breites Spektrum an Problemen fest. Dazu gehörte eine große Anzahl von Fällen, in denen nichtzuschussfähige Ausgaben gemeldet wurden.

Im Falle der direkt von der Kommission verwalteten internen Politikbereiche stellte der Hof fest, dass die Überwachungs- und Kontrollsysteme trotz der in einigen Bereichen erzielten Fortschritte nicht angemessen funktionierten, und dass es eine hohe Fehlerhäufigkeit bei den zugrunde liegenden Vorgängen gab.

Eine häufige Fehlerursache sind komplizierte Vorschriften. Hier ist es wahrscheinlich, dass das Fehlerrisiko hoch bleibt, solange der rechtliche Rahmen nicht verändert wird und die Verfahren nicht vereinfacht werden. Ursache für diese Situation, die keine deutliche Verbesserung gegenüber den Vorjahren darstellt, waren zumeist die Angabe zu hoher Kosten oder nicht zuschussfähiger Kosten bzw. das Fehlen von Belegunterlagen, etwa von Nachweisen über die tatsächliche Erbringung bezahlter Dienstleistungen.

Bei den Ausgaben für die externen Politikbereiche stellte der Hof fest, dass die Systeme verbessert wurden und es auf der Ebene der Delegationen nur wenige Fehler im Bereich der zugrunde liegenden Vorgänge gab. Auf der Ebene der mit der Projektdurchführung betrauten Organisationen wurden jedoch erneut Schwachstellen bei den internen Kontrollsystemen und eine relativ hohe Fehlerhäufigkeit festgestellt.

Das Gesamturteil des Hofes in Bezug auf die Heranführungsstrategie war positiv, da die zugrunde liegenden Vorgänge im Wesentlichen rechtmäßig und ordnungsgemäß waren. Die Überwachungs- und Kontrollsysteme auf der Ebene der zentralen Kommissionsdienststellen, der Delegationen und der bescheinigenden Stellen sind grundsätzlich zuverlässig und funktionieren in der Praxis gut. Allerdings ermittelte der Hof auf nationaler Ebene Schwachstellen bei den Systemen der Durchführungseinrichtungen in Bulgarien, Rumänien, der Türkei und anderen Sapard-Ländern.

Im Bereich der Verwaltungsausgaben waren die zugrunde liegenden Vorgänge im Wesentlichen rechtmäßig und ordnungsgemäß, und die Überwachungs- und Kontrollsysteme funktionierten im Allgemeinen angemessen.

Welche wichtigsten Aussagen können nun daraus abgeleitet werden? Der Hof hat festgestellt, dass der überwiegende Teil der Mittelansätze für Zahlungen erneut wesentlich durch Rechtmäßigkeits- und Ordnungsmäßigkeitsfehler auf der Ebene der zugrunde liegenden Vorgänge geprägt war. Ursache dafür sind mit inhärenten Risiken behaftete Vorgänge und die Tatsache, dass die Überwachungs- und Kontrollsysteme das Risiko von Unregelmäßigkeiten nicht wirksam genug auf ein annehmbares Maß begrenzen.

Allerdings konnten Verbesserungen bei den Systemen festgestellt werden, insbesondere beim InVeKoS, dem wichtigsten Überwachungs- und Kontrollsystem für die Agrarausgaben, das von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Dies gilt auch für die Ebene der Kommission, wo der im Jahr 2000 eingeleitete Reformprozess des Verwaltungs- und Finanzsystems zu guten Ergebnissen geführt hat. Dennoch bleibt viel zu tun, insbesondere auf der Ebene der Mitgliedstaaten.

Die Rechtsvorschriften, Regeln und Verfahren für die Ausgaben sind weiterhin oft zu kompliziert. Ein großer Teil der Ausgaben ist an sich schon mit einem inhärenten Risiko behaftet und stützt sich lediglich auf Erklärungen der Empfänger. Schließlich ist die Europäische Union seit Einführung der DAS im Jahre 1994 selbst erheblich gewachsen und hat sich stark gewandelt.

In diesen elf Jahren sind die jährlichen Ausgaben für Zahlungen von 60 Milliarden Euro auf 100 Milliarden Euro gestiegen, während die Zahl der Mitgliedstaaten von 12 auf 25 anwuchs. Deshalb hat der Umfang und die Komplexität des Managements unter Einbeziehung einer immer größeren Zahl von Behörden und Organisationen zugenommen. Daher sind immer wirksamere Überwachungs- und Kontrollsysteme erforderlich.

In seiner Stellungnahme Nr. 2/2004 zum Modell der Einzigen Prüfung hat der Hof einen Vorschlag zur Schaffung eines gemeinschaftlichen internen Kontrollrahmens unterbreitet, der alle Verwaltungsebenen – Gemeinschaftsinstitutionen, Mitgliedstaaten und Empfängerländer – einschließt. Die Stellungnahme des Hofes zum Modell der Einzigen Prüfung war ein Beitrag zur politischen Debatte über die Verbesserung der Verwaltung und Kontrolle der Gemeinschaftsmittel. Die Kommission ging einen Schritt voran, indem sie eine so genannte Roadmap zur Schaffung eines integrierten internen Kontrollrahmens angenommen hat. Diese Roadmap bildet die Grundlage für eine Ausweitung der Reform auf alle Formen der Mittelbewirtschaftung, insbesondere auf die Ebene der mit den Mitgliedstaaten geteilten Verwaltung; hier ist die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten in der Tat von entscheidender Bedeutung.

Der Hof begrüßt diese Initiative der Kommission für eine Roadmap. Als externer Prüfer der EU wird der Hof die Fortschritte genau beobachten und die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Finanzmanagement und die Kontrolle der EU-Finanzen in den nächsten Jahren beurteilen.

Im Zusammenhang mit einem anderen Thema, nämlich der Position des Hofes zur künftigen Finanzierung, zum Management und zur Kontrolle im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Strukturmaßnahmen, ist festzuhalten, dass diese Position bei der endgültigen Formulierung dieser wichtigen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden sollte. Die im gegenwärtigen Verordnungsentwurf für die Strukturmaßnahmen vorgesehenen Bestimmungen über die Aufbewahrung von Belegunterlagen würden es dem Hof unmöglich machen, einige der betroffenen Ausgaben zu prüfen.

Der Hof ist sich bewusst, dass er sich vor dem Hintergrund einer sich stetig wandelnden Union selbst kontinuierlich verbessern und seine Ressourcen bestmöglich nutzen muss. Unser Ziel ist es, uns so wirksam und effizient wie möglich für die Interessen der Europäischen Union einzusetzen.

Zuweilen wird die Ansicht vertreten, der Hof solle denjenigen, die ein Interesse daran haben, die Union in ein schlechtes Licht zu rücken, keine zusätzliche Munition liefern. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass die Interessen der Bürger am besten von einem objektiven und unabhängigen externen Prüfungsorgan vertreten werden, das klare und ausgewogene Aussagen auf der Grundlage objektiver Fakten macht.

Die jüngsten Ereignisse – die Ablehnung des Verfassungsentwurfs durch die Wähler im Rahmen der zwei Referenden in zwei Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, eine Einigung über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 zu erzielen – werden von manchen als ein Zeichen für einen Mangel an Vertrauen der Bürger in die Europäische Union und ihre Institutionen verstanden. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Legitimation der Union nur gewährleistet werden kann, wenn unsere Organe reibungslos funktionieren und das Management sowohl auf der politischen Ebene als auch auf der Ebene des Vollzuges eine hohe Qualität aufweist. Auch die Mitgliedstaaten müssen im Hinblick auf die Verwaltung und Kontrolle eines Großteils des EU-Haushaltsplans ihrer Verantwortung gerecht werden. Dem Europäischen Rechnungshof kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Er muss ein unabhängiges, professionelles und objektives Bild des Finanzmanagements vermitteln und dazu beitragen, den Wandel im Interesse der Bürger zu gestalten.

(Beifall)

 
  
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  Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission. (EN) Herr Präsident, ich möchte Herrn Weber, dem Präsidenten des Rechnungshofs, für die sachgerechte Vorstellung des Jahresberichts danken. Gleichzeitig danke ich den Abgeordneten des Parlaments dafür, dass sie mir die Gelegenheit geben, die erste Reaktion der Kommission darzulegen.

Der Bericht des Rechnungshofs ist objektiv und ausgewogen. Darin wird festgestellt, dass die Kommission erfolgreich spürbare Verbesserungen an ihren Managementsystemen vornimmt, wobei jedoch in etlichen Bereichen weitere Verbesserungen erforderlich sind.

Die Kommission begrüßt die positive Einschätzung der Zuverlässigkeit der Rechnungsführung durch den Rechnungshof, die die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaften für das Jahr sowie deren Finanzlage am Jahresende korrekt widerspiegelt. Der einzige Vorbehalt des Rechnungshofs konnte durch Einführung der periodengerechten Buchführung im Jahre 2005 ausgeräumt werden. Das bedeutet, dass der Abschluss die an ihn gestellte Hauptanforderung erfüllt und dass die Rechnungsführung entsprechend den Bestimmungen der geltenden Haushaltsordnung erfolgt ist.

Der Rechnungshof erteilt eine positive Erklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung, der Einnahmen, der Verpflichtungen, der Vorbeitrittshilfe und der Verwaltungsausgaben. Er ist ferner einverstanden mit der Entwicklungshilfe im Rahmen des EEF, die ca. 2,4 Milliarden Euro umfasst, welche nicht Bestandteil des Haushalts sind.

Der Rechnungshof stellt ferner zwei wesentliche Verbesserungen seit dem letzten Jahr fest, und zwar betreffen diese in erster Linie die Gemeinsame Agrarpolitik sowie die Hilfe für die Kandidatenländer der EU. Das zur Überwachung großer Teile der Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik eingesetzte System – das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) – wird als effektives Kontrollsystem angesehen, mit dem sich bei ordnungsgemäßer Anwendung das Risiko unregelmäßiger Ausgaben einschränken lässt. In den nächsten Jahren wird dieses System auf einen noch größeren Teil der Agrarausgaben Anwendung finden.

Stark vereinfachend kann festgestellt werden, dass der Rechnungshof neben der bereits erwähnten Zuverlässigkeitserklärung für verschiedene Bereiche im Wesentlichen auch mit den Ausgaben- und Kontrollsystemen für einen wachsenden Teil des EU-Haushalts einverstanden ist, der auf etwa ein Drittel des Haushalts geschätzt wird. Das ist ein deutlicher und messbarer Schritt hin zu einer positiven Zuverlässigkeitserklärung.

Die Schlussfolgerungen des Rechnungshofs sind von der Öffentlichkeit und den Medien nicht immer vollständig verstanden worden. Ganz besonders gefreut hat mich die Bemerkung des Präsidenten des Rechnungshofs, dass die eingeschränkten Vermerke des Rechnungshofs zu bestimmten Tätigkeitsbereichen nicht so ausgelegt werden können, dass sämtliche Transaktionen des Zahlungshaushalts 2004 von Fehlern geprägt seien. Ebenso wenig könne dies als ein Hinweis auf Betrug verstanden werden. Wir alle müssen uns darüber im Klaren sein, dass dieses Entlastungsverfahren einen umfassenden Prozess darstellt. Dieses Verfahren macht deutlich, dass die Kommission gegenüber direkt gewählten Abgeordneten des Parlaments rechenschaftspflichtig ist.

Das ist möglicherweise das elfte Mal in Folge, dass keine positive Zuverlässigkeitserklärung erteilt wird, aber ich hoffe, dass meine einführenden Bemerkungen deutlich machen, dass wir durchaus Fortschritte zu verzeichnen haben. Die Abgeordneten haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die Kommission allein keine positive Zuverlässigkeitserklärung (DAS) bewirken kann. Die Entschließung zur Entlastung für die Ausführung des Haushalts 2003 enthielt wertvolle Hinweise für potenzielle Verbesserungen, an deren Umsetzung wir arbeiten. Wie Sie wissen, hat die Kommission einen „Fahrplan für einen integrierten internen Kontrollrahmen“ vorgeschlagen, der hoffentlich die Unterstützung durch das Parlament und den Rat erhält.

Ich bin dem Parlament sehr dankbar für die Unterstützung unseres Fahrplans, muss aber feststellen, dass die Erklärung des ECOFIN-Rates vom 8. November nicht so radikal ausgefallen ist, wie die Kommission gehofft hatte. Politische Erklärungen auf nationaler Ebene wurden nicht akzeptiert. Aber eine wahre Kaskade von Erklärungen der Zahl- und sonstigen Stellen zum operativen Management ist kein unerreichbares Ziel, obwohl es schwieriger sein dürfte, nationale Syntheseberichte für jeden Sektor einzuholen – analog zum Bericht, den die Kommission auf der Grundlage der jährlichen Tätigkeitsberichte ihrer Generaldirektoren erstellt.

Wir werden unsere Vorschläge vorantreiben. Im nächsten Monat werden wir unseren Aktionsplan für einen integrierten internen Kontrollrahmen veröffentlichen. Er beruht auf den Ergebnissen der Defizitbeurteilung des Kontrollrahmens für sämtliche Arten der Haushaltsausgaben gegenüber den vom Rechnungshof in seiner Stellungnahme Nr. 2/2004 definierten allgemeinen Grundsätzen über eine einzige Prüfung. Wir hoffen, dass die Rechtsvorschriften für eine neue Reihe von nach 2006 anlaufenden Programmen, die derzeit den letzten Schliff erhalten, dieses neue Denken widerspiegeln werden. Die vorgeschlagene Überarbeitung der Haushaltsordnung und der Durchführungsvorschriften sind ebenfalls Ausdruck dieses neuen Denkens.

Der Rechnungshof hat bei seinen Stichproben beträchtliche Mängel festgestellt, die wir natürlich auf ein Mindestmaß reduzieren wollen. Dazu konzentrieren wir uns auf Verfahren zum Risikomanagement von Unregelmäßigkeiten, die wir derzeit erproben. Auf diese Weise wollen wir mit den begrenzten Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, gewährleisten, dass die mit zusätzlichen Kontrollen verbundenen Kosten zusätzlichen Nutzen in Form verringerter Mängelrisiken bringen.

Ich möchte konkret zwei Stellen aus der Rede des Präsidenten des Rechnungshofs zitieren: „Im Bereich der Strukturmaßnahmen fand der Hof bei allen zur Stichprobe gehörenden Programmen erneut Schwachstellen auf der Ebene der Verwaltungs- und Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten.“ Das zweite Zitat lautet wie folgt: „Eine häufige Fehlerursache sind komplizierte Vorschriften“ in den internen Politikbereichen.

Ich stimme diesen Bemerkungen natürlich zu. Auf der gestrigen Tagung des Haushaltskontrollausschusses wurde ebenfalls auf die Notwendigkeit der Vereinfachung der Vorschriften verwiesen, aber wenn ich versuche festzustellen, wer für die Vielzahl von Programmen und Vorschriften und deren Komplexität zuständig ist, dann finde ich kaum jemanden. Jeder spricht von der Notwendigkeit der Vereinfachung, aber geht man der Sache auf den Grund, ist das alles nicht mehr so einfach. Für viele der Probleme, die zur Komplexität beitragen, sind nicht die Beamten verantwortlich, sondern Kunden, Entscheidungsträger, Politiker in den Mitgliedstaaten und Europaabgeordnete. Die gleichen Akteure stellen sich dann auch häufig Veränderungen in den Weg.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und alle Entscheidungsträger auffordern, sich bei der Prüfung neuer Ziele, Pläne oder Programme kritisch mit Aspekten des Finanzmanagements und dem Erfordernis, diese Programme zu kontrollieren und zu prüfen, auseinander zu setzen.

Dazu wäre noch viel mehr zu sagen, aber das Haushaltsentlastungsverfahren hat eben erst begonnen. In den kommenden Monaten werden die Abgeordneten eine Antwort auf alle ihre Fragen erhalten. Das Parlament und die Kommission werden zusammenarbeiten, um das Verfahren zur Entlastung für die Ausführung des EU-Haushaltsplans 2004 abzuschließen.

 
  
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  José Javier Pomés Ruiz, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, dies ist das elfte Mal, dass uns eine negative Zuverlässigkeitserklärung gegeben wird.

Ich weiß nicht mehr, ob ich sagen soll, dass dies ein Skandal ist; es ist einfach üblich geworden. Überall wurden eindeutig Anstrengungen unternommen, doch letztendlich ist es nach elf Prüfungen der Rechnungsführung durch den Rechnungshof ein unerreichbares Ziel.

Es gab Verbesserungen, aber nicht genug. Welches ist die politische Konsequenz dieser negativen Zuverlässigkeitserklärung? Nun, für unser Haus, für unsere Beamten, die Entscheidungen zu treffen haben, ist das sehr demoralisierend. Es scheint sinnlos zu sein, die Vorschriften einhalten zu wollen, denn wir erreichen nie eine positive Zuverlässigkeitserklärung. Es fehlt an Willen, Verantwortung zu übernehmen, und alle Beamten sind bestrebt, nichts auszugeben, wenn irgendein Zweifel besteht oder sie irgendein Problem haben. Es ist deshalb innerhalb der Institutionen entmutigend.

Und außerhalb? Ein großer Vertrauensverlust. Was werden die europäischen Bürger denken, wenn unser Rechnungshof zum elften Mal sagt, dass die Rechnungsführung nicht ordentlich erfolgt! Ein Skandal. Mehr als das. Sehr schlecht.

Unabhängig davon, ob es ein neues Parlament gibt, eine neue Kommission oder der Rat sich anders zusammensetzt, es wird stets in der gleichen Art und Weise weitergearbeitet. Vielleicht sollten wir uns auf die Kommission Santer besinnen, die aufgrund eines solchen Problems zurücktreten musste: Es ist egal, es geht genauso schlecht weiter.

Und die Mitgliedstaaten? Wo ist der britische Vorsitz? Auf den Rat entfallen 80 % der Ausgaben. Und wo ist der britische Vorsitz? Er ist nicht hier: Das ist wirklich skandalös, weil vier von fünf Euro durch den Rat ausgegeben werden, aber er nimmt an der Vorlage des Berichts über die Rechnungslegung nicht einmal teil. Das ist wirklich ein Skandal.

Die Mitgliedstaaten sind zufrieden. Während ihre nationalen Rechnungshöfe ihre Jahresabschlüsse anerkennen, ist es nicht ihr Problem, ob die Union, das Geld aller Europäer ordnungsgemäß verwaltet werden oder nicht. Es gibt vielleicht sogar einige Mitgliedstaaten, die jetzt ganz glücklich sind und sich sagen: „Mein Geld erreicht die Landwirte, auch wenn ich mich nicht genau an die Forderungen halte, die mir der Rechnungshof stellt“. Sie freuen sich über sich selbst. Sie sind nicht einmal hier.

Herr Präsident des Rechnungshofs, wie Sie wissen, hat dieses Europäische Parlament bei der letzten Entlastung von den Finanzministern nationale Zuverlässigkeitserklärungen verlangt. Das Ziel war, dem Rechnungshof zu helfen, eine positive Zuverlässigkeitserklärung zu veröffentlichen. Der ECOFIN-Rat vom 8. November hat, wie Kommissar Kallas sagte, solche nationalen Erklärungen abgelehnt.

Ich möchte Sie fragen, Herr Präsident des Rechnungshofs, was Sie vom Nutzen dieser Erklärungen für Ihre Arbeit, für Ihre Beziehungen zu den nationalen Behörden und von einer Zukunft ohne solche Erklärungen halten.

Schließlich, Herr Präsident, des Rechnungshofs, können wir nichts damit anfangen, wenn Sie sagen, dass im Klassendurchschnitt der 25 Mitgliedstaaten ein „Durchgefallen“ herauskommt. Sagen Sie uns – und das wird Ihnen helfen –, welches die drei besten und welches die drei schlechtesten Mitgliedstaaten sind.

 
  
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  Dan Jørgensen, im Namen der PSE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilt haben. Ebenfalls danken möchte ich dem Rechnungshof für einen konstruktiven Jahresbericht. Einer der Bereiche, in denen die EU das allergrößte Imageproblem besitzt, ist die Frage, wie das Geld der Gemeinschaft verwaltet wird. Wie wir aus zahlreichen Meinungsumfragen wissen, haben die europäischen Bürger kein besonders großes Vertrauen, dass mit ihrem Geld - also mit den von ihnen gezahlten Steuergeldern - ordnungsgemäß umgegangen wird. Dieses Misstrauen ist zum Teil berechtigt und beruht zum anderen Teil auf Missverständnissen. Ich möchte dem Rechnungshof für einen Jahresbericht danken, der uns Mitgliedern des Europäischen Parlaments bei der Erfüllung zweier Ziele hilft: erstens dabei, die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, und zweitens dabei, Ratschläge zu finden und zur Lösung der Probleme beizutragen, die tatsächlich bestehen, denn Probleme gibt es zweifellos!

Was Mythen und Missverständnisse anbelangt, so wird jeder, der sich die Mühe macht, den Jahresbericht des Rechnungshofes wirklich zu lesen, erkennen können, dass den in der Presse kursierenden und auch von den EU-Gegnern hier im Parlament verbreiteten Schauermärchen kein Glauben geschenkt werden kann. Wie sich zeigt, beruhen diese Storys auf Mythen und Missverständnissen und stehen die Dinge nicht so schlecht, wie die vielen Horrorgeschichten glauben machen wollen. Vor allem durch den besonderen Hinweis auf den Agrarbereich, wo nunmehr etwa 60 % der Mittel ordnungsgemäß verwaltet werden, belegt der Jahresbericht, dass sich viel verbessert hat. Das ist natürlich gut. Etwas Lob muss sein, denn es sind schließlich Fortschritte zu verzeichnen. Dennoch können wir lediglich aufgrund der Tatsache, dass es in einigen Bereichen Verbesserungen gibt, nicht mit dem Gesamtbild zufrieden sein. Das Gesamtbild ist einfach nicht gut genug. Ich stimme meinem Vorredner Herrn Pomés Ruiz zu, wenn er sagt, es sei skandalös.

Und damit komme ich zur zweiten Aufgabe. Die erste bestand darin, die Mythen zu zerstören. Die zweite ist natürlich noch wichtiger, denn hier geht es darum herauszufinden, wie wir diese Probleme lösen können. Ich stimme überdies vollkommen zu, dass sich hierbei ein deutliches Bild abzeichnet. Das eigentliche Problem liegt nämlich in den Bereichen, in denen eine gemeinsame Verwaltung besteht - in denen also die Mitgliedstaaten ebenso viel Verantwortung für den Umgang mit den Geldern tragen. Die Mitgliedstaaten kommen ihrer Verantwortung einfach nicht nach und tun nicht genug. Auch ich meine, dass wir weiter an der Empfehlung des vorigen Jahres arbeiten müssen, wonach von den Finanzministern jedes einzelnen Landes in jedem Jahr so genannte politische Erklärungen abgegeben werden müssten. In den nächsten Monaten müssen wir den Jahresbericht eingehender beraten und das Entlastungsverfahren durchführen. Wie jetzt schon abzusehen ist, wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten eines der Themen sein, das unsererseits größter Aufmerksamkeit bedarf.

 
  
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  Jan Mulder, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Auch mein Dank gebührt dem Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes für seinen Bericht. Ich kann mich nur den Ausführungen meiner Vorredner anschließen und mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass zum elften Mal in Folge keine positive Zuverlässigkeitserklärung erteilt wurde, und das wird den Menschen im Gedächtnis bleiben. Wir müssen an einer positiven DAS arbeiten, und wie mir scheint, liegt die Wurzel des Übels bei den Mitgliedstaaten.

Bedauerlicherweise hat sich der Präsident nicht die Mühe gemacht, hier und heute anwesend zu sein. Auf den anderen Bänken der Mitgliedstaaten herrscht heute Morgen ebenfalls gähnende Leere. Ich weiß nicht, ob dies für das Interesse an der gesamten Finanzkontrolle symptomatisch ist. Wesentlich ist für mich nach wie vor die Entschließung aus dem vergangenen Jahr, in der wir darauf bestanden haben, dass die oberste Finanzbehörde jedes Mitgliedstaats – und ich freue mich, dass sie so andächtig zuhören – alljährlich Rechenschaft über die Mittelverwendung ablegt. Die meisten Mitgliedstaaten sind dagegen.

Daran muss dieses Parlament meines Erachtens weiterhin arbeiten. Die in dem Bericht des Rechnungshofes enthaltene Empfehlung, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für alle sonstigen Teile des Haushaltsplans bescheinigende Stellen einzurichten, sollten wir genauer prüfen.

Begrüßenswert ist es, dass für die Heranführungsstrategie eine positive DAS abgegeben werden kann. 2004 fanden die Erfahrungen in den neuen Mitgliedstaaten noch keine Berücksichtigung. Hoffentlich bleiben in Zukunft die Kontrollmechanismen auch in den neuen Ländern bestehen. Ich begrüße die Peer-Review über das Funktionieren des Rechnungshofes selbst, die der Präsident des Rechnungshofes zwar heute Morgen nicht erwähnt, aber gestern angekündigt hat. Keine einzige Institution kommt ohne Kritik, ohne konstruktive Kritik, aus. Wenn die Arbeit des Rechnungshofes in den vergangenen Jahren beurteilt wird, könnte dies meiner Auffassung nach dem gesamten Funktionieren des Rechnungshofes in Europa zugute kommen.

 
  
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  Bart Staes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Mit dieser Aussprache leiten wir das Entlastungsverfahren 2004 ein. Eine erste flüchtige Lektüre des Jahresberichts lehrt uns, dass sich die Kommission seit dem Fall der Kommission Santer und dem Beginn des Reformprozesses besser organisiert hat. Die gute Nachricht ist die, dass sich der Grad der Mittelverwendung des Gemeinschaftshaushaltsplans zum dritten Mal in Folge verbessert hat. Schlecht ist, dass der Rechnungshof zum elften Mal in Folge keine positive Zuverlässigkeitserklärung (DAS) erteilen kann. Daher gibt es keine Sicherheit über die Zuverlässigkeit der Zahlen.

Der Grund ist offensichtlich: entweder wurden die Überwachungs- und Kontrollsysteme noch nicht eingerichtet, oder sie funktionierten nicht wirksam, oder die Zahlungen sind wesentlich durch Fehler geprägt. Wir sprechen hier über die Agrar- und Strukturpolitik sowie über die internen und externen Politikbereiche, die mehr als vier Fünftel des gesamten Gemeinschaftshaushalts in Höhe von 105 Milliarden ausmachen. Als zentrales Problem erweist sich hierbei, dass die Mitgliedstaaten an 80 bis 85 % der Überwachung und Verwaltung beteiligt sind. Die Finanzminister weigern sich, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und das ist eine regelrechte Schande. Sie wollen zwar Gelder aus Brüssel, aber die damit einhergehende Verantwortung scheuen sie.

Der Jahresbericht führt uns abermals das Problem der Ausfuhrerstattungen vor Augen, die sich auf 3,6 Milliarden Euro oder 7,5 % des Agrarhaushalts belaufen. Was den Wert betrifft, sind sie jedoch für 26 % der der Kommission gemeldeten Unregelmäßigkeiten ursächlich. Die Mitgliedstaaten sollten 5 % der Ausfuhrerstattungsdossiers einer körperlichen Kontrolle unterziehen, aber auch hier versagen sie jämmerlich. Zu meiner Freude las ich in Ziffer 4.30 und Fußnote 20 des Jahresberichts die Empfehlung, die Kontrollen auf die Ebene der Endbegünstigten auszuweiten. Und ich zitiere: „Durch die Abdeckung dieses Aspekts würde die Kette der Rechenschaftslegung in Bezug auf die GAP-Ausgaben verstärkt und klarer definiert.“

Deshalb möchte ich noch einmal eindringlich appellieren, die Listen mit den Endbegünstigten der Agrarbeihilfen zu veröffentlichen. Eben das haben Estland, Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Niederlande getan. Flandern und Belgien hingegen haben sich für Scheintransparenz entschieden, indem sie alle Zahlen zusammenwarfen, so dass eine genaue Analyse unmöglich ist. Dennoch können wir aus diesen Tabellen eine Menge über die Anomalien unserer Agrarpolitik lernen. In den Niederlanden flossen beispielsweise an den Tabakriesen Philip Morris in den vergangenen fünf Jahren 6,5 Millionen Euro für die Zugabe von Zucker an Zigaretten. Aufgrund des hohen Zuckerpreises auf EU-Ebene erhielt Philip Morris hierfür einen Ausgleich.

Ebenso erhielt der KLM-Bordverpflegungsdienst 646 000 Euro, weil er Zucker, Milchprodukte, Obst und Gemüse auch auf Flügen außerhalb der Europäischen Union anbietet. Dies gilt als Ausfuhr und kommt daher für Ausfuhrerstattungen in Betracht. Das ist doch Wahnsinn, aber nur die Spitze des Eisbergs. Europa, die Europäische Union und die Gemeinsame Agrarpolitik sind für die Bürger nur dann akzeptabel, wenn diese Auswüchse aufs Tapet kommen. Ich wünsche allen Berichterstattern in dem Entlastungsverfahren, im Besonderen Herrn Mulder, viel Erfolg und hoffe, dass unsere Arbeit in den kommenden Monaten zu greifbaren Ergebnissen führt und wir auf der Tagung im April nächsten Jahres fundierte Entlastungsberichte vorlegen können.

 
  
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  Jeffrey Titford, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, es ist wieder einmal soweit. Vor fast einem Jahr stand ich schon einmal hier, um den zehnten Jahrestag der Weigerung des Rechnungshofs, den Rechnungsabschluss der EU abzusegnen, zu kommentieren. Ich wiederhole, was ich damals bereits sagte, dass es nämlich an der Zeit ist einzusehen, dass diese Form der europäischen Regierung schmählich gescheitert ist und abgeschafft werden sollte. Für die Nationalstaaten wäre es viel besser, wenn sie ihre Interessen selbst vertreten. Weder der jetzigen noch einer früheren Europäischen Kommission hätte ich je das Taschengeld meiner Enkelkinder anvertraut. Vor drei Wochen habe ich in einem Beitrag vor diesem Haus gefordert, den Haushalt 2006 mit der Begründung abzulehnen, dass dieses Parlament nicht das Recht hat, weitere Ausgaben zu genehmigen, wo wir doch seit zehn Jahren auf unseren höchst zweifelhaften Rechnungsabschlüssen sitzen geblieben sind.

Das ist nun schon das elfte Jahr, und diese empörende Situation muss ein Ende haben. Der jüngste Bericht des Rechnungshofs ist eine weitere Litanei der Versäumnisse durch die Bürokratie der Europäischen Kommission. Man hatte uns versprochen, dass das neue Computersystem sämtliche Schlupflöcher schließen würde. In Wirklichkeit ist es aber so, dass der Rechnungsabschluss etwa so wasserdicht ist wie ein Sieb.

Die Abgeordneten dieses Hauses sollten sich den europäischen Steuerzahlern gegenüber verpflichtet fühlen, denn es ist deren Geld, dass durch das Sieb rinnt. Die britische Regierung hat die Pflicht, die Steuergelder überlegt auszugeben, trotzdem stellt sie brav Schecks für die Europäische Union aus.

Auf eines können Sie sich verlassen: Ich werde auch künftig das Gewissen dieser Einrichtung sein und klipp und klar sagen, was für eine Katastrophe sie ist. Mein Gewissen ist rein. „Auch das Ihre?“, frage ich Sie. Übrigens, wenn ich mir die Anwesenheit heute so anschaue, dann kann ich das wohl als Hinweis darauf werten, welche Bedeutung die Abgeordneten dem Umgang mit den Geldern der europäischen Steuerzahler beimessen. Mehr ist dazu wohl nicht zu sagen.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Europa würde doch – gerade in der jetzigen Situation – einen Rechnungshof brauchen, der wie ein dynamischer Tiger durch die Lande läuft und dort zuschnappt, wo es notwendig ist. Doch auch dieser Jahresbericht zeigt wieder, dass wir es in Wirklichkeit vielleicht nicht mit einem Raubtier, aber doch mit einem Lebewesen zu tun haben, dem jedoch die Zähne fehlen und das im Käfig sitzt. Es fehlen ihm die Zähne, weil das von der Institution her gar nicht möglich ist. Wenn man die Zuständigkeiten des Europäischen Rechnungshofs mit jenen des bayrischen vergleicht, so sind das zwei verschiedene Welten. Ich kenne nur eine als Rechnungshof eingerichtete Institution, nämlich das Wiener Kontrollamt, das von den Zuständigkeiten und vom Durchgriff her noch schwächer ausgestattet ist als der Europäische Rechnungshof. Wenn davon die Rede ist, wie man länderübergreifend agieren kann, so heißt es ständig: „Ich kann Ihnen versichern, dass der Rechnungshof jede Debatte begrüßt, wenn es um mögliche Verbesserungen bei der Prüfung geht.“

Meine Anregung ist: Seien Sie konstruktiv! Legen Sie ein Memorandum vor! Sagen Sie selbst als Rechnungshof, dass Sie Ihren Aufgaben gar nicht wirklich nachkommen können, weil Sie die Zuständigkeiten nicht haben, weil Sie dieses und jenes nicht dürfen, und weil Sie eigentlich auch durch die personelle Auswahl – die Art, wie dies alles politisch zustande kommt – gar nicht in der Lage sind, die Aufgaben zu erfüllen! Das wäre ein echter Dienst an Europa. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Transparenz und Kontrollmöglichkeiten, welche wir brauchen würden, um dieser Union wieder zu Glaubwürdigkeit zu verhelfen.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, wenn ich mir anhöre, was die UK Independence Party über die angebliche Unfähigkeit der Kommission zum richtigen Umgang mit dem Taschengeld ihrer Enkel zu sagen hat, dann muss ich gestehen, dass ich dieses Taschengeld doch lieber der Kommission anvertraue als der UK Independence Party! Doch unabhängig davon wollte ich drei Punkte ansprechen. Der erste Punkt ist allgemeiner Natur, und die beiden anderen betreffen die Kommission und den Rat.

Erstens stelle ich fest, dass uns meines Erachtens ein guter Bericht vorliegt. Das Ziel des Berichts ist es, das derzeitige Kontrollumfeld zu verbessern, die Verwendung der Mittel transparenter und verständlicher zu gestalten und Betrug und Misswirtschaft zu beseitigen. Vieles ist schon besser geworden, aber – wie etliche meiner Vorredner feststellten – es bleibt noch viel zu tun, wobei ich allerdings nicht glaube, dass bei der derzeitigen Methode, mit der der Rechnungshof arbeitet, viele Unternehmen eine positive Zuverlässigkeitserklärung (DAS) erhalten würden.

Zweitens möchte ich die Kommission beglückwünschen. Ich weiß, dass sie viel Kritik für die Verwendung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel einstecken muss, die in gewissem Umfang sicher berechtigt ist, zum größten Teil aber nicht. Die Kommission hat zahlreiche Verbesserungen vorgenommen. Mir gefällt, dass sie einen Fahrplan aufgestellt hat, um eine positive DAS zu erhalten, und dass sie die Rechnungsführung verbessert hat.

Mein abschließender Punkt ist eine Kritik am Rat, und zwar nicht nur, weil er heute abwesend ist, sondern auch, weil er versucht – wie gerade eben die UK Independence Party –, den Eindruck zu vermitteln, dass an allem die Kommission oder die anderen EU-Institutionen schuld sind. Das stimmt einfach nicht. Achtzig Prozent der in der Europäischen Union ausgegebenen Gelder werden in den Mitgliedstaaten ausgegeben. Deshalb verurteile ich, dass sich die Finanzminister auf der ECOFIN-Tagung vor zwei Wochen erneut geweigert haben, die Zuverlässigkeitserklärung zu unterzeichnen. Ich denke, wir könnten bei der Verwaltung der Finanzen sehr große Fortschritte machen, wenn die Finanzminister ihre Verantwortung ernst nehmen würden.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Erstens, wir verbessern das System; zweitens, das Problem liegt nicht bei der Kommission, sondern bei den Mitgliedstaaten; drittens, ich in Optimist und rechne damit, dass uns in fünf Jahren eine positive DAS vorliegen wird.

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE). – (HU) Herr Präsident! 2004 war das Jahr der Erweiterung, daher ist der Jahresbericht 2004 der erste, der sich auf alle 25 Mitgliedstaaten erstreckt. Auch deshalb ist es gut, dass der uns vorliegende Bericht ein positives, realistisches und ausgewogenes Bild von der Verwendung der Mittel der Europäischen Union sowohl in den alten als auch in den neuen Mitgliedstaaten zeichnet.

Aus dem Jahresbericht 2004 des Rechnungshofs geht hervor, wie sich die im vergangenen Jahr eingeleiteten Reformen ausgewirkt haben. Darin bestand das Ziel des von meinem Kollegen, Terry Wynn, erstellten Berichts, der im Parlament mit großer Mehrheit angenommen wurde; darin besteht auch das Ziel des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, das von der Europäischen Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission, Siim Kallas, bekannt gegeben wurde.

Die Reform beruht auf gegenseitigem Vertrauen und einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament, der Kommission und dem Rechnungshof. Damit die Reform greift, müsste zusätzlich der Rat einschreiten und auf nationaler Ebene Zuverlässigkeitserklärungen einführen, doch trifft dies offenbar weiterhin auf Widerstand. Ohne sie können wir jedoch nicht vorwärts kommen; wir benötigen auch eine Zuverlässigkeitserklärung vom Rat.

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė (ALDE).(LT) Als ich mir die Ergebnisse der Prüfung der Finanzkonten der Gemeinschaft zum Haushaltsjahr 2004 ansah, konnte ich mit Freude feststellen, dass die Beurteilung des Rechnungshofes im Hinblick auf die Verwaltung der meinem Heimatland Litauen bewilligten Heranführungsmittel positiv ausgefallen ist.

Gleiches lässt sich leider nicht über die allgemeine Evaluierung des Status der Haushaltsführung der Europäischen Union sagen. Es ist eine paradoxe Situation entstanden, in der die Begünstigten keinen Zugang zu den ihnen bewilligten Mitteln erhalten, da die verschiedenen Kontrollerfordernisse übermäßig kompliziert und im Vergleich zu dem erzielten Nutzen unverhältnismäßig sind, die Prüfer hingegen behaupten, dass diese Erfordernisse keinen ausreichenden Grund für eine Debatte darstellen.

Es ist offensichtlich, dass das aktuelle Rechnungsführungssystem das Erreichen des wichtigsten Steuerziels der EU verhindert – die transparente und effiziente Verwendung der Mittel des EU-Haushalts. Ich möchte daher die Europäische Kommission und die Prüfer auffordern, auf die Implementierung des Reformplans zu drängen und entschiedener die Probleme anzusprechen, bei deren Lösung umfangreiche und unerschöpfliche Ressourcen frei werden. Ich bin optimistisch und glaube, dass die Reformen und ein integriertes internes Kontrollsystem dabei behilflich sein können, die unerledigten Probleme zu lösen.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dagegen protestieren, dass wir den Jahresbericht des Rechnungshofes diskutieren sollen, ohne dass dieser uns vorher vorgelegen hätte, was für uns ein großer Nachteil ist. Zum Glück ist uns der Inhalt schon mehr oder weniger vom vergangenen Jahr bekannt, so dass wir vielleicht den Bericht des Vorjahres hätten lesen und die gleichen Anmerkungen machen können. Es geht um die gleichen Probleme, um die gleichen Mängel in der Rechnungsführung, also werden diese Probleme wohl auch weiterhin bestehen. Uns wird gesagt, der Rechnungshof „kann nicht garantieren“… Da ist von riskanten Transaktionen die Rede, von Mängeln im Kontrollsystem, von jeder Menge Fehlern usw. usf. Es gibt einen Fahrplan für ein internes Kontrollsystem, was ich sehr begrüße, aber das meiste bleibt wie bisher, d. h. schlecht.

Dennoch möchte ich betonen, dass die europäischen Institutionen natürlich vom Europäischen Rechnungshof geprüft werden, während die Prüfung der nationalen Systeme selbstredend durch die jeweiligen Rechnungsbehörden der Mitgliedstaaten erfolgt. So wie auf vielen anderen Gebieten gilt auch in diesem Zusammenhang das Verhältnis 80:20, d. h. ein Fünftel der Finanzmittel kann hier kontrolliert werden, der Rest auf nationaler Ebene. Es ist von größter Bedeutung, dass wir einen Vorschlag zum Prozedere für eine strukturierte Zusammenarbeit in dieser Frage erarbeiten. Anderenfalls ist es für den Rechnungshof auch künftig unmöglich, seiner Aufgabe in der Praxis nachzukommen.

Unseres Erachtens ergeben sich die Hauptprobleme aus der gemeinsamen Agrarpolitik, den Strukturfonds und dem Ausschuss der Regionen. Es gibt gute Gründe, die Agrarpolitik, den Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss abzuschaffen. All diese Dinge gehören einer anderen Ära an und erfüllen in der gegenwärtigen EU keine Funktion. Stattdessen sollten die Mittel aus den Strukturfonds direkt an die ärmeren Mitgliedstaaten gehen. Dann würden alle von uns hier besprochenen Probleme weitgehend verschwinden.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE).(MT) In einer Zeit, in der Europa in der Öffentlichkeit nicht gut angesehen ist, fällt es nicht leicht, den Menschen zu erklären, dass die Europäische Union, die für viele beispielgebend dafür ist, wie die Dinge gemacht werden sollten, nicht nur nicht perfekt ist, sondern viel mehr tun müsste, um zu gewährleisten, dass die an sie gezahlten Gelder tatsächlich zweckgemäß verwendet werden. Der uns vorliegende Bericht ist ein Déjà vu; er zeigt uns erneut, dass der Rechnungshof nicht sicher sein kann, ob jeder ausgegebene Euro wirklich vollkommen regulär ausgegeben wurde, obgleich der Bericht auch anmerkt, dass in einem problematischen Sektor wie der Landwirtschaft, der letztlich einen enormen Anteil des Haushalts verschlingt, gewisse Fortschritte erzielt wurden. Es wäre jedoch ein Fehler, wenn wir aufhören würden, nach einem effektiveren System der Haushaltskontrolle zu suchen. Einerseits sind wir besorgt, wenn wir hören, dass das Kontrollsystem noch immer zahlreiche Mängel aufweist, doch andererseits sind wir frustriert, da wir anscheinend immer weiter nach Perfektion streben, einer Perfektion, die durch das DAS-System verkörpert wird, bis hin zu einer Perfektion, der wir uns, wie wir Jahr für Jahr feststellen, zwar annähern können, die wir aber sicherlich niemals erreichen werden. Nun können wir entweder das Spiel der Schwarzmaler spielen oder zugeben, dass niemand perfekt ist und jeder seine Verantwortung übernehmen muss. Dies gilt sowohl für uns im Europäischen Parlament als auch für die Europäische Kommission, aber auch für die Mitgliedstaaten selbst.

 
  
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  Herbert Bösch (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte dem Europäischen Rechnungshof ausdrücklich zu diesem Bericht gratulieren. Er zeigt mir in der kurzen Zeit, die wir ihn in der Hand haben, dass viele Fakten darin sind, die uns bei unserer Arbeit – denn die Entlastung oder Nichtentlastung müssen letztendlich wir vornehmen – hervorragende Kriterien an die Hand geben.

Es ist so oft die Rede davon gewesen, dass die Finanzminister ihre Rechnungen unterschreiben müssen. Betrachten wir doch einmal die Bereiche, in denen die Kommission allein für die Ausgaben zuständig ist: Da werden wir tragische Dinge sehen. Im Bereich der internen Politiken sind sechs von elf Generaldirektoren nicht in der Lage, eine Garantieerklärung ohne Vorbehalte abzugeben. Zeigen Sie mir den Finanzminister, der bei einer solchen Ausgangslage sagt, er würde es tun! Den habe ich noch nicht gefunden.

Meine Aufforderung auf der Grundlage dieses hervorragenden Berichts des Rechnungshofs wäre: Schauen wir auf die direkt verwalteten Ausgaben und versuchen wir, dort Perfektion herbeizuführen! Dann werden wir bei den Mitgliedstaaten mehr Erfolg haben, als wir derzeit haben.

 
  
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  Markus Ferber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Rechnungshofspräsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich dem anschließen, was der Kollege Bösch gesagt hat. Ich glaube, wir machen es uns etwas zu einfach, wenn wir nur sagen: 80% der Mittel werden von den Mitgliedstaaten verwaltet, und deswegen sollen die bitte dafür sorgen, dass alles ordentlich läuft.

Alle Probleme, die wir in den letzten Jahren hatten, und die 1999 auch zum Rücktritt der Kommission geführt haben, waren keine Probleme mit Mitteln, die national verwaltet wurden, sondern das waren Mittel, die von der Europäischen Kommission selber verwaltet wurden.

Dann sage ich etwas sehr deutlich: Im Terence Wynn Bericht hieß es, wir wollen die nationalen und auch die Landesrechnungshöfe – soweit vorhanden – in die Entlastungsprozedur mit einbinden. Wenn ich mir heute anschaue, wie die Prozeduren national laufen, und wie sie europäisch laufen, dann passen die Dinge nicht zusammen. Ich wehre mich dagegen – das sage ich sehr deutlich –, das, was wir in Europa tun und was Ihre Aufgabe ist, Herr Rechnungshofspräsident, auf die nationalen Systeme zu übertragen. Wir sollten vielmehr darüber nachdenken, es, was den Prüfrahmen betrifft, anders herum zu tun. Wir haben auch in Europa etwas zu verbessern und können von den Mitgliedstaaten durchaus lernen. Es bedarf der Klugheit und Weisheit der Staats- und Regierungschefs, den erforderlichen Rechtsrahmen vorzugeben, damit dies auch möglich wird.

Es ist ja nicht Ihr Problem, Herr Weber, sondern es ist das Problem derjenigen, die Ihnen das Mandat zu erteilen haben. Das sind nicht wir, das sind die Staats- und Regierungschefs. Diese Haltung – das sage ich auch als Mitglied des Haushaltsausschusses sehr deutlich – ist anzuprangern: Man will nichts in die EU einbezahlen, man will jedoch möglichst viel davon ins eigene Land zurückholen, aber man will keinen in Brüssel da hineinschauen lassen. Diese Haltung, das ist unser Thema, und da müssen wir ansetzen. Dann haben wir wirklich etwas für Europa, für die Glaubwürdigkeit und für die Menschen getan.

Entscheidend ist nicht der Rechnungshofbericht – der ist wichtig –, sondern entscheidend ist, was wir als Parlament daraus machen. Ich freue mich auf die Debatten im Haushaltskontrollausschuss und auf das Entlastungsverfahren, das dann im Frühjahr zum Abschluss kommt.

 
  
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  Terence Wynn (PSE). – (EN) Herr Präsident, vor einer Woche lehnte der ECOFIN-Rat den Vorschlag des Parlaments für nationale Erklärungen ab, was praktisch bedeutet, dass in absehbarer Zukunft nicht mit einer positiven DAS zu rechnen ist. Die Vorschläge, die der ECOFIN-Rat nach zweitägiger Expertensitzung, an der ich teilgenommen habe, auf den Tisch legte, sind ein schlechter Ersatz für wirkliches Handeln. Die Tagung erinnerte mich an Margaret Thatchers Kommentar auf einer ähnliche Tagung, auf der sie sich beschwerte, dass die Leute um sie herum alle möglichen Gründe dafür anführten, dass sie untätig blieben und keine Veränderungen vornahmen, anstatt ihr Lösungen für ihre Probleme anzubieten.

Das Parlament muss wissen, welche Mitgliedstaaten seinem Standpunkt zustimmen und welche ihn ablehnen.

Ganz im Ernst: Die Bemerkungen der UK Independence Party sollten nicht einfach so abgetan werden. Es stellt sich doch wirklich die Frage: Wieso sollten wir eine neue Finanzielle Vorausschau vereinbaren, wenn die Überwachungs- und Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten so offenkundige Mängel aufweisen? Diese Botschaft muss dem Rat laut und deutlich übermittelt werden.

 
  
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  Hubert Weber, Präsident des Rechnungshofs. Herr Präsident! Das ist ein großer Tag für den Europäischen Rechnungshof, weil wir auf politischer Ebene unseren Bericht vorstellen dürfen, und zwar in Anwesenheit des Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Kallas. Wir sind sehr dankbar, dass wir von der politischen Instanz eine Rückmeldung für unsere Tätigkeit bekommen.

Wir haben in diesem Bericht aufgezeigt, dass es zu erheblichen Verbesserungen gekommen ist. Sicherlich gibt es in einigen Bereichen noch einiges nachzuholen, auf der Ebene der Kommission wie auch auf jener der Mitgliedstaaten. Die Wichtigkeit der Erklärungen wurde erwähnt. Dem kann ich nur beipflichten, aber die Erklärungen sind nicht alles. Wir sollten eher zu den Quellen der Fehler vordringen und den Anreiz für Reformen dort suchen. Wir haben Hunderte Stichproben durchgeführt, Transaktionen überprüft. Wir haben Hunderte Fehler entdeckt, Fehler formeller wie auch substanzieller Natur. Diese Fehler sind auf der Ebene der Kommission bekannt, sie werden bei der Kommission behandelt. Sie sind auch bekannt auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Hier sollten wir ansetzen.

Ich glaube – auch an Herrn Martin gerichtet –, unser Mandat ist ein hervorragendes Mandat, wir sind damit zufrieden, wir brauchen kein anderes. Im internationalen Vergleich stehen wir sehr gut da. Es geht nur darum, dass unsere Erkenntnisse ernst genommen und rechtzeitig umgesetzt werden. Es genügt nicht, dass wir ein neues System einführen, wir müssen das neue System auch einsetzen und praktikabel machen.

Es wurde auch deutlich gemacht, dass der Rechtsrahmen vereinfacht werden muss. Wir werden in vielen Bereichen keine Verbesserungen herbeiführen, wenn wir weiterhin so komplizierte Verfahren haben.

Eines muss ich auch sagen: Wenn wir an die durch uns geprüften Stellen einen so strengen Maßstab anlegen, dann müssen wir auch dulden, dass uns dieser strenge Rahmen ebenfalls angelegt wird. Dies soll durch eine geplante Peer Review erfolgen.

Es wird immer gesagt: Der Rechnungshof tritt für mehr Prüfungen ein. Nein, wir wollen das gar nicht. Wir wollen nicht mehr Prüfungen, wir wollen wirksamere, effizientere Prüfungen, aus denen in der Folge auch Lehren gezogen werden

 
  
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  Präsident. Damit ist die Aussprache zu diesem Punkt geschlossen.

(Die Sitzung wird für einige Augenblicke unterbrochen.)

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Véronique Mathieu (PPE-DE). (FR) Es ist enttäuschend und frustrierend, dass die Zuverlässigkeitserklärung erneut negativ ausgefallen ist. Das bedeutet, dass es immer noch keine Garantie dafür gibt, dass die Ausgaben legal und ordnungsgemäß sind, dass nach wie vor Zweifel an der Zuverlässigkeit der Buchführungspraktiken bestehen.

Wen kann man dafür verantwortlich machen? Die Mitgliedstaaten wegen der verwendeten Methodik und der schlechten Umsetzung des Zahlungssystems? Die Kommission, die gemäß Artikel 274 des Vertrags für die Ausführung des europäischen Haushaltsplans verantwortlich ist?

Lassen Sie uns einige Schlussfolgerungen aus den Bemerkungen des Rechnungshofs ziehen: Es kommt vorrangig darauf an, die nationalen Verwaltungen in die Pflicht zu nehmen, damit über die europäischen Mittel korrekt Bericht erstattet werden kann. Zugleich muss der Rechnungshof klar zum Ausdruck bringen, welche konkreten Maßnahmen die Kommission zu treffen hat, um zu einer positiven Zuverlässigkeitserklärung zu gelangen.

Im gegenwärtigen Kontext der Diskreditierung Europas dürfen die Schwächen der Verwaltungs- und Kontrollsysteme den Euroskeptikern keine Handhabe geben, um die Grundprinzipien und wesentlichen Politiken der Union in Frage zu stellen, die auf die Stärkung des territorialen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts gerichtet sind. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen verstärken, um zu einer positiven DAS zu gelangen: Es geht um die Glaubwürdigkeit der Union und das Vertrauen der Bürger.

 
  
  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

(Die Sitzung wird um 10.15 Uhr wieder aufgenommen.)

 

7. Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm für 2006
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt eine Erklärung der Kommission zum Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm für 2006.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! 2005 war für Europa kein leichtes Jahr. Europa musste sich mit dem Terrorismus, mit sozialer Unsicherheit, mit Naturkatastrophen auseinandersetzen. Auf institutioneller Ebene mussten wir uns all diesen Schwierigkeiten stellen, ohne dass uns eine Verfassung zu Hilfe kam und ohne dass wir bislang über einen mehrjährigen Haushaltsrahmen verfügen. Die Union sah sich veranlasst, den Integrationsprozess selbst zu hinterfragen, aber wir sind überzeugt, unsere Kommission ist überzeugt, dass die Europäische Union niemals so notwendig war wie heute.

Wir sind stolz auf die entschiedene und klare Antwort, die die Kommission auf diese Situation geben konnte. In enger Zusammenarbeit mit dem Parlament haben wir alle die Herausforderungen bestanden. Hier einige Beispiele für das, was wir gemeinsam vollbracht haben: die Erneuerung der Strategie von Lissabon, eine Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Sinne der Stärkung der Glaubwürdigkeit der wirtschaftlichen Governance Europas, mehr Solidarität dank der Verabschiedung einer erneuerten Sozialagenda, die volle Anerkennung der führenden Rolle des sozialen Dialogs und seiner Akteure, der Kampf für eine sauberere Umwelt mit der Verabschiedung thematischer Strategien und der Fortführung unserer internationalen Tätigkeit im Bereich des Klimawandels, eine bessere Sicherheit dank der Umsetzung unseres ehrgeizigen Haager Programms parallel zu zahlreichen anderen Initiativen, vor allem zu unseren Vorschlag zur Vorratsspeicherung von Daten, die Förderung der europäischen Werte in der Welt – zu nennen wäre hier die Verpflichtung zur Verdopplung der Hilfe der Union für die Entwicklungsländer und die Verabschiedung einer Strategie für Afrika –, die Verstärkung unserer Partnerschaften mit unseren strategischen Verbündeten wie den Vereinigten Staaten und die Fortsetzung eines offenen Dialogs mit neuen wichtigen Partnern wie China sowie schließlich die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien.

Die Kommission ist ihrer Verantwortung gerecht geworden. Unser Leitfaden war und bleibt das allgemeine europäische Interesse. Alle im Jahr 2005 ergriffenen Initiativen sind die erste konkrete Umsetzung der strategischen Ziele, die wir uns für fünf Jahre gesetzt haben. Das Programm, das wir heute vorstellen, bleibt den Zielen treu, die wir zu Beginn unseres Mandats beschlossen haben: Wohlstand, Solidarität im erweiterten Europa, Sicherheit und Stärkung der Rolle Europas in der Welt.

Diese Ziele haben nichts an Aktualität eingebüßt. Sie werden von den drei Institutionen geteilt, die sie zur wichtigsten Richtschnur ihres Handelns machen. Ich sehe darin ein Zeichen der Partnerschaft für die europäische Erneuerung, die ich in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen wollte. Das Rahmenabkommen ist eine konkrete Umsetzung dieser Partnerschaft zwischen unseren beiden Institutionen. Es stellt einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der politischen Initiativen dar. Es ermöglichte einen engeren und gezielten Dialog zwischen den Parlamentsausschüssen und den Kommissaren über die beste Art und Weise der Umsetzung der jährlichen politischen Strategie in konkrete Initiativen. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass dieser Dialog einen positiven Beitrag zu dem Programm geleistet hat, das ich Ihnen heute vorstelle. Ich hoffe, dass Sie Ihre Ideen, einschließlich derer, die Sie in der heutigen Debatte entwickeln, in den Maßnahmen, die wir uns für das Jahr 2006 vorgenommen haben, wiederfinden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ganze Potenzial Europas freizusetzen, das ist der Ansatz, von dem sich die Kommission bei der Erarbeitung ihres Legislativ- und Arbeitsprogramms für 2006 leiten ließ.

Welches sind die Schlüsselaktionen für 2006? Zunächst sind da die Bemühungen um die Förderung des Wohlstands. 2006 wird ein wesentliches Jahr für die Umsetzung der erneuerten Lissabonner Strategie sein. Die Kommission wird ihrer Rolle als Impulsgeberin und Begleiterin für die Anstrengungen der Mitgliedstaaten voll gerecht werden. Die nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten, die uns bereits zur Analyse vorliegen, werden in diesem Prozess eine grundlegende Rolle spielen. Es gilt, diese Programme mit unseren politischen Prioritäten zu verbinden, die wirtschaftliche Governance der Union zu verbessern und die nationalen und europäischen Reform- und Investitionsanstrengungen zu verstärken; gemeint sind Investitionen auf nationaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene mit Blick auf die Wirtschaft von morgen, Innovation, Wissen und neue Infrastrukturen. Diese beiden Arten von Investitionen, auf nationaler und auf europäischer Ebene müssen gleichzeitig erfolgen. Wir müssen diese Anstrengungen durch andere Initiativen unterstützen, so durch Vorschläge zur Vervollkommnung des Binnenmarktes, die Förderung der geografischen und beruflichen Mobilität und beispielsweise die Gründung eines Europäischen Technologieinstituts.

Besonders hervorzuheben sind die Vorschläge, die das Parlament selbst in seiner Entschließung zum Arbeitsprogramm zum Binnenmarkt gemacht hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Maßnahmen unterstreichen, die darauf gerichtet sind, einen günstigen Rahmen für die Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen als den Hauptverantwortlichen für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa zu schaffen.

Der zweite Aspekt betrifft die Solidarität. Die Solidarität bleibt eine grundlegende Komponente des europäischen Aufbauwerks, und ich möchte hier von der Solidarität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sprechen. Zugleich meine ich die Solidarität zwischen den Generationen mit Hilfe einer guten Verwaltung der natürlichen Ressourcen, einschließlich der Meeresressourcen, und der Erarbeitung einer neuen Strategie für nachhaltige Entwicklung – diese neue Strategie werden wir im Dezember vorstellen.

Zur Solidarität zwischen den Generationen gehört auch die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen und die Suche nach fairen Lösungen für die Finanzierung der Renten. Vergessen wir auch nicht die Solidarität zwischen Männern und Frauen oder die Solidarität zwischen den wohlhabenderen und den ärmeren Mitgliedstaaten sowie die Solidarität zwischen der Union und dem Rest der Welt, vor allem gegenüber den Entwicklungsländern. 2006 wird ein wesentliches Jahr sein, um all diese Probleme in Angriff zu nehmen.

Im Bereich der Sicherheit wird besondere Aufmerksamkeit der Verbesserung der Koordinierung im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität gelten. Es ist deutlich geworden, welchen Einfluss das Gemeinschaftsrecht in diesen Fragen hat. So kann ich Ihnen beispielsweise versichern, dass einer der Beschuldigten im Rahmen der Anschläge von London innerhalb von weniger als 50 Tagen von Italien an das Vereinigte Königreich ausgeliefert wurde. Ein solches Verfahren hätte sich ohne gemeinschaftliche Instrumente über mehrere Jahre hingezogen. Dies ist also ein Bereich, in dem ganz eindeutig die Bürger, auch die Bürger der Länder, die weniger begeistert für die europäische Integration sind, von Europa, von der Europäischen Union mehr und nicht weniger verlangen.

Im Übrigen werden wir auf dem Gebiet der illegalen Zuwanderung sehr aktiv sein, wie wir bereits gesagt haben. Die Probleme, denen sich einige unserer Mitgliedstaaten gegenübersahen, betreffen nicht sie allein: In Wirklichkeit handelt es sich um Probleme, die wir in ganz Europa erleben. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten müssen wir diese Geißel entschieden bekämpfen. Natürlich ist das Problem der Zuwanderung nicht ausschließlich ein Sicherheitsproblem. Gewiss weist es eine Sicherheitsdimension auf, denn es gilt, die illegal organisierte Zuwanderung zu bekämpfen. Aber zugleich müssen wir etwas für die Entwicklungshilfe in den Herkunftsländern tun. Wir müssen unseren Ansatz zur Zuwanderung mit unserem Entwicklungsansatz verbinden, und gleichzeitig müssen wir alles für eine harmonische Integration der Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft in unseren Ländern tun.

Wir wollen auch unsere Aktivitäten auf dem Gebiet des Gesundheits- und Verbraucherschutzes fortsetzen, der im weiteren Sinne ebenfalls zum Sicherheitsbereich gehört. Weiterhin wird ein wesentliches Element in der Entwicklung einer Krisenreaktionskapazität für den Katastrophenschutz bestehen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die 96 vorrangigen Initiativen, die wir Ihnen vorstellen, sind der Beweis unseres Engagements für diese Ziele: Wohlstand, Solidarität, Sicherheit und Außenwirkung Europas in der Welt. Ihre Glaubwürdigkeit wird jedoch auch von ihrer Qualität abhängen. Deshalb wird die Kommission rigoros die verstärkten Methoden ihres Programms „Bessere Rechtsetzung“ anwenden. Diese Methoden sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die Absichten, die wir teilen, zu einer Realität werden zu lassen, die für unsere Bürger wirklich in ihrem Alltagsleben erfahrbar wird.

Für 2006 erstrecken sich unsere Ambitionen darauf, Europa zu einem internationalen Partner zu machen, der einen größeren Einfluss ausübt. An dieser Front muss es auch 2006 konkrete Ergebnisse geben: konkrete Ergebnisse hinsichtlich des Erweiterungsprozesses und des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses; konkrete Ergebnisse für unsere Nachbarschaftspolitik, die eine sehr wichtige Politik für die Stabilität in Europa und den unmittelbar angrenzenden Regionen darstellt; konkrete Ergebnisse in der Armutsbekämpfung, indem wir unser Versprechen, die Hilfe zu verdoppeln, in die Tat umsetzen; und schließlich Ergebnisse im Bereich der Förderung der europäischen Werte in der Welt, vor allem durch die Unterstützung des politischen Reformprozesses und des Wiederaufbaus in Afghanistan, Irak und Palästina.

(EN) Die internationale Wirtschaftsagenda 2006 wird von einem Thema beherrscht: dem Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde.

Pascal Lamy stellte fest, dass eine Angleichung der Erwartungen im Vorfeld der im kommenden Monat in Hongkong stattfindenden Ministerkonferenz nicht bedeutet, dass wir unsere ehrgeizigen Ziele für die Doha-Entwicklungsrunde zurückschrauben. Dem stimme ich zu. Die Runde ist wichtig für die Öffnung der Märkte und die Förderung des freien Handels. In der Europäischen Union kurbelt eine starke Exporttätigkeit unser Wachstum an. Wir sind an einem erfolgreichen Abschluss der Runde interessiert. Deshalb haben wir unlängst unser an Bedingungen geknüpftes Angebot – und ich betone das Wort „Bedingungen“ – im Bereich Agrarwirtschaft unterbreitet. Niemand hat sich so intensiv um die erfolgreiche Fortsetzung der Doha-Runde bemüht wie Europa. Wir tun dies auch weiterhin, aber jetzt müssen sich auch andere bewegen.

Im Mittelpunkt der Runde muss mehr stehen als die Agrarwirtschaft, so wichtig sie auch sein mag. Es gilt, das richtige Maß zu finden. Deshalb fordere ich unsere WTO-Partner auf, sich an umfassenden Verhandlungen zu beteiligen, die auch Waren und Dienstleistungen einschließen. Europa braucht keine Belehrungen von Ländern, die den Ärmsten der Armen Zugang zu ihren Märkten verweigern und in einigen Fällen höhere Zölle für Agrarprodukte erheben als wir selbst. Ich akzeptiere nicht, dass einige Leute wegen dieser Runde Europa die Schuld geben.

Wir in der Europäischen Kommission glauben, dass diese Verhandlungen nicht einfach zugunsten einiger großer Agrarexporteure in sehr reichen oder sich rasch entwickelnden Ländern geführt werden können. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den ärmsten Entwicklungsländern und solchen, die sich rasch entwickeln. Es ist an der Zeit, mit den Belehrungen aufzuhören und mit den Verhandlungen zu beginnen.

Ein Scheitern hätte einen hohen Preis, und zwar nicht nur für alle Handelsnationen, sondern auch für das faire, festen Regeln folgende internationale Handelssystem, das wir mit so viel Mühe aufgebaut haben, wie auch für die weltweiten Konjunkturerwartungen. Die Weltwirtschaft braucht vor allem wegen der hohen Energiepreise einige positive Nachrichten. Ein erfolgreicher Abschluss dieser Runde liegt also in unserem Interesse, aber nicht allein in unserem Interesse, sondern vor allem im Interesse der ärmsten Länder. Deshalb wird sich die Kommission im Vorfeld von Hongkong dazu äußern, wie wir dafür sorgen können, dass dies wirklich eine Entwicklungsrunde ist.

Morgen werden wir über die Umsetzung der Beschlüsse des Gipfels in Hampton Court sprechen. Der neue Konsens, der sich dort herauszubilden begann, hat auch etwas mit der heutigen Aussprache zu tun. Die von der Kommission vorgenommene Analyse der Frage, wie unsere Werte in einer globalisierten Welt zu schützen sind, hat sich auf dem informellen Gipfel bestätigt. Wenn wir unsere Werte erhalten wollen, müssen wir unsere Politik modernisieren.

Wir konnten eine Einigung zu den Bereichen erzielen, in denen Europa den Ton angeben soll, und zwar in Wissenschaft und Innovation, im Hochschulbereich, im Energiesektor, beim Grenzschutz und bei der Einwanderung. Europa muss auf internationaler Ebene verstärkt mit einer Stimme sprechen. Viele interne Politikbereiche der Gemeinschaft wie Umwelt, Migration, Verkehr, Energie und andere verfügen inzwischen über eine externe Komponente. Deshalb wird die Kommission im nächsten Jahr Vorschläge zur besseren Abstimmung der außenpolitischen Maßnahmen der Europäischen Union vorlegen. Wir erarbeiten derzeit eine Konzeption dazu.

Die europäischen Institutionen müssen in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen, einen Konsens erarbeiten und Bürgernähe herstellen. Deshalb habe ich heute angekündigt, dass die Kommission 2006 eine neue, wahrhaft europäische Energiepolitik vorschlagen wird. Es ist erfreulich, dass die Menschen in allen Bereichen der Europäischen Union inzwischen verstehen, dass Alleingänge bei der Bewältigung der Probleme im Energiesektor wenig sinnvoll erscheinen. Selbst die größten Zweifler erkennen jetzt, dass wir es hier mit einem europäischen Problem zu tun haben und dass wir alle vor den gleichen Herausforderungen stehen, zu denen steigende Preise, schrumpfende Vorräte, eine zunehmende Abhängigkeit von wenigen Teilen der Welt sowie die Notwendigkeit, unsere Umwelt zu schützen, zählen. Wir brauchen eine koordinierte Energiepolitik für das 21. Jahrhundert, damit wir all diese Probleme und Möglichkeiten mit Bedacht und Entschlossenheit angehen können.

Wir vergessen häufig, was für eine bemerkenswerte Leistung die europäische Integration darstellt. Es wird nur allzu leicht übersehen, dass eine der Leistungen des Jahres 2005 darin bestand, dafür zu sorgen, dass die erweiterte Europäische Union funktioniert, und das ist vor allem auch das Verdienst der neuen Mitgliedstaaten. Ich denke, dass wir 2006 noch mehr erreichen können und werden. Sehr oft wird vergessen, dass Europa kein Mini-Europa ist. Heute besteht Europa aus 25 freien und unabhängigen Mitgliedstaaten, die in Frieden und Demokratie leben. Die Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass dieses erweiterte Europa als Ganzes funktioniert. Wir haben in diesem Jahr maßgeblich zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Aufgabe beigetragen.

Ende dieser Woche werde ich nach Prag und Budapest reisen, um diese neue erweiterte Europäische Union zu besuchen und zu unterstützen. Ich bin zuversichtlich, weil immer mehr Menschen begreifen, dass die endlosen Debatten über Erweiterung oder Vertiefung und über Markt oder soziale Sicherung nicht weiterführen und weil selbst inmitten der derzeitigen Schwierigkeiten die Erkenntnis wächst, dass wir eine stärker auf Europa ausgerichtete Dimension brauchen, wenn wir die Probleme lösen wollen.

Es bildet sich ein dahingehender Konsens heraus, dass es in einem mächtigen, dynamischen Europa nicht 25 Mini-Dienstleistungsmärkte oder 25 Mini-Energiemärkte geben kann, sondern dass der Binnenmarkt ein mächtiges, dynamisches politisches und soziales Europa erfordert. Der Markt allein reicht nicht aus. Mit dem Markt allein lassen sich keine Lösungen für Probleme wie die Flugsicherheit, die globale Erwärmung oder die Integration von Zuwanderern finden.

Ja, es geht um ein pragmatisches Europa, aber um einen mit Grundsätzen versehenen Pragmatismus, es geht um einen echten Zugewinn in Bereichen, in denen wir etwas bewirken können. Es geht darum, Handlungskonzepte zu gestalten, die eine Antwort auf die Globalisierung darstellen und den Herausforderungen und Chancen unserer alternden Bevölkerung gerecht werden, es geht um ein Europa, das Teil der Lösung ist und nicht Teil des Problems.

Ich sehe eine Parallele zu Maßnahmen in Verbindung mit der Zeit der Reflexion, an denen Sie als Abgeordnete des Europäischen Parlaments intensiv beteiligt sind. Wir als Institutionen müssen zeigen, dass wir den Bürgern aufmerksam zuhören, dass wir auf ihre Sorgen eingehen. Deshalb werden wir den Plan D für Dialog und Demokratie umsetzen, und dabei zählen wir auf die offene Zusammenarbeit mit dem Parlament.

Ich habe mir die vielleicht wichtigste Information über das Arbeitsprogramm für 2006 bis zum Schluss aufgehoben. Die Pläne für 2006 sind wenig wert, wenn es uns nicht gelingt, nächsten Monat eine Einigung zur Finanziellen Vorausschau zu erzielen. Diese Einigung ist die Nagelprobe dafür, ob sich Europa wirklich bewegt. Wie können wir unseren Bürgern Wohlstand, Solidarität und Sicherheit bieten, wenn uns nicht die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen? Eine Einigung zur Finanziellen Vorausschau ist der Schlüssel dafür, dass wir das Potenzial der EU 2006 freisetzen können. Eine erweiterte und vielgestaltigere Europäische Union braucht größere Investitionen. Es ist unsere Pflicht, uns gegenüber den neuen Mitgliedstaaten, die von der Europäischen Union Unterstützung für ihre raschen und bemerkenswerten Fortschritte bei der Modernisierung und Reformierung erwarten, solidarisch zu verhalten.

Die Lasten müssen gerecht verteilt werden. Kein Mitgliedstaat kann die Erweiterung ohne größeren finanziellen Aufwand bewältigen. Ich vertraue auf die Vernunft des britischen Ratsvorsitzes und gehe davon aus, dass er uns im kommenden Monat eine ausgewogene Einigung vorlegen wird. Ich hoffe, dass er dabei die von der Kommission und vom Parlament für ein erweitertes Europa verfolgten Ziele stärkt und nicht verwässert. Ich hoffe und glaube, dass die Vorschläge, die ich Ihnen letzten Monat vorgelegt habe, dazu beitragen werden, das Verhandlungspatt zu überwinden.

Ich möchte Sie heute dazu aufrufen, dass wir 2006 diesen neuen Konsens festigen und weiter ausbauen, dass wir diese kollektive Zielstrebigkeit wieder herstellen, die Europa wieder auf die Beine helfen wird; ein geeintes Europa, das sich gemeinsam für die Belange einsetzt, die unseren Bürgern am meisten am Herzen liegen. Meines Erachtens stellt das die bestmögliche Antwort auf die Ablehnung der Verfassung vor einigen Monaten dar. Gleichzeitig bildet dies den Kern des Programms der Kommission für das zweite Jahr unserer Partnerschaft. Ich hoffe, ich kann auf Ihre aktive Unterstützung zählen. Ich kann mir kein besseres Signal denken, um unseren Bürgern deutlich zu machen, dass sich Europa für ihre Interessen einsetzt.

(Beifall)

 
  
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  Françoise Grossetête, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissionspräsident! Das von Ihnen vorgestellte Programm enthält wesentliche Prioritäten wie Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit, Binnenmarkt, und wir unterstreichen unseren Willen, die Ziele von Lissabon in die Tat umzusetzen. Hierzu bedarf es allerdings der entsprechenden Mittel. Ich fürchte nun aber, dass es an der Ambition fehlt, die Erwartungen eines Europas in der Krise zu erfüllen.

Ihre Methodologie des Plans D, für Demokratie, Dialog und Debatte, ist ebenfalls interessant, vorausgesetzt, er wird nicht zu einem Plan der Demagogie oder der Enttäuschung. Denn in diesem Plan D fehlt etwas, nämlich die Entschlossenheit, Ihre Entschlossenheit, konkrete Lösungen zu finden. Was mich beschäftigt, Herr Präsident, ist die Frage, welche Arbeitsplätze wir in Europa in fünf Jahren haben werden. Nicht nur Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, sondern auch in der Industrie. Welche Arbeitsplätze werden wir in Europa in fünf Jahren noch haben?

Wachstum, Beschäftigung, Sicherheit, das sind die drei Pfeiler, auf denen Europa seine Politik aufbauen muss. Aber hierfür brauchen wir in Ermangelung einer Verfassung eine politische Initiative, die den Rat, die Kommission, das Parlament zusammenführt, um die notwendigen Maßnahmen für das Funktionieren der europäischen Institutionen wirksam werden zu lassen. Auf keinen Fall kann es darum gehen, sich über das Ergebnis der Volksbefragungen hinwegzusetzen. Im Gegenteil. Sie wissen, dass die künftigen Erweiterungen sehr viele Europäer beunruhigen. Wenngleich Europa unbestreitbar die Anstrengungen unserer nächsten Nachbarn in Richtung Demokratie begleiten muss, dürfen Sie doch nicht den Eindruck erwecken, zu schnell voranzugehen und unaufhörlich erweitern zu wollen, während Sie weder das Problem unserer Institutionen noch das der Finanzen Europas gelöst haben.

Herr Präsident, wir bekunden erneut unsere Ambition, auf eine starke Europäische Kommission setzen zu können. Wir werden an Ihrer Seite stehen, aber Sie müssen uns besser zuhören. Der Rat ist nicht Ihr einziger Gesprächspartner. Im Übrigen wäre es sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen der Präsidentschaft der Europäischen Union und unserem Hause zu verstärken.

Anlässlich des jüngsten Gipfeltreffens in Hampton Court hat der Rat Sie ersucht, in Fragen der Migration und der inneren Sicherheit einen neuen Impuls auszusenden. Wir freuen uns über diese Initiative, weil der Rat bislang die von unserem Hause geforderte justizielle Zusammenarbeit eher gebremst hat. Diese Fragen der inneren Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus dürfen nicht ausschließlich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit vorbehalten bleiben. Deshalb erwarten wir starke einschlägige Initiativen und fordern auch eine vollständige Überprüfung der Schutzmaßnahmen für das Internet, die es ermöglichen sollen, eine Cybersicherheit zu schaffen, ohne jedoch die Freiheit des Internets einzuschränken.

„Better regulation“ soll nicht heißen: „nichts tun“, sondern „es besser tun“, die Intervention der Europäischen Union zielgerichteter einsetzen. Bevor man einen Vorschlag macht, muss man darüber nachdenken, wo die Pluspunkte Europas liegen. Das ist unter anderem wichtig für die Forschungsförderung. So begrüßen wir die Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts. Dieses Plus besteht auch darin, über die korrekte Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften zu wachen. Jeder Kommissar sollte vierteljährlich eine klare und präzise Bestandsaufnahme veröffentlichen. Überprüfungsbedarf gibt es auch beim Komitologie-Verfahren, und wir wünschen uns ebenfalls, stärker in den unerlässlichen Prozess zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften eingebunden zu werden. Die Kommission will sich den Problemen der Europäer von heute, aber auch den Herausforderungen von morgen widmen.

Für besonderes wichtig halte ich zwei Aspekte. Da sind erstens die Demografie und die Alterung der Bevölkerung. Diesbezüglich gilt es günstigere Rahmenbedingungen für die Familie zu schaffen. Obwohl hier die Mitgliedstaaten zuständig sind, kann die Union versuchen, die besten Initiativen innerhalb der 25 Mitgliedstaaten zusammenzufassen, und effiziente Lösungen auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik vorschlagen.

Der andere Aspekt ist die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und insbesondere der Impuls für die Energiepolitik. Der Vorschlag eines Aktionsplans zur Energieeffizienz sowie zum Projekt eines Grünbuchs mit dem Ziel der Gewährleistung sicherer, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger Energieträger geht in die richtige Richtung. Wir werden darüber wachen, dass diese Ziele, in die Tat umgesetzt werden, vor allem im Bereich der Entwicklung von Biotreibstoffen und der Binnenschifffahrt.

Schließlich wird Europa umso stärker sein je größer sein Gewicht in den internationalen Verhandlungen ist. Wir wissen, dass wir von der Ministertagung in Hongkong nicht viel zu erhoffen haben, aber wir fordern Sie auf, die im Jahr 2003 beschlossene Reform der GAP nicht in Frage zu stellen und stets eine multifunktionelle Landwirtschaft zu unterstützen. Jedoch werden unsere Zukunftsperspektiven null und nichtig sein, wenn wir nicht bis Ende des Jahres eine Finanzielle Vorausschau haben. Wie soll man sich die Funktionsweise mit jährlichen Budgets vorstellen? Sie selbst haben gesagt, Herr Präsident, dass das Jahr 2006 wesentlich sein wird, um auf Worte konkrete Taten folgen zu lassen. Sie wissen, dass zahlreiche Projekte auf diesen Haushalt warten. Das Parlament hat mit dem Bericht Böge seine Arbeit getan. Nun ist es an Ihnen, auf die britische Präsidentschaft einzuwirken, dass sie Europa aus diesem Engpass herausführt.

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, liebe Kommissarinnen und Kommissare! Vieles von dem, was im Programm steht und was Präsident Barroso heute gesagt hat, können wir sicherlich unterstützen, insbesondere – und ich möchte diesen Punkt von Enrique Barón Crespo aufgreifen – die Versuche von Kommissar Mandelson, eine ausgeglichene Verhandlungsrunde in Hongkong zustande zu bringen. Trotz seiner Skepsis hoffe ich doch, dass wir dies zustande bringen.

Herr Präsident, Sie sagen in Ihrem Programm, das ein sehr ambitioniertes Programm ist, dass Sie das ganze Potenzial Europas freisetzen wollen. Aufgrund der Überlegungen unserer Fraktion glaube ich allerdings, dass darin einige wesentliche Punkte fehlen.

Ich möchte mit den Unruhen in den französischen Städten beginnen. Sicherlich sind das französische Ereignisse. Aber dahinter liegen doch tiefere Ursachen. Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum wir als Fraktion immer darauf hingewiesen haben, wie wichtig der soziale Zusammenhalt ist, denn dort wo Arbeitslosigkeit, Mangel an Integration, Isolation und Diskriminierung herrschen, kann es leicht zu solchen Unruhen kommen. Was diesbezüglich im Programm auch eindeutig fehlt, ist eine klare Aussage zur Bedeutung öffentlicher Dienstleistungen. Gerade in den Städten sind sie besonders wichtig, um zum Beispiel auch denen, die weniger Chancen haben, entgegenzukommen und ihnen zu helfen.

Ein zweites Kapitel, das Sie angesprochen haben, Herr Kommissionspräsident, ist die Energiefrage. Ich schätze den Herrn Energiekommissar sehr und arbeite gut mit ihm zusammen. Aber wir haben schon des Öfteren darauf hingewiesen, wie wichtig es angesichts der Entwicklungen ist, dass die gesamte Kommission sich klar zu einer alternativen Energiepolitik bekennt. Es wäre außerdem wichtig, Herr Kommissionspräsident, dass Sie das, was in Amerika fast durchwegs praktiziert wird, auch in Europa aufgreifen, nämlich die großen Konzerne dazu verpflichten, wenigstens einen Teil ihrer horrenden Gewinne dazu zu verwenden, um verstärkt in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wir sind neugierig auf das Grünbuch, das schon längst vorliegen sollte. Wir werden jedenfalls eine sehr heftige und ernsthafte Debatte dazu führen.

Drittens das Forschungspotenzial: Wir müssen das Forschungspotenzial wecken. Wir diskutieren jetzt das Siebte Forschungsrahmenprogramm. Aber gibt es innerhalb der Kommission auch eine Umsetzungskonzeption? Das European Institute of Technology ist beispielsweise in Ihrem Programm nur sehr vage und vorsichtig erwähnt. Sie müssen hier mit mehr Mut und Entschlossenheit auftreten und auch ein Konzept der europäischen Universitäten präsentieren. Wir müssen aufhören, Amerika durch den Export junger Forscher nach Amerika zu subventionieren. Wir bilden sie aus und lassen sie dann nach Amerika gehen, weil sie in Europa zu wenig Chancen haben. Wir brauchen auch ein Konzept, um vor allem Klein- und Mittelbetrieben besseren Zugang zu den Forschungsmitteln zu gewähren. Auch das ist absolut notwendig.

Was das Thema „bessere Rechtsetzung“ betrifft, so gebe ich Ihnen Recht. Wir müssen zu besseren Gesetzgebungsverfahren kommen. Das liegt im Interesse vieler großer Unternehmen, im Interesse der Klein- und Mittelbetriebe, aber auch im Interesse des einzelnen Bürgers. Wir unterstützen den Plan der Frau Vizepräsidentin. Aber bessere Rechtsetzung ist auch eine Aufgabe für uns, das Parlament. Wir müssen dem Bürger viel stärker denn je jede einzelne Gesetzesinitiative erklären, begründen und rechtfertigen. Wir müssen mit der notwendigen Sensibilität vorgehen. Wir müssen zielorientierter handeln. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass die Kommission die Gesetzmäßigkeit im Sinne der einzelnen Maßnahmen überprüft, sondern darauf, ob die Länder die Ziele, die jeweils mit der europäischen Gesetzgebung verbunden sind, auch erfüllen können.

Zur Frage des Sozialen: Sie haben mit Recht darauf hingewiesen. Nur wird in dem Programm viel zu wenig deutlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung mit der sozialen Entwicklung Hand in Hand gehen muss. Hier würde ich mir wünschen, dass Sie im nächsten Jahr seitens der Kommission einen Bericht über die Fortschritte bei der Erweiterung vorlegen. Ich möchte das Thema Erweiterung – vielleicht in einem etwas anderen Sinn – aufgreifen. Viele Bürger sind skeptisch. Aber viele Bürgerinnen und Bürger in den alten Ländern haben den Eindruck, dass die Erweiterung dem Herabnivellieren sozialer Standards und der Steuern dient. Wenn ich mir die Debatte anschaue, die wir mit Ihnen, Herr Präsident und mit Kommissar McCreevy geführt haben, dann glaube ich nicht, dass wir genügend vermitteln konnten, wie wichtig uns diese soziale Frage ist. Und wenn ich jetzt im Zentralorgan der Kommission, in der Financial Times, lese, dass Herr McCreevy absolut gegen die Steuerharmonisierung ist, so frage ich mich: Ist es tatsächlich unser Ziel, dass wir unsere direkten Steuern immer weiter senken und unsere sozialen und sonstigen Infrastrukturleistungen nicht finanzieren können? Ist es unser Ziel, dass wir das gemeinsame Europa auf einem viel niedrigeren sozialen Standard erreichen? Unser Ziel muss sein, dass wir – die alten und die neuen Länder gemeinsam – ein soziales Europa erreichen. Ich wünsche mir, dass die Kommission nächstes Jahr einen Bericht dazu vorlegt.

Die Financial Times hat vor kurzem geschrieben, dass viele Staatsmänner großer Länder – Schröder, Chirac, Blair – in den nächsten Jahren abtreten werden. In Polen haben wir eine völlig neue Regierung. Die Kommission muss in dieser Zeit, in der neue Regierungen und neue Regierungschefs kommen, die mit Europa vielleicht nicht so vertraut sind, eine Führungsrolle in diesem Europa übernehmen, sonst geht der europäische Gedanke immer mehr verloren. Wenn Sie diese Führungsrolle übernehmen, werden wir Sie unterstützen, aber bitte übernehmen Sie eine Führungsrolle im Sinne eines sozialen Europas!

 
  
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  Silvana Koch-Mehrin, im Namen der ALDE-Fraktion. Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, verehrte Kommissarinnen und Kommissare! Das Arbeitsprogramm für 2006 ist nicht irgendein Programm. Es muss ein Programm sein, das die EU wieder für jeden Bürger sichtbar, und zwar positiv sichtbar macht.

Das Glaubwürdigkeits- und Akzeptanzproblem der EU mag nicht mehr in den Schlagzeilen zu findensein, aber es besteht natürlich immer noch und es kann jederzeit wieder in die Schlagzeilen zurückkommen. Es ist bei weitem nicht überwunden. Deshalb ist die Herausforderung für die EU umso größer: Ihre Politik muss zeigen, dass sie sich für die Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich lohnt. Das erreicht man durch nachvollziehbare Politik, die Ergebnisse zeitigt, und zwar möglichst gute Ergebnisse. Das bedeutet dann nicht, möglichst viel Gesetzgebung mit möglichst weit reichenden Auswirkungen für einen möglichst großen Bevölkerungskreis zu produzieren. Nein, Grundthema der gemeinsamen europäischen Politik muss immer sein: Wie können wir Europa an die Spitze bringen?

Der Titel des Arbeitsprogramms, „Das ganze Potenzial Europas freisetzen“, ist da genau richtig. Das war übrigens das Wahlprogramm der Liberalen im Jahr 2004, und ich freue mich, dass Sie das aufgegriffen haben. Deswegen begrüße ich auch, dass das Arbeitsprogramm in Zusammenarbeit mit den Ausschüssen des Parlaments erstellt wurde. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein gemeinsames Programm aller EU-Institutionen aufzustellen. Alles andere ist nämlich Stückwerk und den Bürgern gegenüber gar nicht mehr zu vertreten.

Die vier zentralen Bereiche – sie wurden ja schon genannt – sind durchaus richtig. Demnach ist er Anspruch, diese Politik auch bürgernah zu gestalten, immer noch sehr weit davon entfernt, erfüllt zu werden. Struktur und Inhalt des Arbeitsprogramms erfüllen leider diese Anforderung der Bürgernähe nicht. Es ist jedenfalls nicht better regulation, wenn die beiden Teile, die vorgestellt werden, gar nichts miteinander zu tun haben und es deshalb keinen Zusammenhang in diesem Programm gibt.

Herr Barroso, ich möchte einige Bereiche, die uns Liberalen und Demokraten besonders wichtig sind, herausgreifen. Dass die Lissabon-Agenda die größte Priorität bekommt, ist sehr gut. Mit konsequenter Politik für Bildung, Forschung und Wachstum werden weitere Arbeitsplätze geschaffen und die EU wird dadurch wettbewerbsfähig werden. Dazu gehört natürlich auch, den gemeinsamen Markt für Dienstleistungen, auch für Finanzdienstleistungen, tatsächlich herzustellen. Wichtig ist auch, die Reform der Agrarpolitik ehrgeizig weiter voranzutreiben, z. B. indem dort mehr in landwirtschaftliche Forschung und Technologie umgeschichtet wird.

Im Bereich der inneren Sicherheit muss aus unserer Sicht zwei Aspekten gleich starke Bedeutung zukommen, nämlich dem Bedürfnis der Sicherheit und dem Respekt der Freiheiten. Es wird nämlich nicht mehr Sicherheit erreicht und auch der Terrorismus nicht besiegt werden, wenn genau die Freiheitsrechte der EU beschnitten werden, die der Terrorismus ja bekämpft.

Herr Barroso, verehrte Kommissarinnen und Kommissare, Europa ist das weltweit einzigartige Modell dafür, dass dauerhaft Frieden zwischen einst verfeindeten Ländern geschaffen wird. Europa ist auch einzigartig im friedlichen Export von Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechten. Das ist großartig, aber gerade um erfolgreich zu bleiben, muss es eine gemeinsame Richtung vorgeben. Wohin will Europa weitergehen? Unsere Verpflichtung als europäischer Gesetzgeber ist es daher, verständliche, verlässliche und prompte Antworten zu finden. Das muss unser tägliches Handwerkszeug und unsere tägliche Arbeit sein. Das müssen wir in den kommenden Wochen schon einmal exemplarisch für dieses Arbeitsprogramm für 2006 gemeinsam erreichen.

Allerdings müssen wir darüber hinaus einen gemeinsamen Traum formulieren, der uns Europäer eint. Victor Hugo sagte einmal: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Eine solche Idee war und ist Europa. Das Arbeitsprogramm kann ein Mosaikstein dieser Idee sein. Es muss allerdings passen für ein Europa, das nach vorne will und vor allem stärker sein will.

 
  
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  Pierre Jonckheer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren Kommissare! Wenn ich Ihnen zuhöre, Herr Barroso, und die Texte der Kommission lese, drängt sich mir als erstes das Gefühl auf, Ihnen viel Erfolg zu wünschen, und den wünsche ich uns allen, denn bei jedem der Projekte hat das Parlament natürlich ein Wort mitzureden und mit zu entscheiden. Die Worte „Wohlstand, Solidarität, Sicherheit“ klingen aus Ihrem Munde gut. Es gibt noch weitere Dreiklänge: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. In der Charta der Grundrechte findet man auch die Begriffe Würde und Gerechtigkeit. Was jedoch fehlt, ist der Begriff der Nachhaltigkeit. Ich selbst habe mir gesagt: auf Englisch sustainable, das klingt gut. Das französische Wort „soutenabilité“ klingt schon weniger gut, und das Wort „durabilité“, wie es auch heißt, noch weniger. Vielleicht könnte ein anderes Triptychon lauten: leben, mobil sein und lieben. Das nur als Vorschlag!

Nun aber ernsthaft, was hat Vorrang? Wenn man Ihnen zuhört, und redegewandt sind Sie ja, sagt man sich: „Er hat Recht“. Irgendetwas fehlt jedoch, und meine Fraktion verspürt immer ein gewisses Unbehagen. Dieses Unbehagen würde – lassen Sie mich noch ein Bild verwenden – wirklich verschwinden, wenn die von Ihnen für Dezember angekündigte Strategie der nachhaltigen Entwicklung sich nicht als das Stiefkind von Papa Barroso erweisen würde. Denn wissen Sie, dieses Bild mit Ihren drei Kindern ist in unser Gedächtnis eingegraben. Ich möchte versuchen, mich verständlich zu machen: Sie beziehen sich unablässig auf die amerikanische Wirtschaft, aber wissen Sie auch, dass die ökologische Belastung der amerikanischen Wirtschaft das Sechsfache dessen ausmacht, was der Planet ertragen kann? Und dass für die europäischen Wirtschaften diese Belastung zwischen drei und vier Mal schwankt? Das ergibt sich aus einer Studie des World Wide Fund, und es wäre interessant, wenn uns die Kommission im Rahmen dieser Strategie der nachhaltigen Entwicklung sagte, ob sie diese Feststellung anerkennt und ob sie daraus irgendwelche Schlussfolgerungen hinsichtlich der europäischen öffentlichen Politik zieht.

Was die Frage der Unternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit betrifft, so sind die Umweltschützer absolut überzeugt, dass die Unternehmen nicht nur die wichtigsten, sondern die entscheidenden Akteure der nachhaltigen Entwicklung sind. Und deshalb besteht meine Fraktion sowie das Europäische Parlament, wohl wissend, dass die Unternehmen zwischen ihrer Verpflichtung, ihren Aktionären alle drei Monate Bericht zu erstatten, und der Notwendigkeit, Strategien für nachhaltige Entwicklung und langfristige Investitionen auszuarbeiten, hin und hergerissen sind, stets auf der Notwendigkeit, bezifferte Ziele festzulegen. So wollen wir 20 % bis 25 % erneuerbare Energie bis 2020 und wir wollen Autos, die 2,5 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, ebenfalls bis 2020, denn 70 % des Ölverbrauchs in der Europäischen Union fließen in den Verkehr.

Was die wirtschaftliche und soziale Frage betrifft, so wäre es klug, Herr Barroso, die Bürger davon zu überzeugen, dass der Europäische Binnenmarkt sich nicht auf der Basis von Sozialdumping errichten lässt. Teilen Sie bereits jetzt mit – Sie werden damit Ihre Befugnisse nicht überschreiten -, dass der von Frau Gebhardt vorgeschlagene Kompromiss zum Ursprungslandsprinzip der Kommission zusagen könnte. Teilen Sie auch den neuen Mitgliedstaaten und vor allem den Regierungen mit, dass die Restriktionsklauseln hinsichtlich des Arbeitsrechts aller EU-Bürger zu nichts gut sind, dass sie inakzeptabel sind und zum 1. Mai 2006 aufgehoben werden können.

Soweit einige Anregungen, die ich Ihnen unterbreiten wollte. Ich habe keine Zeit, dies weiter auszuführen, aber wenn Sie möchten, könnte ich Ihnen in einem anderen Rahmen dazu etwas sagen.

 
  
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  Roberto Musacchio, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Barroso, meine Damen und Herren! Zu Beginn der Wahlperiode sagte ich hier im Plenum, dieses Parlament sei aus Wahlen hervorgegangen, in denen alle Regierungsparteien eine Niederlage hinnehmen mussten – angefangen bei denen Ihres Landes, Herr Barroso, nämlich Portugal.

Das war das Zeichen für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise, die sich auch auf die europäische Politik bzw. die liberalistische Politik bezog. Es hätte eines Rucks bedurft, der jedoch nicht stattfand – nicht einmal nach dem Ausgang der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden, bei denen der Verfassungsvertrag abgelehnt wurde. Vielmehr war man versucht, das Volk abzuschreiben, anstatt die Politik zu ändern.

Dann übernahm Herr Blair die Ratspräsidentschaft, der sich als Antwort auf die Probleme Europas darstellt, während er doch offenkundig selbst Teil dieser Probleme ist. Seine Ratspräsidentschaft neigt sich nämlich ihrem Ende zu und es wurde noch nicht einmal eine Einigung über den Haushaltsplan erzielt. Das ist eine Niederlage, für die Sie, Herr Barroso, neben Herrn Blair mitverantwortlich sind, denn Sie und Ihre Kommission haben bei allen sich gegenwärtig vollziehenden Krisenprozessen assistiert und sie letztendlich sogar noch verschärft.

Was sollen wir zu Ihren jüngsten Empfehlungen sagen, als Sie von einer Vereinfachung sprachen, die faktisch bedeuten würde, nicht etwa Gutes wie die REACH-Richtlinie, sondern Schlechtes wie die Bolkestein-Richtlinie zu tun? Das Problem ist, dass der Liberalisierungskurs Europa auf ein totes Gleis führen wird. Das Problem ist nicht Europa, nicht die Erweiterung oder die Türkei, sondern die Liberalisierung, und heute haben Sie uns erneut den Kurs hin zu diesem Abstellgleis vorgeschlagen.

Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes. Es gilt, einen Plan zur Wiederbelebung einer qualifizierten Entwicklung und eines sozialen Zusammenhalts aufzustellen, mit dem das Europäische Sozialmodell wieder als Alternative zum nordamerikanischen Modell und nicht als dessen schlechte Kopie propagiert werden kann.

Um dies zu tun, brauchen wir einen robusteren, keinen rudimentären Haushalt, brauchen wir ein Vorschriftenpaket zur Förderung einer Harmonisierung nach oben, und kein Sozialdumping wie mit der Bolkestein-Richtlinie.

Wir brauchen eine Kooperation innerhalb Europas sowie mit anderen Ländern, um einer qualifizierten Entwicklung neue Impulse zu verleihen, und keinen irrsinnigen Wettbewerb und keine in den Untergang führende Diktatur der WTO. Innovation und Umwelt müssen an die erste Stelle gerückt werden, und nicht die absurde und verheerende Wiederbelebung der Kernenergie. Wir brauchen Verkehrsnetze, die die Rücksichtnahme auf die Umwelt fördern, anstatt ihrer Zerstörung Vorschub zu leisten.

Es gilt, den Zuwanderern die Staatsbürgerschaft zu verleihen und dafür Sorge zu tragen, dass es nicht wieder zu solchen Vorfällen wie in Lampedusa oder Melilla kommt. Es ist erforderlich, Demokratie zu gewährleisten, und keine so genannten Sicherheitspakete, die demokratische Rechte verletzen und selbst vom britischen Parlament abgelehnt wurden. Man muss sich für den Frieden, nicht für den Krieg entscheiden. Es gilt, einem demokratischen Parlament den Vorzug zu geben, und nicht einer weiteren bürokratischen Macht.

Und schließlich sind linke Regierungen vonnöten, die den Blick auf die Veränderung und nicht auf große Koalitionen richten, die indiskutabel sind. Wir treten für eine alternative europäische Linke ein, die sich einer europäischen Gesellschaft, die sie verändern will, immer enger verbunden fühlt.

 
  
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  Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich beglückwünsche Herrn Barroso zu diesem bemerkenswerten Dokument. Herr Barroso, Sie haben sich in Ihrem beharrlichen Streben nach Schaffung eines europäischen Einheitsstaates durch so lästige Details wie die Ergebnisse der Volksentscheide in Frankreich und den Niederlanden nicht beirren lassen. Ich dachte mir, dass vielleicht Herrn Blairs Initiative zur Eindämmung der Bürokratie und Aufhebung überflüssiger Rechtsakte ihren Eifer ein wenig bremsen könnte; aber nein, Sie haben unbeirrt das ehrgeizigste Arbeitsprogramm in der Geschichte der Europäischen Union vorgelegt. Wirklich schade, dass sich der britische Ratsvorsitz heute Morgen nicht blicken ließ, um ihren Ausführungen zu lauschen.

Neben erweiterten Befugnissen im Bereich Justiz und Inneres, einer einheitlichen Visagestaltung und diversen anderen Themen bis hin zu Regelungen für Kinderspielzeug ist davon die Rede, dass es für den Haushalt angemessene Audit- und Kontrollsysteme geben muss. Und das in der gleichen Woche, in der es der Rechnungshof zum elften Mal in Folge ablehnt, Ihren Rechnungsabschluss abzusegnen. Sie haben wirklich Nerven!

Sie haben bei der Verfassung den Kürzeren gezogen, und jetzt missachten Sie das Votum der Wähler in Frankreich und den Niederlanden. Viele Franzosen haben sicher gedacht, dass sie mit ihrem Nein den Strom der europäischen Bürokratie aufhalten können. Aber so wie sich 1940 ihr Vertrauen in die Maginot-Linie als trügerisch erwies, so werden sie auch jetzt von den Feinden freier, unabhängiger Staaten durch Umgehungsmanöver getäuscht und vollständig überrollt.

Sie haben mit diesem Arbeitsprogramm bewiesen, dass Sie nichts gelernt haben und dass Sie einfach nicht begreifen wollen.

(Beifall von der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie)

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich möchte Präsident Barroso und der gesamten Kommission dafür danken, dass sie heute Vormittag zu uns gekommen sind. Es ist wirklich schade, dass das Parlament nicht mit einer ähnlich vorbildlichen Anwesenheit aufwarten kann.

Bei der Beurteilung des Arbeitsprogramms muss vor allem geprüft werden, inwiefern die darin enthaltenen Vorstellungen und Vorschläge den derzeitigen Bedürfnissen der Bürger in der Europäischen Union entsprechen.

Ich möchte kurz auf ein oder zwei Punkte eingehen, die Präsident Barroso in seinem Beitrag angesprochen hat. Er erwähnte zu Recht die Bedeutung der Doha-Runde und die Auswirkungen, die sie nicht nur innerhalb von Europa, sondern weltweit auf die Steigerung des Handels und die Verbesserung einzelner Aspekte der sozialen Gerechtigkeit haben wird, wobei von einem umfassenden Paket der sozialen Gerechtigkeit keine Rede sein kann. Doch trotz der Zusicherungen von Präsident Barroso bereiten mir die Versuche von Mitgliedern der Kommission und dieses Parlaments, den europäischen Landwirten im Vorfeld der Gespräche von Hongkong noch mehr abzufordern, einige Kopfschmerzen. Die Landwirte werden aufgefordert, weitere Kürzungen hinzunehmen und Opfer zu bringen, obwohl man ihnen gesagt hatte, dass die Reform von 1999 die definitive Regelung zur GAP sei. 2003 und 2004 teilte man ihnen dann mit, dass in Anbetracht der bevorstehenden Gespräche im Rahmen der Welthandelsorganisation weitere Anpassungen erforderlich seien. Plötzlich stellen wir fest, dass weitere Forderungen an den europäischen Agrarsektor gestellt werden. Wenn wir wollen, dass sich der Agrarsektor in der Europäischen Union auch künftig nachhaltig und rentabel entwickeln soll, dann können diese Forderungen nicht erfüllt werden. Es geht hier nicht nur um den Schutz der Interessen der Landwirte, sondern dies betrifft ganz eindeutig auch Fragen der Ernährungs- und Versorgungssicherheit sowie den Standard und die Qualität unserer Lebensmittel. Zudem gilt es zu gewährleisten, dass die biologische Vielfalt und die verfügbaren Alternativen in den ländlichen Gebieten Europas erhalten werden.

Ich komme jetzt zu den verschiedenen Vorschlägen des Arbeitsprogramms und begrüße in diesem Zusammenhang die Initiativen, die im Zusammenhang mit einer Mitteilung zu den Rechten der Kinder ergriffen werden. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union die Rechte der Kinder ernst nimmt, machen sie doch über 40 % unserer Bevölkerung aus, ohne dass sie in den europäischen Handlungskonzepten und Vorstellungen einen konkreten Status haben. Wir bringen lediglich hin und wieder zum Ausdruck, dass wir die Absicht haben, sie zu schützen. Angesichts des technischen Fortschritts müssen sich unsere Vorstellungen von den Rechten der Kinder nunmehr auch auf die Sicherheit im Internet erstrecken. Denn wir haben festgestellt, dass das Internet – trotz seiner wunderbaren Intentionen, der brillanten Innovationen und der Möglichkeiten, die es uns allen bietet – von Menschen missbraucht wird, die unschuldige Seelen verderben und Geschäfte mit pädophilem Material und Kinderpornographie machen wollen.

Ein Wort zur Nachhaltigkeit. Die steigenden Preise für Öl und Kraftstoffe der letzten Monate haben in allen Wirtschaftszweigen für Erschütterungen gesorgt und auch bei den privaten Verbrauchern sehr viel Aufregung verursacht. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich der Ölpreis nicht nur auf die Wirtschaft insgesamt auswirkt, sondern auch auf Sie und auf mich und auf jeden einzelnen Verbraucher. Das betrifft nicht nur den Kraftstoff für unsere Autos, sondern den Preis der Waren in unseren Geschäften, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz usw. Es ist Zeit für einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt, auf dem wir die kollektive Stärke der 25 Mitgliedstaaten zur Erzielung eines besseren Preises nutzen können. Und es ist an der Zeit, das geistige Potenzial und die Innovationskraft in diesen 25 Ländern zusammenzuführen, um gemeinsam nach alternativen Energieträgern und vor allem nach neuen Wegen und neuen Mechanismen für den sparsamen Umgang mit Energie zu suchen. Deshalb ist auch der Vorschlag für eine Richtlinie über Biokraftstoffe zu begrüßen. Einen noch größeren Stellenwert sollten wir jedoch der Solarenergie, der Wind- und Wasserkraft einräumen, weil wir damit maßgeblich zu einem definitiven Energiekonzept beitragen können.

Ganz gleich, was bisweilen behauptet wird, die Finanzielle Vorausschau bildet den Dreh- und Angelpunkt. Wenn wir kein Geld haben, dann können wir die geplanten Maßnahmen und Handlungskonzepte nicht umsetzen. Dazu müssen jedoch die Mitgliedstaaten selbst tätig werden und ein Paket vorlegen, denn schließlich sind sie auch in diesem Falle die Zahlmeister der Europäischen Union. Nur sie können entscheiden, ob sie bereit sind, die für die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahmen erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die Tatsache, dass die Regierungen bisher keine Einigung in dieser Sache erzielen konnten, ist für alle Beteiligten unannehmbar. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Regierungen der neuen Mitgliedstaaten bei der Lösung dieses Problems mit gutem Beispiel vorangehen.

Wir dürfen dieses Unvermögen, zu einer Einigung zu gelangen, jedoch nicht als Vorwand benutzen, um Bemühungen, die gegenwärtig unternommen werden können, zu blockieren, zu behindern oder zu untergraben. Ich begrüße die Möglichkeit, mit Ihnen, Herr Barroso, und mit Ihrer Kommission bei der Umsetzung dieses Programms zusammenzuarbeiten.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso! Wir haben Ceuta erlebt, wir haben Melilla erlebt, und jetzt brennen die Vorstädte. Die Medien der ganzen Welt fragen sich, was wir angesichts dessen tun. Ein Legislativprogramm. Zu welchem Thema? Beispielsweise zur Erderwärmung, was logisch scheint: wenn Autos und Schulen brennen, gibt es wohl ein Problem mit der Erwärmung, und somit mit der Einhaltung des Kyoto-Protokolls. Im Übrigen könnte man mit Frau Fischer-Boel unsere Landwirtschaft noch ein wenig mehr zerstören, und auf diese Weise würde Herr Mandelson in Hongkong eine Vereinbarung erzielen, und wir bekämen noch ein wenig mehr Arbeitslosigkeit. Verabschieden wir noch ein paar mehr Richtlinien, und der Berg von Rechtsvorschriften würde einen Berg der Ohnmacht gebären. Ich schlage sogar einen Titel für das Legislativprogramm von Herrn Barroso vor: „Operation smoke and mirrors“, denn es geht hier um einen Rauchvorhang, der aus sympathischen Dingen besteht, aber lediglich dazu bestimmt ist, Tragödien zu verschleiern.

Noch ein letztes Wort, Herr Barroso, an einem Weihnachtstag im fünften Jahrhundert nach Christus war der Rhein nach einem Klimawandel zugefroren. Tausende Feuerwagen überquerten den Rhein und Rom wurde verwüstet. Wissen Sie, was der römische Senat während dieses Winters 483 gemacht hat? Er machte ein Legislativprogramm.

(Herr Cohn-Bendit ruft Herrn Martinez zu: „Mein Gott! Einfach clever der Mann, er kennt seine Geschichte!“).

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

Präsident. – Bitte keine Kommentare, Herr Cohn-Bendit!

 
  
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  Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, verehrtes Kollegium, liebe Kolleginnen und Kollegen! 96 prioritäre Projekte, davon 32 legislativer Art, liegen heute vor. Respekt! Man kann nicht sagen, dass dieses Europa nichts vorhat. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die legislativen Vorhaben, die eigentlich für 2006 prioritär sein sollten, nämlich die rund 50 Rechtsgrundlagen für die Mehrjahresprogramme 2007-2013, gar nicht im Katalog auftauchen.

Wir beraten heute also im Grunde über eine Mogelpackung. Und wo bleibt die Subsidiarität, die Subsidiaritätsprüfung? Der Rat, der heute durch Abwesenheit glänzt, hat sich einmal mehr blamiert, weil er an diesen planerischen Arbeiten inhaltlich gar nicht teilnimmt, geschweige denn Prioritäten setzt. Mit Schreiben vom 19. Oktober haben die beiden Präsidentschaften des kommenden Jahres, Österreich und Finnland, sogar ein eigenes Arbeitsprogramm für 2006 angekündigt. Deswegen darf man darauf schon gespannt sein, und auch darauf, wie sich all diese Dinge miteinander vereinbaren lassen.

Gerade der Rat hätte mit und in diesem Beratungsverfahren ein schönes Zeichen für Subsidiarität setzen und auch die nationalen Parlamente mit einbinden können, so wie das die Verfassung ja vorsieht. Er hätte auch in diesem Verfahren ein Zeichen setzen und auf das Parlament und die Kommission zugehen können, anstatt uns alle im Unklaren darüber zu lassen, wie es denn nun weitergehen soll und welche Vorschläge der Rat selbst einzubringen hat.

Das Europäische Parlament hat eine Reserve für Kommissionsposten gebildet, deren Freigabe an eine Einigung über das Arbeitsprogramm geknüpft ist. Es wäre gut, wenn dieses Arbeitsprogramm wirklich alle Projekte umfasste, von denen wir ja bereits jetzt wissen, dass sie für das Jahr 2006 auf der Tagesordnung stehen, und wenn der Subsidiaritätsgedanke, was Verfahren und Inhalt betrifft, stärker respektiert würde.

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Herr Präsident! Die Kommission hat erklärt, die Lissabon-Strategie spiegele sich in diesem Arbeitsprogramm wider. Das trifft teilweise zu, aber doch nicht ganz. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass wir eine Aussprache über die Ausgewogenheit der Lissabon-Strategie geführt haben. Dabei haben wir im Parlament die Auffassung vertreten, Sozialpolitik, soziale Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt dürften nicht als Anhängsel zu Wachstum und Beschäftigung gesehen werden. Ich dachte, wir hätten uns darauf verständigt, die Sozialpolitik als integrierten Bestandteil des Lissabon-Prozesses zu betrachten. Das kommt jedoch in diesem Arbeitsprogramm nicht zum Ausdruck, in dem die soziale Dimension nur sehr spärlich erscheint.

Wir haben darüber gesprochen, dass bessere Gesetzgebung nicht per definitionem weniger Gesetzgebung bedeutet. Für den sozialen Bereich muss ich feststellen, dass es überhaupt keine Gesetzgebung gibt. Es gibt drei Mitteilungen und ein Grünbuch dazu, was ich begrüße, aber es gibt keinerlei gesetzliche Bestimmungen. Das Parlament hat durchaus Vorschläge unterbreitet, von denen ich nur einige nennen möchte. Der erste betrifft die neuen, die so genannten atypischen Beschäftigungsformen, die heute massiv zunehmen und weniger Sicherheit, weniger Einfluss und vermutlich auch mehr Stress am Arbeitsplatz mit sich bringen. Wir haben eine Richtlinie gefordert, die diese neuen Beschäftigungsformen aufgreift.

Zweitens waren Sie, Herr Barroso, und ich auf einer Konferenz über Umstrukturierung. Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir die Umstrukturierung, wenn überhaupt, nur unter Einbeziehung der Arbeitnehmer durchführen können. Wir verfügen über Instrumente auf europäischer Ebene, wir haben die europäischen Betriebsräte, und wir haben im Parlament eine Erneuerung der europäischen Betriebsräte gefordert. Nichts von alledem haben wir bisher feststellen können.

Lassen Sie mich abschließend noch die Frage eines Programms zur Integration von Menschen mit Behinderungen aufwerfen. Dies wäre ein Anti-Diskriminierungsprogramm, das nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern für alle Bereiche gelten würde. Aber auch davon ist nichts zu bemerken.

 
  
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  Diana Wallis (ALDE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte dem Präsidenten der Kommission dafür danken, dass er die Vorstellung des Kommissionsprogramms konsequent in einen politischen Kontext eingebunden hat.

Ich möchte einen kleinen Punkt aufgreifen: Als ich vor sechs Jahren in dieses Haus einzog, bildeten die umfassende Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs und die Einführung des Euro das Umfeld für die Erschließung des Potenzials des europäischen Binnenmarktes. Zu diesem Zweck gab es zahlreiche Initiativen im Bereich des Zivilrechts, um zu gewährleisten, dass wir die Möglichkeiten, die Freizügigkeit zu nutzen, geschäftlich tätig zu sein, zu arbeiten, innovativ tätig zu sein und Handel zu treiben, mit einem ausgewogenen rechtlichen Rahmen untersetzen, der den Bürgern Sicherheit und Rechtsschutz bietet.

Der Kampf gegen den Terrorismus ist dazwischengekommen, und das Strafrecht ist in den Vordergrund gerückt. Aber sollte es wirklich das Zivilrecht verdrängen, dem im vorliegenden Programm lediglich ein Absatz zugestanden wird und zu dem keine neuen Initiativen oder auch nur Konsultationen vorgesehen sind? Sie brauchen sich nur einmal die zahlreichen Zuschriften anzusehen, um zu wissen, dass wir im zivilrechtlichen Bereich nicht genug tun. Sie brauchen nur einen Blick auf die Tagesordnung des Petitionsausschusses zu werfen. Es leiden – glücklicherweise – wesentlich mehr Bürger unter fehlenden Möglichkeiten zur Inanspruchnahme des Zivilrechts oder grenzüberschreitender Rechtsbehelfe als unter den direkten Folgen des Terrorismus. Bitte konzentrieren Sie sich auf das Zivilrecht.

 
  
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  Esko Seppänen (GUE/NGL).(FI) Ich habe mich mit dem Dokument der Kommission vertraut gemacht. Meine Schlussfolgerung ist eindeutig: viel Gerede, wenig Taten. Die Globalisierung, die in Wahrheit eine aktualisierte Version des Kapitalismus ist, wird als gegeben hingenommen, als wäre sie ein Naturgesetz. Die Rechtsvorschriften der EU tragen dazu bei, dass die Arbeit in Europa zur Billiglohnarbeit wird, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden und dass auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten Billigflaggen aufgezogen werden.

Ich habe das Arbeitsprogramm mit Interesse nach einer Rechtsgrundlage für die Ankündigung des Kommissionspräsidenten durchsucht, Frankreich für die in den letzten Wochen auf den Straßen ausgebrannten Fahrzeuge eine zusätzliche Beihilfe in Höhe von 50 Millionen Euro zu gewähren. Ich glaube nicht, dass die gegenwärtigen Rechtsvorschriften als Rechtsgrundlage für diese Form der finanziellen Unterstützung herhalten können, und auch im Arbeitsprogramm der Kommission wird nichts dergleichen vorgeschlagen. Hat man etwa die Absicht, Frankreich mit einer illegalen Beihilfe zu bestechen, damit es den Finanzplänen der EU zustimmt?

Die Kommission regt an, die öffentliche Meinung über sich zu ihren Gunsten zu manipulieren. Das ist reine Propaganda und Indoktrination, auch wenn die Kommission von einem Kommunikationsdefizit spricht. So, wie die Kommission Informationen verbreitet, verkörpert sie eine Diktatur der Mehrheit, oder man misst die Demokratie daran, welche Haltung die Mehrheit einnimmt, wenn sie den Minderheiten zuhört. In jedem Falle hat die Mehrheit bei den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden gegen die Kommunikations- und Propagandadiktatur der Kommission votiert.

Die Ablehnung der Verfassung war Demokratie und hat die EU nicht in eine Krise gestürzt. Die Tatsache, dass es nicht gelingt, den Finanzrahmen für 2007-2013 zu verabschieden, behindert jedoch die Arbeit der EU. Da dies möglicherweise einen Ausnahmezustand darstellt, sollte die Kommission daran gehen, einjährige Strukturfonds- sowie andere Programme aufzustellen, mit anderen Worten, einen Plan B.

 
  
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  Jens-Peter Bonde (IND/DEM).(DA) Herr Präsident! Die nationalen und regionalen Parlamente sollten nunmehr das gesamte Jahresprogramm durchsehen und es unter dem Motto „Weniger und besser“ nach den Grundsätzen der Nähe und der Verhältnismäßigkeit beleuchten. Wir wollen weniger Themen angehen und dafür qualitativ bessere Arbeit leisten. Die EU sollte nur verbindliche Rechtsvorschriften in grenzüberschreitenden Bereichen erlassen, in denen die nationalen Parlamente selbst nicht wirksam gesetzgeberisch tätig sein können. Auf diese Weise hätten die Wähler nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen, und wir sollten das Recht auf Mitentscheidung haben, anstatt ohne Befugnisse dazustehen. Wenn sich jedoch die EU Befugnisse in Bereichen anmaßt, in denen die nationalen Parlamente selbst Gesetze erlassen können, verlieren wir sowohl an Einfluss als auch im Hinblick auf die Demokratie.

Eine Prüfung auf der Basis des Grundsatzes der Nähe sollte in den Fachausschüssen des Parlaments beginnen, sodass sich die Sozialausschüsse mit Vorschlägen im sozialen Bereich und die Verkehrsausschüsse mit Verkehrsvorschlägen befassen usw. - ein Verfahren, das am Freitag vergangener Woche im dänischen Europaausschuss angenommen wurde. Anschließend sollten die Europaausschüsse Stellungnahmen abgeben und in der Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) zusammenkommen, um das Jahresprogramm zu verabschieden, und zwar möglichst so, dass wir sehen können, wer wofür gestimmt hat. Das Jahresprogramm sollte dann vom Europäischen Parlament und vom Rat respektiert und beraten werden. Erst dann sollte die Kommission zur Vorbereitung von Rechtsvorschriften aufgefordert werden, die dann Unterstützung von unten genießen würden. Auf diese Weise ergäbe sich eine völlig andere Situation als jetzt, wo die Kommission selbst die Autorität an sich reißt und ihr Initiativmonopol, ihre 3000 geheimen Arbeitsgruppen und ihren Zugang zum Gerichtshof dafür nutzt, noch mehr Macht in Brüssel zu zentralisieren.

Nichts ist so schlecht, als dass es nicht auch für irgendetwas gut wäre. Aufgrund der Zentralisierung haben die Wähler glücklicherweise ihre Zustimmung versagt, wie wir in den Niederlanden und Frankreich erlebt haben. Dennoch enthält das Jahresprogramm viele Elemente der abgelehnten Verfassung. Die Neinstimmen sollten respektiert werden. Alles, was in der Verfassung steht, sollte ausgeschlossen bleiben. Vielen Dank, Herr Präsident – wenn es überhaupt etwas gibt, wofür man sich bedanken kann.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens. Europa sieht sich anspruchsvollen, klaren und dringenden Herausforderungen gegenüber. Es besteht kein Zweifel, dass das 20. Jahrhundert den alten Kontinent auf ein Niveau der Freiheit, des Fortschritts und des Wohlstands geführt hat, das nie zuvor erreicht worden ist. Dennoch hat diese außergewöhnliche Entwicklung auch neue Probleme hervorgebracht, die Ungleichgewichte, Risiken und Spannungen bewirken.

Die jüngsten Ereignisse in den französischen Vorstädten sind ein klares Signal dafür, dass die Sicherheitsprobleme nicht allein von den Gefahren herrühren, die von Gebieten jenseits unserer Grenzen kommen. Einmal mehr zwingt uns das aktuelle Geschehen somit, den Blick auf die Entwicklungen in unserem eigenen Haus zu richten und Lösungen für Alltagsprobleme zu finden, die so allgegenwärtig und bekannt sind, dass sie oft unserer Aufmerksamkeit entgehen.

Unser Zeitalter ist durch eine außergewöhnliche Entwicklung – gepaart mit leidiger Stagnation – geprägt; durch Möglichkeiten, die sich für eine bessere Zukunft auftun, aber auch durch Keime für Bedrohungen; durch Wohlstandswachstum, das jedoch die Entstehung neuer Krankheiten nicht zu verhindern vermochte. Daher scheint klar zu sein, dass noch ein langer Weg vor uns liegt.

Wir stimmen den Eckpunkten des vorliegenden Vorschlags zu. Das Arbeitsprogramm der Kommission, das Präsident Barroso präzise und mit Überzeugung dargelegt hat, konzentriert sich zu Recht auf einige entscheidende Ziele: Wohlstand, Solidarität, Sicherheit und die Rolle der Union als Partner in der Welt. Diese Ziele verlangen ein stetiges Engagement, eine wirksame Strategie und demzufolge angemessene Ressourcen für Maßnahmen, die sich wirklich auf die sozioökonomische Situation Europas auswirken können.

 
  
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  Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, als Koordinator meiner Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz begrüße ich es, dass die Kommission der Vollendung des Binnenmarktes in einer Reihe wichtiger Bereiche große Aufmerksamkeit widmet. Dafür möchte ich dem Kommissar und seinem Team danken. Wir werden das sehr genau verfolgen.

Dennoch stehe ich dem Dokument insgesamt sehr kritisch gegenüber. Das ist ein merkwürdiges Dokument. Die Kolleginnen und Kollegen sprachen über Prioritäten. Ich möchte kurz aus dem Dokument zitieren: „An erster Stelle stehen die Wiederherstellung nachhaltigen, dynamischen Wachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa.“ Das steht auf Seite 29 des Dokuments. In welchem Sinne haben wir angesichts einer zusammenhanglosen Liste von 96 Positionen, die willkürlich aneinandergereiht wurden, überhaupt Prioritäten, zumal unklar bleibt, welche davon legislativer Natur sind und welche nicht? Und an Ihre Adresse gerichtet, Herr Barroso, sage ich, dass ich in Bezug auf die Arbeitsplanung wissen möchte, welche Arbeiten bereits laufen. Ich möchte nicht einfach hören, dass Sie 96 neue Vorhaben in Angriff nehmen, sondern ich möchte wissen, wie Sie mit den laufenden Arbeiten vorankommen, um die wir Sie gebeten haben, und welche Priorität Sie denen einräumen.

Ich möchte noch etwas anderes wissen, weil mir da jegliche Vorstellung fehlt. Es ist eindrucksvoll, alle Mitglieder Ihrer Kommission hier versammelt zu sehen, aber wir wollen, dass Sie enger zusammenarbeiten und Entscheidungen besser abstimmen, um das Kernproblem, das Sie selbst an die Spitze Ihrer Agenda gesetzt haben und bei dem es um Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wachstum in Europa geht, in Angriff zu nehmen. Das lösen Sie nicht mit 96 einzelnen Vorschlägen, sondern nur, indem es die Kommission gemeinsam anpackt. Warum steht davon nichts in Ihrem Programm? Ich sage das auch an die Adresse von Frau Wallström gerichtet, die heute hier sitzt und uns eigentlich bei der Vermittlung dieser Problematik helfen sollte – die uns helfen sollte. Wie kann ich den Bürgern und Unternehmen in meinem Wahlkreis vermitteln, dass die Kommission mit dieser Liste von 96 zusammenhanglosen Vorschlägen etwas zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und des Arbeitsmarktes tun wird.

Ich würde jedoch sagen, dass es sich lohnt, im Zusammenhang mit einer integrierten Initiative für mehr Wettbewerbsfähigkeit einen Blick auf Kommissar Verheugens Maßnahmen im Kfz-Bereich zu werfen. Ich möchte ihm für diese und viele andere Initiativen meine Anerkennung aussprechen. Davon brauchen wir mehr, aber wir benötigen kein Sammelsurium zusammenhangloser Vorschläge.

 
  
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  Ieke van den Burg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Einige meiner Vorredner haben bereits den Vergleich zu den Vereinigten Staaten angestellt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung, dem ich angehöre, unterhält ebenfalls zahlreiche transatlantische Kontakte. Mir fällt auf, dass bei der Beurteilung der Entwicklungen, insbesondere auf dem Finanzmarkt, eine Art Wende vollzogen wird.

Ich weiß nicht, ob Sie heute Morgen die Schlagzeile der „Financial Times“ gesehen haben, die da wieder einmal besagt, die USA seien neidisch darauf, was wir hier im Parlament auf der vorigen Plenartagung erreicht haben. Im Oktober haben wir einen 800 Seiten dicken Wälzer über die Eigenkapitalausstattung von Banken angenommen, was uns zu einem enormen Vorsprung gegenüber den USA verhilft. Die Menschen sind sich dessen nicht hinreichend bewusst. Ich weiß nicht, ob Sie Jeremy Rifkins Buch über „The European Dream“ kennen, aber auch dieses Buch beschreibt, dass unsere Wahrnehmung in dieser Hinsicht mitunter falsch ist.

Ich habe den Eindruck, der Kommission ist nicht bewusst, dass wir weit mehr mit der Lissabon-Strategie und mit makroökonomischer Politik erreichen könnten. Wir in Europa reden uns in die Krise, wenn einige Dinge schief laufen, vergessen jedoch, welche Chancen sich uns dadurch auch bieten. Beispielsweise könnten wir gerade aus dem Unbehagen über den Stabilitäts- und Wachstumspakt Kapital schlagen und jetzt die makroökonomische Politik verbessern, und wir könnten uns unseren Vorsprung bei der Regulierung der Finanzmärkte zunutze machen, indem wir die Investitionen, die eventuell daraus entspringen, sinnvoll einsetzen und die Kommission diese makroökonomische Politik steuern lassen.

Ich befürchte, dass die Haltung, der Markt selbst werde alles richten, auch mit Ihrer liberalen Einstellung zusammenhängt. Meiner Auffassung nach könnten die Amerikaner Sie eines Besseren belehren. Der Markt selbst kann es nicht richten. Wir müssen den Weg vorgeben, und von der Kommission erwarten wir hierbei, dass sie die Vorreiterrolle übernimmt.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE).(FI) Die europäische Integration wird so lange nicht gelingen, wie sie sich nicht auf eine gemeinsame Verantwortung gründet. Es reicht nicht aus, einfach nur einen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung zu schaffen, auch wenn diese die Integration voranbringen. Die Prioritäten der Kommission - Wohlstand, Solidarität und Sicherheit – sind wichtig und richtig.

Es gibt in Europa 18,8 Millionen Arbeitslose, eigentlich fast 20 Millionen. Was bedeutet diesen Menschen die EU und was bietet sie ihnen? Nicht unbedingt Solidarität, Wohlstand oder Sicherheit. Bloße Worte sind nicht genug: Wir brauchen konkrete Taten.

Herr Präsident, die EU muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Entscheidung der Kommission, unnötige Vorschriften und Bürokratie abzubauen und das EU-Recht zu vereinfachen, sollte unterstützt werden. Darüber hinaus hoffe ich, dass endlich das Subsidiaritätsprinzip durchgesetzt wird. Dies würde auch unsere Bürger näher an die EU heranführen und der EU ein Mandat für ihr Handeln verleihen.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, das Arbeitsprogramm der Kommission spiegelt die ehrenwerten Bemühungen wider, den imperialistischen Interessen der Europäischen Union und den Wünschen des Big Business auf bestmögliche Weise zu dienen.

Trotz der im Rat geäußerten Einwände wird einer Vereinbarung das Wort geredet, die radikale Änderungen in der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007-2013 generell zu Lasten der Bauern und der Arbeiter vorsieht.

Die Kommission ist bemüht, ihr Gesetzgebungsprogramm für 2006 an die neuen Gegebenheiten anzupassen, und zwar nicht durch politische Richtungsänderungen, sondern auf der Grundlage ihrer für ihre fünfjährige Amtszeit und gegenüber den Wünschen der Monopole eingegangenen Verpflichtungen. Die Hauptachse ihrer Politik ist die Kommunikationspolitik. Korruption, Bestechung und Klassenkooperation werden zu Mitteln, um das einfache Volk mundtot zu machen und die reaktionärsten volksfeindlichen Maßnahmen durchzusetzen.

Es geht um eine weitere Liberalisierung der Märkte, und dabei haben sie Elektrizität und Erdgas im Auge, es geht um die Integration des Binnenmarkts auf den Gebieten Dienstleistungen, Postämter und so weiter, um die Privatisierung der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, um neue Maßnahmen in der Transportpolitik und die Förderung neuer steuerlicher Maßnahmen zum Nachteil der Arbeiter.

Es geht um eine einheitliche Strategie zur Förderung der volksfeindlichen Zielsetzungen von Lissabon auf der Grundlage der nationalen Aktionsprogramme und zur Förderung von beschäftigungsfeindlichen Plänen für Jugendliche, Frauen und die Arbeiter im Allgemeinen.

Dieses Programm der Kommission richtet sich rundheraus gegen die Bestrebungen und Ziele der Arbeiter, und deshalb werden ihre Kämpfe für das Recht auf Arbeit, für einen besseren Lebensstandard, zur Verteidigung der Freiheiten des einfachen Volkes, für Frieden und Gleichheit in den kommenden Monaten zunehmen.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident! Obgleich mich das beharrliche Leugnen der Europäischen Kommission und die Tatsache, dass sie die klare und deutliche Warnung des französischen und niederländischen „Nein“ während der europäischen Referenden praktisch vollkommen ignoriert, doch ein wenig erstaunt, wird 2006 vor allem das Jahr des endgültigen Beginns der Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der Türkei, womit die Kommission ein weiteres Mal unter Beweis stellt, dass ihr nicht nur der demokratische Wille der Mehrheit der Europäer, sondern im Grunde auch ihre eigenen Rechtsvorschriften, der ansonsten so heilige gemeinschaftliche Besitzstand, völlig einerlei sind.

Auf jeden Fall bin ich gespannt, welcher Tricks sich die Kommission bedienen, welche Lügen und falschen Argumente sie verbreiten wird, um trotz der Warnung des ehemaligen Agrarkommissars Franz Fischler letztendlich doch zu behaupten, die Türkei sei in die Gemeinsame Agrarpolitik integrierbar und die Kosten seien annehmbar. Das wird uns nicht davon abhalten, weiterhin darauf hinzuweisen, dass der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union untragbar und undemokratisch ist.

 
  
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  John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, Präsident Barroso hat uns heute Morgen u. a. aufgefordert, den Bürgern Europas, von denen zu viele dem Projekt Europäische Union desillusioniert gegenüberstehen, neuen Mut einzuflößen. Dazu müssen wir in der Lage sein, gute Gründe dafür anzuführen, weshalb Europa für das Leben der Bürger, ihre Sorgen, ihre Hoffnungen und ihre Pläne von Belang ist. Wir müssen Europa helfen, wieder deutlich Kurs auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu nehmen, indem wir Verschwendung und Bürokratie den Kampf ansagen und uns auf die Voraussetzungen für diese Agenda konzentrieren.

Zugegeben, bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um Deregulierung und niedrigere Steuern, aber auch um gesündere Menschen, die in einer gesünderen Umwelt leben. Vor allem müssen wir etwas tun, um all jene zu unterstützen, denen es schwerer fällt, die Herausforderungen des Lebens zu meistern und seine Möglichkeiten zu nutzen, all jene, die mit Behinderungen oder lebensbedrohlichen Krankheiten oder in Armut leben. Deshalb erwarten wir von der Kommission, dass sie sich konsequenter für die Gesundheit, die Gesundheitsförderung, die öffentliche Gesundheit, die Notfallversorgung, die Betreuung psychisch Kranker, die Unterstützung von Behinderten, die Patientenmobilität und die Information der Patienten einsetzt.

Ferner müssen wir auch unsere umweltpolitischen Ziele energischer verfolgen und in den Bereichen Klimawandel, Emissionshandel, Luftqualität, Abfallreduzierung, -wiederverwendung und -verwertung, Lärm und städtische Umwelt, Schutz der Flora und Fauna und der natürlichen Lebensräume sowie Verringerung von Tierversuchen verstärkt tätig werden.

Was für Europa gilt, trifft analog auch auf unsere Maßnahmen für die Entwicklungsländer zu. Doch ohne angemessene Überwachung und eine strenge Haushaltskontrolle ist nichts davon möglich. Daran scheitern oft unsere guten Absichten in Europa, und das trägt dann dazu bei, dass die Öffentlichkeit bezweifelt, dass Europa gut für sie ist.

 
  
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  Poul Nyrup Rasmussen (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, auf der nächsten Konferenz der Präsidenten auch das Problem, dass heute so wenig Abgeordnete anwesend sind, anzusprechen. Ich denke, wir schulden der Kommission Respekt. Alle Kommissionsmitglieder, die es ermöglichen konnten, sind heute hier. Die Abwesenheit so vieler Abgeordneter ist einfach unvertretbar und ein Ausdruck der Missachtung gegenüber der Kommission. Ich werde dieses Problem auf jeden Fall heute Abend in meiner Fraktion ansprechen.

Herr Barroso, das Problem ist nicht der eigentliche Inhalt Ihres Programms. In der wenigen mir zur Verfügung stehenden Zeit will ich das Problem in einer Reihe von wichtigen Punkten umreißen.

In Ihrem heutigen Beitrag sagten Sie:

(FR) „Es gilt, diese Programme mit unseren politischen Prioritäten zu verbinden, die wirtschaftliche Governance der Union zu verbessern und die nationalen und europäischen Reform- und Investitionsanstrengungen zu verstärken“; und weiter sagen Sie, „gemeint sind Investitionen auf nationaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene mit Blick auf die Wirtschaft von morgen, Innovation, Wissen und neue Infrastrukturen. Diese beiden Arten von Investitionen müssen gleichzeitig erfolgen.“

(EN) Gut. Einverstanden. Herr Kommissionspräsident, einigen wir uns auf Folgendes: Sie sagen dem Parlament zu, dass Sie und Ihre Kommission eine Strategie ausarbeiten werden, damit uns, wenn wir zur Tagung des Rates Beschäftigung im Frühjahr zusammenkommen, diese Botschaft als gemeinsame Konzeption des Europäischen Rates vorliegt. Gemeinsam mit dem Kommissar für Wirtschaft und Währung und der Kommission insgesamt werden Sie darauf hinwirken, dass die Regierungen zusagen, in den nächsten zwei, drei oder vier Jahren gleichzeitig zu investieren und sich abzustimmen. Ich nehme Ihnen keine Befugnisse weg. Ich möchte lediglich, dass wir unsere Investitionen abstimmen, damit wir unsere enge wirtschaftliche Verflechtung vorausschauend nutzen können.

Kurz und gut, ich habe den gleichen Traum wie die Kommission, dass nämlich dieses wunderbare Europa mehr Wachstum erzielen könnte. Ja, wir sollten Reformen durchführen, aber wir brauchen mehr Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze, und dazu bedarf es der Koordinierung. Lassen Sie uns also gemeinsam eine Strategie erarbeiten. Jetzt sind Sie am Zug.

 
  
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  Präsident. – Herr Rasmussen, ich werde Ihrer Bitte entsprechend den zuständigen Organen des Parlaments Ihre Bemerkung über unseren schwach besetzten Sitzungssaal übermitteln. Das Sitzungspräsidium weiß es natürlich zu schätzen, dass die Kommission bei dieser wichtigen Debatte vollzählig ist, auch wenn die Reihen des Rates ziemlich verwaist sind.

 
  
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  Sophia in 't Veld (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Vor einem Jahr sagte uns Präsident Barroso zu Zeiten des Falls Buttiglione zu, die europäischen Grundrechte zu einer Sache von höchster Priorität zu machen. Das ist begrüßenswert, denn das erwarten die Bürger auch. Leider findet sich in dem Arbeitsprogramm von dieser Zusage überhaupt nichts. Vielleicht gibt es 2006 eine Mitteilung über die Gleichstellung der Geschlechter, was wir begrüßen, aber wie ist es um die anderen Kategorien der Diskriminierung bestellt? Wo bleiben horizontale Nichtdiskriminierungsvorschriften? Alle Bürger müssen in der Lage sein, ihre Rechte vor einem Gericht geltend zu machen, denn sonst ist die EU-Nichtdiskriminierungspolitik nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben steht. Weshalb wurde selbst die zugesagte Machbarkeitsstudie zu der neuen Artikel 13-Gesetzgebung nicht aufgenommen, und wie steht es um die vom Parlament geforderten Vorschläge zur Freizügigkeit gleichgeschlechtlicher Ehepaare?

Wird Präsident Barrosos Kommission die Grundrechte tatsächlich fördern? Bekommen wir wirklich eine Union der Werte, oder bleibt es bei leeren Versprechen?

 
  
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  Maria Berger (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Mitglieder der Kommission! Ich vertrete hier den Rechtsausschuss, und selbst aus der sehr bescheidenen Perspektive unseres Rechtsausschusses muss ich feststellen, dass das Arbeitsprogramm und das Legislativprogramm der Kommission wenig anspruchsvoll und aus unserer Sicht sehr enttäuschend sind.

Auf all jenen Gebieten, wo wir Interesse angemeldet haben, und wo Sie, zumindest verbal, auch Prioritäten erklärt haben – z. B. auf dem Gebiet des Zivilrechts, des Urheberrechts, bei den Menschen- und Kinderrechten, bei den Verbraucherrechten – finden wir nur nichtlegislative Vorschläge. Zu manchen Gebieten, über deren Wichtigkeit wir uns doch immer einig sind, z. B. beim Patentrecht, finden wir überhaupt keine Initiativen, um hier in Europa weiterzukommen – obwohl wir uns doch immer darüber einig sind, dass das für die Innovation sehr wichtig ist. Ich finde auch keine Initiative zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.

Gleichzeitig müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass Sie Gesetzgebungsvorschläge zurückziehen, die uns wirklich am Herzen liegen – bei aller Anerkennung, dass es hier Probleme gibt; dies gilt für das Statut für die Gesellschaften, die auf Gegenseitigkeit beruhen, und es gilt für das europäische Vereinsrecht. Wir haben uns jetzt über Jahre hinweg bemüht, für den kommerziellen Sektor eigene europäische Statute zu schaffen, doch für die Gemeinwirtschaft, für die Sozialwirtschaft, für die Zivilgesellschaft verweigern wir offensichtlich die Erleichterungen, die europäisches Recht schaffen könnte.

Auch wir selbst haben Vorschläge für Bereiche gemacht, wo wir Gesetzgebung zurücknehmen können und wo wir europäische Regelungen nicht für erforderlich halten; die Kommission hat diese Vorschläge nicht aufgegriffen. Ich denke zum Beispiel an den Bereich der Mediation, wo wir uns mit einem Richtlinienentwurf auseinandersetzen müssen, obwohl wir Ihnen aus Anlass des Grünbuchs gesagt haben, das wäre ein Bereich der Subsidiarität, hier muss es nicht unbedingt eine Gesetzgebung auf europäischer Ebene geben. Insgesamt haben Sie meiner Meinung nach zu wenig zugehört, was Ihnen dieses Parlament in der vorbereitenden Phase gesagt hat.

 
  
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  Elizabeth Lynne (ALDE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße viele Aspekte des Kommissionsprogramms, bin aber enttäuscht darüber, dass darin nicht stärker auf behinderte und ältere Bürger eingegangen wird. Mir wäre sehr an einer speziellen Behindertenrichtlinie gelegen gewesen, die die Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen verbietet. Gleiches gilt für eine Regelung zugunsten unserer älteren Mitbürger.

In Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz bin ich daran interessiert, dass wir die Richtlinie über den Schutz gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe aus dem Jahr 2000 dahingehend abändern, dass sie sich auf den Schutz von Gesundheitspersonal gegen die Ansteckung mit HIV und Hepatitis C durch Verletzungen mit einer Nadel erstreckt. Jährlich treten über eine Million derartiger Verletzungen in der EU auf.

Ich begrüße jedoch die Tatsache, dass sich der Präsident der Kommission für den Abbau überflüssiger Regelungen einsetzt, die natürlich eine Belastung für die Unternehmen darstellen. Könnte er sich eingedenk dessen nochmals mit der Richtlinie zum Schutz vor der Gefährdung durch elektromagnetische Felder aus dem Jahr 2004 und deren potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auf den Einsatz von modernen Magnetresonanztomographen beschäftigen und die Möglichkeit einer Abänderung prüfen, um zu gewährleisten, dass künftig derartige Geräte nicht davon betroffen sind?

 
  
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  Amalia Sartori (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte Herrn Barroso zu seiner Erklärung, die er heute Vormittag abgegeben hat, beglückwünschen. Trotzdem möchte ich ihn ebenso wie viele meiner Kollegen auffordern, die Prioritäten zusammenzulegen, um ganz klar das Paket an Vorschlägen und die Ziele zu bestimmen, die wir in den nächsten fünf Jahren erreichen wollen.

Wir alle erinnern uns, dass die vorherige Kommission unter Präsident Romano Prodi in Wirklichkeit nur die Hälfte der ursprünglich in ihrem Programm vorgesehenen Vorhaben umgesetzt hat. Solche Initiativen sind meiner Ansicht nach nicht hilfreich, besonders nicht für ein Europa, das ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Die erste Empfehlung, die ich deshalb geben möchte, ist die, die Prioritäten so weit wie möglich zusammenzufassen und eine Rangfolge unter den Zielen festzulegen, die wir erreichen wollen.

Danach werden wir uns sicher den anderen wichtigen Fragen zuwenden müssen. In Ihrer Erklärung von heute Morgen wurden sehr viele Punkte angeschnitten. In meiner Eigenschaft als Koordinatorin in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter möchte ich einen Punkt besonders herausstellen, zu dem Sie sich zweifelsfrei verpflichtet haben, etwas Wichtiges zu unternehmen, nämlich die Aufstellung eines Fahrplans für die Gleichstellung der Geschlechter.

Darüber hinaus möchte ich jedoch, dass auch auf das Thema Arbeit näher eingegangen wird. Wie Sie wissen, besteht heute in Europa ein Konflikt zwischen denen, die mehr Rechte haben, und denen, die weniger haben; zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die arbeitslos sind; zwischen denen, die sich eine Schule und Bildung hoher Qualität leisten können, und denen, die keinen Zugang dazu haben, wie das in den Pariser Vororten der Fall ist. Das ist ein Problem, das heute ein Land betrifft, das aber morgen schon andere betreffen könnte.

In diesem Zusammenhang sind die Rolle der Frau in der Gemeinschaft und vor allem die Rolle der Frau am Arbeitsplatz von grundlegender Bedeutung. Deshalb muss im Rahmen der Lissabon-Strategie das Thema der geringen Präsenz von Frauen in der Arbeitswelt, die oft gezwungen sind, unqualifizierte und unterbezahlte Arbeiten zu verrichten, angepackt werden.

 
  
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  Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident, ich begrüße die Tatsache, dass die gesamte Kommission hier versammelt ist, und bedauere sehr, dass so viele Kollegen fehlen. Das hängt u. a. damit zusammen, dass wir Fernsehmonitore in unseren Büros haben, so dass man problemlos die Aussprachen verfolgen kann, während man dort arbeitet. Es wäre jedoch wesentlich besser, wenn die Abgeordneten hier wären. Doch das Gesagte verhallt nicht ungehört, denn man kann auch draußen hören, was hier gesagt wird.

Ich begrüße, dass im Arbeitsprogramm der Kommission auf Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion Bezug genommen wird. Das steht nicht im Mittelpunkt unserer jetzigen Diskussion. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Arbeitsprogramm zwar sehr wichtig ist, jedoch nicht im luftleeren Raum existiert, sondern Bestandteil einer tiefgreifenden Debatte über die Richtung ist, die die Europäische Union eingeschlagen hat, über ihre Zukunft.

Wir befinden uns in einer Zeit der Reflexion – und in einer Zeit des Nachdenkens über die Verfassung –, bei der es nicht um den Text, sondern den Kontext geht. Das Arbeitsprogramm ist Teil dieses breiter gefassten Kontextes. Die Zukunft unseres sozialökonomischen Modells fügt sich zusammen mit dem Sondergipfel in Hampton Court in diesen Kontext ein. Die Notwendigkeit, im Dezember die entscheidende Einigung über den mittelfristigen Haushalt zu erzielen, der wir in Luxemburg bereits so nahe waren, ist ebenfalls Bestandteil dieses Kontextes. Wenn uns bei der Gestaltung des Kontextes einschließlich des Arbeitsprogramms keine Fehler unterlaufen, dann können wir uns in ein oder zwei Jahren erneut den Text der Verfassung anschauen und überlegen, wie es damit weitergehen soll.

Ich möchte kurz auf einen weiteren Punkt eingehen, und zwar auf die bessere Rechtsetzung. Diesbezüglich stehen wir alle hinter Ihnen, Herr Barroso. Doch angesichts dessen, dass die Antieuropäer in meinem Land und in anderen Ländern die Europäische Union als einen riesigen bürokratischen Apparat darstellen, der eine Verordnung nach der anderen ausspuckt, ist es unsere Pflicht klarzustellen, dass die europäische Gesetzgebung, wenn man sie richtig handhabt, den Verwaltungsaufwand abbaut und die Unternehmen entlastet, indem sie ein Regelwerk für den Binnenmarkt, ein Patent, eine Anmeldung für ein Warenzeichen, ein Formular, eine Gebühr anstelle von 25 vorschreibt. Gute europäische Gesetzgebung baut Bürokratie und Verwaltungsaufwand ab. Auch darauf sollte in dieser Aussprache verwiesen werden.

 
  
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  Joseph Daul (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, meine Damen und Herren Kommissare! Die heutige Debatte beweist, dass sich zwischen der Kommission und dem Parlament eine echte Kultur des Dialogs entwickelt hat. Was die Programmplanung betrifft, die keineswegs eine bürokratische oder statistische Übung ist, sondern ein wesentliches politisches Element – und darüber freue ich mich als Präsident der Konferenz der Ausschussvorsitzenden –, so danke ich Frau Wallström für ihre häufige Präsenz vor unserer Konferenz sowie auch den Kommissaren, die während des gesamten Verfahrens zweiseitige Gespräche mit den jeweiligen Parlamentsausschüssen geführt haben. Natürlich sind einige Verbesserungen erforderlich – bei uns übrigens auch, was die Anwesenheit in diesem Saal betrifft.

Vorbehaltlich der Analyse des von den Fraktionen vorgeschlagenen Arbeitsprogramms, die diese mit Blick auf die Verabschiedung eines Entschließungsentwurfs auf der Dezember-Sitzung vornehmen werden, glaube ich sagen zu können, dass wir in dieser Programmplanung die wichtigsten Prioritäten wiederfinden, die die Ausschüsse in den großen Kapiteln des Programms zum Ausdruck gebracht haben, das heißt Priorität, Solidarität, Sicherheit und Verantwortung nach außen.

Hingegen gibt es zwei Punkte, wo Uneinigkeit herrscht, und zwar zur Frage des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit Blick auf die Menschenrechte. Einige Vorschläge wurden durch die Kommission nicht berücksichtigt. Wesentlich ist jedoch, dass das Parlament als Mitgesetzgeber in aller Transparenz über die Gründe informiert wird, aus denen die Kommission in Ausübung ihres Initiativrechts diesen Wünschen des Parlaments nicht nachgekommen ist.

Noch ein Wort zum Ziel der Agenda von Lissabon: In den Bereichen Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit, Kohäsion und Forschung brauchen wir einen Haushaltsplan und eine Finanzielle Vorausschau.

Schließlich stellt die Programmplanung nur einen Teil einer umfassenderen Agenda unter dem Titel „Bessere Rechtsetzung“ dar, und diesbezüglich messen wir der Umsetzung und Vereinfachung der europäischen Rechtsvorschriften große Bedeutung bei. Wir brauchen eine gangbare Lösung in der Frage der Komitologie, und ich möchte auf der Notwendigkeit bestehen, bereits ab dem nächsten Jahr in das Legislativ- und Arbeitsprogramm die Vereinfachungsmaßnahmen sowie die Vorschläge zur Rücknahme aufzunehmen, um dieser Übung eine bessere Lesbarkeit und Transparenz zu geben. Ich begrüße die Verpflichtung, die Frau Wallström diesbezüglich auf unserer letzten Sitzung am 13. Oktober eingegangen ist, und bin überzeugt, dass alle Parlamentsausschüsse die Umsetzung dieses Programms aktiv begleiten werden.

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE).(PL) Herr Präsident! In ihrem Programm unternimmt die Kommission den Versuch, die Lage in Europa und in der Europäischen Union zu bewerten und die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, aufzuzeigen. Ich empfehle, wir sehen uns deshalb an, was an den Kommissionsvorschlägen neu und einfallsreich ist. Sie zielen darauf ab, Wohlstand durch Wissen, Solidarität durch Arbeit und Sicherheit durch Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und Durchsetzung des Rechts zu erreichen. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob dieses Aktionsprogramm für eine Institution, die Hüterin der Verträge ist, angemessen ist und ob dies tatsächlich Ihre Prioritäten oder eher eine Reihe von Versprechen und frommen Wünschen ist, von denen Sie hoffen, sie werden sich von selbst erfüllen.

Ich möchte nunmehr zur Sache kommen und mich zunächst den Vorschlägen der Kommission zum Verfassungsvertrag widmen. In dem Programm bedauert die Kommission, dass die Verfassung in absehbarer Zeit nicht ratifiziert wird. Weiterhin erklärt sie, an den nationalen Debatten aktiv teilnehmen und dabei Unterstützung leisten zu wollen. Herr Barroso, dieser Ansatz lässt eine Menge zu wünschen übrig. Es reicht nicht aus, seinem Bedauern Ausdruck zu verleihen und darauf zu warten, dass in den nationalen Debatten eine Lösung gefunden wird. Die Kommission muss Impulse geben.

Das zweite Problem, auf das ich mich konzentrieren möchte, ist die bessere Rechtsetzung. Wir alle sind zwar für eine bessere Rechtsetzung, die wirksamer und für die Bürger auch besser zu verstehen ist, jedoch bezweifle ich, ob es das ist, was die Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach erreichen wird. Beispielsweise ist es ganz offensichtlich, dass mit dem Zurückziehen von 68 Legislativvorschlägen die verbleibenden von der Kommission initiierten Rechtsvorschriften nicht besser oder verständlicher werden. Ebenso wenig werden sie den Bürgern dadurch näher gebracht. Eben das ist nicht mit besserer Rechtsetzung gemeint.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch darauf verweisen, dass die von der Kommission beabsichtigte Einrichtung einer „neuen Struktur“, die für die Implementierung besserer Rechtsvorschriften verantwortlich zeichnet, Schlimmes ahnen lässt, da es bedeuten würde, dass das derzeitige System, in dem Vorlagen nach ihrem Inhalt bewertet werden, durch ein formales Verfahren ersetzt wird. Meinem Eindruck nach handelt die Kommission nach Parkinsons Gesetz und folgt dem Grundsatz, dass eine neue Institution immer dann geschaffen wird, wenn unklar ist, wie man vorgehen soll. Herr Barroso, wir erwarten weniger hochtrabende Worte, weniger Versprechen und mehr mutige und zielführende Taten. Diese Erwartungen hegen nicht nur die Mitglieder dieses Hauses, sondern auch die Bürger der Europäischen Union.

 
  
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  Csaba Őry (PPE-DE).(HU) Herr Präsident! Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2006 geht in die richtige Richtung, was die soziale Verantwortung, das Arbeitsrecht und die Arbeitsplätze angeht. Dies lässt sich mit Sicherheit über die Initiativen zu den Arbeitszeiten, zur Standortverlagerung und zu den Menschen sagen, die aus unterschiedlichen Gründen benachteiligt sind, ebenso wie über die Initiativen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Gleichzeitig müssen wir jedoch sehen, dass die Bürger, die Akteure des Wirtschaftslebens, übermäßig bürokratische Verfahren ablehnen. Daher müssen wir kleine und mittlere Unternehmen so wirksam unterstützen, wie wir nur können, nämlich indem wir das Regelungsumfeld für KMU in der Europäischen Union vereinfachen und transparenter gestalten.

Ich war hocherfreut zu hören, dass sich Kommissionspräsident Barroso ausdrücklich zur Schaffung eines Dienstleistungsbinnenmarkts bekannt hat. Meines Erachtens ist das für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg gleichermaßen notwendig, ebenso wie für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig möchte ich auch hinzufügen, dass die Kommission eine besondere Rolle spielen muss, wenn sie nach Ablauf des Jahres die Erfahrungen mit der Freizügigkeit für Arbeitskräfte bewertet. Wir sind zuversichtlich, dass sie nicht einfach nur eine objektive Analyse erstellen, sondern als wahrer Motor und Katalysator fungieren wird, damit die Übergangsbeschränkungen so bald wie möglich aufgehoben werden. Dies stellt einen entscheidenden Schritt bei der Vollendung des Binnenmarkts dar und wird zur Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze führen.

Daher sind wir überzeugt davon, dass die Kommission sowohl in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung eines Binnenmarkts, der Wachstum gewährleistet, als auch bei der Ausarbeitung eines Regelungsumfelds im Sozialbereich, der auf europäischen Werten beruht, Fortschritte erzielen wird. Damit sind die entscheidendsten Herausforderungen genannt. Wir benötigen eine ausgewogene Politik in diesen Bereichen, um zu gewährleisten, dass wir 2012 nicht den Expressanschluss nach Lissabon verpassen.

 
  
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  Markus Pieper (PPE-DE). – Herr Präsident! Mit dem Arbeitsprogramm für 2006 haben die Europäischen Institutionen eine große Chance. Wir haben die Chance, der Bevölkerung zu signalisieren, dass wir sie verstanden haben: verstanden, dass die negativen Volksentscheide in Frankreich und auch in den Niederlanden etwas mit europäischer Überregulierung und Bevormundung zu tun haben, verstanden, dass Europa nur die Rahmenbedingungen setzen sollte, und sich nicht detailverliebt in die nationalen Kompetenzen einmischen darf.

Ich begrüße, dass die Kommission für 2006 better regulation verspricht. Ich begrüße, dass in der Einleitung zum Arbeitsprogramm von besserer Rechtsetzung sowie von Subsidiarität, Kosteneffizienz und Folgeabschätzung die Rede ist. Ich sehe hier auch gute Ansätze im Arbeitsprogramm, z. B. in den Bereichen Wachstums- und Sicherheitspolitik. Der Gesamteindruck des Arbeitsprogramms ist aber leider eher business as usual als better regulation.

Dazu drei Punkte. Erstens: Finanzielle Vorausschau. Ich vermisse eine aktive Rolle der Kommission bei der Konfliktlösung. Ich vermisse Vorschläge, wie wir auch mit weniger Geld eine schlagkräftige Strukturpolitik betreiben können, etwa durch private Kofinanzierung oder auch durch Zinszuschüsse.

Zweitens: Neue Richtlinien zum Umweltschutz und zur Energieeinsparung. Wir haben allein im Bereich Energieeffizienz bereits mehr als ein Dutzend europäische Rechtsakte. Für jede neue Richtlinie, die jetzt vorgesehen ist, müssten wir eigentlich drei alte aufgeben. In dieser Richtung geschieht aber nichts.

Drittens: Warum zieht Europa mehr und mehr Sozialkompetenz an sich? Brauchen wir wirklich ein europäisches Grünbuch über Rechte von verheirateten und unverheirateten Paaren, so wie es vorgesehen ist? So machen wir uns von Litauen bis Griechenland lächerlich. Der Gesamteindruck des Arbeitsprogramms ist trotz vieler positiver Ansätze leider nicht der, dass wir die Signale der europäischen Bevölkerung verstanden haben.

Ich fordere eine intensivere Debatte über die Legitimation der europäischen Rechtsetzung. Ich fordere einen echten Einstieg in den Ausstieg aus der Überregulierung.

 
  
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  Alexander Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Das Thema ist das Arbeitsprogramm 2006, das wir uns vornehmen wollen. Die erste Anmerkung, die ich nicht nur an die Kommission richte, sondern auch an die Kolleginnen und Kollegen hier im Europäischen Parlament, ist, dass wir das, was wir uns immer selbst auf die Agenda schreiben und fordern – weniger und bessere Regulierung –, auch in unseren Forderungen an die Kommission ernst nehmen, in Bezug darauf, was sie hinsichtlich Binnenmarkt und Effizienz zu präsentieren hat. Wir dürfen nicht unsere eigenen Forderungen regelmäßig konterkarieren, indem wir dann, wenn wir etwas für notwendig halten, sofort nach dem europäischen Gesetzgeber rufen; etwas mehr Selbstdisziplin ist also angebracht.

Was das Thema bessere Rechtsetzung betrifft, sind die ersten Aktionen, die von der Kommission unternommen wurden, sehr positiv, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir bitten die Kommission jedoch, künftig noch konsequenter vorzugehen und auch einen Benchmark zu setzen beim Vergleich der nationalen Umsetzungen bei den Ländern, die das berühmte Goldplating betreiben, und auch einmal transparent zu machen, wer die europäische Gesetzgebung effektiv und gut umsetzt und wer zusätzliche Bürden einführt.

Eine weitere Bitte an die Kommission: Wir haben ja, angestoßen durch den Basel-II-Bericht, die Friends of the Presidency im Bereich der Komitologie zur Erzielung von Vereinbarungen zwischen Kommission, Rat und Parlament über die Rechte des Parlaments. Diese Arbeit beginnt jetzt. Da werden wir in der künftigen Gesetzgebung, was die Komitologie anbelangt, gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen, wesentliche Klauseln haben, die das auslaufen lassen. Hier bitte ich die Kommission – und Kommissar McCreevy hat auch schon entsprechende Vorarbeiten geleistet –, uns zu unterstützen, zu einer Vereinbarung zu kommen, die die Komitologie zwischen Parlament und Rat handhabbarer macht. Der Rat ist hier in einer Position, in der er sich nicht immer gerade sehr kooperativ zeigt.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen allgemeiner Art, und im Anschluss werden ich versuchen, auf konkrete Fragen, die mir gestellt wurden, zu antworten.

Zunächst freue ich mich sehr, und ich beziehe mich dabei auf Herrn Daul als dem Präsidenten der Konferenz der Ausschussvorsitzenden, über die gute Zusammenarbeit, die sich bei der Vorbereitung dieses Arbeitsprogramms zwischen der Kommission einerseits und dem Parlament und seinen verschiedenen Ausschüssen andererseits entwickelt hat. Das ist wichtig, denn wir haben uns bemüht, Ihren Erwartungen möglichst weitgehend gerecht zu werden. Man muss einräumen, ein Mitglied dieses Parlaments hat darauf verwiesen, dass das zu 96 konkreten Maßnahmen geführt hat. Sie fanden, dies sei zu viel, aber nachdem ich Ihnen heute zugehört habe, meine ich, einige von Ihnen hätten sich noch mehr gewünscht. Wir müssen in dieser Frage ehrlich sein. Wir brauchen Ausgewogenheit, und diese Ausgewogenheit setzt voraus, dass man, wenngleich es gilt, klare Prioritäten zu setzen – und wir haben klare Prioritäten für die erneuerte Lissabon-Strategie – dem vielfältigen Charakter der Erwartungen Rechnung tragen muss, die hier in der Diskussion mit Ihnen zum Ausdruck kommen.

Ich habe die Kommission als Ganzes sowie alle Kommissare gebeten, an die Vorbereitung dieses Programms mit Ernsthaftigkeit, Realismus und Objektivität heranzugehen. Ich wünsche mir eine sehr viel höhere Ausführungsrate als in der Vergangenheit. Ich kann Ihnen voller Stolz sagen, dass wir bereits in diesem Jahr eine sehr viel höhere Ausführungsrate als in der Vergangenheit ausweisen werden, was die Arbeiten der Kommission betrifft. Wir haben uns auf bestimmte Ziele konzentriert, die wir wirklich realisieren wollen. Natürlich erstreckt sich unser Gesamtprogramm über fünf Jahre. Wir werden jetzt das Programm für das Jahr 2006 vorstellen. Es wird nicht alles im Jahr 2006 erledigt sein. Ich möchte jedoch, dass Sie unsere Arbeit anhand realistischer und konkreter Ziele beurteilen können.

Im Übrigen möchte ich Ihnen dafür danken, dass sie unsere Initiative zum Thema „Bessere Rechtsetzung“, better regulation, im Allgemeinen so positiv aufgenommen haben. Wie bereits gesagt wurde, geht es hier um ein Anliegen, das sich nicht auf die Kommission beschränkt, sondern das von allen Institutionen, einschließlich des Parlaments, geteilt werden muss.

Lassen Sie mich nun zu den konkreten Fragen kommen, meine Damen und Herren Abgeordnete. Was die Strategie für nachhaltige Entwicklung betrifft, Herr Jonckheer, so möchte ich Ihnen sagen, dass das nicht mein Stiefkind ist, sondern im Gegenteil. Als ich in Gleneagles im Namen der Europäischen Kommission unseren amerikanischen Partnern und anderen die Bedeutung des Klimawandels als große Priorität vor Augen geführt habe, bezog ich mich keineswegs auf ein Stiefkind. Wenn wir eine neue Strategie für nachhaltige Entwicklung ankündigen, die wir im Dezember vorstellen wollen, so zeigt das auch, wie wichtig uns diese Problematik ist. Wenn wir, wie wir es gerade getan haben, eine Reihe thematischer Strategien für die Umwelt beschließen, so zeigt das wiederum unser Interesse am Schutz der Umwelt. Wir werden das also tun. Gleichzeitig werden wir natürlich versuchen, wie ich bereits sagte, unsere verschiedenen Ziele miteinander in Einklang zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie sich gegenseitig verstärken.

Herr Swoboda, Sie haben unter anderem zwei Fragen zur Steuerharmonisierung und zum Europäischen Technologieinstitut gestellt. Was die Steuerharmonisierung betrifft, so müssen wir natürlich respektieren, was Konsens zwischen unseren Mitgliedstaaten ist: dass man nämlich daran gehen muss, eine gemeinsame Besteuerungsgrundlage zu erarbeiten. Deshalb bemühen wir uns, eine Vereinbarung über eine gemeinsame Besteuerungsgrundlage in Europa zu erreichen. Diese wird es nach unserer Überzeugung ermöglichen, die Kosten für Geschäftsabschlüsse und Investitionen in unseren Ländern deutlich zu verringern, wobei gleichzeitig jeder Mitgliedstaat weiterhin die Höhe seiner Unternehmensteuer selbst festlegen kann. Das ist die Position der Europäischen Kommission.

Was die Forschung betrifft, so glauben wir, dass die Spitzenzentren für Forschung überall in der Union verstärkt werden müssen. Aus unserer Sicht müssen die europäischen Hochschulen in Forschung, Bildung und Innovation führend in der Welt sein. Wir müssen uns dafür einsetzen, unsere Hochschulen attraktiver zu machen, damit die Besten aus der ganzen Welt nach Europa kommen, anstatt in die USA zu gehen, wie es heute der Fall ist. Wir können die universitären Spitzenzentren in Europa haben. Deshalb müssen wir einen starken Kooperationsmechanismus zwischen den europäischen Hochschulen entwickeln, um das Wissenspotenzial in Europa maximal zu nutzen. Deshalb sind die Bemühungen um die Schaffung eines Europäischen Technologieinstituts eine wichtige Komponente unserer Strategie für Wachstum und Beschäftigung.

Was die Fragen betrifft, die Sie zur Erweiterung gestellt haben, Frau Grossetête, so respektieren wir Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten und der Europäische Rat einstimmig eingegangen sind. Ich kann dem Parlament versichern, dass die Kommission bei der Bewertung aller Fortschritte der Beitrittsländer strikt und systematisch vorgehen wird.

Das Thema der Familienpolitik und der Demografie haben wir auf die Tagesordnung des Gipfels von Hampton Court gesetzt, und wir haben jetzt ein klares Mandat des Europäischen Rates, einen Beitrag zu diesen Überlegungen oder besser zu konkreten Maßnahmen, die wir hoffen ankündigen zu können, zu leisten. Wir werden auch auf diesem Gebiet aktiv sein.

Hinsichtlich der Sorgen, die mehrere von Ihnen, besonders Herr Crowley, bezüglich der Landwirtschaft und der multilateralen Verhandlungen geäußert haben, kann ich Ihnen garantieren, dass Europa es nicht akzeptieren wird, in diesem Rahmen in eine defensive Position gedrängt zu werden. Aus unserer Sicht sollte wir uns in der Frage der Marktöffnung nicht länger Lektionen von denen erteilen lassen, die an Märkten festhalten, die noch abgeschotteter sind als der unsere, der einer der offensten Märkte der Welt, wenn nicht gar der offenste überhaupt ist. Wir werden antreten, um das europäische Interesse klar zu vertreten.

(EN) Die Rechte der Kinder sind ein weiteres schwieriges Thema, auf das uns Herr Crowley aufmerksam gemacht hat. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein. Vizepräsident Frattini arbeitet derzeit an Vorschlägen für eine Mitteilung, die wir demnächst erörtern wollen und hoffentlich im März 2006 vorlegen können. Zugegebenermaßen ist die Rechtsgrundlage für Regelungen in diesem Bereich nicht sehr klar, aber das sollte uns unserer Ansicht nach dennoch nicht daran hindern, eine bessere Koordinierung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zu den Rechten von Kindern anzustreben. Sie können darauf zählen, dass wir uns für die Rechte von Kindern und alle anderen Fragen im Zusammenhang mit bürgerlichen Rechten einschließlich der von Ihnen angesprochenen Bedenken in Bezug auf die Nichtdiskriminierung einsetzen werden.

Ich möchte etwas zu den Bemerkungen von Herrn Rasmussen sagen. Wir sind ebenfalls der Ansicht, dass wir beide Elemente brauchen – Wirtschaftsreformen und Investitionen. Wir haben auch bereits erste Maßnahmen ergriffen, und Hampton Court war ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Mitgliedstaaten haben auf höchster Ebene vereinbart, dass wir jetzt einige konkrete Bereiche für Investitionen und einen abgestimmten Ansatz auf europäischer Ebene auswählen und versuchen sollten, die europäische mit der einzelstaatlichen Ebene zu verbinden. Denkbar wäre dies beispielsweise in den Bereichen Energie und Forschung.

Es gibt jetzt einige Bereiche, in denen wir deutlich machen können, dass wir uns gemeinsam engagieren und dass wir einen koordinierten Ansatz für einen wirtschaftlichen Ordnungsrahmen in Europa verfolgen. Darin sind wir uns einig. Die Schwierigkeit, Herr Rasmussen und liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht darin, dass wir uns im letzten Jahr der Finanziellen Vorausschau für diesen Zeitraum befinden. Es ist jetzt unmöglich, sämtliche Prioritäten für dieses Jahr umzustellen. Was unsere Analyse der nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten betrifft, so geschieht das, was wir jetzt tun und – da können Sie sicher sein – was wir künftig tun werden, durchweg im Rahmen der neuen Lissabon-Strategie; unsere Bemühungen, weiter voranzukommen, basieren nicht nur auf einem Ansatz, der unsere Maßnahmen im Bereich der Wirtschafts- und Strukturreform untermauert, sondern auch auf einem allgemeineren ganzheitlichen Ansatz zur Förderung der Investitionstätigkeit, mit dem wir Wachstum und Beschäftigung in Europa ankurbeln wollen. Das möchte ich unterstreichen, denn das ist ein gutes Beispiel für einen Ansatz auf europäischer Ebene, der einen zusätzlichen Nutzen für die Mitgliedstaaten und deren Bemühungen bringt. Eben dieser Gedanke der Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Parlament bildet die Grundlage, auf der wir unsere Zusammenarbeit mit Ihnen für ein erneuertes, stärkeres und zielgerichteteres europäisches Projekt fortsetzen wollen.

(Beifall)

 
  
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  Präsident. – Das Parlament dankt dem Kommissionspräsidenten und dem, wie ich schon sagte, so vollständig anwesenden Kollegium der Kommissare.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am 14. Dezember 2005 statt.

(Die Sitzung wird um 12.10 Uhr bis zur Abstimmungsstunde unterbrochen und um 12.15 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: LUIGI COCILOVO
Vizepräsident

 

8. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
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  Lissy Gröner (PSE). – Herr Präsident! Ich bin im Moment etwas außer mir. Ich komme gerade durch die Passerelle vom Winston Churchill-Gebäude. Dort gibt es eine Ausstellung, in der Schwangerschaftsabbruch und Konzentrationslager in einer Ausstellung gezeigt werden. Ich bin empört, dass so etwas im Europäischen Parlament wieder möglich ist.

(Beifall)

Ich bitte, die Ausstellung sofort zu stoppen, auch wenn sie die Genehmigung bekommen hat. Es sind Bilder, die gegen die Ehre aller Frauen gerichtet ist. Ich bitte, die Ausstellung umgehend zu stoppen.

(Beifall)

 
  
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  Präsident. – Vielen Dank, Frau Gröner. Ich versichere Ihnen, dass wir, soweit das Präsidium zuständig ist, diesen Hinweis umgehend an die Quästoren weiterleiten werden, um als Erstes zu prüfen, ob die Ausstellung offiziell genehmigt wurde, und um festzustellen, ob angesichts ihres Inhalts Anlass besteht, ihren Abbruch zu fordern.

 
  
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  Geoffrey Van Orden (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich bitte um die Nachsicht des Hauses, wenn ich hier auf die jüngsten furchtbaren Entwicklungen im Fall der in Libyen inhaftierten bulgarischen Krankenschwestern aufmerksam mache. Heute Morgen hat das Oberste Gericht Libyens eine Entscheidung in diesem Fall auf Januar 2006 vertagt. Die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass es sich hier um einen ganz haarsträubenden Fall handelt. Die Krankenschwestern befinden sich seit über sechs Jahren in Haft und wurden vor über einem Jahr zum Tode verurteilt. Es ist ein Skandal, dass sich der Fall in dieser Weise hinzieht.

Deshalb rufe ich den Rat und die Kommission auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um ihren Einfluss bei den libyschen Behörden geltend zu machen und Druck auf sie auszuüben, um diesen Fall zu einem zufrieden stellenden Abschluss zu bringen und die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern wie auch des palästinensischen Arztes zu erwirken.

(Lebhafter Beifall)

 
  
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  Präsident. – Wir nehmen den Antrag gemäß der Geschäftsordnung an.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte es ganz kurz machen. Da diese Angelegenheit, die Herr Van Orden hier geschildert hat, etwas ist, was alle Fraktionen gleichermaßen betrifft, möchte ich dieses Anliegen voll und ganz unterstützen und die Kommission, aber auch den Präsidenten dieses Hauses bitten, sofort aktiv zu werden, damit es endlich zu einer Befreiung dieser Schwestern und des palästinensischen Arztes kommen kann.

(Beifall)

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Was Frau Gröners Thema betrifft, so möchte ich das Präsidium bitten, keine Zensur auszuüben, sondern uns Gelegenheit zu geben – ich kenne die Ausstellung nicht –, sie anzuschauen und dann morgen mit Mehrheit darüber zu entscheiden, wie das in einer Demokratie üblich ist.

(Beifall)

 
  
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  Präsident. – Was die letzte Wortmeldung betrifft, so versichere ich Herrn Posselt, dass das Präsidium mitnichten die Absicht hat, irgendeine Form der Zensur auszuüben. Wir haben lediglich die Pflicht, durch unsere Quästoren prüfen zu lassen, ob Genehmigungspraxis und –verfahren tatsächlich eingehalten wurden und ob die Maßnahme und die Ausstellung in Inhalt, Form und Bildern mit den Regeln des Parlaments und der von uns verfolgten Praxis im Einklang stehen. Ich denke, dass die Quästoren diese Überprüfung akribisch und unparteiisch vornehmen werden.

 

9. Abstimmungsstunde

10. Verbreitung empfehlenswerter Verfahren und Beobachtung der IKT-Einführung

11. Europaweites terrestrisches öffentliches Funkrufsystem

12. Gemeinsame Marktorganisation für Saatgut

13. Gemeinsame Marktorganisation für Hopfen

14. Gemeinsame Marktorganisation für Wein

15. Ermöglichung von Finanzierungen durch die EBWE in der Mongolei

16. Visa für die Olympischen und/oder Paralympischen Winterspiele 2006 in Turin

17. Soziale Sicherheit für Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige bei Zu- und Abwanderung innerhalb der EG
  

- Vor der Abstimmung:

 
  
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  Patrizia Toia (ALDE), Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Aufgabe, das Plenum davon in Kenntnis zu setzen, dass zu diesem Text, wenn er in der vorliegenden Fassung gebilligt wird, eine Einigung mit dem Rat erzielt worden ist, so dass er in erster Lesung angenommen werden könnte.

Gleichwohl ersuche ich die Kommission, im Rahmen der Beratungen über andere Verordnungen einige von den Kollegen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten eingereichte Änderungsanträge zu berücksichtigen, die wir aus juristischen Gründen derzeit nicht übernehmen konnten. Diese Änderungsanträge betreffen die Sonderleistungen bei Geburt und Adoption und somit die Möglichkeit, diese Formen von Sozialleistungen EU-weit einzuführen und die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern. Ich beantrage deshalb, diese Themen, zu denen es bereits einen gemeinsamen Standpunkt gab, in die nächsten Verordnungen aufzunehmen.

 

18. Aktionsplan zur Erholung der Aalbestände
  

- Vor der Abstimmung:

 
  
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  Albert Jan Maat (PPE-DE), Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident! Mir ist es eine besondere Ehre, Ihnen diesen Bericht vorstellen zu dürfen. Es ist ein Initiativbericht, und es gibt auch gute Gründe dafür, denn die Aalbestände in Europa sind um 95 % zurückgegangen. Auch ohne Europäische Verfassung können wir als Fischereiausschuss dafür Sorge tragen, dass ein Initiativvorschlag, wie der uns nunmehr vorliegende, in eine Richtlinie umgesetzt wird. Mein Dank gebührt der Kommission für ihre zügige Arbeit. Derzeit liegt eine neue Richtlinie auf der Grundlage dieses Berichts vor, was beweist, dass wir im Fischereiausschuss die Möglichkeit haben, eine schlagkräftige Fischereipolitik in Europa zu konzipieren und sicherzustellen, dass die Aalbestände erhalten bleiben, dass die Ausfuhr von Glasaal nach Zentralasien beschränkt wird und dass insbesondere Kontrollmaßnahmen getroffen werden, damit die Mitgliedstaaten dieses Problem endlich in Angriff nehmen können.

 

19. Eventueller Verstoß gegen das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften durch einen Mitgliedstaat

20. Die soziale Dimension der Globalisierung
  

- Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 5:

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich möchte einen ein Wort umfassenden mündlichen Änderungsantrag einbringen, der vom Berichterstatter und hoffentlich auch anderen Parteien unterstützt wird und der, wie ich hoffe, nicht kontrovers ist. Er betrifft die soziale Verantwortung von Unternehmen.

Derzeit lautet der Änderungsantrag wie folgt: „unterstützt die Bemühungen der Kommission, die multinationalen Unternehmen für ihre soziale Verantwortung zu sensibilisieren, die bislang nur geringe Erfolge aufweisen konnten”. Der mündliche Änderungsantrag sieht vor, das Wort „geringe“ durch „begrenzten“ zu ersetzen, so dass es jetzt heißt: „…die bislang nur begrenzten Erfolg aufweisen konnten“.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

Präsident. – Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.

 

21. Stimmerklärungen
  

- Bericht Daul (A6-0300/2005)

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Angesichts der enormen Bedeutung des Weinmarktes für Portugal sollten sowohl Politiker als auch die direkter Beteiligten dieser Thematik den ihr gebührenden Stellenwert einräumen. Ich habe für diesen Vorschlag gestimmt, da die portugiesischen Landwirte keine grundlegenden Einwände dagegen erhoben haben und er breite Unterstützung findet.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die technischen Änderungen, deren Einführung in die Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Wein in dem Bericht Daul vorgeschlagen wird, zielen auf die weitere Vervollkommnung der önologischen Verfahren ab und scheinen demnach in die von mir gewünschte Richtung einer stärkeren Erweiterung des europäischen Angebots von Erzeugnissen auf diesem Sektor zu gehen.

Darüber hinaus haben wir den gesetzlichen Auftrag, die Verbraucher zu schützen, umso mehr, als doch heute Fälschungen und Nachahmungen von Lebensmitteln trotz der Bemühungen der Institutionen und der einschlägigen Kontrollorgane nicht aufzuhalten sind. Ebenso müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produkte schützen, die nur auf dem Weltmarkt bestehen können, wenn sie in puncto Qualität den Sieg davontragen. Hierfür ist es erforderlich, eine bessere Überwachung des Herstellungsverfahrens und der anschließenden Haltbarmachungsphasen zu gewährleisten.

Ferner billige ich die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen für die Schaumweinerzeugung, weil damit nicht nur der italienische Markt, sondern auch eine handwerkliche Kultur und Tradition geschützt werden, für deren Erhalt ich mich stets unermüdlich einsetzen werde. Schließlich halte ich auch den Vorschlag betreffend die Zulassung bestimmter Angaben bei der Etikettierung der Erzeugnisse für sinnvoll. Deshalb habe ich dem hervorragenden Bericht von Herrn Daul meine Zustimmung gegeben und auch die fraktionslosen EP-Mitglieder gebeten, ihn zu unterstützen.

 
  
  

- Berichte Daul (A6-0295/2005), (A6-0299/2005), (A6-0300/2005)

 
  
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  Hélène Goudin, Nils Lundgren und Lars Wohlin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Wir haben gegen die drei Berichte Daul gestimmt. Darin werden zwar kleinere Veränderungen an den geltenden Verordnungen angestrebt, wir wollen aber unseren grundsätzlichen Widerstand gegen eine gemeinsame Marktorganisation für Saatgut, Hopfen und Wein betonen. Die ganze gemeinsame Agrarpolitik ist ein absurdes Unterfangen und gehört abgeschafft.

 
  
  

- Bericht Berès (A6-0298/2005)

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich. (EN) Ich begrüße den Bericht meiner Kollegin Frau Berès zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) zwecks Ermöglichung von Finanzierungen in der Mongolei. Ich hatte im Mai dieses Jahres Gelegenheit, als Teilnehmer einer Tagung des Ausschusses der Sozialistischen Internationale für Asien und den pazifischen Raum in Ulan-Bator erstmals die Mongolei zu besuchen.

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen zentralasiatischen Ländern hat in der Mongolei seit dem Ende des Kommunismus eine rasante demokratische Entwicklung stattgefunden, in deren Verlauf die politische Macht mehrfach friedlich von einer Partei auf eine andere überging. Die Mongolei ist ein armes Land, in dem die Dürreperioden der letzten Jahre enorme Probleme verursacht haben. Das Land ist dringend auf Hilfe zur Umsetzung des ehrgeizigen Entwicklungsprogramms der Regierung angewiesen. Die heutige Abstimmung ist ein Beitrag zu diesem Prozess, den ich nachdrücklich unterstütze. Ich hoffe, dass wir damit für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel sorgen.

 
  
  

- Bericht Zappalà (A6-0313/2005)

 
  
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  Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. (PT) Die Olympischen und die Paralympischen Spiele 2004 in Athen waren die ersten, die in einem EU-Mitgliedstaat stattfanden, der zum Schengener Raum gehört, in dem an den Binnengrenzen keine Grenzkontrollen stattfinden.

Darum wurde die Verordnung 1295/2003 angenommen, um das Verfahren sowohl zur Beantragung als auch zur Erteilung von Schengen-Visa für Mitglieder der olympischen Familie zu vereinfachen, die an den Olympischen und Paralympischen Spielen 2004 in Athen teilnahmen.

In der Praxis sollte sie ihnen ermöglichen, in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, in dem die Spiele stattfanden, ohne sich weiteren Verfahren oder Formalitäten unterziehen zu müssen, und neben dem Reisepass oder anderen amtlichen Reisedokumenten im Besitz eines Ausweises und einer Akkreditierungskarte zu sein.

Der Bericht über die Umsetzung in Griechenland kam zu dem Schluss, dass die Ausnahmeregelung ein flexibles und wirksames Instrument darstellte, mit dem das im Schengener Raum notwendige Sicherheitsniveau nicht beeinträchtigt würde.

Deshalb habe ich diesem Bericht zugestimmt, der ein nahezu identisches System vorschlägt, wenn auch diesmal im Mitentscheidungsverfahren und mit einigen Änderungen zur Anpassung an die Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Turin.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Die Anpassung der Visaverfahren für Teilnehmer der Olympischen Spiele 2004 in Athen, mit der Griechenland in die Lage versetzt werden sollte, sowohl den Anforderungen von Schengen als auch seinen Verpflichtungen aus der Olympischen Charta nachzukommen, erwies sich als großer Erfolg. Ich freue mich über den Vorschlag, den Teilnehmern der Olympischen bzw. Paralympischen Winterspiele 2006 die gleichen Bedingungen zu gewähren.

 
  
  

- Bericht Toia (A6-0293/2005)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Wir haben für diesen Bericht gestimmt, der den Vorschlag der Kommission verbessert, die Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 zu aktualisieren, um den Änderungen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu Sozialversicherungssystemen, insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten nach Abschluss der Beitrittsverhandlungen, Rechnung zu tragen. Ferner soll die Liste der Bestimmungen in den Sozialversicherungsabkommen, die ihre Gültigkeit behalten und durch die Verordnung 1408/71 nicht ersetzt wurden, aktualisiert werden, und es werden technische Korrekturen vorgeschlagen.

Im Großen und Ganzen verbessern die soeben angenommenen Vorschläge die bestehenden Rechtsvorschriften, sie gewährleisten die Rechtssicherheit bis zum In-Kraft-Treten der neuen Verordnung, und sie tragen dazu bei, den Schutz zu verstärken, der auf Arbeitnehmer ausgeweitet wird, die sich für Mobilität in der EU entscheiden.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Ich unterstütze diesen Bericht, der trotz seines technischen Charakters die Aufmerksamkeit auf Umstände lenkt, die das Grundrecht der Freizügigkeit, das die EU-Bürger angeblich genießen, beeinträchtigen können.

Obwohl ich die Zuständigkeit der EU für die Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit eigentlich nicht befürworte, bin ich der Ansicht, dass mehr getan werden muss, um die Übertragbarkeit bestimmter Ansprüche zu verbessern.

So wird beispielsweise Behinderten ihr Recht auf Freizügigkeit – z. B. bei der Arbeitssuche – praktisch vorenthalten, weil sie an ihrem neuen Standort gegebenenfalls nicht Anspruch auf die gleiche Unterstützung wie vorher haben. Das ist eines von vielen Problemen, die noch geklärt werden müssen.

 
  
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  Christa Klaß (PPE-DE), schriftlich. Die Änderung der Verordnung 1408/71 bezweckt die jährliche Aktualisierung um die Verbesserung von Lebensstandard und Arbeitsbedingungen der Bürger der EU zu erreichen. Ich habe dem zugestimmt.

Allerdings darf nicht der Blick auf dringend notwendige inhaltliche Änderungen vergessen werden.

So widerspricht es dem Geist der VO wenn z. B. vom deutschen Arbeitgeber für polnische Saisonarbeitskräfte Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 47,85 % (Arbeitgeber 20,64 %, Arbeitnehmer 27,27 %) nach Polen, mit einem unzumutbaren bürokratischen Aufwand abgeführt werden müssen, zumal wenn die Tätigkeit der Saisonarbeitskräfte vor dem Beitritt Polens zur EU nach deutschem Recht sozialversicherungsfrei war.

Dies führt für die Arbeitgeberbetriebe zu dramatischen, existenzgefährdenden Kostensteigerungen, die nicht über Preiserhöhungen ausgeglichen werden können. Auch die Saisonarbeitskräfte werden nicht für einen um 27 % verminderten Nettolohn arbeiten wollen. Die Folge ist, dass sie nur noch begrenzt eingeladen werden, mit entsprechenden negativen finanziellen Folgen für den Aufbau der Beitrittsländer.

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt kann der Bedarf an Saisonarbeitskräften erfahrungsgemäß nicht gedeckt werden. Es gibt somit Verlierer auf allen Seiten. Hier bedarf es dringender Vereinfachung, die mit Unterstützung der Kommission direkt in bilateralen Abkommen geregelt werden müssen, bzw. sollten klassische Saisonarbeitertätigkeiten wie z. B. Erntehelfer ganz aus dem Geltungsbereich der VO 1408/71 bzw. der Nachfolge-VO 883/2004 einschließlich der noch nicht erlassenen Durchführungs-VO herausgenommen werden.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Obwohl dieser Bericht im Wesentlichen eine technische Anpassung darstellt, sollte seine Bedeutung für die Erlangung echter Freizügigkeit auf dem Binnenmarkt nicht unterschätzt werden. Der Bericht wird dazu beitragen, dass die Regelungen zu den Sozialversicherungssystemen in der EU vereinfacht werden. Ferner zielt er darauf ab, die begonnene Vereinfachung der Verfahren für die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen im Ausland zu vervollständigen, indem einige dieser Änderungen auf die entsprechenden Verfahren für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausgedehnt werden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) In der Begründung zu diesem Bericht wird ganz richtig festgestellt: „Die Verordnung spielt eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung einer der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union, d. h. der Freizügigkeit der europäischer Bürger. Denn die Möglichkeit, frei in der Europäischen Union zu leben, zu arbeiten und zu reisen – mit möglichst geringen finanziellen oder administrativen Hemmnissen – ist ein greifbarer Vorteil, den die EU-Zugehörigkeit den Bürgern bietet“.

Das ist tatsächlich der Fall. Die mit dem Sozialschutz, der den Bürgern der EU-Mitgliedstaaten gewährt wird, verknüpften Möglichkeiten spielten und spielen eine maßgebende Rolle bei der Förderung der wahrhaften Freizügigkeit.

Das Thema sind hier nicht die Sozialversicherungsmodelle oder die Regelungen für die verschiedenen Systeme, sondern es geht vielmehr darum, das anzupassen und zu aktualisieren, was in den derzeitigen Rechtsvorschriften angepasst und aktualisiert werden muss. Ich habe dafür gestimmt, entspricht doch diese Anpassung den Zielen und Grundsätzen der betreffenden Verordnung.

 
  
  

- Bericht Maat (A6-0284/2005)

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe mit einem gewissen Maß an Enttäuschung für den Bericht Maat gestimmt, der leider nicht weit genug geht. Im Forest of Dean, den ich vertrete, wurden vor 40 Jahren von der einheimischen Bevölkerung große Mengen Jungaale (Glasaale) gefangen und auf der Straße zum Verzehr als Teil des traditionellen Frühstücks mit Bacon und Eiern verkauft. In den letzten Jahren sind die Bestände ständig zurückgegangen, und angesichts der Nachfrage aus dem Fernen Osten, den Ostsee-Anrainerstaaten und dem übrigen Europa ist der Jungaal von unserem Speisezettel verschwunden, weil er an Aalaufzuchtbetriebe ins Ausland exportiert wird. Daran wird sich wohl kaum etwas ändern, doch dem kleinen, aber bedeutenden Wirtschaftszweig kann geholfen werden.

Die größten Probleme dabei sind offenbar folgende: 1. Ein Mangel an wissenschaftlichen Informationen über den Lebenszyklus von Jungaalen. Wir sind uns nicht einmal sicher, wo sich ihre Laichgebiete befinden, wenngleich vieles auf die Sargasso-See deutet. 2. Zunehmende Verschmutzung und mehr und mehr Hindernisse, die den Aalen den Zugang zu den Bächen, Flüssen und Wassergräben, in denen sie wachsen und gedeihen, verwehren. Die Jungaalbestände schwanken, wenngleich ein genereller Rückgang zu beobachten ist. Welche Methoden am wirkungsvollsten sind, ist unklar. Auf jeden Fall sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich.

Hoffentlich wird dieser Bericht dafür sorgen, dass die Kommission endlich wirksame Maßnahmen zur Unterstützung dieses Sektors einleitet.

 
  
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  Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. (PT) Die Aalbestände in Europa sind in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Eingedenk des komplizierten Fortpflanzungsprozesses des Europäischen Aals müssen unbedingt Schritte unternommen werden, um die zunehmende Tendenz, die zum Aussterben dieser Fischart führen könnte, umzukehren.

Neben einer Reihe von sofort zu treffenden Dringlichkeitsmaßnahmen bietet sich auch eine ganze Palette von mittel- und langfristigen Maßnahmen an, die man ergreifen sollte, um dafür zu sorgen, dass sich die Aalbestände zunächst erholen und dann ordentlich bewirtschaftet werden. Hierzu gibt dieser Bericht einige Empfehlungen, die ich in vollem Umfang unterstütze.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Wir begrüßen den gemeinschaftlichen Aktionsplan zur Erholung der Bestände des Europäischen Aals in der vorgeschlagenen Form. Er berücksichtigt die Notwendigkeit sozioökonomischer Maßnahmen zur Unterstützung der Fischer, die Finanzierung von Maßnahmen aus Gemeinschaftsmitteln – vor allem mit einer eigenen Haushaltslinie –, verlässliche Daten zum Zustand der Fischbestände und eine Untersuchung der Gründe für den Rückgang der Bestände, z. B. Verschmutzung.

Diese Maßnahmen sollten, so lautet unsere Empfehlung, als Teil eines umfassenderen Korpus von Erholungsprogrammen umgesetzt werden, was von der Mehrheit im Parlament unverständlicherweise abgelehnt wurde.

Zu den nationalen Plänen in den einzelnen Mitgliedstaaten möchten wir jedoch drei Gesichtspunkte hervorheben:

- den Vorsorgecharakter der Pläne angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Zahlen der Aalbestände und der räumlichen Verteilung aufeinander folgender Aalgenerationen;

- die Notwendigkeit, praktische Maßnahmen vorzusehen, um gegen die Entstehung physischer Hindernisse vorzugehen, die die Wanderung des Aals in den Gewässern behindern könnten;

- das Erfordernis einer verstärkten wissenschaftlichen Forschung und Sammlung von Daten zum Fisch, zur Aquakultur und zum Export.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Dieser Bericht befasst sich mit dem dramatischen Rückgang der europäischen Aalbestände. Dieser ist offenbar nicht auf eine Überfischung zurückzuführen, sondern hängt mit Umweltfaktoren zusammen. Wir müssen unbedingt die genauen Ursachen dafür ermitteln, seien es PCB, die globale Erwärmung oder Fischkrankheiten. Wir brauchen diese Informationen nicht nur, um Maßnahmen zum Schutz der Aalbestände einzuleiten, sondern auch, weil sie womöglich auf Umweltprobleme allgemeinerer Art hindeuten.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI), schriftlich.(FR) Nachdem die Bestände zurückgegangen waren, hat die Europäische Kommission unter dem Vorwand, die europäischen Aale schützen zu wollen und ihre Wanderung zum Meer rechtlich zu gewährleisten, am 1. Oktober 2003 einen Plan zur Bewirtschaftung des Gelb- und Silberaals vorgelegt.

Für Frankreich gelten beispielsweise 399 Tonnen Fangmenge gegenüber 2 064 Tonnen für Ägypten. Hinzu kommt aber auch der Zuchtaal in den Niederlanden mit einer Produktion von 3 800 Tonnen. So versteht man, dass der Niederländer Jan Maat sich für das Thema interessiert und einen Bericht darüber erstellt.

Da die niederländischen Zuchtfische mit Fischbrut oder Glasaalen gefüttert werden, die in den Teichen an der Mittelmeerküste gefangen werden, ist man zu Recht beunruhigt.

Die Fischer des Languedoc-Roussillon, beispielsweise in Palavas oder in Pérols sehen mit Sorge, wie ihre traditionellen und auf den Schutz der Bestände in der Zukunft gerichteten Methoden in Frage gestellt werden. Sie wollen erwachsene Aale fischen und nicht Glasaale, deren Fangverbot seit zehn Jahren eine Zunahme der Bestände ermöglicht hat.

Die bürokratischen Vorschläge zu Kontrolle, Beschränkungen, Begleitmaßnahmen, Erklärungen, Fangverbote bedrohen das Überleben dieser traditionellen Fischer. Ich bin also gegen diesen Bericht, um diesen Beruf freier Männer zu retten.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Dieses Thema ist für Portugal und die portugiesischen Fischer von größter Bedeutung, und ich teile die vom Berichterstatter geäußerten Sorgen. Neben anderen, ebenso wichtigen Punkten gibt es meines Erachtens stichhaltige Gründe, die Unterbreitung von Vorschlägen zu unterstützen, wie man die Betroffenen der sozioökonomischen Folgen von Fang- und Exportbegrenzungen für Europäischen Aal entschädigen kann.

Deshalb habe ich dafür gestimmt.

 
  
  

- Bericht Gargani (A6-0316/2005)

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, ich möchte einen Antrag auf eine mündliche Erklärung zur Abstimmung über den Bericht Gargani stellen. Die Strafkammer des französischen Kassationsgerichtshofs, die ihrem Namen niemals so sehr Ehre gemacht hat, hat eine echte Verletzung der Amtspflicht begangen. Das durch den Präsidenten Herrn Cotte, die Berichterstatterin Frau Caron, und die Berater Herrn Le Gall, Herrn Pelletier, Herrn Corneloup, Frau Ponroy und Frau Koering-Joulin, ergangene Urteil bedeutet eine schwere und vorsätzliche Verletzung von Artikel 26 der französischen Verfassung betreffend die parlamentarische Immunität, indem es den Schutz dieser Immunität in der Rechtssache der illegalen Telefonabhörung gegen die Person unseres ehemaligen Kollegen Marchiani ablehnt. Selbstverständlich äußere ich mich nicht zum Inhalt der Rechtssache.

Mit ihrem Handeln haben diese Richter das Protokoll vom 8. April 1965 und die Akte vom 20. September 1976 schwerwiegend und vorsätzlich verletzt, beides internationale Verträge, die gemäß Artikel 55 der französischen Verfassung Vorrang gegenüber den innerstaatlichen Gesetzen haben. Diese schamlose Äußerung der Missachtung des Rechts durch den Richter muss als solche bestraft werden, und wir hoffen, dass die einstimmige Entschließung von Herrn Gargani und dem Rechtsausschuss dazu einen Beitrag leisten wird.

 
  
  

- Bericht Brejc (A6-0308/2005)

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Ich möchte noch eine mündliche Stimmerklärung zum Bericht Brejc abgeben, wenn das möglich ist.

Mit der kontinuierlichen Abschaffung von Handelsschranken haben wir die politischen Bedingungen geschaffen, die gemeinsam mit dem Fortschritt der Kommunikationstechnologie und gesunkenen Transportkosten Globalisierung erst ermöglichen. Ein Drittel des globalen Güterverkehrs ist allein auf den Transport zwischen verschiedenen Betriebsstätten derselben Firmen zurückzuführen. Die Beförderung quer durch Europa mit ihren negativen Folgen wie Umweltbelastung oder Gefährdung der Menschen entlang der Transitrouten haben wir eifrig mit EU-Geldern unterstützt und dabei Klein- und Mittelbetriebe, welche die wahren Arbeitgeber in Europa sind, sträflichst vernachlässigt. Bedenklich ist aus meiner Sicht auch, wenn die Kommission einen Globalisierungsfonds einrichtet, gleichzeitig aber die Förderung der Bauern, die auch von den negativen Folgen der Globalisierung betroffen sind, kürzen will. Solange wir mit unseren Förderungsprogrammen viel zu viel Geld vernichten, für Arbeitsplatzverschiebung sorgen, schwarzen Schafen nicht ordentlich auf die Finger klopfen und die wahren Ursachen ignorieren, so lange hält uns die Globalisierung im Würgegriff. Deshalb habe ich gegen den Bericht Brejc gestimmt.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident! Der Bericht Brejc ist ein weiteres ziemlich weltfremdes Dokument und ein weiteres typisches Beispiel für die Papiere, die dieser Institution entstammen und alle Antworten in neuen internationalen Normen innerhalb neuer internationaler Institutionen suchen. Da fragt man sich schon, ob wir davon nicht bereits genug haben und wer das alles weiterhin bezahlen soll.

Im Übrigen stelle ich praktisch fest, dass wir dieses Jahr Beitrittsverhandlungen mit einem islamischen Land führen, in dem Kinderarbeit und die Diskriminierung von Frauen die Norm sind. Meines Erachtens täten wir besser daran, uns weiterhin darauf zu konzentrieren, anstatt unverbindliche Ansichten über die soziale Dimension der Globalisierung wiederzugeben.

Wenn wir doch darüber sprechen müssen, dann sollten wir eigentlich China nicht unerwähnt lassen. Jenes Land, mit dem wir so eng befreundet sind, jenes Land, in das Vertreter parlamentarischer Einrichtungen sämtlicher europäischer Länder munter reisen. Nun, das Land gehört zwar der Welthandelsorganisation an, setzt sich jedoch rücksichtslos über alle grundlegenden sozialen Normen und Vorschriften hinweg und wird daran in keiner Weise gehindert. Es stimmt nicht, dass wir imstande sind, die soziale Dimension der Globalisierung zu transformieren, wenn wir uns doch entschieden haben, nichts gegen China zu unternehmen. Das möchte ich erleben.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, ich will mich kurz fassen. Ich habe aus eben den Gründen, die einige meiner Kollegen erläutert haben, gegen den Bericht Brejc gestimmt. Dieses Haus scheint seine eigenen Dokumente nicht zu lesen. Die Gemeinsame Agrarpolitik wurde radikal reformiert, und die Abstimmung heute Morgen untermauert faktisch die unwahre Behauptung, dass es den Armen in Afrika besser gehen wird, wenn wir nur alle Agrarsubventionen der EU kürzen. Das ist ein fataler Irrtum, und deshalb habe ich gegen den Bericht gestimmt.

 
  
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  Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. (SV) Die Mitglieder der Moderaten Sammlungspartei haben heute gegen den Bericht über die soziale Dimension der Globalisierung gestimmt, da er von einer falschen Grundeinstellung zur Globalisierung ausgeht. Die Globalisierung unterliegt einem ständigen Veränderungsprozess, der zu Freiheit und Wohlstand für immer mehr Menschen beiträgt. Über freien Handel, zunehmende internationale Investitionen und Wissenstransfer erzeugt die Globalisierung bessere Voraussetzungen für das Wirtschaftswachstum. Im Rahmen einer demokratischen Entwicklung werden für die Entwicklungsländer Möglichkeiten geschaffen, der Armut zu entrinnen. Mit ihrem freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr bietet die EU ein positives Beispiel für Globalisierung.

Diktaturen empfinden die Veränderungskraft der Globalisierung als Bedrohung für ihre eigenen geschlossenen Gesellschaften. Wir Mitglieder der Moderaten Sammlungspartei begrüßen die Globalisierung und ihre Rolle als Katalysator der Demokratie.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Leider hat die Mehrheit im Parlament unsere wichtigsten Vorschläge abgelehnt, die einen Bericht verbessert hätten, der voller Widersprüche steckt und höchst unbefriedigend ist, und das bei einem so bedeutenden Thema wie der sozialen Dimension der Globalisierung.

Abgelehnt wurden also unsere Vorschläge, die auf eine Änderung der derzeitigen neoliberalen Wirtschafts- und Währungspolitik auf dem Gebiet des internationalen Handels abzielten, und der Vorschlag zur Bekämpfung von Finanzspekulationen auf den weltweiten Kapitalmärkten bei gleichzeitiger Förderung von Investitionen und Schaffung von Reichtum in der realen Wirtschaft.

Ebenfalls abgelehnt wurde unser Vorschlag, die Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie und des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu verurteilen, die in der EU als Instrumente dazu dienen, die Liberalisierung und Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen voranzubringen, die Arbeitsmärkte flexibler und anpassungsfähiger zu machen, eine Lohnmäßigung durchzusetzen und die meisten Bereiche der sozialen Sicherheit, wie etwa Renten und Gesundheit, für private Firmen zu öffnen.

Teilweise angenommen wurde immerhin der Vorschlag, mit dem die Notwendigkeit einer sozialpolitischen Agenda für die Entwicklung von Städten mit dem Schwerpunkt auf Integration und Kohäsion betont wird, wofür Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und der Wahrung von Arbeitnehmerrechten vorzusehen sind.

Deshalb haben wir uns bei der Schlussabstimmung enthalten.

 
  
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  Hélène Goudin, Nils Lundgren und Lars Wohlin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Die Entschließung zu der sozialen Dimension der Globalisierung enthält Vorschläge, die in den meisten Fällen dazu führen würden, dass der EU mehr Macht übertragen wird. Wir sind gegen diese routinemäßige EU-Zentralisierung ohne vernünftige Analyse oder Begründung.

Es kann kein gemeinsames Konzept der EU für die soziale Dimension der Globalisierung geben, da ihre Mitgliedstaaten so verschieden sind. Das gilt beispielsweise für das Steuerniveau oder für den Sozialschutz. Anstatt zur Durchführung einer von oben verordneten Politik gezwungen zu werden, sollten die EU-Mitgliedstaaten stattdessen über den institutionellen Wettbewerb voneinander lernen. Unserer Ansicht nach sollten Reformen in jedem Land die Unterstützung der Basis genießen.

Darüber hinaus meinen wir, dass den weniger entwickelten Ländern das Recht eingeräumt werden könnte, ihre Einfuhr von Agrarprodukten bis auf weiteres zu regulieren.

In Anbetracht der vorgenannten Tatsachen haben wir uns entschlossen, wir in der Schlussabstimmung gegen die Entschließung zu stimmen. Wir unterstützen jedoch die Änderungsanträge zu einer einschneidenden Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Abschaffung der Ausfuhrbeihilfen. Außerdem sind wir für den Vorschlag, dass die EU ihren Markt für Waren aus weniger entwickelten Ländern öffnen muss.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Ich habe für den Standpunkt des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten gestimmt, der bereits im Ausschuss durch verschiedene Änderungsanträge verbessert worden war.

Heute habe ich zudem Änderungsanträge befürwortet, die eine obligatorische soziale und ökologische Berichterstattung vorsehen und auf Reformen der GAP gerichtet sind, die die Armut tatsächlich beseitigen würden.

 
  
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  Toine Manders (ALDE), schriftlich. (NL) Die Delegation der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) war der Meinung, gegen den geänderten Bericht Brejc über die soziale Dimension der Globalisierung stimmen zu müssen.

In einem angenommenen Änderungsantrag der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken werden die Kommission und der Rat aufgefordert, eine sozialpolitische Agenda auf europäischer Ebene zu fördern. Nach Ansicht der VVD ist die Sozialpolitik Aufgabe der Mitgliedstaaten. Das niederländische Referendum über den Verfassungsvertrag hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Einmischung vonseiten Brüssels nicht erwünscht ist. Außerdem wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz verabschiedet, in dem dafür plädiert wird, dass die EU die soziale Verantwortung der Unternehmen fördert. Die VVD ist davon überzeugt, dass dies weitaus wirksamer über den Markt durchgesetzt werden kann und Maßnahmen der EU hierbei völlig überflüssig und unerwünscht sind.

 
  
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  Sérgio Marques (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ich beglückwünsche Herrn Brejc zu seinem zeitgemäßen Bericht über die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Die soziale Dimension der Globalisierung – der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens“.

In dem Bericht vertritt er die Auffassung, dass das EU-Modell bei der wirtschaftlichen Integration stets eine starke soziale Dimension betont hat, was in der Agenda von Lissabon zum Ausdruck komme, und dass dementsprechend einige im Europäischen Sozialmodell enthaltene Aspekte bewährter Verfahren durchaus auf andere Teile der Welt übertragen werden könnten.

Er stimmt zu, dass die EU sowohl mit ihrer Außen- als auch Innenpolitik einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung des Prozesses der Globalisierung und dazu leisten kann, dass er fairer für alle wird.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich begrüße diesen Bericht zur sozialen Dimension der Globalisierung, der den ersten Beitrag des Parlaments zum Bericht der Weltkommission über die soziale Dimension der Globalisierung darstellt. Es kommt jetzt darauf an, dass diejenigen, die negativ von der Globalisierung betroffen sind, Hilfe bei der Anpassung an die neuen Gegebenheiten erhalten. Das gilt für Bürger der EU ebenso wie für Bürger und Länder weltweit. Daher ist es erfreulich, dass im Bericht eine Reihe von Maßnahmen für die internen und die externen Politikbereiche vorgeschlagen wird.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Das Thema der Globalisierung kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten: entweder als vermeidbare (und unerwünschte) Wirklichkeit, denn wären die Arbeiter des 19. Jahrhunderts erfolgreicher bei ihren Protesten gewesen, hätte es keine Industrialisierung gegeben (was eine gute Sache gewesen wäre), und technologische Innovation ist zwangsläufig eine schlechte Sache. Oder – realistischer – ausgehend von der Kenntnis der Geschichte und dem Bewusstsein für die Verantwortlichkeiten einer jeden Generation und dafür, aus den Chancen der Globalisierung das Beste zu machen. Die Globalisierung an sich ist weder gut noch schlecht; sie ist eine Realität, die man zum Vorteil oder zum Nachteil nutzen kann. In freien und demokratischen Gesellschaften wie den unseren, in denen wirtschaftliche Freiheit herrscht, bestehen die Voraussetzungen dafür, dass die Globalisierung eine Möglichkeit für weltweites Wachstum und Entwicklung wird, und zwar nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Verpflichtung. In diesem Geiste sollte man die Globalisierung betrachten.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. – (IT) Sehr geehrter Herr Präsident! Dieser Bericht ist ein weiterer schwachsinniger Beweis für die arrogante, schädliche und eitle Anmaßung dieses Parlaments, das Volksempfinden der europäischen Bürger, die man doch zu vertreten vorgibt, zu ignorieren und weit entfernt davon zu sein.

Anstatt „soziale Dimension der Globalisierung“ müsste es heißen „Schutz der kriminellen Dimension der Globalisierung“. Anstatt mit Nein zu stimmen, hätte ich vielleicht einfach den Saal verlassen sollen.

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE), schriftlich. (EN) Ich befürworte den Grundsatz, dass die Gemeinsame Agrarpolitik reformiert werden muss und dass wir in Übereinstimmung mit den Zielen der von mir nachdrücklich unterstützten Kampagne „Make poverty history“ nicht unsere eigene schlechte Politik weltweit exportieren dürfen. Natürlich müssen wir auch das Wohlergehen der europäischen Landwirte und Europas Ernährungssicherheit gewährleisten, was mit einer vernünftigeren Gemeinsamen Agrarpolitik durchaus vereinbar ist. Der derzeitige Zustand ist allerdings unhaltbar.

 
  
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  Catherine Stihler (PSE), schriftlich. (EN) Der vorliegende Bericht findet meine volle Unterstützung. Die Globalisierung hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Wir können weder vergessen, dass derzeit in der EU 20 Millionen Menschen ohne Arbeit sind, noch dass eins von fünf Kindern in der EU am Rande der Armut lebt. Als Abgeordnete dieses Hauses ist es unsere Aufgabe, uns mit diesen Problemen zu befassen.

 

22. Berichtigungen des Stimmverhaltens: siehe Protokoll
  

(Die Sitzung wird um 12.50 Uhr unterbrochen und um 15.05 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

(Die Sitzung wird um 15.05 Uhr wieder aufgenommen.)

 

23. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
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  Präsident. Ich glaube, Herr Wojciechowski möchte auf Bemerkungen zu seiner Person antworten.

 
  
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  Bernard Wojciechowski (NI). – (PL) Herr Präsident! Ich bin über einen Vorfall in Verbindung mit der Ausstellung höchst empört. Zutiefst gekränkt haben mich Äußerungen zweier Mitglieder, insbesondere die von Frau Gomes, die mich und Herren Chruszcz als „Nazis“ und „Faschisten“ bezeichnet hat. Das sollte in diesem Hause weder toleriert werden noch gestattet sein.

Meine Familie wurde in meinem Heimatland von den Nazis ermordet, und ich nehme daran Anstoß, dass solche Kommentare an meine Adresse gerichtet werden. Ich kann Frau Gomes’ Standpunkt nachvollziehen, muss jedoch darauf bestehen, dass derartige Äußerungen im Parlament unterbleiben, ob sie nun an mich oder an ein anderes Mitglied gerichtet sind. Dies gilt speziell in Situationen wie dieser Ausstellung. Es sollte wirklich kein Zweifel darüber bestehen, dass solche Dinge nicht passieren dürfen.

 
  
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  Präsident. Vielen Dank, Herr Wojciechowski. Sie haben gemäß Artikel 122 gesprochen, und Ihre Bemerkungen werden in das Protokoll aufgenommen.

 

24. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll

25. Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe (REACH)
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

– den Bericht von Guido Sacconi im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und der Verordnung (EG) Nr. .../... [über persistente organische Schadstoffe] (KOM(2003)0644 – C5-0530/2003 – 2003/0256(COD)) (A6-0315/2005), und

– den Bericht von Guido Sacconi im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates im Hinblick auf ihre Anpassung an die Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (KOM(2003)0644 – C5-0531/2003 – 2003/0257(COD)) (A6-0285/2005).

 
  
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  Günther Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Mitglieder des Europäischen Parlaments! Ich möchte zu Beginn dieser Debatte allen Ausschüssen und vielen einzelnen Mitgliedern dieser Ausschüsse gratulieren, die sich an der Debatte über REACH beteiligt haben. REACH ist einer der weitest reichenden Vorschläge, die die Kommission je beschlossen hat. Die Ausschüsse und ihre Mitglieder haben enorme Arbeit geleistet, um diesen Vorschlag in seinen Einzelheiten zu analysieren und um Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.

Mein Dank geht insbesondere an Herrn Sacconi, der als Berichterstatter des federführenden Ausschusses und als standhafter Verfechter der Verbesserungen des Gesundheits- und Umweltschutzes offen für Kompromisse war. Mein Dank geht ebenso an Herrn Nassauer, der als Verfasser der Stellungnahme des Binnenmarktausschusses und als Verteidiger der Politikziele der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation ebenfalls zu sinnvollen Kompromissen bereit war. Ich danke Frau Ek, der Verfasserin der Stellungnahme des Industrieausschusses. Sie war ebenfalls besonders aktiv, hat Bedenken der Industrie vorgetragen, ohne die wichtigen Aspekte des Gesundheits- und Umweltschutzes aus den Augen zu verlieren.

Der organisatorische Aufwand für dieses Gesetzgebungsprojekt war auch hier im Parlament enorm. Auch für die Kommission war es schwierig, Antworten auf insgesamt über 1000 Änderungsvorschläge zu finden und sich abzustimmen. Wir werden in der Lage sein, unsere Position zum Kompromisspaket von Herrn Sacconi und Herrn Nassauer im einzelnen zu erklären, und auch detaillierte Angaben zu den Änderungsanträgen zu machen, die frühzeitig eingebracht wurden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass die erst kurz vor Ende der Einreichungsfrist vorgebrachten Änderungsanträge nicht mehr zur Gänze von der Kommission behandelt werden, weshalb ich Ihnen die Position der Kommission dazu vorenthalten muss. Wir werden aber so schnell wie möglich zu den weiteren Anträgen Position beziehen, die bei der Abstimmung eine Mehrheit finden.

Nun zu den wesentlichen Fragen, die von den Änderungsvorschlägen betroffen sind:

Die Kommission unterstützt die Kompromissvorschläge von Herrn Sacconi und Herrn Nassauer zur Registrierung und zum Austausch von Informationen. Wir sind der Auffassung, dass sie einen sehr guten Ausgleich finden zwischen dem Erfordernis der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie einerseits und Fortschritten in Gesundheits- und Umweltschutz anderseits. Hinsichtlich des Austausches von Informationen möchte ich hervorheben, dass ein solches System die größtmöglichen Anreize bieten muss. Gleichzeitig wird es aber Situationen geben, in denen Unternehmen – zum Beispiel aus Kostengründen – kein Interesse an einer Zusammenarbeit haben und substanzielle Unternehmensinteressen durch einen Austausch von Informationen negativ betroffen sind. Deshalb bin ich dankbar, dass ein System gefunden wurde, das hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Datenaustausch dafür sorgt, dass die Belastungen, die aus diesem System für Unternehmen und die Agentur bestehen, so gering wie möglich bleiben.

Zum Anwendungsbereich der Verordnung: Die diesbezüglichen Änderungsanträge sind durch dreierlei Elemente motiviert: Es geht einmal darum, den Anwendungsbereich inhaltlich klarer zu fassen. Es geht zweitens darum, einige weitere Stoffe, für die kein Risiko gesehen wird, vom Anwendungsbereich auszunehmen, und es geht drittens darum, Doppelregelungen zu vermeiden.

Die Kommission akzeptiert die Klarstellungen für Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Verordnung, insbesondere für Abfall, Lebensmittel, Biozide und Pestizide. Wir akzeptieren auch, dass klargestellt wird, dass die Regelungen der Kosmetikrichtlinie zur Vermeidung von Tierversuchen durch REACH weder geändert noch umgangen werden können.

Was bestimmte Stoffe anbelangt, so akzeptieren wir, dass die Anforderungen für Mineralien, Erze und Erzkonzentrate sowie auch für in der Natur vorkommende Stoffe klarer gefasst werden.

Zu den Anforderungen an die nachgeschalteten Anwender, die so genannten downstream user: Die Kommission unterstützt die Einführung einer Schwelle in Höhe von einer Tonne pro Jahr für Fälle, in denen nachgeschaltete Anwender einen eigenen Stoffsicherheitsbericht erstellen müssen. Dies ist notwendig, damit nachgeschaltete Anwender im Verhältnis zu ihren Lieferanten nicht schlechter stehen und auch, damit das System für sie generell besser verträglich wird.

Zur Bewertung des Risikos: Von Seiten verschiedener Ausschüsse ist ein klares Bestreben festzustellen, die Rolle der Agentur zu stärken. Die Kommission akzeptiert die Verdienste eines solchen Ansatzes im Lichte einer gleichmäßigeren und konsistenteren Anwendung der Regelungen der Verordnung. Wir müssen bei der konkreten Ausgestaltung jedoch aufpassen. Realität ist, dass es nur einen begrenzten Vorrat an Expertise gibt. Ein Großteil dieser Expertise befindet sich in den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder in wissenschaftlichen Instituten der Mitgliedstaaten. Es ist wichtig, dass diese Ressourcen in optimaler Weise gemeinschaftlich genutzt werden können.

Zum Zulassungsverfahren: Dies ist einer der wichtigsten Punkte, wenn nicht der Eckpunkt in der gesamten REACH-Verordnung. Einerseits wollen wir ein effizientes Instrument finden, um Unternehmen Anreiz zu bieten, die Substitution Besorgnis erregender Stoffe durch brauchbare Alternativen zu betreiben. Dabei wollen wir aber kein System errichten, das Hersteller von Stoffen innerhalb der EU einem Wettbewerbsnachteil aussetzt. Zahlreiche Hightech-Unternehmen sind betroffen, und der innovative Nutzen von chemischen Substanzen ist entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit solcher Unternehmen gegenüber den USA, China und anderen asiatischen Ländern zu bewahren. Außerdem müssen wir vermeiden, die Agentur und die Kommission zu sehr und in ineffizienter Weise zu beanspruchen.

Wir müssen den Begriff des Risikos als Schlüsselbegriff auch im Zulassungsverfahren beibehalten und damit das Bestreben, das Risiko angemessen zu kontrollieren. Darüber hinaus müssen die Firmen den Nachweis ermöglichen, dass ihnen dies gelingt.

Wir können einem Verfahrensschritt zustimmen, dass die Agentur Informationen über ihr Arbeitsprogramm hinsichtlich der Zulassung veröffentlicht, nämlich darüber, welche Stoffe sie auswählt, um sie der Kommission als Kandidaten für das Zulassungsverfahren in einem absehbaren Zeitrahmen vorzuschlagen. Das ist gut für die Industrie, da es die Planungssicherheit für die Unternehmen erhöhen wird. Wir könnten auch akzeptieren, dass die Zulassung von Substanzen durch die Agentur im Einzelfall mit einer Überprüfungsklausel versehen wird.

Zu den Stoffen in Erzeugnissen, also zur Frage des Artikels 6: Dies ist eine schwierige Diskussion, die übrigens nicht politisch kontrovers, sondern von objektiven sachlichen Schwierigkeiten geleitet ist. Es geht zum einen darum, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Hersteller und Importeure von Produkten zu schaffen. Zum anderen geht es darum, Problemen zu begegnen, die durch den Import von Produkten entstehen, deren Stoffbestandteile nicht den gleichen Anforderungen unterliegen würden wie Produkte, die aus registrierten Stoffen hergestellt werden. Importe betreffen auch viele Komponenten, die die europäische Industrie zu Endprodukten weiterverarbeitet. Schließlich ist es unabdingbar, die WTO-Regeln einzuhalten, die risikobasierte Vorschriften verlangen.

Die Kommission unterstützt daher Vorschläge, die praktikabel und WTO-konform sind. Die beabsichtigten Regelungen für Stoffe, deren Freisetzung aus Erzeugnissen beabsichtigt ist, scheinen der Kommission solide zu sein. Für andere Stoffe in Erzeugnissen ist es erforderlich, ein System zu finden, das für Unternehmen einfach anzuwenden und das auf die Identifizierung von Risiken ausgerichtet ist.

Zur Frage der Vertraulichkeit von Daten: Einige Änderungsanträge wollen die Liste der Informationen verlängern, die prinzipiell und immer als vertraulich eingestuft werden sollen. Andere wollen diese Liste verkürzen und mehr Informationen für die Veröffentlichung im Internet vorsehen.

Die Kommission ist der Auffassung, dass ihr Kompromissvorschlag im Ergebnis die richtige Balance hält. Unser Ziel sollte sein, dass Informationen im Internet zugänglich gemacht werden, die wirklich gebraucht werden, um den Schutz der Gesundheit unserer Bürger und der Umwelt sicherzustellen. Mit der Zeit wird die Agentur eine wichtige Rolle für die Kommunikation und auch für Verbraucherinformationen spielen. Das ist aber nicht das erklärte Hauptziel der REACH-Verordnung.

Andererseits dürfen wir nicht blauäugig sein. Europa und die Unternehmen haben großes Wissen und große Erfahrung bei der Verwendung von Chemikalien. Dieses Wissen wäre für die Konkurrenten außerhalb Europas sicherlich von großem wirtschaftlichem Interesse. Und auch innerhalb Europas müssen wir sicherstellen, dass die Wettbewerbsposition einzelner Unternehmen nicht untergraben wird.

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass wir einige Änderungen am Text vornehmen müssen, um die praktische Anwendung von REACH mit den Vorschriften der Aarhus-Konvention in Einklang zu bringen. Dies betrifft insbesondere Anforderungen an enge Zeitrahmen für Widerspruchsentscheidungen.

Viele weitere Einzelfragen sind in den Änderungsvorschlägen thematisiert. Die Zeit erlaubt es mir nicht, sie alle anzusprechen. Aber ich würde gern auf Änderungsvorschlage in Bezug auf die Agentur hinweisen: Sie betreffen eine Vielzahl von Fragen hinsichtlich des Mandats der Agentur, sie betreffen die Zusammenarbeit der Ausschüsse innerhalb der Agentur, die Zusammensetzung des Verwaltungsrats und die Ernennung des Direktors. Die Auffassung der Kommission zu diesen Änderungsvorschlägen basiert auf Pragmatismus. Vorschlägen, die die Agentur effizienter machen, stehen wir offen und konstruktiv gegenüber. Wir müssen es aber vermeiden, der Agentur weitere Lasten aufzuerlegen. Je mehr Aufgaben wir der Agentur aufbürden, desto größer ist das Risiko, dass wir den erfolgreichen Start der Agentur gefährden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gegenüber der Haushaltsbehörde auch betonen, dass der Übertragung zusätzlicher Aufgaben auf die Agentur selbstverständlich auch eine entsprechende Aufstockung der Finanzmittel entsprechen muss.

Die Kommission hofft also, dass das Parlament zum Kompromisspaket, das Herr Sacconi und Herr Nassauer vorgelegt haben, seine Zustimmung geben kann. Wir glauben, dass dieses Paket dazu beitragen kann, eine breite Basis der Zustimmung zu einem Gesetzeswerk zu finden, das zu den schwierigsten, komplexesten und sicherlich auch umstrittensten seit Gründung der Europäischen Union gehört.

Die Kommission hat während der gesamten Diskussion ihre Rolle immer darin gesehen, hilfreich zu sein, eine vernünftige, pragmatische Lösung für REACH zu finden, eine Lösung, die die richtige Balance zwischen den ökonomischen Anforderungen und den Gesundheits- und Umweltzielen hält. Wir glauben, dass diese Balance mit den Kompromissvorschlägen erreicht wird. Wir sehen darin keine Schwächung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission. Ich möchte das in aller Klarheit sagen. Wir glauben, dass dieses Kompromisspaket den Vorschlag leichter handhabbar, effektiver und auch kostengünstiger macht und dass sogar die umwelt- und gesundheitspolitischen Ziele auf diese Art und Weise besser erreicht werden. Das ist der Grund, warum die Kommission in ihrer heutigen Sitzung zu diesem positiven Ergebnis gekommen ist. Ich hoffe, dass das auch für den Rat eine starke Ermutigung darstellt, um noch in diesem Jahr das Gesamtpaket zu verabschieden. Die Vorschläge, zu denen sich die Kommission positiv geäußert hat, sind angesichts der Vorschläge, die die britische Präsidentschaft bereits vorgelegt hat, sehr dicht, so dass ich jetzt in der Tat eine außerordentlich günstige Chance sehe, dieses sehr schwierige Gesetzeswerk noch vor Ende dieses Jahres zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

 
  
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  Stavros Dimas, Μitglied der Kommission. (EL) Herr Präsident, ich möchte eingangs dem Europäischen Parlament, das so intensiv an diesem Vorschlag zur ersten Lesung gearbeitet hat, meinen Dank aussprechen.

Insbesondere möchte ich den Vorsitzenden des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie den Ausschuss selbst und natürlich den Berichterstatter, Herrn Sacconi, beglückwünschen, dessen unermüdliche und stets konstruktive Anstrengungen entscheidend zur Beförderung dieses Vorschlags beigetragen haben. Ich danke gleichermaßen dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie sowie ihren Berichterstattern, Herrn Nassauer und Frau Ek, für ihre konstruktiven Vorschläge.

Sie alle haben zusammengearbeitet, Vorschläge unterbreitet und diesen Kompromiss erreicht, den sie zu einem der Hauptelemente des REACH-Systems, der Registrierung, vorschlagen.

REACH ist eine ganz wichtige Gesetzgebungsinitiative zur Verbesserung des Umweltschutzes und der menschlichen Gesundheit und wird, sobald sie umgesetzt ist, unser Wissen über Chemikalien erheblich erweitern, deren Sicherheit erhöhen und das Vertrauen der Verbraucher in die chemischen Stoffe, mit denen sie in Kontakt kommen, stärken. Darüber hinaus wird sie die Innovation beflügeln und zur Produktsubstitution durch sicherere Produkte anregen.

Besonders zufrieden bin ich darüber, dass das Europäische Parlament und der Rat ihre abschließenden Stellungnahmen zum Vorschlag abgegeben haben. So haben sich die beiden Gemeinschaftsinstitutionen in ihren Auffassungen einander angenähert und gehen nun auf ähnliche Weise an die zahlreichen Fragen im Zusammenhang mit den REACH-Problemen heran.

Das von den Herren Sacconi und Nassauer vorgeschlagene und von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischen Demokraten, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa gegengezeichnete Kompromisspaket stellt einen echten Fortschritt zu einem der kompliziertesten Kapitel des REACH-Dossiers dar. Das Kompromisspaket ist ein ausgewogener Vorschlag. Indem sich der Vorschlag auf die gefährlichsten Stoffe konzentriert, verbessert dieser Kompromiss die Funktionalität des REACH-Vorschlags, insbesondere was Substanzen betrifft, die in geringen Mengen produziert oder verwendet werden. Gleichzeitig sichert er ein hohes Niveau des Umweltschutzes, indem dort, wo die Gefahr am größten ist, mehr Informationen gefordert werden.

Auch wenn bei den in geringen Mengen produzierten oder verwendeten Mengen das Herangehen vom Kommissionsvorschlag abweicht, stellt es dennoch gegenüber der gegenwärtigen Situation eine wesentliche Verbesserung des Schutzes von Gesundheit und Umwelt dar. Die Kommission unterstützt im Rahmen der Bemühungen um einen Kompromiss dieses Paket.

Das Kompromisspaket geht in die gleiche Richtung wie die derzeitigen Diskussionen im Rat. Auch hat es viel Gemeinsames mit dem von der britischen Ratspräsidentschaft am 28. Oktober vorgelegten Kompromissvorschlag, der vergangenen Freitag im Ausschuss der Ständigen Vertreter auf breite Zustimmung stieß. Die Kommission unterstützt uneingeschränkt das Ziel der britischen Ratspräsidentschaft, vor Ablauf des Jahres zu einer politischen Einigung zu gelangen und jede erdenkliche Anstrengung in dieser Richtung zu unternehmen sowie einen positiven Beitrag zu diesem Ziel zu leisten.

Es gibt in der REACH-Initiative zahlreiche wichtige Aspekte, doch aus Zeitmangel möchte ich nur auf zwei eingehen: auf den Anwendungsbereich des Vorschlags und auf die Zulassungsbestimmungen.

Der Anwendungsbereich des Vorschlags ist recht kompliziert, vor allem wegen der großen Zahl von gemeinschaftlichen Gesetzestexten zu speziellen Produkten, die chemische Stoffe enthalten. Die Kommission kann mehrere vom Parlament vorgeschlagene Änderungsanträge akzeptieren, beispielsweise die Ausnahme von Abfällen, Lebensmitteln und Erzen bei der Registrierung. Nicht zu akzeptieren sind jedoch eine Reihe anderer Änderungsanträge, die eine Lücke in der Anwendung der Gesetzgebung schaffen würden.

Was die Zulassung und die Substitution betrifft, sehe ich mit Befriedigung, dass die Mitglieder des Parlaments eine große Zahl wertvoller Änderungsanträge eingereicht haben, die die Zulassung befristen und den Substitutionsdruck erhöhen, wodurch der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gestärkt wird. Die Kommission stimmt der Notwendigkeit einer Zulassungspflicht für Stoffe zu, zu denen es ähnliche Bedenken wie zu den im Kommissionsvorschlag genannten gefährlichsten Stoffen gibt: karzinogene, mutagene, persistente bioakkumulative und sehr persistente sowie stark bioakkumulative Stoffe. Wir stimmen auch einer Befristung der Zulassungen zu, doch über diese Befristung wird von der Europäischen Agentur für chemische Stoffe im Einzelfall entschieden werden.

Wir meinen auch, dass diese Vereinbarung in Verbindung mit Artikel 52, in seiner durch die britische Ratspräsidentschaft geänderten Fassung, eine positive Wirkung auf die Substitution haben wird, denn die Unternehmen werden gedrängt, ihre Anstrengungen zum Auffinden von Substituten und sichereren Stoffen zu verstärken.

Abschließend möchte ich noch einmal allen Mitgliedern des Europäischen Parlaments danken, die in den vergangenen neun Monaten so intensiv daran gearbeitet haben, dass es mit dem REACH-Vorschlag vorangeht. So leistet das Europäische Parlament einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Niveaus des Gesundheits- und Umweltschutzes in Europa, während gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie erhalten bleibt.

 
  
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  Lord Bach, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident, ich möchte eingangs den Abgeordneten dieses Parlaments und insbesondere den federführenden Ausschüssen und deren Mitgliedern für ihre intensive Arbeit zu REACH danken. Es ist mir eine Ehre, Ihrer Einladung zu folgen und mich im Namen des britischen Ratsvorsitzes zu äußern.

Ich möchte erstens betonen, dass REACH für den britischen Ratsvorsitz einen sehr wichtigen Themenkomplex darstellt. Diese Neuregelung bietet die einmalige Gelegenheit, den Schutz von Menschen und Umwelt mit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu verbinden. Uns allen ist an einer guten Lösung zu REACH gelegen, einer Lösung, die sowohl dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt zugute kommt als auch dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors dient. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn alle Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Betroffenen zusammenarbeiten. REACH wird auf der Tagung des Rates Wettbewerbsfähigkeit am 29. November eine große Rolle spielen. Wir haben für diese Tagung eine ernsthafte und sachbezogene Debatte geplant, für die Ihre Ansichten von beträchtlicher Bedeutung sein werden. Wir wissen, dass wir einer Einigung sehr nahe sind, und wir beabsichtigen, noch vor Ablauf des britischen Ratsvorsitzes eine politische Einigung zu erzielen.

Das Engagement des Europäischen Parlaments bei der ersten Lesung in dieser Woche stimmt mich zuversichtlich. Wir begrüßen das Bemühen der Berichterstatter um einen ausgewogenen und funktionsfähigen Kompromiss in Bezug auf den wichtigsten Aspekt von REACH, und zwar die Registrierung. Die von den drei größten Fraktionen abgezeichneten Hauptelemente dieses Kompromisses kommen den Vorstellungen, an denen der Rat arbeitet, sehr nahe. Deshalb würde die Verabschiedung einer entsprechenden Stellungnahme des Europäischen Parlaments den Weg für eine frühzeitige Verabschiedung von REACH ebnen. Das wäre ein positives Ergebnis für die Umwelt und die Industrie und würde die Ungewissheit beenden. Damit wäre wirklich allen gedient. Wir würden endlich über ein effektiveres System für den Umgang mit den in Verbindung mit Chemikalien auftretenden Risiken verfügen und könnten so die menschliche Gesundheit und die Umwelt besser schützen.

Mit seinem Kompromisstext versucht der Ratsvorsitz, den von den Mitgliedstaaten in den bisherigen Diskussionen geäußerten Ansichten in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen. Er geht auf die Bedenken der Industrie ein und bietet entsprechende Lösungen an. Er hält an den Zielen von REACH im Hinblick auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt fest. Wir sind gern bereit, die Ansichten des Europäischen Parlaments aufzugreifen, wenn Sie Ihre Beratungen abgeschlossen haben. Ich möchte den vom Ratsvorsitz eingeschlagenen Weg erläutern und hoffe, damit diese Aussprache zu bereichern.

Ich möchte mit dem ersten Schritt beginnen, und zwar mit der Registrierung. Die schwierige Aufgabe für uns alle besteht darin, uns auf ein Registrierungspaket zu einigen, das die Informationen erfasst, die für die Bewertung der entsprechenden Risiken notwendig sind. Gleichzeitig müssen wir das richtige Maß finden. Wir müssen vermeiden, die Unternehmen zu zwingen, Daten lediglich zum Selbstzweck bereitzustellen. Uns allen liegen die gleichen Dinge am Herzen, und wir wollen vermeiden, dass sich REACH nachteilig auf den Mittelstand auswirkt.

Über die nachfolgenden Vorschläge zur Registrierung sind wir uns einig, und zwar betrifft dies erstens die Einrichtung einer einzigen Vorregistrierungsphase zur Vereinfachung des Verfahrens und zweitens die gemeinsame Datennutzung im Rahmen der Registrierung pro Stoff (ein Stoff – eine Registrierung). Damit ließen sich Einsparungen in Höhe von bis zu 600 Millionen Euro erzielen. Mit klaren Kriterien für Unternehmen, die ein Opting-out von der Vorlage eines gemeinsamen Informationspakets ermöglichen, sorgen wir für Flexibilität. Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass die gemeinsame Nutzung von Tierversuchsdaten obligatorisch sein sollte. Zur Vereinfachung des Systems wird jedoch die gemeinsame Nutzung von Nichttierversuchsdaten nur dann zwingend vorgeschrieben, wenn der potenziell Registrierungspflichtige darum ersucht hat.

So wie das Parlament hat auch der Rat Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf Kleinbetriebe. Um diese Auswirkungen zu verringern, wurde für Stoffe mit einem geringen Produktionsumfang eine zielgerichtete Informationsauflage vorgeschlagen. Bei Mengen von weniger als zehn Tonnen ist für einen Stoff nur dann ein kompletter Datensatz vorzulegen, wenn der Stoff bestimmte einfache Kriterien erfüllt, die ihm ein hohes Risiko zuweisen. Folgt man diesem Ansatz, so werden zwar weniger Informationen über die Stoffe bereitgestellt, als im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen, aber es ist möglich, für die 20 000 Stoffe mit geringem Produktionsumfang ein vereinfachtes risikobasiertes Konzept zu verwenden und sich auf die bedenklicheren zu konzentrieren. Die Agentur wird Hilfsmittel zur Erleichterung der Bereitstellung von Informationen anbieten, um den Aufwand für die Industrie und insbesondere die Kleinbetriebe zu verringern.

Wir haben die Kosten für die Registrierung im höheren Tonnagebereich zwischen zehn und einhundert Tonnen dadurch gesenkt, dass wir einen kostenaufwendigen Test aus den Anforderungen gestrichen haben. Das hat Einsparungen in Höhe von ca. 80 Millionen Euro zur Folge. Außerdem wurde die Möglichkeit, auf bestimmte in Anhang VI vorgesehene Tests zu verzichten, weiter ausgebaut, um den Aufwand für Tests im höheren Tonnagebereich zu senken. Ich möchte betonen, dass es trotzdem noch möglich ist, die erforderlichen Informationen über Risiken und Gefahren der entsprechenden Stoffe bereitzustellen.

Ich komme jetzt zur Evaluierung. Dabei wird eine Registrierung anhand der Erfüllung der jeweiligen Vorgaben bewertet, und gegebenenfalls werden weitere Prüfungen angeordnet. Der Kompromisstext weist der in Finnland ansässigen Agentur eine bedeutsamere Rolle in diesem Abschnitt von REACH zu. Wir wollen sichergehen, dass die Evaluierung EU-weit effizienter und einheitlicher durchgeführt wird und dass die Agentur über die dazu erforderlichen Mittel und Ressourcen verfügt. Auch in diesem Punkt liegen der Standpunkt des Rates und der des Parlaments meines Erachtens nicht allzu weit auseinander. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in den Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse.

Die Zulassung bildet natürlich einen besonders wichtigen Teil dieses Vorschlags. REACH sieht vor, dass besonders bedenkliche Substanzen verboten werden, sofern keine überzeugenden Gründe für eine Zulassung vorgebracht werden können, die die weitere Verwendung rechtfertigen. Wir haben im Rat den Anwendungsbereich präzisiert und die Zulassungsbestimmungen verschärft, um einen größeren Substitutionsanreiz zu schaffen.

Der Kompromissvorschlag sieht die Möglichkeit einer Erstzulassung lediglich auf der Grundlage der angemessenen Beherrschung vor – das bedeutet, dass die gefährliche Substanz auch weiterhin eingesetzt werden kann, wenn die Risiken nachweislich beherrschbar sind. Aber, und das ist ein großes Aber, diese angemessene Beherrschung muss sehr streng definiert werden. Das haben wir in unserem Vorschlag getan. Die Definition ist jetzt eindeutiger. Es stimmt, dass die Entscheidungen jeweils im konkreten Einzelfall getroffen werden sollten. Deshalb wurde unser Vorschlag dahingehend abgeändert, dass für alle Zulassungen eine Überprüfung vorgeschrieben wird. Dies würde eine Prüfung auf die Verfügbarkeit von Alternativen ermöglichen. Mit der Forderung nach Analyse potenzieller Alternativen räumen wir zudem der Substitution in unserem Vorschlag breiteren Raum ein. Ich bin auf die Ansichten des Parlaments gespannt.

Wenn es mir nicht gelungen ist, Sie davon zu überzeugen, dass eine baldige Einigung zu REACH für alle Bürger in Europa von immenser Bedeutung ist, dann habe ich versagt. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Ihnen einen Einblick in die Diskussionen im Rat zu geben.

Wir werden im Rahmen unserer Aufgaben als Ratsvorsitz alles tun, um noch in diesem Jahr eine Einigung unter Dach und Fach zu bringen. Wir meinen, dass das möglich ist. Wir sehen dem Beitrag des Europäischen Parlaments erwartungsvoll entgegen.

Ich möchte nochmals unterstreichen, dass dies eine einmalige Gelegenheit darstellt, die wir nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten.

 
  
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  Guido Sacconi (PSE), Berichterstatter. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich den Ausführungen der beiden Kommissionsmitglieder sowie von Lord Bach in Vertretung des britischen Ratsvorsitzes lauschte, ließ ich noch einmal den Weg, den wir bis zum heutigen Tag zurücklegen mussten, Revue passieren.

Sie haben selbst gehört, wie sehr sich die Standpunkte der beiden Organe inzwischen angenähert haben. Ich glaube sagen zu können, dass bei den Themen Registrierung, Zulassung und anderen bereits erwähnten Aspekten, keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten in grundsätzlichen Fragen bestehen. Es ist schwierig, diesen langen Prozess in wenigen Minuten zusammenzufassen, obwohl dies die längste Redezeit ist, die mir seit meinem Eintritt in dieses Parlament gewährt worden ist.

Ich werde deshalb nur wenige Worte über zwei Schlüsselbegriffe verlieren: Ausgewogenheit und Verantwortung. Diese Worte kamen mir letztes Wochenende in den Sinn, das ich nahezu gänzlich damit verbracht habe, mit meinem Gewissen zu Rate zu gehen. Insbesondere im Lichte der Angriffe, denen ich vergangene Woche wegen des Kompromisses, den ich geschlossen hatte, ausgesetzt war, habe ich mich wirklich gefragt, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe und ob tatsächlich Ausgewogenheit erreicht worden ist; ehrlichen Herzen musste ich mit Ja antworten. Wir haben die Ausgewogenheit zwischen den beiden wesentlichen Faktoren, an denen uns allen so sehr gelegen ist, nämlich dem Gesundheits- und dem Umweltschutz auf der einen Seite und der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industriesystems auf der anderen, nicht nur gewahrt, sondern verstärkt.

Es ist leicht, eine solche Ausgewogenheit zu erreichen, wenn man eine politische Entschließung annimmt, denn in diesem Fall arbeitet man nur mit Worten. Wesentlich schwieriger ist es hingegen, Ausgewogenheit in einer Verordnung zu erzielen, die von solcher Tragweite ist und bei der unzählige, oft auch miteinander kollidierende Interessen auf dem Spiel stehen. Unter solchen Umständen muss man nämlich auch einer riesigen Menge wichtiger technischer Daten Rechnung tragen.

Unter diesem Gesichtspunkt habe ich ein reines Gewissen. Was die menschliche Gesundheit und die Umwelt anbelangt – ich greife lediglich einige Verbesserungen des Vorschlags der Kommission, auf die ich besonderen Wert lege, heraus -, so sehen wir die Registrierung von Stoffen mit persistenten bioakkumulierbaren Eigenschaften vor. Vorausgesetzt selbstverständlich, dass das Parlament zustimmt, führen wir den Stoffsicherheitsbericht auch für geringere Mengen ein, allerdings nur für die gefährlichsten Stoffe. Wenn das Parlament am Mittwoch die Positionen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit billigen wird, werden wir ein Zulassungsverfahren für den Ersatz der gefährlichsten Stoffe beschließen, das dem vor kurzem vom britischen Ratsvorsitz erwähnten sehr ähnlich ist. Darauf bin ich besonders stolz.

In Bezug auf die Unternehmen werde ich nur die wichtigsten Dinge, die wir getan haben, aufzählen. Unter Beibehaltung der Beweislast haben wir die Registrierverfahren für kleine Mengen flexibler gestaltet und etwas sehr Wichtiges für die Kleinunternehmen eingeführt, nämlich die gemeinsame Nutzung von Daten, die nun obligatorisch ist, wenn auch mit bestimmten Opting-out-Möglichkeiten.

Ich möchte ferner daran erinnern, dass wir gemeinsam mit Herrn Nassauer den Zeitraum für den Datenschutz sowie für die Forschung und Entwicklung in letzter Minute verlängert haben. Ich denke, das alles sind konkrete Fakten, die in die richtige Richtung gehen. Erlauben Sie mir, hierzu zu sagen, Herr Nassauer, dass ich an diesem Wochenende meines Nachdenkens und meiner Gewissensprüfung ziemlich betroffen war, dass Sie es, nachdem wir gemeinsam den Kompromiss geschlossen hatten, für angezeigt hielten, auch Ihren alten Block von Änderungsanträgen einzureichen. Diesbezüglich erkläre ich, dass, sollte unser Kompromiss bedauerlicherweise nicht gebilligt werden, ich selbstverständlich den anderen Block (Block Nr. 2) unterstützen werde. In dieser Hinsicht bin ich optimistisch.

Ich möchte nun auf den zweiten Begriff zu sprechen kommen – Verantwortung -, dem ich das Wort Eigenständigkeit hinzufügen möchte. Wir waren einem starken, wenn auch teilweise berechtigten Druck ausgesetzt, der Interessen betraf, die wir doch gewissermaßen alle vertreten müssen, indem wir den bestmöglichen, für eine Mehrheit im Europäischen Parlament annehmbaren Kompromiss anstreben. Wir haben uns diesem Ziel angenähert, und inzwischen sind sich auch die Positionen der verschiedenen Organe und Einrichtungen, insbesondere der beiden Gesetzgeber - Rat und Parlament – wesentlich näher gekommen. Nun ist meiner Meinung nach das Europäische Parlament sozusagen am Zuge.

Wir sind uns dessen bewusst, dass sich das europäische Einigungswerk gegenwärtig in vielerlei Hinsicht in einer Krise befindet. Gleichwohl kann das Europäische Parlament bei einem so wichtigen Thema den Bürgern, Unternehmen und Gewerkschaften eine eindringliche und klare Botschaft übermitteln, und zwar in Bezug auf seine Fähigkeit, Beschlüsse zu fassen und einen Kompromiss zu erzielen, der per definitionem die Wünsche aller Beteiligten so weit wie möglich repräsentiert.

Herr Präsident, meine Arbeit endet hier. Selbstverständlich werde ich mir die Abstimmungsliste in den nächsten Stunden genau ansehen, doch der größte Teil meiner Arbeit ist gewissermaßen abgeschlossen.

Wie vorhin Lord Bach und Kommissar Verheugen gesagt haben, kommt es nun darauf an, die Chance zu ergreifen und den Beschlussfassungs- und Gesetzgebungsprozess zu diesem Dossier, das uns einen so hohen Einsatz abverlangt hat, zu beschleunigen. Vor kurzem habe ich gesagt, eine Einigung sei wie eine Frucht: ist sie reif und wird nicht rechtzeitig geerntet, dann verdirbt sie und wird schlecht. Ich habe seit heute Morgen einen Apfel in meiner Tasche, der nicht sehr schön ist, denn er ist klein und fleckig, weil er aus biologischem Anbau stammt und keine Pflanzenschutzmittel enthält, doch denke ich, dass er sehr gut schmecken wird, weshalb ich ihn später essen werde.

Folglich fordere ich das Parlament auf, diese Frucht zu ernten, denn auf diese Weise werden wir auch den anderen Institutionen, insbesondere dem Rat, dabei helfen, dieses Dossier endlich abzuschließen und die Botschaft zu übermitteln, von der ich soeben gesprochen habe.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Eine kleine Anmerkung zur Geschäftsordnung: Bislang war es hier im Haus üblich, dass die Berichterstatter die Position des Ausschusses vortragen. In dem Fall ist Herr Sacconi eigentlich der Berichterstatter des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ich hätte mir gewünscht, er hätte die Haltung des Umweltausschusses wiedergegeben. Ich bitte Sie, als Vorsitzender künftig darauf hinzuweisen, ob es sich um persönliche Redebeiträge oder um Redebeiträge der Berichterstatter handelt.

 
  
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  Präsident. Sie haben Ihr Anliegen zum Ausdruck gebracht, doch das Präsidium kann dies nicht als Bemerkung zur Geschäftsordnung werten. Die Tagesordnung ist aufgestellt, der Berichterstatter hat das Recht, das Wort zu ergreifen, und er hat gesprochen, wie er es für zweckmäßig hielt. Jetzt werden die Vertreter der beteiligten Ausschüsse sprechen. Die Reihenfolge der Aussprache wird aufgrund Ihres Hinweises nicht geändert werden.

 
  
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  Christofer Fjellner (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. – (SV) Herr Präsident! Chemische Stoffe sind wichtig, lebenswichtig. Sie sind Bestandteil unseres Alltags und Voraussetzung für einen Großteil des modernen menschlichen Lebens. Gleichzeitig herrscht allgemeine Besorgnis bezüglich chemischer Stoffe. Welche Wirkung haben sie auf uns und unsere Umwelt? Eine gewisse Unruhe ist berechtigt. Deshalb bin ich froh, dass wir hier im Parlament eine neue europäische Chemikaliengesetzgebung beschließen wollen, durch die wir erfahren, bei welchen chemischen Stoffe wir uns großen Risiken aussetzen und bei welchen nicht. Außerdem freut es mich, dass wir in die Lage versetzt werden, diejenigen chemische Stoffe, derer wir uns entledigen müssen, zu verbieten und diejenigen, die wir brauchen, zu behalten.

Wir haben dazu beigetragen, dass es zu den Prioritäten von REACH gehört, stärker auf Stoffe zu achten, die eine ernste Bedrohung darstellen. Außerdem haben wir Ausnahmeregelungen für Substanzen erreicht, die wir als ungefährlich kennen, z. B. Zellstoff oder Eisenerz. Dadurch lassen sich Bürokratie und unnötige Kosten vermeiden, vor allem aber können wir dadurch unsere begrenzten Ressourcen so einsetzen, dass größtmögliche Sicherheit gewährleistet ist.

In Europa werden viele Ziele ausgegeben, die wir in der Praxis nicht erfüllen. In diesem Hause gefasste Beschlüsse versprechen oft mehr als sie halten. Die alten Chemikalienvorschriften waren ein hervorragendes Beispiel dafür. Sie sollten uns Sicherheit bringen, haben aber fast nichts bewirkt. Manchmal sind Fehler einfach nur peinlich, aber in der Chemikalienpolitik können sie höchst gefährlich sein. Darum brauchen wir REACH –, aber ein REACH, das hält, was es verspricht.

Die große Herausforderung für REACH besteht darin, eine Politik zu entwickeln, die keine Handelshindernisse errichtet und die Möglichkeiten anderer Länder zum Verkauf ihrer Erzeugnisse auf dem europäischen Markt nicht einschränkt. Alles andere wäre ein Bärendienst an der Welt um uns herum, aber auch an den europäischen Verbrauchern. Es wäre aberwitzig, wenn wir hier im Parlament Vorschriften erließen, die dann von der WTO für ungültig erklärt würden. Daher hoffe ich, dass diese Kammer die Vorschläge des Ausschusses für internationalen Handel zum Abbau von Handelshindernissen annimmt.

Einige Abgeordnete, darunter die schwedischen Sozialdemokraten, scheinen die Absicht zu haben, sich auszuschließen und gegen den gesamten Vorschlag zu stimmen. Im nächsten Atemzug beschuldigen sie dann das Parlament, sich nicht um die Umwelt zu kümmern. Die wichtigste Zeitung der schwedischen Sozialdemokratie nennt sogar Martin Schulz, den Vorsitzenden ihrer Fraktion hier im Parlament, einen Überläufer. Diese Beschuldigung finde ich feige, zumal sie auch nicht zur Verbesserung der Umwelt beiträgt. Stattdessen sollten sich die Sozialdemokraten die Frage stellen, warum sie sich abseits halten. Die überwältigende Mehrheit jedoch, von den bürgerlichen Fraktionen – der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa – bis hin zur Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und jetzt auch die Kommission sind sich einig und werden den Vorschlag unterstützen. Ich freue mich, dass ich einen Beitrag leisten konnte und Verantwortung für den Beschluss einer neuen, starken europäischen Chemikaliengesetzgebung übernommen habe.

 
  
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  Elisa Ferreira (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (PT) Die Ziele einer Verringerung der durch chemische Stoffe bedingten Schäden für Umwelt und Gesundheit, einer Sensibilisierung für die Folgen der Verwendung chemischer Stoffe, des verbesserten Zugangs für Verbraucher, einer schrittweisen Abschaffung und Ersetzung der am wenigsten sicheren chemischen Stoffe und des Verbots von Versuchen an Wirbeltieren berühren alle das Leben der Bürger, die wir in diesem Hohen Hause vertreten.

Deshalb muss das Parlament die Initiative der Kommission begrüßen und aktiv und konstruktiv an der Verbesserung des Kommissionsvorschlags mitwirken. Genau das haben wir getan. Dass eine breiter gefasste Verpflichtung erreicht wurde, ist der kollektiven Verantwortung und vor allem dem herausragenden Bericht von Herrn Sacconi zu verdanken. Diese Vorschläge sollten unterstützt werden, denn sie werden den Text der Kommission spürbar verbessern und seine Umsetzung erleichtern. Der Kern des Textes bleibt unverändert, nämlich die Einführung des Verursacherprinzips, die Verringerung der Kosten für KMU, die Konzentration auf die problematischsten chemischen Stoffe und deren Verwendungszwecke, die Klärung der Rolle der Agentur und die stärkere Betonung der Evaluierung und Überwachung des Systems.

Als Schattenberichterstatterin für die Ausschüsse Internationaler Handel und Wirtschaft und Währung freut es mich sehr, dass viele Beispiele für den Konsens, der zu dem für die Abstimmung vorzulegenden Text erreicht wurde, aufgenommen wurden. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, meine Damen und Herren, sowie die Kommission und den Rat darauf aufmerksam machen, dass die EU ihren Status als weltgrößter Handelsblock und weltgrößter Produzent von chemischen Stoffen nutzen muss, um dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen, die sie für den innergemeinschaftlichen Umwelt- und Gesundheitsschutz beschließt, international angewendet werden und als Vorbedingung für einen freien Handel gelten.

In Bezug auf REACH muss, wie bei vielen anderen Rechtsvorschriften, betont werden, dass Europa nicht fortfahren kann, Gesetze für seinen Binnenmarkt festzulegen, als ob es so etwas wie die Globalisierung nicht gäbe. Wenn wir das nämlich tun, werden wir Europa als produktive Basis zerstören, seine Arbeitsplätze zerstören, und in heuchlerischer Weise Umweltschäden aus seinem Territorium in andere, schwächere Regionen der Welt exportieren. Damit würden wir uns nur selbst ein Bein stellen, und Artikel 6 reicht nicht aus, um dieses Problem zu lösen.

In diesem Bereich wie auch in anderen wird die Einigung nicht perfekt ausfallen; sie wird schrittweise anhand von praktischen Bewertungen verbessert werden müssen. Doch dies ist die Einigung, die wir erlangen konnten, und sie ist gut genug, um vom Parlament klar unterstützt zu werden. Dies ist der einzige Weg, um kurzfristig eine ausgewogene institutionelle Lösung zu gewährleisten. Deshalb erteile ich meine Zustimmung.

 
  
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  Thomas Mann (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Herr Präsident! Mit REACH, einem der kompliziertesten Gesetzgebungsverfahren – nicht nur wegen der 1 200 Seiten –, waren zehn Ausschüsse des Europäischen Parlaments befasst, auch der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, für den ich Verfasser der Stellungnahme bin.

Die chemische Industrie beschäftigt in der EU 1,7 Millionen Arbeitnehmer, etwa 3 Millionen sind als Zulieferer mit ihr verbunden. Um die Auswirkungen von REACH auf den betrieblichen Alltag zu erfahren, besuchte ich, nicht nur in Deutschland, 50 Firmen aus den Bereichen Farben und Lacke, Keramik, Textil, Elektrik, Autozulieferer und Chemie. Einhellige Meinung von Managern und Beschäftigten: Umwelt- und Gesundheitsschutz sind alternativlos zu sichern, und zwischen gefährlichen und nichtgefährlichen Stoffen muss deutlich unterschieden werden, nicht zuletzt wegen der Beschäftigten.

Die Kosten im Vorschlag der Kommission sind jedoch derart hoch, und die Bürokratie ist derart umfangreich, dass Wettbewerbsverzerrungen mit Nicht-EU-Unternehmen drohen und Standortverlagerungen nicht auszuschließen sind.

Im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten führten wir im Oktober 2004 das erste Hearing eines Ausschusses des hohen Hauses zu REACH durch, und zwar mit 200 Experten aus den Bereichen Arbeitsrecht und Gesundheitsschutz sowie Vertretern der Sozialpartner. Am 12. Juli 2005 stimmten wir, ebenfalls als erster Ausschuss, ab und setzten bestimmt wichtige Signale für die Beratung im Europäischen Parlament.

Wir sind für eine einheitliche Vorregistrierung und Priorisierung. Mit einem Kerndatensatz, der sich am tatsächlichen Risiko orientiert, nicht an der Stoffmenge, und mit Expositions- und Verwendungskategorien kann die Anmeldung bei der Chemikalienagentur sachgemäß und genauso schnell erfolgen. Datenfriedhöfe werden ebenso vermieden wie unnötige Bürokratie, wovon vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren. Wir stimmten mehrheitlich für Ausnahmeregelungen bei Stoffen in Forschung und Entwicklung und für die Ausweitung der Kompetenzen der neuen Agentur.

Durch ein modifiziertes REACH werden allein im Arbeitsschutz zwei Dutzend Regelungen des europäischen Arbeitsrechts überflüssig. Vorrangig ist dabei, Datensicherheitsblätter auszuarbeiten und sie betriebsintern präzise anzuwenden, damit Unfälle durch unsachgemäßen Umgang mit Stoffen vermieden werden.

 
  
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  Lena Ek (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (SV) Herr Präsident! Chemische Stoffe sind in Europa durch eine sehr schlechte Gesetzgebung für etwa 30 000 ältere sowie durch eine relativ gute Gesetzgebung für rund 3000 neuere Chemikalien geregelt. Der neue Vorschlag ersetzt 43 Richtlinien und nationale Vorschriften in 25 Ländern, die von ihrer Qualität sowie der Kontrolle ihrer Einhaltung her von relativ schlecht bis verhältnismäßig gut variieren. Gleichzeitig haben wir jetzt seit 100 Jahren keine geschlossenen nationalen Märkte mehr. Wenn beispielsweise schwedische Eltern Spielsachen für ihr Kind kaufen wollen, werden sie bemerken, dass einige in ihrem Land hergestellt, die meisten aber importiert sind.

Aus all diesen Gründen bietet eine neue Chemikalienverordnung große Möglichkeiten für die Umwelt, die Menschen und die Unternehmen. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie hat als erster Ausschuss eine Entscheidung getroffen. Wir haben es geschafft, den Entwurf einer Chemikalienrichtlinie aus einem leblosen, stark angezweifelten Dokument zur Möglichkeit für eine Einigung auf einen Beschluss werden zu lassen. Ich möchte den Ausschussmitgliedern für die ungemein konstruktive und hilfreiche Zusammenarbeit danken.

Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie ist für die Industrie, die kleineren Unternehmen und die Forschung zuständig und hat sich daher seinem Aufgabengebiet entsprechend auf Änderungen konzentriert, die neuen, modernen Technologien, Innovationen und moderner Umwelttechnik den Weg bereiten. In Europa wächst die Umweltindustrie doppelt so schnell wie die Gesamtindustrie und erweist sich als außerordentlich wichtiges Instrument für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für nachhaltiges Wachstum in einer wissensbasierten Wirtschaft.

Damit REACH dieser Katalysator nachhaltigen Wachstums sein kann, muss der Vorschlag jedoch vereinfacht, verstärkt und klarer formuliert werden – vereinfacht, damit kleinere Unternehmen überleben können, verstärkt, um den Umweltschutz zu verbessern und klarer formuliert, da er in bestimmten Punkten ausgesprochen unklar ist. Beispielsweise kann nicht gewollt sein, dass jede kleine Menge an Mineralien einzeln analysiert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der EU vier große Problemkomplexe, von denen die Finanzielle Vorausschau und die Dienstleitungsrichtlinie in ungeheuren Schwierigkeiten stecken und der Entwurf einer Verfassung für Europa einer Auszeit unterworfen wurde. Nach sieben Jahren Diskussion brauchen wir jetzt in der Tat einen Beschluss zu dem vierten wichtigen Vorschlag, der europäischen Chemikalienrichtlinie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Unsicherheit könnte sehr teuer werden. Lassen Sie uns daher am Donnerstag für die eingebrachten Kompromissänderungsanträge stimmen.

 
  
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  Hartmut Nassauer (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn dieses Gesetz über REACH in Kraft tritt, dann werden Umwelt und Verbraucherschutz die eindeutigen Gewinner sein. Wir werden dann nämlich innerhalb von elf Jahren Kenntnisse und Informationen über rund 30 000 Stoffe haben, mit denen die Wirtschaft in Europa umgeht und die wir bisher nicht haben einholen können. Darin liegt der entscheidende Fortschritt.

Das geschieht dadurch, dass wir in Zukunft die Verantwortung für die Beschaffung von Informationen und Tests sowie die Kostenlast dafür den Unternehmen übertragen. Die Unternehmen werden dafür verantwortlich sein, dass sie mit den Stoffen, die sie produzieren und mit denen sie umgehen, sicher umgehen. Das ist die entscheidende Veränderung gegenüber dem bisherigen Recht. Dies ist mit beträchtlichen Kosten verbunden – was meines Erachtens auch erwähnt werden muss. Diese Tests kosten Geld. Bis zu 200 000 Euro! Diese Kosten müssten die Unternehmen künftig im Interesse von Umwelt und Verbraucherschutz selbst tragen. Deshalb ist es notwendig, dass wir auch einen Gedanken auf die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit verwenden.

Es war von dem Kompromiss die Rede, den Kollege Guido Sacconi und ich haben schließen können, und den unsere Fraktionen freundlicherweise gebilligt haben. Damit wird die Datenanforderung in dem besonders für kleine und mittlere Unternehmen wichtigen Bereich zwischen einer und hundert Tonnen stärker an das Risiko gebunden, das möglicherweise von einem Stoff ausgeht, und nicht nur an die Menge, in der er produziert wird. Das ist für kleine und mittlere Produzenten und Anwender ein entscheidender Fortschritt. Ich begrüße es sehr, dass wir es geschafft haben, diesen Kompromiss zu erzielen. Selbstverständlich stehen wir ganz uneingeschränkt dazu. Wir haben alte Änderungsanträge nur vorsorglich eingebracht für den Fall, dass wir keine Mehrheit bekommen würden.

Dieser Kompromiss betrifft allerdings nur den wichtigsten Teil von REACH, die Registrierung, und keineswegs alles. Die Themen Zulassung und Anwendungsbereich sind offen, und ich hoffe, dass es uns gelingt, uns auch darüber noch zu einigen.

 
  
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  Kurt Lechner (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Kürze von zwei Minuten muss ich mich auf wenige Punkte beschränken.

Zunächst eine allgemeine, das Gesamtpaket betreffende Bemerkung: Europa bildet einen beachtlichen Wirtschaftsraum von bald 500 Millionen Menschen, und es ist richtig, dass wir für diesen Raum gerade auf dem Gebiet des Umweltschutzes mit einem gemeinsamen verbindlichen Rechtsrahmen eine Vorreiterrolle einnehmen. Aber Europa ist kein abgeschotteter Teil der Welt und soll es auch nicht werden, sondern Europa steht im weltweiten Wettbewerb mit anderen großen Industrieregionen, und es dient den noch so gut gemeinten Zielen, gerade auch des Umweltschutzes, nicht, wenn Produktionen künftig in andere Regionen der Welt verlagert werden und Umweltprobleme dadurch möglicherweise noch größer werden, uns dann genauso treffen, gleichzeitig aber bei uns zusätzlich erhebliche wirtschaftliche Schäden eintreten.

Diese wirtschaftlichen Schäden betreffen keineswegs nur die chemische Produktion, sondern alle Güter, bei deren Herstellung Chemie zum Einsatz kommt, und das sind gewiss nicht wenige.

Dieser Gesichtspunkt ist auch für einen wichtigen Sachkomplex der Verordnung von Bedeutung, nämlich für den Schutz geistigen Eigentums und den Schutz vertraulicher Daten, der im Rechtsausschuss eine besondere Rolle gespielt hat und auf den ich konkret kurz eingehen möchte. Der Vorschlag der Kommission, so wie er derzeit vorliegt, trägt dem nicht ausreichend Rechnung und ist unzulänglich. Herr Kommissar Verheugen ist ja vorhin darauf eingegangen, und zwar – wenn ich ihn recht verstanden habe – aus meiner Sicht tendenziell richtig. Die Gegenseitigkeit ist nämlich nicht gewahrt.

Wenn europäische Unternehmen viele Daten offen legen müssen, können diese von außerhalb eingesehen werden, es können daraus Rückschlüsse gezogen werden. Umgekehrt ist dies nicht der Fall. Dies verstößt gegen einen weltweiten fairen Wettbewerb. Aus diesem Grund hat der Rechtsausschuss eine Reihe von Änderungsanträgen angenommen, die dem Rechnung tragen. Ein Teil davon ist in das Gesamtpaket eingegangen, nämlich bei der Verlängerung von Fristen; Herr Sacconi ist darauf vorhin kurz eingegangen. Nicht übernommen wurden aber Änderungsanträge – ich will sie kurz nennen: die Nummern 43, 45, 46 und 48 – zur verbesserten Vertraulichkeit von Daten, um deren Annahme ich hier bitten möchte.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. Herr Präsident! Ich möchte in der Tat die Position des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter vorstellen und nicht, wie einige Kollegen es getan haben, die Redezeit dazu missbrauchen, meine persönliche Meinung vorzustellen.

Der Frauenausschuss unterstützt mit großer Mehrheit den Kommissionsvorschlag zu REACH. Frauen sind ganz besonders von Belastungen durch Chemikalien betroffen, weil der weibliche Körper leichter gefährliche fettlösliche Substanzen anreichert. Chemikalien lagern sich im Körper ab und können Krebs erzeugen. Die Brustkrebsrate in Europa hat sich in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Jede neunte Frau in Europa ist von Krebs betroffen, und die Ursachen lassen sich in vielen Fällen auf Chemikalien zurückführen. Chemikalien können auch Embryonen schädigen und die Fruchtbarkeit einschränken. 15 % aller Paare in Europa sind ungewollt kinderlos. Die Spermienqualität von Männern hat sich in den letzten Jahren halbiert. Gene können verändert und Allergien ausgelöst werden.

Auch Kinder sind in ihrer Gesundheit sehr durch Chemikalien betroffen. Bei Kindern steigt die Krebsrate jährlich um 1 %, und Krebs ist zur zweithöchsten Todesursache bei Kindern geworden. Frauen geben während der Schwangerschaft und Stillzeit den gesamten chemischen Cocktail ungewollt an ihre Kinder weiter.

Der Frauenausschuss sieht daher in REACH die einmalige Chance, Mensch und Umwelt besser vor gefährlichen Chemikalien zu schützen. Er hat sich eindeutig für ein klares REACH ausgesprochen. Insbesondere hat der Frauenausschuss deutlich gemacht, dass er eine strenge Registrierung will. Er hat sogar vorgeschlagen, Chemikalien schon ab Mengen von 10 Kilogramm bis hin zu einer Tonne zu registrieren. Der Frauenausschuss will die verbindliche Substitution, und er will auch, dass Importprodukte unter die Registrierung fallen. Er will ganz klar eine begrenzte Zulassung, und er fordert einen klaren Substitutions...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  David Hammerstein Mintz (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des Petitionsausschusses.(ES) Herr Präsident, beim Petitionsausschuss sind die Unterschriften von einer Million Britinnen eingegangen. Lord Bach, eine Million britischer Frauen haben dem Parlament aus Sorge vor den Auswirkungen chemischer Stoffe auf ihren Körper und ihr Leben geschrieben.

Die europäischen Gewerkschaften haben eine starke REACH-Verordnung gefordert, ebenso mehrere Millionen europäischer Beschäftigter im Gesundheitswesen und Ärzte. Von Ihnen haben wir vernommen, dass diese Verordnung vielleicht unsere einzige Chance ist. Lassen wir sie also nicht ungenutzt verstreichen.

Dennoch befürchte ich, dass wir sie vertun werden, da hier in unzulässiger Weise Druck ausgeübt wird und einige beschämende Positionen beziehen, die Millionen und Abermillionen Europäer vor den Kopf stoßen, die von diesem Parlament, von unseren Institutionen Maßnahmen erwarten, die einen positiven Einfluss auf ihr tägliches Leben haben.

Wir können - wie hier schon gesagt wurde - kein System zur Risikobewertung entsprechend dem Kompromissvorschlag anwenden, wenn wir durch diesen Kompromiss mit unserem Kenntnisstand niemals über 90 % der Stoffe hinauskommen. Niemals. Mit allen diesen Ausnahmen, mit allen diesen Lücken, mit allen diesen Extraregelungen werden wir niemals in der Lage sein, in den Besitz der entsprechenden Informationen zu gelangen.

Dieser Kompromiss trägt nur zu Unkenntnis und Unklarheit bei. Lassen Sie uns dieser giftigen Unkenntnis ein für alle Mal ein Ende setzen. Heute, in dieser Woche, haben wir Gelegenheit dazu. Wir dürfen sie nicht verspielen.

 
  
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  Satu Hassi (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (FI) Meine Damen und Herren, mit Rechtsvorschriften über Chemikalien soll eigentlich die Gesundheit der Menschen geschützt werden, aber es scheint, als würden wir eine große Enttäuschung erleben, mit einem verwässerten Ergebnis und einem Sieg für die Lobby der chemischen Industrie, die ihren enormen Reichtum als Waffe einsetzt. Die Einigung zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten bedeutet, dass keinerlei Chemikalien, die in Konsumgütern enthalten sind, getestet werden. Das ist ein Skandal, da chemische Stoffe, wie wir wissen, für ein Drittel aller Berufskrankheiten sowie einen beträchtlichen Anteil an Allergien, Asthma, Unfruchtbarkeit und Krebs verantwortlich sind.

Die Rolle, die die Kommission, und insbesondere die von Herrn Kommissar Verheugen geführte Generaldirektion hier gespielt hat, ist in der Tat eine sonderbare. Sie war wie ein Überraschungsei: Man wusste nie, welche Überraschung in dieser Woche herauskommt. Fast jede Woche erreichten uns im Namen der Kommission einander vollkommen widersprechende Botschaften: Die Kommission unterstützt ihren ursprünglichen Vorschlag, unterstützt ihn nicht, unterstützt ihn, unterstützt ihn nicht. Von der Kommission ist eine Menge an Informationen gekommen, die ihren eigenen offiziellen Beschlüssen zuwiderlaufen.

Meine Damen und Herren, das ist kein gutes Management und es ist auch kein gutes Beispiel für die Türkei, die die Mitgliedschaft anstrebt. Ich möchte Sie alle bitten, den Vorschlag des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie das von der Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz eingebrachte Modell zu unterstützen, das gewährleisten würde, dass Chemikalien, die in Konsumgütern verwendet werden, vorab getestet werden. Damit würden wir einen Wettbewerbsvorteil für die europäische Industrie schaffen. Überall in der Welt würde man wissen, dass europäische Produkte sicher sind, und kleine Unternehmen könnten die Chemikalien ebenfalls unbesorgt einsetzen und so ihre Angestellten schützen.

 
  
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  Ria Oomen-Ruijten, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Sacconi, Respekt für seine Arbeitseinstellung und seine Entschlossenheit zollen, aber auch einigen Kolleginnen und Kollegen wie Herrn Nassauer, Herrn Vidal-Quadras Roca, Frau Herczog, Frau Erika Mann, Herrn Thomas Mann, Herrn Langen, Frau Roth-Behrendt, Herrn Goebbels, Herrn Manders und anderen bin ich für ihre Beharrlichkeit zu Dank verpflichtet, denn ohne sie als Mitstreiter für ein durchführbares REACH hätten wir kein Resultat erzielen können.

In unserer modernen Gesellschaft sind wir von Chemie umgeben. Chemische Stoffe oder Verfahren gelangen für Körperpflegemittel, Lebensmittel und medizinische Erzeugnisse zum Einsatz. Die Chemie nimmt in Europa mit einem Anteil von 440 Milliarden Euro am Bruttosozialprodukt einen herausragenden Platz ein. Mit seinen 1,3 Millionen Arbeitnehmern in 27 000 Unternehmen wirkt sich dieser Industriezweig positiv auf die Wirtschaft aus. Aber trotzdem beschleicht den europäischen Bürger ein Unbehagen wegen der Folgen und Gefahren chemischer Stoffe für unseren Alltag, den Arbeitsplatz und unsere Umwelt. Mit diesem Mammutgesetzgebungsprojekt können wir neues Vertrauen wecken und überzeugende Argumente liefern.

Die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagene Verordnung war zu bürokratisch, mit einem übermäßigen Papierkrieg verbunden und zu kostspielig, ohne das Resultat wirklich zu verbessern. Meines Erachtens müssen wir Garantien für ein praktisch durchführbares Projekt bieten, das die Gesellschaft in elf Jahren mit Erzeugnissen versorgt, die vollkommen sicher sind.

Eines bereitet mir noch Sorge. Wir haben einige Kompromisse ausgehandelt, was ich begrüße. Hinsichtlich der Zulassung wurden neue Kompromisse eingereicht, einschließlich einiger Kompromisse von vier Fraktionen. Die Mitglieder der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und eventuell jene der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament denken möglicherweise, diese Kompromisse ließen ein wenig mehr Spielraum, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Vorschriften in den Kompromissen wurden derart verschärft, dass sie in einigen Punkten sogar strenger sind als jene, über die in dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit abgestimmt wurde. Ich fordere Sie deshalb auf, sich keinen Sand in die Augen streuen zu lassen, sondern noch einmal einen genauen Blick auf die Dokumente zu werfen.

 
  
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  Werner Langen (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich wollte darauf hinweisen, dass Frau Hassi nicht die Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, sondern ausschließlich ihre persönliche Meinung, die nicht mehrheitsfähig war, vorgetragen hat.

 
  
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  Robert Goebbels, im Namen der PSE-Fraktion. - (FR) Herr Präsident, lassen Sie uns in aller Ruhe Bilanz über REACH ziehen und uns dabei jedes naiven grünen Optimismus und jedes Industriepessimismus enthalten. Die Chemie steht weder links noch rechts. Sie ist ein untrennbarer Bestandteil des Universums. Einige chemische Moleküle sind schädlich für den Menschen, seien sie nun im Naturzustand oder von Menschenhand gemacht.

Die elementare Vorsicht gebietet einen zurückhaltenden Umgang mit neuen chemischen Substanzen. Ich ziehe die Vorsicht dem Vorsorgeprinzip vor, das allzu häufig dazu dient, sich jeder Verantwortung zu entziehen. Wenn man den Publikationen von Organisationen wie Greenpeace Glauben schenken will, so sind die wirklich gefährlichen Substanzen bekannt, denn sie werden Tag für Tag angeprangert. Warum will man also aus REACH ein schwerfälliges und bürokratisches System machen, warum widmet man sich nicht vorrangig den höchst Besorgnis erregenden kanzerogenen, mutagenen, toxischen, bioakkumulativen Substanzen? Für all diese Stoffe muss das Substitutionsprinzip durchgesetzt werden.

Die von Guido Sacconi erarbeiteten Kompromisse garantieren dieses Ziel. Die von einigen angeprangerte Flexibilität wird stets die Verantwortung der Europäischen Agentur für chemische Stoffe einschließen, deren Vollmachten ausgeweitet werden sollen. Man will sich nicht der Industrielobby beugen, sondern die legitimen Interessen der KMU berücksichtigen und die kostspieligen und häufig unnützen Tests begrenzen. Deshalb muss der Grundsatz gelten: „Eine Substanz, eine Registrierung“.

Die Sprache der Chemie ist universell, jede chemische Formel ist einmalig. Der Schutz der Umwelt und der Schutz der Gesundheit bleiben vorrangige Ziele. Ob es denen, die mit der Angst Geschäfte machen, nun gefällt oder nicht, die natürliche Umwelt in Europa verbessert sich ständig, und jedes Jahr verlängert sich die Lebenserwartung der Europäer um durchschnittlich drei Monate. Die Menschen bleiben jedoch sterblich. Es wäre also falsch zu behaupten, dass ein härteres REACH-System Tausende Leben retten und gewissermaßen Unsterblichkeit schaffen würde.

REACH ist notwendig, und sei es nur zum Nutzen der Beschäftigten des Sektors. Es geht nicht nur darum, ihre Gesundheit zu schützen, sondern auch ihren Arbeitsplatz. Die europäische Chemieindustrie nimmt den ersten Platz in der Welt ein. Die Aufrechterhaltung eines wettbewerbsfähigen europäischen Chemiesektors bleibt ein ehrenwertes Ziel, selbst wenn man die Industrielobby daran erinnern muss, dass sauberere Herstellungsverfahren und unproblematische Produkte einen echten Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt bieten werden.

Angesichts vielfach extremer Forderungen hat es unser Berichterstatter zusammen mit anderen verstanden, ein Gleichgewicht zwischen gesundheitspolitischen, umweltpolitischen und wirtschaftlichen Erfordernissen zu finden. Selbst diejenigen, die nicht für die von Guido Sacconi vorgeschlagenen Kompromisse stimmen werden, werden zugeben müssen, dass Europa dabei ist, sich auf dem Gebiet der Chemie die progressivsten und ehrgeizigsten Rechtsvorschriften der Welt zu geben.

 
  
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  Lena Ek, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Die Gründe, warum wir in Europa eine neue Chemikaliengesetzgebung berauchen, sind bereits umfassend dargelegt worden, sodass ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen möchte. Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa hat zehn schwierige politische Aspekte ausgemacht, und ich möchte stattdessen auf einige von ihnen eingehen.

Zuverlässige Auswertungen des Gesetzentwurfs haben ergeben, dass sich bei Mengen zwischen 1 und 10 t besondere Probleme für Kleinunternehmen ergeben. Daher brauchen wir eine vereinfachte Registrierung für Kleinunternehmen im Falle ungefährlicher chemischer Stoffe. Gleichzeitig müssen bei den als gefährlich geltenden Chemikalien höhere Anforderungen gestellt werden. Der Kompromiss läuft darauf hinaus, dass zusätzliche Informationen für etwa 30 Prozent der Stoffe erforderlich sind, während für die übrigen eine vereinfachte Registrierung ausreichend ist. Das halte ich für ein gutes Gleichgewicht, das vielleicht nicht perfekt, aber doch annehmbar ist. In derart wichtigen Angelegenheiten darf das Gute nicht durch Idealvorstellungen gefährdet werden. Es heißt ja oft, ein guter Kompromiss zeichne sich dadurch aus, das alle mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Meiner Ansicht nach ist es in diesem Fall jedoch umgekehrt, da die meisten mit dem Ergebnis recht zufrieden sind.

Darüber hinaus muss der Vorschlag in verschiedenen Punkten auch verstärkt werden. Jeder einzelne Verbraucher muss ein Recht auf Information darüber haben, ob die von ihm gekauften Waren gefährliche Chemikalien enthalten. Aus diesem Grunde enthält unser Kompromiss auch Vorschriften zur Sorgfaltspflicht, die eindeutig bei den Unternehmen liegt. Die ALDE-Fraktion schlägt auch einen Zusatz vor, der die Beweislast klar den Unternehmen auferlegt.

Eine wichtige Frage betrifft die Zulassung, d. h. die eigentlichen Beschlüsse zu den chemischen Stoffen. Sehr wichtig ist ein ausgeprägtes Substitutionsprinzip für gefährliche Stoffe, die sich durch weniger gefährliche Alternativen ersetzen lassen. Eine Zulassung ist nicht einfach nur für alle älteren Chemikalien erforderlich, sondern für solche, die krebserregend sind, die reproduktiven Funktionen des Menschen beeinträchtigen oder im menschlichen Körper angereichert werden – die also, kurz gesagt, die schlimmsten Schäden anrichten. Ferner brauchen wir einen besseren Informationszugang für die Unternehmen am unteren Ende der Nutzerkette, die so genannten Downstream users, sowie ein Informationsrecht für Verbraucher. Daher bin ich froh, dass diese Dinge im Entwurf enthalten sind.

REACH muss darüber hinaus klarer formuliert werden. Es ist falsch, wenn die Bergbauindustrie meint, nun jede Lkw-Ladung Eisenerz, die die Grube verlässt, prüfen zu müssen. Der Entwurf enthält noch weitere ähnliche Grauzonen und Merkwürdigkeiten, über deren Entfernung sich die drei größten Fraktionen einig waren.

Mein Dank gilt den Kommissaren Verheugen und Dimas. Ich war doch etwas besorgt, als sie mit diesem „Room paper” ankamen, bin aber sehr froh, dass die Kommission jetzt beschlossen hat, die von den drei großen Fraktionen im Parlament vertretene Hauptlinie zu unterstützen.

Auch möchte ich Großbritannien zu seiner verdienstvollen Arbeit beglückwünschen, die weiter fortgeführt wird. Gratulieren möchte ich auch Luxemburg zu der im Rahmen der vergangenen Ratspräsidentschaft geleisteten Arbeit. Der Beschluss, den wir am Donnerstag bei der Abstimmung hier im Hause hoffentlich fassen werden, wird dem von der Ratspräsidentschaft vorgelegten Entwurf weitgehend entsprechen. Damit haben wir jetzt die Möglichkeit, den gesamten Themenkomplex zu stabilisieren und eine nach Ansicht der ALDE-Fraktion außerordentlich wichtige Entscheidung zu treffen. Wir werden die vorliegenden Kompromissvorschläge unterstützen.

 
  
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  Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte dem Kollegen Sacconi für seine Arbeit an REACH sowie für die mit unserer Hilfe zustande gekommenen Kompromisse zu Themen wie Zulassung usw. danken. Die Angriffe der Abgeordneten Nassauer, Schulz, Pöttering und Ek auf REACH sind dagegen als Beschwichtigungskurs gegenüber der deutschen Chemieindustrie zu werten, die die Umwelt und die öffentliche Gesundheit schädigt sowie den Arbeitern und allen kleinen Unternehmen das Leben schwer macht, die wirklich die Auswirkungen der von ihnen gekauften chemischen Stoffe kennen und wissen wollen, welche Konsequenzen sie für uns haben.

Schon vor vier Jahren forderte das Europäische Parlament im Bericht von Frau Schörling eine striktere Abfassung von REACH. Ein Jahr lang leistete der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit effiziente und ausgewogene Arbeit, um die Interessen der Öffentlichkeit, die Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Jetzt aber scheint das gesamte Parlament wie hypnotisiert zu sein von der lobbyistischen Strategie der deutschen Chemieindustrie, für die Herr Nassauer den Zauberstab schwingt.

Wie kann die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten den Anschlag des Nassauer-Kompromisses auf die kleinen Unternehmen verteidigen, denen nicht alle Daten mitgeteilt werden sollen und die weitere fünf Jahre für die Informationen bezahlen müssen, die den Großunternehmen zur Verfügung stehen? Wie können Sie die Abschaffung der volumenabhängigen Registrierungsgebühren verteidigen und die nunmehrige mangelnde Klarheit bezüglich der Kosten rechtfertigen? Brechen Sie den Bann, in dem Sie stehen, und stimmen Sie für den Alternativkompromiss.

Wie kann die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament die massive Aushöhlung der Prüfung von Chemikalien im Niedrigtonnage-Bereich verteidigen? Wie können Sie verschwommene Kriterien befürworten, nach denen auch Chemikalien im Hochtonnage-Bereich von den Tests zur Feststellung von Krebsrisiken ausgenommen werden können? Wie sollen wir ohne Informationen und ohne klare Anforderungen an das Arbeitsumfeld die Arbeiter schützen? Lassen Sie sich nicht länger verhexen und stimmen Sie gegen Herrn Nassauer und für den Alternativkompromiss.

Was die Liberalen betrifft, so sollten auch Sie den Bann brechen und sich für eine liberale Politik einsetzen. Geben Sie den Verbrauchern die Möglichkeit und das Wissen, sich gegen gefährliche chemische Substanzen zu entscheiden. Stimmen Sie gegen die Unterminierung des Verbraucherschutzes durch den Nassauer-Kompromiss. Er könnte uns alle zu Versuchskaninchen machen, da er den ausdrücklichen Schutz der Verbraucher vor Forschungschemikalien aufhebt. Darüber hinaus gründet sich der Verbraucherschutz dem Kompromiss zufolge auf eine Risikobewertung, die auf den vorhandenen Daten basiert, doch genau dieser Mangel an Daten sollte durch REACH behoben werden. Das erreicht Ihr Kompromiss aber nicht. Daher bitte ich auch Sie, sich aus dem Bann der deutschen Chemieindustrie mit ihren Wachstum verheißenden irreführenden Sirenenrufen zu lösen. Wenn REACH ausgehöhlt wird, sind das Einzige, was wachsen wird, die Krebsgeschwüre unserer Bürger. Ich würde eine Stunde brauchen, um alle Organisationen aufzuzählen, die eine striktere Abfassung von REACH wollen. Sie sollten auf sie hören! Nur wenn Sie gegen den Nassauer-Kompromiss und für den Alternativvorschlag stimmen, haben Sie die Chance, für ein stärkeres REACH zu stimmen.

 
  
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  Präsident. – Bevor wir fortfahren, möchte ich in Erinnerung bringen, dass Artikel 145 GO, der sich auf die persönlichen Bemerkungen bezieht, den Abgeordneten, die in den Redbeiträgen erwähnt werden, die Möglichkeit gibt, um das Wort zu bitten. Dieses wird ihnen am Ende der Aussprache erteilt. Wenn alle Herrn Nassauers Namen nennen, ist klar, dass er am Ende der Aussprache darum bitten kann, ein Dutzend persönliche Bemerkungen anzuführen.

 
  
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  Jonas Sjöstedt, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Ich spreche für die überwältigende Mehrheit meiner Fraktion. Die Linke in der EU tritt für ein REACH mit strikten Festlegungen ein. Wir wollen ein REACH, durch das wir von den Auswirkungen von Chemikalien in Kenntnis gesetzt werden, auch der in kleineren Mengen hergestellten. Außerdem brauchen wir eine Chemikalienpolitik, die es zur Pflicht macht, die gefährlichsten Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen und zu verbieten. Wir wollen, dass die Unternehmen sollen eine klare Haftung für ihre Produkte übernehmen. Das liegt im Interesse der Volksgesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer. Alle seriösen Analysen zeigen, dass die Vorteile einer effizienten Chemikalienpolitik die oft stark übertrieben dargestellten Kosten für diese Politik bei weitem übersteigen. Es sollte klar sein, dass REACH eine gute Sache ist. Die Unternehmen müssen wissen, was sie tun, und die Verantwortung für ihre Handeln übernehmen.

Im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sind wir zu einem im Wesentlichen konstruktiven Kompromiss gekommen. Ich bedaure zutiefst, dass die Sozialdemokraten und die Liberalen von diesem Kompromiss abgewichen sind und sich stattdessen mit den Rechten arrangieren wollen. Der Nassauer/Sacconi-Kompromiss bedeutet eine drastische Schwächung unseres Ziels einer effizienten REACH-Verordnung. Er hat zur Folgen, dass wir nichts über die Auswirkungen der Chemikalien erfahren werden. Möglicherweise werden für ganze 90 Prozent der Chemikalien im Niedrigvolumen-Bereich Ausnahmeregelungen gelten, und auch Chemikalien im Hochvolumenbereich werden von angemessenen Tests ausgenommen. Auf diese Weise werden wir nie das Wissen haben, das für eine funktionierende Chemikalienpolitik erforderlich ist.

Wir halten das für völlig inakzeptabel. Unsere Fraktion kann eine derartige Schwächung der Chemikalienpolitik niemals akzeptieren und hat daher gemeinsam mit der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz den Alternativvorschlag eingereicht.

Viele Abgeordneten dieses Parlaments haben sich praktisch zum Sprachrohr der Lobbyisten der Chemieindustrie machen lassen. Das mit anzusehen war teilweise recht belastend.

Der Kollegin Ek möchte ich Folgendes sagen: Sie führen zwar die Umwelt im Munde, haben aber bei jeder passenden Gelegenheit konsequent auf die Abschwächung und Verschlechterung dieses Gesetzentwurfs hingearbeitet. Dies ist der wichtigste Vorschlag im Umweltbereich, den wir seit vielen Jahren im EU-System behandelt haben. Wofür Sie sich stark machen, ist keine Umweltpolitik.

An die Adresse der Europäischen Kommission gerichtet, möchte ich Folgendes bemerken: Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit in Umweltfragen verloren, da Sie vor Ihrem eigenen Vorschlag davonlaufen. Sie verteidigen nicht einmal Ihre eigenen Vorschläge von vor fünf Jahren. Das ist in meinen Augen Schwäche. In der Umweltpolitik sind Sie überhaupt nicht mehr glaubwürdig.

Und schließlich Herrn Sacconis Apfel: Wenn Sie diesen Apfel von Herrn Nassauer bekommen haben, würde ich mich vorsehen. Wahrscheinlich ist er voller gefährlicher chemischer Stoffe und Insektizide und vermutlich innen verfault.

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Selten wird hier ein derart komplexer Vorschlag behandelt wie dieser. Die REACH-Vorlage der Kommission ist verbesserungsbedürftig. Darin sind wir uns alle einig. Was diese Verbesserung beinhalten sollte, darüber divergieren die Auffassungen in diesem Hause jedoch stark. In dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit haben wir uns am 4. Oktober auf einen tragfähigen Kompromiss verständigt. Obgleich Aspekte wie Gefahren- und volumenbasierte Registrierung, die ich für wichtig erachte, weggefallen sind, habe ich bei der Schlussabstimmung dafür gestimmt. Den im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit erzielten Kompromiss befürworte ich auch jetzt im Plenum. Den so genannten Sacconi-Nassauer-Kompromiss halte ich für unzulänglich. Mit diesem Ansatz verlieren wir teilweise die im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit erzielten Resultate. Dennoch möchte ich dem Berichterstatter meine Anerkennung für seinen Ansatz und die konstruktive Zusammenarbeit aussprechen. Angesichts der dürftigen Unterstützung bei der Schlussabstimmung kann ich nachvollziehen, weshalb er nach dem Votum im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit diesen Weg gewählt hat.

Den Tenor des Rettungsplans der Fraktion der Grünen finde ich begrüßenswert, den Wegfall der Verwendungs- und Expositionskategorien befürworte ich allerdings nicht. Ich möchte Ihr Augenmerk noch einmal auf einige Punkte lenken, weil mir viel daran gelegen ist. Für die anorganischen Stoffe müssen wir eine geeignete Lösung finden. Metalle, Erze und Konzentrate können nicht auf dieselbe Weise behandelt werden wie organische chemische Stoffe. Vom Rat erwarte ich, dass er sich dieses Problems annimmt und bis zur zweiten Lesung gelöst hat.

Die Belastung für die kleinen und mittleren Unternehmen muss überschaubar sein. Nach der Abstimmung muss erneut eine Kosten/Nutzen-Analyse vorgenommen werden, um zu bestimmen, inwieweit sich die Abstimmung auf die Belastung der KMU auswirkt. Die Bildung von Konsortien muss gefördert werden, um unter anderem die Kosten gering zu halten. Volumen und Risiken gehen Hand in Hand. Gerade über die gefährlichsten Stoffe müssen die meisten Informationen vorliegen, und das müssen nicht unbedingt dicke Bände sein. Dort liegt nach wie vor ein großes Problem.

Ich komme zum Schluss. Tierversuche müssen möglichst vermieden werden, und zugleich sind Fortschritte weiterhin vonnöten. Wenn dieser Wunschzettel erfüllt ist, dann sind wir meines Erachtens auf dem richtigen Weg zur Verwirklichung unseres Ziels.

 
  
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  Liam Aylward, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, ich bin sicher, es gibt in diesem Hohen Haus niemanden, der die Notwendigkeit von REACH bestreiten würde, wenn ihm vor allem die Gesundheit der Bürger in Europa, die Gesundheit künftiger Generationen und insbesondere der jungen Menschen sowie die Umwelt am Herzen liegen. Gegenwärtig sind über 100 000 chemische Erzeugnisse auf dem europäischen Markt, von denen die Mehrzahl noch nie auf ihre Langzeitwirkung evaluiert wurde. Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass für die heutige Zeit typische Erkrankungen wie Asthma, Allergien, bestimmte Arten von Krebs und berufsbedingte Krankheiten häufig auf chemische Produkte in der Umwelt zurückzuführen sind.

REACH wird die Entwicklung und Vermarktung neuer und sicherer Substanzen erleichtern und dazu beitragen, dass die europäischen Verbraucher wieder Vertrauen in diese Erzeugnisse haben, denn Hersteller und Importeure sind verpflichtet, Chemikalien zu registrieren und Informationen über ihre Eigenschaften bereitzustellen. REACH wird die Ablösung der gefährlichsten Substanzen durch andere Stoffe fördern. Die neue Regelung wird sich nicht nur auf Produkte in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten erstrecken, sondern auch auf sämtliche eingeführten Produkte.

Während sich alle Seiten über die Ziele von REACH einig sind, gehen die Ansichten darüber, wie diese zu erreichen sind, und insbesondere über die Pflichten, die sich daraus für die chemische und pharmazeutische Industrie ergeben, auseinander. In Irland, meinem Heimatland, belaufen sich die Ausfuhren der pharmazeutischen Industrie auf einen Wert von 37,4 Milliarden Euro, während die Branche fast 40 000 Menschen direkt oder indirekt Arbeit bietet. Wir dürfen dem europäischen Mittelstand deshalb auf keinen Fall mit übermäßig strengen Auflagen und Regelungen die Hände binden. Im Leben der heutigen Zeit spielen Chemikalien in der Wirtschaft eine ganz wesentliche Rolle. Wir alle sind in unserem Alltag auf chemische Stoffe angewiesen, aber wir müssen auch deren Sicherheit garantieren. REACH kann diese Garantien und Informationen bieten. Wir müssen aber aufpassen, dass wir dabei diese Branchen nicht kaputtmachen.

Im Zentrum dieser Debatte steht die richtige Balance. Ich glaube, dass es uns dank des Engagements der Mitglieder der Ausschüsse und besonders meines Ausschusses, des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, gelungen ist, die richtige Balance zu finden, und ich meine, dass dieser Vorschlag für das Haus akzeptabel sein sollte.

 
  
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  Irena Belohorská (NI).(SK) Meine Damen und Herren! Ich möchte hier die gründliche Arbeit würdigen, die Herr Sacconi, der Berichterstatter, bei der Erstellung dieses Berichts geleistet hat. Als Ärztin weiß ich um die erhebliche Zunahme schwerer Erkrankungen im Laufe der letzten zehn Jahre, wobei ein Großteil auf den gefährlichen Gebrauch chemischer Stoffe zurückzuführen ist. Oft jedoch entstehen Probleme daraus, dass die Hersteller keine Angaben zu den Wirkungen chemischer Stoffe machen.

Bei der REACH-Richtlinie, das sollte allen klar sein, geht es nicht nur um den Konflikt zwischen chemischer Industrie und Umwelt, sondern auch um den Wettbewerb zwischen großen Unternehmen und kleinen und mittleren Firmen im Chemiesektor. Ich begrüße es, dass im Rahmen der REACH-Richtlinie einige Stoffe verboten werden und an ihre Stelle weniger gefährliche Ersatzstoffe treten. Die meisten der im Bericht erwähnten chemischen Stoffe werden jedoch nicht aus der Umwelt beseitigt. Ich hoffe, dass die Bürger auf der Basis von Tests direkt über die Gefahren in Kenntnis gesetzt werden, die diese Stoffe darstellen. Selbstverständlich bin ich auch dankbar dafür, dass die Menschen vorsichtiger mit derartigen Stoffen umgehen werden.

Einen ernsthaften Vorbehalt habe ich jedoch gegenüber einer Art von Diskriminierung der zehn neuen Mitgliedstaaten. Diese Staaten waren nur ein Jahr lang an den Gesprächen über die REACH-Richtlinie beteiligt, sodass sie weniger gut darauf vorbereitet sind als die EU-15-Länder, die das Thema drei Jahre lang diskutiert haben. Die Slowakische Republik unterstützt und empfiehlt die Annahme des Grundsatzes „Ein Stoff, eine Registrierung“, da er zur Verringerung der Gesamtkosten für Tests und zur Beseitigung eines unnötigen bürokratischen Aufwands beiträgt.

Da das Ziel von REACH darin besteht, die von chemischen Stoffen ausgehenden Gefahren zu vermindern und gleichzeitig Preissteigerungen bei Endprodukten aufgrund hoher Testkosten zu vermeiden, wäre es meiner Ansicht nach angebracht, auch die Testgebühren zu standardisieren, und zwar unter entsprechender Berücksichtigung der schwächeren Volkswirtschaften der neuen Mitgliedstaaten.

 
  
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  Werner Langen (PPE-DE). – Herr Präsident! Der Vorschlag der Kommission ist zu bürokratisch, zu teuer; er schadet den kleinen und mittleren Unternehmen und ist ohne gravierende Änderungen überhaupt nicht zu verantworten. Den Vorschlag haben nicht die beiden Kommissare vorgelegt, sondern ihre Vorgänger. Insofern ist die jetzige, geänderte Haltung zu begrüßen.

Zweitens: Die Vorschläge, die der Umweltausschuss hier zusätzlich eingebracht hat, können die großen Unternehmen erfüllen, die kleinen nicht. Was hier von den Grünen und anderen immer wieder vertreten wurde, ist mittelstandsfeindlich.

Wir haben uns in einigen Ausschüssen mit breiter Mehrheit auf einige Grundsätze geeinigt. Erstens: Die Unternehmen tragen die Verantwortung, aber sie müssen Vorsorge treffen. Zweitens: Die Mindestanforderungen und die vorhandenen Daten sind schneller verfügbar, nämlich innerhalb von 18 Monaten. Drittens: Der Prüfungsumfang muss risikoorientiert ausgestaltet und flexibel sein; die Expositions- und Verwendungskategorien müssen bis zum Ende der Nutzerkette verfügbar sein. Viertens: Die freiwillige Zusammenarbeit muss gefördert werden, und keine Zwangskonsortien, wie das die britische Ratspräsidentschaft immer noch vorschlägt. Fünftens: Die Wiederholung von Tierversuchen ist zu vermeiden. Wenn ich die Vorschläge der Grünen ansehe, so kommt mir das Grauen bei all den Tausenden Tierversuchen, die dadurch unnötigerweise zusätzlich nötig werden!

Es muss fairer Wettbewerb sichergestellt werden, insbesondere über die Behandlung der Importe, Artikel 6. Die Zulassung muss unbefristet erfolgen und unter bestimmten Voraussetzungen möglicherweise revidierbar sein. Der Mittelstand muss stärker berücksichtigt werden. Ich glaube, dass überhaupt das ganze Thema nur mit diesen Änderungen verantwortbar ist, und ich bin allen dankbar, die in den unterschiedlichen Ausschüssen und in unterschiedlichen Eigenschaften daran mitgearbeitet haben. Nur wenn wir auf breiter Basis einen vernünftigen Kompromiss finden, werden wir in der Lage sein, diesem Parlament das Gewicht zu verschaffen, das ihm zusteht, denn weder die Kommission noch der Rat waren bisher dazu in der Lage.

 
  
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  Béatrice Patrie (PSE). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! In Frankreich gehen jährlich fast 10 % der Krebserkrankungen bei Arbeitnehmern auf die Exposition gegenüber chemischen Substanzen am Arbeitsplatz zurück. Da es jedoch keine verwertbaren Angaben zu diesen Substanzen gibt, wird nur ein winziger Teil dieser Krebserkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt und als solche behandelt. Generell nehmen die Krebsfälle unter der Gesamtbevölkerung, besonders bei Kindern, exponentiell zu, sodass zahlreiche Wissenschaftler meinen, dass diese Erkrankungen direkt mit der Chemieproduktion zusammenhängen. Das zeigt, welche Bedeutung das Inkrafttreten eines Systems zur Bewertung, Zulassung und Substitution chemischer Erzeugnisse hat.

Wir sind hier alle darauf bedacht, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie und damit Arbeitsplätze zu gewährleisten. Ich habe meinerseits stets die Idee verteidigt, dass das angenommene System für die Unternehmen technisch und wirtschaftlich vertretbar sein und Konsortien begünstigen muss. Aber wir wollen kein REACH als Billigfassung.

Wenn REACH die Möglichkeit bieten soll, die schädlichen Substanzen tatsächlich vom europäischen Markt zu verbannen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens sind die Art und die potenzielle Gefährlichkeit der Substanzen unmittelbar von der Qualität der Informationen abhängig, die bei der Registrierung gegeben werden. Kein Änderungsantrag darf dazu führen, dass der Aspekt der Registrierung an Substanz verliert, und so können Ausnahmen von der Pflicht zur Übermittlung der Daten nur in Ausnahmefällen und unter strikten Auflagen, einschließlich für Substanzen, die in kleinen Mengen produziert werden, gewährt werden. Die Beweislast muss auch weiterhin bei den Unternehmen liegen.

Zweitens muss jedem europäischen Bürger, jedem Arbeitnehmer die Gewissheit gegeben werden, dass schädliche Produkte aus dem Verkehr gezogen und durch sichere Produkte ersetzt werden. Die Frage, ob eine Substitutionspflicht oder nur eine einfache Empfehlung eingeführt wird, ist nicht verhandelbar. So darf keine Marktzulassung für ein Produkt erteilt werden, wenn es ein Alternativprodukt gibt.

Von diesen Forderungen müssen wir uns aus meiner Sicht bei unserer Abstimmung in erster Lesung leiten lassen. Die Sozialdemokraten im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, für die ich als Schattenberichterstatter auftrete, haben einen Kompromiss, der dem heutigen ähnelt, als befriedigend angesehen. Hingegen hätten in unserer Fraktion andere Kollegen, und besonders die französischen Sozialdemokraten, sich einen ambitionierteren Kompromiss gewünscht.

Lassen Sie mich abschließend unserem Berichterstatter, Guido Sacconi, für seine umfangreiche Arbeit danken.

 
  
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  Chris Davies (ALDE). – (EN) Herr Präsident, REACH hat bereits zwei Opfer gefordert, eines davon ist die Wahrheit. Zu viele Vertreter der chemischen Industrie und insbesondere aus der Lobby der deutschen Chemieindustrie scheinen nach der Devise zu verfahren: Wenn man schon beim Lügen ist, dann sollte man aber auch so richtig dick auftragen. Bei den Kosten für REACH wurde von Anfang bis Ende maßlos übertrieben. Das zweite Opfer war der Anspruch der Kommission, sich bei der gleichzeitigen Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Umweltschutzes neutral zu verhalten.

Nach Kommissar Verheugens skandalösen Versuchen, selbst den Standpunkt des britischen Ratsvorsitzes zu untergraben, können wir doch wohl mit Fug und Recht davon ausgehen, dass man sich in der Kommission eindeutig gegen den Umweltschutz entschieden hat. Ein Wort des Lobes von unseren politischen Gegnern für den britischen Ratsvorsitz: Es ist ihm gelungen, eine Einigung zwischen den 25 Mitgliedstaaten zu erzielen und dabei weniger der ursprünglichen Ziele zu opfern, als einige von uns befürchtet hatten. Ich hoffe, dass er bis Ende Dezember einen Gemeinsamen Standpunkt erzielen kann und dass das Parlament am Donnerstag in einer Weise abstimmen wird, die eine Annäherung an den Standpunkt des Ratsvorsitzes darstellt. Wir können uns dessen jedoch nicht sicher sein. Es gibt noch immer Abgeordnete, die den bloßen Gedanken ablehnen, die Wirtschaft möge nachweisen, dass die Chemikalien, die sie auf den Markt bringt, sicher sind.

Es gibt noch immer Abgeordnete, die die Prüfungsanforderungen fast vollkommen abschaffen würden: „Vertraut uns, das sind Chemieunternehmen.“ Das ist ihr Argument. Es gibt noch immer Abgeordnete, die meinen, dass es möglich sein sollte, besonders bedenkliche Stoffe selbst dann weiterhin zu verkaufen, wenn sicherere Alternativen ohne weiteres verfügbar sind.

Herr Sacconi und Frau Ek haben Kompromisse ausgehandelt, die den echten Bedenken der Industrie gerecht werden und gleichzeitig hohe Maßstäbe für den Umweltschutz setzen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sie die Zustimmung der Mehrheit finden.

Es gibt eine Sache, auf die kaum eingegangen wurde: Wir überlassen eine Vielzahl von Fragen der neuen Agentur, aber wir haben keinerlei Vorstellung von den Kriterien, die sie aufstellen wird, oder ob sie diese streng oder weniger streng auslegen wird. Wenn Sie meinen, die Lobbytätigkeit des letzten Jahres war intensiv, warten Sie ab, bis die Industrie versucht, ihre eigenen Leute in der Agentur unterzubringen. Wir müssen diese Entwicklung mit Argusaugen verfolgen.

 
  
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  Caroline Lucas (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Etliche Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion haben auf die enormen Schwächen des Sacconi-Nassauer-Kompromisses in Sachen Gesundheit und Umwelt verwiesen, und natürlich stimme ich ihnen zu. Ich möchte jedoch ein Schlaglicht auf weitere Schwächen dieses Kompromisses werfen, die den Tierschutz betreffen. Hinsichtlich der gemeinsamen Nutzung von Daten beispielsweise bietet der Kompromiss zu viele Hintertüren. Obwohl es gestattet wäre, dass Unternehmensgruppen eine einzige Registrierung anmelden, wären Einzelregistrierungen trotzdem noch möglich, was die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung von Tierversuchen erhöht.

Der Vorschlag würde die kostenlose gemeinsame Nutzung von über zehn Jahre alten Daten ermöglichen und damit die Möglichkeit der wiederholten Durchführung von Tierversuchen einschränken, wenn nicht sogar ausschalten. Der Kompromiss dagegen gestattet lediglich die gemeinsame Nutzung von über 15 Jahre alten Daten und erhöht auch damit die Wahrscheinlichkeit, dass Versuche wiederholt werden. Das ist völlig inakzeptabel, da Tierversuche nicht nur grausam sind, sondern auch ungenau und ineffizient. Die Probleme, die sich bei der Extrapolation von in Tierversuchen gewonnenen Ergebnissen auf den Menschen und von im Labor verwendeten Dosen auf die realen Verhältnisse ergeben, sind inzwischen gut dokumentiert. Erst letzte Woche wurden in einem Artikel in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“ Tierversuche zum Zweck der Zulassung von Substanzen als altertümliche Verfahren auf der Grundlage von unnötig aufwendigen Tierversuchen bezeichnet, die sich für Prognosen nur schlecht eignen. Deshalb habe ich Änderungsanträge zur den Anhängen V bis VIII von REACH vorgelegt, von denen etliche im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit angenommen wurden. Damit sehen sich die Kommission und die Industrie bereits einem verstärkten Druck ausgesetzt, sich konsequenter für Nichttierversuche einzusetzen.

Aber wenn wir wirklich nach einer besseren Strategie suchen, dann dürfen wir diese Möglichkeit, eine genauere Überprüfung von Tierversuchen zu erzwingen, nicht ungenutzt lassen. Wir müssen althergebrachte Ansichten gegenüber Tierversuchen in Frage stellen und die Versuchsverfahren ebenso konsequent unter die Lupe nehmen, wie wir das mit anderen Aspekten dieser geplanten neuen Regelung für chemische Stoffe tun, denn eine potenzielle Überprüfung von Tierversuchen wird die Art von Debatte auslösen, bei der wir es uns nicht leisten können, sie zu ignorieren. Ignorieren wir sie, dann schreiben wir für REACH und alle künftigen Regelungen in diesem Bereich Versuchsverfahren fest, die auf die Müllhalde der Geschichte gehören.

Lord Bach nannte die Abstimmung zu REACH eine einmalige Gelegenheit. Ich stimme ihm zu, und deshalb ist es so wichtig, dass wir die Dinge richtig anpacken.

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, die Geschichte von REACH ist eine Geschichte ständiger Abschwächung des ursprünglichen Kommissionsvorschlags, und jedes Mal kommt die Kommission daher und feiert einen anderen Vorschlag als den, den sie ursprünglich unterbreitet hatte.

Vor einem Monat stimmte der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit mit übergroßer Mehrheit für ein starkes REACH, das seinen Namen verdient. Heute, unter dem Druck der Lobby der chemischen Industrie – von der nichts zu wissen niemand hier behaupten kann – sowie bestimmter, von Deutschland angeführter Mitgliedstaaten, sehen wir vor uns einen armseligen Kompromiss der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischen Demokraten, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, einen Kompromiss, der, indem Herrn Sacconi die Pistole auf die Brust gesetzt wird, den Vorschlag des Umweltausschusses abschwächt.

Mit dieser negativen Vereinbarung wird der Schutz der Volksgesundheit und der Umwelt nicht nur nicht an die erste Stelle gesetzt, sondern im Gegenteil, dieser Schutz wird den Erfordernissen einer erbärmlichen Auffassung von Wettbewerbsfähigkeit untergeordnet.

Wir in der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke haben nicht die Absicht, dieser dürftigen Vereinbarung unsere Stimme zu geben.

 
  
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  Urszula Krupa (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Unserer Ansicht nach sollte das Parlament diesen Entwurf ablehnen. Selbst die Abkürzung, unter der er bekannt ist, klingt, als sei er allein für die Reichen gemacht worden. Selbstverständlich haben sie es als großmütigen Versuch zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt verpackt, und doch bedeutet er für kleine und mittlere Unternehmen den Bankrott und wird er auf jeden Fall Hunderttausenden den Arbeitsplatz zu kosten.

Nur wenige werden davon profitieren, dass der Markt von großen Chemieunternehmen übernommen wird. Zudem wäre jeglicher hypothetische Nutzen für die Gesundheit durch Umweltverbesserungen, die sogar gegenwärtig reine Theorie sind, im Vergleich zu den Gesundheitsproblemen jener verschwindend gering, die am Ende arbeitslos sind. Diese Menschen wären frustriert, weil man sie ihrer Existenzgrundlage, ihrer Erwerbsquelle, ihrer Entwicklungsmöglichkeit und ihrer Hoffnung beraubt hat. Mehr Informationen und ein angeblicher Anstieg des Verbrauchervertrauens in Erzeugnisse sind es nicht wert, wenn der Preis wirtschaftlich und gesellschaftlich derart hoch ist.

Als Beweis dafür, dass dieser schlaue Plan die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft ruiniert, kann die Tatsache angeführt werden, dass Chemieunternehmen dem Vorschlag für eine Richtlinie zuvorgekommen sind, indem sie die empfohlenen Tests auf toxische Stoffe durchgeführt haben, ohne dass Übereinstimmung darin erzielt wurde, ob ihre Ergebnisse gemeinsam genutzt werden sollten. Tests auf die toxischsten Stoffe sollten zentral durchgeführt werden, um zuverlässige Daten zu erlangen, und diese Stoffe sollten vom Markt genommen werden, speziell dann, wenn sie karzinogen sind oder die Fortpflanzungsorgane oder andere Organe schädigen.

Wir unterstützen die internationale Kampagne „Einspruch!“, die als Protest gegen die Kosten initiiert wurde, die ohne ersichtlichen Grund infolge von REACH entstehen werden. Ein Vorschlag, der wirklich den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zum Ziel hat, sollte erarbeitet werden und den derzeitigen Vorschlag ersetzen, der in erster Linie von unternehmensbezogenen Faktoren handelt. Zudem möchte ich wissen, wie jemand bei klarem Bewusstsein für einen Vorschlag für eine Richtlinie sein kann, zu dem jetzt nur ein wenig mehr als 1 000 Änderungsanträge von ehemals 2 000 oder 3 000 eingebracht wurden. Und außerdem kann man physisch und psychisch unmöglich feststellen, welche Änderungsanträge im Laufe der Debatte die Zustimmung des Parlaments erhalten haben.

 
  
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  Alessandro Foglietta (UEN). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bei den Überlegungen von Herrn Sacconi ansetzen, der den vergangenen Sonntag damit verbracht hat, über diese Maßnahme nachzudenken, die zweifellos einen Kompromiss darstellt, jedoch auch ein hohes Verantwortungsbewusstsein erfordert hat.

Ich bin allerdings der Ansicht, dass Herr Sacconi einige grundsätzliche Fehler begangen hat, vor allem, was die Beziehungen zu anderen Akteuren anbelangt. Um einen Kompromiss zu erzielen, hätte er auch gemeinsame Überlegungen mit dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit anstellen müssen, weil ansonsten sein Standpunkt rein persönlicher Art und nicht Standpunkt des Ausschusses ist. Deshalb, Herr Sacconi, haben Sie meines Erachtens vor allem einen Verfahrensfehler begangen, indem Sie darauf verzichtet haben, nach einer von möglichst vielen getragenen Lösung zu suchen.

In diesem Zusammenhang möchte ich einige Betrachtungen zum System OSOR (eine Substanz, eine Registrierung) anstellen. Ich glaube, wir sollten versuchen, eine Lösung zu finden, die die Trennung des OSOR-Systems vom REACH-Pakt vorsieht, denn beim jetzigen Stand der Dinge werden, wie mehrfach hervorgehoben wurde, die kleinen und mittleren Unternehmen nicht geschützt.

Außerdem wäre es sinnvoll, in den Fällen, da die Kosten zu hoch werden, über die Mengen zu diskutieren. Allerdings meine ich, dass bei gefährlichen Gütern die Mengenkosten gebührend berücksichtigt werden sollten, ohne jemals den Gefahrenaspekt aus den Augen zu verlieren. Darüber hinaus lehne ich den Beschluss, die Erzeugnisse in zwei separaten Listen zu führen, ab, weil dadurch einige gefährliche Erzeugnisse und einige Unternehmen diskriminiert würden.

 
  
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  Ashley Mote (NI). – (EN) Herr Präsident! Wir haben es wieder einmal mit einem Rechtsakt zu tun, der für einen speziellen Zweck bestimmt ist, aber in einer anderen Verkleidung daherkommt. Wer würde wohl bestreiten, dass es notwendig ist, die Verwendung von Chemikalien zu kontrollieren und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten? Registrierung – vielleicht; Evaluierung durch Wissenschaftler – natürlich; aber Zulassung durch die Beamten einer Agentur? Ein Albtraum!

Bei REACH geht es nicht um die Kontrolle chemischer Stoffe; es geht um Bürokraten, die auf die Wünsche multinationaler Unternehmen eingehen; zwei Seiten einer unausgesprochenen Abmachung, die nur allzu gern das unstillbare Verlangen nach noch mehr sozialer Manipulation und zentraler Kontrolle ausnutzen. REACH wurde einer naiven Öffentlichkeit als Allheilmittel für eine bessere Welt verkauft. Hier wird dem Verbraucher nach meiner Ansicht eine Mogelpackung übelster Art angeboten.

Wenn REACH in seiner jetzigen Fassung – mit dem Kompromiss – angenommen wird, dann werden Kleinbetriebe mit neuen Ideen oder Produkten, die die Welt tatsächlich verbessern würden, sehr wahrscheinlich feststellen, dass der Preis für den Marktzugang für sie viel zu hoch ist. Nach dem Gesetz der unbeabsichtigten politischen Folgen ist ohnehin bereits klar, dass REACH den Export von Arbeitsplätzen zur Folge haben wird. Das Unternehmertum in diesem Sektor wird in der Europäischen Union zum Erliegen kommen und in anderen Ländern prächtig gedeihen, in denen keine derart unternehmensfeindlichen Gesetze gelten. Das werden die Folgen sein, also genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen.

 
  
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  Alejo Vidal-Quadras Roca (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Übermorgen wird das Europäische Parlament nach zwei langen Jahren des Gesetzgebungsverfahrens über die REACH-Verordnung abstimmen.

Vom Anbeginn unserer Arbeit bis heute haben alle beteiligten Abgeordneten viele Stunden Arbeit investiert, um ein Ergebnis zu erzielen, das mit dem größtmöglichen Konsens in diesem Haus und mit den anderen Institutionen die Gesundheit der Verbraucher ausreichend schützt und die Qualität der Umwelt verbessert, ohne die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu gefährden.

Ich muss zugeben, dass mir anfangs ein solches Ergebnis sehr schwer erreichbar schien, doch ich freue mich festzustellen, dass einige Stunden vor der Abstimmung die Positionen der wichtigsten Fraktionen relativ nah beieinander liegen.

Der Kompromiss zur Registrierung, der von der Sozialdemokratischen Fraktion, von unserer Fraktion und von den Liberalen unterzeichnet wurde, verdeutlicht, dass das Europäische Parlament in der Lage ist, sich den Umständen gewachsen zu zeigen und verantwortungsvolle Entscheidungen im Hinblick auf unsere Bürger und unsere Industrie zu treffen. Denn letztendlich geht es genau darum: eine Botschaft des Vertrauens an die Bürger zu richten und ihnen zu beweisen, dass ihr Wohlergehen für die Organe der Union an oberster Stelle steht.

Es ist zudem unsere Pflicht, Rechtsvorschriften so zu verabschieden, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gefördert wird. Das gehört zu unseren Verpflichtungen, die wir in Lissabon eingegangen sind und die wir vor einigen Monaten erneuert haben.

Mehrere Abgeordnete aus unterschiedlichen Fraktionen haben heute gemeinsam Änderungsanträge eingereicht, denen unserer Meinung nach eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie darauf ausgerichtet sind, REACH zu einem Beispiel dafür zu machen, wie die europäische Gesetzgebung kohärent sein kann, der Verantwortung für die Gesundheit der Bürger Rechnung trägt und Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fördert.

Ich hoffe, dass sie die Unterstützung der großen Mehrheit dieses Hauses finden werden.

 
  
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  Erika Mann (PSE). – Herr Präsident! Ich kann mich dem Kollegen Vidal-Quadras durchaus anschließen. Wir haben im Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie sehr engagierte Kompromisse gefunden, und wenn wir jetzt das Kompromisspaket anschauen, das Kollege Sacconi mit dem Kollegen Nassauer ausgehandelt hat, dann sehen wir, dass wir eigentlich eine ähnliche Philosophie verfolgen: dass wir auf der einen Seite alles tun wollen, um eine vernünftige Industriepolitik zu betreiben, sie weiter auszubauen und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, dass wir aber auf der anderen Seite die zweite Säule nicht vergessen, nämlich Gesundheitsschutz, Umweltschutz und Arbeitnehmerschutz. Das gehört unmittelbar dazu. Das ist meiner Meinung nach in dem Kompromiss drin. All das wird aber schwierig, und wir werden sehen, wie wir morgen noch verhandeln. Wir haben ja noch einen Tag bis zur Abstimmung.

Wir haben das Kompromisspaket vorliegen; es deckt allerdings nur den Bereich Registrierung ab. Wir werden schauen müssen, was wir in den anderen Bereichen – von der Zulassung bis zu den Fragen, wie wir mit dem Datenschutz und vielen anderen Punkten umgehen – erreichen können. Der Ratsvorsitz hat Hinweise gegeben. Ich würde mich freuen, wenn wir im Rahmen dieser Verhandlungen in diesem Jahr noch zu einem anständigen Kompromiss, auch im Rat, kommen und das Thema nicht auf die lange Bank geschoben wird.

Im Übrigen möchte ich allen Kollegen, die sich hier zu Deutschland geäußert haben, anraten, einmal zu bedenken, dass es auch eine Verbindung gibt zwischen einer anständigen nationalen Industriepolitik, die sich vielleicht in einem Mitgliedstaat abspielt – das trifft im Übrigen auch für die nordischen Länder zu – und einer anständigen Industriepolitik, die wir in Europa machen, um nur einmal das Stichwort Wettbewerbsfähigkeit zu geben. Deutschland ist nach den USA und Japan und vor Frankreich, China und Italien der drittgrößte Chemieproduzent der Welt; es hat in der Europäischen Union einen Anteil von über 25 % an den Umsätzen mit chemischen Erzeugnissen und stellt mehr als jeden vierten Chemiearbeitsplatz innerhalb der Europäischen Union. Das sind Zahlen, die man einfach einmal zur Kenntnis nehmen sollte, weil sie für Deutschland, aber auch für die Europäische Union, insbesondere für die Erhaltung der Arbeitsplätze, wichtig sind.

7,7 Milliarden Euro wurden allein im Jahr 2004 im Forschungsbereich aufgewendet. Wir reden immer so großzügig davon, wie viel Forschung wir wollen und dass wir wollen, dass Unternehmen investieren. Unterstützen wir sie doch einmal! Eine letzte Zahl zur Größenordnung der Chemieunternehmen in Europa: 92,5 % der Chemieunternehmen sind kleine und mittlere Unternehmen. Auch das ist eine Zahl, die wir zur Kenntnis nehmen sollten.

 
  
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  Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident! Wenn wir jetzt über REACH abstimmen, dann geschieht dies am Ende einer fast zweijährigen Debatte, die gerade zu ihrem Beginn stark ideologisiert geführt wurde. Damit ist die unrühmliche Effekthascherei der vormaligen Umweltkommissarin ebenso gemeint wie heute noch manche Stimme von Seiten der Grünen. Ihnen sei in aller Ruhe gesagt: Politik ist mehr als der Umweltausschuss, das Parlament ist mehr als die Grüne Fraktion und die Europäische Union ist größer als Skandinavien.

Ich möchte mich der Kollegin Mann insofern anschließen: Wir arbeiten hier im Interesse Europas. Ich unterstelle das meinen Kollegen aus den anderen Ländern und nehme das für mich selber auch in Anspruch. Allerdings wurde die Ideologisierung am Anfang auch von der Wirtschaft betrieben, so mancher meinte dort gleich den Untergang der Industrie prophezeien zu müssen, das war sicher genauso übertrieben. Inzwischen ist die Debatte sachlicher geworden, und das ist auch nötig. Ich möchte insbesondere Herrn Nassauer und Herrn Sacconi dafür danken, dass sie dieses schwierige Dossier wirklich gut gemanagt haben.

Wir müssen uns ganz klar bewusst sein, dass die Mehrzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen, insbesondere solche am Ende der Produktkette, ohne eine Vereinfachung der rechtlichen Anforderungen, ohne kostspielige Unterstützung von außen und ohne praktikable Umsetzungsinstrumente mit dem Kommissionsentwurf in seiner ursprünglichen Form signifikant überfordert wären. Deswegen unterstützen wir die Aktion Einspruch, eine europäische Allianz von KMU, die sich aktiv in die Debatte eingebracht und praktisch demonstriert hat, was REACH vor Ort konkret bedeutet.

Bereits jetzt hat unsere Brüsseler Rechtsetzung eine Komplexität erreicht, die für KMU oft nicht zu bewältigen ist. Wenn es uns im Zuge der REACH-Umsetzung daher nicht gelingt, die Komplexität der Informations- und Bewertungsprozesse zu reduzieren, so wird sich das schon bestehende Umsetzungsdefizit nur noch weiter vergrößern, und daran hat in diesem Haus niemand wirklich Interesse.

Der Kompromissvorschlag vollzieht den notwendigen Paradigmenwechsel hin zu einem stärker risikobasierten Registrierungsansatz. Das ist gut so, denn genau darin liegt der entscheidende Schwachpunkt des Kommissionsentwurfs. Es wäre nämlich zu befürchten, dass die Deselektion von Stoffen vom Markt rein kostengetrieben durch risikounabhängige Datenanforderungen erfolgen würde. Dann hätte REACH ein wesentliches Ziel verfehlt und zudem die Innovationsgrundlage der europäischen Industrie geschwächt. Deswegen: Machen wir Ernst, machen wir bessere Rechtsetzung, verabschieden wir ein REACH mit Augenmaß. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir diese Debatte in Brüssel und nicht in Straßburg führen sollten.

 
  
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  Hiltrud Breyer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Jede Verwässerung von REACH würde bedeuten, dass dieser Verordnungsvorschlag seine Zähne verliert. Der falsche Kompromiss zwischen Herrn Schulz und Herrn Poettering ist nichts anderes als die Umsetzung des Wunschzettels der deutschen chemischen Industrie. Gewinner wäre die Industrie und Verlierer die Umwelt und der Verbraucherschutz. Sie wäre der Sargnagel für diese Chemiereform.

Wir brauchen ein starkes REACH, wir brauchen einen TÜV für Chemikalien, und wir dürfen nicht zulassen, dass fehlende Informationen und mangelnde Transparenz belohnt werden. Es darf doch nicht sein, dass von 30 000 vorgesehenen Substanzen gerade einmal 12 000 übrig bleiben. Dies würde bedeuten, dass das Grundprinzip von REACH, nämlich „wer keine Sicherheitsdaten liefert, bekommt keine Vermarktung“, völlig ausgehebelt würde.

Das Herzstück von REACH ist auch die Umkehr der Beweislast, auch die wollen ja einige im Europäischen Parlament völlig aushebeln. Ich appelliere an Sie: Lassen Sie sich nicht von der deutschen chemischen Industrie gängeln! Lassen Sie sich auch hier nicht zum Testfall machen, um künftig als Abziehbild dieser großen Koalition in Berlin zu fungieren!

Ohne ein starkes REACH werden die Menschen Versuchskaninchen für ungetestete Chemikalien. Der Blindflug und das Unwissen würden festgeschrieben. Ohne REACH würden das Krebsrisiko und die Zunahme von Umwelterkrankungen steigen. Von daher appelliere ich an Sie: Bekennen Sie sich zu einem starken REACH! Wir dürfen es nicht der Industrie selbst überlassen zu entscheiden, welche Daten sie liefert und welche nicht. Alle, die hier Sorge um die kleinen und mittleren Unternehmen bekunden, haben ausgerechnet solche Änderungsvorschläge vorgelegt, die eine Verschlechterung für den Mittelstand bedeuten.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Jiří Maštálka (GUE/NGL) (CS) Als Mitglied des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, vor allem aber in meiner Eigenschaft als Arzt möchte ich meine Unterstützung für eine energische Version der neuen Chemikalienverordnung REACH zum Ausdruck bringen. In meiner Zeit als Arzt habe ich viele Fälle von Krankheiten erlebt, die von chemischen Stoffen verursacht wurden, und ich weiß sehr gut, dass sich diese Stoffe mittlerweile so weit ausgebreitet haben, dass sie sowohl bei Kindern als auch in Reinigungsprodukten zu finden sind. Viele von ihnen müssen noch geprüft werden, um herauszufinden, welche Auswirkungen sie künftig auf Menschen oder die Umwelt haben können.

Meiner Meinung nach unterläuft der Änderungsantrag, dem zufolge die Industrie keine Informationen über geringfügige Mengen von Stoffen zur Verfügung stellen muss, das Anliegen von REACH. Als Berichterstatter über die Rahmenrichtlinie zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (89/391/EWG) bin ich der Auffassung, dass wir eine konsequente Version von REACH verabschieden müssen, wenn wir diese Richtlinie in die Praxis umsetzen wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Gesundheit der Menschen nicht mit einer REACH-Verordnung verbessern werden, die ihre Schärfe verloren hat.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Es ist bedauerlich, dass starke Kräfte in diesem Hause alles daransetzen, die Chemikalienrichtlinie nach Möglichkeit zu verwässern. REACH ist eine grenzüberschreitende Frage, die sowohl die Umwelt als auch den Binnenmarkt betrifft. Damit sind EU-Maßnahmen gerechtfertigt. Meines Erachtens müssen die Informationsanforderungen an geringere Mengen von chemischen Stoffen verschärft werden. Geschieht das nicht, so geht ein Großteil des eigentlichen Zwecks von REACH verloren. Ich bin außerdem Verfechterin eines starken Substitutionsprinzips. In Schweden wurde es bereits eingeführt und funktioniert größtenteils gut.

Ich meine, die Verbraucher haben ein Recht darauf, über die in den Waren enthaltenen Chemikalien informiert zu werden, denn das ist eine Voraussetzung dafür, dass sie eine aktive und sachkundige Wahl treffen können. Darüber hinaus müssen wir deutlich machen, dass die Zuständigkeit für die Beurteilung der zugelassenen chemischen Stoffe und die Einschätzung der von ihnen womöglich ausgehenden Risiken bei der Industrie und nicht bei den Behörden liegt. Ein strikt abgefasstes REACH steht nicht im Widerspruch zu einem gut funktionierenden Markt. Wer in dieser Frage mit gutem Beispiel vorangeht, wird langfristig Wettbewerbsvorteile genießen. Aus diesen Gründen werde ich gegen den von der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa eingebrachten Kompromissvorschlag stimmen.

 
  
  

VORSITZ: MIROSLAV OUZKÝ
Vizepräsident

 
  
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  Mogens N.J. Camre (UEN).(DA) Herr Präsident! Es ist nicht hinnehmbar, dass wir in unserer relativ aufgeklärten Zeit eine Vielzahl chemischer Stoffe in unserer Umwelt zulassen, ohne dass sie registriert werden und ohne dass uns ihre schädliche Wirkung bekannt ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass wir keine klaren Regeln für den Ersatz gefährlicher durch weniger gefährliche Stoffe haben. Wir befinden uns in einer Situation, in der das Parlament gespalten ist, und der ganze komplizierte Vorschlag, den REACH darstellt, könnte in sich zusammenfallen. Ich gehöre einer Partei an, die Maßnahmen auf der Basis des Standpunkts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit begrüßt hätte, so wie er vor den nunmehr eingegangenen Kompromissen bestand. Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass es für den ursprünglichen Vorschlag des Umweltausschusses keine Mehrheit gibt, doch an den Verhandlungen über einen Kompromiss gibt es nichts zu rütteln, sie wurden in einer wirklich demokratischen Art und Weise geführt. Ich denke nicht, dass REACH der letzte Rechtsakt ist, den wir in diesem Bereich verabschieden werden, da wir ständig neue Erkenntnisse über den notwendigen Schutz der Umwelt unseres Planeten erlangen. Der Vorschlag, der für die großen Fraktionen des Parlaments nunmehr annehmbar ist, stellt jedoch einen deutlichen Fortschritt dar und ist weitaus besser als die derzeitige Situation ohne klare Rechtsvorschriften. Deshalb kann ich den Kompromissvorschlag unterstützen.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (NI).(PL) Herr Präsident! Die bisherige Diskussion über REACH, sowohl innerhalb als auch außerhalb dieses Hauses, offenbart, dass Europa noch nicht bereit ist, diese Richtlinie in ihrer derzeitigen durchschlagenden Form anzunehmen.

Wir alle würden gern ein gesünderes und sichereres Leben in größerer Harmonie mit der Natur führen, aber die finanziellen Realitäten und der gesunde Menschenverstand sollten in dieser Gleichung nicht außer Acht gelassen werden. Zugleich wollen wir jedoch nicht diese gesetzgeberische Möglichkeit zur Verbesserung der Situation der Europäer ablehnen. Erfreulicherweise hat der Berichterstatter einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der die Interessen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen sowie jener der Verbraucher und Arbeitnehmer miteinander in Einklang bringt, die die Sorge um die Umwelt umtreibt. Der künftigen Generationen wegen werde ich dafür stimmen, obgleich damit finanzielle Einbußen für mein Land verbunden sind.

Europa braucht gemeinsame Rechtsvorschriften, an die sich sowohl seine Mitgliedstaaten als auch seine ausländischen Partner halten.

 
  
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  John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter danken. Sir Tom Blundell, der Vorsitzende der Royal Commission on Environmental Pollution, stellte fest, dass man angesichts dessen, was wir über die Wechselwirkungen zwischen chemischen Stoffen und der Umwelt wissen, sagen könnte, dass wir ein gigantisches Experiment mit Menschen und anderen Lebewesen als Versuchsobjekten durchführen. Das war der Grund, weshalb dieser Vorschlag vorgelegt wurde. Er sagte jedoch auch, dass die Aufarbeitung 50 Jahre dauern und etwa 6 Millionen Tiere das Leben kosten würde, wenn wir dem ursprünglichen Vorschlag folgen.

Deshalb geht es jetzt darum, die Rangfolge festzulegen, für die Funktionsfähigkeit des Systems zu sorgen, die Gesundheit zu schützen, die Zahl der Tierversuche zu verringern und all das innerhalb von zehn Jahren zu erreichen. Wir nehmen diesen Prozess deshalb in Angriff, weil die meisten chemischen Stoffe sicher und wir auf sie angewiesen sind, aber bei einigen ist Vorsicht geboten, und manche sind derart gefährlich, dass wir sichere Alternativen finden müssen.

Das Problem besteht darin, dass wir nicht wissen, welche Stoffe gefährlich sind und welche nicht. Seit 1981 unterliegen neue chemische Stoffe bestimmten Regelungen, aber das sind lediglich etwa 3 000 von den 100 000 existierenden chemischen Stoffen, und dafür waren 40 verschiedene Verordnungen und Richtlinien erforderlich. Folglich streben wir eine Vereinfachung an: Wir wollen eine einzige Verordnung und verständlichere Methoden, um festzustellen, welche Substanzen von den schätzungsweise 20 % einer ordnungsgemäßen Bewertung und Zulassung bedürfen. Die Industrie braucht Gewissheit und Klarheit. Folglich streben wir mit unserem Kompromiss und unseren Änderungsanträgen eine Rangfolge, die Vorregistrierung, das Prinzip „Ein Stoff – eine Registrierung“, die gemeinsame Nutzung von Daten, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Menge und Risiko, die Berücksichtigung der Belange des Mittelstandes ohne Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit sowie die obligatorische gemeinsame Datennutzung zur Verringerung und schrittweisen Einstellung von Tierversuchen an.

Wir müssen ferner dafür sorgen, dass die europäische Branche nicht benachteiligt wird. Deshalb müssen wir nach Möglichkeit dafür Sorge tragen, dass für Substanzen in Artikeln, die nach Europa eingeführt werden, dieselben Vorschriften gelten wie für die hier erzeugten, ohne dass WTO-Regeln verletzt werden. Wir müssen aber auch den sehr realen Sorgen der Entwicklungsländer Rechnung tragen, und zwar insbesondere im Hinblick auf Rohstoffe und den Bergbau, und vermeiden, dass wir deren anfällige Wirtschaft beschädigen.

 
  
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  Mary Honeyball (PSE). – (EN) Herr Präsident! In der Geschichte des Parlaments war das Interesse an unserer gesetzgeberischen Tätigkeit nur sehr selten so groß wie in diesem Fall. Und das ganz zu Recht, denn zusammen mit den zahlreichen anderen Punkten, die in dieser Aussprache erwähnt wurden, bietet uns dieser Rechtsakt die einmalige Chance, bei der Regulierung und Zulassung von chemischen Stoffen weltweit eine Vorreiterrolle zu spielen und Einfluss auf Entwicklungen nicht nur in Europa, sondern im Bereich der chemischen Industrie weltweit zu nehmen. Das ist etwas, das wir ernst nehmen müssen, denn wir können tatsächlich etwas bewirken. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den Sacconi-Nassauer-Kompromiss unterstützen und dafür sorgen, dass er vom Parlament angenommen wird, damit wir etwas für die menschliche Gesundheit und die Umwelt in der ganzen Welt tun und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie erhalten können.

 
  
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  Patrizia Toia (ALDE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts einer Maßnahme von so großer Tragweite muss man imstande sein, die richtige Balance zu finden zwischen der unabdingbaren Notwendigkeit, die Gesundheit der Bürger, Arbeitnehmer und Verbraucher zu schützen, und der Forderung, die Bedeutung der europäischen Chemieindustrie für die Wirtschaft und für den Beschäftigungsmarkt zu unterstützen. Diese Industrie besteht nicht nur aus den Großunternehmen einiger Länder, sondern auch aus kleinen, bisweilen kleinsten, und mittleren Unternehmen in Ländern wie meinem Heimatland, Italien.

Deshalb glaube ich, dass die Bemühungen um die Angleichung und Annäherung von anfänglich sehr unterschiedlichen und voneinander entfernten Positionen, die bei den Kompromissen unternommen wurden, positiv bewertet werden können, denn es sind all die vielfältigen Gründe und Realitäten, um die es dabei geht, berücksichtigt worden.

Die Punkte, die ich für wichtig halte, betreffen die Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes der Bürger, die Information der Verbraucher, die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen bei der Umsetzung von REACH, auch durch die Förderung der Forschung, die Schaffung einer starken und mit realen Befugnissen ausgestatteten Agentur, die Vereinfachung der Verfahren für die KMU und schließlich das Programm OSOR (eine Substanz, eine Registrierung). Dabei dürfen nicht zu viele Ausnahmen vorgesehen werden, denn die gemeinsame Nutzung von Daten und die Kostenaufteilung sind meines Erachtens wichtig für unsere kleinen und mittleren Unternehmen.

Schließlich bin ich der Auffassung, dass feste Regeln für importierte Erzeugnisse festgelegt werden müssen, denn für sie müssen dieselben Vorschriften gelten, wie wir sie auf europäische Erzeugnisse anwenden.

 
  
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  Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, seit dem Start des REACH-Projekts haben wir deutliche Fortschritte gemacht. Wir haben entdeckt, dass wir mehr als 100 000 chemische Zusammensetzungen nutzen, ohne ihre Wirkung zu kennen. Wir haben verstanden, dass unsere Mitbürger aufgrund von giftigen Substanzen erkranken, mit denen wir an unserem Arbeitsplatz, in unserem Komfort und unserem Glück in Berührung kommen. Als vor etwa 20 Jahren die ersten toxikologischen Studien ergaben, dass Eisbären durch Dioxine kontaminiert waren, haben wir uns gewundert, empört, aber natürlich würde man doch nicht den Fortschritt wegen einiger Eisbären stoppen!

Heute sind die Mediziner kategorisch: Die Menschen auf dem gesamten Erdball sind vergiftet. Jüngste Studien haben bewiesen, dass wir Frauen als Mütter über die Nabelschnur ein giftiges Erbe an unsere Kinder weitergeben. Die Zukunft des Menschengeschlechts ist in Gefahr, auch wenn einige hier anwesende Kollegen das nicht gerne hören. Und es ist Dringlichkeit geboten, wenn wir nicht zu Komplizen einer Gesundheitskatastrophe werden wollen, die auf chemische Erzeugnisse zurückzuführen ist.

Das ursprüngliche REACH-Projekt bot uns die Möglichkeit, uns dieser Herausforderung zu stellen. Leider haben die Erpressungen in Richtung Produktionsverlagerung, der Druck der Industrie unsere Debatte vergiftet und die Ambition von REACH verfälscht. Der Kompromiss der Berichterstatter ist eine Illusion, ein Ungleichgewicht zwischen Gesundheit und Wettbewerb, denn die Gesundheit ist deutlich mehr wert als das Feilschen unter hohem Druck. Weder die Kommission noch der Rat haben die gesundheitlichen Kosten eines abgeschwächten REACH-Programms beziffert.

 
  
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  Roberto Musacchio (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Widerstand bestimmter Kräfte gegen REACH ist so erbittert, dass wir ihn buchstäblich als antieuropäisch bezeichnen können. Es sind die Kräfte des unkontrollierten Marktes, der Deregulierung und des Profits auf Kosten von Gesundheit und Umwelt. All diese Kräfte vertreten negative Werte, die gegen die Grundprinzipien eines hinsichtlich der sozialen und ökologischen Ziele harmonisierten Europas verstoßen.

Wir haben ehrlich gesagt keine Hochachtung vor dem Verhalten von Herrn Barroso. Wir sind der Auffassung, dass auf diese Kräfte entschlossen und entschieden reagiert werden muss. Aus diesem Grunde haben wir die faulen Kompromisse, die erzielt worden sind, nicht mitgetragen und energisch kritisiert, denn sie drohen REACH auszuhöhlen, ohne den Kräften entgegenzutreten, die die Verordnung zu Grabe tragen wollen.

Deshalb bringen wir – mit Zustimmung, denke ich, der breiten Bewegung, die gegenwärtig versucht, dafür zu sorgen, dass dieses Parlament nach bestem Wissen und Gewissen Gesetze erlässt – all jene Textstellen erneut ein, die für eine starke REACH-Verordnung, die wirklich einem modernen Europa dienlich ist, notwendig sind.

 
  
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  Godfrey Bloom (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Irgendwo in den Stellungnahmen der Ausschüsse zum Bericht Sacconi stießen wir auf einen kleinen Beitrag des Haushaltsausschusses, der den voraussichtlichen Finanzbeitrag für die vorgeschlagene Europäische Agentur für chemische Stoffe ausweist. Diese Vorhersage wird in Form einer bewundernswert klaren Tabelle für die Jahre 2006 bis 2016 getroffen, und sie beläuft sich auf 78 Millionen Euro an europäischen Steuergeldern, die für die Agentur über diesen Zeitraum vorgesehen sind. Merkwürdigerweise ist dieser Betrag höchst ungleichmäßig über die fraglichen zehn Jahre verteilt, wobei sich der größte Teil, nämlich über 50 Millionen Euro, auf die Jahre 2014 und 2015 konzentriert. Noch merkwürdiger ist, dass niemand im Haushaltsausschuss, nicht einmal sein Vorsitzender, etwas über die Zahlen zu wissen scheint, obwohl sie in der Stellungnahme des Haushaltsausschusses erscheinen. Wieso? Und wieso soll die Agentur zwei Drittel ihres auf zehn Jahre ausgelegten Budgets in nur zwei Jahren des nächsten Jahrzehnts ausgeben?

 
  
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  Lydia Schenardi (NI). – (FR) Herr Präsident, im Vorfeld der ersten Lesung des Entwurfs für eine Verordnung über die Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe sowie die geltenden Beschränkungen für diese Stoffe möchten wir eine zurückhaltende Stellungnahme abgeben, wenngleich wir die Rolle billigen, die die Europäische Agentur spielen soll, denn dieser Text ist trotz aller vorgenommenen Änderungen lückenhaft und bei weitem nicht ausgereift.

Er scheint auch nicht das gewünschte Gleichgewicht zwischen den drei Grundprinzipien herzustellen: Gesundheits- und Umweltschutz, Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Innovation und Substitution. Diese mangelnde Präzision resultiert aus den Kostenverwerfungen in einer Größenordnung zwischen 3 und 180 Milliarden Euro, die eine solche Verordnung mit sich bringen würde, sowie aus den Vorteilen, die zwischen 5 und 230 Milliarden Euro ausmachen sollen. Diese von der Kommission angekündigten Kostenunterschiede und die von der Industrie genannten Kosten sind gigantisch. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Kosten ausschließlich von der Industrie getragen werden, dass diese Richtlinie fünf Millionen Arbeitsplätze berührt und ernste Konsequenzen haben wird. Aus diesem Grunde lassen wir uns nicht durch rein politische Stellungnahmen beeinflussen, und deshalb werden wir die verschiedenen Änderungsvorschläge von Fall zu Fall beurteilen.

 
  
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  Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Sacconi, den Koordinatoren und den Berichterstattern für die gewaltigen Anstrengungen, die sie unternommen haben, meinen Dank aussprechen, der ebenso dem gesamten technischen Team und den Beamten gilt. Sie alle haben es uns ermöglicht, eine Einigung zu einem solch komplizierten Thema zu erzielen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass dann, wenn es um eine wirklich wichtige Aufgabe geht, die Politik funktioniert und das Parlament funktioniert.

Wir beschäftigen uns mit einem komplizierten Dokument, nicht nur, weil es sich auf sehr viele Politikbereiche erstreckt, sondern auch weil es - und dafür möchte ich mich hier einsetzen - ein offenes Dokument ist. Mir kommt es vor, als würde mit dem Thema so umgegangen, als wäre die Politik, die chemische Produkte zum Gegenstand hat, mit REACH am Ende angelangt. Diese Politik muss jedoch, wenn sie darauf gerichtet ist, die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger zu fördern, andere Politiken der Union und andere Politiken der Länder ergänzen, und deshalb dürfen wir nicht den Standpunkt einnehmen, dass REACH der Anfang und das Ende sei. Im Übrigen dürfte es das ideale Instrument sein, um auf einem Konsens beruhende Politiken hervorzubringen.

Wo liegen nun die Vorteile von REACH? Ich denke, dass die Verordnung die Grundlage für eine gemeinsame europäische Politik auf dem Gebiet der Chemie gelegt hat und ein Sieg für die Koordinierung und eine gemeinsame Politik in diesem Bereich ist.

Zweitens, durch die Verordnung wird eine Agentur geschaffen, die mit Autorität, Kompetenzen, Verantwortung und Koordinierungszuständigkeiten ausgestattet ist, was nach meiner Auffassung ein außerordentlicher Sieg für die Bürger ist.

Drittens, REACH basiert voll und ganz auf der Anerkennung der Wissenschaft und auf dem Wert der Wissenschaft und von Studien, was eine Objektivitätsgarantie für die Zukunft ist und die Türen für die Unterrichtung der Bürger und Unternehmen öffnet. Ich glaube, dies ist ein weiterer Punkt, über den wir uns freuen können.

Ferner - und damit möchte ich zum Schluss kommen - halte ich es für absurd zu glauben, dass die Verantwortung für die Gesundheitspolitik gänzlich den Unternehmen übertragen werden muss. Die Unternehmen müssen für alles herhalten, was im Bereich Gesundheit und chemische Produkte geschieht. In diesem Fall wird ihnen, so denke ich, eine höhere Verantwortung übertragen als früher und sie werden verpflichtet, Studien durchzuführen, doch eine Gesundheitspolitik mit Blick auf neue chemische Produkte kann nur realisiert werden, wenn wir eine vorbildliche Forschungstätigkeit der Staaten mit einer vorbildlichen gesundheitsorientierten Forschung kombinieren und wenn die Agentur zu einer Stelle wird, die über eine Gruppe von Sachverständigen verfügt und die Informationen bündelt, die den Industrien übermittelt werden müssen.

 
  
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  Edit Herczog (PSE).(HU) Herr Präsident! Wie ich sehe, ist es unser aller Anliegen, die Sicherheit der chemischen Stoffe zu verbessern und hierzu ein wirksames, funktionsfähiges und erfolgreiches System einzurichten. Eine rasche Umsetzung der Vorregistrierung ist dabei sehr wichtig, ermöglicht sie es doch der Europäischen Agentur für chemische Stoffe, alle Hersteller, Importeure und Verbraucher sofort zu alarmieren, wenn sich bezüglich eines Stoffes neue Erkenntnisse ergeben.

Gleichzeitig dürfen wir jedoch nicht zulassen, dass der Entwurf der REACH-Richtlinie zu einer Diskriminierung führt, einer Diskriminierung zwischen hergestellten und natürlich vorkommenden Stoffen, zwischen bestimmten geografischen Regionen oder Mitgliedstaaten - hier denke ich an die neuen Mitgliedstaaten, in denen die Wirtschaft weniger kapitalkräftig ist - oder zwischen großen und kleinen Unternehmen.

REACH hat Auswirkungen auf die Wirtschaft in ganz Europa. Anders gesagt, wenn wir hier diskutieren, dann sind stets mehrere Millionen Arbeitsplätze im Spiel. Wie aus entsprechenden Statistiken zu ersehen ist, stellt die Arbeitslosigkeit eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit und das Alter, das ein Mensch erreicht, dar. Wir können nur eine Rechtsvorschrift akzeptieren, mit der mindestens ebenso viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden wie durch sie vernichtet werden könnten. Innovation, Forschung und Entwicklung sind für die Entdeckung und die wirtschaftlich effiziente Herstellung von hochwertigeren Stoffen ausschlaggebend. Bei der Vorlage unserer Änderungsanträge ging es uns im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie darum, die Umwelt und die Gesundheit zu schützen sowie Arbeitsplätze zu sichern. Ich fordere Sie auf, diese Änderungsanträge zu unterstützen. Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich Herrn Sacconi noch einen Apfel überreichen, der viel schöner - und viel gesünder – ist. Er stammt nämlich aus meinem Garten!

 
  
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  Anne Laperrouze (ALDE). – (FR) Herr Präsident, wie die meisten meiner Vorredner begrüße ich das REACH-Programm, das garantieren soll, dass die im Alltag verwendeten Substanzen weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Das Zulassungsverfahren einer schädlichen Substanz muss aus meiner Sicht eine wesentliche Rolle in der Verordnung einnehmen. Wie ist das Produkt zu verwenden? Wie lässt es sich nachweisen? Wie kann man seine Verwendung durch eine ahnungslose Öffentlichkeit verbieten? Und wie kann man zugleich einen Plan für Studien mit dem Ziel der Substitution eines gefährlichen Produkts erarbeiten?

REACH soll zugleich die Kenntnis über chemische Substanzen verbessern, indem eine europäische Datenbank angelegt wird, und durch die Förderung der Substitution Besorgnis erregender Produkte die Innovation anregen. REACH wird eine gute Verordnung sein, wenn sie, gestützt auf das Wissen und Know-how der chemischen Industrie, neue Technologien, neue Substanzen und neue Unternehmen hervorbringt. Es wird ein Erfolg sein, wenn wir ein ausgewogenes, einfaches, effizientes und für die Unternehmen praktikables System beschließen. Es wird ein Erfolg sein, wenn wir am Donnerstag einen ausgewogenen Text verabschieden, der es den Unternehmen ermöglicht, ihre weltweite Spitzenposition zu behaupten, und der die menschliche Gesundheit sowie die Umwelt schützt.

 
  
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  Karl-Heinz Florenz (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Lieber Guido Sacconi, ich möchte dir herzlich für deine exzellente Arbeit danken, auch wenn wir in der Sache hin und wieder vielleicht anderer Meinung waren. Aber mein Dank gilt auch den wichtigen Verfassern der Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse, Frau Ek und Herrn Hartmut Nassauer.

Lassen Sie mich kurz etwas zur Bedeutung von REACH sagen. Ich darf jetzt seit 17 Jahren in diesem Hause mitarbeiten. Ich glaube, das ist einer der größten und bedeutendsten Berichte, die wir in diesem Hause diskutier haben; er hat auch tief greifende Auswirkungen auf die Gesundheit – so hoffen wir – und auf die Industrie. In einem Punkt bin ich ausnahmsweise mit Kommissar Verheugen – ich bin froh, dass er wieder da ist – nicht einverstanden. Die neue Kommission hat exzellent an diesem Dossier gearbeitet, aber als dieser Bericht mit 1 200 Seiten auf den Tisch dieses Hauses kam, geschah dies mit wenig Erklärungen und wenig Informationen, so dass die Debatte während der darauf folgenden Monate von der anderen Seite der Beteiligten außerhalb dieses Hauses sehr verwässert und sehr düster dargestellt wurde. Ich bin froh, dass wir heute auf dem Weg sind, die beiden Beine von REACH, nämlich den Verbraucherschutz und die Industriepolitik zusammenzubekommen, um hier ein richtiges und wegweisendes Papier für die Zukunft zu haben. 1 200 Seiten haben eben eine Riesenkonsequenz.

Ich freue mich darüber, dass wir den Expositionsansatz halbwegs – bis zu 100 Tonnen – in diesem Bericht hineinbekommen haben. Das ist genau mein Ansatz, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, das mir am Herzen liegt, nämlich die Prüfung von Chemikalien in Tabak, in Zigaretten. Es geht nicht um den Tabak. Es geht nicht um das Verbieten von Rauchen, sondern es geht darum, von Menschenhand eingemischte Chemikalien in Zigaretten und Zigarettenpapier zu prüfen, nicht mehr und nicht weniger. Unsere Sorge besteht darin, dass diese Stoffe erbgutverändernd sein könnten. Wir hegen die Befürchtung, dass sie Krebs erregend sind und dass sie süchtig machen.

Das ist ein großes Anliegen von mir. Ich bitte herzlich um Ihre Unterstützung. Nochmals meinen Dank an die Berichterstatter.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Sacconi für seine Arbeit zu diesem komplizierten Thema danken. Ich meine, das Parlament hat gute Arbeit geleistet, denn REACH ist eine wichtige Verordnung.

Es gibt nicht wenige Menschen, die dagegen sind, dass die chemische Industrie überhaupt besteht, doch wenn man näher hinschaut, sieht man, dass in Ländern ohne chemische Industrie die durchschnittliche Lebenserwartung etwa die Hälfte oder ein Drittel von der in den entwickelten Ländern beträgt. Deshalb sollten wir eine Rechtsvorschrift auf den Weg bringen, die zum einen Lebensqualität und Produktqualität garantiert, zum anderen aber der chemischen Industrie, von der wir leben und von der der pharmazeutische Fortschritt abhängt, ermöglicht, weiterhin tätig zu sein.

Das ist eine Frage des Gleichgewichts. Herr Sacconi und die Berichterstatter der jeweiligen Ausschüsse haben die verschiedenen Elemente geprüft, so dass wir hier im Parlament am kommenden Donnerstag in der Lage sein werden, über einen Text abzustimmen, der die volle Unterstützung aller Teile des Parlaments genießt.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident, in genau zwei Tagen wird das Parlament eine einmalige Gelegenheit haben, Europa und die Europäer miteinander auszusöhnen, indem es diese ehrgeizige REACH-Verordnung verabschiedet, die wirklich dem Schutz unserer Gesundheit und unserer Umwelt dient. Wir stehen vor der Wahl: Entweder, man verschließt die Augen vor den Sorgen der Bürger, indem man den Sirenen einer bestimmten Industrie erliegt oder indem man nach dem traditionellen Links-Rechts-Schema abstimmt, das hier vollkommen überholt ist, oder das Europäische Parlament nutzt den Test seines Umweltausschusses zugunsten eines starken REACH, das Hoffnung für die Bürger und die zahlreichen innovativen Unternehmer bringt, die auf eine saubere Chemie setzen.

Ein ambitioniertes REACH also, das es ermöglichen würde, die Zunahme der Krebserkrankungen und anderer Krankheiten zu stoppen, wie es zwei Millionen Ärzte in Europa fordern, und das es auch ermöglichen würde, Millionen von Arbeitnehmern, die täglich exponiert sind, zu schützen. Wenn wir es mit einer extra kleinen Registrierung und einem extra großen opt out vom OSOR zu tun haben, mit anderen Worten, der maximalen Möglichkeit, dem System „Eine Substanz – eine Registrierung“ zu entgehen, wie können Sie, Herr Sacconi und Herr Verheugen, dann von einem ambitionierten Kompromiss sprechen? Ich nenne das eine Niederlage. Ich wünsche mir, dass unser Parlament am Donnerstag den modernen Schritt tut, Gesundheit und Beschäftigung miteinander zu verbinden, anstatt diese Begriffe weiterhin auf sterile Art einander entgegen zu setzen.

Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich abschließend in aller Freundschaft meinem Kollegen, Herrn Goebbels, antworten: Als Liberale empfinde ich mich nicht als besonders „grün“, wenn ich diese Entscheidung treffe, die weder rechts noch links angesiedelt, sondern zukunftsorientiert ist.

 
  
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  Antonios Trakatellis (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die chemische Wissenschaft und die durch diese Wissenschaft produzierten chemischen Verbindungen haben dem Menschen in seinem Leben geholfen, Probleme zu lösen; das ist eine Tatsache, ebenso wie es eine Tatsache ist, dass heute tausende Verbindungen und Produkte im Umlauf sind, und viele dieser Verbindungen sind gefährlich und können der Umwelt und der Gesundheit Schaden zufügen.

Daher ist es an der Zeit, dass wir in diesem Sektor politische Maßnahmen ergreifen, und diese finden in der REACH-Verordnung ihren Ausdruck. Gleichermaßen gibt uns diese Verordnung Gelegenheit, eine Reihe von Fragen, die für die Union und ihre Bürgerinnen und Bürger von Belang sind, in der Praxis zu testen und anhand dieser Fragen selbst überprüft zu werden. Ich meine die Fragen des Umweltschutzes und der Volksgesundheit sowie die Notwendigkeit, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, die mit der Einführung nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Kriterien, wie die den chemischen Verbindungen innewohnenden Gefahren, entstehen.

Diese Verordnung muss auch Dinge im Zusammenhang mit dem Umweltschutz und der Volksgesundheit regeln und gleichzeitig der europäischen Chemiebranche die Möglichkeit der Anpassung während des geplanten Übergangszeitraums geben.

Im Grunde kann uns diese Verordnung daher ein greifbares Beispiel für die praktische Umsetzung des Modells nachhaltiger Entwicklung bieten, das eine harmonische Kombination der drei Pfeiler unterstützt und von ihnen gestützt wird. Diese drei Pfeiler sind – ich erinnere Sie – Umweltschutz und Volksgesundheit, wirtschaftliche Entwicklung, sozialer Zusammenhalt und steigende Beschäftigung. Ich wiederhole: Wir können ein greifbares Beispiel für die Umsetzung haben, indem vor allem die Erwartung zum Ausdruck kommt, dass die europäische chemische Industrie auf die ihr geziemende Weise reagiert – nämlich mit Innovation –, sodass sie sich nicht nur anpasst, sondern sowohl ihre Wettbewerbsfähigkeit als auch die Beschäftigung stärkt.

Innovation, womit ich die Herstellung neuer, umweltfreundlicher und der Gesundheit nicht abträglicher Verbindungen meine, ist der Schlüssel zur Erreichung der harmonischen Aktualisierung der drei Pfeiler nachhaltiger Entwicklung.

Abschließend möchte ich betonen, dass ich auf das Mitentscheidungsverfahren vertraue, um so alle Aspekte dieses komplexen Problems zusammenzubringen, damit uns die bestmögliche Verordnung gelingt.

 
  
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  Dorette Corbey (PSE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Sacconi, der meines Erachtens exzellente Arbeit geleistet hat, meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen. Der REACH-Vorschlag bedeutet, dass 30 000 Stoffe getestet werden müssen, und damit ist REACH eine Quelle für Innovation und Vereinfachung gleichermaßen. Da mit dem Inkrafttreten von REACH mehr als 40 Richtlinien zurückgezogen werden, kommt REACH sowohl der Umwelt als auch der Innovation zugute.

Zahlreiche wunderbare Änderungsanträge liegen vor, die REACH durchführbarer und weniger kostenintensiv machen sowie die Zahl der Tierversuche beschränken sollen, aber leider gibt es noch immer ziemlich viele Unternehmen, die sich gegen Innovation sperren, die lieber in Unwissenheit schwelgen und keine Lust verspüren, sich auf die Suche nach sichereren und saubereren Alternativen zu begeben. Offen gestanden finde ich es doch recht enttäuschend, dass sie von der Politik enorme Unterstützung erfahren. Wir alle haben die Herausforderung Lissabon angenommen. Innovation ist der Schlüssel zu einer starken Wettbewerbsposition der europäischen Industrie. Ohne fortwährende Innovation, um Erzeugnisse sauberer, sicherer und gesünder zu machen, wird die europäische Industrie gegenüber China, Indien und den USA letztlich den Kürzeren ziehen.

Dem Kompromiss, der uns nunmehr vorliegt, müssen die niederländischen Sozialdemokraten eine Absage erteilen. Es ist ein gewaltiger Rückschritt, wenn statt 30 000 Stoffen jetzt lediglich 8 000 Stoffe dem vollständigen Testverfahren von REACH unterzogen werden, denn damit herrscht bei den Verbrauchern weiterhin Unsicherheit, die Gefahr für Allergien, Krebs und Berufskrankheiten bleibt unnötig fortbestehen, und potenziell toxische Stoffe verbleiben in der Umwelt. Nicht zuletzt werfen wir einen Anreiz für stetige Innovation in der europäischen Wirtschaft ebenfalls über Bord.

 
  
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  Holger Krahmer (ALDE). – Herr Präsident! Für die Datenanforderung bei der Registrierung, einem der Kernstücke der Verordnung, liegt ein sehr guter Kompromiss vor, den die drei großen Fraktionen dieses Hauses tragen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich mit Blick auf die Grünen nochmals eines klarstellen: Ein Kompromiss, der von einer so großen Mehrheit in einem Parlament getragen wird, ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang. Wir sollten uns gegen Beleidigungen verwahren, dass dieses Haus einer Hypnose von Seiten der Chemieindustrie erlegen sei.

Wir Liberale haben uns für ein praktikables REACH eingesetzt. Unsere Kernforderung ist ein System, das, ohne die Ziele des Umwelt- und Verbraucherschutzes zu vernachlässigen, die Kosten für die Unternehmen, insbesondere für die kleinen Unternehmen, erheblich reduziert und unnötige Bürokratie vermeidet. Unser Standpunkt, der vor einem Jahr noch als industriefreundlich stigmatisiert wurde, ist jetzt Konsens: die Einführung von Expositionskategorien, erhebliche Erleichterungen im Niedrigtonnage-Bereich, Ausnahmen für die Forschung und OSOR.

Einem politischen Erfolg bei der Registrierung darf aber das andere Kernstück von REACH, die Zulassung von Chemikalien, nicht zum Opfer fallen. REACH betrifft eben nicht nur die chemische Industrie – und das sage ich jetzt auch ganz deutlich mit Blick auf Herrn Nassauer, der das immer sehr deutlich betont –, sondern alle Branchen, die chemische Substanzen weiterverarbeiten.

Die liberale Fraktion hat den vernünftigen Vorschlag des Industrieausschusses zur Zulassung nochmals ins Plenum eingebracht. Um Recht und Planungssicherheit zu gewährleisten, brauchen die Unternehmen klare Kriterien. Gefährliche Stoffe sollen nur dann substituiert werden, wenn sichere Alternativen existieren, die wissenschaftlich begründet sind. Darüber hinaus muss die befristete Zulassung von Chemikalien flexibel sein und branchenspezifische Produktzyklen berücksichtigen.

 
  
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  Amalia Sartori (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dem heute von uns erörterten Vorschlag wird der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt als eines ihrer wichtigsten Ziele genannt.

Gleichwohl sollen damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie der Europäischen Union erhalten und gestärkt sowie die Transparenz im Interesse der Verbraucher erhöht werden. Diesbezüglich muss hervorgehoben werden, wie sehr sich dieses neue Regelwerk auf die kleinen und mittleren Unternehmen der Mitgliedstaaten auswirken wird, denn sie werden stärker als alle anderen durch die damit verbundenen neuen Verwaltungskosten und bürokratischen Kosten belastet werden.

Dies muss mit der wirtschaftlichen Rolle in Zusammenhang gebracht werden, die die kleinen und mittleren Unternehmen im Chemikaliensektor spielen. 96 % der 22 000 Chemieunternehmen in Europa sind KMU, die einen Anteil von 28 % an der Gesamtproduktion haben. Deshalb muss man sich Gedanken über die negativen Auswirkungen auf die Produktionskosten machen, die für die KMU höher und drückender werden, sowie über den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit innerhalb und außerhalb des Binnenmarkts, der sich aus dem höheren Preis der Fertigerzeugnisse ergeben wird.

Im Lichte des bisher Gesagten halte ich die Anwendung des OSOR-Prinzips (eine Substanz, eine Registrierung) und die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Unternehmen in Konsortien, um Kostensenkungen und die Reduzierung überflüssiger Tests zu gestatten, für sehr wichtig, doch blicke ich zugleich voller Misstrauen auf die in dem Kompromiss über die Registrierung vorgesehenen zahlreichen Opt-out-Möglichkeiten, die dieses Prinzip zu negieren scheinen.

Als Zweites halte ich es, insbesondere im Hinblick auf die Verwirklichung der mit REACH angestrebten Prioritäten und Ziele, für sehr bedeutsam, alle eingeführten Erzeugnisse den gleichen Sicherheitsvorschriften zu unterwerfen, wie sie für in der EU hergestellte Erzeugnisse gelten.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Europäische Union, die in Umweltfragen oft in vorderster Front bei schwierigen Auseinandersetzungen steht – denken wir nur an den Klimawandel und an das Kyoto-Protokoll – auch für diese Forderungen eintritt und mit der Welthandelsorganisation die Ausdehnung dieser Vorschriften auf alle chemische Stoffe und Erzeugnisse herstellende Länder aushandelt, indem sie nachdrücklich die Anwendung des Prinzips der Rückverfolgbarkeit der Stoffe verlangt. Aus diesem Grund bin ich auch gegen die Ausnahmeregelung für Erzeugnisse, die für Drittstaaten bestimmt sind.

 
  
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  Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Ich möchte mich sehr herzlich bei Guido Sacconi für seine hervorragende Arbeit bedanken, muss aber leider sagen, dass ich den vorliegenden Kompromiss zur Registrierung nicht so positiv sehe wie er. Ich möchte auch viele Kolleginnen und Kollegen zu ihren hellseherischen Fähigkeiten beglückwünschen, wenn sie sich, obwohl Kenntnisse darüber fehlen, welche chemischen Substanzen gefährlich sind und welche nicht, dennoch ganz überzeugt für eine Prioritätensetzung bei den chemischen Substanzen einsetzen.

Ich glaube auch der Argumentation nicht, dass es hier darum geht, die kleinen und mittleren Unternehmen zu retten; ansonsten kann ich mir nicht erklären, dass es im Kompromiss manche Änderungen und manche Formulierungen gibt, die zu Lasten dieser kleinen und mittleren Unternehmen gehen. Ich glaube, dass hier ganz klar die Interessen der Großindustrie vertreten werden.

Abschließend möchte ich noch auf die Studie des Europäischen Gewerkschaftsbundes hinweisen, nach der 50 % der berufsbedingten Asthma- und Hauterkrankungen durch ein starkes REACH verhindert werden. Eine Kollegin hat darauf hingewiesen, dass Millionen von Arbeitnehmern in diesem Bereich beschäftigt sind. Die gleichen Kollegen können sich also ausrechnen, welche Kostenersparnis das für die öffentliche Hand, für das Geld von uns allen bedeutet.

 
  
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  Anders Wijkman (PPE-DE). – (SV) Herr Präsident! So wie schon andere Redner vor mir begrüße auch ich strengere Vorschriften auf diesem Gebiet. Es ist schon – vorsichtig ausgedrückt – seltsam, dass es in diesem Bereich so lange kaum Regelungen gegeben hat. Wir kennen die mit chemischen Stoffen verbundenen Risiken, aber jedes Mal, wenn ein ernstes Problem, etwa im Zusammenhang mit PCB, DDT oder Freonen, auftauchte, wurden wir davon völlig überrascht. Das hat eine Menge Schaden angerichtet. Darum müssen wir einen wesentlich vorsichtigeren Ansatz wählen. Die Unternehmen müssen selbstverständlich die Verantwortung sowohl für die Bereitstellung von Informationen als auch für den Ersatz gefährlicher Substanzen durch weniger gefährliche, sofern vorhanden, übernehmen. Lassen Sie mich unterstreichen, dass das Substitutionsprinzip in Schweden seit fast 15 Jahren gut funktioniert und meiner Ansicht nach auch in die neue Gesetzgebung aufgenommen werden sollte. Ich hoffe, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen, auch in meiner eigenen Fraktion, mit mir in diesem Punkt übereinstimmen.

Die Aussprache über REACH war schwierig. Man sagt ja, dass der Teufel im Detail steckt, was wohl selten zutreffender ist als in diesem Fall. Es gibt unzählige Details, die viele von uns Abgeordneten nicht beherrschen, was das Erreichen konstruktiver Lösungen sehr erschwert hat. Der fünf Minuten vor zwölf erzielte Kompromiss zur der Registrierungsfrage ist nicht perfekt. Er weicht in mehreren Punkten von dem Kurs ab, den ich persönlich gern eingeschlagen hätte. In Anbetracht der Anforderungen und der möglichen Alternative, d. h. einer Politik, bei der die Hauptverantwortung für die Einholung von Informationen bei den zuständigen Behörden liegen würde, muss ich diesen Kompromiss dennoch positiv betrachten. Ich wiederhole noch einmal, dass ich nicht zufrieden bin, aber das Wichtigste muss dennoch sein, dass wir eine Politik für diesen Bereich bekommen, mit der wir arbeiten und Schritt für Schritt etwas Ordnung in den Chemikaliendschungel bringen können.

Abschließend möchte ich Herrn Sacconi gratulieren, der meiner Ansicht nach über lange Zeit unter sehr komplexen Bedingungen ausgezeichnete Arbeit geleistet hat.

 
  
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  Dan Jørgensen (PSE).(DA) Herr Präsident! Im Alltag sind wir von Zehntausenden chemischen Stoffen umgeben. Chemikalien sind überall – in unserer Kleidung, in unseren Autos, im Kugelschreiber, den ich hier in der Hand halte, ja sogar in den Spielsachen unserer Kinder. Leider wissen wir nicht sehr viel über die Wirkungen dieser Stoffe. Wir wissen nicht, wie schädlich sie sich auf unsere Umwelt auswirken. Wir wissen nicht, wie schädlich ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit sind. Mit REACH haben wir endlich die Gelegenheit, hier etwas richtig zu stellen. Mit REACH erhalten wir die Möglichkeit, die Basisdaten einzuholen und Grundsätze zu verabschieden, was von außerordentlicher Bedeutung ist.

Für mich besteht der wichtigste Grundsatz in der umgekehrten Beweislast, wonach die Industrie künftig nachweisen muss, dass ein Stoff unbedenklich ist, bevor sie die Erlaubnis erhält, ihn in Verkehr zu bringen. Es obliegt also nicht mehr - so wie heute - den Behörden, zu beweisen, dass ein Stoff gefährlich ist, damit er womöglich vom Markt genommen wird. Das zweite sehr wichtige Prinzip, für dessen Umsetzung wir sorgen müssen, ist der Grundsatz der Substitution. Befindet sich auf dem Markt ein Stoff, der gefährlich ist, und ein anderer, der nicht so gefährlich ist und somit eine bessere Alternative darstellt, muss künftig der gefährliche Stoff durch den weniger gefährlichen ersetzt werden.

Abschließend möchte ich sagen, dass sich diejenigen irren, die der Meinung sind, es gebe einen Widerspruch zwischen Wettbewerbsfähigkeit und einer soliden, strengen Rechtsetzung im Bereich chemische Stoffe. Ganz im Gegenteil, die einzige Hoffnung der chemischen Industrie für die Zukunft liegt darin, dass REACH mit genau dieser Strenge formuliert wird und die chemische Industrie dazu zwingt, Neuerungen einzuführen, in die Forschung zu investieren und sich uneingeschränkt zu den Parametern zu bekennen, innerhalb derer sie künftig den Wettbewerb führen muss.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE).(HU) Herr Präsident! Wir benötigen eine starke und wirksame REACH-Richtlinie, mit der alles auf einmal erreicht wird: Schutz der Gesundheit der Menschen und Schutz der Umwelt, Verringerung der Anzahl der Tierversuche, gleichzeitig Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie und Verbesserung der Transparenz, Stärkung des Binnenmarktes und Einhaltung der WTO-Bestimmungen.

Die Frage lautet, ob sich hier ein gemeinsamer Nenner finden lässt. Können wir bei unserer Gesundheit eine radikale Verbesserung erreichen, ohne die kleinen und mittleren Unternehmen allzu stark zu belasten? REACH wird nur dann ein Erfolg, wenn unsere Antwort Ja lautet. Deswegen müssen wir den als OSOR (ein Stoff, eine Registrierung) bekannten britisch-ungarischen Vorschlag unterstützen und dürfen nicht zulassen, dass er verwässert wird. Der gesunde Menschenverstand und die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen legen nahe, dass der Datenaustausch obligatorisch sein sollte, wobei selbstverständlich die Geschäftsgeheimnisse im engeren Sinne des Wortes gewahrt bleiben. Das Ziel von REACH besteht letztlich in der Ersetzung und der Rücknahme von Stoffen, die eine Gefahr für die Gesundheit und die Umwelt darstellen. Deswegen müssen wir die Rechtsvorschriften in diesem Bereich so mutig wie nur möglich vorantreiben.

Als Chemiker ist mir bekannt, dass uns die technischen Beschränkungen bei unseren Bestrebungen Grenzen auferlegen, doch dürfen wir nicht davor zurückschrecken, innerhalb dieser Grenzen so rigoros wie möglich vorzugehen. Außerdem bin ich gegen alle Versuche, die Registrierung weniger streng zu handhaben, und unterstütze den Standpunkt des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ich bin davon überzeugt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, unsere Kinder und unsere Umwelt so umfassend wie möglich zu schützen.

Der Schlüssel zu einer effektiven und realisierbaren REACH-Richtlinie liegt darin, dass die Betroffenen sie umsetzen können. Deswegen unterstütze ich auch den Vorschlag, für kleine und mittlere Unternehmen die Ausgaben für REACH auf 0,2 % der Jahreseinnahmen zu beschränken, da so die Durchführbarkeit der Richtlinie garantiert wird. Es ist nicht sehr sinnvoll, die europäische Chemieindustrie in andere Regionen der Welt zu vertreiben, denn auf globaler Ebene werden unsere Probleme nicht gelöst, ganz im Gegenteil. Deswegen müssen wir an die Grenzen des Machbaren gehen und dürfen nicht vorher anhalten. Zwar habe ich Herrn Sacconi keinen Apfel mitgebracht, doch nehmen Sie meine Glückwünsche entgegen.

 
  
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  Riitta Myller (PSE).(FI) Herr Präsident! Die EU-Verordnung über chemische Stoffe (REACH) wird vor allem den Schutz der Volksgesundheit sowie höchstmögliche Standards des Umweltschutzes gewährleisten. Seit dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission ist, was diese Grundprinzipien angeht, ein ziemlich großer Schritt rückwärts gegangen worden. Das liegt hauptsächlich daran, dass sich die politischen und ideologischen Machtverhältnisse in allen Einrichtungen der Europäischen Union seit den letzten Wahlen deutlich verändert haben.

Unter diesen schwierigen Bedingungen hat der Berichterstatter des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, Herr Sacconi, für meine Begriffe eine ausgezeichnete Arbeit geleistet, und das Ergebnis, das im Ausschuss erzielt wurde, war ein Indiz dafür, wie wertvoll seine Arbeit gewesen ist. Ich hätte gewünscht, dass man von diesem Kompromiss nicht mehr hätte abrücken müssen.

Dem Ratsvorsitz möchte ich insbesondere für das Versprechen danken, strengere Regelungen im Hinblick auf einen Austausch gefährlicher und schädlicher Substanzen zu befürworten, als sie im Vorschlag der Kommission enthalten sind. Dies hilft der chemischen Industrie und stärkt ihre Innovationsfähigkeit in Europa.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident, als Reaktion auf die Kritik, das derzeitige System zur Regulierung von chemischen Stoffen, ein kompliziertes Labyrinth von ca. 40 einzelnen Richtlinien, sei schwerfällig, übermäßig streng und behindere die Innovation – dazu braucht man sich nur die nun schon 14 Jahre währende Geschichte der Risikobewertung für Zink anzuschauen –, hat die Europäische Kommission im Oktober 2003 nach umfassender Konsultation aller Beteiligten eine neue Regelung für chemische Stoffe vorgeschlagen.

Ziel dieser REACH-Verordnung ist es, einen leistungsfähigen Chemiesektor auf dem Binnenmarkt zu erhalten und gleichzeitig ein hohes Maß an Schutz für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten. Sie verspricht, das Verfahren für die Registrierung von neuen Substanzen und Altstoffen zu vereinfachen. Sie wird unser Wissen in Bezug auf deren Wirkungen erweitern und ihren sicheren Einsatz auf allen Stufen ihres Lebenszyklus gewährleisten. Nachgeschaltete Anwender von chemischen Stoffen, zu denen die große Mehrheit der KMU zählt, werden maßgeblich von diesen Informationen profitieren.

Da mir nur zwei Minuten zur Verfügung stehen, muss ich mich auf einige wenige Punkte konzentrieren. Ich begrüße den Kompromiss zur Registrierung, die vorgeschlagene Änderung zur Begrenzung der Kosten für KMU sowie die maximale Einschränkung von Tierversuchen. Ich bin ferner der Ansicht, dass anorganische Substanzen anders behandelt werden müssen als organische Chemikalien. Wir brauchen ein Höchstmaß an Vertraulichkeit für Unternehmen, die sich jedoch nicht auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auswirken darf. Zu diesem Zweck sollten Registrierungspflichtige die Möglichkeit haben, einen Dritten als Vertreter zu benennen, und die Veröffentlichung von kommerziell sensitiven Informationen auf der Webseite der Agentur sollte verhindert werden.

Ich möchte mich jedoch auf den Vorschlag, die Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen in REACH aufzunehmen, konzentrieren. Es liegt auf jeden Fall im Interesse der Raucher, genau zu wissen, welche chemischen Stoffe in Tabakerzeugnissen enthalten sind, damit sie eine bewusste Wahl treffen können. Artikel 3 der Richtlinie über Tabakerzeugnisse legt lediglich Grenzwerte für den Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt fest. Für die übrigen etwa 2 000 in Zigaretten enthaltenen chemischen Stoffe gibt sie keine Grenzwerte vor. Gemäß Artikel 6 derselben Richtlinie müssen Zigarettenhersteller und -importeure lediglich eine Liste der in Zigaretten enthaltenen chemischen Stoffe vorlegen und die ihnen vorliegenden toxikologischen Daten den Mitgliedstaaten melden, die dann verpflichtet sind, die Kommission entsprechend zu informieren. Damit sind Tabakhersteller auch weiterhin in der Lage, sich bezüglich potenzieller gesundheitsschädigender Wirkungen dieser Inhaltsstoffe auf Unkenntnis zu berufen.

Deshalb, Herr Präsident, sei abschließend festgestellt, dass jeder einzelne chemische Stoff, der Zigaretten zugesetzt wird, unbedingt das von REACH vorgesehene zentralisierte Registrierungs- und Zulassungsverfahren durchlaufen muss. Ich fordere Sie dringend auf, die entsprechenden Änderungsanträge zu befürworten. Wir hier im Europäischen Parlament, der Rat und die Kommission dürfen uns nicht unserer Verantwortung entziehen. Ich danke Herrn Sacconi und allen, die an diesem schwierigen Rechtsakt mitarbeiten. Wir sind noch nicht am Ziel.

 
  
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  Adam Gierek (PSE).(PL) Herr Präsident! Der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung enthält einen methodischen Fehler. Obgleich der Titel auf chemische Verbindungen hinweist, werden sie in Artikel 3 nicht erwähnt, und statt dessen findet sich eine Definition für einen Stoff. Damit wird der Anwendungsbereich der Verordnung auf die Art von Materie ausgeweitet, die, wir alle wissen, nicht Energie ist. An Klarheit büßt der Vorschlag damit ebenfalls ein.

Die zweite Bemerkung, die ich anbringen möchte, bezieht sich darauf, dass keine Definition des Gegenstands der Verordnung gegeben wird, anders gesagt, der gefährlichen chemischen Verbindungen und ihrer chemischen Aktivität in lebenden Organismen.

Drittens, in dem Vorschlag sucht man eine Definition von Gefahrenklassen beispielsweise auf der Grundlage medizinischer Kriterien vergebens. Sinnvoll wäre es zu versuchen, Gefährdungsstufen entsprechend der Wahrscheinlichkeit zu definieren, indem Stoffe auf der Grundlage der Tonnage einzelnen Gruppen zugeteilt werden, wenn sie allesamt dieselbe Gefahr darstellen. Allerdings ist das in keiner Weise geschehen.

Meine vierte Bemerkung hat damit zu tun, dass traditionelle Erzeugnisse von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden sollten, da ihre chemische Aktivität unter normalen Bedingungen nahezu null ist.

Obgleich die REACH-Verordnung dringend erforderlich ist, sollte sie auf sehr eng definierte Gefahrenklassen für chemische Verbindungen begrenzt werden. Sie sollte zudem zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe führen, die genaue Spezifikationen für chemische Stoffe erarbeitet sowie Zulassungen und Registrierungen in Einklang mit dieser Interpretation ausstellt.

 
  
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  Marianne Thyssen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorschlag für eine Verordnung, den wir hier erörtern, ist nicht nur komplex und einschneidend als vielmehr auch ehrgeizig. Und das sollte er auch sein, denn schließlich geht es um die Gesundheit und die Umwelt. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, müssen wir uns nicht nur hohe Ziele stecken, sondern der Vorschlag muss auch einfach gehalten sein, damit er durchführbar und praktisch anwendbar ist. Herr Sacconi hat zu Recht Ausgewogenheit und Verantwortung als die beiden Schlüsselwörter auf diesem Gebiet bezeichnet.

Die Tatsache, dass wir die Auswirkungen der Wettbewerbsfähigkeit, das Kosten/Nutzen-Verhältnis, die speziellen Sorgen der KMU, die Innovationsfähigkeit und die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft sowie einen rechtssicheren Datenschutz nicht aus den Augen verlieren, richtet sich nicht gegen REACH, sondern ist fester Bestandteil davon.

Eine Fülle von Änderungsanträgen wurde eingebracht – im Grunde zu viel für eine Plenarsitzung –, jedoch müssen wir irgendwann Entscheidungen treffen. Lassen Sie uns deshalb darauf drängen, bis Donnerstag gründlich zu beraten, damit wir auf allen Ebenen ein einheitliches und von einer breiten Mehrheit getragenes Abstimmungsergebnis erreichen, denn ein solches Abstimmungsergebnis mündet auch in einen ausgewogenen Gesetzestext.

Auf diesem Gebiet entscheiden wir uns bewusst und ganz richtig für einen gemeinsamen europäischen Ansatz. Wir sollten daher aus dem europäischen Mehrwert Kapital schlagen und die Agentur mit den notwendigen Befugnissen ausstatten, um einen einheitlichen Ansatz zu erreichen, ohne jedoch das Know-how in den Mitgliedstaaten zu vernachlässigen. Was die Durchsetzung der Verordnung betrifft, sollten wir zudem sicherstellen, dass der Ansatz hinreichend harmonisiert ist.

Wenn wir in dieser Woche umsichtig zu Werke gehen, werden wir in 11 Jahren in einer anderen Umgebung leben als heute und für eine glatte Revolution in der Union gesorgt haben. Zu sämtlichen chemischen Stoffen werden uns Informationen vorliegen, und wir werden weitaus vernünftiger damit umgehen, wir werden zu einer besseren öffentlichen Gesundheit und zu gesünderen Lebens- und Umweltbedingungen beigetragen haben. Lassen Sie uns Verantwortung übernehmen, um diese Ziele ambitioniert und realistisch zu verwirklichen.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben bereits darauf hingewiesen und damit komme ich zum Schluss –, dass unsere politische Überzeugung hier wirklich nichts zur Sache tut. Wir sollten diese Dimension außer Acht lassen und sicherstellen, dass wir am Donnerstag klug abstimmen.

 
  
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  Evangelia Tzampazi (PSE).(EL) Herr Präsident, Nutzen für die Volksgesundheit und die Umwelt, Herstellung sichererer, dem Menschen zuträglicherer Produkte, Nutzen aus der Entwicklung neuer, innovativer Produkte, Schutz der europäischen chemischen Industrie vor Wettbewerbern aus Drittländern, bessere Transparenz, gesteigertes Vertrauen der Verbraucher in die Industrie, Nutzen für kleine und mittlere Unternehmen, die weniger die Produzenten als die Hauptnutzer von Chemikalien sind, Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer in der chemischen Industrie, weniger Unfälle, ein vorhersehbares System von Rahmenbedingungen und vertretbare Umsetzungskosten: Das ist REACH, das ist Herrn Sacconis REACH der Ausgewogenheit und der Vernunft, das ist das REACH des Parlaments, das wir den europäischen Bürgerinnen und Bürgern schulden. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf REACH, das wir morgen vielleicht stärker links ausrichten und grüner machen müssen; aber wir brauchen REACH heute.

Ich danke den Kommissionsmitgliedern und dem griechischen Kommissar für ihre Unterstützung in dieser weit reichenden Frage.

 
  
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  Åsa Westlund (PSE). – (SV) Herr Präsident! Die meisten von uns benutzten Dinge enthalten viele Chemikalien, von denen wir nicht wissen, welche Auswirkungen sie auf uns haben. Wir wissen jedoch, dass Krebs und Allergien heute häufiger auftreten als in der Vergangenheit und dass viele Berufskrankheiten auf den Kontakt mit chemischen Stoffen am Arbeitsplatz zurückzuführen sind.

Am Donnerstag haben wir Gelegenheit, dies zu ändern, indem wir für eine sichere Chemikalienrichtlinie stimmen, mit deren Hilfe wir gefährliche Chemikalien wirklich feststellen und aus dem Verkehr ziehen können. Ich hoffe, dass eine Mehrheit unter uns diese Chance ergreift, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, aber vor allem das faktische Herumexperimentieren mit der menschlichen Gesundheit und der Umwelt durch die derzeitige Gesetzgebung zu beenden.

In Übereinstimmung mit den Verbraucher-, Gewerkschafts- und Umweltbewegungen werden wir schwedischen Sozialdemokraten den von der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten eingebrachten Kompromiss zur Registrierung nicht unterstützen. Er nimmt zu viele Chemikalien von der Prüfung aus, und die überhaupt gestellten Anforderungen sind nicht streng genug, um gefährliche Chemikalien feststellen und aus dem Verkehr ziehen zu können. Aus diesen Gründen können wir den Kompromiss nicht unterstützen.

Abschließend möchte ich dem Kollegen Sacconi, der in dieser Angelegenheit hervorragende Arbeit geleistet hat, noch großen Dank aussprechen.

 
  
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  Guido Sacconi (PSE), Berichterstatter. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur kurz drei Punkte richtig stellen. Als Erstes möchte ich auf die Kritik antworten, die von mehreren Kollegen, unter anderem von Frau Breyer und Herrn Foglietta, gegen mich erhoben wurde, weil ich angeblich meinen persönlichen Standpunkt und nicht den des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit wiedergegeben habe. Es kann sein, dass ich einen Fehler gemacht habe, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte.

Gleichwohl bin ich meiner Meinung nach als Hauptberichterstatter des Parlaments gegenüber dem Plenum verpflichtet, mich nach Kräften für die Schaffung einer möglichst breiten und soliden Mehrheit einzusetzen. Hauptsächlich aus diesem Grund hielt ich den Kompromiss, von dem wir so viel gesprochen haben, für sinnvoll, möglich und notwendig.

Um REACH unter Dach und Fach zu bringen, musste ein Kompromiss geschlossen werden. Bevor wir einschätzen, ob REACH wirklich eine wirksame Verordnung ist – für eine sorgfältige Analyse ist auch noch nach der Abstimmung Zeit -, müssen wir dringend über eine REACH-Verordnung verfügen, und wir wissen, welchen harten Angriffen sie in den letzten Wochen ausgesetzt war.

Andererseits habe ich den Eindruck, dass die prinzipiellen Fragen, die ich offiziell für unüberwindlich erklärt hatte, nicht gelöst wurden, denn die Beweislast für kleine Mengen wurde beibehalten. Demzufolge müssen künftig 30 % dieser Stoffe vollständig dokumentiert werden. Hierzu fordere ich jedermann auf, mir das Gegenteil zu beweisen. In diesem Zusammenhang möchte ich als Beispiel den Grundsatz „Ein Stoff - eine Registrierung“ nennen, der zum ersten Mal, dank des Kompromisses, breite Zustimmung in diesem Parlament findet, während er bisher nur vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit gebilligt wurde. Die Kriterien für das Opting out wurden zweifellos nachgebessert, doch das letzte Wort bei den Anträgen, sich nicht an der gemeinsamen Nutzung der Daten zu beteiligen, hat die Agentur, die für die Genehmigung zuständig ist.

Abschließend möchte ich ein Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen richten, insbesondere an die Verfasser der Stellungnahmen, aber auch und vor allem an das äußerst wichtige Team, das wir vielleicht stärker heranziehen sollten: die Beamten und das Sekretariat des Parlaments. Dass wir bis hierher gekommen sind, ist auch - und vielleicht hauptsächlich - das Verdienst vieler Beamter, die eine ausgezeichnete Arbeit geleistet haben.

 
  
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  Lord Bach, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident, hinter uns liegt eine ausgezeichnete Aussprache, die von den Herren und Damen Abgeordneten mit Sachkenntnis, Erfahrung und Leidenschaft geführt wurde. Einundsechzig verschiedene Abgeordnete haben das Wort ergriffen, und ich habe jedem von ihnen im Namen des Rates aufmerksam zugehört.

Das oberste Gebot lautet, dass die der Industrie durch REACH entstehenden Belastungen so niedrig wie möglich sein sollten. Wir haben es hier mit einem Sektor zu tun, der Hunderttausenden unserer europäischen Bürger Arbeit bietet; im Vordergrund steht aber, dass sich die Belastungen im Einklang mit unseren gemeinsamen Zielvorstellungen für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt befinden, und wir glauben, dass die sich abzeichnenden Standpunkte der Parlaments, des Rates und der Kommission dies leisten können.

Im Mittelpunkt der Beiträge etlicher meiner Vorredner standen die Bedürfnisse des Mittelstandes in der chemischen Industrie und in verwandten Zweigen. Der Rat teilt diese Sorge, und der Ratsvorsitz hat in seinem Kompromiss versucht, eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Unterstützung vorzuschlagen. Dazu zählen der Gedanke „Ein Stoff – eine Registrierung“, die Rolle der Agentur bei der Unterstützung des Mittelstandes sowie Maßnahmen, die ihm helfen soll, Nutzen aus seinen Innovationen zu ziehen.

Zahlreiche Abgeordnete haben heute Nachmittag das Wort „Balance“ benutzt. In vielerlei Hinsicht ist REACH ein Balanceakt, und unserer Ansicht nach stellt der sich zwischen unseren drei Institutionen herausbildende Konsens die einzig erreichbare ausgewogene Lösung in dieser heiklen, komplexen und sehr wichtigen Angelegenheit dar.

Ich begrüße nachdrücklich die zahlreichen Forderungen nach Vermeidung unnötiger Tierversuche, die heute zum Ausdruck gebracht wurden und die ich unterstütze. Klar ist, dass es im Moment noch nicht für alle Tests, die durchgeführt werden müssen, Alternativen in Form von Nichttierversuchen gibt. Daher kommt dem Grundsatz „Ein Stoff – eine Registrierung“ zur Vermeidung von Mehrfachtests eine Schlüsselrolle zu. Angesichts dessen, dass immer neue Nichttierversuche entwickelt werden, liegt uns zudem daran, dass der Gestaltungsspielraum zur Änderung der Liste der Testverfahren baldmöglichst bestätigt wird.

In seiner abgeänderten Form wird sich REACH der gefährlichsten Substanzen annehmen; PBT-Stoffe sowie vP- und vB-Stoffe werden vorrangig registriert werden. Für sie, CMR-Stoffe und andere besonders besorgniserregende Stoffe wie Substanzen, die den Hormonhaushalt beeinträchtigen, ist ein strenger Zulassungsprozess einschließlich einer Substitution vorgesehen.

Ein Schlüsselprinzip von REACH besteht darin, dass der Nachweis für die Unbedenklichkeit von chemischen Stoffen eindeutig von der chemischen Industrie zu erbringen ist. Die Umkehrung der Beweislast stellt eine positive und dramatische Verbesserung des derzeitigen Systems dar und ist nach Ansicht der Mitgliedstaaten und des Rates dringend geboten. Mit REACH kann der Status quo signifikant verbessert werden. Mit der neuen Regelung erhalten wir die Informationen, die wir benötigen, um in Bezug auf besorgniserregende Substanzen etwas zu unternehmen. REACH wird die Innovationstätigkeit des Sektors fördern, weil es die Unternehmen, die neue und umweltfreundlichere Chemikalien auf den Markt bringen wollen, entlastet und weil es die Ablösung älterer und umweltbelastender Substanzen fördert. Europa debattiert seit 1998 über REACH. Wir haben seitdem viel über chemische Stoffe und die Anliegen aller interessierten Kreise gelernt. Ich bin der Ansicht, dass wir jetzt diese einmalige Chance nutzen und uns über die vorliegende Regelung einigen sollten, um Probleme im Hinblick auf ein solides Chemikalienmanagement zu überwinden.

Das derzeitige System für den Umgang mit chemischen Stoffen ist mangelhaft, bürokratisch und langsam, und in zu vielen Fällen ist es offen gestanden ineffektiv. Mehr als 40 Jahre, nachdem die EU sich erstmals mit dieser Problematik befasste und in denen sie über 40 Rechtsakte erließ, sind wir noch immer nicht am Ziel. Dabei gibt es inzwischen mehr als 100 000 Substanzen. Chemische Stoffe stellen eine mit riesigen Chancen verbundene immense Herausforderung für die moderne Gesellschaft dar, der wir uns jetzt stellen müssen. In der Form, in der REACH jetzt aus den Diskussionen in Parlament, Rat und Kommission hervorgeht, ist es das beste Instrument für diesen Zweck. Deshalb ist es für uns alle von so zentraler Bedeutung.

(Beifall)

 
  
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  Günther Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch die Kommission teilt die Überzeugung, dass dies eine wichtige und überzeugende Debatte war. Ich will noch einmal sagen: Unser Anliegen war es, eine Lösung zu finden oder dazu beizutragen, eine Lösung zu finden.

Es ist bei einem solchen Thema nicht möglich, alle Seiten zu befriedigen. Es kann keinen vollständigen Kompromiss geben zwischen denjenigen, die um ihre Arbeitsplätze und um ihre Zukunft fürchten, und denjenigen, die um die Gesundheit ihrer Kinder fürchten. Es ist nicht möglich, einen perfekten Kompromiss zu finden, und es liegt im Wesen des Kompromisses, dass man sich entgegenkommen muss. Das sage ich an die Adressen beider, die in dieser Debatte die kontroversen Auffassungen vertreten haben.

Ich denke, es wäre falsch, eine Auffassung zu vertreten, die ohne jede Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftschancen einer der wichtigsten Industrien Europas Regeln festlegt, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Es wäre ebenso falsch, darauf zu verzichten, das, was möglich ist, zu tun, um für Gesundheit und Umwelt unserer Bürgerinnen und Bürger das Mögliche zu erreichen.

Die Kommission unterstreicht noch einmal, dass sie davon überzeugt ist, dass der hier vorgelegte Kompromiss ausgewogen ist, und ich möchte mich noch einmal ausdrücklich gegen den Vorwurf wenden, dieser Vorschlag verwässere die inhaltliche Zielsetzung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission. Ich meine, Sie sollten es schon der Kommission überlassen zu entscheiden, wie sie die Veränderungen ihres eigenen Vorschlags bewertet. Wir diskutieren über einen Vorschlag der Kommission, und die Kommission ist nicht der Meinung, dass die Änderungen, die hier vorgeschlagen werden, eine Schwächung oder Verwässerung ihres Vorschlags bedeuten, sondern sie ist der Meinung, dass die eigentliche Zielsetzung damit sogar verstärkt wird. Ich weise darauf hin, dass in dem Bereich, der der entscheidende ist, wo sich die meisten Substanzen finden, nämlich im Bereich der niedrigen Volumina von 1 bis 100 Tonnen, die Anforderungen ja sogar verstärkt werden.

Es ist aber auch richtig, dass in der Praxis jetzt Instrumente gefunden worden sind, die es vor allen Dingen den kleinen und mittleren Unternehmen erlauben werden, mit diesem sehr anspruchsvollen Gesetzeswerk umzugehen. Es wurde ja mehrfach darauf hingewiesen, dass die chemische Industrie in Europa eine mittelständische Industrie ist. Ich möchte das auch an die Adresse derjenigen sagen, die hier gegenüber Vertretern anderer Auffassung geäußert haben, der vorliegende Kompromiss oder die Lösung, die sich abzeichnet, sei der Niederschlag der Vertretung der Interessen der chemischen Großindustrie in Europa. Das ist schon deshalb Unsinn, weil die chemische Industrie in Europa nicht durch Großbetriebe gekennzeichnet ist. Sie werden erstaunt sein zu hören, dass die durchschnittliche Betriebsgröße der chemischen Industrie in Europa bei 74 Beschäftigten liegt. Das heißt, wir haben es mit einer ausgesprochen kleinen und mittleren Struktur zu tun, bei der wir sehr sorgfältig prüfen müssen, welche Anforderungen wir den Unternehmen auferlegen und welche nicht.

Es ist ein Gesetzeswerk, mit dem niemand in der Welt über Erfahrungen verfügt, und wir sollten uns heute auch darüber im Klaren sein, dass erst die tatsächliche Praxis uns zeigen wird, ob unsere Annahmen ganz und gar richtig waren oder nicht. Und wir sollten offen sein für Verbesserungen, nicht nur im Verlauf der Beratungen, sondern auch im Verlauf der praktischen Anwendung, die darauf folgt.

Ich kann Ihnen, was die Kommission angeht, garantieren, dass wir unsere Verantwortung – insbesondere im Hinblick auf die Agentur, die ja einen Großteil der Arbeit wird leisten müssen – in vollem Umfang wahrnehmen und das Notwendige tun werden, um die Agentur schnell leistungsfähig und so leistungsfähig wie möglich zu machen.

(Beifall)

 
  
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  Stavros Dimas, Μitglied der Kommission. (EL) Herr Präsident, ich werde mich ganz kurz fassen. Zunächst möchte ich allen danken, die sich an der Aussprache heute Abend beteiligt haben. Sie war sehr wichtig und sehr interessant und wird zur Annahme des Vorschlags beitragen, über den wir zum Wohle der Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt hier debattieren.

Noch einmal möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Sacconi sowie Frau Ek und Herrn Nassauer, für ihre wahrhaft gewaltigen Anstrengungen beim Zustandekommen dieses Kompromisses im Zusammenhang mit einem der wichtigsten Aspekte von REACH danken.

Die Kommission steht voll und ganz hinter diesem Kompromiss, und ich bin sicher, dass er bei der Abstimmung am Donnerstag eine ähnlich breite Unterstützung findet.

Es gibt natürlich gewisse andere Probleme wie das der Zulassung und der Substitution, die Angelegenheit der Europäischen Agentur für chemische Stoffe sind, Probleme, über die das Parlament, da bin ich sicher, mit gleicher Transparenz befinden wird.

Die Kommission begrüßt das sich abzeichnende Zusammengehen von Parlament und Präsidentschaft und wird sich für die Erzielung einer Vereinbarung zu REACH einsetzen, sodass REACH schnellstmöglich Gesetz wird.

Ebenso unterstützt die Kommission die Änderungsanträge der Berichterstatter zur Befristung der Zulassungen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Europäische Agentur für chemische Stoffe im Einzelfall über die Frist entscheidet.

Was die chemischen Stoffe in Produkten betrifft, so zielt der Berichterstatter auf eine spezifischere, operationellere Lösung ab, ähnlich der, die der britische Ratsvorsitz anstrebt und die die Kommission zu akzeptieren in der Lage sein wird.

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit und für die Teilnahme an einer so wichtigen Aussprache.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte mich für die ernsthafte Diskussion bedanken. Ich habe kein Verständnis für eine Ausstellung, die hier im Haus stattfindet und die zeigt, wie Herr Verheugen ein Kind vergiftet und Herr Barroso zusieht. Ich bitte, dass die Konferenz der Präsidenten dieses Plakat sofort aus unserem Haus entfernt.

 
  
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  Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN (ARTIKEL 142)

 
  
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  Miloslav Ransdorf (GUE/NGL) , schriftlich. – (CS) Aufgrund von Problemen mit der inneren Demokratie in der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke hatte ich keine Gelegenheit, während der gemeinsamen Aussprache über REACH das Wort zu ergreifen. Von den insgesamt 52 Änderungsanträgen, die ich eingereicht habe, haben es über 30 bis in die Schlussabstimmung geschafft, und diese Änderungsanträge wurden von Sachverständigen auf diesem Gebiet begrüßt. Ich habe stets das Ziel verfolgt und tue das auch weiterhin, Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Herangehensweisen an diese Thematik herzustellen, und ich wende mich nachdrücklich gegen jegliche extreme Position.

Die vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vertretene Haltung würde im Endeffekt bedeuten, dass wir die Lissabonner Ziele nicht erreichen und die Position der kleinen und mittleren Unternehmen schwächen. Der Druck auf die neuen Mitgliedstaaten, die in der Vergangenheit Waren aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingeführt haben, würde sich dahingehend verstärken, dass sie diese durch Einfuhren aus Westeuropa ersetzen müssen, und das bedeutet zusätzliche Kosten. Aus mehreren Untersuchungen in der Tschechischen Republik geht hervor, dass bis zu einem Fünftel der Arbeitsplätze verloren gehen könnten und die Gewinne in den betroffenen Sektoren, beispielsweise in der Automobilindustrie, zurückgehen.

Ich freue ich, dass diese Initiative in Angriff genommen wurde, denke jedoch, dass sie über einen angemessenen Zeitraum umgesetzt werden muss. Ferner möchte ich anregen, dass die Kosten für Tests von der öffentlichen Hand bestritten werden, da dies die einzige Möglichkeit ist, negative Auswirkungen insbesondere auf kleine Hersteller zu vermeiden.

Ich spreche mich für den Kompromiss aus, der im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie erzielt wurde. REACH ist keine Konfrontation zwischen Links und Rechts, sondern stellt vielmehr einen Interessenskonflikt dar, der die Frage aufwirft, ob zwischen den wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Aspekten der Lissabon-Strategie ein Gleichgewicht hergestellt werden kann.

 
  
  

Anhang

Standpunkt der Kommission

 
  
  

Bericht Sacconi (A6-0315/2005)

Die Kommission kann sämtliche Änderungsanträge des PPE-DE/PSE/ALDE-Kompromisspakets zur Registrierung einschließlich des Änderungsantrags zu OSOR vollständig akzeptieren; das sind die Änderungsanträge 367 bis einschließlich 413.

Ferner kann die Kommission folgende Änderungsanträge vollständig akzeptieren: 40, 73, 74, 79, 117, 119, 125, 128, 148, 158, 273, 276, 291, 292, 317 und 324.

Die Kommission kann die Änderungsanträge 10, 322, 327, 333, 335, 336, 340, 345 und 347 teilweise akzeptieren.

Die Kommission kann die Änderungsanträge 4, 8, 11, 14, 16, 18, 21, 26, 34, 36, 39, 50, 59, 60 61, 62, 63, 64, 67, 68, 72, 76, 78, 81, 83, 87, 97, 101, 102, 104, 105, 107, 108, 115, 116, 120, 121, 123, 124, 126, 139, 140, 145, 146, 147, 149, 159, 171, 172, 175, 176, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 190, 191, 193, 202, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 211, 213, 215, 217, 220, 221, 235, 236, 248, 249, 259, 265, 270, 277, 278, 286, 293, 297, 299, 300, 301, 302, 306, 308, 310 und 323 dem Grundsatz nach akzeptieren.

Die Kommission kann die Änderungsanträge Nr. 19, 20, 41, 53, 65, 88, 89, 103, 122, 130, 132, 141, 142, 144, 157, 158, 161, 163, 180, 181, 192, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 210, 285, 290 und 294 dem Grundsatz nach und teilweise akzeptieren.

Die Kommission kann die Änderungsanträge 1, 2, 3, 5, 6, 7, 9, 12, 13, 15, 17, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 35, 37, 38, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 51, 52, 54, 55, 56, 57, 58, 66, 69, 70, 71, 75, 77, 80, 82, 84, 85, 86, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 99, 100, 106, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 118, 129, 131, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 143, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 160, 162, 164, 166, 167, 168, 169, 170, 173, 174, 177, 178, 179, 182, 189, 206, 212, 214, 216, 218, 219, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 260, 261, 262, 263, 264, 266, 267, 268, 269, 271, 272, 274, 275, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 287, 288, 289, 295, 296, 298, 303, 304, 305, 307, 309, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 318, 319, 320, 321, 325, 326, 328, 329, 330, 331, 332, 334, 337, 338, 339, 341, 342, 343, 344, 346, 348, 350 und 351 nicht akzeptieren.

Die Kommission behält sich ihren Standpunkt zu zwei sprachlichen Änderungsanträgen, und zwar den Änderungsanträgen 127 und 165, vor.

Die Kommission behält sich ferner ihren Standpunkt zu all jenen Änderungsanträgen vor, die am 9. November vorgelegt wurden, mit Ausnahme der Änderungsanträge des bereits erwähnten PPE-DE/PSE/ALDE-Kompromisspakets. Dabei handelt es sich um die Änderungsanträge 352 bis einschließlich 366 und die Änderungsanträge 414 bis 1038. Die Kommission wird ihren Standpunkt nach der Abstimmung über sämtliche Änderungsanträge, die angenommen werden, bekannt geben.

Bericht Sacconi (A6-0285/2005)

Die Kommission kann keinen der vier Änderungsanträge akzeptieren, die zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates im Hinblick auf ihre Anpassung an die Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe und deren Beschränkung vorgelegt wurden. Das sind die Änderungsanträge 1 bis 4.

 

26. Europäische Regulierungsagenturen
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt die mündliche Anfrage an den Rat zum Entwurf einer Interinstitutionellen Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen von Jo Leinen im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen und Janusz Lewandowski im Namen des Haushaltsausschusses (O-0093/05 – B6-0337/2005).

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE), in Vertretung des Verfassers. (EL) Herr Präsident, es bestehen im europäischen Rahmen zahlreiche dezentrale oder quasi-unabhängige Arbeitsgremien, die unter der Bezeichnung ‚Regulierungsagenturen’ zusammengefasst werden. Diese Situation berührt eine konzeptionelle Auffassung von einer Zwischenstaatlichkeit auf mehreren Ebenen.

Das Konzept und die operationelle Untersuchungstätigkeit der Regulierungsbehörden der Europäischen Union sind durch Pluralismus gekennzeichnet. Die Aufgabe besteht daher in der Festlegung klarer und möglichst einheitlicher Bedingungen für die Gründung, Tätigkeit und Überwachung dieser besonderen Form europäischer Zwischenstaatlichkeit, sodass die Regulierungsagenturen transparenter und kohärenter werden können, als sie es zurzeit sind.

Die übermäßige Zunahme der Zahl von Regulierungsagenturen wird zweifellos zu einem Ansteigen regulierender Eingriffe von europäischer Seite, zu einer Trennung und mangelnden Transparenz europäischer Politik und im weiteren Sinne zu Schwierigkeiten bei der operativen Koordinierung führen.

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass die Bestimmungen des Entwurfs der Interinstitutionellen Vereinbarung ein Mindestpaket von gemeinsamen Prinzipien und Regeln für die Struktur, die Arbeitsweise und die Kontrolle von Regulierungsagenturen bilden könnten, sodass sie harmonisch in das Rahmenwerk grundsätzlicher Prinzipien, die sich aus dem Vertragssystem herleiten, eingebunden werden können. Es ist daher zweckmäßig, nicht nur ein Rahmenwerk für die Harmonisierung der Tätigkeit der europäischen Regulierungsbehörden zu verabschieden, sondern auch ihre Tätigkeit mit demokratischen Institutionen zu harmonisieren. Deshalb fordern wir den Rat auf, an der Beförderung der Interinstitutionellen Vereinbarung schöpferisch mitzuwirken.

(Beifall)

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE), Verfasser. – (EN) Die gemeinsam vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen und dem Haushaltsausschuss vorgelegte Frage enthält eine Aufforderung an den Rat, ernsthafte Verhandlungen zu den Rahmenbedingungen für die Regulierungsbehörden aufzunehmen. Ich bin sicher, dass in der Europäischen Union im Interesse der Transparenz und zur Vermeidung von Überschneidungen sowie unnötigen Ausgaben ein durchaus bekannter Bedarf an Maßnahmen zur Rationalisierung und Standardisierung von Verfahren zur Errichtung und für den laufenden Betrieb von Regulierungsbehörden besteht. Ich denke dabei insbesondere an Agenturen mit Exekutivaufgaben, die eine Aufsplitterung der operationellen Verantwortung der Europäischen Kommission zur Folge haben könnten. Die Errichtung von Agenturen zur Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen in der Europäischen Union ist heue eine weit verbreitete Modeerscheinung. So verwundert es nicht, dass es vor zehn Jahren lediglich fünf gab, während ihre Zahl bis nächstes Jahr auf dreiundzwanzig ansteigen wird. Sie schießen wie Pilze aus der Erde, und ihre Auswirkungen auf den Haushalt nehmen zu, denn dies betrifft nicht nur operationelle Ausgaben, sondern auch Ausgaben, die eher bürokratischer Art sind.

Mit der Mitteilung der Kommission von Februar 2005, in der sie einen Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung vorlegt, verfügen wir über eine sehr gute Grundlage. Ausgehend vom Weißbuch zum Europäischen Regieren beschloss das Europäische Parlament im Januar 2004 in Form einer Entschließung seinen Standpunkt. Wir und insbesondere die Mitglieder des Haushaltsausschusses verstehen die Bedeutung der Anwendung des Grundsatzes der Haushaltsdisziplin auf die Errichtung und den Betrieb der Agenturen, und wir unterstützen nachdrücklich den Vorschlag des Nichtständigen Ausschusses, die Ausgaben für die Agenturen abzugrenzen und sowohl existierende als auch neue Agenturen zu regulieren. Dazu äußerte sich die Kommission in ihrer Mitteilung jedoch nicht.

Mit unserer mündlichen Anfrage bringen wir eigentlich unser Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sich der Rat aus diesen Verhandlungen heraushält. Die wichtigste Frage lautet daher: Ist der Rat bereit und ist es nach seinem Ermessen notwendig und möglich, die Verhandlungen im nächsten Jahr, also zum Ende der jetzigen Finanziellen Vorausschau, abzuschließen?

 
  
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  Lord Bach, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident, der Rat stellte in seinen Schlussfolgerungen vom 28. Juni 2004 zur Mitteilung der Kommission über die Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen fest, dass es verschiedene dezentrale Gemeinschaftseinrichtungen gibt, die unter den Oberbegriff „europäische Agenturen“ fallen. Er stellte ferner fest, dass diese Einrichtungen zwar bestimmte formelle Gemeinsamkeiten aufweisen, sich in vielerlei Hinsicht jedoch stark voneinander unterscheiden. Deshalb forderte der Rat die Kommission auf, eine eindeutige Definition für Regulierungsagenturen entsprechend deren Zuständigkeiten und Aufgaben vorzunehmen. Der Rat war ferner der Auffassung, dass künftige Rahmenbedingungen Kriterien für die Errichtung von Regulierungsagenturen enthalten und insbesondere vorsehen sollten, dass jeder Beschluss über die Errichtung oder den Fortbestand einer Agentur anhand einer Analyse des tatsächlichen Bedarfs und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses gerechtfertigt werden muss, der Verfügbarkeit einschlägigen Fachwissens Rechnung tragen und eine Folgenabschätzung beinhalten sollte.

Im Februar 2005 legte die Kommission den Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsbehörden vor. Darin sind Regelungen enthalten, die die Aufgaben der Agenturen, ihre Exekutivbefugnisse, ihre Rechtsgrundlage, ihre Ziele und ihr Mandat, ihren Sitz, ihre Struktur und Arbeitsweise sowie die Evaluierung und Kontrolle betreffen. Die Kommission schlägt als geeignetes Instrument eine Interinstitutionelle Vereinbarung vor, „um von Anfang an die drei Organe an der Definition der grundlegenden Voraussetzungen zu beteiligen, die bei der späteren Annahme der Rechtsakte zur Errichtung sektorspezifischer Agenturen zu erfüllen sind”. Ferner heißt es: „Die Wahl dieses Instruments schließt nicht aus, … detailliertere Modalitäten in einer Rahmenverordnung auszuarbeiten.”

Doch der von der Kommission vorgelegte Entwurf einer Interinstitutionellen Vereinbarung geht insofern über die Festlegung von Modalitäten für die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen, wie sie gemäß EG-Vertrag vorgesehen ist, hinaus, als er die Annahme von über dem Gesetz stehenden materiell-rechtlichen Vorschriften betrifft, die die Gesetzgeber künftig durch ein Verfahren binden würden, das im EG-Vertrag nicht vorgesehen ist. Der Rat möchte die verehrten Abgeordneten auf die Erklärung über interinstitutionelle Vereinbarungen im Anhang an den Vertrag von Nizza verweisen, in der es heißt: „Diese Vereinbarungen dürfen die Vertragsbestimmungen weder ändern noch ergänzen…“

In seinen Schlussfolgerungen vom 28. Juni 2005 erkannte der Rat angesichts „des evolutiven und unterschiedlichen Charakters der Aufgaben“ der Regulierungsagenturen an, dass es gerechtfertigt ist, alle Fragen im Zusammenhang mit ihrer Struktur einschließlich der Zusammensetzung ihrer Verwaltungsräte und der jeweiligen Funktionen ihrer Gremien zu prüfen. Er erklärte ferner, dass bei dieser Prüfung „neben dem aktuellen Erfahrungsstand unter anderem die Zuständigkeiten einer jeden Agentur und die Art der ihr zugewiesenen Aufgaben berücksichtigt werden“ sollten.

Obwohl eine interinstitutionelle Vereinbarung in bestimmtem Umfang insofern rechtsverbindlich sein kann, als es den Wunsch der drei Organe zum Ausdruck bringt, eine gegenseitig verbindliche Verpflichtung einzugehen, kann dieses Instrument nicht zur Verabschiedung von gesetzlichen oder sogar über dem Gesetz stehenden Regelungen eingesetzt werden. Die Vorschläge zu dieser Rechtssache liegen daher dem Rat zur Prüfung vor.

Der Rat ist bereit, einen horizontalen Vorschlag für die Agenturen zu prüfen, der die eben von mir angesprochenen Rechtsfragen berücksichtigt.

 
  
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  Maria da Assunção Esteves, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PT) Im Weißbuch „Regieren in der Europäischen Union“ plant die Kommission Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen. Jetzt geht es darum, eine dringend notwendige interinstitutionelle Einigung zu erzielen. Wenn es nämlich ein politisches Entscheidungssystem gibt, das förmlich nach einer gestrafften und koordinierten Organisation schreit, dann doch ohne Frage die europäischen Regulierungsagenturen.

Das ist zum einen durch die Anzahl und Vielfalt der Lebensräume bedingt, auf die sie zwangsläufig ausgerichtet sind. Zum anderen weist die Struktur der europäischen Institutionen Risse auf und bedarf dringend des integrierenden Einflusses einer Verfassung, weshalb institutionelle Übergangsvereinbarungen notwendig sind, und zwar im Verbund mit durchdachten und anhaltenden organisatorischen Bemühungen. Europa kann nicht die Augen verschließen vor dem Problem der Regierungsführung als Folge der Erweiterung und seiner Ansprüche. Deshalb ist es für die Regulierungsagenturen erforderlich, dass die politischen Institutionen Europas ihren Teil der Verantwortung mittragen.

Mit einer interinstitutionellen Vereinbarung können diese Agenturen erfolgreich arbeiten. Sie wird Verfahrenslücken schließen und auf diese Weise die Effektivität der Politikumsetzung in Europa verbessern. Wir müssen doch alle zugeben, dass der gesamte europäische Diskurs auf rationalen Grundlagen beruht.

 
  
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  Richard Corbett, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, meine Fraktion ist über die Vermehrung der Agenturen in den letzten Jahren besorgt. Ihre Zahl hat enorm zugenommen. Sie sind wie Konfetti über die Mitgliedstaaten verstreut, und zwar wohl eher, damit auch jeder Mitgliedstaat wirklich eine Agentur auf seinem Territorium hat, als im Hinblick darauf, ob ein entsprechender Bedarf besteht und die Errichtung einer speziellen Agentur zur Behandlung des betreffenden Problems sinnvoll ist.

Unsere Sorge berührt eine Reihe von Aspekten: natürlich die Kosten, aber vor allem fragen wir uns, ob die zahlenmäßige Zunahme der Agenturen nicht möglicherweise die Exekutivfunktion der Europäischen Kommission unterminiert. Es gibt Politiker in einigen Mitgliedstaaten, die es gerne sähen, wenn die Kommission in einer Reihe von Spezialagenturen aufgehen würde, um die supranationale Exekutive, die wir jetzt haben, zu untergraben.

Wie steht es um die Rechenschaftspflicht? Die Kommission ist wenigstens gegenüber diesem Parlament rechenschaftspflichtig. Es ist sehr einfach, die Kommissionsmitglieder und deren Beamte zur Befragung und zum Kreuzverhör hierher zu bestellen. Wir stimmen über deren Haushalt ab. Erforderlichenfalls – möge Gott verhüten, dass das je erforderlich ist, – können wir sie abwählen. Wird jedoch eine Sache an eine Agentur mit eigener – in Normalfall zwischenstaatlicher – Struktur, mit eigenem Verwaltungsrat und gänzlich anders funktionierender Rechenschaftspflicht verwiesen, dann wird die demokratische Kontrolle zwangsläufig geschwächt.

Deshalb begrüßen wir den Gedanken einer interinstitutionellen Rahmenvereinbarung, um einige dieser Probleme zu thematisieren. Damit könnte die Ausuferung zumindest etwas korrigiert werden. Sie könnte für die erforderliche demokratische Kontrolle sorgen. Im Moment scheint jede einzelne Agentur eine andere Struktur aufzuweisen. Das Parlament könnte in die Ernennung und Überwachung des Verwaltungsrates einbezogen werden.

Ich höre die Antwort des Rates, dass ihm der Gedanke einer interinstitutionellen Vereinbarung missfällt und er stattdessen bereit wäre, einen horizontalen Vorschlag zu prüfen. Vielleicht könnte der Rat uns mitteilen, an welche Art von Vorschlag er dabei denkt. Würde es sich um eine Rahmenverordnung handeln oder um eine Art legislativen Beschluss? Wir werden diese Sache auf jeden Fall weiterverfolgen. Wir waren von dem Ansatz, den die Kommission in ihrem Vorschlag präsentierte, sehr angetan, und wir werden an unserer Forderung festhalten, dass die entsprechenden Agenturen den gewählten Institutionen der Europäischen Union gegenüber rechenschaftspflichtig sind und sich nicht verselbständigen können.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die ersten Europäischen Regulierungsagenturen wurden in den 90er Jahren als Reaktion auf die Entwicklungen in der EU-Politik, die aufeinanderfolgenden Erweiterungen und die daraus resultierenden neuen technischen und wissenschaftlichen Erfordernisse der Europäischen Union errichtet.

In dem Weißbuch über Europäisches Regieren heißt es, dass die Europäischen Regulierungsagenturen zur wirksamen Anwendung und Durchsetzung der Prinzipien der Gemeinschaft beitragen und dass die Rolle, die sie spielen, und die Prüfungen, die sie durchführen, politisch und institutionell von herausragender Bedeutung sind. Und trotzdem, derzeit gibt es 23 dezentrale Agenturen, verglichen mit fünf im Jahr 1995, und dieser stetige Anstieg ist deshalb alarmierend, weil es an einem verfahrensrechtlichen Rahmen mangelt. Die Bürger können nur mit Mühe das Umsichgreifen von Agenturbezeichnungen, Zuständigkeiten, Strukturen und Kontrollmechanismen erfassen, und diese Situation ist der Rechtssicherheit nicht dienlich.

Der Jahresbericht 2004 des Europäischen Rechnungshofs hebt die Mängel der Agenturen hinsichtlich der Einhaltung der Haushaltsgrundsätze, der Einstellung von Personal und ihrer öffentlichen Auftragsvergabeverfahren hervor. Angesichts der Tatsache, dass diese Agenturen den Gemeinschaftshaushalt immer stärker belasten, sollte eine gründliche Analyse der finanziellen Auswirkungen der Tätigkeit einer jeden neuen Agentur obligatorisch sein.

Um sicherzustellen, dass die EU der 25 Mitgliedstaaten ordnungsgemäß funktioniert, bedarf es größerer Transparenz und größeren Zusammenhalts, um die Errichtung immer unterschiedlicherer Agenturen zu vermeiden, deren Zuständigkeiten und Tätigkeiten sich vielfach mit denen der betreffenden Kommissionsdienste decken würden. In diesem Zusammenhang verdient der Entwurf einer Vereinbarung zwischen der Kommission, dem Parlament und dem Rat zur Festlegung gemeinsamer Leitlinien und von Rahmenbedingungen für die Errichtung neuer Regulierungsagenturen unsere uneingeschränkte Unterstützung. Ich kann nicht verstehen, weshalb der Rat zuvor jegliches Anzeichen von politischem Willen zur Aufnahme von Verhandlungen über diese Vereinbarung vermissen ließ. Heute zeigt sich jedoch, dass sich die Dinge vielleicht ändern.

 
  
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  Lord Bach, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident, ich danke allen, die einen Beitrag zu diesem interessanten und informativen Meinungsaustausch geleistet haben. Einige der heute erwähnten Probleme sind vom Rat bisher noch nicht diskutiert worden, aber ich kann dem Parlament versichern, dass wir das nachholen werden.

Ich möchte auf so viele der angesprochenen Punkte wie möglich eingehen. Natürlich teilt der Rat die Ansicht, dass wir transparente und effektive Agenturen brauchen. Es ist unbedingt erforderlich, dass Kohärenz, gutes Regieren, Glaubwürdigkeit und Kosteneffizienz gewährleistet werden. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es unabhängig davon, um welchen Rahmen es geht, stets von Vorteil ist, wenn man seine Flexibilität erhält und von allzu starren Leitlinien absieht. Ich kann dem Parlament zudem versichern – falls es diesbezügliche Zweifel gibt –, dass der Rat zu dieser Problematik zurückkehren wird, sobald er sich ausführlich mit dem Standpunkt sowohl des Parlaments als auch der Kommission auseinander gesetzt hat.

Der Rat hat den Vorschlag der Kommission zu einem rechtsverbindlichen Instrument für einen horizontalen Rahmen im Hinblick auf Regulierungsbehörden zur Kenntnis genommen. Nach Ansicht des Rates weist der derzeitige Vorschlag der Kommission, den der Rat sorgfältig studiert, bestimmte rechtliche Probleme auf.

Worauf sollte sich ein solcher Rahmen erstrecken? Nach Ansicht des Rates sollte ein derartiger Rahmen die Kernfragen der Errichtung, Arbeitsweise und Überwachung von Regulierungsbehörden thematisieren. Wie ich bereits sagte, geht es vor allem darum, die Kohärenz, Transparenz, gutes Regieren, die Glaubwürdigkeit und Kosteneffizienz zu sichern.

Wie sollte über die Errichtung derartiger Agenturen entschieden werden? Wir sind der Meinung, dass Agenturen eine entscheidende Rolle zukommt, doch der Rat teilt die Ansicht des Parlaments, dass der Beschluss zur Errichtung einer Agentur anhand einer externen Kosten-Nutzen-Bewertung zu begründen ist. Wir hoffen, bei der Suche nach einer zufriedenstellenden Lösung für dieses Problem mit dem Parlament zusammenarbeiten zu können.

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, lassen Sie mich zunächst sagen, dass die Kommission die Auffassung des Europäischen Parlaments bezüglich der Dringlichkeit teilt und dass wir auch voll und ganz die Sorgen teilen, die von den verschiedenen Rednern zum Ausdruck gebracht wurden.

Nach Auffassung der Kommission ist eine interinstitutionelle Vereinbarung unbestreitbar die geeignetste Form für einen Rechtsrahmen. Nur die interinstitutionelle Vereinbarung ermöglicht es, das Parlament in die Festlegung eines gemeinsamen Rahmens gleichberechtigt mit der Kommission und dem Rat einzubinden. Die allgemein anerkannte Notwendigkeit eines Rahmens macht es natürlich erforderlich, dieses vor acht Monaten von der Kommission vorgeschlagene Projekt nicht unberücksichtigt zu lassen. Die Kommission appelliert inständig an ihre institutionellen Partner, sich umgehend dieser Aufgabe zu widmen, damit die Dreierverhandlungen so bald wie möglich beginnen können. Es kommt darauf an, den Inhalt einer möglichen Vereinbarung zwischen den drei Institutionen zu prüfen. Wenn der Inhalt des Instruments einmal feststeht, wird es leichter sein, die Form festzulegen.

 
  
  

VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN
Vizepräsidentin

Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

 

27. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0339/2005).

Wir behandeln eine Reihe von Anfragen an die Kommission.

Teil 1

 
  
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  David Martin (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Es freut mich sehr, dass die Fragestunde bis 20.00 Uhr verlängert wird, da die für sie vorgesehene Zeit, wie es in der Vergangenheit so oft geschehen ist, nur allzu gern gekürzt wird.

Meine Wortmeldung zur Geschäftsordnung betrifft die von mir gestellte Anfrage Nr. 69, die ich speziell eingereicht habe, weil Herr Mandelson heute Abend zu diesem Hohen Haus sprechen und Anfragen beantworten sollte. Bei meiner Anfrage geht es um die WTO, doch aus unerklärlichen Gründen wurde sie offenbar als allgemeine Anfrage eingetragen. Könnten Sie bitte die Gründe dafür erläutern?

 
  
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  Die Präsidentin. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass es in diesem Haus die Regel ist, dass die Kommission entscheidet, welcher Kommissar die Frage beantwortet. Deshalb ist das im dritten Teil der Fragestunde gelandet.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE).(EN) Ich habe eine Anfrage an Herrn Mandelson zum selben Thema – vielleicht wäre er so gut und würde sie mir privat beantworten?

 
  
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  Die Präsidentin. Vielleicht ist es in der Tat möglich, das auf diese Weise zu klären. Ich kann Ihnen ansonsten nur so antworten, wie ich auch schon dem Kollegen Martin geantwortet habe.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 37 von Manuel Medina Ortega (H-0893/05)

Betrifft: Besteuerung des Personenflugverkehrs

Prüft die Kommission, wie sie verhindern kann, dass nationale Maßnahmen betreffend die Besteuerung des Personenflugverkehrs, wie z. B. eine Steuer auf Tickets oder Flugbenzin, zu einem Hindernis für den Binnenmarkt werden?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Frage der Besteuerung des Personenflugverkehrs wurde in letzter Zeit viel diskutiert, gehört sie doch zu den Instrumenten, die bei der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten für die offizielle Hilfe für Entwicklungsländer, die den UN-Millenniums-Entwicklungszielen zufolge zu gewähren ist, in Betracht gezogen werden.

Dem Herrn Abgeordneten ist zweifellos klar, dass der Rat die Frage eingehend prüft und dass die Kommission auf Ersuchen des Rates mehrere Arbeitspapiere zu den technischen Aspekten verfasst hat. Dabei wurden zwei Arten steuerlicher Instrumente in Erwägung gezogen: die Besteuerung von Flugbenzin und eine Abgabe auf Flugtickets, die auch als Abflugsteuer bezeichnet wird. Aus der Sicht des Binnenmarktes ist der rechtliche Rahmen für diese beiden Steuerarten nicht identisch.

Die Besteuerung von Flugbenzin ist Gegenstand des Gemeinschaftsrechts, genauer gesagt der Richtlinie 2003/96/EG zur Besteuerung von Energieerzeugnissen. Auch wenn Flugbenzin grundsätzlich steuerfrei ist, können die Mitgliedstaaten sich für die Besteuerung von Benzin bei Inlandsflügen entscheiden. Sie können auch, wenn beide Seiten sich darauf einigen, Benzin für Flüge zwischen den Mitgliedstaaten besteuern. In der Praxis besteht jedoch nicht die Möglichkeit, Flugbenzin zu besteuern, das in der EG tätige gemeinschaftsfremde Luftfahrtunternehmen verwenden.

Was eine Abgabe auf Flugtickets angeht, so gibt es dazu keine speziellen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft. Daher steht es den Mitgliedstaaten frei, derartige Abgaben zu erheben, aber natürlich nur, wenn sie mit ihren Verpflichtungen im Rahmen des EG-Vertrags vereinbar sind.

Der Herr Abgeordnete hat gefragt, ob die Kommission Möglichkeiten prüft, um zu verhindern, dass eine derartige Besteuerung des Personenflugverkehrs zu einem Hindernis für den Binnenmarkt wird. Zunächst möchte ich betonen, dass die Tatsache, dass eine Ware oder Dienstleistung besteuert wird, nicht bedeutet, dass ihr freier Verkehr behindert wird. Eine Behinderung des Binnenmarkts erfolgt nur, wenn eine Abgabe auf Transaktionen zwischen den Mitgliedstaaten größer ist als auf ähnliche Transaktionen innerhalb eines Mitgliedstaats. Die Kommission wird von ihren Befugnissen uneingeschränkt Gebrauch machen, um den Vertrag gegen jedwede diskriminierende Besteuerung des Flugverkehrs durchzusetzen – so wie sie es auch bei allen anderen Steuern tut. Ich kann allerdings verstehen, dass es bei den Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten in dieser Phase hauptsächlich um Abgaben auf Flugtickets geht. Hier muss ich betonen, dass dies in Ermangelung einschlägiger Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zuallererst Sache der Mitgliedstaaten selbst ist, wenn sie innerhalb ihrer Steuerhoheit tätig werden.

Dennoch hat die Kommission in ihren Arbeitspapieren geltend gemacht, dass es gute Gründe für ein gemeinsames Vorgehen bei Abgaben auf Tickets gibt. Sie hat sich auch bereit erklärt, mit den Mitgliedstaaten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchten, gemeinsam an den technischen Aspekten zu arbeiten. Dies würde dazu beitragen, die Vereinbarkeit mit den Verpflichtungen des EG-Vertrags zu gewährleisten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kommission das Funktionieren des Binnenmarktes stets überwacht. Steuern, wie sie in der Anfrage des Herrn Abgeordneten genannt werden, sind noch immer selten. Sollte die Kommission im Zusammenhang mit der Besteuerung des Personenflugverkehrs auf ein strukturelles Problem stoßen – seien dies Benzinsteuern oder Abgaben auf Tickets –, könnte sie letzten Endes von ihrem Recht Gebrauch machen, geeignete Rechtsvorschriften vorzuschlagen.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Mandelson, da Sie gerade anwesend sind und Verantwortung für die externen Politikbereiche der Europäischen Union tragen, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass die Länder, die am meisten von einer Steuer auf Flugtickets zugunsten der Globalisierung benachteiligt würden, die Länder der dritten Welt wären, die in ihrem Fortschritt wesentlich vom Tourismus abhängen, wobei der Tourismus auch noch eines der wenigen Gebiete ist, in denen sie tätig sind.

Zweitens, eine Steuer auf Flugtickets und auf Flugbenzin wäre zum Schaden der auf Inseln oder Halbinseln gelegenen Staaten. Diese Steuer ist ausschließlich aus kontinentaler Sicht erdacht und würde den Verkehr zwischen den Kontinentalregionen der Europäischen Union und den Inselregionen und -ländern, insbesondere denen in äußerster Randlage und denen, die vom Zentrum der Europäischen Union am weitesten entfernt sind, wirklich einschränken.

Ich hoffe, dass Sie Kommissar Kovács meine Bedenken übermitteln können.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Zu Ihrer ersten Anfrage zum Fremdenverkehr möchte ich sagen, eine höhere Besteuerung des Personenflugverkehrs könnte theoretisch zu einer geringeren Nachfrage führen. Der Preisanstieg bei Flugtickets muss jedoch im Zusammenhang mit den Gesamtkosten einer Pauschalreise gesehen werden – das heißt Ausgaben für die Reise, die Unterkunft und Freizeitaktivitäten – von denen er normalerweise einen kleineren Teil ausmacht. Die möglichen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr sollten auch dem allgemeinen Trend eines sehr starken Anstiegs der Nachfrage im Bereich Fremdenverkehr gegenübergestellt werden. Es kann also mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr insgesamt nicht allzu groß sein werden.

Was Ihre zweite Anfrage zu den Regionen in äußerster Randlage betrifft, so wirken sich die gestiegenen Flugkosten unter Umständen stärker auf die Regionen aus, die sehr vom Flugverkehr abhängig sind. Da Steuern auf Flugtickets jedoch hauptsächlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten sind, werden die Länder, die sich für diese Steuern entscheiden, über so viel Spielraum zur Gestaltung ihrer Steuern verfügen, dass auch Korrekturmöglichkeiten gegeben sind, um die besonderen Umstände abgelegener Regionen und die sozialen Bedürfnisse ihrer Bewohner zu berücksichtigen.

Die Kommission hat mitgeteilt, dass sie, wie ich bereits sagte, bereit ist, bei den technischen Aspekten der Flugtickets mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten. Dazu könnte auch die Prüfung verschiedener Korrekturmöglichkeiten für Regionen in äußerster Randlage innerhalb der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zählen.

 
  
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  Josu Ortuondo Larrea (ALDE).(ES) Herr Kommissar, ich stimme der Ansicht zu, dass die Staaten Maßnahmen ergreifen sollten, um die Entwicklungspolitik in jenen Ländern zu verstärken, die uns, gerade weil sie ihren Bürgerinnen und Bürgern keine Chancen bieten, immer mehr Einwanderer schicken und so ernsthafte Probleme in der Europäischen Union hervorrufen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, ob die Kommission andere Alternativen ausreichend geprüft hat, die zu diesem Ziel führen, wie den Vorschlag des Ökonomen James Tobin zur Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen, durch die der Tourismus nicht beeinträchtigt würde.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die kurze Antwort auf diese Frage lautet, dass die Kommission keine Alternativen – wie beispielsweise die vorgesehene Tobin-Steuer – in Erwägung zieht, bei der es sich um einen ziemlich umstrittenen Vorschlag handelt, der von vielen in Frage gestellt wird.

Die Vorschläge, die die Kommission geprüft hat, sind das Ergebnis der Diskussionen unter unseren Mitgliedstaaten. Wie ich bereits sagte, sind sie Gegenstand der Arbeitspapiere der Kommissionsdienststellen. Den Anstoß zu ihnen gibt momentan nicht die Kommission selbst.

Sollten viele Mitgliedstaaten eine so genannte Tobin-Steuer zur Diskussion stellen oder befürworten, könnte die Kommission sie selbstverständlich prüfen und entsprechende Stellungnahmen abgeben.

 
  
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  Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wir alle wissen, dass die Entwicklungsländer unsere besondere Beachtung und Obsorge verdienen. Aber ich frage mich immer, warum man nicht bereit ist, Flugbenzin genauso zu besteuern wie andere Energieträger, gerade fossile Energieträger. Im Zusammenhang mit dem Thema Umweltbelastung möchte ich auf die großen Probleme hinweisen, die teilweise in den Einflugschneisen der Flughäfen entstehen.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Frau Abgeordnete hat eine sehr richtige Beobachtung gemacht. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass eine Steuer auf Flugbenzin, obwohl sie sich auf die Preise auswirken würde, wirklich dazu beitragen könnte, den Flugverkehr genauso wie alternative Verkehrsmittel, beispielsweise den Straßentransport, zu behandeln, bei denen Benzin derzeit besteuert wird und die für finanziell schwächere Reisende häufig die einzige Alternative darstellen. Es steht außer Frage, dass das von der Frau Abgeordneten angesprochene Problem von denjenigen, denen die Weiterverfolgung dieser Angelegenheit am Herzen liegt, berücksichtigt wird.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 38 von Sarah Ludford (H-0896/05)

Betrifft: Datenschutz, EU-Datenbanken

Sowohl im ersten als auch im zweiten Jahresbericht an den Rat und das Europäische Parlament (SEK(2004)0557 und SEK(2005)0839) über die Tätigkeit der Eurodac-Zentraleinheit, der Asylbewerber-Datenbank der EU, hieß es, dass diese Einheit eine überraschend hohe Anzahl von „special searches“ verzeichnet habe. Diese Kategorie ist für die Umsetzung des Artikels 18 (Absatz 2ff) der Eurodac-Verordnung vorgesehen, d. h. für Datenschutzzwecke mit dem Ziel, die Ansprüche der betroffenen Person auf Zugang zu ihren Daten zu schützen.

Diese „special searches” haben jedoch stattgefunden, ohne dass die einzelstaatlichen Kontrollbehörden bestätigen konnten, dass es sich in diesen Fällen tatsächlich um Personen handelte, die Zugang zu ihren eigenen Daten beantragt hatten. Welche Maßnahmen hat die Kommission eingeleitet, um Aufschluss über den Status dieser „special searches“ zu erhalten? Hat die Kommission ihr Versprechen eingehalten, die Anwendung der Eurodac-Verordnung in dieser Hinsicht weiterhin zu überwachen, und mit welchem Ergebnis?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Die Abgeordnete Baroness Ludford bittet um Klarstellung bezüglich der „special searches“ der Eurodac-Zentraleinheit und der Maßnahmen der Kommission. Es freut mich sehr, diese Anfrage beantworten zu dürfen, die eigentlich in den Zuständigkeitsbereich des Kommissionsvizepräsidenten Frattini fällt.

Erstens gilt eine „search“, eine Abfrage also, als „special“, wenn mit ihr nicht der für einen Asylantrag zuständige Mitgliedstaat bestimmt werden soll, sondern wenn jeder Einzelperson die Ausübung ihrer Rechte garantiert werden soll, die ihr gemäß der Datenschutzrichtlinie zustehen.

In Artikel 18 der Eurodac-Verordnung werden die Verfahren für die Ausübung des Rechts auf Information bzw. Auskunft, Berichtigung oder Löschung im Rahmen von Eurodac verarbeiteter personenbezogener Daten festgelegt. Diese Rechte werden durch die EU-Datenschutzvorschriften gewährt und haben den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen zum Ziel. Gemäß Artikel 18 Absatz 2 und entsprechend der Eurodac-Verordnung hat tatsächlich jede in einem Mitgliedstaat ansässige Person das Recht, in jedem Mitgliedstaat darüber unterrichtet zu werden, welche sie betreffenden Daten in der zentralen Datenbank gespeichert sind und welcher Mitgliedstaat die Daten an die Zentraleinheit übermittelt hat. Sie kann dann von diesem Mitgliedstaat verlangen, dass sachlich falsche Daten berichtigt oder unrechtmäßig gespeicherte Daten gelöscht werden. Es sei darauf hingewiesen, dass nur einige wenige Mitgliedstaaten der Zentraleinheit derartige Abfragen übermittelt haben.

Entsprechend dem in den EU-Datenschutzvorschriften festgelegten System sind die Datenschutzbehörden der Mitgliedstaaten und der Europäische Datenschutzbeauftragte dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Eurodac zu überwachen. Vor kurzem erinnerte die Kommission die Eurodac-Nutzer auf einem Treffen an ihre rechtlichen Verpflichtungen. Auf einer weiteren vom Europäischen Datenschutzbeauftragten organisierten Zusammenkunft wies die Kommission diesen und die nationalen Kontrollstellen auf die hohe Anzahl der in der Eurodac-Zentraleinheit verzeichneten „special searches“ hin.

Die Kommission verfolgt diese Frage sehr genau, da unbedingt geklärt werden muss, ob die Tätigkeiten der nationalen Behörden im Rahmen von Eurodac unseren Datenschutzvorschriften entsprechen.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE).(EN) Ich danke Ihnen, Kommissar Rehn, bis zu einem gewissen Punkt. Ihren Worten entnehme ich, dass die Kommission auch nicht besser als die nationalen Datenschutzbehörden weiß, warum diese „special searches“ durchgeführt werden. Der Grund, warum dieses Thema so wichtig ist, besteht darin, dass immer mehr Anträge auf Zugang zu EU-Datenbanken gestellt werden.

Wie wissen wir im Falle von Eurodac, dass sich die nationalen Behörden bei den Fällen, in denen „special searches“ durchgeführt wurden, nicht unerlaubt Zugang verschafft haben, indem sie sich als Einzelpersonen ausgaben, die sich ihre eigenen Daten ansehen wollten? Wenn die Kommission die Antwort nicht weiß, wie können wir uns, da der Datenschutz immer mehr unter Druck gerät, noch auf ihre Überwachungsfunktion verlassen? Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Kommission für die Durchsetzung der Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Erstens, ich werde Ihre Bedenken an Kommissar Frattini übermitteln. Zweitens hat die Kommission um weitere Klärung seitens eines Mitgliedstaats gebeten, in dem in einem sehr kurzen Zeitraum besonders viele Abfragen durchgeführt wurden.

Sie werden verstehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt, ohne die genauen Gründe für diese hohe Anzahl an Abfragen zu kennen, keine speziellen Mitgliedstaaten beim Namen nennen möchte. Ich wiederhole, dass, auch wenn uns diese Zahlen überraschen, momentan keine Beweise für eine missbräuchliche Anwendung der Eurodac-Verordnung vorliegen.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 39 von Giorgos Dimitrakopoulos (H-0904/05)

Betrifft: Kosovo

Ist gewährleistet, dass die Europäische Union an den Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo teilnimmt? Wurde ein Katalog mit Fragen und Problemen aufgestellt, zu denen die Europäische Union und insbesondere die Kommission und das Europäische Parlament einen wesentlichen Beitrag leisten können, zumal in den vorliegenden Dokumenten der Organe der EU zum Kosovo ausdrücklich dessen europäische Perspektive erwähnt wird?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die endgültige Verantwortung für die Beschlussfassung, mit der der politische Prozess zur Festlegung des zukünftigen Status des Kosovo erleichtert werden soll, entsprechend der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats in den Händen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen liegt.

Die Kommission ist sehr erfreut über die jüngste Empfehlung des UN-Generalsekretärs und ihre Billigung durch den Sicherheitsrat, der zufolge die Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo fortgesetzt werden sollen. Ebenfalls erfreut ist die Kommission darüber, dass Präsident Martti Ahtisaari am 1. November dieses Jahres zum Sonderbeauftragen des UN-Generalsekretärs bzw. UN-Beauftragten für die Statusfrage ernannt wurde und nun die Gespräche über die Zukunft des Kosovo führt. Die Kommission unterstützt die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft und von Präsident Ahtisaari zur Vorbereitung und Ausarbeitung einer ausgewogenen und dauerhaften Lösung für den Kosovo auf ganzer Linie, und wir werden selbstverständlich eng mit Präsident Ahtisaari zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu verwirklichen. Was die Beteiligung der EU und die Rolle der Kommission angeht, so möchte ich auf folgende vier Aspekte hinweisen.

Zuallererst müssen wir sicherstellen, dass das Ergebnis mit der europäischen Perspektive für den Kosovo vereinbar ist und den gesamten westlichen Balkan umfasst.

Zweitens muss die Eigenverantwortung der lokalen Behörden, unserer künftigen Gesprächspartner, gestärkt und zugleich als Sicherheitsgarantie im Kosovo eine reduzierte internationale Präsenz gewahrt werden.

Drittens, und ich bin mir sicher, dass das Europäische Parlament mir hier besonders zustimmt, muss unser gemeinsames Ziel der „Status mit Standards“ sein. Es ist von allergrößter Bedeutung, dass die Rechte von Minderheiten und der Schutz der kulturellen und historischen Stätten gewährleistet sind, um eine dauerhafte Regelung zu erreichen, die Stabilität und eine europäische Perspektive für die gesamte Region ermöglicht.

Viertens und letztens ist die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend für die Zukunft des Kosovo. Ich werde in Kürze gemeinsam mit Javier Solana ein Papier über das Gesamtkonzept der EU zum Kosovo vorlegen. In diesem Dokument werden wir erläutern, wie wir den Prozess der Festlegung des künftigen Status mit den entsprechenden Finanzmitteln erleichtern werden, wobei die Kommission gerne eng mit dem Parlament zusammenarbeiten möchte. Bei diesem bedeutenden Unterfangen zähle ich auf Ihre Unterstützung.

 
  
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  Giorgos Dimitrakopoulos (PPE-DE).(EL) Frau Präsidentin, ich möchte dem Herrn Kommissar und seinem Mitarbeiterstab für ihre Antwort und ihre Mitwirkung danken und einfach nur zwei Punkte wiederholen.

Erstens ist es sehr wichtig, die europäische Dimension des Kosovo zu stärken, wie UN-Botschafter Eide in mehreren Abschnitten seines Berichts hervorhebt.

Zweitens ist es, vorausgesetzt, es wird ein gemeinsames Dokument mit Herrn Solana ausgearbeitet, wie der Herr Kommissar sagte, für die Europäische Union sehr wichtig, eine spezielle Verhandlungstaktik zu speziellen Punkten zu haben, sodass wir die aufkommenden Probleme zur Sprache bringen können und dies alles zusammen gleichzeitig die europäische Perspektive für den Kosovo bilden kann.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte Herrn Dimitrakopoulos für seine Anfrage und die daran anschließende Frage danken. Ich kann ihm versichern, dass wir tatsächlich ein gemeinsames Ziel verfolgen, indem wir gewährleisten, dass die Zukunft des Kosovo in der europäischen Perspektive besteht.

Ich stimme zu, dass dies im Bericht von Botschafter Eide über die Standards im Kosovo sehr stark hervorgehoben wurde. Meiner Ansicht nach zeichnet sich Herrn Eides Bericht durch hohe Sachkenntnis, hervorragende Qualität, große Objektivität und Realismus aus. In ihm wird darüber hinaus betont, dass wir mit dem Voranschreiten des Verhandlungsprozesses sowohl Standards als auch den Status garantieren müssen. Ich kann Ihnen auch versichern, dass wir in dem gemeinsamen Papier mit Herrn Solana unser Ziel einer ausgewogenen und dauerhaften Lösung darlegen werden.

 
  
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  Bart Staes (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin! Ich gehe voll und ganz mit dem Kommissar konform, wenn er erklärt, dem Kosovo müsse eine europäische Perspektive geboten werden. Selbst die lokalen Behörden stimmen darin überein, dass eine Militärpräsenz erforderlich ist, sobald der Kosovo seine Unabhängigkeit erlangt hat. Bedeutet das, Herr Kommissar, dass zu gegebener Zeit, wenn dieser Unabhängigkeitsstatus erreicht ist, die KFOR-Truppen abgezogen und durch europäische Truppen ersetzt werden? Wenn dem so ist, haben Sie schon eine Vorstellung, wie teuer dies der Europäischen Union zu stehen kommen wird, und sind die Europäische Union und die Kommission bereit zu gewährleisten, dass hinreichende finanzielle Mittel bereitstehen?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Präsident Ahtisaari hat mit seiner Arbeit gerade erst begonnen und ist momentan mit Pendeldiplomatie zwischen Belgrad und Pristina und mit der internationalen Gemeinschaft beschäftigt. Daher möchte ich die Dinge jetzt ungern überstürzen und den Vorschlag des UN-Sonderbeauftragten Präsident Ahtisaari vorwegnehmen. Meiner Ansicht nach ist es besser, ihn arbeiten und sich mit den verschiedenen Parteien beraten zu lassen, und dann, wenn es an der Zeit ist, mit der nötigen Entschlossenheit zu versuchen, eine Lösung herbeizuführen. Daher halte ich es nicht für ratsam, jetzt einen Standpunkt dazu zu beziehen, ob bzw. in welcher Form die K-For weiterhin im Kosovo tätig sein sollte.

Ich möchte noch zwei Dinge ansprechen. Erstens muss es auch in Zukunft eine internationale Präsenz geben, als Sicherheitsgarantie. Zweitens beginnen wir gerade damit, den Finanzbedarf im Kosovo abzuschätzen, damit wir die Arbeit der internationalen Gemeinschaft und von Präsident Ahtisaari unterstützen können.

 
  
  

Teil 2

Anfragen an Herrn Michel

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 40 von Bart Staes (H-0894/05)

Betrifft: Auswirkungen von FLEGT auf den Schutz der sozialen Rechte und der Umwelt in Entwicklungsländern

Das EU-Aktionsprogramm FLEGT gegen illegalen Holzeinschlag und Handel konzentriert sich im Wesentlichen auf den Aspekt der Legalität des Holzeinschlags, wogegen die nachhaltige Forstwirtschaft größtenteils unberücksichtigt bleibt. Der legale Holzeinschlag an sich bietet allerdings noch keinerlei Garantie für eine nachhaltige Entwicklung der betroffenen Entwicklungsländer, die Verbesserung der sozialen Lage der lokalen Bevölkerung und den Schutz der Artenvielfalt und der Umwelt. Ist die Kommission nicht auch der Auffassung, dass bei den Verhandlungen über Partnerschaften im Rahmen von FLEGT verbindliche Bedingungen im Hinblick auf Entwicklungsaspekte (im sozialen wie auch im Umweltbereich) gestellt werden sollten, damit sich die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung verbessern, und meint die Kommission nicht auch, dass Legalität kein FLEGT-Ziel an sich darstellt, sondern eine Grundvoraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der EU-Aktionsplan namens FLEGT – Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor – interessiert sich ausschließlich für den Begriff der Legalität und lässt die umfassenderen und komplexeren Fragen der nachhaltigen Entwicklung der Forstwirtschaft unberücksichtigt. Man muss deutlich zwischen diesen beiden Aspekten unterscheiden. Holz, das legalen Ursprungs ist, kann auf eine umweltschädigende Weise gewonnen werden, beispielsweise durch eine genehmigte Rodung. Ebenso kann Holz illegalen Ursprungs aus einer nachhaltigen Quelle stammen, wie dies bei Holz der Fall ist, das im Rahmen althergebrachter Bewirtschaftungssysteme gewonnen wird, die zwar umweltschonend sind, sich aber nicht den formalen rechtlichen Anforderungen unterwerfen.

Immerhin basiert in den meisten Ländern die Forstgesetzgebung auf den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung. Somit werden die Verbesserung der Governance und eine bessere Anwendung der Rechtsvorschriften eine umweltschonendere Bewirtschaftung der Wälder nach sich ziehen. Die im Rahmen des Aktionsplans FLEGT abzuschließenden Partnerschaftsabkommen werden ebenfalls ein Mittel sein, damit sich die Beteiligten an einen Tisch setzen, um umfassendere Aspekte der Governance im Forstsektor zu beraten und gegebenenfalls die Umsetzung von ordnungspolitischen Reformen zu unterstützen. Die Kommission hofft, dass diese Verfahren es ermöglichen werden, die Rechtsvorschriften und die Governance in den Partnerländern zu verbessern und fairer zu gestalten. Folglich hoffe ich auf Ihr Verständnis dafür, dass die Bedeutung, die im Aktionsplan FLEGT der Frage der Legalität beigemessen wurde, kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel der Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten, um die Governance im Forstsektor zu verbessern.

Der EU-Aktionsplan FLEGT stellt allerdings eine Initiative dar, die darauf gerichtet ist, dank des Engagements aller Parteien Veränderungen herbeizuführen. Es ist also nicht wünschenswert, dass den potenziellen Partnerstaaten strenge soziale und umweltpolitische Auflagen gemacht werden. Zu strenge Bedingungen würden ihr Engagement für die Partnerschaftsabkommen behindern. Man muss auch berücksichtigen, dass der EU-Aktionsplan FLEGT zwar das Schwergewicht auf Governance und Legalität legt, die Union jedoch auch weiterhin entschlossen ist, die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in den Entwicklungsländern zu fördern. In den letzten zehn Jahren hat die Europäische Union mehr als 700 Millionen Euro für die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in Asien, Zentralafrika und Südamerika bereitgestellt.

 
  
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  Bart Staes (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin! Herr Kommissar, ich danke Ihnen für Ihre Antwort und einige Ihrer Bemerkungen. Selbstverständlich kann die Zusammenarbeit mit diesen Partnerschaftsländern eine gute Sache sein, aber wie wir alle wissen, wird mögliche Partnerschaftsländer nichts davon abhalten, über Drittstaaten wie China dennoch illegal Holz nach Europa einzuführen. Greenpeace hat erst kürzlich von der Entdeckung illegaler Netzwerke berichtet, die sich von Kongo-Brazzaville nach Italien, von Papua-Neuguinea nach China und anschließend bis nach Großbritannien erstrecken. Meine Frage lautet deshalb, wie die Kommission und insbesondere der Kommissar gedenken, derartigen Praktiken ein Ende zu setzen?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Die Kommission versteht natürlich beispielsweise den Wunsch – dazu wurde ich unlängst befragt –, ein einseitiges Verbot für Importe von Holz illegalen Ursprungs auszusprechen. Allerdings muss man einräumen, dass in der Praxis dieser Schritt das Problem der illegalen Waldnutzung nicht lösen würde. Erstens würde man mit der Verhängung eines einseitigen Verbots für den Import von Holz illegalen Ursprungs in die Union unsere Zollbehörden nicht mit einem Instrument ausstatten, das es ermöglicht, die Legalität der Herkunft des Holzes zu bestätigen oder auszuschließen. Dieses Verbot an sich würde also nicht ausreichen, um die Einfuhr von Holz illegalen Ursprungs in die Union zu verhindern. Um zwischen Holz legalen Ursprungs und illegalen Ursprungs unterscheiden zu können, und das ist die große Schwierigkeit, vor der wir stehen, brauchen wir die uneingeschränkte Kooperation der Ausfuhrländer.

Zweitens wäre ein europaweites Verbot kein Mittel, um das Problem der Governance in den Erzeugerländern zu regeln. Aus diesem Grunde hat die Kommission einen Ansatz vorgeschlagen, der auf der Unterzeichnung von Partnerschaften mit den Holz erzeugenden Ländern beruht. Dieser Schritt erleichtert die geforderte Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Erzeugerländern, um sich des Problems der Korruption und der Lücken hinsichtlich der Governance anzunehmen, die die Ursache für die illegale Nutzung der Wälder sind. Ohne verstärkte und abgestimmte Anstrengungen zur Beseitigung der Korruption in der Holzbranche der Erzeugerländer werden die Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Holzhandels in Verbindung mit der illegalen Waldnutzung wirkungslos bleiben.

Drittens ist der Ansatz in Richtung auf Partnerschaften gezielt und verhältnismäßig. Er ermöglicht es, die Aufmerksamkeit und die Ressourcen auf die Länder zu konzentrieren, die von diesem Problem schwer betroffen sind, ohne den Handel mit den Ländern zu beeinträchtigen, in denen die illegale Waldnutzung kein größeres Problem darstellt. Der größte Teil des Handels mit Holzprodukten steht nicht unter dem Verdacht der Illegalität.

Verständigen müssen wir uns jedoch über die Art und Weise der Reaktion, sobald der Handel mit Nicht-Partner-Ländern unter Illegalitätsverdacht steht. Diese Frage wird eingehender bei der nächsten Bewertung geprüft werden. Ich möchte die Tatsache unterstreichen, dass die geprüften Maßnahmen im Falle dieser Bewertung nicht dazu bestimmt sind, den im Aktionsplan FLEGT empfohlenen freiwilligen Ansatz zu ersetzen, sondern ihn gegebenenfalls zu ergänzen. Zugleich möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um eine Bewertung handelt und wir im derzeitigen Stadium nicht die Absicht haben, neue Legislativvorschläge hierzu vorzulegen.

Die Kommission verpflichtet sich, die Machbarkeit zusätzlicher Rechtsvorschriften zur Unterstützung des Aktionsplans FLEGT zu prüfen und zu analysieren, wie das hier mehrfach erbeten wurde. Ich habe also die Botschaft wie versprochen an den Rat weitergeleitet. Leider wurden diese Arbeiten infolge der Verzögerungen, die bei der Bestätigung der aktiven Teilnahme der Mitgliedstaaten eingetreten sind, und durch unsere Entscheidung, die geringen Mittel auf die Umsetzung des im Aktionsplan genannten freiwilligen Ansatzes zu konzentrieren, gebremst. Die Bewertung ist im Gange und erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, da ein großer Teil der potenziellen Maßnahmen in die nationale Zuständigkeit fällt.

Zu den bewerteten Optionen gehören auch die Politik des öffentlichen Auftragswesens, die Geldwäsche, gestohlene Waren und die Antikorruptionsvorschriften sowie die Machbarkeit der praktischen Aspekte der neuen Rechtsvorschriften für die Kontrolle der Einfuhren illegal gewonnenen Holzes.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch folgendes sagen. Während meiner kurzen Tätigkeit als Forschungskommissar hatte ich Gelegenheit, das Forschungszentrum der Kommission in der Nähe von Mailand zu besuchen und habe dort äußerst interessante Arbeiten gesehen. Satellitenüberwachungen, die es ermöglichten, sowohl den Holzeinschlag als auch die Wiederaufforstungen sehr genau zu beobachten. Ich glaube also, dass es vielleicht auch nützlich wäre zu prüfen, ob wir da nicht über ein Instrument verfügen, das es uns in unserem politischen Dialog mit den Ländern zumindest ermöglicht, bei ihnen etwas mehr Bereitschaft zur Mithilfe zu wecken. Das ist ein technologisches Mittel, mit dessen Hilfe wir die Entwicklung dieser Situation etwas näher verfolgen könnten. Ich weiß nicht, ob Sie bereits Gelegenheit hatten, dieses Zentrum zu besuchen und zu sehen, was man tun kann, ich kann Ihnen aber sagen, dass ich sehr beeindruckt war. Es ist durchaus möglich, eine relativ präzise Überwachung über die zuweilen dramatische, zuweilen jedoch eher optimistische Entwicklung dieser Situation auszuüben.

 
  
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  John Bowis (PPE-DE).(EN) Herr Kommissar! Ich bin mir sicher, dass das Parlament Sie stärken möchte, wenn es darum geht, auf der Grundlage des Berichts, der im Rahmen des Aktionsplans bis 2004 vorzulegen war, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Eine Möglichkeit, mit der wir Sie stärken können, besteht darin, auf Maßnahmen im Rahmen der sehr willkommenen, im September auf dem Gipfel mit China unterzeichneten Vereinbarung zu drängen. Kann der Herr Kommissar Angaben darüber machen, wie dies seiner Ansicht nach dazu beitragen wird, die Holzwäsche in China und dieser Region zu beenden?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Sehr verehrter Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen leider nichts anderes sagen, als dass ich mit meinem Ansatz eine gute Absicht verfolge und dass diese Frage auf den Tisch kommen wird, sobald wir mit unseren Partnern sprechen. Ich kann Ihnen aber nur meinen guten Willen zusichern. Ich wünsche mir zwei Dinge. Zunächst möchte ich, dass die Mitgliedstaaten, das heißt der Rat, ebenfalls etwas zielgerichteter an das Thema herangehen. Ich glaube, es würde uns helfen, wenn man beispielsweise die Prüfung unserer Anträge nicht behindern würde, denn ich bin absolut nicht gegen strengere Rechtsvorschriften, im Gegenteil. Irgendwann werden wir das ohnehin einmal tun müssen.

Ich habe Ihnen einen Weg gezeigt, den ich als technisch bezeichnen möchte und der es zumindest ermöglichen würde, auf die Partnerstaaten und natürlich auch auf die Mitgliedstaaten Druck auszuüben. Was wir wirklich brauchen, ist ein sozusagen wissenschaftliches Mittel, um den Ursprung des Holzes festzustellen und zu bestimmen. Technisch ist das beispielsweise für Diamanten bereits gelungen. Es gibt heute vollkommen exakte Methoden, um die Herkunft eines Diamanten zu bestimmen. So etwa in dieser Richtung müssen wir suchen.

 
  
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  Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Herr Kommissar! Die europäische Familienforstwirtschaft praktiziert überzeugend die Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft zum Wohl der gesamten Wirtschaft. Wie sehen Sie, Herr Kommissar, die Möglichkeit, diese von uns diskutierten Länder durch fachliche Beratung vor Ort zu unterstützen, damit wir nicht wieder im Nachhinein reagieren müssen. Eines ist klar – und Sie haben die Forschung angesprochen –: Holz ist auch in Zukunft ein Grundstoff für viele andere Produkte.

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) In all unseren Entwicklungsprogrammen zeigt sich, dass die von Ihnen in Ihrer Frage angeregte Maßnahme natürlich Teil von Entwicklungsprojekten und als solche förderfähig sein kann, sei es für technische Hilfe, für Implantate oder für eine Reihe anderer Maßnahmen. Wir widmen diesem Aspekt natürlich große Aufmerksamkeit. Die Frage, die Sie hinsichtlich von Entwicklungsprojekten angesprochen haben, nimmt immer mehr übergreifenden Charakter an. Natürlich sind dies bei allen Entwicklungsprojekten, die Länder, Regionen oder Gebiete betreffen, Projekte, die voll und ganz förderfähig sind. Eine Reihe solcher Projekte wird übrigens heute bereits umgesetzt.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 41 von Othmar Karas (H-0902/05)

Betrifft: Entwicklungszusammenarbeit

Es besteht die Forderung, die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) der Geberländer auf jeweils 0,7 % ihres Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Damit könnten die Millenniums-Entwicklungsziele fristgerecht bis 2015 erreicht werden. Hierzu sollte die nationale ODA folgende Stufen erreichen: bis 2006 „substantielle Erhöhung“, bis 2009 0,5 % und bis 2015 0,7 % des BIP.

In vielen Ländern wird zur Errechung dieses Prozentsatzes allerdings die Entschuldung mitberechnet, was jedoch zur Folge hat, dass kein zusätzliches Geld zur Verfügung steht, welches aber für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) dringend nötig wäre. Welche anderen Komponenten finden in die Berechnung dieser 0,7 % Eingang, und wie kann versucht werden, eine einheitliche Berechnungsgrundlage dafür zu finden? Wie können Mitgliedstaaten rechtlich dafür verantwortlich gemacht werden?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um die Millennium-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen, müssen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit natürlich bedeutend aufgestockt werden.

Bekanntermaßen nimmt die Europäische Union die Herausforderungen, wie sie sich im Zusammenhang mit den Haushaltsmitteln, die für die Halbierung der Armut bis 2015 bereitzustellen sind, sehr ernst. Aus diesem Grund hat sich die Union bereits 2002 ein erstes Zwischenziel zur Aufstockung der Entwicklungshilfe im Jahr 2006 gesetzt. Die Union strebt für die öffentliche Entwicklungshilfe ein Niveau an, das 0,39 % des kumulierten Bruttosozialprodukts entspricht.

Der Rat hat im Mai des vergangenen Jahres die Vorschläge für den Beginn einer neuen Etappe gebilligt, um 2010 gemeinsam 0,56 % des BSP und 2015 das 0,7 %-Ziel zu erreichen. Diese Zielsetzungen sind zwar anspruchsvoll, aber realistisch. Sie beruhen nicht auf einer zufälligen Evaluierung. Vier unserer Mitgliedstaaten haben diesen Stand begrüßenswerterweise bereits erreicht. Sechs weitere haben angekündigt, ihn noch vor 2015 erreichen zu wollen.

Es gibt eine genaue Begriffsbestimmung dessen, was „öffentliche Entwicklungshilfe“ impliziert. Sie ist von der OECD erstellt und weltweit anerkannt worden. Nach dieser Definition gilt Schuldenerlass als Entwicklungshilfe. Dies ist insoweit gerechtfertigt, als durch erlassene Schulden ursprünglich für den Schuldendienst vorbehaltene Mittel frei werden und in den Dienst der Entwicklung der armen Länder gestellt werden können.

Seit der Konferenz von Monterrey über die Finanzierung der Entwicklungspolitik war tatsächlich eine Steigerung der Entwicklungshilfeleistungen der Europäischen Union zu verzeichnen, damit der als Zwischenstufe festgelegte Zielwert im Jahr 2006 erfüllt werden kann. An diesem Anstieg haben Schuldenerlass-Maßnahmen einen wesentlichen Anteil.

Der Monterrey-Konsensus sieht jedoch vor, dass die Entschuldungsinitiative für die hochverschuldeten armen Länder – ich zitiere – „vollständig durch zusätzliche Mittel finanziert werden muss“. So hat die Kommission 2005 in ihrem Jahresbericht über die Umsetzung der von der Union in Monterrey eingegangenen Verpflichtungen eine sorgfältige Prüfung der potenziellen Auswirkungen der Bemühungen um Schuldenerlass auf die Entwicklungshilfeströme empfohlen. In unseren zukünftigen Jahresberichten werden wir selbstredend weiterhin Wachsamkeit walten lassen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sich die Europäische Union verpflichtet hat, ab 2010 jährlich etwa 66 Milliarden Euro bereitzustellen. Das sind also 20 Milliarden Euro mehr als für 2006 geplant. Angesichts dieses vorgesehenen Entwicklungshilfevolumens wird sich der Schuldenerlass auf den Anstieg der öffentlichen Entwicklungshilfe kurz- und mittelfristig nur mäßig auswirken.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Kommissar! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie annehmen, dass wir das Zwischenziel 2006 erreichen. Ich frage Sie: Wann können Sie einen diesbezüglichen Bericht vorlegen? Was sind die Konsequenzen für jene Länder, die dieses Ziel nicht erreichen? Denn wenn wir das erste nicht erreichen, werden wir auch das zweite nur schleppend erreichen. Welche zusätzlichen Projekte in Form von Kofinanzierungsprojekten der EU werden Sie zur Unterstützung dieser Ziele vorlegen und welche Schwerpunkte werden diese Projekte haben?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) In meinem ersten Redebeitrag habe ich mich vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt. Ich wollte sagen, dass die für 2006 gemachten Zusagen nicht nur eingehalten, sondern sogar überschritten werden, denn 2006 werden wir über dem liegen, was wir versprochen hatten. Mit anderen Worten, wir sind dem Fahrplan also schon ein wenig vorausgeeilt. Damit diese – relative – Dynamik nicht verloren geht, habe ich übrigens für 2010 eine neue Zielsetzung vorgeschlagen. Ich glaube, ich habe es schon gesagt: dass das für 2010 gesetzte Ziel erreicht wird, ist eine recht realistische Annahme. Leider verfüge ich über keinerlei Druckmittel, um säumige Mitgliedstaaten zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu zwingen.

Gleichwohl besteht nach meinem Dafürhalten heute ein gewisses Bewusstsein, dass die Entwicklungspolitik von elementarer Bedeutung ist und es jedenfalls keine Entschuldigung mehr gibt, um den Verpflichtungen nicht nachzukommen. Für die im Rahmen des Millenniums eingegangenen Verpflichtungen kann es überhaupt keine Ausrede mehr geben. Die finanziellen Mittel können, sofern man dazu gewillt ist, aufgebracht werden. Der politische Wille ist meiner Meinung nach vorhanden, es gilt nur noch, ihn in Taten umzusetzen.

Wie lassen sich nun aber, und das ist Ihre Frage, zusätzliche Mittel beschaffen? Verschiedene Länder haben, wie Sie wissen, bereits beschlossen, eine Abgabe bzw. eine Sondersteuer auf Flugzeugtickets zu erheben. Bekanntlich ist erneut die Diskussion um die Tobin-Steuer auf Finanztransaktionen entbrannt, wiewohl für einen weiteren Vorstoß in dieser Frage keine Übereinstimmung erzielt werden konnte.

Selbstverständlich bin ich persönlich für jeden neuen Vorschlag zu diesem Thema empfänglich. Ich hatte seinerzeit auch die Idee einer Steuer auf den Rüstungsmarkt vorgebracht. Die Sache ist allerdings moralisch etwas problematisch. Der legale Rüstungsmarkt hat ein Volumen von eintausend Milliarden Dollar jährlich, während der illegale Rüstungsmarkt auf über zweitausend Milliarden geschätzt wird. Somit stellt sich ein Problem: soll der legale Rüstungsmarkt besteuert werden, während der illegale Markt, sehr zu meinem Bedauern, einer Besteuerung entgeht?

Wie Sie wissen, soll in wenigen Minuten eine von Ihrem Kollegen, Herrn Rocard, eingereichte Anfrage zur Einrichtung einer Welt-Lotterie behandelt werden, einer Idee, der gegenüber ich sehr aufgeschlossen bin. Wie Sie aber auch wissen, ist der Ertrag der an die Kommission für die Nichteinhaltung der Wettbewerbsvorschriften gezahlten Strafen ins Gerede geworden. Weshalb also sollten diese Beträge nicht der Entwicklung vorbehalten werden? Hier gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die gegenwärtig auf ihre technische Durchführbarkeit hin geprüft werden.

Glauben Sie mir, ich habe noch weitere Vorstellungen, zu deren Umsetzung die Mitgliedstaaten allerdings auch bereit sein müssen. Diese Ideen werden nämlich größtenteils zwecklos bzw. nicht wirklich zielführend sein, wenn sie nur von drei, vier, fünf oder sechs Ländern implementiert werden. Dazu bedarf es eines allgemeineren Vorgehens. Meiner Einschätzung nach – und damit komme ich zum Schluss – müsste eine substanzielle Aufstockung der Entwicklungshilfe in den kommenden Jahren möglich sein.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 42 von Marie-Hélène Aubert (H-0934/05)

Betrifft: Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo

Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Abhaltung freier Wahlen in Afrika immer noch so viele Probleme aufwirft, müssen die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo genau beobachtet werden. Die Nachrichten über die Glaubwürdigkeit künftiger Wahlgänge sind nämlich alarmierend: Es ist nicht klar, wer wahlberechtigt ist, es findet massiver Betrug bei der Eintragung in die Wählerlisten statt, es wird eine Atmosphäre der Unsicherheit geschaffen, um den Zugang zu den Wahllokalen einzuschränken, vor allem im Osten des Landes, bedeutende Bevölkerungsgruppen, insbesondere die Kongolesen, die im Ausland leben (davon über 3 Millionen in der Europäischen Union), werden ausgeschlossen. Diese Unregelmäßigkeiten werden unweigerlich dazu führen, dass die demokratischen politischen Kräfte sich weigern werden, an den Wahlen teilzunehmen, sowie dazu, dass die Ergebnisse der Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit angefochten werden.

Die Europäische Union, die die Abhaltung dieser Wahlen aktiv unterstützt, muss wachsam bleiben und beobachten, was sich in der Demokratischen Republik Kongo abspielt. Kann die Kommission daher mitteilen, über welche Informationen sie in Bezug auf die Abhaltung der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo verfügt? Wie gedenkt sie, einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu unterstützen? Welche Maßnahmen würde sie im Falle massiven Betrugs ergreifen?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, die Kommission verfolgt, übrigens ebenso wie die gesamte internationale Gemeinschaft, die Entwicklung des Wahlprozesses in der DRK und seine Organisation durch die unabhängige Wahlkommission sehr genau. Ich war persönlich zu einer Überwachungsmission der Wählerregistrierung Ende August dieses Jahres dort, um festzustellen, unter welchen Bedingungen diese Registrierung erfolgt. Trotz des schlechten Zustands der Infrastruktur des Landes wurden bis zum heutigen Tag mehr als 21 Millionen Wähler registriert. Diese Zahl stimmt weitgehend mit den demografischen Projektionen überein, die auf der Grundlage der letzten allgemeinen Bevölkerungszählung vorgenommen wurden, welche bislang die zuverlässigste statistische Arbeitsgrundlage darstellt.

Für die Wählerregistrierung gilt ein spezielles Gesetz, das die Voraussetzungen dafür festlegt, sich auf freiwilliger Basis registrieren lassen zu können. Außerdem hat die Wahlkommission Bestimmungen erlassen, um zu garantieren, dass die Wählerbüros gleichberechtigt behandelt wurden und dass keine Region oder Zone durch eine verspätete Öffnung des Büros benachteiligt wurde. Um Ihnen eine einfache Vorstellung von der Größe der technischen Schwierigkeiten zu geben, muss ich Ihnen sagen, dass mehr als 10 000 Registrierungsmodule auf dem gesamten Territorium des Kongo verteilt werden mussten, wobei es in einigen Gegenden keine Wege, keine Straßen mehr gibt und Hubschrauber eingesetzt werden mussten. Sie können sich also vorstellen, welch gewaltige Arbeit das war.

Um die Risiken von Doppeleintragungen und massivem Betrug – um den es in der Frage ging – weitgehend zu vermeiden, hat sich die Wahlkommission mit Zustimmung der internationalen Gemeinschaft für eine Registrierung der Wähler auf der Grundlage biometrischer Daten, die sofortige Ausstellung des Wählerausweises, den täglichen Aushang der Listen der eingetragenen Wähler in jedem Wahllokal, die Verwendung nicht zu entfernender Tinte und die Bereinigung der Wählerlisten auf der Grundlage der biometrischen Daten entschieden. Die Kommission unterstützt die Organisation des Wahlprozesses mit einem substanziellen Beitrag von 149 Millionen Euro über einen Treuhandfonds, der vom UN-Programm für Entwicklung verwaltet wird, und beteiligt sich aktiv an dem Lenkungsausschuss des Projekts für die Unterstützung des Wahlprozesses, der die Tätigkeit der Wahlkommission im Rahmen des Projekts überwacht.

Um zu gewährleisten, dass die Wahlen im Einklang mit den internationalen Normen ablaufen, hat die Kommission gerade beschlossen, eine Wahlbeobachtungsmission zu entsenden, deren Tätigkeit nach dem Verfassungsreferendum am 18. Dezember dieses Jahres beginnen und mit dem Abschluss des Wahlprozesses enden soll.

Im derzeitigen Stadium deutet nichts darauf hin, dass es Fälle von massivem Betrug bei der Organisation und Abhaltung des Wahlprozesses gibt. Natürlich muss man, wenn ich „massiv“ sage, bedenken, dass es 22 Millionen Eintragungen gibt. Heute Nachmittag habe ich zahlen erhalten, die besagen, dass Betrugsfälle festgestellt worden sind, davon einige vorsätzliche. In anderen Fällen weiß man nicht, ob sie vorsätzlich begangen wurden, auch Fehler sind vorgekommen. Die Personen, die diese Eintragungen vornehmen, sind im Allgemeinen kongolesische Bürgerinnen und Bürger, die durch die Firma, welche die Module geliefert hat, geschult wurden, und es ist klar, dass man bei der Registrierung von Millionen Personen mit einem gewissen Prozentsatz rein technischer Fehler oder Handhabungsfehler rechnen muss. Wenn man sich bei einem Namen getäuscht und das Gerät ihn einmal registriert hat, kann man diesen nicht sofort wieder löschen. Man kann hingegen auf zentraler Ebene tätig werden. Dort wird man also die Doppelerfassungen unter den heute registrierten 22 Millionen Registrierungen bereinigen. Es ist also damit zu rechnen, dass nach Bereinigung der Doppelerfassungen zweifellos etwa 21 bis 22 Millionen legal, ohne Doppeleintrag, erfasst sein werden.

Sollten durch die Wahlbeobachtungsmission Unregelmäßigkeiten in einem Umfang festgestellt werden, dass sie die Transparenz, die Glaubwürdigkeit und die Repräsentativität des Prozesses gefährden, steht die Kommission entsprechend den Bestimmungen des Abkommens von Cotonou bereit, einen verstärkten politischen Dialog zu führen, um Korrekturmaßnahmen festzulegen. Das ist bereits nicht mehr aktuell, wir sind schon weiter. Lassen Sie mich einige Zahlen anführen.

Die Ergebnisse der Bereinigung – wie man das respektlos nennt – im Wahlbezirk Kinshasa wurden heute auf der Sitzung des technischen Ausschusses zum Wahlprozess vorgestellt. Unter insgesamt 2 963 101 in Kinshasa eingetragenen Wählern wurden 150 000 Fälle von Doppelerfassungen festgestellt. Davon sind 18 587 Fälle technische Doppelerfassungen – wie ich vorhin sagte, Handhabungsfehler –, 10 490 Fälle von Betrug und 121 000 Fälle von möglichem Betrug. Der Gesamtanteil der Doppelerfassungen macht also etwa 5 % der Registrierungen aus.

Was den Prozentsatz der betrügerischen Doppelerfassungen betrifft, so muss man die Tatsache berücksichtigen, dass, wenn einmal eine Doppelerfassung festgestellt wurde, jeder Fall nicht eine Person betrifft, sondern zwei. So gelangt man also, selbst wenn man die Betrugsfälle und die Fälle potenziellen Betrugs addiert, zu maximal 2 % Betrugsfällen bezogen auf die Gesamtzahl der Registrierungen. Die Zahlen zu den Fällen potenziellen Betrugs werden im Laufe der nächsten Woche bekannt gegeben, ebenso wie das Ergebnis der Bereinigung für die Provinz Unterkongo. Alles wird also auf zentraler Ebene bereinigt, sodass man dann über eine völlig korrekte allgemeine Wahlliste ohne Betrugsfälle verfügen müsste, die auf alle Fälle die Feststellung zulässt, dass diese Wahl, sofern sie stattfindet, hinsichtlich der eingetragenen Wähler auf einer völlig korrekten Grundlage erfolgt.

Im Übrigen habe ich vor Ort überprüft, wie das funktioniert, und ich muss Ihnen sagen, dass das sehr beeindruckend war. All die Personen, die zur Einschreibung kamen, sich eintragen lassen wollten und glücklich waren, dies tun zu können, hatten erstmals Gelegenheit, gegenüber ihrem Staat als Rechtsperson aufzutreten. Sie erhielten erstmals einen Wählerausweis, der in gewisser Weise auch als Personalausweis diente, was für sie, die nie echte Papiere besessen hatten, neu war. All dies zu sehen, war sehr beeindruckend, und die Tatsache, dass unter den bekannten Umständen mehr als 22 Millionen Wähler registriert wurden – die Registrierung ist noch nicht ganz abgeschlossen, es wird noch einige Tage dauern – stellt einen sehr großen Erfolg dar, auch für die internationale Gemeinschaft und besonders für die Europäische Union, die diesen Prozess intensiv unterstützt hat.

 
  
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  Marie-Hélène Aubert (Verts/ALE). – (FR) Vielen Dank, Herr Kommissar, für diese recht ermutigenden Präzisierungen und deren hohes technisches Niveau. Sie wissen sehr wohl, dass Entwicklungshilfe ohne ein Minimum an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht wirklich effizient sein kann.

Gestatten Sie mir noch eine Zusatzfrage zur Meinungs- und Pressefreiheit. Einige Ereignisse beweisen, dass es beträchtliche Schwierigkeiten in diesem Bereich gibt, von denen Journalisten und einige Oppositionelle betroffen sind, die sich Gehör verschaffen wollen. Die Wählerlisten sind also eine Sache, die Meinungsfreiheit ist aber eine andere. Könnten Sie uns mehr Informationen darüber geben, was die Kommission im Falle der Feststellung von Fehlentwicklungen zu tun gedenkt?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Das Niveau des politischen Dialogs, das wir mit den kongolesischen Behörden erreicht haben, würde es uns nötigenfalls ermöglichen, zu intervenieren und sie gewiss zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen.

Was die Pressefreiheit betrifft, so weiß ich nicht, ob Sie Gelegenheit hatten, die kongolesische Presse vor Ort zu verfolgen. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einige Zeitungen zur Verfügung stellen, auch alle Tageszeitungen, die in Kinshasa und anderen Städten erscheinen. Ich muss Ihnen sagen, dass die kongolesische Presse insgesamt von einer Meinungsfreiheit, einer Freiheit, Anklagen nach allen Seiten zu verteilen – was übrigens manchmal auf meine Kosten geht – gekennzeichnet ist, wie man sie nur in wenigen Demokratien findet. Wenn es also einen Bereich gibt, in dem wirklich sehr substanzielle Fortschritte zu verzeichnen sind, so ist es der Bereich der Pressefreiheit, wenngleich es noch viel zu sagen gäbe, vor allem zur Governance. Für die Journalisten in Kinshasa und anderswo herrscht vollkommene Freiheit des Wortes. Ich muss sagen, dass man die Worte, die man gebraucht, nicht abwägt, man klagt ohne jede Grundlage einfach an. Ohne behaupten zu wollen, dass die gesamte Presse so ist, kann ich doch sagen, dass sich die Presse über jedermann auslassen kann, sei es nun der Präsident oder seien es andere Persönlichkeiten. Was also die Pressefreiheit in Kongo betrifft, so glaube ich, da gibt es keine Probleme. Es gibt andere Probleme, enorme Probleme sogar, aber ehrlich gesagt, ich habe nicht das Gefühl, dass es in diesem Punkt Probleme gibt.

Was die Opposition betrifft, so muss ich Ihnen sagen, dass ich zurzeit und auch schon seit einer ganzen Weile nichts gehört habe, dass ein Oppositioneller an der Teilnahme an den Wahlen oder beispielsweise der Gründung einer politischen Partei gehindert worden wäre, natürlich sofern diese den Kriterien entspricht. Ich will nicht den Eindruck erwecken, als sei alles perfekt. Man muss aber berücksichtigen, welcher Weg zurückgelegt wurde.

Als jemand, der dieses Problem des Kongo seit Jahren verfolgt, vor allem in meiner anderen Funktion, muss ich zugeben, dass wir in den letzten Jahren noch nie der Chance so nahe waren, dieses Land zu demokratischen und freien Wahlen zu führen und ihm so zu Stabilität zu verhelfen. Ich hoffe mit ganzer Kraft, dass die Verfassung Ende Dezember ratifiziert wird und dass die Wahlen ab März oder April stattfinden, sodass die letzte Frist eingehalten werden kann. Ich habe nicht gesagt, dass ich in naiven Optimismus verfallen will. Ich sage nur, dass man den Mindestvoraussetzungen für die Wiederherstellung der Stabilität in Kongo noch nie so nahe war.

Es stimmt auch, dass ich mich in dieser Frage sehr engagiere, weil ich der Auffassung bin, dass die Stabilität in der DRK ein äußerst starkes Element für die Stabilität der ganzen Region darstellt. Man muss sich immerhin im Klaren sein, dass Zentralafrika quasi die Größe eines Kontinents hat. Wenn man die Zahl der Todesopfer seit 1994 berücksichtigt und die Fortschritte betrachtet, die in Ruanda erreicht wurden, oder die Wahlen, die einen problemlosen Wechsel in Burundi ermöglicht haben – was immerhin ziemlich unerwartet war – und wenn ich beispielsweise die ersten Gesten und Taten des Präsidenten El Nkurunziza in Burundi sehe, so hoffe ich, dass in Kongo in einigen Monaten die gleiche Art der Entwicklung zu verzeichnen sein wird.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Anfragen Nr. 43 bis 45 werden schriftlich beantwortet.(1)

Anfragen an Herrn Mandelson

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 46 von Sajjad Karim (H-0906/05)

Betrifft: Mehr Transparenz und Kontrolle bei den WTO-Verhandlungen

Für den Handel ist ausschließlich die EU zuständig. Daher ist es für die Mitglieder des Europäischen Parlaments in ihrer Funktion als gewählte Vertreter sehr wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, die Handelspolitik der EU einer umfassenden demokratischen Kontrolle zu unterziehen. Die Hinzuziehung eines nicht gewählten, dem Ministerrat unterstehenden, verstohlen agierenden Ausschusses nach Artikel 133, der die Handelspolitik festlegt, höhlt die legitime Befugnis der MdEP aus, im Auftrag ihrer Wähler zu handeln. Angesichts von Hinweisen, dass es selbst den entschiedensten Befürwortern der in der WTO geführten Verhandlungen über den Marktzugang für Nicht-Agrarerzeugnisse (NAMA) wie der britischen Regierung schwer fällt zu beweisen, dass „freier“ Handel tatsächlich das bewirkt, was sie in ihrem Gerede über Armut und Nachhaltigkeit behaupten, sowie angesichts der Kritik des Europäischen Bürgerbeauftragten an der Transparenz der Handelsgespräche und -verhandlungen stellt sich die Frage, was die Kommission zu tun gedenkt, um den Zugang der Öffentlichkeit zu den WTO-Verhandlungen zu verbessern. Insbesondere ist zu fragen, ob die Kommission eine umfassende Folgenabschätzung in allen NAMA-Bereichen einschließlich der heiklen Bereiche Fischerei und Forstwirtschaft durchführen und über deren Ergebnisse Bericht erstatten wird.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Kommission befürwortet die Erhöhung der Transparenz und Rechenschaftspflicht der WTO, um die Legitimität dieser Institution zu verstärken.

Was die Funktionsweise der WTO angeht, so hat die EU einige Verbesserungsvorschläge z. B. hinsichtlich der besseren Vorbereitung und Steuerung der Ministertagungen vorgelegt, um eine effizientere Verhandlungsführung und Entscheidungsfindung der weiter wachsenden Mitgliedschaft zu ermöglichen. So dürfte es z. B. kurzfristig möglich sein, Einvernehmen über eine bessere Definition der Rolle des Gastgebers bei den WTO-Ministertagungen zu erzielen. Darüber hinaus muss die Fähigkeit der kleineren (und nicht ortansässigen) Delegationen zur wirksamen Beteiligung an den Verhandlungen sowohl in Genf als auch auf den Ministertagungen gesteigert werden.

Was die parlamentarische Kontrolle angeht, so befürwortet es die Kommission, dass das Europäische Parlament bei der Handelspolitik mehr Befugnisse erhält. Sie hat daher Vorschläge unterstützt, die dem Europäischen Parlament bei der Handelspolitik im Konvent für die Zukunft Europas dieselben Rechte einräumen wie dem Rat.

In der Zwischenzeit halten wir das Europäische Parlament über den Verlauf und den Abschluss internationaler Verhandlungen in vollem Umfang auf dem Laufenden, indem wir regelmäßig an den formellen und informellen Sitzungen des Parlaments teilnehmen, ihm gleichberechtigt mit dem Rat Strategiedokumente zukommen lassen und es zu den wesentlichen handelspolitischen Leitlinien anhören.

Die Kommission ist jedoch verpflichtet, sich an den Rahmen des EG-Vertrags zu halten. Der 133-Ausschuss, der sich aus den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, ist kein Beschlussfassungs-, sondern ein Beratungsorgan. Die wesentlichen politischen Entscheidungen werden von den demokratisch gewählten Ministern im Rat getroffen.

Was die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit im Allgemeinen angeht, so verfolgt die Kommission eine proaktive Politik der Kommunikation, indem sie unter anderem einschlägige Informationen auf ihre Website stellt, einen regelmäßigen Dialog mit der Zivilgesellschaft führt und die Anträge der Bürger auf Zugang zu Dokumenten beantwortet.

Was die Untersuchungen der Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit betrifft, so wurden sie für den ersten Teil der NAMA-Sektoren, d. h. Textilwaren und Bekleidung, Arzneimittel und Nichteisenmetalle, bereits 2002/2003 durchgeführt. Die Ergebnisse werden seit 2003 auf der Website der Universität Manchester zur Verfügung gestellt, wobei, wenn im Inland oder in Drittländern Ungleichgewichte festgestellt werden, Vorschläge für Anpassungen unterbreitet werden.

Darüber hinaus wurde eine Studie zu Wäldern durchgeführt, deren Ergebnisse im Juni 2005 veröffentlicht wurden. Momentan wird eine zweite Studienreihe über weitere NAMA-Sektoren durchgeführt, bei der es unter anderem um die Fischerei geht. Die Ergebnisse dieser zweiten Studienreihe werden wahrscheinlich im ersten Halbjahr 2006 veröffentlicht.

 
  
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  David Martin (PSE).(EN) Ich begrüße die Äußerungen des Herrn Kommissars über die Information des Parlaments. Wird er selbst sich verpflichten, die Delegation des Parlaments für die Verhandlungen in Hongkong uneingeschränkt über die Entwicklung der WTO-Verhandlungen auf dem Laufenden zu halten, damit sie sich aktiv an ihnen beteiligen und als Vermittlerin der Informationen an die Öffentlichkeit fungieren kann, um uneingeschränkte Transparenz zu gewährleisten?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Das ist sehr wichtig. Für die Delegation des Europäischen Parlaments wurden umfangreiche Abmachungen getroffen, nicht nur, damit sie uns in Hongkong begleiten kann, sondern auch, damit sie uns täglich treffen kann, um auf dem Laufenden gehalten zu werden. Ich habe gerade an den Vorsitzenden des Ausschusses für internationalen Handel geschrieben und ihm mitgeteilt, dass jeden Morgen Briefings stattfinden werden.

Es muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass das, was wir in Hongkong tun, nichts Undurchsichtiges, Abstraktes ist. Es geht vielmehr um den Alltag und die Beschäftigungsmöglichkeiten von Milliarden Menschen. Unsere Aufgabe besteht darin, das, was wir tun, zu rechtfertigen, damit die Öffentlichkeit das, was wir bei diesem äußerst bedeutenden Ministertreffen verhandeln, versteht und befürwortet.

 
  
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  James Hugh Allister (NI).(EN) Herr Kommissar! Ich möchte Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit einen Augenblick auf einen inhaltlichen Aspekt der WTO-Verhandlungen zu lenken, nämlich den Eindruck, der bei vielen entstanden ist, dass die Landwirtschaft bei diesen Verhandlungen zum Prügelknaben und Opfer gemacht wird.

Die GAP-Reform wurde zweifellos als Instrument zum Schutz der Agrarzölle vor künftigen Angriffen verkauft. Uns wurde damals gesagt, dass die Landwirtschaft in der WTO sicher sei. Jetzt stellen wir fest, dass Sie, vielleicht ein wenig voreilig, ein einseitiges Angebot unterbreitet haben, um diese Zölle um einen weiteren riesigen Prozentsatz zu kürzen. Man fragt sich wirklich, ob erkannt wird, in was für eine schreckliche Gefahr die Landwirtschaft in vielen Regionen wie der meinen, die Ihnen ja bekannt ist, nun gebracht wird, wenn das der Prozess ist, der verfolgt werden soll.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Es ist zu verlockend zu behaupten, dass Sie, wenn Sie diejenigen, mit denen ich in der WTO verhandle, davon überzeugen würden, dass wir unsere Agrarzölle drastisch kürzen, bessere Arbeit geleistet hätten, sie von der Bedeutung unseres Agrarangebots zu überzeugen, als ich. Selbstverständlich haben wir bei den Agrarzöllen ein durchweg glaubwürdiges und ernsthaftes Angebot unterbreitet, das an die Vorschläge anschließt, die wir bezüglich der inländischen Subventionen und der Abschaffung der Exportsubventionen gemacht haben. Diese sind angemessen und fest im Finanzrahmen für die bestehenden GAP-Reformen verwurzelt und sprengen ihn nicht. Sie stellen genau das dar, was von uns verlangt wird. Wir haben uns in einem ursprünglichen Doha-Mandat und letzten Sommer dann im Rahmenabkommen verpflichtet, Maßnahmen einzuführen, durch die der Marktzugang für Agrarerzeugnisse wesentlich verbessert wird. Genau das ist es, was wir meines Erachtens tun. Wir gehen allerdings kein Risiko ein und gefährden oder bedrohen den Lebensunterhalt der europäischen Landwirte oder Agrargemeinschaften nicht. Das ist Panikmache, der ich mich nicht anschließe.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sollten die Verhandlungen in Hongkong nach dem multilateralen System scheitern – was wir alle nicht hoffen, aber es steht zur Debatte –, glauben Sie, dass dann eine Freihandelszone zwischen Europa und Amerika leichter gestaltbar wäre, oder dass dies dann schwieriger würde?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich kann mir nichts Schwierigeres oder vielleicht Schmerzlicheres vorstellen, als eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika auszuhandeln! Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass es Raum für die Beseitigung einiger nicht tarifärer Hemmnisse gibt, die die Zunahme des Handels und der Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks behindern.

Wie der Herr Abgeordnete weiß, interessiert mich dies sehr. Besonders besorgt bin ich über die Unterschiede bei den Rechtsordnungen, die fehlende Konvergenz und die Hindernisse, die aufgrund der Unterschiede und oft anzutreffenden Unvereinbarkeit der verschiedenen Rechtssysteme in Europa und den Vereinigten Staaten in den Weg gestellt werden. Beide Rechtssysteme sind jedoch der Tradition und den bisher angewandten Verfahren verhaftet, und ich vermute, dass es uns in Europa genauso wenig gelänge, den Amerikanern zu sagen, wie sie ihr Rechtssystem reformieren sollen, wie den Amerikanern, hierher zu kommen und uns zu sagen, wie unsere Rechtssysteme zu funktionieren haben. Dennoch sollten wir durch einen geduldigen Dialog und – wie ich hoffe, zu gegebener Zeit – Verhandlungen in der Lage sein, einige notwendige und wichtige Verbesserungen vorzunehmen, die für unsere Unternehmen und daher für Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt auf beiden Seiten des Atlantik von Nutzen sein werden.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 47 von Hélène Goudin (H-0909/05)

Betrifft: Zollsenkungen für thailändische Krabben

Die Kommission hat für thailändische Krabben eine Zollsenkung von 12% auf 4,2% beschlossen. Die Zollsenkung sollte ursprünglich vom 1. Juli diesen Jahres gelten, wurde aber aufgrund des verheerenden Tsunami auf den 1. April vorgezogen. Man hofft, dass die EU durch die Zollsenkung Thailand helfen kann, sich wirtschaftlich zu erholen. Der Rat hatte nun früher schon vereinbart, dass die gemeinschaftliche Hilfe für die von dem Tsunami betroffenen Länder dazu beitragen soll, die Anfälligkeit gegen etwaige künftige Naturkatastrophen zu verringern. Kritiker behaupten, dass die Zollsenkung für thailändische Krabben dieser Vereinbarung im Rat widerspricht. Begründet wird dies damit, dass die Krabbenzüchter strandnahe Mangrovenwälder roden, um Platz für Teiche zu schaffen. Mangrovenwälder sind ein wichtiger Schutz gegen Stürme, Überschwemmungen und Riesenwellen. Die schwedische Naturschutzvereinigung hat darauf hingewiesen, dass die Folgen des Tsunami geringer gewesen wären, wenn die Mangrovenwälder nicht vernichtet worden wären, um Platz für die Krabbenzucht zu schaffen.

Ist die Kommission der Auffassung, dass die Unterstützung für die Krabbenzüchter in Form von Zollsenkungen mit dem oben genannten Beschluss des Rates im Einklang ist? Hat die Kommission untersucht, welche Folgen die Zerstörung von Mangrovenwäldern im Interesse der Krabbenzucht in Thailand hat?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Im Rahmen des derzeitigen Allgemeinen Präferenzsystems – APS –, dem einseitigen System der Zollzugeständnisse für 180 Entwicklungsländer, das noch immer bis zum 1. Januar 2006 gilt, profitieren Einfuhren von Fischereierzeugnissen einschließlich Garnelen und Krabben in die EU durch die Hauptkonkurrenten Thailands – Indonesien, Malaysia und Brasilien – von Zollsätzen, die von 12 % auf 4,2 % gesenkt wurden. Aufgrund seiner hohen Wettbewerbsfähigkeit auf dem EU-Markt kommt Thailand seit dem 1. Januar 1999 nicht in den Genuss der APS-Präferenzen für Fischereierzeugnisse.

Das vom Rat am 27. Juni 2005 verabschiedete neue APS basiert auf anderen Kriterien und ist darüber hinaus großzügiger gegenüber allen durch das APS begünstigten Ländern, zu denen, wie beschlossen wurde, auch vom Tsunami betroffene Länder wie Thailand zählen. Daher wird Thailand gemäß dem neuen APS ab Januar 2006 erneut von gesenkten Zollsätzen für seine Fischereierzeugnisse profitieren. Dies steht im Einklang mit dem allgemeinen Ziel von Kommission und Rat, die vom Tsunami betroffenen Länder zu unterstützen.

Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass bezüglich der Frage der Krabbenzucht in Südostasien und der Auswirkungen der Rodung von Mangrovenwäldern, um Platz für Teiche zu schaffen, Bedenken geäußert wurden. Daher unterstützt sie die nachhaltige Entwicklung der Bewirtschaftung der Küstengebiete in Asien durch den Transfer bewährter Praktiken und ökologischer Lösungen von Europa nach Asien.

EuropeAid, das Amt für Zusammenarbeit der Kommission, hat bisher Finanzmittel für drei Projekte zugesagt, bei denen es um die Wiederherstellung der Mangrovenwälder in vom Tsunami betroffenen Gebieten Indonesiens, Sri Lankas und Thailands durch das Programm „Asia Pro Eco – Post Tsunami“ geht. Dies soll des Weiteren zum Schutz der Garnelenzucht beitragen – eines im Rahmen dieses Programms förderfähigen Sektors –, wodurch die Entwicklung einer ökologischen Bewirtschaftung in den Küstengebieten, die Aquakultur betreiben, erreicht werden soll.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 48 von Ilda Figueiredo (H-0930/05)

Betrifft: Schwierigkeiten in der Schuhindustrie

Bekanntlich macht die Schuhindustrie infolge der Liberalisierung des Welthandels eine schwere Krise durch, die vor allem die wirtschaftlich schwächeren Länder wie Portugal trifft, wo es im Norden des Landes Gebiete gibt, die von hoher Arbeitslosigkeit bedroht sind und in denen die Gefahr der Drosselung der Entwicklung besteht, wie es jüngst deutlich wurde. Besonders gravierend war die Abschaffung der Quotenregelung für die Einfuhren aus China, wofür der Rückgang des durchschnittlichen Einfuhrpreises um etwa 50 % eines der deutlichsten Anzeichen ist.

Daher wird die Kommission gebeten mitzuteilen, welche Maßnahmen sie derzeit ergreift, insbesondere in Bezug auf die von dem Europäischen Verband der Schuhindustrie geforderte Antidumpinguntersuchung.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Der Kommission sind die jüngsten Entwicklungen bei den Einfuhren von Schuhen aus China und Vietnam in die Gemeinschaft bekannt. In diesem Zusammenhang gingen bei der Kommission Anfang dieses Jahres Beschwerden der europäischen Schuhindustrie ein, die überzeugende Daten enthielten, denen zufolge dieser Industriezweig unter den negativen Auswirkungen zu leiden hat, die durch die Dumpingpreise für Schuheinfuhren in die Gemeinschaft entstehen.

Die Kommission hat sofort reagiert, indem sie zwei Antidumpinguntersuchungen in die Wege leitete. Bei der ersten geht es um die Einfuhr von Schuhen mit Schutzkappe mit Ursprung in China und Indien, bei der zweiten um Schuhe mit Oberteil aus Leder, ebenfalls aus China und Vietnam.

Durch diese Untersuchungen soll herausgefunden werden, ob die betreffenden Einfuhren gedumpt sind und sich negativ auf die wirtschaftliche Lage der Schuhindustrie der Gemeinschaft ausgewirkt haben. Darüber hinaus sollen die Konsequenzen und die möglichen negativen Auswirkungen etwaiger Maßnahmen auf die anderen Wirtschaftsakteure in der Gemeinschaft untersucht.

Bei der Untersuchung wurden Fortschritte erzielt. Die Kommission geht nun der Frage der marktwirtschaftlichen Behandlung der betreffenden Exporteure, der Definition der verschiedenen Kategorien und Modelle der einschlägigen Produkte, der Frage, ob Dumping betrieben wird, den Auswirkungen dieser Einfuhren auf die Schuhindustrie der Gemeinschaft sowie der Position der Groß- und Einzelhändler und Verbraucher nach. All das kommt gut voran. Dass hier ein äußerst komplizierter Fall vorliegt, überrascht keinesfalls. Angesichts der enormen technischen Probleme mit hunderten von Wirtschaftsakteuren und einem Erzeugnis, das aus tausenden verschiedenen Modellen besteht, ist es noch zu früh, konkrete Hinweise zum möglichen Ergebnis zu geben.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Es gibt viele kleine und mittlere Unternehmen, die bereits schließen oder kurz davor stehen. Die Folge davon ist, dass sich das Arbeitslosigkeitsproblem in den betreffenden Gebieten verschärft – wie etwa in meinem Land und in vielen anderen südeuropäischen Ländern – und die Entwicklung dort ernsthaft behindert wird. Wenn man hier nicht bald vorankommt, könnte es schon zu spät sein. Deshalb möchte ich Sie fragen, wie lange die am schlimmsten betroffenen Gebiete warten müssen, bis praktische und wirksame Maßnahmen, beispielsweise Schutzklauseln, umgesetzt werden.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Untersuchung wird innerhalb der vorgeschriebenen Frist abgeschlossen werden, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wann das sein wird. Die Kommission kann zwischen zwei und neun Monate nach Beginn der Untersuchung einstweilige Maßnahmen ergreifen.

Ich möchte betonen, dass es sich hier wirklich um eine sehr vielschichtige Angelegenheit handelt, die sich nun als viel komplizierter erweist, als wir zu Beginn der Untersuchung ursprünglich gedacht hatten. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen, so dass wir nicht nur genau beurteilen, welche Auswirkungen dies auf die Interessen der Gemeinschaft hat, sondern auch, welche Konsequenzen es hätte, wenn wir auf verschiedene Erzeuger und Wirtschaftsakteure in diesem Sektor Antidumpingmaßnahmen anwenden. Einige Hersteller in der EU produzieren zum Teil selbst außerhalb der Gemeinschaft.

Ehemals reine EU-Hersteller lassen ihre Tätigkeiten im Bereich Forschung, Design und Entwicklung weiterhin innerhalb der Gemeinschaft ausführen, beziehen ihre Lieferungen jedoch aus verschiedenen Quellen, zum Beispiel China und Vietnam, aber auch Rumänien, Bulgarien und Brasilien sowie Italien, der Slowakei und anderen Mitgliedstaaten. Diese ehemaligen Hersteller bieten durch diese anderen Wirtschaftstätigkeiten auch eine beträchtliche Anzahl an Arbeitsplätzen.

Hieran sehen Sie – und ich könnte weitere Dinge anführen, die diese Angelegenheit noch komplizierter machen –, dass wir bei unserer Beurteilung sehr vorsichtig sein müssen. Es gibt in Europa keine einheitliche, homogene Gruppe von Herstellern mit klar erkennbaren und quantifizierbaren Interessen, sondern viele verschiedene Herstellerinteressen, und wir müssen uns nach unserer ersten Beurteilung, ob die Vorwürfe der Dumpingpraktiken gerechtfertigt sind, überlegen, welche Auswirkungen dies auf die zahlreichen unterschiedlichen Herstellerinteressen hätte, wenn dagegen vorgegangen werden sollte.

 
  
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  David Martin (PSE).(EN) Die Antwort des Herrn Kommissars freut mich und hat mich sehr erleichtert, weil europäische Einzelhändler an mich herangetreten sind, die beträchtliche Summen in Asien investiert, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz sowie die Arbeitsbedingungen in asiatischen Ländern verbessert haben und sowohl den Arbeitnehmern in Asien als auch den Einzelhändlern in Europa wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Stimmt der Herr Kommissar mir zu, dass es ziemlich falsch wäre, wenn auf diese Unternehmen Antidumpingzölle zukommen würden?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Der Herr Abgeordnete hat einen solchen Typ eines europäischen Herstellers benannt, dessen Interessen ich berücksichtigen muss. Es wird definitiv nicht leicht sein, in dieser sehr komplizierten Situation eine ausgewogene und gerechte Lösung zu finden, und die Kommission wird, offen gesagt, ziemlich viel Einfallsreichtum und Flexibilität brauchen, um in dieser Angelegenheit eine Lösung herbeizuführen, die für die Mitgliedstaaten und die Wirtschaftsakteure annehmbar ist.

Meine Dienststellen werden allerdings den Mitgliedstaaten in Kürze einen Vorschlag unterbreiten, den vietnamesischen Exporteuren keine marktwirtschaftliche Behandlung zu gewähren, da Eingriffe des Staates, Subventionen und andere Wettbewerbsverzerrungen noch immer weit verbreitet sind. Zu China hat die Kommission noch keine Ergebnisse zusammengetragen.

 
  
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  Anne E. Jensen (ALDE).(DA) Frau Präsidentin! Auch ich möchte Herrn Mandelson dafür danken, dass er sich für den Freihandel ausspricht und für die Branchen einsetzt, die vom Freihandel profitieren. Konkret im Zusammenhang damit würde ich gern wissen, warum sich die Antidumpinguntersuchungen auch auf Sportschuhe erstrecken, die von der Verordnung 467/98 und insgesamt seit vielen Jahren von allen Einfuhrbeschränkungen ausgenommen sind. Es entsteht hier der Eindruck, dass die Kommission unter dem Druck der Kräfte in der EU, die den freien Wettbewerb fürchten, in Panik geraten ist. Kann der Kommissar bestätigen, dass das nicht der Fall ist?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Frau Abgeordnete hat auf eine wichtige Frage hingewiesen. Sie sollte nicht davon ausgehen, dass Hersteller derartiger Sportbekleidung Antidumpingzölle entrichten müssen. Ich muss mich selbst erst noch davon überzeugen, ob es in der Gemeinschaft einen direkten Konkurrenten gibt, der derartige Sportbekleidung herstellt. Daher ist mir noch nicht ganz klar, inwiefern dem Interesse der Gemeinschaft in diesem Bereich des Sektors geschadet wird. Die Untersuchung wird jedoch fortgesetzt. Ich gehe davon aus, dass wir uns zu dem speziellen Sektor, auf den sie sich bezieht, in Kürze eine Meinung bilden können.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Anfragen Nr. 49 bis 53 werden schriftlich beantwortet.(2)

Anfragen an Herrn Spidla

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 54 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0890/05)

Betrifft: Umstrukturierungsprognosen

Welche Mittel nutzt die Kommission, um Umstrukturierungen und künftigen Entwicklungen in den einzelnen Bereichen des europäischen Binnenmarktes und in den verschiedenen Kategorien von Arbeitplätzen – insbesondere in den Inselregionen sowie den ländlichen und entlegenen Regionen der EU – zu prognostizieren?

Wie beeinflussen die bilateralen und internationalen Verpflichtungen und Verträge der EU diese Vorausschau?

Mit welchen Mechanismen wird die Kommission die nachhaltige Entwicklung dieser Regionen, die Erhaltung ihrer sozialen Struktur und insbesondere die berufliche Fortentwicklung der Arbeitnehmer und die Planung von Bildungsmaßnahmen für die junge Generation sicherstellen?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Kommission ist europaweit auf dem Gebiet der Umstrukturierung tätig. Für die Vorhersage der Umstrukturierung von Unternehmen und zukünftigen wirtschaftlichen sowie arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen in jedem Sektor des Marktes und bei jeder Art von Tätigkeit in den Inselregionen sowie den ländlichen und entlegenen Regionen stehen ihr keine speziellen Instrumente zur Verfügung. Während jeder Mitgliedstaat Zugang zu Mitteln für die Überwachung einzelner Sektoren und seines Arbeitsmarktes hat, kann die Kommission im Einzelnen lediglich spezifische Sektoren oder auch Regionen überwachen. In ihrer Mitteilung vom 31. März 2005 zu Umstrukturierung und Beschäftigung gab die Kommission den Sozialpartnern die Möglichkeit, der Kommission ihre Meinung zu dieser Frage mitzuteilen. Des Weiteren verwies die Kommission in ihrer Mitteilung vom 5. Oktober 2005 zur Industriepolitik auf bestimmte Wirtschaftszweige, in denen sich in den nächsten Jahren strukturelle Veränderungen vollziehen können. Daraus folgt, dass wir in der Lage sein müssen, diese Veränderungen frühzeitig zu erkennen und sie auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene zu fördern. Auch das Dienstleistungsgewerbe kann die Auswirkungen von Umstrukturierung zu spüren bekommen, so dass umfassende Untersuchungen dieser Problematik notwendig sind.

Die Kommission arbeitet mit der Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels, die ihren Sitz in Dublin hat, eng zusammen und beteiligt sich aktiv an deren Projekten, die sich mit bestimmten Sektoren befassen und die Umstrukturierung überwachen. Die von der Europäischen Union eingegangenen bilateralen und internationalen Verpflichtungen und die Verträge, die sie abgeschlossen hat, wirken sich auf bestimmte wesentliche Aspekte der Umstrukturierung aus. Dazu gehören der Grad der Öffnung der Märkte, der Zugang zu Märkten, technologische Innovationen und die gemeinsame Nutzung von Technologien sowie die Sozialklauseln in dieser Art von Verträgen. Der Kommission stehen bestimmte Instrumente zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung der Regionen zur Verfügung, darunter vor allem die Europäische Beschäftigungsstrategie, der Europäische Sozialfonds für Investitionen in das Humankapital und der Europäische Fonds für Regionalentwicklung für Investitionen in die Infrastruktur, in produktive Investitionen und die Entwicklung des Potenzials der Regionen.

Die Strukturfonds leisten Unterstützung in Form von mittelfristigen Strategieprogrammen, die die Prognose und bessere Bewältigung industriellerer Entwicklungen sowie die Abschwächung von deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer zum Ziel haben. Deshalb stehen bei den Zielen Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung auch die Überwachung und Gestaltung des Wandels im Mittelpunkt der Kommissionsvorschläge für den Programmzeitraum 2007-2013. Dabei werden wir uns auf drei Schlüsselthemen konzentrieren: auf die großen Ungleichheiten, die im Bereich Beschäftigung bestehen, auf das anhaltend hohe Tempo der wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierung infolge der Globalisierung und der Entwicklung einer wissensbasierten Wirtschaft sowie auf den demografischen Wandel, der zu einer Überalterung der Arbeitskräfte führt.

Diese Verordnung sieht unter anderem Rückstellungen für unvorhergesehene Ausgaben in Höhe von 1 % für Konvergenzregionen und 3 % für andere Regionen vor. Damit wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, die Fonds zu nutzen, um die wirtschaftliche und soziale Umstrukturierung besser in den Griff zu bekommen und mit den Folgen der globalen Marktöffnung besser fertig zu werden. Darüber hinaus hat die Kommission kürzlich vorgeschlagen, einen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung einzurichten, um negative Auswirkungen der Umstrukturierung bewältigen zu können. Wenn dieser Fonds eingerichtet wird, soll er die Arbeitnehmer, die von globalisierungsbedingten Krisen betroffen sind, unterstützen.

Zu Bildungsmaßnahmen für zukünftige Generationen möchte ich sagen, dass die europäischen Bildungsprogramme Erasmus, Socrates und Leonardo Tausenden von jungen Menschen ein Studium im Ausland ermöglichen. Darüber hinaus gewährleistet das Forschungsrahmenprogramm die Finanzierung wichtiger Projekte auf EU-Ebene, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, berufliche Fortentwicklung und Innovation. Diese Projekte werden den Boden für weitere Maßnahmen bereiten.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE).(EL) Frau Präsidentin, ich danke dem Herrn Kommissar für seine recht aufschlussreiche Antwort.

Speziell wollte ich fragen, ob Sie einen Plan haben, woraus dieser geplante Fonds zur Stärkung der Umstrukturierungen finanziert werden soll, und ob Vorkehrungen getroffen wurden, um alle diese zusätzlichen Maßnahmen bekannt zu machen, um das Vertrauen der Europäer in die Entwicklungen zu festigen und sie angesichts des Phänomens der Globalisierung vor Entmutigungen zu bewahren.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.  (CS) Selbstverständlich kann die Kommission mit den ihr gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln bereits jetzt auf bestimmte unerwartete Veränderungen reagieren. Nehmen wir nur ein bekanntes Beispiel: Erst kürzlich wurden 5 000 Arbeitnehmer bei Rover innerhalb eines kurzen Zeitraums entlassen. Die Kommission setzte Strukturfondsmittel ein, und diese Maßnahme war weitestgehend von Erfolg gekrönt. Ich brauche nicht extra zu betonen, dass dieser Fall etwas Außergewöhnliches war, da nur ein Werk in einem Land betroffen war. Die jüngsten Veränderungen bei Electrolux sind ein Beispiel für eng miteinander verflochtene Probleme, die durch wesentliche Umstrukturierungen des Systems in mehr als einem Land bedingt sind. Gegenwärtig sind wir nicht im Besitz von wirkungsvollen Instrumenten, um in solchen Fällen eingreifen zu können. Deshalb entstand auch der Gedanke, einen Fonds zur Bewältigung der Auswirkungen von Globalisierung und Umstrukturierung einzurichten. Sein Sinn und Zweck soll nicht darin bestehen, nicht wettbewerbsfähige Unternehmen zu schützen, sondern soll von Umstrukturierung in negativer Weise betroffene Menschen in die Lage versetzen, eine neue Existenzgrundlage zu finden. Wenn Sie gestatten, möchte ich einen bildlichen Vergleich bringen: Unser Ziel besteht nicht darin, ein sinkendes Schiff, sondern die Mannschaft zu retten, und sie auf ein anderes Schiff oder sicher an Land zu bringen, damit sie weiterleben können.

Der Fonds soll Investitionen in das Humankapital und in das lebenslange Lernen sowie den Abschluss von Vereinbarungen über Beschäftigung und Partnerschaften für Innovation auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene fördern. Ferner soll er die Entwicklung von Mechanismen und Instrumenten unterstützen, die die Prognostizierung von sozialem und wirtschaftlichem Wandel erleichtern, eine größere Flexibilität der von Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer und Unternehmen befördern und die Verwaltungskapazitäten und Produktivität aller Beteiligten verbessern, indem beispielsweise die mit dem Wandel befassten Manager geschult werden. Um diesen Fonds ins Leben zu rufen, kann man die bereits auf Ebene der Mitgliedstaaten vorhandenen Instrumente nutzen, darunter die für den Europäischen Sozialfonds verwendeten Instrumente.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 55 von Joachim Wuermeling (H-0899/05)

Betrifft: Freizügigkeit für Arbeitnehmer

Ende September äußerte sich der Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, Vladimir Spidla, bei einem Treffen mit den Sozialpartnern zu der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Berichten zufolge will die Kommission die Beschränkung für Arbeitssuchende aus den osteuropäischen Ländern so früh wie möglich aufheben.

Da aber gerade in den an die neuen Mitgliedstaaten angrenzenden Regionen ein extrem hohes Lohngefälle besteht, ist der Aufschub der Freizügigkeit für Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit von zentraler Bedeutung.

Gibt es in der Kommission bereits einen konkreten Plan, die Beschränkungen für Arbeitssuchende aus den osteuropäischen Ländern aufzuheben? Wenn ja, wie und wann wird dies geschehen?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.  (CS) Meine Damen und Herren! Beim Abschluss der Beitrittsverträge wurde bereits vereinbart, dass für die Übergangszeit der „2+3+2“-Mechanismus zur Anwendung kommen soll. Die unterschiedlichen Übergangszeiten bzw. Intervalle, in denen Überprüfungen mit Blick auf eine mögliche Verlängerung vorgenommen werden sollen, können auch so gesehen werden, dass ihre Festlegung von dem Wunsch geprägt war, einerseits die Beitrittsverträge zu unterzeichnen und andererseits die Übergangszeiten nicht für alle Zeiten bestehen zu lassen, da Letztere die vollständige Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb einer möglichst kurzen Zeitraums verhindern.

Aufgabe der Kommission ist es nun, einen Bericht vorzulegen, in dem die Auswirkungen der Übergangszeiten in den ersten beiden Jahren untersucht werden. Unser Ziel besteht darin, einen Bericht zu erarbeiten, der glaubhaft und methodisch absolut zuverlässig ist, und der auch alle Umstände berücksichtigt, einschließlich der Tatsache, dass einige Länder mit den neuen Mitgliedstaaten eine gemeinsame Grenze haben. Ich kann Ihnen versichern, dass ich diesem Bericht großen Wert beimesse. Einerseits soll er eine zuverlässige Grundlage für die Entscheidungsfindung in einer solch heiklen Frage sein, doch andererseits muss er auch als Ausgangsbasis für die weitere Arbeit und Evaluierungen in drei Jahren dienen. Auch dann werden Entscheidungen wiederum in Übereinstimmung mit dem Vertrag getroffen, da seit Beginn der Übergangszeit fünf Jahre vergangen sein werden. Außerdem werden wir wesentlich weniger Spielraum als nach lediglich zwei Jahren haben. Unsere Absicht, um nicht zu sagen unser oberstes Anliegen, ist es, allen maßgeblichen Umständen im Zusammenhang mit dieser sensitiven Frage die gebührende Beachtung zu schenken, und dazu zählt auch die geografische Lage der einzelnen Länder.

 
  
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  Manfred Weber (PPE-DE). – Frau Präsidentin! Ich möchte mich ganz herzlich beim Kommissar für die Ausführungen und auch für den Hinweis darauf bedanken, dass es ein ausgewogener Bericht werden soll. Ich möchte die Frage anschließen, warum in den öffentlichen Äußerungen von Ihnen und von Ihrem Haus schon das Signal der Vorfestlegung ausgegangen ist und man die Freizügigkeit so schnell herstellen will.

Wir sind uns alle einig im Ziel der Freizügigkeit, und sie ist ein Grundprinzip der Europäischen Union, zu dem wir auch stehen. Es geht aber um das Ernstnehmen der Sorgen aller Seiten, die davon betroffen sind. Deswegen noch einmal die Nachfrage: Warum wurde diese Vorfestlegung von Ihnen so getroffen?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.  (CS) In gewissem Sinne bin ich auf diese Frage bereits in meiner vorigen Antwort eingegangen, doch ich denke, sie ist so wichtig, dass sie eine noch ausführlichere Antwort verdient. Im Beitrittsvertrag wurden die Übergangszeiten in Abschnitte unter der Voraussetzung unterteilt, dass jeweils eine gründliche Bewertung erfolgt. Ziel dieser Zwischenstufen ist es, die Übergangszeiten zu beenden, und je schneller das erfolgt, desto besser ist es. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den wichtigsten Triebkräften des Wirtschaftswachstums in der Europäischen Union gehört, und damit meine ich auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Daher ist dies auch eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse.

Andererseits ist mir aber auch bewusst, dass es sich hier um ein höchst heikles Thema handelt. Ich möchte nochmals betonen, dass unser Ziel darin besteht, einen Bericht vorzulegen, der als zuverlässig angesehen werden kann. Damit meine ich, dass er methodisch gesehen über jeden Tadel erhaben sein soll. Natürlich werden die einzelnen Länder ausgehend vom Vertrag ihre eigenen Entscheidungen treffen, und sie können auf der Grundlage der Fakten entscheiden, was für sie gut und richtig ist. Die Kommission hat keinesfalls die Absicht, den Zusammenbruch des Arbeitsmarktes in irgendeinem Land herbeizuführen oder ihn zu vernichten. Ziel der Beitrittsverträge ist es vielmehr, einen gemeinsamen Markt zu schaffen und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb dieses gemeinsamen Marktes zu erreichen, da dies zu den vier wichtigsten Werten gehört, die in der Europäischen Union geachtet werden und die das Konzept der europäischen Integration untermauern. Daher bin ich auch der Meinung, dass wir entsprechend schnell handeln sollten und nach Abwägung aller maßgeblichen Informationen den notwendigen Mut aufbringen sollten. Selbstredend liegt die Verantwortung für diese Entscheidung bei den Regierungen.

 
  
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  Claude Moraes (PSE) . – (EN) Vielen Dank, Herr Kommissar, dass Sie sich erneut dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer verpflichtet haben. Ich stimme Ihnen da auf ganzer Linie zu.

Ich möchte Sie jedoch fragen, ob Sie den Beschluss des Vereinigten Königreichs und anderer Länder vom Standpunkt der Kommission aus untersuchen oder analysieren werden, wonach diese Länder, anders als die Staaten, die Beschränkungen einführen, ihre Arbeitsmärkte unverzüglich öffnen wollen und so die Freizügigkeit der betreffenden Arbeitnehmer gewährleisten. Haben Sie Pläne in diese Richtung und könnten Sie uns sagen, ob diese Idee sich in die Tat umsetzen lässt?

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission.  (CS) Es steht außer Frage, dass die vom Vereinigten Königreich, Irland und Schweden gemachten Erfahrungen wertvolle Informationen darstellen, wenn es darum geht, die Auswirkungen der Beendigung oder Nichtanwendung von Übergangszeiten einzuschätzen. Diese Erfahrungen müssen sorgfältig ausgewertet werden, und dazu könnten sich durchaus Untersuchungen erforderlich machen.

 
  
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  Die Präsidentin. Da die für die Fragestunde vorgesehene Redezeit erschöpft ist, werden die Anfragen Nr. 56 bis 90 schriftlich beantwortet.(3)

Die Fragestunde ist damit geschlossen.

(Die Sitzung wird um 20.15 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JACEK EMIL SARYUSZ-WOLSKI
Vizepräsident

 
  

(1) Für nicht behandelte Anfragen siehe Anlage „Fragestunde“.
(2)Für nicht behandelte Anfragen siehe Anlage „Fragestunde“.
(3) Für nicht behandelte Anfragen siehe Anlage „Fragestunde”.


28. 2005 – Erweiterung II
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt eine Erklärung der Kommission zur Erweiterung II.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Vor einigen Wochen habe ich Ihnen über den Standpunkt der Kommission zu Bulgarien bzw. Rumänien berichtet. Heute freut es mich, Ihnen die Vorstellungen der Kommission zur Erweiterungsstrategie als Ganzes, zu den Bewerberländern Türkei und Kroatien und zu den potenziellen Bewerberländern des Westbalkans darlegen zu können.

Die Erweiterung ist eines der wirksamsten politischen Instrumente der EU: Sie steht beispielhaft für die „Soft Power“ der EU oder die Kraft zum Wandel, die dazu beigetragen hat, Länder in stabile Demokratien und prosperierende Gesellschaften umzuwandeln, in denen die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Wohlfahrt gesteigert wurden. Es liegt im ureigenen Interesse Europas und unserer Bürger, einen sorgfältig gesteuerten Erweiterungsprozess fortzuführen.

Kennzeichnend für die Erweiterungsstrategie der Barroso-Kommission ist die Konsolidierung. Wir müssen vorsichtig sein, bevor wir neue Verpflichtungen eingehen, doch gleichzeitig müssen wir uns an die bereits gegebenen Zusagen halten, wenn die betreffenden Länder die strengen Beitrittskriterien erfüllt haben. Konditionalität ist der Schlüssel zu unserer Kraft zum Wandel, aber sie ist keine Einbahnstraße: Konditionalität funktioniert nur, wenn die Länder den Zusagen der EU zu ihrer späteren Mitgliedschaft vertrauen können.

Darüber hinaus müssen wir wirksamer vermitteln, worin beim Erweiterungsprozess und unserem Umgang mit diesen Ländern die Ziele und die Herausforderungen bestehen. Eine breite öffentliche Unterstützung ist für eine nachhaltige Erweiterungspolitik unerlässlich, und zwar mehr denn je. Es liegt jetzt auch insbesondere an den Mitgliedstaaten, sich hinter die von ihnen einstimmig beschlossenen Strategien zu stellen und sie zu verteidigen.

Die Kommission trägt sicher ihren Teil dazu bei, und ich weiß sehr wohl um die beachtlichen Anstrengungen, die vom Europäischen Parlament und vielen von Ihnen zu Hause geleistet werden.

Mit der Türkei und Kroatien haben wir vor etwa drei Wochen mit dem Screening der Kapitel für die Beitrittsverhandlungen begonnen. In den Fortschrittsberichten wird untersucht, wie der Stand in diesen Ländern ist, und in den Beitrittspartnerschaften werden sowohl kurz- als auch mittelfristige Ziele gesetzt, um die aufgezeigten Probleme zu beheben.

Offen gesagt ergibt sich ein gemischtes Bild. In der Türkei sind jetzt mutige und wichtige Reformen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Kraft getreten, ihre Umsetzung erfolgt jedoch weiterhin uneinheitlich. Im Bericht wird unterstrichen, dass die Türkei weiter ernsthafte Anstrengungen in den Bereichen Meinungsfreiheit, Frauenrechte, Religionsfreiheit, Gewerkschaftsrechte, kulturelle Rechte und Bekämpfung von Folter und Misshandlungen unternehmen muss, wobei in der Praxis eine Null-Toleranz-Politik zu verfolgen ist. In der Beitrittspartnerschaft für die Türkei werden diese Fragen im Rahmen der kurzfristigen prioritären Maßnahmen angegangen.

Positiv ist zu erwähnen, dass die Kommission jetzt die Türkei als funktionierende Marktwirtschaft anerkennt, solange der Stabilisierungs- und Reformkurs entschlossen beibehalten wird.

Kroatien kommt bei der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften gut voran, muss aber noch erhebliche Anstrengungen zur Reformierung des Justizsystems, zur Korruptionsbekämpfung, zur Verbesserung der Lage der Minderheiten, zur Erleichterung der Rückkehr von Flüchtlingen sowie zur Stärkung der Verwaltungsstrukturen für die Durchsetzung des Acquis communautaire unternehmen. Selbstverständlich muss Kroatien auch weiterhin uneingeschränkt mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zusammenarbeiten, damit der verbleibende flüchtige Angeklagte endlich vor Gericht gestellt wird; wir werden diese Verpflichtung sehr genau überwachen.

Die Stellungnahme der Kommission zum Antrag der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auf den EU-Beitritt ist eine objektive und faire Bewertung. Das Land stand erst vor wenigen Jahren am Rande des Bürgerkriegs, hat jedoch eine beachtliche politische Stabilität und demokratische Entwicklung erreicht, insbesondere dank der Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist derzeit der einzige funktionierende Vielvölkerstaat auf dem westlichen Balkan und damit ein Beweis dafür, dass ein derartiges multiethnisches Modell wirklich gelingen kann. Aus diesen Gründen kann die Kommission empfehlen, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten zuzuerkennen; noch ist das Land aber nicht bereit für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Ein Kandidatenstatus für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wäre ein wichtiges politisches Signal für die gesamte Region. Andererseits möchte die Kommission nicht übereilt Beitrittsverhandlungen empfehlen, bevor das Land dazu gerüstet ist. Wir werden die Lage regelmäßig bewerten und die Aufnahme von Verhandlungen erst dann empfehlen, wenn die Kriterien von Kopenhagen in ausreichendem Maße erfüllt sind.

Was Albanien, Serbien und Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina betrifft, so ist es an der Zeit, unsere Beziehungen durch Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit jedem dieser Länder zu festigen. Im Falle Albaniens sollten wir hierzu bald in der Lage sein. Bei den beiden anderen Ländern rechne ich Ende 2006 damit, wenn sie bei den Reformen deutlich vorankommen. Ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union, und es muss konsequent umgesetzt werden, bevor weitere Schritte erwogen werden können.

Nach dem objektiven Bericht und der Empfehlung des Beauftragten für die UN-Standards, Herrn Eide, werden die Gespräche über den künftigen Status des Kosovo nun bald beginnen. Die Kommission unterstützt uneingeschränkt die Bemühungen des UN-Beauftragten für die Statusfrage, Präsident Ahtisaari, um eine ausgewogene und dauerhafte Lösung im Kosovo, und wir werden natürlich eng mit ihm zusammenarbeiten.

Unser Ziel muss ein Status mit Standards sein; es ist von allergrößter Bedeutung, dass die Minderheitenrechte und der Schutz kultureller und historischer Stätten sichergestellt werden, um so eine dauerhafte Lösung zu erreichen, mit der die Stabilität in der ganzen Region verbessert wird. Zu diesem Zweck werde ich in Kürze mit Herrn Solana ein gemeinsames Papier zur Kosovopolitik der EU vorlegen. Wir müssen auch den Prozess der Festlegung des Kosovo-Status mit entsprechenden Finanzmitteln vereinfachen, weshalb die Kommission das Parlament dazu aufruft, mit ihr in dieser Angelegenheit eng zusammenzuarbeiten; ich zähle bei dieser für die Sicherheit und Stabilität Europas sehr wichtigen Frage auf Ihre Unterstützung.

Jedes einzelne Land des westlichen Balkans unternimmt in diesem Herbst einen Schritt in Richtung Europäische Union. Deshalb signalisieren wir klar und deutlich, dass die EU auch weiterhin für ihre mittel- oder langfristige Beitrittsperspektive eintritt, sobald das jeweilige Land unsere strengen Auflagen erfüllt. Hier geht es nämlich um zwei Seiten derselben Medaille: Die Aussicht auf einen EU-Beitritt rückt mit jedem echten Fortschritt bei der Erfüllung der EU-Bedingungen und -Kriterien schrittweise näher.

Die Kommission tritt weiterhin für die Beitrittsperspektive der Westbalkanländer ein. Ich bin überzeugt, dass ich bei diesem sehr wichtigen Engagement auf Ihre Unterstützung zählen kann.

(Beifall)

 
  
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  Elmar Brok, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei der Kommission für das Engagement bedanken, mit dem sie in die Details geht und versucht, die Dinge voranzubringen, wie auch bei vielen Ländern dafür, wie sie versuchen, Kriterien zu erfüllen. Es muss jedoch klar sein, dass die Bedingungen erfüllt und nicht nur aufgeschoben werden. Zu diesen Bedingungen gehört auch die Aufnahmefähigkeit, bei der wir bisher keine Definition dafür haben, in welcher Weise sie operationell gemacht werden kann. Ich hoffe, dass die Kommission nach den Debatten vom 3. Oktober bald mit einem Vorschlag kommen wird.

Ich stimme dem Herrn Kommissar zu: Die Erweiterung ist eine der erfolgreichsten außenpolitischen Strategien der Europäischen Union, weil diese Erweiterung zu Stabilität und zur größeren Verbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa geführt hat. Die europäische Perspektive ist ein wichtiges Instrument, um es den Ländern zu ermöglichen, innere Reformen durchzusetzen, was sie sonst – wahrscheinlich aus innenpolitischen Gründen – meist nicht können.

Aber ich glaube, es muss klar sein, dass die Europäische Union nach der Erweiterung um zehn Länder und in Kürze möglicherweise um zwei weitere Länder auch eine Phase der Konsolidierung braucht, wie jedes Unternehmen, das nach Wachstumszeiten Konsolidierungszeiten benötigt. Es geht darum, dass wir die Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung wieder herstellen, dass wir wieder deutlich machen, in welcher Weise wir in der erweiterten Europäischen Union Handlungsfähigkeit sichern und die Frage der politischen Einheit in den Vordergrund stellen, oder ob wir zulassen, dass die Union zu einer Freihandelszone dahinsiecht.

Ich meine, dass aus diesem Bericht, der Strategiebericht heißt, nicht deutlich wird, wie eine Gesamtstrategie aussehen soll, welche innere Gestalt und welche äußeren Grenzen dieses Europa in Zukunft haben soll, die natürlich in einem solchen Bericht nicht im Detail festgelegt werden können, weil das natürlich immer ein fließender Prozess ist. Aber ein Bild davon zu haben, das ist – so glaube ich – jetzt an der Zeit, damit wir vorankommen, um nicht nur in der Fortschreibung von Einzelfällen zu verbleiben, die dann dazu führen, dass es Automatismen gibt, die die Europäische Union gefährden. Dazu gehören auch Überlegungen, ob es nicht sinnvoll ist, für eine Zwischenzeit zwischen der Vollmitgliedschaft und der Nachbarschaftspolitik eine weitere Option zu finden, die den Staaten die Möglichkeit gibt, eine europäische Perspektive für ihre Entwicklung zu haben, und gleichzeitig aber auch die Entwicklungsfähigkeit der Europäischen Union nicht zerstört – so etwas, wie es der Europäische Wirtschaftsraum einmal war. Diese Initiativen vermisse ich von der Kommission, die zu sehr am Detail hängt und nicht den großen Wurf versucht.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die erfolgreiche Integration der westlichen Balkanstaaten in Europa ist für diese Region und für Europa insgesamt von herausragender Bedeutung. Sie zählt zu den politischen Prioritäten meiner Fraktion, der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Folglich haben wir zu der europäischen Zukunft der westlichen Balkanstaaten Stellung genommen, und diese Stellungnahme wurde in einem mittlerweile veröffentlichten umfassenden Strategiepapier festgehalten. Vor allem werden wir die Thessaloniki-Agenda weiterhin uneingeschränkt unterstützen. Wir müssen auf dem Balkan dauerhaften Frieden, Stabilität und Wohlstand in einem Prozess der Integration in die Europäische Union und selbstverständlich mit der Perspektive eines endgültigen Beitritts schaffen.

In diesem Prozess müssen wir uns zunächst um eine Lösung der Probleme, die in der gesamten Region bestehen, bemühen. Obgleich eine erfolgreiche Integration in die Europäische Union von der Konsolidierung der Demokratie und des Rechtsstaats, der wirtschaftlichen Entwicklung, der Flüchtlingspolitik, der Zusammenarbeit mit dem Haager Strafgerichtshof und der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität abhängt, stehen diese Dinge auch im engen Zusammenhang mit der regionalen Sicherheit und Stabilität in diesem Gebiet, das nach wie vor fragil ist. Deshalb beeinflussen diese Probleme nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen den Balkanstaaten und der Europäischen Union, sonder die Länder selbst profitieren in diesem Prozess am meisten.

Die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den westlichen Balkanstaaten ist daher ein nicht unwesentlicher Bestandteil unserer Strategie. Die EU muss zwar einen soliden Rahmen bieten, die Dynamik zur Behebung dieser Probleme muss letzten Endes jedoch von der Region selbst ausgehen. Das gilt auch für die Hindernisse, die noch immer im Wege stehen. Bei den Entscheidungen über die staatliche Struktur von Bosnien-Herzegowina, die Beziehungen zwischen Serbien und einem wahrscheinlich unabhängigen Montenegro sowie den Status des Kosovo müssen die regionalen Politiker Verantwortung übernehmen.

Gleichwohl müssen wir auch die positiven Entwicklungen anerkennen, wenn auch mit einer gesunden Portion vorsichtigem Optimismus. Bosnien hat bei der Reformierung seines Polizeiapparats einen Durchbruch erzielt, was ein wichtiges Zugeständnis vonseiten des serbischen Landesteils war. Die Tatsache, dass die Kommission der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Bewerberlandes verleihen will, spiegelt den stetigen Fortschritt in diesem Land wider.

Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen die Kommission bei ihren drei K für die Erweiterung, nämlich bei der Konsolidierung, Konditionalität und Kommunikation, ich hoffe jedoch, bald auf den letztgenannten Punkt zurückzukommen, denn eine breite Unterstützung, auch in unseren eigenen Ländern, für die künftige Erweiterung ist für ihren Erfolg unabdingbar.

 
  
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  István Szent-Iványi, im Namen der ALDE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident! Das wichtigste Ergebnis des Erweiterungspakets besteht darin, dass den Ländern des westlichen Balkans eine klare Perspektive für die Zukunft gegeben wird. Als besonders positiv ist der Teil zu bewerten, in dem der Kandidatenstatus für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien empfohlen wird. Damit werden die Entwicklung Mazedoniens und die Anstrengungen des Landes in den vergangenen Jahren anerkannt. Gleichzeitig ist es richtig, dass für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen kein Datum festgesetzt wurde, da zurzeit weder Mazedonien noch die Europäische Union dafür bereit sind. Hoffen wir, dass sowohl Mazedonien als auch Europa in einigen Jahren für den Beginn der Verhandlungen bereit sein werden.

Die Europäische Union erwartet von den Ländern des westlichen Balkans zwei Dinge. Sie sollen das tragische Kapitel ihrer jüngsten Geschichte abschließen und die Kriegsverbrecher – Ante Gotovina, ebenso wie Mladic und Karadzic – an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag ausliefern. Außerdem erwartet die EU von ihnen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den ethnischen Frieden wiederherzustellen. Anders gesagt, es müssen die Minderheitenrechte umfassend gestärkt werden, sei es in der Vojvodina oder im Kosovo. Außerdem erwarten wir, dass sie ihre Bemühungen zur Erfüllung der Beitrittsbedingungen intensivieren, das Potenzial der regionalen Zusammenarbeit erkunden und ihre Grenzen öffnen.

Der wahre Maßstab für die Integrationsfähigkeit des westlichen Balkans ist, ob die Länder fähig sind, miteinander zu kooperieren. Ich hoffe, sie werden dazu in der Lage sein und dies unter Beweis stellen, indem sie sich umfassend auf die Integration in die Europäische Union vorbereiten.

 
  
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  Joost Lagendijk, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Meiner Überzeugung nach werden noch viele Historiker ihre Doktorarbeit darüber schreiben, was nun genau im Frühjahr 2005 in Europa geschehen ist, was die Haltung, das Klima und die Stimmung in Hinsicht auf die Erweiterung betrifft. War es die Tatsache, dass wir die Erweiterung von 2004 noch verdauen mussten? Lag es an den beiden „Nein“ in den Referenden über die Verfassung? Ich weiß es nicht, und es wird sich erst später herausstellen, Fakt ist jedoch, dass die Erweiterung der EU unter Beschuss geraten ist. Nicht wenige haben den Eindruck, die Bevölkerung der Europäischen Union sei mehrheitlich dagegen, und zahlreiche Politiker verstecken sich nur allzu gern hinter diesen skeptischen Bürgern.

Deshalb stimmt es mich froh, dass die Kommission nicht nur Rückgrat bewiesen hat, sondern auch gut durchdachte Argumente für die Erweiterung der EU vorbringt – und dem pflichte ich bei –, die, wie wir sie bislang erlebt haben, eine der Erfolgsgeschichten der Europäischen Union ist, und dass es deshalb recht kurzsichtig wäre, die Zusagen, die wir Rumänien und Bulgarien, der Türkei und Kroatien sowie den westlichen Balkanstaaten gegeben haben, zurückzunehmen.

Allerdings freue ich mich auch, dass die Kommission völlig richtige Schlussfolgerungen aus dem Verfahren gezogen hat, wie wir es bislang kennen. Die Schlussfolgerungen besagen, dass es wichtiger ist, die Erweiterung praktisch umzusetzen, als Versprechen zu geben, dass – und ich wiederhole das, was Herr Brok ausgeführt hat – auch die Europäische Union selbst imstande sein muss, neue Länder aufzunehmen und dass sich die Beurteilung eines Landes auf Fakten und nicht auf Automatismen gründen muss und dass schließlich künftige Erweiterungsrunden nur dann gelingen, wenn die Politiker politische Führung an den Tag legen und bereit sind, die Erweiterung gegenüber ihrer mitunter tatsächlich skeptischen Bevölkerung zu verteidigen.

Wenn die Kommission weiterhin für eine derartige Erweiterung eintritt – die nicht auf Zusagen, nicht auf Automatismen, sondern auf Fakten beruht, eine Erweiterung auf der Grundlage einer politischen Vision und Analyse und nicht von Meinungsumfragen –, dann wird sie auch von meiner Fraktion voll und ganz unterstützt.

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die zweite Phase der Erweiterung stellt einen weiteren Schritt zur vollständigen Wiedervereinigung Europas dar. Der 1. Mai 2004 ist ein Tag, der in die Geschichte unseres Kontinents eingegangen ist, nicht nur wegen des zusätzlichen politischen Gewichts, das wir erlangt haben, sondern auch wegen der kulturellen Bereicherung, die wir daraus gewonnen haben.

Es ist wichtig, diesen Weg fortzusetzen, jedoch erst nach einer Konsolidierung der jetzigen Union und ohne die für den Beitritt weiterer Länder geltende Grundvoraussetzung aus den Augen zu verlieren, nämlich die Wahrung des acquis communautaire und der Grundprinzipien der Union. Das ist keine rein formale Frage, sondern sie wird sogar essenziell, wenn die Rechtsvorschriften der Länder, die um den Beitritt ersucht haben, gegen diese Prinzipien verstoßen.

Wie ich in meiner schriftlichen Anfrage vom 26. Oktober 2005 hervorgehoben hatte, werden in Kroatien italienische Staatsangehörige nach wie vor beim Zugang zum Immobilienmarkt diskriminiert, der indessen anderen Ländern der Union gewährleistet wird. Herr Kommissar, ich frage Sie, ob es hinnehmbar ist, dass ein Land, das die Mitgliedschaft in der Union anstrebt, die Bürger eines anderen Mitgliedstaats benachteiligt und damit eindeutig gegen Gemeinschaftsgrundsätze verstößt, und ob die Kommission bereit ist, die Anerkennung des freien Zugangs italienischer Staatsangehöriger zum kroatischen Immobilienmarkt in die Verhandlungen aufzunehmen.

Die Diskriminierung hat, abgesehen von ihrer negativen rechtlichen Bedeutung, vor allem unkalkulierbare menschliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Die Institutionen, die sie praktizieren, können nicht als glaubwürdig und zuverlässig betrachtet werden. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist ein Grundsatz, der die zivilisierten und demokratischen Länder von denen unterscheidet, die sich nicht als solche bezeichnen können, wenn dieser Grundsatz nicht in ihren Rechtsvorschriften verankert ist.

Wir sind keineswegs gegen den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union, allerdings nur unter der Bedingung, dass dieses Land die im ganzen Westen verbrieften Normen bezüglich des Grundeigentums achtet und endlich den langwierigen Streit mit den Emigranten aus Dalmatien und Julisch-Venetien, die immer noch darauf warten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt, beendet.

 
  
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  Camiel Eurlings (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Ich gebe hier die Meinung vieler wieder, wenn ich sage, dass die Erweiterung zu Europas größten Erfolgen zählt, sowohl für die neuen Länder als auch für die alte Union. Zugleich müssen wir erkennen, dass zwischen der Vertiefung und der Erweiterung ein gewisses Ungleichgewicht entstanden ist. In Nizza hätte der Vertiefungsprozess vollendet werden sollen, was jedoch nicht geschehen ist, die Erweiterung hingegen ging später dann vonstatten. Uns sollte Sorge bereiten, dass der Vertiefungsprozess noch immer aussteht. Meinem niederländischen Kollegen Wiersma möchte ich sagen, dass meine Partei zu 80 % für die Verfassung war. Wenn seine Partei beim nächsten Mal ähnlich votiert, dann sind wir möglicherweise in den Niederlanden erfolgreich.

Gleichzeitig müssen wir jetzt vor dem Beginn des Erweiterungsprozesses eine gewisse Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, und das bedeutet, wir müssen die Erweiterungskriterien ernster denn je nehmen. Wenn wir Kriterien festlegen, sowohl für die Finanzen als auch für die Erweiterung, dann müssen wir uns auch daran halten. Anderenfalls leidet unsere Glaubwürdigkeit. Zu diesen Kriterien gehört die Aufnahmefähigkeit. Wir brauchen ausreichende Unterstützung, institutionell sowie bei der Basis der Anhänger, damit die künftige Erweiterung möglich ist.

Nunmehr möchte ich mich den Kriterien der Länder selbst zuwenden. Auch dort müssen wir zeigen, dass wir sie ernst nehmen. Was Rumänien und Bulgarien betrifft, hoffe ich zutiefst, sie können 2007 beitreten, aber das hängt von den Fortschritten ab, die sie im nächsten halben Jahr erzielen. Bei der Türkei müssen wir, wenn es vorangehen soll, klarstellen, dass die Gesetze über die Meinungsfreiheit und die freie Meinungsäußerung geändert werden müssen, dass die Zypern-Frage einer Lösung bedarf, indem beide Seiten der Medaille anerkannt werden, und dass wir beispielsweise bei der Religionsfreiheit nicht noch jahrelang bis zur nächsten Wahl in der Türkei warten können, bis auf diesem Gebiet tatsächlich etwas passiert.

Die Kommission hat jetzt klipp und klar erklärt, diese Dinge seien kurzfristig möglich. Wir bestärken die Kommission darin, und ich denke, wir sollten im Moment bei der Zulassung neuer Bewerberländer umsichtig vorgehen. Gleichzeitig müssen wir in unserem eigenen Haus Ordnung schaffen und vor allem zeigen, dass wir die Verfahren tatsächlich sehr ernst nehmen. Herr Kommissar, wir als Europäer müssen einen festen Standpunkt gegenüber Populisten einnehmen, die die Menschen vor der Erweiterung warnen, allerdings wäre es falsch, sie mit Leuten zu verwechseln, die sich wirklich um die rechte Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung sorgen.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Eurlings, vielleicht liegt das Problem auch darin, dass es zu viele Politiker gibt, die die Schwierigkeiten und die Probleme der Erweiterung schildern, und zu wenige, die die Vorteile der Erweiterung schildern.

Aber ich gebe Ihnen durchaus Recht, dass wir die weiteren Schritte der Erweiterung mit Augenmaß und Sorgfalt planen müssen. Ich möchte zu drei Ländern des Balkans kurz etwas sagen. Erstens: Kroatien. Ich bin in meiner Eigenschaft als Berichterstatter sehr froh, dass wir mit den Verhandlungen beginnen. Viel ist noch zu tun, der Kommissar hat einiges davon erwähnt. Ich würde vor allem auch die Frage der Rechtsdurchsetzung hinzufügen, damit haben wir in gewissen Regionen Kroatiens noch große Probleme. Gerichtsbarkeit und Verwaltung sind dort noch nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Und wenn ich das Wort Zeit gebrauche, dann möchte ich auch Kroatien darauf hinweisen, dass man jetzt nicht über den Zeitpunkt des Beitritts reden sollte – den kennt niemand von uns –, sondern darüber, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um einen günstigen Zeitpunkt herbeizuführen.

Was Mazedonien betrifft, so möchte ich klar sagen, dass vielleicht manche Bürger in Mazedonien enttäuscht darüber sind, dass die Verhandlungen noch nicht begonnen haben. Man soll das aber auf der anderen Seite eher als Anregung dafür sehen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu einem Verhandlungsprozess und Verhandlungsbeginn zu gelangen. Ich glaube, es ist durchaus eine Erfolgsstory, was von Seiten der verschiedenen Volksgruppen in Mazedonien als Kompromiss errungen wurde, vor allem die Durchsetzung des Ohrid-Abkommens.

Zum Kosovo: Ich möchte Sie, Herr Kommissar, bitten, die Linie, die Sie in Ihrem Bericht einschlagen, weiter zu verfolgen. Es ist eine sehr, sehr kritische Linie. Jeder, der den Bericht liest, wird sehen, dass er von Sympathie für das Kosovo getragen ist, jedoch durchaus Kritik an den unhaltbaren Zuständen übt, die es nach wie vor im Kosovo gibt – politisch, wirtschaftlich, was die Minderheitsfragen betrifft usw. Das ist einer der wenigen, wirklich kritischen und objektiven Berichte

Über Status und Standards wird immer hin und her diskutiert. Ich bin der Meinung, wir können keinem Land die Unabhängigkeit geben bzw. kein Land näher an die Europäische Union heranbringen, wenn es nicht auch europäische Standards erfüllt. Ich bin absolut dafür, dass wir dem Kosovo helfen, auf die Sprünge zu kommen. Ich bin aber auch absolut dafür, dass das Kosovo die europäischen Standards einhält – auch die Mehrheit im Kosovo, für die wir in den vergangenen Jahren so gekämpft haben.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE).(EN) Herr Präsident! Kommissar Rehn hat Recht mit seiner Feststellung, dass ein sorgfältig vorbereiteter und gesteuerter Erweiterungsprozess das wirksamste und erfolgreichste politische Instrument ist, über das die Europäische Union verfügt. Wir müssen uns sehr anstrengen, um unsere Bürger für sie zu begeistern. Das klingt jetzt vielleicht etwas frivol, aber wenn wir mit attraktiven jungen Männern wie etwa auf den Plakaten mit dem polnischen Klempner werben könnten, würde uns die Vermarktung der Erweiterung womöglich leichter fallen, aber ich möchte nicht sexistisch werden.

Wir müssen den Bürgern der Bewerberländer für die großen Anstrengungen, die sie auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft leisten müssen, auch eine konkrete Belohnung bieten, aber die EU-Visaregelung in den westlichen Balkanländern ist ein kaum überwindbares Hindernis für einen Austausch durch Reisen. Sie erstickt gerade jene Bereiche der Gesellschaft, die von der EU am stärksten ermutigt werden sollten.

Im Mai dieses Jahres sagte Kommissar Rehn auf einer Konferenz, dass er die Aussichten auf Fortschritte bei der Visaerleichterung optimistisch einschätze. Ich hoffe, dass dieses Datum nun näher rückt. Mir ist klar, dass es bis zu einer vollständigen Liberalisierung der Visapraxis noch ein weiter Weg ist, doch eine Visaerleichterung für bestimmte Gruppen, vergleichbar mit den Regelungen, wie sie mit Russland, der Ukraine und China erörtert oder ausgehandelt werden, wäre sicherlich ein wichtiger Beitrag, mit dem die EU ihr Engagement für eine künftige Erweiterung unter Beweis stellen könnte. Kurzfristig würde dies die Stimmung, die Aussichten und die Perspektiven der Menschen in den Westbalkanländern verbessern. Die Tatsache, dass 70 % der Studenten in Serbien noch nie ihr Land verlassen haben, trägt sicher zu einer nach innen gewandten politischen Kultur bei.

Die Rücksicht der EU auf die innere Sicherheit ist wichtig, aber sie darf nicht so weit gehen, dass damit die Sicherheit in der Region als Ganzes aufs Spiel gesetzt wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Minderheit von Kriminellen die übrige Bevölkerung in Geiselhaft nimmt.

 
  
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  Gisela Kallenbach (Verts/ALE). – Herr Präsident! Herr Kommissar, meinen Glückwunsch zu den Schlussfolgerungen, die Sie aus den Fortschrittsberichten der Länder des westlichen Balkans gezogen haben. Sie sind damit der Linie des Parlaments gefolgt, und Sie tragen dazu bei, dass Europa zu den bisherigen Beschlüssen steht und damit auch Verlässlichkeit und Kontinuität dokumentiert. Ich finde das umso bedeutsamer in einer Zeit, in der leider sehr viel von einer europäischen Krise und einer Grenze der Aufnahmefähigkeit die Rede ist. Europa hat beim Krisenmanagement im ehemaligen Jugoslawien zu Beginn der neunziger Jahre versagt; im ureigensten Interesse geben wir nun der Region schrittweise eine europäische Zukunftsperspektive.

Gestatten Sie mir wenige konkrete Hinweise. Bitte ziehen Sie Schlüsse aus den bisherigen Erweiterungsrunden. Unterstützen Sie die Entwicklung der Zivilgesellschaft durch Bildungs- und Demokratisierungsprogramme. Bereiten Sie die Europäisierung der Bürger besser vor als bisher. Beziehen Sie diese von Anfang an ein. Es ist gut, dass Sie Ihr besonderes Augenmerk auf den Schutz und die Integration von Minderheiten richten. Um diese aber auch langfristig abzusichern, brauchen wir noch Instrumente, damit die EU auch nach einem eventuellen Beitritt noch Einfluss und Kontrollmöglichkeiten hat. Und wenden Sie sofort ab Beginn der Assoziierung die Instrumente an, die die lokalen Politiker zu tatsächlichen Akteuren machen und die sich als effizient und zielführend erwiesen haben. Ich erinnere unter anderem an den Beschluss des Parlaments zur Erarbeitung von nationalen Entwicklungsplänen durch alle Regierungen in der Region.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE).(EL) Herr Präsident, was die dialektische Beziehung zwischen Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung anbelangt, ist Herr Brok bereits auf mein Anliegen eingegangen.

Gestatten Sie mir, dass ich mich in meinem Beitrag auf die schöpferische Rolle Griechenlands als einen Faktor politischer und wirtschaftlicher Stabilität in der Region konzentriere, auf eine Rolle, die sichtbar und bekannt sein dürfte.

Erstens haben wir dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union unsere aufrichtige Unterstützung gegeben. Wir haben als Erste die Beitrittsakte dieser beiden Länder zur Europäischen Union ratifiziert.

Zweitens haben wir die europäische Orientierung der Türkei in der Erwartung unterstützt, dass sie sich an das Völkerrecht und den gemeinschaftlichen Besitzstand hält. Nichtsdestotrotz dauern die Besetzung von Territorium in der Republik Zypern, der Kriegszustand, die Verletzung griechischen Luftraums, die Kampagne gegen die Religionsfreiheit und die Drohungen gegen das ökumenische Patriarchat an.

Drittens hält sich Albanien wirtschaftlich weitgehend aufgrund des Geldes aufrecht, das von seinen in Griechenland arbeitenden Bürgern eingeführt wird. Griechenland ist, gemessen an seiner Bevölkerungszahl, für Einwanderer das Aufnahmeland Nummer 1 in Europa.

Viertens unterstützen wir die europäische Orientierung der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien.

Der Kommissar hob kürzlich in Skopje hervor, dass Griechenland der größte Investor in diesem Land ist; das stimmt, und ich habe das mit Freuden vernommen. Andererseits, Herr Swoboda, verhält man sich uns gegenüber unversöhnlich in der Namensfrage – eine Propaganda, die die Geschichte sowie die historische und kulturelle Aggression außer Acht lässt.

Warum, so lautet die logische Frage, unterstützen wir die europäische Zukunft der Länder in unserer Region? Weil wir Frieden, Stabilität und Wohlstand in der gesamten Region verbreiten und festigen wollen.

Meine Damen und Herren, die uneingeschränkte Akzeptanz und Umsetzung der Prinzipien, Werte und Regeln der Union liegen in der Verantwortung der betreffenden Länder. Die Europäische Union, alle ihre politischen und institutionellen Agenturen und ihre Mitgliedstaaten haben jedoch das Recht, den Kurs ihrer Integration zu kontrollieren.

Das ist eine gemeinsame Aufgabe.

 
  
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  Borut Pahor (PSE).(SL) Ich stimme dem Bericht der Kommission im Wesentlichen zu, da ich für die weitere Erweiterung der Europäischen Union bin. Allerdings vermisse ich einen Hinweis darauf, dass die Erweiterung ihrem Umfang nach der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union entsprechen muss.

In der Schlussfolgerung des Berichts wird zudem wiederholt unterstrichen, dass die einzelnen Länder, die den Beitritt zur Europäischen Union beantragen, sämtliche Bedingungen erfüllen müssen. Diese Forderung halte ich für ebenso legitim wie gerecht, entsteht doch dadurch für alle beitrittswilligen Länder eine gleiche Ausgangslage.

Wie viele meiner Kollegen bin ich allerdings überzeugt, dass auch die Europäische Union selbst die Bedingungen für die weitere Erweiterung erfüllen muss. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass eine erweiterte Union handlungsfähig sein wird, wenn sie nicht zunächst den Verfassungsvertrag verabschiedet oder wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise die erforderlichen Änderungen an den geltenden Verträgen vornimmt.

Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen – ich bin wirklich für die Fortsetzung der Erweiterung der Union, doch gleichzeitig meine ich, dass die Europäische Kommission bei der Erstellung von Erweiterungsberichten dieser Art auch die Bedeutung der weiteren Konsolidierung der Union besonders hervorheben muss.

Da wir heute den Kommissar bei uns haben, möchte ich ihm abschließend eine Frage zum Kosovo stellen, dem er besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Vor kurzem stellte der slowenische Staatspräsident Drnovšek eine Initiative für die Unabhängigkeit des Kosovo vor. Im Rahmen der Initiative, die ich für sinnvoll halte, wird eine Reihe von inhaltlichen Voraussetzungen für die Erlangung der Unabhängigkeit des Kosovo aufgeführt. Ich möchte den Kommissar fragen, ob ihm diese Initiative bekannt ist und ob er sich dazu äußern möchte.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die Erweiterung der EU ist eine Herausforderung, die zwar Gefahren in sich birgt, jedoch auch unserer Anstrengungen wert ist. Die EU hat sich für die Erweiterung um zwei weitere Länder, Kroatien und die Türkei, entschieden. Verschiedene Einwände wurden vorgebracht, hauptsächlich in Bezug auf das letztgenannte Land, und es wird noch lange Zeit dauern, bevor sich eher die EU-Bürger als die Kommission und das Parlament den Gedanken seines Beitritts zur EU zu Eigen machen.

Die EU hat besondere Maßnahmen getroffen, Heranführungsinstrumente genannt, um den Wandel, der sich erwartungsgemäß in Kroatien vollziehen wird, zu unterstützen. Die Arbeitsgruppe hat die Einrichtung eines Sonderinstruments zur Förderung der Menschenrechte vorgeschlagen, aber bedauerlicherweise wurde dieser Vorschlag abgelehnt. Dieses Instrument wurde zu meinem Leidwesen nicht geschaffen, denn eine demokratische Gesellschaft und ein demokratischer Staat können nur auf einem tragfähigen Fundament errichtet werden. Nicht selten ist dieses Fundament eine Nation freier verantwortungsbewusster Bürger, die ihr Heimatland lieben, und keine Regierung, kein gewähltes Parlament, kein Präsident. Eine Nation sollte vielleicht bei der Bildung subjektiver Überzeugungen dieser Art mehr Unterstützung erfahren als bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft oder Verwaltung.

Das zweite Problem, auf das ich die Kommission aufmerksam machen darf, ist die Rolle des Parlaments bei der Formulierung der Heranführungsstrategie und bei der Überwachung der Anwendung dieser Strategie sowie der Entwicklung gesellschaftlicher, politischer und religiöser Prozesse im Inneren. Bei allem Respekt für die Kompetenzen der Kommission möchte ich klarstellen, dass sie nicht allein für die Instrumente und die Politik als Ganzes verantwortlich sein sollte. Das Parlament muss zumindest ein ebenbürtiger Partner mit Mitentscheidungsrechten sein und, wo immer es notwendig ist, die Rolle eines objektiven und zuverlässigen Vermittlers spielen. Man könnte den Standpunkt vertreten, es habe ausgereicht, dass die Kommission den Anweisungen des Rates Folge leistete und das Parlament lediglich eine bescheidene Rolle inne hatte, als die EU nur 15 Mitgliedstaaten zählte. Jetzt, da die EU jedoch 25 Mitgliedstaaten hat und sich bald 27 Akteure auf der europäischen Bühne tummeln werden, sind künftige Erweiterungen nutzlos, es sei denn, die gewählten Vertreter in diesem Plenarsaal sind voll und ganz eingebunden.

Summa summarum möchte ich klipp und klar sagen, dass die Kommission und der Rat den Empfehlungen, Gedanken, Visionen und Kritiken, die in diesem Hause geäußert werden, zum Wohle der Bürger der EU-Mitgliedstaaten Beachtung schenken sollten und müssen. Die endgültigen Grenzen der Europäischen Union sind noch nicht festgelegt worden, und wir müssen gemeinsam auf dieses Ziel hinarbeiten.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE).(EL) Herr Präsident, die Strategie der Erweiterung und der Integration in die europäischen Institutionen ist der einzig glaubwürdige und effektive Vorschlag der Europäischen Union, der einzig nachdrückliche Anreiz zur Mobilisierung der Prozesse der Veränderung und der Reform.

Was wir heute in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Kandidatenländern beobachten, ist gegenseitiges Misstrauen, was negative Auswirkungen auf die öffentliche Meinung in Europa hat. Wir können nicht Veränderung und Reform fordern, wenn das Ziel der künftigen Integration nicht klar ist. Ebenso können wir die künftige Integration nicht garantieren, wenn es keine Anzeichen eines ständigen Fortschritts bei der Verwirklichung von Reformen gibt. Das trifft auf die Türkei zu.

Was die Türkei angeht, so führt ernstlicher Mangel an politischem Willen zur Umsetzung spezieller Verpflichtungen offensichtlich zu einer erheblichen Verlangsamung des Reformprozesses. Wie gedenkt die Europäische Union zu reagieren, wenn die Türkei diese Praxis beibehält? Die Praxis hinsichtlich der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten? Die Praxis in Bezug auf Zypern? Genau das schürt das Misstrauen und die Vertrauenskrise unter den Unionsbürgern.

Die Europäische Kommission bewegt sich mit ihren Vorschlägen zur Festigung der europäischen Balkanstrategie und ihrer Bekräftigung der vom Europäischen Rat 2003 in Thessaloniki verabschiedeten Strategie wirklich in die richtige Richtung. Die Unterstützung einer europäischen Zukunft für den westlichen Balkan mit dem Ziel seiner künftigen Integration in die europäischen Institutionen stellt eine Investition in die Sicherheit der Europäischen Union selbst dar. Die Verhandlungen über den Abschluss von Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen mit Albanien, Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina müssen ungehindert vorangehen.

Auch würde ich dem Herrn Kommissar vorschlagen, einen klareren Zeitplan für den Abschluss dieser Verhandlungen als starken Anreiz für diese Länder aufzustellen. Die mögliche Abtrennung von Montenegro darf sich auf die Verhandlungen mit Serbien nicht nachteilig auswirken. Serbien fällt in der Frage der Stabilität des Balkans eine entscheidende Rolle zu. Die Europäische Union und die Europäische Kommission müssen bei den Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts hochrangig vertreten sein. Doch muss die Europäische Kommission ein besonderes Interesse an den Minderheitenrechten der Serben im Kosovo an den Tag legen.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich dem Kommissionsvorschlag zum Kandidatenstatus der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien von ganzem Herzen zustimme. Was die ausstehende Namensfrage betrifft, möchte ich sagen, dass zum Tangotanzen immer zwei gehören, und die Führung in Skopje befindet sich leider in einer aus der Vergangenheit herrührenden Sackgasse.

 
  
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  Doris Pack (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Grundsätzlich ist das, was die Kommission vorgelegt hat, zu begrüßen, und die Erweiterungsstrategie der Kommission für den Westbalkan ist in Ordnung. Es ist erfreulich, dass die Kommission eine mittelfristige Beitrittsperspektive für den Westbalkan nun auch formell zugestanden hat. Für die weitere Entwicklung der Region ist die EU-Beitrittsperspektive von wirklich großer Bedeutung, denn nur sie kann das Band werden, das diesen historisch sehr belasteten Teil Europas langfristig befriedet.

Unsere Fraktion, die EVP-Fraktion, richtet jedoch zugleich die deutliche Aufforderung an die Kommission, jedes Kandidatenland auf dem Westbalkan individuell und Punkt für Punkt auf seine Beitrittsfähigkeit zu überprüfen, bevor verbindliche Daten für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen und Zeitpläne für den Beitritt gegeben werden. Die Kommission darf den Fehler, den sie bei Rumänien und Bulgarien, noch mehr jedoch bei der Türkei, gemacht hat, nämlich frühzeitig ein Datum zu nennen, ohne dass die Kriterien vollständig erfüllt sind, beim so genannten Westbalkan nicht ein zweites Mal machen. Dies würde die Akzeptanz weiterer Beitritte in der europäischen Öffentlichkeit weiter senken und gleichzeitig die Reformfähigkeit der Balkanländer überfordern. Das können wir uns in dieser bis vor kurzem teilweise noch von Bürgerkriegen heimgesuchten, sehr labilen Region auf keinen Fall leisten.

Im Hinblick auf den Reformprozess kann man, wie Sie selbst gesagt haben, erhebliche Fortschritte feststellen. Die Einstellung der Kommission, dass Kroatien und bald auch Mazedonien, die größten Fortschritte gemacht haben und deshalb den Kandidatenstatus bereits zuerkannt bekamen bzw. im Falle Mazedoniens bekommen werden, ist richtig. Hier liegt auch ein Ansporn für die Nachbarstaaten, die auf dem Weg der Annäherung an die EU aus ganz unterschiedlichen Gründen hinter diesen Ländern rangieren.

Jedes dieser Länder hat sein eigenes Schicksal zu bewältigen. Albanien: die Jahrzehnte im Hochsicherheitstrakt des Kommunismus eines Enver Hodscha; Bosnien-Herzegowina: die schrecklichen Jahre der Vertreibung, des Mordens und des Krieges sowie die Last des Monstrums eines Dayton-Vertrags, der den Krieg beendete, aber keine Plattform für gutes Regieren und ein Miteinander schuf; Serbien, das sich erst spät von seinem Diktator befreien konnte und jetzt im Staatenbund mit Montenegro nicht weiß, wie lange dieser noch bestehen wird; und dann das Kosovo, dessen Status umgehend einvernehmlich zwischen Belgrad und Priština unter Vermittlung durch die internationale Gemeinschaft geklärt werden muss. Ich freue mich, dass der Kommissar eine Initiative und eine Strategie der Kommission angekündigt hat.

Der Westbalkan und die Erweiterungsstrategie in dieser Region ist der Lackmustest für unsere europäische Politik.

 
  
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  Guido Podestà (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Überlegungen, die Kommissar Rehn vor diesem Parlament zu den Ländern im Gebiet des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses angestellt hat. Mehrere Kollegen haben bereits hervorgehoben, dass in diesem Gebiet, obgleich es noch instabil ist, positive Anzeichen für einen Weg erkennbar sind, der bereits für andere Erweiterungsrunden unserer Union kennzeichnend war.

Der Erweiterungsprozess war vom Beginn der Vorbereitungsphase an positiv. Schon die Aussicht auf die Aufnahme von Verhandlungen hat sehr oft den Übergang der osteuropäischen Länder von totalitären Regimes zu überzeugten und gut auf den Weg gebrachten demokratischen Ordnungen beschleunigt und sogar heikle und schwierige Reformen in der Türkei angestoßen.

Trotzdem muss ich auch die Äußerungen von Herrn Brok in Betracht ziehen. Wir haben es mit einer Erweiterung zu tun, die die zehn bereits beigetretenen Länder umfasst, zu denen Bulgarien und Rumänien hinzukommen. Diesen Ländern müssen wir meines Erachtens Anerkennung für ihre Anstrengungen zollen, ähnlich wie es der Kommissar bei der Erläuterung seines Berichts im Oktober getan hat.

Außerdem halte ich es für angebracht, sich auch Gedanken über die neuen Länder zu machen, die den Kandidatenstatus besitzen. Ich habe festgestellt, dass die Ausführungen von Frau Muscardini bei einigen Kollegen Heiterkeit ausgelöst haben, obwohl sie doch eigentlich hätten sehr ernst genommen werden müssen. Ich glaube nämlich, dass Kroatien mehr Konsequenz in Bezug auf verschiedene Probleme zeigen müsste, die sich im Zusammenhang mit dem freien Zugang zum Grundstücksmarkt ergeben haben. Das ist ein Umstand, der ernsthaft erwogen werden muss, denn Konsequenz hat meines Erachtens keine geografischen Grenzen.

Wir verlangen, dass die Länder, die der Union betreten wollen, diese Konsequenz unter Beweis stellen müssen, und zwar nicht nur in Bezug auf die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, wie der Herr Kommissar in Erinnerung brachte, sondern auch bei allen anderen Voraussetzungen, die alle Länder, die an den freien Markt und an die demokratische Freiheit glauben, gemeinsam haben müssen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! In diesem Jahrzehnt werden vermutlich noch drei neue Mitgliedstaaten beitreten: Kroatien, Rumänien und Bulgarien.

Kroatien hat eine gewaltige Vorarbeit geleistet, und bei gutem Willen auf beiden Seiten könnten diese Beitrittsverhandlungen zu den schnellsten der Erweiterungsgeschichte werden. Rumänien und Bulgarien müssen noch auf zwei Gebieten intensiv nacharbeiten: auf dem Gebiet der Justiz und – vor allem, was Rumänien betrifft – auf dem Gebiet der Minderheiten. Wir werden im Frühjahr über das endgültige Beitrittsdatum kritisch, aber sachlich und offen zu entscheiden haben.

Die Türkei ist und bleibt ein nichteuropäisches Land, für das wir eine privilegierte Partnerschaft anstreben, aber auch diese bedarf der Erfüllung der Kriterien. Herr Kommissar, ich möchte Sie bitten, etwas zum Religionsgesetz zu sagen, denn wir haben deutlich den Eindruck, dass nach wie vor die meist christlichen Minderheiten in der Türkei massiv diskriminiert werden.

Was Südosteuropa betrifft, so haben wir vor allem drei Probleme zu lösen: erstens die Demokratisierung Serbiens, zweitens die Reform Bosnien-Herzegowinas im Sinne einer Verfassungs- und Vertragsreform und drittens die Statusfrage des Kosovo bis hin zu einer Unabhängigkeit. Ich hege hier übrigens, Kollege Pahor, große Sympathien für die Initiative des slowenischen Staatspräsidenten. Ich glaube, sie führt in die richtige Richtung.

Alle diese Probleme können wir natürlich nur in einem größeren europäischen Zusammenhang lösen, wobei schon die Frage gestattet sein muss, Herr Kommissar, was wir unter der Europäischen Union verstehen. Verstehen wir unter EU nur eine Gruppe von Nationalstaaten, die die Erweiterungsperspektive als Instrument der Außenpolitik einsetzt, um benachbarte Nationalstaaten zu stabilisieren, oder wollen wir wirklich ein starkes, handlungsfähiges, föderatives Europa, das in der Lage ist, sich weltweit durchzusetzen?

Da ich für Letzteres plädiere, möchte ich ganz klar sagen: Ich war immer ein Befürworter der Erweiterung und ich bin es auch weiterhin. Aber wir benötigen eine ganz klare Konsolidierungsphase, und wir benötigen – und das, Herr Kommissar, finde ich ganz wesentlich – ein klares Bild von den institutionellen Fundamenten und den Grenzen, die diese Europäische Union in Zukunft haben soll. Diese Debatte haben wir bisher vermieden.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Damen und Herren Abgeordneten für ihre generelle Unterstützung eines sorgfältig gesteuerten Beitrittsprozesses danken, mit dem eine Stärkung von Stabilität, Sicherheit, Freiheit und Demokratie in Europa erreicht werden soll. Ich danke Ihnen ebenfalls für ihre Reaktionen und ihre Fragen zu diesem Thema.

Ich möchte auf zwei oder drei Hauptpunkte eingehen. Dabei werde ich verschiedene Bemerkungen oder Fragen zusammenfassen, um so eine knappere Antwort geben zu können.

Herr Brok, Herr Eurlings und andere forderten, dass man eine Balance zwischen Vertiefung und Erweiterung finden müsse. Dem stimme ich zweifellos zu. Es ist die Politik der Kommission, sich sowohl um die Vertiefung als auch um die Erweiterung zu kümmern; beides ist ein wichtiges politisches Ziel der Europäischen Union. Das ist ein Grund, warum wir betont haben, dass wir die Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Mitglieder berücksichtigen müssen, damit künftige Erweiterungen die Union nicht schwächen, sondern stärken und unsere Entscheidungsfindung angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen, nicht beeinträchtigt, sondern erleichtert wird.

Wenn man sich ihre jüngste Geschichte ansieht, dann hat die Europäische Union die größten Fortschritte immer dann gemacht, wenn Vertiefung und Erweiterung, wenn schon nicht Hand in Hand, so doch zumindest parallel verliefen. Seit 1989, seit dem Abriss der Berliner Mauer, haben wir unsere politische Integration durch die Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die einheitliche Währung und das Schengen-Abkommen über den freien Personenverkehr vertieft und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verstärkt. Gleichzeitig hat sich die Union erweitert: Die Zahl unserer Mitglieder stieg von 12 auf 25 und hat sich somit mehr als verdoppelt. Diese parallele Vertiefung und Erweiterung ist der Beweis dafür, dass es möglich ist und dass es der Europäischen Union auch nützt.

In der näheren Zukunft ist die Fortführung der Verfassungsreform meines Erachtens entscheidend für die Europäische Union, um unsere Entscheidungsprozesse wirksamer und effizienter zu gestalten, Demokratie und Offenheit zu fördern und unsere gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken.

Was ihren Bezug zur Erweiterung betrifft, so hätten wir die zeitliche Perspektive besser berücksichtigen sollen: Lösungen zur Verfassungsreform brauchen wir relativ bald, im Laufe der nächsten Jahre; wir müssen die Zeit der Reflexion sinnvoll nutzen; wir müssen aus den Diskussionen und Überlegungen auch Konsequenzen ziehen und mit dem Handeln beginnen.

Wie können nicht warten, bis die Verhandlungen mit der Türkei abgeschlossen sind, denn sie können noch zehn bis 15 Jahre dauern. Eine solche zeitliche Perspektive ist für unsere eigenen internen Herausforderungen viel zu lang. Deshalb müssen wir es schaffen – Europa zuliebe –, unsere Probleme im Zusammenhang mit der Finanziellen Vorausschau oder unseren institutionellen Fragen zu lösen, lange bevor die westlichen Balkanstaaten oder die Türkei der Europäischen Union beitreten.

Mein zweiter Hinweis betrifft das Kosovo. Ich möchte Herrn Swoboda voll und ganz darin beipflichten, dass der beste Beitrag, den die Europäische Union zur Herbeiführung erfolgreicher Verhandlungen und einer dauerhaften Einigung nun leisten kann, darin besteht, dass wir eine Stütze bieten und zugleich kritisch sind. Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechte sind das Herzstück der europäischen Werte. Es hängt entscheidend von diesen Werten ab, ob es in der europäischen Perspektive der westlichen Balkanstaaten Fortschritte gibt.

Die Kommission hat die Aufgabe, eine ausgewogene und dauerhafte Einigung zu erleichtern. Wir arbeiten eng mit der internationalen Gemeinschaft und dem Beauftragten für die Statusfrage, Präsident Ahtisaari, zusammen, um zu gewährleisten, dass das Ergebnis der Statusverhandlungen, wie auch immer es genau aussehen mag, mit der europäischen Perspektive für den Kosovo und die westlichen Balkanstaaten im Einklang steht.

Zum Dritten haben Herr Wiersma, Frau Pack, Herr Szent-Iványi und Herr Lagendijk auf die regionale Zusammenarbeit in den westlichen Balkanstaaten und die Fortschritte einzelner Länder verwiesen. Mit Herrn Wiersma bin ich ganz einer Meinung, dass unsere Konditionalität funktioniert. Nehmen Sie beispielsweise Bosnien-Herzegowina: Die dortige Politikgestaltung ist großenteils auf die Bedingungen zurückzuführen, die wir für das Land aufgestellt haben, damit ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen geschlossen werden kann. Gleiches gilt für Serbien und Montenegro: Die bedeutenden Fortschritte, die im Hinblick auf den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien erzielt wurden, haben mit den Bedingungen zu tun, von denen wir den Beginn von Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abhängig gemacht haben. Wir müssen bei unseren Bewerberländern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Konditionalität und Belohnung von Fortschritten finden.

Ich hoffe, dass es nächstes Jahr neue Vorstöße für die westlichen Balkanstaaten gibt. Die österreichische Präsidentschaft plant eine hochrangige Veranstaltung während ihrer Amtszeit, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die nächsten Schritte zu entscheiden, wie die politische Zusammenarbeit, die wirtschaftliche Entwicklung und Bürgerbelange – wie Visa-Erleichterungen – verbessert werden können, damit wir die europäische Perspektive für die Bürger und die Länder der westlichen Balkanregion so konkret und greifbar wie möglich gestalten können.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission die österreichische Präsidentschaft uneingeschränkt unterstützen wird. Ich gehe davon aus, dass das Europäische Parlament das Gleiche tun wird. Ich sehe der Zusammenarbeit mit Ihnen mit großer Erwartung entgegen, und ich zähle auf Ihre Unterstützung für einen sorgfältig gesteuerten Beitrittsprozess zur Union.

 
  
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  Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE) , schriftlich.(FR) Weit davon entfernt, dem Volkswillen Rechnung zu tragen, der bei den jüngsten Referenden in Frankreich und den Niederlanden zum Ausdruck kam, und nicht zufrieden mit der bereits umstrittenen Einleitung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien sind die Kommission und die Mitgliedstaaten von einer wahren Leidenschaft für die Öffnung der Europäischen Union gepackt.

Unter starkem amerikanischen Druck bereitet sich die Union darauf vor, ihre Erweiterung in Richtung Balkan drastisch zu beschleunigen: Nach dem Kosovo und Serbien wird der Bazillus sofort auf Bosnien und natürlich auf Mazedonien überspringen.

Es müsste jedoch klar sein, dass es der blanke Wahnsinn wäre, zu einem Zeitpunkt, da die Union weder eine Verfassung noch einen Haushalt hat und da alle Regierungen der großen kontinentalen Länder durch ernste interne Probleme geschwächt sind, in aller Eile die ganze Büchse der Pandora auf dem Balkan zu öffnen.

Die französische Delegation der PPE-DE-Fraktion ist nicht gegen das Prinzip einer neuen mittelfristigen Erweiterungswelle, sie wendet sich jedoch entschieden gegen die Perspektive eines so übereilten Engagements der Union gegenüber diesen neuen Partnern.

 

29. Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Christine De Veyrac im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens sowie den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen zwischen den Mitgliedstaaten (KOM(2000)0048 C6-0046/2005 - 2005/0008(COD)) (A6-0310/2005).

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete! Nach der Katastrophe von Sharm-El-Sheikh hat die Kommission am 16. Februar dieses Jahres einen Vorschlag für eine Verordnung über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens sowie den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen zwischen den Mitgliedstaaten vorgelegt. Dieser Vorschlag ordnet sich ein in den Rahmen des vorrangigen Ziels, das sich die Kommission Barroso gesetzt hat, durch konkrete Maßnahmen den Erwartungen der europäischen Bürger gerecht zu werden.

Dieser Vorschlag besteht aus zwei einander ergänzenden Abschnitten. Einerseits die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste von Luftfahrtunternehmen, gegen die ein Betriebsverbot ergangen ist oder denen aus Sicherheitsgründen verkehrsrechtliche Beschränkungen auferlegt wurden. Andererseits die Unterrichtung der Fluggäste über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Die tragischen Unfälle im August dieses Jahres haben gezeigt, dass die Flugsicherheit ständige Anstrengungen und energische Maßnahmen von unserer Seite erfordert.

Ich danke dem Europäischen Parlament und besonders Ihrer Berichterstatterin, Frau De Veyrac, die beispielhaft mit der Kommission und dem Rat zusammengearbeitet hat, um die rasche Verabschiedung eines ambitionierten Instruments zu ermöglichen. Insbesondere dank des Beitrags des Verkehrsausschusses verfügen wir über ein operationelles Werkzeug, das es ermöglicht, auf Gemeinschaftsebene Verbotsmaßnahmen gegen jede gefährliche Gesellschaft zu verhängen. Diese Maßnahmen können ohne Diskriminierung auf jedes Luftfahrtunternehmen unabhängig von seiner Herkunft – aus einem europäischen Land oder Drittland –, unabhängig von der Art der Flüge – Linienflüge oder nicht, wie beispielsweise Charterflüge –, unabhängig von der Wirtschaftsform – traditionelle Fluggesellschaft oder Billigflieger – angewandt werden. Diese Maßnahmen werden auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheitskriterien ergriffen, die für die gesamte Europäische Union gelten. So wird dieses neue Instrument für alle Fluggäste gleiche Sicherheitsgarantien bieten. Der Fall Onur Air hat deutlich gemacht, dass die europäischen Bürger kein Verständnis dafür haben, wenn dies anders gehandhabt wird.

Diese Fortschritte auf dem Gebiet der Sicherheit müssen mit größerer Transparenz einhergehen. Die Veröffentlichung der Liste von Fluggesellschaften, gegen die Beschränkungen verhängt wurden, hat mehrere Vorteile. Sie liefert nützliche Informationen für Personen, die außerhalb der Europäischen Union reisen wollen, also dort, wo keine Flugverbotsmaßnahmen gelten. Zugleich begründet sie Rechte für die Verbraucher, die eine Pauschalreise gebucht haben, zu der ein Flug mit einer auf der schwarzen Liste stehenden Gesellschaft gehört. Schließlich, und das halte ich für ein wesentliches Element, wird die Veröffentlichung der gemeinschaftlichen Liste eine abschreckende Wirkung haben, indem sie ein konkretes Verbotssystem begründet.

Wir müssen in der Frage der Unterrichtung noch weiter gehen. Um das Vertrauen der Fluggäste wiederzugewinnen, um zu vermeiden, dass wir uns erneut Panikreaktionen gegenübersehen, muss das Recht auf Information so umfassend wie möglich sein. Die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens muss den Fluggästen systematisch bekannt gemacht werden. Dieser Text ist Teil einer Reihe von koordinierten Maßnahmen zur Verbesserung der Flugsicherheit.

Lassen Sie mich an zwei Maßnahmen erinnern, die ich im Namen der Europäischen Kommission auf Ihrer Plenarsitzung Anfang September angekündigt habe. Einerseits verabschiedete die Kommission heute Nachmittag einen Vorschlag, der vorsieht, die gemeinsamen Flugsicherheitsvorschriften auf Flugoperationen, Pilotenlizenzen und Flugzeuge aus Drittländern auszuweiten, und die Kommission hat die Missionen der Europäischen Flugsicherheitsbehörde (EASA) ausgeweitet, damit sie in diesen Bereichen entscheiden kann.

Andererseits arbeiten wir an der Verstärkung der Kontrollmechanismen für Flugzeuge aus Drittländern im Rahmen der Richtlinie 2004/36 über die Sicherheit von Luftfahrzeugen aus Drittstaaten, die Flughäfen in der Gemeinschaft anfliegen, der so genannten SAFA-Richtlinie. In die koordinierte Inspektion dieser Flugzeuge soll die EASA in Kürze einbezogen werden.

Herr Präsident, Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete! Dank der hervorragenden Arbeit des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission in den letzten Monaten sind wir jetzt in der Lage, nur wenige Monate nach der Verabschiedung des Vorschlags durch die Kommission in erster Lesung eine Übereinkunft zu erzielen. Das ist zweifellos ein zukunftweisendes Beispiel. Ich begrüße nochmals den wesentlichen Beitrag des Parlaments zu diesem Dossier und werde den jetzt folgenden Redebeiträgen der Abgeordneten mit großer Aufmerksamkeit zuhören.

 
  
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  Derek Twigg, amtierender Ratspräsident. (EN) Es ist eine große Freude, heute Abend hier zu sein und diese Aussprache und die einzelnen Beiträge der Parlamentsabgeordneten mitzuverfolgen. Dem Vizepräsidenten der Kommission kann ich sagen, dass ich seine Rede überaus interessant und informativ fand.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Berichterstatterin, Frau De Veyrac, und den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, insbesondere denen im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr, für die fleißige Arbeit danken, die sie in diesen wichtigen Vorschlag gesteckt haben. Ebenfalls möchte ich dem Redaktionsausschuss der drei Organe danken, der die Einigung heute so sehr erleichtert hat.

Der Rat misst der Flugsicherheit allerhöchste Priorität bei. Er ist ebenso wie Sie der festen Überzeugung, dass weiter Initiativen ergriffen werden sollten, um zu gewährleisten, dass Flugzeuge, die europäische Bürger durch die Welt befördern, sicher sind. Wir waren alle bestürzt über die große Zahl von Flugunfällen, die sich im August und September dieses Jahres ereignet haben und bei denen so viele unserer Bürger ums Leben gekommen sind.

Angesichts dieser Ereignisse ergriff das Parlament die Gelegenheit, den Vorschlag der Kommission zu ändern. Sie haben Änderungen vorgeschlagen, durch die der Rahmen für gemeinschaftsweite Maßnahmen zur Sicherheit von Fluggesellschaften gestärkt werden soll. Obwohl sich der Rat im April auf ein allgemeines Vorgehen einigte, was den Grundsatz des Informationsaustauschs betrifft, haben die Minister im Rat „Verkehr“ am 6. Oktober erklärt, dass sie dieses neue Ziel unterstützen.

Der Rat ist der Auffassung, dass die in der Verordnung festgelegten Verfahren zur Bewertung der Sicherheit von Luftfahrtunternehmen am sinnvollsten sind. Wir hatten überlegt, ob der Europäischen Agentur für Flugsicherheit eine Aufgabe übertragen werden könnte, kamen aber zu dem Schluss, dass dies verfrüht wäre. Die Agentur ist noch damit beschäftigt, die Strukturen und Verfahren zu konsolidieren und das Personal einzustellen, das für die Durchführung ihrer jetzigen Aufgaben benötigt wird. Wir sollten es deshalb nicht allzu eilig damit haben, ihr neue Verantwortlichkeiten zu übertragen.

Die Sachkenntnis und die Erfahrung in Fragen der Sicherheit der Luftfahrtunternehmen ist in den Mitgliedstaaten gegenwärtig vorhanden, und es kommt nun darauf an, auf diese Sachkenntnis zurückzugreifen, damit sie für die Sicherheit unserer Bürger umfassend eingesetzt werden kann. Weitere Startverbote für Fluggesellschaften und die Veröffentlichung der entsprechenden Informationen sind wichtig, doch sollten wir die zusätzlichen Rechte, die die Verbraucher erhalten sollten, nicht aus den Augen verlieren.

Der Rat ist damit einverstanden, dass Fluggäste über die Identität des Unternehmens unterrichtet werden, bei dem sie einen Flug buchen, und dass sie auch nach erfolgter Buchung über mögliche Veränderungen beim Unternehmen auf dem Laufenden gehalten werden. Der heutige Vorschlag trägt in erheblichem Maße zu beiden Zielsetzungen bei, das heißt zur Sicherheit wie auch zum Verbraucherschutz.

Es freut mich außerordentlich, dass eine Einigung erzielt wurde und dass sie ein abgestimmtes Vorgehen ermöglichen wird, das rechtzeitig und auf transparente und gut organisierte Weise erfolgt. So werden Luftfahrtunternehmen identifiziert, die internationale Sicherheitsstandards nicht hinreichend einhalten, und so wird sichergestellt, dass sie in der ganzen Gemeinschaft Startverbot erhalten und dass Informationen über solche Schritte veröffentlicht werden. Dass Parlament, Rat und Kommission bei der Erarbeitung des Textes so konstruktiv zusammengearbeitet haben, zeigt, welche Bedeutung wir alle diesen Zielen beimessen.

Anerkennung gebührt allen Beteiligten, besonders der Berichterstatterin für ihren umfassenden Ansatz, um eine frühzeitige Einigung zu erzielen. Auch soll der kürzlich eingesetzte Redaktionsausschuss dazu beigetragen haben, dass es eine so rasche und effiziente Einigung in erster Lesung gegeben hat. Hier handelt es sich ganz klar um ein wertvolles Instrument für künftige Verhandlungen.

Abschließend bleibt mir zu sagen, dass ich die Aussprache und die einzelnen Beiträge mit Spannung erwarte und dass ich mich freue, heute Abend hier zu sein.

 
  
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  Christine De Veyrac (PPE-DE), Berichterstatterin. (FR) Herr Präsident, bevor ich zum eigentlichen Thema komme, würde ich darum bitten, dass man uns irgendwann einmal erklärt, wie die Tagesordnungen bei der Konferenz der Präsidenten ausgearbeitet werden. Ich will keine Beispiele nennen, aber wir diskutieren häufig mitten am Tage Themen, die quasi niemanden interessieren, und wenn es um Texte geht, die viele unserer Mitbürger betreffen, wie der, mit dem wir uns heute Abend befassen, oder wie das „Schienenpaket“, ich sehe ja hier Herrn Jarzembowski und Herrn Savary, dann beraten wir darüber vertraulich zu vorgerückter Stunde. Soweit dazu, aber das soll unserer Zufriedenheit darüber, dass wir zu diesem Text eine Einigung erzielt haben, keinen Abbruch tun.

Zunächst möchte ich den Schattenberichterstattern und den Dienststellen des Parlaments sowie denen der Kommission und des Rates für ihre fruchtbare und – auch das sei gesagt – sympathische Zusammenarbeit danken. Wir haben alle zügig und effizient gearbeitet, um eine Einigung in erster Lesung zu erzielen und so eine positive Botschaft an unsere Mitbürger auszusenden.

Wie Sie in Erinnerung gerufen haben, haben die tragischen Ereignisse des letzten Sommers unsere Verantwortung für die Ergreifung neuer Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit der Fluggäste und ihrer Information noch erhöht. Und dieser Verantwortung sind wir gemeinsam gerecht geworden.

Wenn wir von der Sicherheit des Flugverkehrs sprechen, muss man immerhin darauf hinweisen, dass das Flugzeug nach wie vor das weitaus sicherste Verkehrsmittel ist. Gleichzeitig muss man realistisch und sich darüber im Klaren sein, dass es kein Null-Risiko gibt und dass die starke Zunahme des Luftverkehrs in den nächsten Jahren zur Erhöhung der Zahl der Flugzeugunglücke führen könnte. Um das zu vermeiden, müssen wir die Mängel im gegenwärtigen System beheben, indem wir als Ergänzung zur ICAO einen europäischen Mechanismus vorsehen, der in der Stärkung der Flugsicherheit noch weiter geht, und unter diesem Blickwinkel wurde der vorliegende Bericht ausgearbeitet.

Wenn man den Ausgangspunkt der Europäischen Kommission, das heißt eine Veröffentlichung nationaler Listen mit dem uns heute vorliegenden Text vergleicht, so wurde ein gewaltiges Stück Wegs zurückgelegt, was noch vor einigen Monaten nicht denkbar schien. Dank der Anregung des Parlaments verfügen wir nunmehr über eine einheitliche gemeinschaftliche Schwarze Liste, die auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien erarbeitet wurde und auf dem gesamten Territorium der Union gültig ist. Das wird unseren Mitbürgern unabhängig von dem Flugplatz, den sie benutzen, ein gleiches Sicherheitsniveau garantieren, und man kann also mit Fug und Recht sagen, dass dieser Text einen großen Sieg der Europäischen Union darstellt.

Nun möchte ich versuchen, kurz etwas detaillierter auf den Vorschlag für eine Verordnung einzugehen, und Ihnen sagen, wie die Anfänge dieser Liste aussehen sollen. Die Mitgliedstaaten erhalten ab Inkrafttreten der Verordnung einen Monat Zeit, um die nach den beiliegenden gemeinsamen Kriterien erstellte Liste der Luftverkehrsunternehmen, die auf ihrem Hoheitsgebiet Flugverbot haben, zu übermitteln. Das kann jede Fluggesellschaft betreffen, die Verkehrsrechte in der Union besitzt, oder auch solche, die über solche Rechte nicht verfügen, deren Maschinen aber in der Europäischen Union gechartert werden können. Innerhalb von maximal einem Monat muss die Kommission dann den Sachverständigenausschuss zusammenrufen und darüber entscheiden, ob das Flugunternehmen auf die Liste gesetzt wird oder nicht. Allen Gesellschaften, die auf dieser gemeinschaftlichen Liste erfasst sind, sind Flüge auf dem gesamten Territorium der Union untersagt. Diese Liste wird auf Antrag eines Mitgliedstaats oder der Kommission aktualisiert, sobald dies notwendig ist. Im Übrigen wird diese Liste veröffentlicht und den Fluggästen umfassend und wirksam zur Kenntnis gebracht, vor allem auf elektronischem Wege oder durch Aushänge. Schließlich wird ein Recht auf Ausgleichsleistungen oder Umbuchung für die Fluggäste in den Fällen eingeführt, da das ausführende Luftfahrtunternehmen nach bereits erfolgter Reservierung auf die Liste gesetzt oder durch ein Luftfahrtunternehmen ersetzt wird, das in dieser Liste aufgeführt ist.

Soweit zu der Schwarzen Liste, aber es gibt auch den Abschnitt, der die Information der Passagiere behandelt. Dort wird den Verkäufern von Flugscheinen die Verpflichtung auferlegt, den Passagieren die Identität der Fluggesellschaft mitzuteilen, mit der sie effektiv reisen werden. Diese Unterrichtung der Passagiere muss ebenfalls bei einem Wechsel des befördernden Unternehmens erfolgen. Schließlich überlässt es die Verordnung den Mitgliedstaaten, Sanktionen in den Fällen zu verhängen, in denen die Informationspflicht gegenüber dem Passagier nicht eingehalten wurde.

Was das Verfahren betrifft, so müsste der Text dem Rat nach Prüfung durch die Juristen/Linguisten beider Institutionen Ende November zur Billigung vorliegen.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Europäischen Flugsicherheitsagentur sagen, denn diese Verordnung ordnet sich aus meiner Sicht in eine globale Strategie für die Verbesserung der Flugsicherheit in Europa ein. Die nächste Etappe dieses Prozesses wird also die Ausweitung der Zuständigkeiten der EASA sein, vor allem hinsichtlich der Zertifizierung von Luftfahrzeugen aus Drittländern, und ich freue mich aufrichtig, Herr Kommissar, dass Sie heute diesen Vorschlag vorgelegt haben. Vorläufig wird die heute erörterte Verordnung den Bürgern dazu verhelfen, bereits Anfang 2006 über die Schwarze Liste zu verfügen, und ich freue mich über dieses Ergebnis. Europa ist auf dem Wege zu einer Stärkung der Flugsicherheit. Es kommt mit großen Schritten voran.

 
  
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  Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, Herr Ratsvertreter! Wir alle können der Berichterstatterin Christine De Veyrac zu diesem wunderbaren Ergebnis, in so kurzer Zeit mit dem Rat und dem Parlament zu einer gemeinsamen Lösung dieser Fragen zu kommen, nur gratulieren. Ich finde, Sie haben ein tolles Beispiel dafür geliefert, dass das Parlament, die Kommission und der Rat in Situationen wie dieser, wo die Sicherheit der Passagiere in Gefahr zu sein scheint, schnell handeln können.

Ich hoffe, Herr Ratsvertreter, dass Sie uns garantieren können, dass der Rat spätestens im Dezember seine endgültige Zustimmung gibt, so dass wir diese Verordnung um die Jahreswende in Kraft setzen können.

Es ist ganz besonders wichtig, dass wir bei europäischen Rechtsakten den Mehrwert unserer Arbeit darstellen können, und hier ist der Mehrwert eindeutig erkennbar. Wenn wir uns auf gemeinsame europäische schwarze Listen einigen, dann ist es nicht so, dass die Bürger das Gefühl haben, Deutschland verlangt ein Start- und Landeverbot, Frankreich erlässt kein Start- und Landeverbot – wo ist die gemeinsame Sicherheit? Wenn wir gemeinsame schwarze Listen haben, machen wir unseren Bürgern klar, dass wir uns gemeinsam für ihren Schutz einsetzen. Unsere Aktion ist somit ein exzellentes Beispiel für den europäischen Mehrwert.

Es geht nicht nur darum, dass wir tatsächlich Start- und Landeverbote verhängen, sondern der zweite Aspekt ist genau so wichtig, nämlich, dass wir die Bürger über das, was passiert, informieren, wenn die Fluglinie nach der Buchung tatsächlich vor hat, ein Flugzeug einzusetzen, das auf der schwarzen Liste steht. Dann muss der Bürger informiert werden; er muss die Möglichkeit haben, zu reagieren. Die Vorschläge, dass er bei voller Erstattung des Kaufpreises zurücktreten oder eine Umbuchung verlangen kann, zeigen, dass wir die Interessen der Bürger sehr flexibel wahrnehmen. Das ist ein tolles Ergebnis.

Herr Ratsvertreter, wir sind unterschiedlicher Auffassung über die Ausweitung der Befugnisse der Europäischen Flugsicherheitsagentur, aber darüber werden wir uns streiten, wenn das Kommissionspapier zur Debatte steht. Diese Flugsicherungsagentur hilft uns allen, eine gemeinsame Perspektive zu haben.

Ich würde mir wünschen, dass das Beispiel dieser schnellen Gesetzgebung mit einer tollen Berichterstatterin Frau De Veyrac auch beim Bericht Evans Schule macht, so dass wir auch bei der Frage der Behandlung und Betreuung von Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität genau so schnell handeln und für die Bürger Akzente setzen können.

 
  
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  Jörg Leichtfried, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Ratsvertreter, Frau Berichterstatterin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich Frau De Veyrac zu ihrem Bericht und zu ihrem erzielten Arbeitsergebnis aufrichtigst gratulieren! Sie haben bei diesem Dossier bewiesen, wie man durch großes Engagement eine Einigung herbeiführen kann, und es ist zu erwarten, dass wir in diesem für die Luftfahrtsicherheit so wesentlichen Dossier in erster Lesung zu einem wirklich begrüßenswerten Ergebnis gelangen. Das ist insbesondere auch deshalb bemerkenswert, weil dieses Ergebnis in der sehr kurzen Zeit von drei Monaten zustande gekommen ist. Nicht nur wir hier im Haus haben dieses Ergebnis zustande gebracht, sondern – und das ist das Bemerkenswerte – es ist auch eine Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission erfolgt, was wirklich nicht allzu oft in so kurzer Zeit möglich ist. Umso trauriger ist es aber, dass so ein wichtiges Dossier wieder einmal knapp vor Mitternacht diskutiert wird. Wahrscheinlich ist der Grund hierfür, dass es sich dabei nicht um irgendwelche wichtigen Entschließungen handelt, die natürlich auch notwendig sind, sondern dass es sich um ein Gesetz handelt, das wahrscheinlich in Zukunft dafür sorgt, dass das Überleben vieler Menschen gesichert ist.

Nun zum Inhalt: Sehr gewichtige Voraussetzungen für mehr Sicherheit im Luftverkehrssektor werden durch diesen Bericht, der doch weit über den vorgelegten Kommissionsvorschlag hinausgeht, geregelt und verbessert. Eine einzige gemeinsame Liste auf der Grundlage von harmonisierten Kriterien sowie das damit verbundene Flugverbot für die auf der Liste angeführten Fluglinien und natürlich die umfassende Information der Passagiere sind die wesentlichen Punkte, um den europäischen Fluggästen mehr Sicherheit garantieren zu können. Sehr wichtig ist auch die Möglichkeit, Fluggesellschaften aus Drittstaaten zu integrieren. Ich bin auch sehr erfreut darüber, dass es uns gelungen ist, die Rechte des Personals von Flugunternehmen in der Verordnung mit zu berücksichtigen. Dies wurde nachweislich wichtig durch den Fall des Piloten der Fluggesellschaft FlyAir, der einen Missstand aufgezeigt hatte und danach entlassen wurde.

Wir haben hier gezeigt, dass wir mit einem europäischen Gesetz in effizienter Weise den Interessen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden können. Dies sollte Beispiel für weitere Vorhaben sein!

 
  
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  Jeanine Hennis-Plasschaert, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Eine einheitliche schwarze Liste auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien ist der einzige Weg nach vorn. Das ist auch die feste Überzeugung meiner Fraktion, der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. Der diesbezügliche Vorschlag war zwar gut gemeint, wurde aber von dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr zu Recht für zu dürftig befunden. So hart es auch klingen mag, die dramatischen Ereignisse des vergangenen Jahres haben offensichtlich viele wachgerüttelt und uns bewusst gemacht, dass es sinnlos ist, einfach die nationalen schwarzen Listen zu bündeln. Ein Sammelsurium, das nicht automatisch in der gesamten EU Rechtskraft erlangt, ist eine oberflächliche Geste, die keinen zusätzlichen Nutzen hat.

Selbstverständlich kann es sich als nützlich erweisen, denn ein niederländisches Sprichwort besagt „Viel versprechen, wenig geben, lässt den Geizhals in Freuden leben“. Von eben diesem Image wollten wir jedoch wegkommen. In diesem Lichte ist dieser Vorschlag typisch für einen Bereich, in dem die EU ihren Mehrwert unter Beweis stellen kann, denn seien wir doch ehrlich: Die Tatsache, dass die Onur Air – um nur ein bereits angeführtes Beispiel zu nennen – in den Niederlanden irgendwann aus dem Verkehr gezogen wurde, nur um anschließend in Belgien starten zu dürfen, bleibt natürlich absurd. Solche Praktiken stiften bei den Fluggästen einfach Verwirrung, von potenziell unsicheren Situationen ganz zu schweigen.

Folglich ist eine einheitliche Liste auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Sicherheitskriterien der einzige Weg nach vorn, und sie ist sowohl für die Fluggäste als auch für die europäischen Verbraucher verständlich. An der Fülle von Änderungsanträgen lässt sich das Bestreben des Parlaments nach einer Verbesserung der Flugsicherheit ablesen. Dank der Hilfsbereitschaft und Bereitwilligkeit der Kommission sowie der Entschlossenheit des Rates konnten wir zügig in der ersten Lesung eine Vereinbarung präsentieren.

Während der Behandlung des Vorschlags in dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr habe ich wiederholt dazu aufgerufen, neue Vorschriften für eine schwarze Liste an die geltende SAFA-Richtlinie (Beurteilung der Sicherheit ausländischer Luftfahrzeuge) anzulehnen und die Zuständigkeiten der EASA, der Europäischen Agentur für Flugsicherheit, auszuweiten. Sehr froh stimmen mich die Ergebnisse, die wir gemeinsam erzielt haben, sowie die Zusagen der Kommission, ganz kurzfristig Vorschläge vorzulegen, in denen die Zuständigkeiten der EASA ausgeweitet und gestärkt werden. Soeben erklärte der Kommissar, diese Versprechen seien schon heute Nachmittag eingelöst worden. Damit setzen wir abermals einen Schritt in die richtige Richtung, wofür ich Ihnen, Kommissar Barrot, zu Dank verpflichtet bin.

Wir setzen uns für kohärente und transparente Rechtsvorschriften mit dem Ziel ein, die Sicherheit zu verbessern und den Fluggästen klare und deutliche Informationen zu liefern. Dagegen kann niemand etwas einzuwenden haben. Abschließend möchte ich der Berichterstatterin, Frau De Veyrac, für die insgesamt von ihr auf diesem Gebiet geleistete Arbeit meinen Dank aussprechen.

 
  
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  Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank auch von meiner Seite, besonders an Frau Kollegin De Veyrac, die mit sehr viel Engagement an diesem Dossier gearbeitet hat, das sich ja mitten im Prozess enorm erweitert hat, was ja keine leichte Situation war. Sie hat Anregungen aufgenommen, wo es möglich war, und dort, wo es nicht möglich war, fair informiert. Das war also eine sehr, sehr positive Vorgangsweise.

Zum Inhalt: Der Aspekt des Verbraucherschutzes war mir in diesem Dossier besonders wichtig. Er ist ein notwendiger Bestandteil in einer Welt, in der Verbraucherinnen und Verbraucher auch als Passagiere aufgrund ausreichender Information ihre Wahl treffen können müssen. Wenn es diese Information gibt, ist auch eine weitere Tendenz bremsbar, die uns sonst in Schwierigkeiten bringen könnte, nämlich das Ausflaggen von Betrieben, um bestimmte strenge Sicherheitsbestimmungen zu umgehen. Ich glaube, dass diese Tendenz mit einem besonderen Augenmerk auf die Sicherheit gebremst werden kann.

In Sachen Schwarzliste haben wir hier einen wichtigen Schritt getan. Der besonders wichtige Schritt liegt aber noch vor uns, nämlich die Umsetzung. Denn zu einer gemeinsamen Liste gehören Kriterien, gehören Kontrollen und gehören Kontrollen der Kontrollen. Besonders wichtig ist, dass dies auch in Drittstaaten möglich sein und erweiterbar sein wird; das ist für mich zentral.

Ich setze aber auch auf eine weiter reichende Wirkung. Anerkannte Reiseveranstalter werden sich in Zukunft hüten, Vertragspartner zu beauftragen, die nicht vollständige Sicherheit garantieren können. Dies ist ein wesentlicher Aspekt für die VerbraucherInnen und für die Sicherheit von uns allen.

 
  
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  Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Anders als Verkehrsmittel zu Wasser und zu Lande, die bei einem Schaden einfach bis zum Abschleppen warten können, ist ein Flugzeug voll und ganz von der Technik abhängig. Störungen in den Triebwerken, im Luftdruck, in der Sauerstoffzufuhr oder im Navigationssystem können zum Absturz des Flugzeugs und zum Tod aller Fluggäste führen. Ein solcher Sektor ist besonders dann gefährdet, wenn er dem freien Markt überlassen wird, in dem stets neue Billigfluggesellschaften in einem mörderischen Wettbewerb versuchen, möglichst viele Passagiere anzulocken, indem sie die Betriebskosten und die Flugpreise niedrig halten. Unternehmen, die an Sicherheitsmaßnahmen sparen, können verhältnismäßig zahlreiche Unfälle verursachen.

Bislang war es um die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten nicht eben gut bestellt. Wenn ein Mitgliedstaat gegen unsichere Fluggesellschaften ein Start- und Landeverbot verhängt hatte, wurde dies kaum publik gemacht und blieb in den Nachbarstaaten ohne Folgen. Wenn anschließend ein Mitgliedstaat unverzüglich Maßnahmen treffen wollte, lief er Gefahr, durch die Union, die noch nicht dieselbe Stufe erreicht hatte, gebremst zu werden. Ich habe schon früher ein aktives Vorgehen hin zu Verboten und zur Information angemahnt. Gefährliche Unternehmen und ihre Rechtsnachfolger müssen ausgeschlossen werden, und Mängel anderer Unternehmen müssen für die Verbraucher voll und ganz öffentlich gemacht werden.

Dieser Vorschlag ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber zweifellos werden findige Unternehmen weiterhin nach Wegen suchen, um sich dem zu entziehen. Ich appelliere an die Kommission, in den nächsten Jahren weiter reichende Vorschläge vorzulegen, wenn sich eine solche Situation ergeben sollte, damit die Fluggäste und die Menschen auf dem Boden nicht das Opfer kurzsichtiger Unternehmer werden.

 
  
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  Bernard Wojciechowski, im Namen der NI-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Meines Erachtens sind die Änderungsanträge der Berichterstatterin ein Schritt in die richtige Richtung. Sie strebt darin mehr Sicherheit für die Fluggäste, transparentere Informationen über die ausführenden Luftfahrtunternehmen und Standardbedingungen für Luftfahrtunternehmen an, die aus Drittländern stammen.

Die Leitlinien, auf die Frau De Veyrac ihren Bericht gegründet hat, werden uns bei der Anhebung des Niveaus der von den Fluggesellschaften angebotenen Leistungen, woran den Fluggästen in der Hauptsache gelegen ist, ein gutes Stück weiterhelfen. Wir können nur hoffen, dass die Ausweitung der Befugnisse der Europäischen Agentur für Flugsicherheit auf die Erteilung von Luftverkehrsbetreiberzeugnissen nicht zu Korruption führt, sondern tatsächlich zur Verbesserung der Sicherheitsstandards für die Fluggäste beiträgt.

Ungeachtet dieser Fragen halte ich die Forderungen der Berichterstatterin für völlig legitim, und deshalb möchte ich ihren Entwurf unterstützen. Wenn wir ihn in seiner jetzigen Fassung annehmen, werden wir meiner Auffassung nach die Leistungen qualitativ verbessern und den Fluggästen die Wahl des richtigen Luftfahrtunternehmens erleichtern. Unternehmen, die die Sicherheitsstandards nicht einhalten, würden dadurch automatisch vom europäischen Markt gedrängt.

Aller Fluggäste willen appelliere ich daher an das Parlament, für diesen Bericht zu stimmen.

 
  
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  Fernand Le Rachinel (NI).(FR) Herr Präsident, ich freue mich über den Bericht meiner Kollegin Christine De Veyrac, der das große Verdienst zukommt, das Prinzip der Verabschiedung einer Schwarzen Liste der wenig sicheren oder gar gefährlichen Fluggesellschaften offen anzusprechen. Angesichts der jüngsten und immer wieder neuen Katastrophen aufgrund des schlechten Zustands einiger Flugzeuge muss gehandelt werden, um diese aufzulisten und Flugverbote auszusprechen. Es ist wirklich unerlässlich für die Sicherheit aller Flugpassagiere, die Identität der Gesellschaft zu kennen, mit der sie fliegen, und darüber hinaus zu wissen, ob diese als gefährlich eingestuft wird oder nicht. Dies ist ein absolutes Recht. Es darf nicht eingeschränkt werden, denn es geht um das Leben von Millionen Menschen, die per Flugzeug durch die Welt reisen.

Lassen Sie mich jedoch einen Vorbehalt äußern. Wie wird der Anwendungsbereich der gemeinschaftlichen Liste dieser Flugunternehmen, die den europäischen Sicherheitskriterien nicht entsprechen, aussehen? Bislang scheint kein gemeinsames Kriterium für die Aufstellung einer gemeinsamen Liste durch die Kommission festgelegt worden zu sein. Fürchtet man diplomatische Konsequenzen mit einigen sensiblen Ländern? Hat man beispielsweise Angst vor der Reaktion der türkischen Behörden auf das jüngste Flugverbot für die Gesellschaft Onur Air, das lediglich von den Niederlanden, Belgien, Frankreich und der Schweiz verhängt wurde? Warum haben sich die anderen europäischen Länder dieser Verbotsmaßnahme nicht angeschlossen?

Der uns vorliegende Text schlägt unter anderem vor, die Kompetenzen der Europäischen Flugsicherheitsagentur auszuweiten. Warum nicht, wenn es um das Ziel der Verstärkung der gemeinsamen Kriterien für die Inspektion, das Verbot, der Beschränkung der Flugrechte geht? Hat man jedoch Kontrollmaßnahmen für diese Agentur und Einspruchsmöglichkeiten gegen ihre Entscheidungen vorgesehen? Gewiss brauchen wir Rechtsvorschriften, und das rasch, aber hüten wir uns davor, den Mitgliedstaaten in einem so wesentlichen Bereich wie der Sicherheit ihrer Bürger jeden Spielraum zu nehmen.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! Kommissar Barrot und insbesondere auch Minister Darling – denn zu dieser späten Stunde ist der Stuhl der Ratspräsidentschaft stets leer, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass in dieser Aussprache auch die Präsidentschaft vertreten ist –, ich halte es für begrüßens- und lobenswert, dass wir uns auf eine einzige europäische schwarze Liste haben verständigen können, auf der alle Fluggesellschaften stehen, die in ganz Europa verboten sind. Mein besonderer Dank gilt Frau De Veyrac für ihre Anstrengungen, auch und gerade während der Verhandlungen mit dem Rat, und ich möchte sie zu dem heute erzielten Resultat beglückwünschen, mit dem wir in erster Lesung die derzeitige, unerwünschte und unklare Situation beenden können, in der sich die Passagiere über den Sicherheitsstatus einer Fluggesellschaft nicht sicher oder nicht bewusst sind. Die jüngsten, tragischen Flugunfälle in diesem Sommer haben die Notwendigkeit dieser Rechtsvorschrift unterstrichen.

Dieses Parlament ist die treibende Kraft hinter dem Plan, und darauf dürfen wir zu Recht stolz sein, denn die einzelnen Mitgliedstaaten waren von dem Gedanken zunächst nicht begeistert. Ebenso beschränkte sich die Kommissionsvorlage allein auf den Informationsaustausch. Letzten Endes ist es dem Parlament gelungen, indem es entschlossen an einem Strang gezogen hat, diese europäische schwarze Liste zusammenzustellen. Die Bürger Europas haben zweifellos Anspruch darauf, denn es geht nicht an, dass eine Fluggesellschaft in dem einen Land landen darf und in dem Nachbarland nicht. Die Bedeutung einer europäischen Dimension und eines europäischen Ansatzes für dieses Problem wird hiermit noch einmal herausgestellt.

Ich habe mich mit aller Kraft dafür eingesetzt, dass der Anspruch der Passagiere auf eine Entschädigung in dieser Verordnung klar und deutlich festgehalten wird, denn ohne diesen Anspruch ist diese Rechtsvorschrift nichts wert. Positiv finde ich, dass auch dies gelungen ist. Ich hoffe, diese Verordnung trägt zur Sicherheit in der Luftfahrtindustrie und zu einer verbesserten Position der Fluggäste in Europa bei.

 
  
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  Ulrich Stockmann (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fliegen ist in Europa sicher, und das soll trotz hoher Zuwachsraten im Luftverkehr auch in Zukunft so bleiben. Dem tragen wir heute mit der Verordnung Rechnung, die von allen politischen Seiten dringend gewollt wird. Ich bedanke mich bei der Berichterstatterin für die hervorragende Arbeit.

Eine europäische schwarze Liste, nach gemeinsamen Kriterien erstellt, wird eine Entscheidungskonfusion bei sicherheitsrelevanten Fragen, wie wir das noch im Fall der Onur Air erlebt haben, künftig verhindern. Ich bin sicher, dass durch eine Veröffentlichung ein sehr starker Druck auf die jeweiligen Airlines entsteht, die internationale Sicherheitsvorschriften nur ungenügend beachten, genauso wie auf Reiseunternehmen, die in der Vergangenheit mit solchen Airlines kooperiert haben. Denn eine Veröffentlichung führt unweigerlich zum Imageverlust und wahrscheinlich zum Konkurs einer solchen Airline. Wir werden also einen deutlichen Gewinn an Sicherheit erhalten.

Die Pflicht zur Information der Passagiere über die Identität des ausführenden Unternehmens in den Fällen, wo das bisher noch nicht stattgefunden hat, bedeutet eine deutliche Stärkung der Passagierrechte. Der Angst kleiner Reisebüros vor einer Überforderung bei der Informationsübermittlung könnten wir dadurch begegnen, dass wir unterscheiden zwischen sicherheitsrelevanten Informationen und Informationen über einen Wechsel zu einer anderen, sicheren Airline, und dass wir diese Informationen mit unterschiedlicher Dringlichkeit behandeln.

Ich begrüße die von Kommissar Barrot vorbereitete Ausweitung der Zuständigkeit der EASA hin zu Unterstützungsaufgaben von Airlines in Drittländern mit Sicherheitsproblemen. Wenn wir das wollen, dann müssen wir freilich auch ein bisschen mehr Geld bereitstellen.

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! In einer Zeit, in der man sich überlegt, wofür die Europäische Union eigentlich steht, passt es ganz gut, dass wir heute über ein Thema debattieren, bei dem sich der zusätzliche Nutzen auf EU-Ebene deutlich offenbart und bei dem die Union als Ganzes größer ist als die Summe ihrer Bestandteile. Ich glaube nicht, dass die EU automatisch in allen Zuständigkeitsbereichen zusätzlichen Nutzen bringt, aber hier tut sie es auf jeden Fall.

Der Luftverkehr ist ein so großer Bestandteil unseres vernetzten Europas und unserer vernetzten Welt, dass es geradezu erstaunlich ist, dass wir Vorschläge wie diesen nicht schon früher verabschiedet haben. Mit den Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten ist kein ausreichendes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Jetzt, wo die Union tätig wird, werden die Bürger den Verbraucherschutz erhalten, den sie verdienen. Dieses Vorgehen der EU ist sowohl angemessen als auch zweckmäßig. Landet eine Fluggesellschaft in einem EU-Staat auf einer schwarzen Liste, dann wollen die Menschen Bescheid wissen; deshalb begrüße ich einen gemeinsamen EU-Rahmen. Ich selbst habe schon Flüge gebucht, bei denen ich erst beim Einchecken die Identität des Luftfahrtunternehmens erfahren habe, sodass ich Vorschlägen für eine bessere Unterrichtung und Sensibilisierung der Verbraucher nur zustimmen kann.

Ich möchte der Berichterstatterin persönlich zu der Behandlung dieses komplexen Themas gratulieren, und ich hoffe, dass sich das Parlament und die Kolleginnen und Kollegen morgen hinter sie stellen werden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Eine bessere Rechtsetzung bedeutet nicht unbedingt weniger Gesetze. Selbstverständlich ist es unser Ziel, Rechtsvorschriften nur zu beschließen, wenn es notwendig ist. Doch diese Aussprache beweist, dass gesetzliche Maßnahmen geboten sind, um die Sicherheit des Luftverkehrs zu verbessern und so für die Fluggäste ein höheres Schutzniveau gegen die Gefahr von Unfällen zu gewährleisten.

Dies wird so geschehen, dass eine gemeinschaftliche Liste von Luftfahrtunternehmen angenommen wird, denen der Überflug von EU-Territorium untersagt worden ist, und diese Liste wiederum Fluggästen zugänglich gemacht wird. Es gibt Zeiten, da sprechen die Tatsachen für sich. Am 14. August starben 121 Menschen, als ihr Flugzeug in der Nähe von Athen abstürzte. Das war traurigerweise nur einer von vier Luftfahrtunfällen, die sich in diesem Sommer von Griechenland bis Venezuela ereigneten, 500 Menschenleben forderten und den Fluggästen das Gefühl gaben, dass sie nicht sicher waren. Diese Umstände verlangten eine politische Debatte.

Vor diesem Hintergrund ist es nur angebracht, dass das Parlament diese Aussprache führt und strengere und ausführlichere Regelungen zur Luftverkehrssicherheit annimmt. Aus meiner Sicht wird dies ganz ohne Zweifel zu einer besseren Rechtsetzung mit einem entsprechenden Verantwortungsbewusstsein führen.

Auch wenn Luftfahrtunfälle in Europa glücklicherweise selten sind, mindert das nicht unsere Bedenken bei Flügen von Luftfahrtbetreibern aus Drittländern, die unsere Flughäfen nutzen wollen, oder Betreibern, die EU-Bürger aus dem europäischen Luftraum hinaus befördern. Eines unserer weiteren Anliegen ist auch die Maßnahme, Unternehmen den Betrieb zu untersagen, die den Sicherheits- und Wartungsanforderungen nicht genügen.

Einige Mitgliedstaaten sollten in der Tat ihre Befugnisse behalten, vor allem wenn es um Notfälle geht, und dennoch konnte ein Luftfahrtbetreiber, der von vier europäischen Ländern gesperrt worden war, seine Flüge in einen anderen Staat umleiten, in dem das Verbot nicht galt, und so etwas darf nicht geschehen. Unser Ziel muss es sein, diese Unregelmäßigkeiten zu beseitigen und sichere und transparente Luftverkehrsmärkte in Europa und der Welt zu fördern.

Da wir dieses Anliegen mit diesem Bericht verfolgen – und ich möchte bei dieser Gelegenheit der Berichterstatterin gratulieren –, unterstützen wir die Palette der Veränderungen, die von allen Fraktionen mitgetragen werden und die hoffentlich im Parlament und dann auch im Rat angenommen werden.

 
  
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  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Herr Präsident, ich möchte die Berichterstatterin ebenfalls zu ihrer unermüdlichen Arbeit und ihrem großartigen Ergebnis beglückwünschen. Vielen Dank, Frau de Veyrac.

Ich glaube, dass dieser Text ein perfektes Beispiel für die interinstitutionelle Zusammenarbeit ist. Wir müssen auch der Kommission – der Kommissar hat ein spezielles und persönliches Interesse an diesem Text genommen, und das hat nach meiner Ansicht nach auch Ergebnisse gezeitigt –, natürlich dem Parlament und auch dem Ratsvorsitz und dem Rat insgesamt gratulieren. Daher glaube ich, dass uns dieses Beispiel der interinstitutionellen Zusammenarbeit erlaubt hat, in Rekordzeit einen Text auf die Beine zu bringen, der eine schnelle und effiziente Umsetzung sichert und Durchführbarkeit garantiert.

Ferner haben wir einen Text zustande gebracht, der die Gemeinschaftsmethode stärkt, zugleich aber in einem solchen Maße ausreichend mit subsidiärer Flexibilität ausgestattet ist, dass die dringendsten Fälle bearbeitet werden können, während den Bürgern große Beachtung geschenkt wird, und das in einem strengen Rahmen von Gemeinschaftsgarantien.

Dieser Text erreicht ein perfektes Gleichgewicht zwischen den kommerziellen Interessen und Rechten der Unternehmen und Garantien für ihren Schutz, ohne das Recht der Fluggäste auf rechtzeitige Information, volle Transparenz und den Schutz ihres Rechts auf Sicherheit zu beeinträchtigen. Positiv zu vermerken ist, dass auch die Nutzung des Internet gefördert wird.

Ich bin überdies der Meinung, dass diese Sicherheit eine wichtige Garantie für einen Sektor wie die Luftfahrt ist, in dem die Europäische Union historische und zukunftsweisende Schritte unternimmt, die ein Höchstmaß an Sicherheit und somit auch abschreckende Sanktionen wie die im Text vorgeschlagenen sowie strikte Verbote, die auf strengen technischen und objektiven Prinzipien basieren, erforderlich machen.

Wir sind deshalb erfreut, dass der Weg für eine beachtliche Stärkung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit freigemacht worden ist. Wir suchen noch nach Lösungen für die Probleme, die im Zusammenhang mit Sicherheitsmaßnahmen für das Personal bestehen, insbesondere für die Piloten. Hierzu sollen Risikoprobleme erkannt und die Ausbildung verbessert werden, um Tragödien zu vermeiden, wie sie in Toronto beinahe geschehen ist. Es muss gesichert sein, dass in ausreichendem Maße Inspektionen vorgenommen werden und ihre Effektivität nachgewiesen ist.

Die Tatsache, dass es in diesem Sommer so viele Opfer gegeben hat, dürfte uns eine Lehre gewesen sein.

 
  
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  Zsolt László Becsey (PPE-DE).(HU) Herr Präsident! Als Neuling aus einem neuen Mitgliedstaat sollte ich zuerst vielleicht der Berichterstatterin und den Gemeinschaftsorganen, dem Rat und der Kommission, für ihre Arbeit und ihre Arbeitsweise meine große Anerkennung aussprechen. Vielleicht senden wir ja dadurch, dass wir schnell reagieren und bedeutende Ergebnisse erzielen können, ein positives Signal an die Bürger der Europäischen Union aus. Ich beglückwünsche die Berichterstatterin und die drei Organe dazu, dass es ihnen gelungen ist, in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip die entsprechenden Ebenen für die Umsetzung festzulegen, also zu sagen, was auf Gemeinschaftsebene unternommen und gelöst werden muss und was auf der Ebene der Mitgliedstaaten.

Aus humanitären Gründen werde ich mich zu so später Stunde auf lediglich ein oder zwei Anmerkungen beschränken. Zum einen hoffe ich, dass diese Einigung möglichst bald in Kraft tritt. Das ist dringend geboten. Jedoch werden einige Bestandteile – die Aufstellung gemeinsamer Kriterien, die Einrichtung von Institutionen und die Aufnahme ihrer Tätigkeit – Zeit beanspruchen, und bis dahin müssen wir etwas unternehmen und den Bürgern etwas Positives signalisieren.

Zweitens stimme ich den Zielen und der Anwendung von Sanktionen usw. vollauf zu. Jedoch müssen den Luftfahrtunternehmen, für die diese Verordnung negative Auswirkungen mit sich bringt, genaue Anweisungen und Einzelheiten dazu gegeben werden, wie sie die Angelegenheiten beheben können. Ebenso müssen wir meines Erachtens im Detail die Bedingungen und Voraussetzungen für die Streichung des Namens eines Luftfahrtunternehmens von der Liste festlegen. Für die Aufnahme in die Liste haben wir die Kriterien sehr genau festgelegt, jedoch wäre es genauso wichtig, die Kriterien für eine Streichung von der Liste festzulegen.

Was die Entschädigung für Fluggäste angeht, so kommt es natürlich entscheidend darauf an, dass dem Fluggast die Möglichkeit angeboten wird, mit einer anderen Fluggesellschaft zu fliegen oder sein Geld zurückerstattet zu bekommen, jedoch muss insbesondere der negative Eindruck berücksichtigt werden, der bei Fluggästen zurückbleibt, die ihre Reise in letzter Sekunde abbrechen müssen.

Meine abschließende Bemerkung bezieht sich darauf, dass bei Nichterfüllung der Pflicht zur Information die Sanktionen, die auch ich empfohlen habe, wirksam durchgesetzt werden. Dies sollte, so auch meine Meinung, auf einzelstaatlicher Ebene geschehen, doch wird auf die Mitgliedstaaten eine große Verantwortung zukommen, denn was die Höhe der Sanktionen betrifft, sind Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten unbedingt zu vermeiden. Auch dies muss zu einem späteren Zeitpunkt berücksichtigt werden. Noch einmal: Ich hoffe, dass Sie diesen hervorragenden Bericht annehmen werden.

 
  
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  Robert Evans (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich glaube, dies ist eine gute Vereinbarung. In ihr werden die Wünsche des Ausschusses größtenteils verwirklicht. Zudem handelt es sich um gute Nachrichten, wie Herr Twigg und Herr Smith sagten. Hier zeigt sich die Stärke einer EU, die gemeinsam handelt, die zum Schutz der Verbraucher handelt und die – wie von vielen betont wurde – rasch handelt. Gelegentlich wird es aber weiterhin Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten geben. Luftverkehrsgesellschaften verwenden unterschiedliche Flugzeuge und unterschiedliche Besatzungen, um bestimmte Teile der Welt anzufliegen. Diese Unterschiede werden bedeuten, dass auch Standards voneinander abweichen. Sogar die Auffassungen über Sicherheit selbst können voneinander abweichen, aber dieser Bericht setzt bei den Standards Maßstäbe. Ich hoffe und bin überzeugt davon, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ich erwarte, dass einige Länder weiter gehen wollen und höhere Standards einführen und dass damit die Verbraucherschutznormen noch weiter erhöht werden.

Immer mehr Menschen fliegen. Ich habe gehört, dass etwa 30 Millionen Menschen in Großbritannien – die Hälfte der Bevölkerung – mindestens einmal im Jahr eine Flugreise unternehmen. Durch die zunehmende Nutzung des Internet sind sie sich womöglich gar nicht bewusst, mit welcher Gesellschaft sie letztlich fliegen. Sie buchen vielleicht bei Gesellschaft A und stellen dann fest, dass Gesellschaft B den Flug durchführt. Wenn Gesellschaft B aus Sicherheitsgründen auf der schwarzen Liste steht, dann werden sie, wie Herr Jarzembowski vorhin sagte, vom Flug zurücktreten dürfen. Ich denke, niemand wird ein Flugzeug besteigen, wenn es auf einer schwarzen Liste steht. Sie werden die Wahl haben und sich sicher nicht für ein Flugzeug entscheiden, das auf der schwarzen Liste steht. Die Standards werden dadurch erhöht; die Lage für die Verbraucher wird verbessert; das sind gute Nachrichten. Ich beglückwünsche die Berichterstatterin. Wir sollten darüber sprechen und es erläutern, aber nicht um elf Uhr abends!

 
  
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  Gilles Savary (PSE).(FR) Herr Präsident, einige von uns Abgeordneten haben die schweren Stunden der Dramen der Schiffsuntergänge der Erika und der Prestige miterlebt und waren Zeuge des jämmerlichen Schauspiels der Mitgliedstaaten, die die Europäische Union in Verruf brachten. Auf dem Gebiet der Flugsicherheit hat nun Europa einmal einen – ich weiß nicht, ob erfreulichen oder besser bedauerlichen – Vorsprung gegenüber den Ereignissen, denn wir haben im Jahr 2002 die Europäische Flugsicherheitsagentur geschaffen, und diese Verordnung wurde uns von der Kommission bereits im Februar dieses Jahres vorgeschlagen, also vor dem traurigen schwarzen Sommer, den wir erlebt haben.

Ich möchte also heute Frau De Veyrac zu ihrer Arbeit beglückwünschen, denn das Parlament hat diesen Text deutlich bereichert. Es schwankte lange zwischen Subsidiarität und gemeinschaftlichem Mehrwert hin und her. Heute kann man von einem echten gemeinschaftlichen Mehrwert sprechen, denn wir haben eine gemeinschaftliche Schwarze Liste, jeder Mitgliedstaat kann seine Liste unter allen anderen Mitgliedstaaten verbreiten, die Europäische Union und die Kommission haben autonome Zuständigkeiten. Dieser Text geht also ziemlich weit.

Lassen Sie mich jedoch zum Seeverkehr zurückkommen. Man hat uns gelehrt, es ginge nicht darum, ob Kontrollen ausgeübt werden. Es ginge darum, wie häufig diese Kontrollen stattfinden. Es ginge auch darum zu wissen, wer dafür verantwortlich ist. Wir haben das für den Seeverkehr getan, wahrscheinlich müssen wir es morgen auch für den Luftverkehr tun.

Wie Sie wissen, Herr Kommissar, ist der menschliche Faktor sehr wichtig bei Flugzeugunfällen. Die meisten davon sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Es wird also darauf ankommen, Regeln für die Kontrolle der Ausbildung der Besatzungen und eine in Europa harmonisierte Ausbildung auf sehr hohem Niveau zu erreichen.

Sie haben mit der Ausweitung der Kompetenzen der Europäischen Flugsicherheitsbehörde das Tor geöffnet. Ich habe Vorbehalte seitens des Rates gehört. Ich glaube, Sie können mit der Unterstützung des Parlaments rechnen, Herr Kommissar, denn diesen Weg müssen wir beschreiten, wenn wir unserer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und den Nutzern der Luftfahrt gerecht werden wollen.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte Frau de Veyrac und Ihrem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr nochmals herzlich dafür danken, dass sie den Vorschlag der Kommission unterstützt und wesentlich bereichert haben.

Die von Ihrer Berichterstatterin vorgeschlagenen Änderungen werten die Ziele der Kommission auf. Sie gestatten einerseits die Wiederherstellung des Vertrauens der Flugpassagiere hinsichtlich der Sicherheit der von ihnen benutzten Flugzeuge und gewährleisten andererseits eine höhere Transparenz für die Passagiere durch die Unterrichtung über die Identität der Fluggesellschaft.

Die Kommission, die eng mit dem Parlament und dem Rat zusammengearbeitet hat, um eine Vereinbarung in erster Lesung zu erzielen, akzeptiert alle Kompromissänderungsvorschläge, die aus den äußerst positiv verlaufenen Verhandlungen zwischen den drei Institutionen hervorgegangen sind. Das Ergebnis dieser Arbeit halten wir für sehr ausgewogen. Es dient der Effizienz. Lassen Sie mich nur die wichtigsten Maßnahmen nennen, die Sie alle hervorgehoben haben: die Erstellung einer einheitlichen gemeinschaftlichen Schwarzen Liste auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien, die Anwendung von Verbotsmaßnahmen auf dem gesamten Territorium der Gemeinschaft, ein sofortiges Inkrafttreten der Verordnung bezüglich der Schwarzen Liste sowie die spätere zügige Umsetzung des Teils über die Information der Fluggäste und die Entschädigungszahlungen, wie Herr Jarzembowski unterstrichen hat. Im Übrigen schließe ich mich dem an, was er hinsichtlich der Passagiere mit eingeschränkter Mobilität, zu einem Entschädigungssystem im Falle der Annullierung aufgrund der Tatsache, dass eine Fluggesellschaft, die auf der Schwarzen Liste steht, auch Flüge in Drittländern durchführt, und zu einer Lösung für die Komitologie, die es ermöglichen sollte, in dringenden Fällen zu handeln, um Situationen der Entscheidungsunfähigkeit zu vermeiden, gesagt hat, und schließlich auch der Bezugnahme auf die Kompetenzerweiterung, die die Kommission heute Nachmittag in Straßburg beschlossen hat, die die Qualifikationen der Piloten und die Schulungen einschließt, wie von Frau Ayala, Herrn Leichtfried und soeben von Herrn Savary angesprochen. An die Adresse der Präsidentschaft möchte ich sagen, dass diese Stärkung der Kompetenzen der Europäischen Flugsicherheitsagentur nichts an der Notwendigkeit ändert, dass die Agentur enger mit den Generaldirektionen für die Zivilluftfahrt in jedem einzelnen Mitgliedstaat zusammenarbeiten muss. Dank dieser Zusammenarbeit wird es uns gelingen, den Himmel über Europa so sicher zu machen wie wir es uns wünschen.

Zu würdigen ist ferner, in welchem Tempo wir dieses Dossier behandelt haben, ohne der Qualität Abbruch zu tun. Das ist ein weiterer Beweis für die Effizienz der Mitentscheidung und unserer Institutionen, denn der politische Wille, zum Ziel zu gelangen, ist auf allen Seiten vorhanden. Ich freue mich sehr über diese Tatsache, die von zahlreichen Rednern hervorgehoben wurde.

Ich möchte dem Parlament sehr herzlich für seinen entscheidenden Beitrag zu diesem wichtigen Dossier danken, das das Vertrauen unserer Bürger in die Sicherheit des Luftverkehrs erhöhen wird. Lassen Sie mich abschließend hinzufügen, dass dieser gesamte Text die Stärkung der Kompetenzen der Europäischen Flugsicherheitsagentur ermöglichen wird, die diese in Zusammenarbeit mit den Direktionen für Zivilluftfahrt in den einzelnen Mitgliedstaaten ausübt. Hinzu kommt am nächsten Donnerstag der Start eines sehr interessanten technologischen Projekts, das wir „Cäsar“ nennen und das auch für den Luftverkehr mehr Sicherheit bringen soll. Ich denke, wir verfügen damit über alle Elemente, um den europäischen Luftraum zu einem der sichersten der Welt zu machen.

Ich danke Ihnen sehr herzlich, meine Damen und Herren Abgeordnete, Frau Berichterstatterin. Ich glaube, wir haben da eine sehr nützliche Arbeit vollbracht, und in diesem etwas bewegenden Augenblick denken Sie alle ebenso wie ich wohl an jene, die im letzten Sommer diesen Katastrophen zum Opfer gefallen sind. Wir hatten die Initiative ergriffen, es kam darauf an, sie zu Ende zu führen, und das ist uns nun dank Ihnen allen gelungen.

 
  
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  Präsident. – Danke, Herr Kommissar, wir sind beruhigt und fühlen uns sogar geschmeichelt.

 
  
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  Derek Twigg, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident! Ich werde mich sehr kurz fassen und nur auf ein paar Fragen eingehen. Die Beiträge und die engagierte und leidenschaftliche Art, in der sie heute Abend vorgebracht wurden, haben mich sehr beeindruckt. Ich möchte Frau De Veyrac, den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr für ihre fleißige Arbeit und ihre Mitwirkung danken.

Herr Jarzembowski fragte, ob der Rat nun im Gegenzug den Text akzeptieren würde. Wenn das Parlament einen konsolidierten Text in seiner Gesamtheit vorlegt, dann wird der Ratsvorsitz ihn bei der nächstmöglichen Gelegenheit den Ministern zur Kenntnis bringen und ihn dem Rat empfehlen.

Eine andere Frage betraf die Europäische Agentur für Flugsicherheit. Der Rat wird selbstverständlich die Vorschläge der Kommission zu dieser Agentur berücksichtigen.

Dies war eine beeindruckende Aussprache mit vielen beeindruckenden Beiträgen. Die Leidenschaft für dieses Thema und die Frage der Sicherheit und Unterrichtung von Fluggästen hat sich heute Abend laut und deutlich gezeigt. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, einen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten.

(Beifall)

 
  
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  Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

 

30. Kernkraftwerke
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  Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

- den Bericht von Rebecca Harms im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Durchführung des Protokolls Nr. 9 über das Kernkraftwerk Bohunice V1 in der Slowakischen Republik zur Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik (KOM(2004)0642 - C6-0205/2004 - 2004/0221(CNS)) (A6-0282/2005) und

- den Bericht von Rebecca Harms im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie über die Verwendung der finanziellen Ressourcen für die Stilllegung von Leistungsreaktoren (2005/2027(INI)) (A6-0279/2005).

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich zuallererst diese Gelegenheit nutzen, um Frau Harms herzlich für die exzellenten Berichte zu danken, die sie zu den heute zur Debatte stehenden Themen erarbeitet hat. Ich möchte auch meine Anerkennung für die Qualität der Debatten zum Ausdruck bringen, die im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie stattgefunden haben. Die Vorschläge der Kommission und in gewissem Maße die heutige Diskussion würde ich gern in einen größeren Zusammenhang stellen.

Wir stehen wahrscheinlich am Anfang einer lang anhaltenden Periode hoher Öl- und Gaspreise auf den internationalen Märkten, mit einer drastisch ansteigenden Nachfrage weltweit. Auf diese neue Lage müssen wir mit entschlossenen und ehrgeizigen Schritten reagieren. Wir haben bereits den Fünf-Punkte-Plan in früheren Aussprachen mit Ihnen erörtert. Unmittelbare Handlungsmöglichkeiten ergeben sich für die EU auf der Nachfrageseite, da die Europäische Union hier den größten Gestaltungsspielraum hat.

Was die Energieversorgung betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, dass die Wahl des Energieträgers bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt. Es ist ihre individuelle Entscheidung, welchen Energiemix sie bevorzugen, wobei natürlich der von der Europäischen Union vorgegebene Rahmen, wie etwa die Verpflichtungen zur Verringerung der CO2-Emissionen oder die Förderung erneuerbarer Energien, einzuhalten ist.

Mit Kernenergie wird heute ein Drittel des Stroms in der Europäischen Union erzeugt. Die Rolle der Kernenergie ist eng verknüpft mit einer durchdachten Strategie für die Sicherheit von Kernmaterial und die Nichtverbreitung, den Strahlenschutz, die nukleare Sicherheit, die sichere Entsorgung nuklearer Abfälle und die sichere Stilllegung kerntechnischer Anlagen. Es wird heute Abend wohlgemerkt nicht um Kernkraftwerke gehen, sondern um die Stilllegung kerntechnischer Anlagen; hierbei geht es entweder um das Ende ihrer Laufzeit oder um Kraftwerke in den neuen Mitgliedstaaten, die nicht zu erschwinglichen Kosten aufgerüstet werden könnten.

Die Finanzierung der Stilllegung ist eine komplizierte Angelegenheit, für die es in den Mitgliedstaaten verschiedene Konzepte gibt, wie festgestellt wurde. Die Kommission hat ihren Bericht über die Stilllegung vorgelegt, der heute auf Wunsch des Europäischen Parlaments erörtert wird. Darin hat sie eingeräumt, dass ein erhöhtes Maß an Transparenz und Harmonisierung bei der Verwaltung der benötigten Finanzmittel erforderlich ist. Deshalb beabsichtigt die Kommission, Empfehlungen für Finanzierungsregelungen anzunehmen, die für die Stilllegung bestimmt sind.

Dank der im Laufe des Jahres 2005 aufgenommenen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der fruchtbaren Diskussionen, die mit dem Europäischen Parlament zum Thema Stilllegungsregelungen eingeleitet wurden, werden nun signifikante Fortschritte auf diesem Gebiet möglich sein.

Was die konkrete Frage der Stilllegung von Bohunice angeht, so gibt das Beitrittsprotokoll den Rahmen für die vorzeitige Abschaltung des Kraftwerks vor. Die Unterstützung, die zur Gewährleistung der vorzeitigen Abschaltung der beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Bohunice gewährt werden soll, ist ein Ausdruck der Solidarität der Gemeinschaft mit der slowakischen Republik und unterstreicht, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die beachtlichen Herausforderungen, die eine solche vorzeitige Schließung bedeutet, anerkennt.

Die Kommission hat die Aufgabe, die Einhaltung der Stilllegungsverpflichtungen zu überwachen und mithilfe der hierzu verfügbaren Mechanismen entsprechend Unterstützung zu leisten. Dies haben wir bei den Zusagen für die jährlichen Beihilfen in den Jahren 2004 und 2005 so gehandhabt, und ich sehe auch in Bezug auf den Beitrag für 2006 keinerlei Schwierigkeiten.

Das mit dem Beitrittsvertrag verbundene Protokoll enthält die Feststellung, dass die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Stilllegung noch über mehrere Jahre fortgesetzt werden müssen und sie eine beträchtliche finanzielle Belastung für die Slowakei darstellen würden. Deshalb wird dies bei den Beschlüssen über die Finanzhilfen der EU nach 2006 berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund und in dem Bestreben, ihre Vorschläge für die nächste Finanzielle Vorausschau vorlegen zu können, hat die Kommission den Entwurf einer Verordnung vorbereitet, zu der Sie nun konsultiert werden. Wir hielten es für notwendig, weiter Unterstützung zu leisten, denn die Kommission räumt ein, dass es sich bei der Stilllegung um einen Prozess handelt. Die Höhe der Unterstützung in unserem Vorschlag orientiert sich an der Unterstützung, die bereits bei den Beitrittsverhandlungen in Protokoll Nr. 9 vereinbart wurde. Der Betrag von 237 Millionen Euro geht in die Finanzielle Vorausschau ein, über die gegenwärtig verhandelt wird. Die Kommission behält sich ihren Standpunkt zu jedweder Änderung einer Finanzierung vor, die Teil der Finanziellen Vorausschau ist.

Ich hoffe, dass mit diesen kurzen Bemerkungen zu den beiden zur Debatte stehenden Berichten ein wenig der Rahmen abgesteckt und erläutert wurde, in welchem Geist und mit welchen Zielen die Vorschläge der Kommission erarbeitet und angenommen wurden.

 
  
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  Rebecca Harms (Verts/ALE), Berichterstatterin. – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Berichte, die ich heute Nacht vorstelle, betreffen die Finanzierung des Rückbaus von Atomkraftwerken im Allgemeinen und in einem konkreten Fall. Ich bedaure sehr, dass wir dieses Thema spät nachts diskutieren, denn tatsächlich ist die Sache insgesamt so verfahren und so ernst, dass ich mir das ganze helle Licht des Tages wünschte und volle Aufmerksamkeit für das Problem, wie wir sie in der Debatte hier derzeit nur für das Thema REACH haben.

Die Kommission hat uns in diesem Jahr eine erste Mitteilung vorgelegt über die Vorbereitung zur Finanzierung des Rückbaus und der Entsorgung von Atomanlagen in den Mitgliedstaaten, in denen Atomkraftwerke betrieben werden.

Diese Mitteilung ist – gelinde gesagt – lückenhaft. Für diese Lücken ist aber ausnahmsweise einmal nicht die Kommission verantwortlich, sondern die Regierungen der Mitgliedstaaten, die bis heute nur sehr ungern die Wahrheit über die Alt- und die Zukunftslasten der Atomindustrie bekannt machen.

Die Mitteilung der Kommission zeigt mir, wie wenig bisher das Prinzip „der Verursacher zahlt“ für die Atomindustrie in Europa gilt. Fonds, in denen ausreichend Gelder vorhanden sind, um den Rückbau der Atomkraftwerke und die Lagerung des gesamten Atommülls zu finanzieren, sind in Europa leider die Ausnahme und überhaupt nicht die Regel. In der Vernachlässigung der Rückstellungen für die Entsorgung ähneln erstaunlicherweise die östlichen Mitgliedstaaten den westlichen Mitgliedstaaten viel mehr, als uns allen lieb sein kann. In Frankreich – der führenden Atomnation der Europäischen Union – geht der Rechnungshof davon aus, dass der Steuerzahler eines Tages für die Lasten der EDF – also der Atomindustrie – wird aufkommen müssen. In England hat der Staat – also der Steuerzahler – die Anschubfinanzierung für den Entsorgungsfonds übernommen: 1,5 Milliarden Euro, wenn wir von Schätzungen der Kommission ausgehen. Und es muss auch nicht unbedingt das letzte Mal gewesen sein, dass die englische Atomindustrie dem Bürger in die Tasche gegriffen hat. Die Kosten für den Rückbau eines Atomkraftwerks werden von 200 Millionen Euro bis zu 1 Milliarde Euro geschätzt. Sie können sich also ausmalen, was da noch kommen kann.

Um die finanzielle Dimension des ganzen Problems deutlich zu machen: In Europa werden heute 149 Atomkraftwerke betrieben, und angesichts ihres Alters und ihres technischen Zustandes geht die Kommission davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren 50 bis 60 dieser Reaktoren vom Netz gehen müssen. Für den Rückbau und die Entsorgung ist in den allermeisten Fällen bisher nicht ausreichend oder auch gar nicht vorgesorgt.

Wann und wie allerdings mit dem Rückbau eines Atomkraftwerks nach der Abschaltung begonnen wird, wie die Entsorgung organisiert wird, das ist auch nach der eigentlichen Abschaltung von zentraler Bedeutung für die Vermeidung von radioaktiver Belastung der Umwelt, der Anwohner oder auch der Arbeitnehmer, die mit dem Rückbau beauftragt werden. Diese Entscheidung, wie und wann man zurückbaut, darf meiner Meinung nach – und ich denke auch nach Meinung derer, die verantwortlich Umweltpolitik machen wollen – sich allein an der Sicherheit orientieren, und die Sicherheit darf auf keinen Fall hinter finanziellen Interessen der Atomindustrie zurückstehen.

Diese ganze Angelegenheit wird sehr teuer, und dieses ganze Geld, das derzeit überhaupt noch nicht verfügbar ist, muss eben nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern möglicherweise über viele Jahrzehnte andauernd verfügbar sein. Angesichts von Pleiten und Konkursen in Wirtschaft und Industrie, angesichts des wachsenden Hungers der internationalen Hedgefonds auch nach europäischen Unternehmen, kann ich die Kommission eigentlich nur ermutigen, den Mitgliedstaaten Dampf zu machen, damit sie die Atomindustrie endlich dazu bringen, ihre Lasten, die sie produzieren, auch finanziell zu bewältigen. Dafür müssen meiner Meinung nach tatsächlich Fonds gebildet werden.

Wir können zum Beispiel in Deutschland heute davon ausgehen, dass 30 Milliarden Euro von der Atomindustrie tatsächlich zurückgestellt wurden. Wo diese Gelder sich derzeit befinden, kann man allerdings nicht sagen, weil diese Summe – 30 Milliarden, immerhin so viel wie das Bruttosozialprodukt aller baltischen Staaten in einem Jahr zusammen genommen – für Einkaufstouren innerhalb und außerhalb unseres Kontinents genutzt wird. Man kauft gerne andere Energieversorgungsunternehmen auf, man kauft aber auch gern im Wasserbereich oder in der Telekommunikation – eigentlich in allen Branchen mit Netzcharakter. Das Geld muss arbeiten, höre ich immer, wenn wir uns darüber auseinandersetzen. Aber auch in Deutschland kann mir derzeit niemand garantieren, dass die Milliarden, die wir im Jahre 2030, 2040 oder 2050 brauchen werden, dann tatsächlich auch verfügbar sein werden. Ich bin der Meinung, dass wir uns einerseits für eine sichere Verfügbarkeit der Entsorgungsmittel einsetzen müssen, ich bin andererseits der Auffassung, dass der marktverzerrenden, wettbewerbsverzerrenden Nutzung dieser Rückstellungsmittel, die ja einmal mit dem Zweck der Rückstellung geschaffen worden sind, beim Stromkunden abgeholt worden sind, Einhalt geboten werden muss.

Mit diesem Kompromisstext, den ich heute mit meinem Initiativbericht hier im Plenarsaal vorstelle und über den wir morgen abstimmen werden, möchte ich eigentlich die Kommission ermutigen, gegen die Missstände im Bereich der Entsorgungsrückstellungen vorzugehen. Ich bin bis heute von der Richtigkeit der nationalen Verantwortung für den Atommüll überzeugt. Ich bin aber genauso davon überzeugt, dass in Europa einheitliche, strenge Kriterien für die Einrichtung von Fonds durch die Unternehmen fehlen. Das Prinzip „Polluter pays“ muss meiner Meinung nach durchgesetzt werden. Die finanzielle Vorsorge für Rückbau und Entsorgung muss sich außerdem an höchsten Sicherheitsstandards orientieren. Entsorgungsfonds auf der Unternehmensebene, die nicht mit dem allgemeinen Budget vermengt werden und die außerdem von außen kontrolliert werden, würden einerseits für mehr nukleare Sicherheit sorgen, und gleichzeitig würden wir vermeiden, dass die Atomindustrie immer wieder öffentliche Gelder regelrecht abzockt.

Schade, dass wir uns im Ausschuss zwar schon über die Richtung geeinigt haben, die die Entsorgungsrückstellungen nehmen müssten, dass wir uns aber im Detail nicht einigen konnten, einen Kriterienkatalog zu beschließen, den wir der Kommission bei ihrem hoffentlich engagierten Vorgehen in meinem Sinne mit auf den Weg geben könnten. Wenn Sie das noch wollen, meine Damen und Herren, dann unterstützen Sie die Änderungsanträge, die meine Fraktion vorlegt, um das zu ermöglichen, was ich Ihnen eben vorgeschlagen habe.

Konkret behandeln wir heute aber nicht nur die Rückstellungen im Allgemeinen, sondern ausdrücklich das Problem des Rückbaus des Atomkraftwerkes Bohunice. Wegen Sicherheitsmängeln, die durch technische Nachrüstung nicht zu beheben sind, wurde in Bohunice die Stilllegung beschlossen. Im Rahmen des PHARE-Programms der Europäischen Union wurden bis 2006 im Zusammenhang mit der Stilllegung von Bohunice bereits 240 Millionen Euro EU-Gelder an die Slowakei gezahlt. Diese Gelder sollen der Sicherheit rund um Bohunice dienen und auch einen finanziellen Ausgleich für die vorzeitige Stilllegung gewährleisten. Die Kommission schlägt nach dieser ersten Zahlung nun weitere 237 Millionen Euro für Stilllegungsmaßnahmen und Ersatz vor. Ich halte diesen Vorschlag nach dem, was mir über die Kosten für Stilllegungs- und Entsorgungsmaßnahmen bekannt ist, für angemessen.

Ich lehne aber die vorgeschlagene Erhöhung der Mittel – von links und rechts dieses Hauses gibt es da Initiativen – auf 400 Millionen Euro ausdrücklich ab. Falsche Versprechungen helfen uns weder bei der Akzeptanz der europäischen Politik noch bei der Gewährleistung von Sicherheit in Bohunice. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die von der Kommission als notwendig angesehenen Mittel fließen. Ich werde mich dafür auch im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Finanzielle Vorausschau einsetzen und im Rahmen der Haushaltsdebatten der nächsten Perioden. Aber ich werde mich gleichzeitig dafür einsetzen, dass die Verwendung dieser Mittel, wenn wir sie denn zahlen können – das hängt ja noch von der Finanziellen Vorausschau ab –, tatsächlich der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Slowakei und in der EU zu Gute kommt. Ich werde mich entschieden dagegen stellen, dass Unternehmen wie Slovenské Elektrárne oder ENEL in Italien mit diesem Geld neue Atomkraftwerke bauen.

Als Berichterstatterin und als Atomkraftgegnerin hätte ich Ihnen gerne empfohlen, den Änderungsantrag Nr. 18 der EVP-Fraktion zu unterstützen, der auch den Kommissionsvorschlag unterstützt hat, was die Höhe der Mittel angeht. Leider ist dieser Antrag zurückgezogen worden. Ich empfehle Ihnen deshalb, wenn Sie realistisch und ehrlich in der Slowakei handeln wollen, morgen gegen den Änderungsantrag Nr. 12 zu stimmen und sich dafür einzusetzen, dass der vernünftige Vorschlag von Kommissar Piebalgs verwirklicht wird.

 
  
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  Ján Hudacký, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SK) Es ist unbestritten, dass sich die Slowakei unter dem politischen Druck seitens der Europäischen Union während der Beitrittsverhandlungen zu einer vorzeitigen Schließung ihres Kernkraftwerkes in Jaslovske Bohunice bereit erklärt hat, obwohl die Anlage nach der Modernisierung der Gesamtheit der Sicherheitssysteme nunmehr alle Sicherheitsstandards erfüllt. Dies wird von der Internationalen Atomenergie-Organisation bestätigt. Allein die Kosten für die Modernisierung beliefen sich auf 250 Millionen Euro. Andererseits hat sich die Europäische Union verpflichtet, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Für den Zeitraum 2007-2013 hat die Kommission dafür einen Finanzbeitrag von 237 Millionen Euro vorgeschlagen, der jedoch weit hinter den Gesamtkosten zurückbleibt, die aus den jüngsten von der slowakischen Regierung vorgelegten Studien hervorgehen.

Die Kommission stützte ihre Berechnung der Rückbaukosten und dem daraus resultierenden Umfang ihres Beitrags auf veraltete und recht fragwürdige Methoden und hat dabei lediglich den Stilllegungsprozess selbst berücksichtigt. Auf Basis der jüngsten Studien belaufen sich die direkten Gesamtkosten auf 1,3 Milliarden Euro, die indirekten Kosten auf 1,8 Milliarden Euro und die Verluste aufgrund der Einstellung der Energieerzeugung auf 1,5 Milliarden Euro, wenn man von einer weiteren Lebensdauer der Anlage bis 2015 ausgeht.

Die Gesamtkosten einschließlich des Energieerzeugungsverlusts erreichen somit 4,6 Milliarden Euro. Unter Berücksichtigung dieser Fakten hat der parlamentarische Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie in seinem überarbeiteten Bericht vorgeschlagen, den Finanzbeitrag der EU für 2007-2013 auf 400 Millionen Euro aufzustocken. Dieser Vorschlag stellt auch für die Regierung der Slowakischen Republik einen positiven Kompromiss dar, die eine Finanzhilfe von etwa 700 Millionen Euro beantragt hatte. Ich bin mir der komplizierten Situation im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Einigung der EU über einen Haushalt für 2007-2013 durchaus bewusst. Das Drängen der meisten Mitgliedstaaten auf Haushaltskürzungen ist groß und oftmals berechtigt. Dennoch kann die Slowakei nicht die Sicherheit ihrer Bevölkerung aufs Spiel setzen und benötigt ausreichende finanzielle Mittel, um mit dem sicheren Rückbau zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beginnen.

In einer Zeit, in der der Energiesektor in eine immer größere Krise gerät und der Stromverbrauch steigt, fehlte es bei der Entscheidung, auf die vorzeitige Stilllegung einer sicheren Nuklearanlage zu drängen, vielleicht an Weitblick. Die Slowakei wird dadurch 19 % ihrer Energieerzeugungskapazität verlieren und in naher Zukunft höchstwahrscheinlich von Stromimporten abhängig werden. Dennoch betrachten einige in Europa dieses Ergebnis offenbar als befriedigend. Jeder muss für seine Fehler bezahlen, doch dieses Mal werden wir alle draufzahlen müssen. Ich hoffe, dass in der Zukunft entsprechende Lehren aus solch absurden Irrtümern gezogen werden.

 
  
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  Edit Herczog, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Herr Präsident! Ich begrüße den Bericht von Frau Harms, möchte Sie jedoch gleichzeitig darin erinnern, dass es in der heutigen Aussprache nicht um Argumente für oder gegen die Kernkraft geht; es muss in erster Linie um die Sicherheit gehen. Dazu gehören einerseits die nukleare Sicherheit und andererseits die Sicherheit der Energieversorgung.

Wir sind uns alle der äußerst hohen Kosten bewusst, die die sichere und fachgerechte Stilllegung von Atomkraftwerken nach sich zieht. Ich bin davon überzeugt, dass alle europäischen Organe, die Kommission, das Parlament und jeder Abgeordnete dieses Hauses zustimmen, dass wir nicht sparen dürfen, wenn es um die nukleare Sicherheit geht. Neben dem Verursacherprinzip müssen wir folglich Raum für den Satz „Sicherheit hat ihren Preis“ schaffen.

Besonders wichtig erscheint mir, dass die Europäische Union die Selbstlosigkeit der Slowakei in dieser Angelegenheit würdigen muss. Die Slowakei musste der Stilllegung zweier Blöcke des Kernkraftwerks Bohunice zustimmen, als diese Forderung als beinahe unverrückbare Bedingung in den allerletzten Phasen des Beitrittsprozesses hinzugefügt wurde. Es war uns klar, dass dies mit einem Verlust an Erzeugungskapazität einhergehen würde, ein Engpass, den die Slowakei mit neuen Investitionen und Importen würde beheben müssen.

Da, wo ich herkomme, gibt es auch ein Sprichwort „Wer zahlt, darf auch bestimmen“. In diesem Sinne ist ohne jeden Zweifel nachvollziehbar, wenn die Slowakei von dem europäischen Organ fordert, dass ihr eine sichere Stilllegung des Kraftwerks ermöglicht wird.

Meines Erachtens finden sich in den Grundsätzen und der Politik der Europäischen Union zumindest drei Elemente, die eine Unterstützung der Stilllegung aus europäischen Mitteln ausreichend rechtfertigen. Beim ersten handelt es sich um den Grundsatz des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts zwischen den Mitgliedstaaten. Die Slowakei ist um der Europäischen Union willen eine große Verpflichtung eingegangen, und sie erfüllt diese, kann jedoch nicht über ihre eigenen Grenzen, ihren Stand der wirtschaftlichen Entwicklung hinausgehen.

Das zweite ist das der Sicherheit der Energieversorgung, auf die die privaten und gewerblichen Verbraucher in der Slowakei ebenso ein Recht haben wie die Verbraucher in jedem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vor nicht allzu langer Zeit eine Entschließung angenommen haben, in der ein Anteil von 20 % für erneuerbare Energieträger am EU-Gesamtenergieverbrauch bis 2020 gefordert wurde; daher ist die Situation heute nicht dieselbe wie in der Vergangenheit.

Beim dritten Element geht es um die Bekämpfung der Energieabhängigkeit. Eine frühzeitige Schließung rentabler Energieerzeugungskapazitäten kann in dieser Hinsicht nur helfen, wenn sie durch effizientere und sparsamere Kapazitäten ersetzt werden. Aufgrund all dieser Punkte fordere ich Sie auf, Änderungsantrag 16 zu unterstützen, mit dem dieses Ziel verfolgt wird.

 
  
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  Fiona Hall, im Namen der ALDE-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Was den konkreten Fall der Reaktoren 1 und 2 des Kernkraftwerks Bohunice V1 angeht, so haben beide Berichterstatter in der slowakischen Regierung eine Schätzung vorgelegt, wonach sich die Gesamtkosten für die Stilllegung der beiden Blöcke wohl auf 750 Millionen Euro belaufen dürften. So gesehen erscheint der Vorschlag der Kommission für einen Finanzrahmen von 237 Millionen Euro für den Zeitraum von 2007 bis 2013 vielleicht etwas dürftig, doch gibt es zwei sehr gute Gründe, die für eine Beibehaltung dieses Betrags von 237 Millionen Euro sprechen.

Erstens: Auch wenn Block 1 im Jahr 2006 abgeschaltet werden soll, werden größere bauliche Stilllegungsmaßnahmen nicht beginnen, bevor Block 2 im Jahr 2008 abgeschaltet wird. 237 Millionen Euro sind eine beachtliche Summe für die ersten fünf Jahre eines Stilllegungszeitraums, der sich wohl über 30 Jahre erstrecken dürfte.

Zweitens würde bei einer Aufstockung des Betrags der vom Parlament bereits beschlossene Haushalt zu einer Farce geraten. Wir wissen, dass wir politisch gesehen in eine äußerst heikle Phase eintreten, was die Finanzielle Vorausschau betrifft, und da ist es nicht hilfreich, wenn das Parlament zuerst das eine beschließt und dann gleich wieder etwas anderes. Wir haben die Abstimmung über den Haushalt zu respektieren. Auch sollten wir nicht versuchen, über 2013 hinaus haushaltspolitische Tatsachen zu schaffen.

Die Debatte über mögliche weitere Mittel für Bohunice sollte im Rahmen der nächsten Runde der Haushaltsberatungen stattfinden und sich daran orientieren, was bei der Stilllegung bis dahin geschehen ist. Es ist allerdings verständlich, dass die slowakischen Behörden wissen wollen, wo sie bei der Finanzierung im Rahmen der Finanziellen Vorausschau 2006-2013 stehen, sodass die Gesamtsumme von 237 Millionen Euro nun für diesen Zeitraum ohne weitere Änderungen festgelegt werden muss, auch wenn die jährliche Zuweisung schwanken darf.

Was die Frage der Stilllegung insgesamt betrifft, so besteht die wesentliche Aufgabe darin, sicherzustellen, dass einerseits genug Geld zur sicheren Stilllegung der Kernkraftwerke zur Verfügung steht, und andererseits die Finanzierung der Stilllegung nicht zu einer staatlichen Beihilfe über die Hintertür wird. In diesem Zusammenhang ist Ziffer 5 des Berichts von Bedeutung. Es ist Aufgabe der Atomindustrie – und nicht der Regierungen –, rechtzeitig Vorkehrungen für die Stilllegung zu treffen und dafür zu sorgen hat, dass die gesamten Kosten von Beginn an in der Bilanz ausgewiesen werden. Es ist schon zu oft vorgekommen, dass sich die Atomindustrie bei den Beträgen verrechnet und dann um finanzielle Unterstützung gebettelt hat. Das ist nicht hinnehmbar, denn wenn es die Atomindustrie nicht schafft, bei den Stilllegungskosten entsprechend vorzusorgen, verzerrt das den Wettbewerb. Wenn die Entsorgungskosten nicht vernünftig eingerechnet werden, dann scheint Atomstrom viel günstiger zu sein, als er es wirklich ist. Hoffentlich wird die Kommission dafür sorgen, dass ein solches wettbewerbswidriges Verhalten in Zukunft nicht mehr erlaubt ist.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie haben wir uns entschlossen, einen Initiativbericht über die Verwendung der für die Stilllegung von Atomkraftwerken vorgesehenen Finanzmittel einzubringen. Grund dafür war, dass die Verwaltung dieser Mittel Teil eines Gesamtpakets zur Atomsicherheit ist, zu dem das Parlament eine Stellungnahme angenommen hat, zu dem aber im Rat keine Einigung erzielt wurde.

Von der Kommission erwarten wir, dass sie in dieser Angelegenheit einen neuen Richtlinienvorschlag vorlegt. Darin sollte gewährleistet werden, dass der Rückbau von Atomkraftwerken sicher erfolgt und ausreichend Mittel dafür zur Verfügung stehen, die Reaktoren für tausende von Jahren von der Umwelt abzuschotten.

Die Verwaltung der Stilllegungsmittel sollte grundsätzlich in die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden fallen. Dennoch könnten wir uns auf die Aufstellung gemeinsamer Regeln verständigen und dies damit begründen, dass das Herunterfahren von Atomkraftwerken Auswirkungen auf die Sicherheit der Beschäftigten und die Gesundheit von Menschen über nationale Grenzen hinweg hat. Ein möglicherweise auftretendes Problem wird sich immer über Staatsgrenzen hinweg auswirken.

Leider können wir nicht viel Vertrauen dahingehend haben, dass alle Mitgliedstaaten Rückstellungen bilden, damit wir ganz sicher sein können, dass noch für viele kommende Generationen ausreichend Geld zur Verfügung steht. Ein Indiz dafür ist die Stilllegung des Atomkraftwerks Bohunice, ganz zu schweigen von Ingalina. Dafür brauchen wir eine EU-Finanzierung. Wenn die Mittel für den Rückbau nicht vollständig über den Strompreis eingenommen werden, dann führt das zu einer Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Strommarkt. In diesem Sinne haben diese Mittel auch Auswirkungen auf den Binnenmarkt. In Atomkraftwerken erzeugter Strom sollte nicht einfach deshalb billig sein, weil die Kosten für den Rückbau der Kraftwerke auf die kommenden Generationen verlagert werden.

Die Berichterstatterin, Frau Harms, hat eine gewissenhafte Arbeit geleistet, indem sie, in Form dieser Berichte, eine Botschaft an die Kommission sendet, in der sie diese auffordert, eine neue Richtlinie auszuarbeiten.

 
  
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  Nils Lundgren, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Betrieb und Stilllegung von Kernkraftwerken in Europa können grenzüberschreitende Auswirkungen haben. Daher müssen sie, im Gegensatz zu den meisten anderen Bereichen, auf Gemeinschaftsebene kontrolliert werden. Die Kernkraft gleicht jedoch anderen verarbeitenden Branchen. Die technischen Entwicklungen führen oft zur Verlängerung der Lebensdauer von Reaktoren. In Zukunft können vielleicht sogar Reaktordruckbehälter ausgetauscht werden. Wir können daher nicht mit Sicherheit sagen, wann ein Reaktor stillgelegt werden muss. Bei den inzwischen durchschnittlich 25 Jahre alten schwedischen Reaktoren wird die Leistung jetzt deutlich angehoben und daher davon ausgegangen, dass ihre verbleibende Betriebsdauer noch beachtlich ist.

Natürlich ist eine Stilllegung mit Kosten verbunden, für die Mittel bereitgestellt werden müssen. In meinem Heimatland Schweden, wo etwa die Hälfte der Elektroenergie durch Kernreaktoren erzeugt wird, wurde die entsprechende Finanzierung von Anfang an sichergestellt. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass dies in allen demokratischen Ländern so ist. Detaillierte bürokratische Vorschriften für die Überwachung dieses Prozesses sind daher nicht nötig. Es mutet nachgerade absurd an, dass Technokraten in Brüssel nötig sein sollen, damit sie erfahrene Kernkraftexperten in den Mitgliedstaaten bevormunden. Die Regierungen und Behörden der Mitgliedstaaten unterliegen einer demokratischen Kontrolle und können die Bürger keinen Gefahren aussetzen.

Es ist jedoch offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten, in denen früher undemokratische kommunistische Regimes geherrscht haben, sich in einer gänzlich anderen Situation befinden. Ihre Reaktoren entstammen einer anderen Sicherheitskultur, in der größere Risiken eingegangen wurden und keine ausreichenden finanziellen Rückstellungen für die Stilllegung erfolgten. Es wäre ein deutliches Zeichen der Solidarität vonseiten der reicheren Mitgliedstaaten, wenn diese hierfür Mittel bereitstellten. Aber wie viel? Da die Finanzielle Vorausschau nicht angenommen wurde, sollte die Finanzhilfe für Bohunice V1 in der Slowakei nach Ansicht der Juniliste zunächst auf den von der Kommission vorgeschlagenen Betrag in Höhe von 237 Millionen Euro für den Zeitraum 2007–2013 festgelegt werden. Damit würden wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu Beihilfen aus dem Gemeinschaftshaushalt für die Zeit danach verpflichten.

 
  
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  Umberto Pirilli, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist von strategischer Bedeutung für die Politik der Europäischen Union. Die Probleme, die wir zu erörtern haben, betreffen das Kernkraftwerk Bohunice in der Slowakischen Republik und damit verbunden die Verwendung der finanziellen Ressourcen für die Stilllegung
von Leistungsreaktoren.

Das erste Problem berührt die Anwendung des Protokolls Nr. 9 zur Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik. Artikel 3 dieses Protokolls sieht die Fortführung der Finanzhilfe für die Stilllegung der Reaktoren 1 und 2 des Kraftwerks Bohunice vor. Unserer Auffassung nach müssen die größtmöglichen finanziellen Anstrengungen unternommen werden, um die Reaktoren 1 und 2 in Bohunice im Rahmen ihres Abschaltens sicher zu machen.

Das Problem, das ich herausstellen möchte, betrifft jedoch die Sicherheit auf unserem gesamten Kontinent und die damit verbundene Frage, wie diese Sicherheit Hand in Hand mit einer geeigneten und wirksamen Energieversorgungspolitik angestrebt werden kann, die angesichts der Herausforderungen der Innovation und Entwicklung eine entsprechende finanzielle Wettbewerbsfähigkeit des Systems Europa gewährleisten muss.

Heute gibt es in Europa 155 aktive Leistungsreaktoren, die in den nächsten Jahren zu mindestens einem Drittel vom Netz genommen werden sollen. Das Abschalten von 50 oder 60 Leistungsreaktoren wird Kosten verursachen, die sich realistisch betrachtet auf etwa 50 Milliarden Euro belaufen dürften. Da sich die meisten dieser Reaktoren in den neuen Mitgliedstaaten befinden, die folglich strukturell und finanziell weniger leistungsfähig sind, steht die Kommission zunächst vor der Aufgabe, für deren Stilllegung ein umfassendes Hilfe- und Unterstützungsprogramm zugunsten dieser Länder aufzustellen.

Ein zweites Problem beinhaltet die Notwendigkeit, eine gewissenhafte Kosten-Nutzen-Analyse der Kernkraftwerk vorzusehen, wobei diese Parameter mit den Bau- und den Stillegungskosten verglichen werden müssen, die selbstverständlich auf die durchschnittliche Funktionsdauer der Reaktoren bezogen sein müssen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Analyse können und müssen dann endgültige und beherzte Entscheidungen in dieser oder jener Richtung getroffen werden.

Ein letztes, nicht weniger schwerwiegendes Problem betrifft das, was außerhalb Europas geschieht. Heute sind weltweit 440 Reaktoren in Betrieb, und weitere 25 befinden sich im Bau. Nach Tschernobyl war die Weltöffentlichkeit sprachlos angesichts des schlechten Zustands und des hohen Gefährdungsgrads, der von unzähligen Reaktoren, darunter vielen in der ehemaligen Sowjetunion, für die Menschheit ausgeht.

Ist das Parlament eingedenk dessen nicht der Auffassung, der Kommission die Aufnahme von Verhandlungen mit den USA Staaten, mit Russland und allen anderen betroffenen Ländern empfehlen zu müssen, um weltweit eine Sicherheits- und Sanierungspolitik auf den Weg zu bringen?

 
  
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  Sergej Kozlík (NI).(SK) Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen veranlassten die Organe der Europäischen Union die Slowakische Republik, einer vorzeitigen Stilllegung von zwei Blöcken des Kernkraftwerkes Jaslovské Bohunice zuzustimmen, obwohl die Internationale Atomenergie-Organisation bestätigt hat, dass das Werk die Kriterien für einen sicheren Langzeitbetrieb erfüllt.

Die erzwungene – und politisch motivierte – vorzeitige Abschaltung dieser Kernanlagen wird die Energieprobleme der Slowakei und der Europäischen Union insgesamt verschärfen. Die Slowakische Republik wird die Mittel nicht aufbringen können, die für einen sicheren Rückbau der Kernanlagen erforderlich sind, auch nicht mit der finanziellen Unterstützung durch die Europäische Union in der derzeitigen Höhe. Im Vergleich dazu liegen die Kosten, die die Union für das litauische Kernkraftwerk in Ignalina veranschlagt hat, dreimal höher als die für das slowakische Werk, worüber man einmal nachdenken sollte.

Deshalb möchte ich Sie, meine Damen und Herren, bitten, sich zumindest für die Minimallösung auszusprechen, wonach die Förderung der Stilllegung der Reaktoren von Bohunice, wie vom ITRE-Ausschuss vorgeschlagen, von 237 Millionen Euro auf 400 Millionen Euro aufgestockt wird.

 
  
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  Romana Jordan Cizelj (PPE-DE).(SL) Im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten möchte ich die Frage der Finanzmittel für die Stilllegung von Kernkraftwerken ansprechen.

Unsere Fraktion vertritt die Ansicht, dass Finanzmittel nach dem Verursacherprinzip bereitgestellt werden sollten. Auch sprechen wir uns dafür aus, dass diese Mittel angemessen sein und zu dem in den Stilllegungsprogrammen der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Zeitpunkt verfügbar gemacht werden müssen. Die Bereitstellung der Mittel ist vor dem Ende der angenommenen Nutzungsdauer eines Kernkraftwerks zu sichern. Die Mittel müssen zweckgebunden verwendet, transparent verwaltet und in Übereinstimmung mit den europäischen Rechtsvorschriften zur Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt werden.

Unsere Fraktion hält es für nicht hinnehmbar, dass sich der Rückbau aufgrund unzureichender finanzieller Mittel verzögert. Akzeptieren können wir allerdings geplante Verzögerungen über Zeiträume, in denen der anhaltende radioaktive Zerfall die Radioaktivität der Materialien und folglich die Strahlenexposition der Arbeitnehmer vermindert.

Aufgrund unserer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen müssen wir auf europäischer Ebene einen geeigneten Mechanismus zur Überwachung und Verwaltung dieser Finanzmittel finden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zwischen den Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten und der Europäischen Union gemäß dem Euratom-Vertrag ein ausgewogenes Verhältnis notwendig ist.

Herr Kommissar Piebalgs, mir geht es darum, dass wir unsere Praxis auf europäischer Ebene überwachen und sicherstellen müssen, dass die eingegangenen Verpflichtungen und die internationalen Standards seitens der Mitgliedstaaten und Kandidatenländer – Bulgarien und Rumänien – eingehalten werden. Gleichzeitig müssen wir auch die Entwicklungen in den Ländern aufmerksam verfolgen, mit denen Beitrittsverhandlungen begonnen haben. Damit meine ich Kroatien, das zu 50 % am Kernkraftwerk Krško (in Slowenien) beteiligt ist und gleiche Verpflichtungen wie die anderen Kernenergiestaaten eingegangen ist.

 
  
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  Reino Paasilinna (PSE).(FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Das Problem mit der Stilllegung des Atomkraftwerks Bohunice ist dasselbe wie das bei Ingalina. Beide Anlagen befinden sich, laut der Internationalen Atomenergieorganisation, derzeit in einem Zustand, dass sie noch weiter betrieben werden könnten. Europa hat eine fortwährende Energiekrise, was zum Teil daran liegt, dass der Ölpreis auf den Märkten fortwährend willkürlich schwankt. Der Verbrauch steigt, und gleichzeitig müssen wir letztlich auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Treibhauseffekts ergreifen.

Die neuen, kleinen Mitgliedstaaten, die nicht in ausreichendem Maße über alternative Energieformen verfügen, müssen dennoch unter dem Druck, der seit ihrem EU-Beitritt von den alten Mitgliedstaaten auf sie ausgeübt wird, ihre Kraftwerke schließen. Dieser Druck war teilweise auf die Angst und das Misstrauen gegenüber der sowjetischen Technik zurückzuführen, hatte teilweise aber auch mit der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile zu tun. Es ist recht und billig, dass die Slowakei und die anderen neuen Mitgliedstaaten, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, ausreichende finanzielle Unterstützung zur Deckung der Stilllegungskosten erhalten. Wir schlagen 400 Millionen Euro vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Rückbau durch Firmen aus den großen, alten Mitgliedstaaten durchgeführt wird. Das Problem wird indessen bestehen bleiben: Unser Energieverbrauch wird weiter steigen, und die Zeit wird nicht ausreichen, die Situation mit Hilfe erneuerbarer Energien zu lösen. Der Energieverbrauch zum Kühlen hat sich beispielsweise in Schweden in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Zum Kühlen! Zuwächse in der Erdölgewinnung werden von China geschluckt. Wir brauchen eine neue Energiepolitik.

 
  
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  Šarūnas Birutis (ALDE).(LT) Unter erheblichem Druck wurden Beitrittskandidaten wie die Slowakei, Litauen und jetzt Bulgarien vor einigen Jahren bedingungslos gezwungen, ihre Kernkraftwerke vor Ablauf ihrer geplanten Betriebszeit stillzulegen. Solche Unternehmungen sind schwerlich wirtschaftlich zu untermauern oder logisch zu erklären. Wir müssen eingestehen, dass einige unbegründete politische Entscheidungen getroffen wurden.

Die meisten Fachleute räumen ein, dass die vorzeitige Schließung von Kernkraftwerken ein harter Schlag für die Wirtschaften der Regionen ist und eine milliardenschwere Belastung der EU-Steuerzahler darstellt.

Eine zentrale Aufgabe besteht darin zu helfen, die Energiesicherheit in diesen Regionen zu gewährleisten, da die erzwungene Stilllegung von Kernkraftwerken nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Abhängigkeit von anderen Energielieferanten zu schaffen droht. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders eine unabdingbare Voraussetzung für die Stilllegung betonen, nämlich die Entwicklung eines gemeinsamen EU-Energiesystems und die Lieferung von Energieressourcen.

Der Rückbau von Kernkraftwerken muss in diesem Falle durch ausreichende und rechtzeitig bereitgestellte Mittel gestützt werden, und die Anlagen dürfen nicht auf Kosten anderer stillgelegt werden. Die veränderte Situation erfordert die umsichtigste Lösung – den fortgesetzten Betrieb von Kraftwerken.

Wir müssen mit einem vernünftigen Sinn für die Realität an die Situation herangehen.

 
  
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  Vladimír Remek (GUE/NGL).  – (CS) Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Das Problem, das wir im Hinblick auf das Atomkraftwerk Bohunice haben, besteht darin, dass sich ein neuer Mitgliedstaat selbst dazu verpflichtet hat, eine für das Land äußerst wichtige Energiequelle stillzulegen. Dieses Kraftwerk ist bei weitem noch nicht am Ende seines Lebenszyklus angelangt. Mehr noch, viel Geld wurde für seine Modernisierung ausgegeben, und die Internationale Atomenergie-Organisation hat bestätigt, dass es die Normen für ähnliche Atomanlagen des gleichen Alters erfüllt. Bekanntermaßen stand die Slowakei unter einem gewissen internationalen Druck, so dass sie sich verpflichtet hat, Bohunice stillzulegen. Die damalige Regierung ließ sich dabei von dem Gedanken leiten, dass sie der EU beitreten möchte. Die heutige Regierung hat die Absicht, das Versprechen einzulösen, obwohl dies der slowakischen Wirtschaft abträglich ist und bedeutet, dass das Land Energie zu einem Zeitpunkt einführen muss, da die Energiepreise ständig steigen.

Meiner Meinung nach sollten wir uns der Schlussfolgerung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie anschließen und für die vorgeschlagene Aufstockung der gemeinschaftlichen Mittel für eine sichere Stilllegung des Kraftwerks Bohunice stimmen, damit die slowakische Wirtschaft nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. Die Menschen in der Slowakei dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union und der Einhaltung strenger Vorschriften, die von vielen als ziemlich ungerechtfertigt angesehen werden, im Endeffekt den Kürzeren ziehen.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Ich möchte die Situation zusammenfassen. Zwei Kernkraftwerke sind in die Jahre gekommen und unsicher und müssen stillgelegt werden. Die Kosten für die Abschaltung der Anlagen betragen fast zwei Milliarden Euro. Für die laufende Instandhaltung der stillgelegten Anlagen wird man für mehrere Jahrzehnte oder vielleicht ein ganzes Jahrhundert ein Expertenteam beschäftigen müssen. Es muss nun einmal getan werden, und uns wird gesagt, dass es die EU richten muss. Fehler der Vergangenheit sind teuer. Das einzig Positive an dieser katastrophalen Situation ist, dass wir eine Lektion für die Zukunft erhalten. Werden wir sie als solche begreifen? Werden wir aus den Folgen unserer Schwärmerei für die Kernkraft lernen?

In den Ländern, die sich dazu entschließen, ihre Anlagen zu privatisieren oder den Eigentümer zu wechseln, findet ein gefährliches Schwarzer-Peter-Spiel statt, wer für die Stilllegungskosten aufzukommen hat. Wir wissen, dass ein Kernkraftwerk nicht auf unbegrenzte Dauer in Betrieb bleibt, aber bedenken wir das, bevor sie gebaut werden? Stilllegungskosten sollten von vornherein mitkalkuliert werden, und dann muss jemand hergehen und die Verantwortung für die finanzielle und organisatorische Belastung übernehmen, die mit der Beseitigung des zurückbleibenden Atommülls verbunden ist.

Vor 28 Jahren erzählte uns der damalige Industrie- und Handelsminister Des O’Malley, dass Irland ohne Kernkraft nicht überleben würde. Uns wurde erzählt, dass wir ohne Licht im Dunkeln sitzen würden, dass wir auf unsere Melkmaschinen verzichten und wieder mit der Hand melken müssten und dass der Strom rationiert würde. Weil die Menschen in Irland an die Zukunft dachten, sagten sie nein. Sie bedachten die Art von Problemen, die wir jetzt bei der Stilllegung der beiden zur Debatte stehenden Anlagen und vielen anderen veralteten Atomruinen haben.

Irland musste wegen mangelnder Kernkraft nicht dicht machen. Wir haben noch immer keine Kernkraft und wir haben die stärkste Wirtschaft in der EU. Die irische Wirtschaft hat sich stark entwickelt, trotz der Tatsache, dass das Land keine Kernkraft hat. Den irischen Kernkraftgegnern möchte ich hier meine Anerkennung aussprechen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch die Entscheidungsträger auffordern, die Beispiele in Litauen, der Slowakei und Irland zu bedenken, bevor sie sich entschließen, eine neue Generation von Kernkraftwerken einzuführen. Es gibt bessere, sicherere und billigere Möglichkeiten, die Räder am Laufen und das Licht am Brennen zu halten.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei der Berichterstatterin dafür bedanken, dass sie sehr umfassend und in die Tiefe gehend Analysen angestellt hat. Es war immer schon unsere Meinung, dass die Sicherung und Sicherheit von Nuklearkraftwerken ein europäisches Thema ist, dass gerade solche Themen uns alle betreffen, weil bei einem Störfall oder bei Problemen alle Bürger in Europa betroffen sind.

Die Stilllegung und Endlagerung ist eine klare Frage des Wettbewerbsrechts. Wir müssen darauf achten, dass die Finanzmittel im Einklang mit dem EU-Wettbewerbsrecht vergeben werden, und ich glaube, dass auch die rechtliche Ausgestaltung zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen zur Verfügung stehen muss, und zwar von Wettbewerbsverzerrungen sowohl zwischen den Mitgliedstaaten, aber vor allem auch zwischen den Erzeugern; nicht nur im Bereich der Nuklearenergie, sondern bei allen Energieformen. Aus diesem Grund steht für uns im Zentrum, dass wir peer review brauchen, das heißt die gegenseitige Kontrolle und die Transparenz in der Ausführung, und dass wir insbesondere darauf achten müssen, dass in Zukunft die Mittel für die Stilllegung, für die Endlagerung und für die Sicherung vom Konsumenten der jeweiligen Energieform zur Verfügung gestellt werden.

Wir sollten von Seiten der Europäischen Union, des Rechnungshofs und der verschiedenen Institutionen klare Vorgaben machen. Es kommt darauf an, die Situation so klar wie möglich darzustellen und auch bei den Kosten Modelle anzuwenden, die für den Verbraucher die Kosten minimieren, aber Sicherung, Sicherheit, Endlagerung und Stilllegung optimieren.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Grundsätzlich würde ich mich viel wohler in einem Europa ohne Atomkraftwerke und die damit verbundenen Risiken fühlen. Aber weil es eine nationale Entscheidung ist – wie der Kommissar richtig gesagt hat –, müssen wir den Fragen der Sicherheit natürlich besonderes Augenmerk schenken; es muss sich auch um europäische Regeln und Normen handeln.

Nur geht es in diesem Fall ja um ein Kraftwerk, das vor dem Beitritt zur Europäischen Union gebaut wurde, und das jetzt wegen dem Beitritt zur Europäischen Union geschlossen werden muss. Es geht um ein Kraftwerk in einem nicht sehr wohlhabenden Land, in einem Land, das wirtschaftliche Probleme hat. Das muss man, glaube ich, mit berücksichtigen, und deshalb haben sich gerade die österreichischen Abgeordneten in der Sozialdemokratischen Fraktion sehr dafür eingesetzt, dass wir zu einem höheren Beitrag für die Stilllegung dieses Kraftwerkes kommen. Die Fraktion der Sozialdemokraten wird daher diesem höheren Beitrag auch zustimmen. Ich sehe hier keinen großen Widerspruch zur finanziellen Vorausschau, denn langfristig sind diese Mittel durchaus unterzubringen.

Ich darf nochmals an die Kolleginnen und Kollegen appellieren, die Slowakei in diesem Fall wirklich zu unterstützen, ihr unter die Arme zu greifen und zu helfen, damit wir dieses Kraftwerk möglichst rasch schließen können und damit der Sicherheit in Europa dienen.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE).(EN) Herr Präsident! Wir alle scheinen uns einig zu sein, dass die Stilllegung von Kernkraftwerken aus Gründen der Sicherheit und des Umweltschutzes notwendig ist, doch die eigentliche Frage ist, wer dafür aufkommen soll und ob diese Kosten nicht bei der Planung neuer Kernkraftwerke in Zukunft berücksichtigt werden sollten.

Wir haben gehört, dass in der EU etwa 60 Kernkraftwerke in den nächsten 20 Jahren vom Netz gehen müssen, was pro Anlage durchschnittlich 500 Millionen Euro kostet. Das bedeutet, dass sage und schreibe 30 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren benötigt werden! Das ist etwa dreißig Mal so viel wie der Jahreshaushalt meines Landes Zypern und ein Betrag, mit dem sich Hunderte von Krankenhäusern, Schulen und anderen nützlichen Einrichtungen bauen ließen. Mein Land hatte mit Kernmaterial nie etwas zu tun, abgesehen von der skandalösen Lagerung von Atombomben durch die Briten an ihren dortigen Kolonialstützpunkten.

Ist es da nicht fairer, wenn Länder, die aus der Erzeugung von Kernenergie Gewinn gezogen haben, selbst in deutlich höherem Maße zur Stilllegung ihrer Kernkraftwerke beitragen? Und warum sollten diejenigen, die für den Bau dieser Anlagen verantwortlich waren – beispielsweise die russische Regierung sowie zahlreiche multinationale Unternehmen – nicht dazu aufgefordert werden, gemäß dem Verursacherprinzip ihren Beitrag zu leisten? Wäre es außerdem nicht fairer, wenn dieser Beitrag von den EU-Ländern käme, die selbst von der Erzeugung von Kernenergie profitieren? Ich vertrete den klaren Standpunkt, dass Mitgliedstaaten, die selbst keine Kernenergie nutzen, nicht für die Stilllegung von Kernkraftwerken in anderen Mitgliedstaaten aufkommen sollten.

 
  
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  Erik Meijer (GUE/NGL).(NL) Herr Präsident! In den nächsten 20 Jahren muss mehr als ein Drittel der 150 europäischen Kernkraftwerke stillgelegt werden. Wer muss für die Kosten aufkommen: der Steuerzahler oder der Verursacher? Nicht vorhandene Mittel sollten nicht dazu führen, dass veraltete Kraftwerke länger betrieben werden. Abfälle umfassen nicht nur radioaktives Material, das nach der Stilllegung zurückbleibt. Einschließlich der Kosten von altem spaltbaren Material, dem Abtransport und von Bergbauabfällen fallen die externen Kosten wahrscheinlich erheblich höher aus als die geschätzte eine Milliarde pro Kernkraftwerk.

Zu Recht empfiehlt Frau Harms, dass die Energieversorgungsunternehmen jährlich Mittel in einen Fonds einzahlen, der sämtliche Kosten der Stilllegung, der Entsorgung und der Lagerung von radioaktiven Abfällen deckt. Durch Einbeziehung dieser Kosten wird der Preis der Kernenergie nicht mehr durch Beihilfen künstlich niedrig gehalten und zeigt sich, wie gering der wirtschaftliche Wirkungsgrad ist. Bis heute führt die intransparente Kopplung zwischen zivilen und militärischen Zielen zu einer regelrechten Wettbewerbsverzerrung und zu verkappten Ausfuhrsubventionen. Wir begrüßen den Vorschlag, eine Liste von Stilllegungskriterien aufzustellen, die mit Reservefonds verbunden sind, in die Energieunternehmen angemessene Mittel für die Entsorgung der Abfälle sowie für die Stilllegung einzahlen.

 
  
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  Peter Baco (NI).(SK) Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie ergebenst um Ihre Unterstützung für die geänderten Vorschläge bitten, die der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie zur vorzeitigen Schließung des Kernkraftwerks V1 im slowakischen Jaslovske Bohunice vorgelegt hat.

In seinen Vorschlägen stellt der Ausschuss fest, dass die Slowakei ihrer Verantwortung in diesem Bereich ordnungsgemäß nachkommt. In den Vorschlägen wird zudem auf die erheblichen finanziellen Verluste hingewiesen, die die Slowakei infolge der vorzeitigen Schließung der Anlage erleiden wird. Die Verluste sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass durch die vorzeitige Schließung der Anlage die für die spätere Stilllegung vorgesehenen Finanzmittel jetzt nicht aufgebracht werden. Darüber hinaus sind die 250 Millionen Euro, die die Slowakische Republik in die Modernisierung des Werkes investiert hat, um für dessen langfristige Betriebssicherheit zu sorgen, damit vergeudet.

Der vorgeschlagene Beitrag von 400 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt zu den Kosten der vorzeitigen Schließung stellt daher eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der Verpflichtungen dar, die sowohl die Europäische Union als auch die Slowakische Republik eingegangen sind.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE).(SK) Die Frage der Finanzierung der vorzeitigen Schließung des Kernkraftwerkes Bohunice ist nicht nur für den Nuklearsektor, sondern für die gesamte Energiepolitik der Slowakischen Republik von zentraler Bedeutung.

Die Slowakei ist bereit, ihrer Verpflichtung gemäß Protokoll Nr. 9 zum EU-Beitrittsvertrag nachzukommen, obwohl sie 250 Millionen Euro in die Modernisierung und in die Verbesserung der Sicherheit des Werkes Bohunice investiert hat. Hinzu kommt, dass die Slowakei so wie viele andere EU-Länder selbst über keine nennenswerten natürlichen Energieträger verfügt und die Abschaltung von zwei Blöcken dieser Anlage ihre Selbstversorgung mit Energie empfindlich beeinträchtigen wird.

Die slowakische Öffentlichkeit ist derzeit gegen den Rückbau der Anlage in Bohunice. Die Menschen in der Slowakei sind sich der Konsequenzen der Energiekrise und daraus resultierender Strompreissteigerungen durchaus bewusst. Daher würde eine Ablehnung des Ersuchens um mehr Finanzmittel der Europäischen Union den Gegnern der Stilllegung in die Hände spielen.

Gestützt auf die Studie, die als Grundlage für die Gespräche mit der Kommission diente, hat die Slowakei 702 Millionen Euro beantragt, während von der Kommission 237 Millionen Euro vorgeschlagen wurden. Der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Industrie, Forschung und Energie billigte als Kompromiss 400 Millionen Euro. Ich möchte Sie alle bei dieser Gelegenheit darum bitten, Solidarität mit meinem Land zu bekunden und dem Vorschlag des Industrieausschusses Ihre Unterstützung zu geben.

 
  
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  Miloš Koterec (PSE).(SK) Während des EU-Beitrittsprozesses tat die Slowakische Republik alles in ihrer Kraft Stehende, um den weiteren Betrieb ihrer Kernkraftwerke vom Typ WWER zu sichern und gleichzeitig deren Sicherheit auf europäische Standards zu bringen, um die Bürger der Slowakei und aller Länder der Union, insbesondere unsere Nachbarn, zu schützen.

Im Laufe des Beitrittsprozesses haben wir etwa 250 Millionen Euro in die beiden Blöcke des Kernkraftwerkes Bohunice investiert – eine erhebliche Summe für ein Land, dessen BIP nur knapp über 50 % des EU-Durchschnitts liegt –, und nach Aussage der Internationalen Atomernergie-Organisation haben wir damit den sicheren Betrieb der Anlage bis 2015 gewährleistet.

Ein Außenstehender könnte nun die Frage stellen: „Wenn das so ist, warum brauchen Sie dann das Geld für den Rückbau der Anlage im Haushaltszeitraum 2007-2013?“ Und der Experte würde antworten: „Weil sich die Slowakei während ihres Beitrittsprozesses sozusagen unter dem Druck der Umstände verpflichtet hat, die beiden Blöcke 2006 bzw. 2008 stillzulegen.“ Es bedarf keiner großen mathematischen Künste, um zu erkennen, dass damit viele Millionen Euro den Bach hinuntergespült werden.

Uns wurde jedoch zugesichert, dass die Union uns beim Rückbau helfen würde. Wenn sich die direkten und indirekten Gesamtkosten für die Stilllegung auf mehrere Millionen Euro beläuft, wäre der von der Kommission vorgeschlagene Betrag von 237 Millionen Euro recht niedrig. Wie Frau Harms in ihrem zweiten Bericht anführt, unterstützt die Slowakei natürlich die Einrichtung spezieller Fonds für die Stilllegung von Kernkraftanlagen und ist bereit, einen erheblichen Teil der Gesamtkosten für den Rückbau selbst zu übernehmen. Dennoch sollte auch der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigt werden. Wenn nach Expertenschätzungen die zur Einhaltung des Termins benötigte Unterstützung 702 Millionen Euro beträgt, dann scheint die vom Industrieausschuss vorgeschlagene Kompromisssumme von 400 Millionen Euro durchaus akzeptabel, und eine Reihe von Argumenten spricht dafür, dass dieser Betrag auch für die Endfassung des Haushaltsplanes kein Problem sein dürfte.

Ich meine, dass beide Berichte, über die wir gerade beraten, einen gemeinsamen Nenner haben, nämlich die Sicherheit von Nuklearanlagen. Wenn es in der EU das gemeinsame Ziel gibt, in dieser Frage einem bestimmten Zeitplan zu folgen, dann muss es auch das gemeinsame Ziel geben, die dafür erforderliche Finanzierung bereitzustellen. Gehen diese beiden Ziele nicht Hand in Hand, hätte dies meiner Ansicht nach früher oder später zur Folge, dass sich die Union den Konsequenzen dieser Unstimmigkeiten stellen muss.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin für ihre sehr zutreffende und eingehende Analyse der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Stilllegung danken.

Was Bohunice betrifft, so erfolgte die Entscheidung zur Abschaltung der Reaktoren aus Sicherheitsgründen. In der Europäischen Union entscheidet die WENRA – die Westeuropäische Vereinigung der Regulierungsstellen für den Nuklearsektor – über die Sicherheitsanforderungen in einzelnen Mitgliedstaaten. Danach sind diese Arten von Reaktoren nicht nachrüstbar, nicht weil sie noch aus der Sowjetunion stammen, sondern wegen ihrer technischen Merkmale. Das ist der Grund, warum die Abschaltung dieser Reaktoren bei den Verhandlungen gefordert wurde. Dieser Sachverhalt war schon frühzeitig bekannt, weshalb in den Verhandlungen alle möglichen Konsequenzen berücksichtigt wurden. Die Entscheidung wurde nicht im letzten Paket getroffen: In vielen Fällen, darunter auch im Falle der Slowakischen Republik, haben die Regierungen frühzeitig Zusagen gegeben, einzelne Reaktoren wie zum Beispiel in Bohunice abzuschalten. Deshalb muss ich das Argument, hier sei politischer Druck ausgeübt worden, zurückweisen: Die Entscheidung beruhte auf Analysen jener Stellen, die für die nukleare Sicherheit in der Europäischen Union verantwortlich sind. Das ist Fakt.

Es wurden entsprechende Verhandlungen geführt, in denen alle eventuellen Auswirkungen berücksichtigt wurden, und das nicht nur in Bezug auf die Stilllegung, sondern auch im Hinblick auf andere Fragen. Das ist auch der Grund, warum wir unterschiedliche Protokolle für Litauen und die Slowakei haben.

Mir ist bewusst, dass die Stilllegung eine gewaltige Aufgabe ist, aber ich kann ohne weiteres erläutern, wie der Vorschlag der Kommission zustande kam: Er beruhte auf den Ergebnissen der Beitrittsverhandlungen. Jede andere Frage sollte auf anderen Erwägungen beruhen, aber in dieser Phase können wir einfach nicht mehr andere Erwägungen anstellen.

Meine Dienststellen stehen in engem Kontakt mit den slowakischen Behörden, um die bevorstehenden Aufgaben zu erörtern. Es handelt sich jedoch ganz klar um eine Verpflichtung, der die Bürger der Europäischen Union und die slowakischen Bürger in den Beitrittsverhandlungen zugestimmt haben und die nun erfüllt werden muss, nicht nur seitens der EU, sondern auch von slowakischer Seite. Deshalb handelt es sich um eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen sollten.

Gleichzeitig ist noch zu klären, ob die Verwendung von Stilllegungsfonds zu einem Zeitpunkt sinnvoll war bzw. ist, zu dem alle Reaktoren noch in Betrieb waren und es noch sind: Wenn man keinen Stilllegungsfonds hat, ist der Preis günstiger. Aber wer kommt dann letztlich dafür auf? Die Steuerzahler? Andere Bürger? Das ist wirklich eine Herausforderung globaler Art.

Die heutige Debatte zu dieser späten Stunde ist sehr wichtig. Die Kommission hat bereits versucht, Gesetzesvorschläge zu den Stilllegungsfonds zu erarbeiten, denn sie sind für die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union und für die Klärung der Frage, wer sie bezahlen soll, von entscheidender Bedeutung. Ich bin völlig einverstanden damit, dass der Verursacher zahlen sollte. Dieses Element sollte in den Preis einbezogen werden.

Die Kommission wird eine Empfehlung erarbeiten und auf eine ausreichende und transparente Verwendung der Stilllegungsfonds drängen, die bei Bedarf bereitstehen sollten. Diesen Tatsachen sollten wir uns ganz klar stellen, wenn wir über Kernenergie reden. Wettbewerbsfragen werden keinesfalls aus der Diskussion ausgeklammert, denn es ist äußerst wichtig zu wissen, welche Stützungsregelungen wir für die anderen Teile unseres Energiemixes vorsehen. Das ist eine sehr wichtige Frage.

Ich danke Ihnen für die Aussprache heute Abend. Es freut mich wirklich, dass sie so ausführlich war. Wir sollten diese Debatte fortsetzen, wenn wir uns wieder Energiefragen widmen.

(Beifall)

 
  
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  Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 

31. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

32. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 00.15 Uhr geschlossen.)

 
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