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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 17. Januar 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

11. Sicherheit der Energie- und insbesondere der Gasversorgung
Protokoll
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  Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Sicherheit der Energie- und insbesondere der Gasversorgung.

 
  
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  Martin Bartenstein, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ereignisse in der ersten Jännerwoche im Zusammenhang mit dem Gasdisput zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir die sichere Versorgung mit Energie nicht als Selbstverständlichkeit betrachten können.

Mehr als ein Viertel des Gasverbrauchs in der Europäischen Union wird durch Importe aus Russland gedeckt. Bis zu 80 % davon werden über die Ukraine transportiert. Daher ist ein ungestörter und kontinuierlicher Transport von Gas aus Russland durch die Ukraine in die Europäische Union für Haushalte und Unternehmen von essenzieller Bedeutung. Tatsächlich sind aber in einigen EU-Mitgliedstaaten am 1. und 2. Jänner dieses Jahres Lieferausfälle von bis zu 50 % eingetreten. Mit einer diplomatischen Initiative haben die Europäische Kommission und die österreichische Präsidentschaft ihren Beitrag zu einer raschen Beendigung dieser Ausfälle geleistet. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Probleme zwischen Moldawien und Russland ansprechen und beide Partner ersuchen, am Verhandlungstisch nach einer längerfristigen Lösung zu suchen. Laut Medienberichten gibt es eine Einigung für einen Zeitraum von drei Monaten. Aber das ist mit Sicherheit sehr kurzfristig.

Jetzt gilt es, aus den Ereignissen die richtigen Lehren zu ziehen. Für die langfristige, sichere Versorgung Europas mit Erdgas sind aus meiner Sicht folgende drei Maßnahmen notwendig:

Erstens, die Diversifizierung der Herkunftsquellen und der Transportrouten für Erdgas. Eine Reihe von neuen Leitungsprojekten mit einer Transportkapazität von insgesamt 140 Mrd. m³ pro Jahr ist in Planung. Diese Projekte müssen zügig umgesetzt werden. Als Erfolg versprechendes Projekt ist die Pipeline „Nabucco“ von Österreich über die Türkei in den kaspischen Raum zu nennen. Mit dieser 3 300 km langen Gasleitung könnten in der Endausbaustufe – etwa im Jahre 2020 – bis zu 31 Mrd. m³ Erdgas auf einer neuen Route in die Europäische Union transportiert werden.

Zweitens, die Forcierung des Einsatzes von Liquified Natural Gas (LNG), verflüssigtem Erdgas. Die derzeitige Kapazität der bestehenden Anlagen beträgt ca. 60 Mrd. m³ pro Jahr. In einigen Ländern laufen Projekte zur Errichtung neuer Terminals oder Erweiterungen von bestehenden Anlagen. Bis 2010 kann eine Erhöhung der Kapazität auf 160 Mrd. m³ pro Jahr erwartet werden. Ziel der Europäischen Union sollte es sein, bis 2010 die importierten LNG-Mengen zu verfünffachen. Damit werden für die Europäische Union auch andere Lieferregionen verfügbar, mit welchen eine Pipelineverbindung nicht machbar ist.

Drittens, eine erhöhte Transparenz auf den Kohlenwasserstoffmärkten, um die hohe Preisvolatilität zu reduzieren und stabile, den Markt widerspiegelnde Preise sicherzustellen sowie eine bessere Informationslage über die importierten Erdgasmengen zu erhalten. Wesentlich dafür sind Investitionen in beträchtlichem Ausmaß. Damit die Unternehmen bereit sind, diese Investitionen auch tatsächlich zu tätigen, ist ein möglichst freundliches Investitionsklima in der Energiewirtschaft von entscheidender Bedeutung.

Kurzfristig werden wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir vergleichbare Situationen vermeiden oder ohne Konsequenzen überwinden können. Eine stärkere Integration des Leitungsnetzes in der Europäischen Union ist hier sicher eine Möglichkeit; sie würde den innergemeinschaftlichen Austausch von Gas erleichtern und so die einseitige Abhängigkeit einzelner Mitgliedstaaten von bestimmten Liefer- und Transitstaaten abschwächen. Der verstärkte innergemeinschaftliche Austausch von Gas setzt natürlich das Vorhandensein der erforderlichen Gasmengen voraus, weshalb wir auch Anstrengungen unternehmen müssen, um die Etablierung von liquiden Großhandelsmärkten zu unterstützen.

Ein weiteres Instrument im kurzfristigen Bereich ist sicherlich die Haltung von Gasvorräten zur Überbrückung von zweimonatigen Lieferausfällen, wobei nationale Besonderheiten, etwa die Speicherung in geologischen Hohlräumen oder die Bevorratung bei Kraftwerken oder Industrieanlagen, zu berücksichtigen sein werden.

Die österreichische Präsidentschaft wird einen Schwerpunkt auf die Energiepolitik und insbesondere auf die sichere Versorgung mit Energie legen. Versorgungssicherheit ist eine der drei Säulen, zusammen mit der Wettbewerbsfähigkeit und natürlich der Nachhaltigkeit der europäischen Energiepolitik, auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene. Europa muss mehr Anstrengungen unternehmen, um die energiepolitischen Herausforderungen zu meistern: Weltweit werden wir bis 2030 um 50 % mehr Energieverbrauch haben. Europas Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger wird deutlich zunehmen.

Insgesamt werden wir einen Ansatz mit der Verfolgung verschiedener Strategien wählen müssen, um die sichere Versorgung der europäischen Bevölkerung und der Industrie mit Energie zu gewährleisten. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft werden wir die Diversifizierung der Energieversorgung durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger verstärken müssen, etwa durch die Verdreifachung der Nutzung von Biomasse bis 2010. Die kosteneffiziente Nutzung von erneuerbaren Energien soll eine Stütze der europäischen Energieversorgung werden. Auch die Nutzung von Kohle mit sauberen Technologien sowie langfristig die Nutzung von Wasserstoff werden eine Option für Europa sein.

Aus österreichischer Sicht ist die Nutzung von Kernenergie hingegen keine Option. Insgesamt wird es auf der Angebotsseite notwendig sein, die Bemühungen für einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt weiter zu verfolgen und Investitionen in die Energieversorgung zu verstärken.

Auf der Verbraucherseite wiederum wird es notwendig sein, die Energieeffizienz in der Gemeinschaft zu verbessern. Derzeit gibt es große Unterschiede unter den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Energieeffizienz, gemessen als Energieverbrauch pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes. In diesem Zusammenhang können wir gemeinsam auf die Einigung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Richtlinie zur Endenergieeffizienz und zu Energiedienstleistungen verweisen.

Die Ereignisse am Neujahrstag haben auch gezeigt, wie wichtig die Beziehungen der Europäischen Union zu ihren Partnern sind. Diese Partnerschaften sind auf multilateraler Ebene – etwa durch die Dialoge im Internationalen Energieforum oder im Rahmen des Energievertrages mit Südosteuropa – und auf bilateraler Ebene – im Rahmen des Dialogs Europäische Union-Russland oder Europäische Union-OPEC – konsequent fortzuführen. Die Kooperationsbereitschaft ist zur Sicherung der Energieversorgung ein ganz wesentliches Element.

Wir verfügen also über eine Fülle von Möglichkeiten. An uns liegt es, sie effektiv und rasch zu nutzen. Da eine gesicherte Energiezukunft der Europäischen Union im Interesse aller Mitgliedstaaten liegt, bin ich davon überzeugt, dass uns dies auch gelingen wird.

(Beifall)

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Parlament eingangs dafür danken, dass es heute Zeit gefunden hat, um über die Sicherheit der Energie- und insbesondere der Gasversorgung zu debattieren. In gewisser Weise stellt dies die Fortsetzung der Debatte über hohe Ölpreise dar, die wir im letzten Jahr geführt haben. Derzeit kostet ein Barrel Öl über 60 US-Dollar.

Der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hat eine Diskussion über die Versorgungssicherheit der Europäischen Union ausgelöst. In die Schlagzeilen geriet der Gasstreit Anfang dieses Jahres, als Russland seine Lieferungen in die Ukraine für eineinhalb Tage einstellte. Das bekam auch die EU zu spüren, da weniger Gas in die Europäische Union gelangte.

Zwar ist es im Moment beruhigend, dass sich die Ukraine und Russland einigen konnten, aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. Das Problem ist nicht aus der Welt. Die kommerziellen Verhandlungen zwischen den beiden Seiten und damit die Suche nach einer Preisanpassungsformel, die für beide Seiten annehmbar ist, dauern an. Auch innerhalb der Ukraine sind die Auswirkungen zu spüren, wie das Misstrauensvotum gegen die Regierung letzte Woche gezeigt hat. Ebenso wenig dürfen wir vergessen, dass der Gaspreisstreit zwischen Russland und der Republik Moldau erst gestern beigelegt wurde, wobei Detailverhandlungen noch anstehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder aus den Ereignissen zu Jahresbeginn seine Lehren ziehen muss.

Worin bestehen also die Lehren, die die EU aus diesem Streit ziehen sollte? Erstens sollte die EU in Verbindung mit diesem speziellen Streit aktiv handeln, und das hat sie auch getan. Wir haben während des Streits nicht nur enge bilaterale Kontakte mit beiden Parteien unterhalten, sondern sie auch dringend aufgefordert, diesen Streit beizulegen. Obwohl klar ist, dass die EU nicht Partei ergreifen konnte und sollte, haben wir gegenüber beiden Seiten deutlich gemacht, dass es in ihrem ureigensten Interesse ist, rasch eine Lösung zu finden. In einer solchen Situation kommt es auf eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Rat – vor allem dem Ratsvorsitz – und der Kommission an.

Zweitens hat der Streit deutlich gemacht, wie nützlich die Energiedialoge mit Russland und der Ukraine sind. Dank dieser Dialoge verfügen wir über die Kontakte, die wir brauchen, um beiden Seiten vor dem Hintergrund des gegenseitigen Vertrauens und gemeinsamer Interessen eindringlich unsere Sorgen und Ansichten zu vermitteln. Gleichzeitig wurde deutlich, dass diese Dialoge intensiviert werden müssen.

Drittens hat dieser Streit die Bedeutung und Notwendigkeit einer klareren, besser abgestimmten und vorausschauenderen EU-weiten Politik der Energiesicherheit unterstrichen. Zwar setzen sich Kommission und Parlament seit vielen Jahren dafür ein, aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um diesbezüglich konkrete Fortschritte anzuvisieren.

Ich möchte die Bedeutung der Erarbeitung einer gemeinsamen Energiestrategie hervorheben, auf die während des informellen Gipfels in Hampton Court sowie während der Beratung zwischen dem Ratsvorsitz und der Kommission zu Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft nachdrücklich verwiesen wurde. In seinem heutigen Beitrag erläuterte der amtierende Ratspräsident die Bedeutung, die der Ratsvorsitz dieser Problematik beimisst, und verwies auf die Vielzahl der konkreten und klaren Vorschläge, die bisher unterbreitet wurden.

Während der Krise fiel auf, dass der europäische Gasmarkt nicht ausreichend transparent ist, so dass es recht schwierig war, genau zu kontrollieren und zu beurteilen, wie das Lieferdefizit bewältigt wurde. Die Richtlinie aus dem Jahre 2004 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung sollte sich dabei nach ihrer vollständigen Umsetzung als hilfreich erweisen. Die Suche nach Lösungen für derartige Probleme ist auch eines der Ziele des Marktbeobachtungszentrums, das von meinen Dienststellen derzeit entwickelt wird.

Generell haben diese Ereignisse ein Schlaglicht auf unsere zunehmende Abhängigkeit von externen Energielieferungen geworfen. Ein Grünbuch über die Energiepolitik, das die Kommission derzeit erarbeitet, wird sich auch mit der Notwendigkeit der Entwicklung und Annahme einer gemeinsamen EU-Strategie beschäftigen. Die Erarbeitung eines gemeinsamen Ansatzes im Hinblick auf die externe Energiedimension wird eindeutig ein grundlegendes Element des Grünbuchs bilden.

Diese externe Energiedimension sollte sich auf eine Diversifizierung verschiedener Energiearten gründen und unterschiedliche Energiequellen, Lieferwege, Lieferanten und Transitnetze in Betracht ziehen. Es liegt auf der Hand, dass stärker in LNG-Terminals, Gasleitungen zur Diversifizierung der Lieferungen sowie Gasspeicheranlagen investiert werden muss.

Die EU hat sich über ihre Programme für technische Hilfe für die Erschließung neuer und die Modernisierung und Verbesserung vorhandener Versorgungswege eingesetzt, wobei gleichzeitig deutlich wird, dass andere Großverbraucher ebenfalls einen sehr vorausschauenden und politischen Ansatz in dieser Frage gewählt haben. Europa wird einige Lehren ziehen müssen, wenngleich man die Komplexität dieser Aufgabe nicht unterschätzen sollte.

Dabei sind selbstverständlich auch die internen Aspekte einer EU-Energiepolitik zu berücksichtigen: Erstens muss gesichert werden, dass ein EU-weiter Energiebinnenmarkt praktische Realität ist. Noch sind wir nicht am Ziel, und zwar weder in Bezug auf einen wirklichen Strommarkt noch in Bezug auf einen wirklichen Gasbinnenmarkt. Außerdem muss für die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen gesorgt werden, um eine bessere Integration der verschiedenen nationalen Energiemärkte in der EU zu ermöglichen. Dabei muss jeder von uns erkennen, dass dies auch die Bereitstellung der notwendigen Mittel erfordert, gegebenenfalls auch finanzielle Zuschüsse.

Zudem müssen wir für eine ausreichende politische und finanzielle Förderung der Forschung in Schwerpunktbereichen sorgen und gewährleisten, dass effizientere Energietechnologien einschließlich sauberer Verbrennungstechnologien und erneuerbarer Energietechnologien den Markt durchdringen können. Wir müssen uns aktiver um Maßnahmen bemühen, mit denen sich eine echte Energieersparnis und Energieeffizienz erzielen lassen und unsere externe Abhängigkeit reduziert werden kann.

Wir haben ehrgeizige Rechtsvorschriften verabschiedet. Es ist an der Zeit, dass wir sie in die Tat umsetzen.

Und last but not least müssen wir die Energiesicherheit und damit die Solidaritätsmechanismen verbessern, damit wir potenziellen Störungen der Energieversorgung nicht hilflos gegenüberstehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieser spezielle Streit, der auch die EU in Mitleidenschaft gezogen hat, innerhalb sehr kurzer Zeit beigelegt wurde. Wir müssen uns aber auch auf längere Dispute einstellen.

Abschließend sei festgestellt, dass dieser Streit uns alle wachgerüttelt hat. Zwar ist Energie tatsächlich nur eine Ware, aber diese Ware ist für unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung und unser Wohlergehen von fundamentaler Bedeutung. Wir müssen Lehren aus dieser Episode ziehen, die ich zusammenfassen würde als die Notwendigkeit, eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu erarbeiten. Diese Politik muss nach innen wie nach außen klar, in sich schlüssig und effektiv sein, und sie muss sich im Einklang befinden mit den Zielen der Versorgungssicherheit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Nachhaltigkeit.

(Beifall)

 
  
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  Jacek Emil Saryusz-Wolski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die jüngste Krise in der Gasversorgung war für die Europäische Union ein Warnsignal. Die PPE-DE-Fraktion begrüßt die Tatsache, dass die Sicherheit der Energieversorgung und die Nachhaltigkeit der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs für den österreichischen Ratsvorsitz Schwerpunktaufgaben darstellen. Es ist höchste Zeit, denn die Energiesicherheit gewinnt für die Sicherheit der Europäischen Union insgesamt und vor allem für ihre ökonomische Sicherheit zunehmend an Bedeutung.

Jede – auch zeitweilige – Schwierigkeit, die eine Verringerung der Energieversorgung durch Drittstaaten bewirkt, hat auch schwer wiegende negative Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit der Union. Uns wurde kürzlich vor Augen geführt, dass das Problem der Energiesicherheit nicht nur die Bereiche Industrie oder Wirtschaft betrifft. Die Energie wurde als Waffe und Instrument der Außenpolitik eingesetzt, und sie sollte deshalb auch in Verbindung mit der Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert werden.

Die jüngste Energiekrise zwischen Russland und der Ukraine hat deutlich gemacht, wie verletzbar viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, die sich in eine gefährlich große Abhängigkeit von nur einem Lieferanten begeben haben. Deshalb ist es für die EU unerlässlich, gemeinsame Maßnahmen auf den Bereich Energie auszudehnen und die Entwicklung einer vorausschauenden Energiepolitik in Angriff zu nehmen.

Klar ist, dass die auf nationaler Ebene unternommenen Anstrengungen nicht ausreichen, weil sie nicht die langfristigen Interessen der Union als Ganzes garantieren können. Deshalb sind Maßnahmen auf EU-Ebene, die sich im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip befinden, eindeutig gerechtfertigt. Wenn es uns mit dem gemeinsamen Markt ernst ist, dann sollten wir gegenüber Wirtschaftsakteuren und nicht zuletzt gegenüber den Bürgern für Gleichberechtigung im Hinblick auf Energiesicherheit und -versorgung sorgen.

Ausgehend davon schätzen wir die Pläne des Ratsvorsitzes, Anfang dieses Jahres einen Beschluss über das transeuropäische Energienetz vorzulegen, als sehr positiv ein. Dabei sollten wir es jedoch nicht belassen. Eines der Grundprinzipien der europäischen Integration – der Grundsatz der Solidarität – beinhaltet die Verpflichtung, all jenen Staaten zu helfen, die sich in Gefahr oder in Schwierigkeiten befinden. Dazu gehören auch Probleme im Zusammenhang mit einer eingeschränkten Energieversorgung. Die Union muss konkrete Schritte zur Diversifizierung von Energiequellen und der Energieversorgung sowie zur gemeinsamen Nutzung von Vorräten einleiten. Es müssen sämtliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieautarkie der Union geprüft werden.

Ebenso wenig dürfen wir die Grundsätze der Transparenz und des gleichberechtigten Zugangs außer Acht lassen. Die EU sollte einen Verhaltenskodex für die Beziehungen zu ihren wichtigsten Energielieferanten vorschlagen. Wir sollten alle erforderlichen Schritte einleiten, um neue Quellen zur Finanzierung sämtlicher auf die Erhöhung der Energiesicherheit der EU ausgerichteten Maßnahmen zu erschließen, und zwar sowohl bei der EIB als auch aus dem EU-Haushalt selbst.

Wir sollten nicht nur an uns denken. Die Energiesicherheit sollte einen Eckpfeiler unserer Nachbarschaftspolitik bilden. Die Realität erfordert Mut. Die enge Zusammenarbeit im Bereich der Energie und die Möglichkeit, Energievorräte gemeinsam zu nutzen, zählen zu den effektivsten und unerlässlichsten vertrauensbildenden Maßnahmen sowohl innerhalb der Union als auch zwischen der Union und ihren Nachbarn.

Unsere Bürger werden die greifbaren Ergebnisse unserer auf die Sicherung unserer Energieversorgung ausgerichteten Maßnahmen zu schätzen wissen. Die PPE-DE-Fraktion wird auf der nächsten Tagung in Brüssel einen entsprechenden Entschließungsentwurf vorlegen.

(Beifall)

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich unterstütze das, was Rat und Kommission in Bezug auf die europäische Energiepolitik gesagt haben. Ich meine aber, dass wir in einigen Bereichen etwas konkreter und spezifischer sein müssen.

Erstens: Die großen Verbraucher EU, USA, China und Indien müssen verstärkt gemeinsam auf dem Markt agieren und gegenüber den Produzenten nicht nur als Konkurrenten auftreten.

Zweitens zur Infrastruktur: Wir sollten uns überlegen – nicht als Staat, aber mit unseren Firmen und Unternehmungen –, die Infrastruktur gemeinschaftlich zu besitzen und zu verwalten, damit es hier keine Monopole gibt.

Drittens: Von Textilien bis zu Shrimps gibt es im Rahmen der WTO Streitschlichtungsverfahren. Bei so wichtigen Produkten wie Gas oder Öl gibt es kein solches Verfahren. Da müssen wir etwas tun.

Viertens: Wir müssen die Infrastruktur ausbauen. Der Herr Minister hat das Projekt Nabucco erwähnt, ein ganz wichtiges Projekt, das die Europäische Union unterstützen sollte.

Fünftens: Alle Mitgliedstaaten müssen diversifizieren und Vorschläge machen, damit dann aufgrund dieser Vorschläge ein gemeinsames europäisches Programm entstehen kann.

Sechstens: Vorrang müssen natürlich die erneuerbaren Ressourcen haben. Herr Ratsvorsitzender, ich teile Ihre skeptische Meinung, was Kernenergie betrifft. Aber die Debatte wird geführt werden, und wir müssen dafür sorgen, dass alle positiven und kritischen Elemente in die Debatte einfließen, inklusive der Frage der Endlagerung der Abfälle.

Siebtens: Sicherlich können wir nicht allen Ländern eine einheitliche Energiepolitik vorschreiben. Wir können nur aufgrund der Differenzierung der einzelnen Länder eine gemeinsame Politik insbesondere nach außen hin vertreten. Herr Kommissar, Sie wissen, dass ich Sie beim Hearing um ein Programm Außen- und Energiepolitik gebeten habe. Dasselbe habe ich bei Frau Ferrero-Waldner getan. Leider haben wir noch nichts bekommen. Ich würde Sie wirklich bitten, dringend ein solches Programm vorzulegen, spätestens im Grünbuch, damit wir auch wirklich eine nach außen hin konsistente Politik vertreten.

Lassen Sie mich abschließend klar sagen: Wir wollen und brauchen die Partnerschaft mit Russland. Aber was Russland zuletzt getan hat, können wir nicht akzeptieren. Wir brauchen ein Russland, das fair zu seiner Nachbarschaft ist, es ist unsere gemeinsame Nachbarschaft.

(Beifall)

 
  
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  Danutė Budreikaitė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Energieressourcen gehören zu den grundlegenden Wirtschafts- und Produktionsfaktoren zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft und des Wohlstands der Menschen.

Die EU-Mitgliedstaaten sichern ihre Energieressourcen durch den Abschluss bilateraler Abkommen. Russland macht sich diese Abkommen, einschließlich der künftigen deutsch-russischen Gaspipeline, zunutze und spaltet die Europäische Union, indem es einzelnen Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße Energielieferungen zugänglich macht. Einzelne Länder sind leichter zu beeinflussen als die Europäische Union als Ganzes.

Durch die fortwährende Betonung der Bedeutung Russlands als strategischer Partner und seiner herausragenden Position unter anderen Ländern, macht die Europäische Union Zugeständnisse an Russland. Der Hauptgrund für derartige Zugeständnisse ist die wachsende Abhängigkeit der EU von Russland in Sachen Energie. Der jüngste Gasdisput zwischen Russland und der Ukraine zeigt jedoch, dass Russland bei Lieferungen an die Mitgliedstaaten der Union zu denselben Taktiken greifen könnte.

Die alternativen Energiequellen, die genutzt werden müssen, um eine absolute Abhängigkeit von Russland zu vermeiden, d. h. die norwegischen Gasressourcen, sind begrenzt und werden nicht ausreichen, um den wachsenden Bedarf der EU-Wirtschaft in der Zukunft zu decken. Ist dies daher nicht der richtige Zeitpunkt, noch einmal über Kernenergie, die umweltfreundlichste Form von Energie, als Alternative zur Abhängigkeit von der unberechenbaren Energieversorgung aus Russland nachzudenken?

Eine weitere sehr wichtige Frage, die in der EU allgemein diskutiert wird, ist die gemeinsame Energiepolitik. Gegenüber der Europäischen Kommission als dem Energieversorgungspartner, der die Interessen aller 25 Mitgliedstaaten vertritt, müsste Russland mehr Respekt zeigen. Russland wird nicht in der Lage sein, die Gaslieferungen in die EU komplett zu kappen, es hätte einfach keine Möglichkeit, das Gas anderweitig loszuwerden.

Ich fordere deshalb alle auf, über die Entwicklung einer gemeinsamen Energiepolitik nicht nur zu diskutieren, sondern auch unverzüglich Maßnahmen zur Entwicklung dieser Politik und insbesondere eines einheitlichen Energiesystems zu ergreifen, um damit die Energieversorgung und die politische Sicherheit für die gesamte EU zu garantieren.

(Beifall)

 
  
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  Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Minister! Ich möchte mit dem Thema Ukraine anfangen, weil ich mich doch etwas gewundert habe, dass der alljährlich wiederkehrende Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine in Europa fast dazu geführt hat, dass man so getan hat, als wäre das eine europäische Gaskrise. In einer krisenhaft zugespitzten Situation befand sich die Ukraine, befand sich danach Moldawien, nicht jedoch Europa. Europa konnte nach wie vor auf stabile Geschäftsbeziehungen zu Russland vertrauen. Meiner Meinung nach hat uns diese Situation gezeigt, dass wir als Europäische Union nicht einfach nur sagen können, wir brauchen die Ukraine als sicheres Transitland. Vielmehr müssen wir gerade in der Energiepolitik der Ukraine helfen, sich aus ihrer Abhängigkeit von Russland zu lösen, damit sich das Land positiv entwickelt. Da muss sich viel verändern.

Ansonsten denke ich, dass die ganze Diskussion ein Lehrstück über die Schwächen der europäischen Energiepolitik ist. Diese Schwächen sind in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein koordiniertes Vorgehen könnte sicherlich helfen, die Lage in den Mitgliedstaaten und europaweit zu verbessern. Wir haben doch jetzt den Wert von natürlichen Ressourcen zu schätzen gelernt. Gas oder auch Öl – das wurde zu Zeiten des Irakkrieges heftiger diskutiert – sind Rohstoffe, die wir europaweit – lassen Sie es mich gelinde formulieren – verschleudern. Wir gehen mit diesen Rohstoffen verschwenderisch um, was wir uns schon lange nicht mehr erlauben können. Wenn wir die richtigen Konsequenzen ziehen wollen, dann müssen wir meiner Meinung nach viel konsequenter den Ideen von Kommissar Piebalgs folgen, die er zu Beginn seiner Amtszeit vertreten hat. Ressourcenproduktivität und Energieeffizienz sind Ziele, die wir verfolgen müssen, dann werden unsere Abhängigkeiten geringer. Ich wäre völlig dagegen, ein Europa anzustreben, das völlig autark wird. Das ist ein naiver Ansatz in der gesamten Diskussion. Wir müssen auf ein Europa hinarbeiten, das mit Rohstoffen tatsächlich adäquat umgeht. Seit dem Club of Rome, seit Jahrzehnten diskutieren wir das. Lassen Sie uns jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen. Diejenigen, die meinen, dass die Nutzung der Atomenergie die richtige Antwort auf die Verknappung bzw. die Endlichkeit des Gases ist, sollen doch bitte einmal ernsthaft darlegen, wie sie vorgehen wollen. Wie viele Reaktoren wollen Sie in den nächsten Jahren an welchen Standorten bauen? Was wollen Sie mit dem Müll machen, der in Europa seit Jahrzehnten produziert worden ist? Wir haben vor einigen Wochen den Bericht über die Stilllegung von Leistungsreaktoren diskutiert. Derzeit herrscht im Bereich der Atommüllentsorgung ein Desaster. Wenn also in diesem Bereich die Zukunft liegen soll, dann werden Sie doch bitte etwas klarer! Aber verschonen Sie uns mit der Diskussion über eine Laufzeitenverlängerung. Das fängt jetzt sogar beim Ignalina-Reaktor wieder an. Wer tatsächlich Uralttechnologie einfach mit einer Lebenszeitverlängerung ausstatten will, der vergrößert die Risiken der Energieproduktion, anstatt uns davon zu befreien.

(Beifall)

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Kommissar! Auf der Welt werden auch weiterhin fossile Energieträger verbrannt. Schätzungen zufolge wird die Menschheit 2030 noch immer 80 % ihrer Energie mit fossilen Brennstoffen erzeugen.

Das nachgewiesene Erdgasvorkommen auf der Erde liegt bei 179 Trillionen Kubikmeter. Ein Viertel des Erdgases befindet sich in Russland, ein weiteres Viertel in instabileren Regionen, in Iran und Katar. Bei der gegenwärtigen Verbrauchsrate wird die EU-eigene Gasversorgung schätzungsweise gerade sechs oder sieben Jahre reichen. Mit dem Einsatz von norwegischem und nordafrikanischem Erdgas zur Deckung des Bedarfs in der EU verlängert sich die Zeitperspektive für den Gasverbrauch um 20 Jahre, mit russischem Gas jedoch um 50 Jahre. Wenn die EU plant, ihren wachsenden Energiebedarf in den nächsten Jahrzehnten voll und ganz mit Erdgas zu decken, gibt es zu Einfuhren aus Russland keine Alternativen.

In den nächsten Jahren werden günstigere Verfahren zur Gasverflüssigung entwickelt, die ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten für die Einfuhr von Gas bieten. Parallel dazu werden sie eingeschränkt. Russisches Flüssiggas kann dann an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft werden, die Gas brauchen, ohne dass es dazu einer Gasfernleitung bedarf. Die eigenen Gasreserven Amerikas reichen nicht einmal für 10 Jahre. Westeuropa ist von der Gasleitung abhängig, die von Russland über andere Länder führt. Die auf dem Grund der Ostsee geplante Pipeline wird diese Abhängigkeit verringern. Das Projekt ist nachvollziehbar, weil einige der Länder, durch die die Gasleitung gegenwärtig verläuft, Russland feindselig gegenüberstehen. Wir in Finnland hatten in 40 Jahren mit der Gasversorgung nicht das geringste Problem.

Einiges in dem Gasabkommen zwischen Russland und der Ukraine bedarf der Erläuterung. Wer ist Eigentümer des Gasversorgungsunternehmens Ros-Ukr-Energon? Auf der Grundlage veröffentlichter Informationen habe ich herausgefunden, dass es unerklärlicherweise mit 600 bis 800 Millionen US-Dollar pro Jahr von dem Abkommen profitiert. Die Oligarchen in beiden Ländern waren daran beteiligt, und welche Rolle spielen die Präsidenten dieser Länder bei der Erzielung riesiger versteckter Gewinne?

Unsere Fraktion tritt für gute partnerschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit mit Russland im Energiebereich ein.

(Beifall)

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die jüngsten Ereignisse, die in der internationalen Presse als „Kalter Krieg“ um Gas zwischen der Ukraine und Russland bezeichnet wurden, und das schon etwas länger zurückliegende Vorhaben des Baus einer Gaspipeline zwischen Deutschland und Russland unter Umgehung der baltischen Länder einschließlich Polen sind ein klarer Beweis dafür, dass bestimmte Länder die Strom- und vor allem die Gasversorgungsnetze als politische Waffe in ihren Beziehungen zu anderen Ländern einsetzen. Die Mitgliedstaaten erwarten, dass die Gemeinschaft sie bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem unterstützt.

Die Gemeinschaft sollte wie im Falle von Naturkatastrophen, Pandemien und der terroristischen Bedrohung auch im Falle der vorstehend erwähnten Versorgungsnetze eine in sich geschlossene und einheitliche Politik verfolgen. Sie würde den Schutz der Sicherheit und Diversifizierung der Energieversorgung ermöglichen. Es ist inakzeptabel, dass ein Mitgliedstaat, wie beispielsweise Deutschland, in dieser Sache eine Koalition mit Russland eingeht, weil dies den Interessen anderer Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen, die der EU erst unlängst beigetreten sind, schadet. Das ist einer der seltenen Fälle, in denen die Europäische Union reagieren sollte, und zwar rasch und entschlossen. Eine passive Haltung seitens der EU bedeutet, dass sie der Verletzung des Solidaritätsgrundsatzes zustimmt und dass sie bei wirtschaftlichen und politischen Problemen, die für Europa wirklich von Belang sind, praktisch keinen Einfluss hat. Dann gibt es auch keinen Grund, weshalb die Union nicht fortfahren sollte, bedeutungslose Entschließungen und Erklärungen oder Richtlinien zu verabschieden, die den europäischen Bürgern zum Nachteil gereichen.

(Beifall)

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es ist eine einfache Tatsache, dass die Benutzung von Gas und Gasversorgern, um in bestimmten Regionen einschließlich Europa politische Ziele zu erreichen, die Grundlage der russischen Energiestrategie darstellt. Die jüngste Gaskrise ist eine Art Prüfung für die Europäische Union. Man sollte ihre Auswirkungen spüren, und das hat man, und zwar nicht nur in der Ukraine und in der Republik Moldau, sondern auch in acht EU-Mitgliedstaaten, zu denen auch Deutschland, Frankreich und Italien zählten.

Durch das Heraufbeschwören einer solchen Krise hat Russland seinen Status als ein stabiler und zuverlässiger Partner eingebüßt. Bleibt als einzige Frage, welche Schlussfolgerungen die Europäische Union und die einzelnen Mitgliedstaaten daraus ziehen werden. Werden sie beschließen, dass der Bau der Ostseepipeline fortgesetzt werden soll, obwohl dies die Abhängigkeit Europas von Russland verstärken wird, oder werden sie erkennen, dass Europa als Ganzes für eine ernsthafte Diversifizierung seiner Gasversorgung sorgen und ein System der Solidarität im Bereich Energie für die Mitgliedstaaten der EU und deren unmittelbare Nachbarn aufbauen sollte.

Russland hofft, dass wir uns für die erste Schlussfolgerung entscheiden werden. All jene, die sich keinen Illusionen über das Großmachtstreben des neuen Russlands mehr hingeben, setzen auf die zweite. Ich nehme mir die Freiheit zu einer abschließenden Bemerkung, und zwar ist es meines Erachtens beschämend, dass es diesem Haus so schwer fällt, eine gemeinsame Entschließung in dieser Sache anzunehmen.

(Beifall)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens. Die aktuellen internationalen politischen Ereignisse und auch die Wirtschaftsdaten, darunter der stetige Anstieg des Ölpreises, lassen die Europäische Union aufhorchen und zwingen sie, eine offenkundige und bekannte Tatsache zur Kenntnis zu nehmen: wir haben ein Strukturproblem bei der Energieversorgung und der Grad unserer Abhängigkeit wächst. Die weltweite Energienachfrage steigt, die Ressourcen unseres Planeten sind nicht unerschöpflich oder zumindest in unserer Union nicht ausreichend verfügbar, um unseren Bedarf zu decken.

Die letzten Ereignisse machen deutlich, dass die Energieversorgung, auf der unsere Wirtschaft gegenwärtig beruht, infrage gestellt werden kann, und dies stellt ein Risiko dar, das wir nicht eingehen können. Es ist dringend erforderlich, ein engeres internationales Zusammenwirken zu fördern, auch durch getroffene Vereinbarungen wie der europäischen Energiecharta, die einen Kooperationsrahmen zwischen Europa, Russland und Mittelmeerländern schafft. Die Energiezusammenarbeit mit Drittländern ist ein Kernelement der europäischen Versorgungsstrategie und trägt zur Festigung stabiler politischer Beziehungen auf internationaler Ebene bei.

In diesem Rahmen müssen jetzt insbesondere mit Russland klare, feste, konkrete und dauerhafte Vereinbarungen geschlossen werden. Demzufolge müssen zum einen die vor kurzem an die Mitgliedstaaten ergangenen Empfehlungen zur Durchführung von Energiesparmaßnahmen dringend umgesetzt werden, was ein ernsthaftes Engagement unserer Organe, der Mitgliedstaaten und jedes einzelnen Bürgers voraussetzt. Zum anderen müssen wir endlich die komplexe und komplizierte Debatte über die technologischen Weichenstellungen für die Zukunft und die Erzeugung und Nutzung alternativer und erneuerbarer Energien angehen. Diese Debatte hat trotz der verschiedenen, zum Teil auch aktuellen Krisen, durch die die europäische Wirtschaft in den letzten 40 Jahren gekennzeichnet war, leider noch nicht stattgefunden: Das ist ein Versäumnis, ein Mangel, eine Lücke, die wir schnellstens und dringend versuchen müssen zu beheben.

(Beifall)

 
  
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  Giles Chichester (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Kommissar Piebalgs zu seiner Rolle bei der Einberufung der Gaskoordinierungsgruppe beglückwünschen. Er hat damit maßgeblich zur Lösung des Disputs zwischen Naftogas und Gazprom Anfang des Monats beigetragen.

Dieser Streit zwischen Russland und der Ukraine dürfte all jene wachgerüttelt haben, denen nicht bewusst war, wie stark die EU-Mitgliedstaaten von Brennstoffeinfuhren im Allgemeinen und von Erdgasimporten aus Russland im Besonderen abhängig sind. Wir dürfen diese Angelegenheit aber auch nicht überbewerten. Der Gashandel zwischen Russland und der EU stellt so lange eine wirtschaftliche Option dar, solange jede Seite etwas hat, woran die andere Seite interessiert ist. Die Importabhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten und die damit in Verbindung stehende zunehmende Abhängigkeit von Erdgas sind ja wohl kein Geheimnis.

Als Mitglieder des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie sind wir uns dieser Tatsache seit langem bewusst, und wir haben mehrfach über die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verringerung dieser Abhängigkeit diskutiert. Vor zehn Jahren legte ich dem Parlament einen Bericht über die Aussichten für die Gasversorgung in Europa vor und wurde von der Industrie kritisiert, weil ich gewarnt hatte, dass wir zu stark von Gas abhängig sein könnten, wenn dessen Anteil an unserem Energiebedarf über 25 % beträgt.

Ich möchte das Haus an die Vielzahl von Maßnahmen erinnern, die bereits zur Sicherung unseres Versorgungsbedarfs ergriffen wurden. Dazu zählen sowohl gesetzgeberische Maßnahmen wie die Richtlinie über transeuropäische Netze als auch Aktionen der Industrie, die Pipelines, Speicher- und LNG-Anlagen gebaut hat.

Wir dürfen Russlands Versuche, seine politische Macht international auszuspielen, nicht ignorieren, aber ich schlage vor, in Bezug auf die Gewährleistung der Versorgungsvielfalt und die Förderung angemessener Investitionen langfristig einen maßvollen und praktischen Ansatz zu wählen.

(Beifall)

 
  
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  Reino Paasilinna (PSE). – (FI) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar! In etwa zwanzig Jahren werden wir zu 90 % von Erdgaseinfuhren abhängig sein. Das ist schon eine Leistung. Der Gasverbrauch der Mitgliedstaaten und die Vorräte weichen stark voneinander ab. Mit anderen Worten, der Grad, in dem sie krisenanfällig sind, ist höchst unterschiedlich. Je weiter östlich der Mitgliedstaat gelegen ist, desto abhängiger ist er von russischem Gas.

Die Europäische Union hat Druck auf Russland ausgeübt, damit es das von ihm praktizierte Doppelpreissystem für Energie, einschließlich Erdgas, aufgibt, das innerhalb des Landes weiterhin angewandt wird. Wir betrachten das als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der WTO. Ich glaube deshalb auch nicht, dass das Doppelpreissystem im Außenhandel Russlands sehr lange Bestand haben wird. Selbstverständlich ist es im Geschäftsverkehr im Allgemeinen gestattet, Stammkunden Rabatte zu gewähren, was in zahlreichen anderen Branchen geschieht, aber selbstverständlich von den Beziehungen zwischen dem Verkäufer und dem Käufer abhängt.

Das Zudrehen des Gashahns war mit Sicherheit die falsche Lösung, und eine sehr unkluge noch dazu. So etwas macht man im europäischen Handel nicht. Es kommt recht selten in minder wichtigen Bereichen vor, geschweige denn in einem solch bedeutenden Kontext. Die Energiesituation in der Europäischen Union steht ständig am Rande einer Krise. Es braucht nur einen Sturm auf der anderen Seite des Atlantiks oder Vorgänge wie die in der Ukraine, und schon bricht eine Krise oder sogar eine Panik aus. Wir brauchen zügig zukunftsfähige und diversifizierte Energiequellen mit einer breiten Palette von Lieferabkommen und Transportnetzen. Und wir müssen schnell handeln: unsere Schlafzimmer könnten jederzeit kalt bleiben.

Es erscheint dringend geboten, dass die Kommission ein Programm für Energiekrisen erarbeitet. Unsere derzeitigen Ressourcen reichen nicht aus. Wie bereiten wir uns auf einen länger andauernden Ausfall der Energieversorgung vor, Herr Kommissar? Welche Solidaritätsmechanismen könnten in den Rahmen eingebaut werden, und greift das in Kürze erscheinende Grünbuch die Problematik der Energiekrisen auf?

 
  
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  Lena Ek (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Die jüngste Krise zwischen Russland und der Ukraine im Bereich der Gaslieferungen hat gezeigt, dass ein weniger von Importen abhängiger europäischer Energiemarkt heute wichtiger denn je ist. Das wäre nicht nur mit enormen Chancen für die europäische Energieindustrie einschließlich des Sektors für erneuerbare Energien verbunden, sondern böte gleichzeitig Möglichkeiten für die Bekämpfung des Klimawandels, die Förderung des Wachstums und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dazu brauchen wir mehr Transparenz, bessere Rechtsetzung, ein modernes und funktionierendes Energienetz, eine europäische Energiestrategie, eine Debatte über die Selbstversorgung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sowie Vorschriften, die es den Verbrauchern ermöglichen, in praktikabler Weise über den eigenen Verbrauch zu entscheiden. Daher begrüßen wir das Grünbuch wie auch das Programm des Ratsvorsitzes.

Es gibt viel zu tun, aber ich glaube, wir können es schaffen.

 
  
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  Helmuth Markov (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Ich glaube, dass der Verlauf der Diskussion zwischen der Ukraine und Russland eindeutig gezeigt hat, dass Europa und nicht nur die Europäische Union eine moderne, neue Gesamtenergiepolitik benötigt.

Letztlich – darüber kann man debattieren, wie man will – war der Streit zwischen Russland und der Ukraine der Streit zwischen einem Lieferanten, der mehr Geld haben wollte, und einem Empfänger, der nicht bereit war, dieses Geld zu zahlen. Das war beiden Seiten seit langem bekannt. Wenn man politisch sozusagen auf diese Krise zusteuert, ohne rechtzeitig zu versuchen, eine Lösung zu finden, dann ist das auch das Verschulden beider Regierungen.

Ich begrüße sehr wohl die Ankündigung des Kommissars, ein Grünbuch vorzulegen, wobei ich mir natürlich erhoffe, dass das Grünbuch nicht solche alten Parolen enthält wie Aushandlung von Verhaltensregeln für Lieferländer und für Transitländer, neue Pipelines oder gar Atomenergie. Ich glaube vielmehr, dass man, wie dies in vielen Ländern schon geschieht, einerseits auf andere Energieträger wie Biomasse, Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Kraft-Wärme-Kopplung setzen muss, auf der anderen Seite auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und auch Reduzierung der Subventionen für die althergebrachten fossilen Brennstoffe. Das müssen wir bewegen.

Energieversorgung ist öffentliche Daseinsvorsorge, und vielleicht sollten wir uns auch überlegen, ob nicht die Verantwortung der Politik generell höher einzustufen ist als die versuchte Liberalisierung oder die Lösung dieses Problems mit Liberalisierungsmaßnahmen.

 
  
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  Dariusz Maciej Grabowski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Das Fehlen einer gemeinsamen langfristigen Strategie für die Sicherheit der Energieversorgung ist nicht nur ein Beweis für die Kurzsichtigkeit der EU, sondern auch dafür, dass es einen Interessenkonflikt zwischen ihren Mitgliedstaaten gibt. Die Ölpreise haben sich u. a. auch deshalb verdreifacht, weil die EU versäumt hat, eine intelligente Energiestrategie zu beschließen. Der Anstieg der Ölpreise ist für die großen Kraftstoffunternehmen von Vorteil, aber für die Mitgliedstaaten der EU und die Bürger dieser Mitgliedstaaten ist er von Nachteil.

Es ist ein Fehler, wenn einzelne Mitgliedstaaten wie beispielsweise Deutschland versuchen, eine Einigung mit Russland zu erzielen, und dabei die Interessen der baltischen Staaten, Polens, Österreichs und anderer Mitgliedstaaten opfern. Dies und die passive Haltung der EU haben Russland dazu ermutigt, die Ukraine mit der Drohung, den Gashahn abzudrehen, zu erpressen. Die EU muss dringend eine Strategie zur Sicherung der Energieversorgung erarbeiten und umsetzen. Daran wird man ablesen können, inwiefern die Europäische Union noch eine Gemeinschaft ist.

Grundlage einer solchen EU-Strategie sollte das Kriterium des schwächsten Kettengliedes sein, das sich wie folgt zusammenfassen lässt. Die Effizienz eines Systems lässt sich messen an der Resistenz gegenüber Krisen in jenen Ländern und Regionen, die am meisten von einem Anbieter abhängen oder die das schlechteste Übertragungs- und Verteilungssystem haben oder die die im Vergleich zum Volkseinkommen höchsten Erzeugungskosten aufweisen.

Dabei sollte unser Augenmerk insbesondere auf Nachbar- und Transitländern liegen. Um Hamlet zu zitieren, „Sein oder Nichtsein“ ist das Dilemma, dem wir uns bezüglich der Energiesicherheit in der EU gegenübersehen. In diesem Zusammenhang bedauere ich, feststellen zu müssen, dass im Haushalt der EU für 2007-2013 keinerlei Vorkehrungen für eine gemeinsame europäische Strategie zur Sicherung der Energieversorgung getroffen wurden.

 
  
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  Guntars Krasts (UEN). – (LV) Vielen Dank, Herr Präsident! Die Weihnachtsgrüße des russischen Präsidenten an die Gasverbraucher in der Ukraine waren keine Überraschung. Mit der Unterbrechung der Gasversorgung mitten im Winter erinnerte Russland nicht nur die Ukraine, sondern auch die Energiemärkte der Welt daran, dass die Macht derzeit in den Händen der Energielieferanten liegt. Die Energieverbraucher werden dies für eine nicht absehbare lange Zeit berücksichtigen müssen. Ich möchte Kommissar Piebalgs meinen Dank aussprechen, der während des Gasdisputs zwischen Russland und Ukraine den Einfluss der Europäischen Union früh genug genutzt hat, um eine Energiekrise in Europa zu verhindern.

Was die aus dem Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu ziehenden Schlüsse angeht, so muss die Europäische Union völlige Offenheit bei Informationen über Entwicklungen der Gaspreise an den Tag legen und die anderen Länder in Europa dazu auffordern, es ebenso zu halten. Wie ich meine, erwächst aus den jüngsten Ereignissen eine besondere Befugnis für die Kommission, die verabschiedeten Rechtsvorschriften zu implementieren, Entscheidungen über den Erwerb alternativer Energieressourcen und die Schaffung eines wirklich liberalisierten Energiemarktes umzusetzen und die Integration europäischer Energienetze zu sichern. Und natürlich haben heute nahezu alle Redner den folgenden Punkt erwähnt: die Notwendigkeit einer wirklich gemeinsamen Energiepolitik für den Gemeinsamen Markt der Europäischen Union, die eine langfristige politische Stabilität nicht nur in Europa, sondern auch auf dem globalen Energiemarkt ermöglichen würde.

 
  
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  Alejo Vidal-Quadras Roca (PPE-DE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Europäische Union befindet sich nach der Krise zwischen der Ukraine und Russland in einem Schockzustand. Das liegt vor allem daran, dass sich Russland bislang selbst in Zeiten intensiver interner Umbrüche als zuverlässiger Energiepartner erwiesen hat und dass die Mitgliedstaaten der Union in der Vergangenheit niemals eine Unterbrechung oder Einschränkung der Gaslieferungen erlebt haben.

Jene drei Krisentage haben ausgereicht, um Länder wie Italien beinahe zu veranlassen, ihre strategischen Reserven freizugeben. Vor allem konnte die Union als Ganzes einmal mehr feststellen, dass ihr Versorgungssystem extrem anfällig ist. Deshalb ist es an der Zeit, ernsthaft die Möglichkeit von Investitionen in alternative Versorgungsrouten zu erwägen und den Dialog mit stabilen Partnern, wie zum Beispiel der Republik Kasachstan, zu verbessern. Wir müssen anfangen, über Gasimporte aus diesem Land nachzudenken – beispielsweise via Türkei, die ein Kandidatenland und daher außerordentlich sicher ist.

Außerdem müssen wir auf europäischer Ebene die Forschung und Entwicklung in Bezug auf neue Energiequellen fortsetzen und verstärken und eine effektivere Nutzung der vorhandenen Energiequellen erreichen. Natürlich dürfen wir keine Primärenergiequelle unberücksichtigt lassen, Frau Harms. Keine einzige. Wir müssen ideologische Vorurteile ausklammern und uns der Realität stellen. Wenn Sie energiepolitischen Selbstmord begehen wollen, steht Ihnen das frei, aber es muss sich dabei um ein individuelles Opfer handeln. Erwarten Sie nicht, dass wir alle gegen unseren Willen Selbstmord begehen.

Schließlich, Herr Präsident, möchte ich die Kommission auffordern, weiterhin Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben, eine gemeinsame Energiepolitik zu schaffen, denn diese Krise hat uns über jeden Zweifel hinaus gezeigt, dass wir sie brauchen. Lassen Sie uns nicht bis zur nächsten Krise warten, um drastischere Maßnahmen zu treffen, die dann möglicherweise zu spät kommen würden.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Herr Präsident! Ich muss mich kurz fassen. Mir geht es darum, auf die außenpolitischen Aspekte dessen aufmerksam zu machen, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, als Russland drohte, seine Gaslieferungen an die Ukraine zu stoppen.

Für jene wie mich, die schon viele Jahre mit diesen Ländern arbeiten, kam das nicht völlig überraschend, denn Russland hat schon früher gedroht und meines Wissens auch eine Drohung wahr gemacht, die Energie als Waffe zu nutzen, um politischen Druck auf Länder in seiner unmittelbaren Umgebung auszuüben. Das Ergebnis der Geschehnisse war selbstverständlich auch ein Schock für die Europäische Union und zwingt uns heute zu dieser Diskussion.

Ich muss mich, wie gesagt, kurz fassen. Drei Schlussfolgerungen sind für uns von Bedeutung, was diese ausländischen Aspekte anbelangt. Erstens, wir sollten unsere Versorgung, unsere Quellen diversifizieren. Je mehr Länder, die wir als Quellen nutzen können, desto besser, denn die meisten Länder, von denen wir unsere Energie beziehen, sind instabil.

Zweitens, wir müssen die Pipeline-Situation in Europa noch einmal überdenken. Wir sind speziell deshalb verwundbar, weil das meiste Gas über die Ukraine geliefert wird. Gibt es mögliche Alternativen?

Drittens, wir müssen unmissverständlich klar machen, dass wir unsere Energieversorgung längerfristig nur sicherstellen können, wenn wir mit Partnern zusammenarbeiten können, die zuverlässig und demokratisch sind.

Und schließlich ist meiner Ansicht nach offensichtlich geworden, dass Energiepolitik mehr denn je mit Außen- und Handelspolitik verknüpft ist.

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Herr Präsident! Ich möchte unsere Aufmerksamkeit auf Vorschläge zu möglichen Lösungen der Energieprobleme lenken. Zunächst einmal muss die Europäische Union in ihrer Außenpolitik die effizientere Nutzung von Energie fördern, indem sie dies zu einer ihrer Prioritäten des EU-Nachbarschaftsprogramms macht. Es könnte sogar nützlich sein, die Energieeffizienzkriterien zu einer Bedingung für die Unterstützung durch die Europäische Union zu machen. Damit werden wir auch Demokratisierungsprozesse in den Nachbarländern erleichtern. Unsere Erfahrung mit Reformen in Litauen zeigt, dass die Modernisierung der Wirtschaft den für die Entwicklung demokratischer Prozesse erforderlichen stabilen Hintergrund bildet.

In der europäischen Binnenpolitik sollte der Entwicklung und Einrichtung eines Innovationszentrums, das der neuen Generation kleinerer Energieanlagen, die auf nuklearen und anderen Technologien basieren, gewidmet ist, größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wir haben bereits ein erfolgreiches Luftfahrtprojekt, das bemerkenswerte Galileo-Programm, mithin können wir zweifellos auch ein Innovationszentrum für die Durchführung von Energieprogrammen schaffen. Ein solches Zentrum könnte in Ländern mit der größten Abhängigkeit von einer einzigen Energiequelle operieren.

Ich möchte gerne glauben, dass die Kommission, abgesehen von den allgemeinen Diskussionen über eine gemeinsame Energiestrategie, letztlich etwas Konkretes unternehmen wird und dass ein solches Zentrum den besten Beweis für die Umsetzung der Ziele der Lissabon-Strategie liefern könnte.

 
  
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  Toomas Hendrik Ilves (PSE). – (EN) Herr Präsident! Im Gegensatz zu der auch in diesem Haus verbreiteten Ansicht stellte die ukrainische Gaskrise keine Einzelerscheinung dar, die mit dem Erfordernis des Übergangs zu marktpolitischen Maßnahmen gerechtfertigt wurde. Im Gegenteil, das ist eine politisch motivierte Dauererscheinung. Erstens verfügt die Ukraine über einen 2004 abgeschlossenen Vertrag, der bis 2009 gilt. Er wurde gekündigt, weil die Ukraine den falschen Präsidenten gewählt hat und weil Parlamentswahlen bevorstehen.

Zweitens ist die russische Regierung der Mehrheitsaktionär von Gazprom, und an der Spitze dieses Monopols steht der stellvertretende Premierminister. Das ist kein Unternehmen. Man kann nicht im gleichen Atemzug von Marktpreisen und einem staatlich kontrollierten Monopol sprechen.

Was drittens den einmaligen Charakter betrifft, so wäre zu sagen, dass Moskau 1990 die Öl- und Gaslieferungen nach Litauen einstellte, um die Unabhängigkeitsbewegung des Landes zu unterdrücken. Nach Erringung der Unabhängigkeit benutzte die russische Regierung dieselbe Waffe, um die baltischen Staaten dafür zu bestrafen, dass sie nicht der GUS beigetreten sind und dass sie den Abzug russischer Truppen forderten. Als Litauen versuchte, die Mazeikiu-Ölraffinerie zu privatisieren, wurden die Lieferungen erneut eingestellt, um russischen Investoren den Zugriff zu sichern. Russland wendete die gleiche Politik mit Erfolg in Georgien an, das seine Gasleitungen abgab.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Russland immer wieder mittels eines staatlich kontrollierten monopolistischen Energieunternehmens politischen Druck auf andere Länder ausgeübt und sich dabei in keinster Weise um Marktpraktiken und bestehende Verträge geschert hat! Aus Erfahrungen wird man klug und nicht aus Wunschdenken. Die Erfahrungen der neuen Mitgliedstaaten sowie der Ukraine und der Republik Moldau mit ihren pro-europäischen Bestrebungen zeigen deutlich, welche Gefahren das Fehlen einer konsequenten EU-Politik im Bereich Energiesicherheit birgt.

(Beifall)

 
  
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  Martin Bartenstein, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass die Kommission und die Präsidentschaft richtig gehandelt haben. Uns lagen zu wenige Informationen vor, deshalb nahmen wir von jeder Schuldzuweisung Abstand und wollten in dieser Streitsituation keinesfalls einer der beiden Seiten Recht geben oder diesbezüglich auch nur Nuancen erkennen lassen. Klar ist, dass die Situation durchaus eine kritische hätte werden können und in einem neuen Mitgliedstaat im Industriebereich schon am ersten Tag Versorgungsprobleme zu verzeichnen waren. Aber bewusst sprechen die Kommission und wir nicht von einer Krise, sondern von einer kritischen Situation.

Wir müssen uns vor Augen halten, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und den Importen dieser Energieträger auf jeden Fall deutlich zunehmen wird. Nach Schätzungen der Kommission wird diese Abhängigkeit bis zum Jahr 2030 von derzeit knapp unter 50% auf etwa 2/3 ansteigen. Hier wird man manches durch erneuerbare Energieträger und durch die Verbesserung der Energieeffizienz beeinflussen können, aber ich persönlich bin nicht der Auffassung, dass man diese Entwicklung grundsätzlich umkehren kann. Die Präsidentschaft sieht dem Grünbuch bzw. den ersten Teilen davon, die bis zum Frühjahrsgipfel vorbereitet sein sollen, mit großem Interesse entgegen. Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir über eine stärkere Gemeinsamkeit der europäischen Energiepolitik diskutieren? Die Gasfrage, Russland, die Ukraine, das Versorgungsproblem, aber auch die Ölpreise, der Klimawandel und vieles andere mehr sind Anlass, stärker in dieser Richtung nachzudenken.

Die Präsidentschaft und ich persönlich unterstützen den Vorschlag der Kommission, eine Reserve für zwei Monate anzulegen, ähnlich wie dies auf anderer Ebene mit Öl geschieht. Details werden hier noch zu diskutieren sein. Wir haben mehrfach besonders darauf geachtet, der Nachbarschaftspolitik vor allem in Richtung Moldawien einen hohen Stellenwert einzuräumen. Darauf habe ich auch in meiner Stellungnahme zu Moldawien Bezug genommen.

Herr Swoboda sagt, Russland als WTO-Mitglied würde hier bestimmte Möglichkeiten eröffnen, dennoch wäre auch da innerhalb von 36 Stunden wenig möglich gewesen. Interessant ist, dass Russland die Energiecharta nicht ratifiziert hat und daher das dort vorgesehene Streitschlichtungsverfahren nicht zur Anwendung kommen kann. Also ganz klar Vorrang für Energieeffizienz, für erneuerbare Energien, gleichzeitig aber auch das Bewusstsein, dass wir uns auf verschiedenen Wegen noch stärker als bisher mit dem Import von Gas auseinandersetzen müssen.

Es bleibt anzumerken, dass auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Russland und das russische Erdgas das Rückgrat der Gasversorgung der Europäischen Union bilden werden. Gerade als Österreicher möchte ich darauf hinweisen, dass eine österreichische Gesellschaft (die OMV) 1968 als erste Gesellschaft mit Gazprom einen Liefervertrag abgeschlossen hat. Über fast 40 Jahre war eine absolute Verlässlichkeit gegeben. Hier gilt es, Vertrauen zu erhalten, vielleicht zum Teil auch wieder neu aufzubauen.

Die alternative Routenführung über die Türkei, nämlich über „Nabucco“, habe ich schon in meiner Wortmeldung angesprochen. Eine Diversifizierung der Versorgung ist absolut zweckmäßig, aber nicht von heute auf morgen herbeizuführen. Wir müssen die Lehren aus der kritischen Situation, die 36 Stunden angedauert hat, ziehen. Ich bedanke mich in diesem Sinn für die sehr wichtige Debatte des Europäischen Parlaments und verweise auch auf die Bedeutung, die wir diesem Kapitel im Rahmen der Tagesordnung für den Frühjahrsgipfel im März beimessen.

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: DAGMAR ROTH-BEHRENDT
Vizepräsidentin

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Parlament für diese Aussprache danken, die ganz klar zeigt, dass die Entwicklung hin zu einer gemeinsamen EU-Energiepolitik, die gleichzeitiger die Subsidiarität achtet, generell befürwortet wird. Interessant ist, dass derart unerlässliche Entwicklungen bereits vor 30 Jahren, also während der ersten Ölkrise, gefordert wurden. Damals kamen sie aus offensichtlichen Gründen nicht vom Parlament, sondern vom Rat. Heute ist die Lage natürlich weit komplexer als damals, und sie wird auch längerfristige Konsequenzen im Energiebereich haben, als das vor 30 Jahren der Fall war. In Anbetracht dessen müssen der Rat, die Kommission und das Parlament handeln.

Hinsichtlich der Versorgungssicherheit möchte ich zwei spezielle Aspekte ansprechen. Erstens war die Erweiterung für die Europäische Union definitiv mit neuen Herausforderungen verbunden. Für die neuen Mitgliedstaaten stellte die Versorgungssicherheit zweifellos ein weit größeres Problem dar als für die älteren Mitgliedstaaten. Zweitens hat das von uns derzeit erarbeitete Dokument zwei Autoren, und zwar Frau Ferrero-Waldner und mich. Deshalb werden die von Herrn Swoboda angesprochenen Fragen thematisiert werden.

Wir prüfen auch, welche Maßnahmen in Krisenzeiten zu ergreifen sind. Wie ich bereits sagte, war diese Krise von sehr kurzer Dauer, und es war von einer Minikrise oder gar einer nicht existenten Krise die Rede. Die Bedeutung dieser Situation sollte allerdings nicht unterschätzt werden, denn einige Länder haben ihre Auswirkungen zu spüren bekommen. In den meisten Ländern haben die Menschen lediglich aus den Medien von der Krise erfahren. Einige Länder haben jedoch ökonomische Maßnahmen in Bezug auf die Gasversorgung ergriffen. Es war eine echte Krise, und wir sollten prüfen, wie wir künftig wirksamer reagieren können.

Außerdem sollten wir unverzüglich handeln. Wir verfügen bereits über eine Vielzahl von Instrumenten, die energisch eingesetzt werden könnten. Was die Energieeffizienz betrifft, so tritt derzeit eine Gebäuderichtlinie in Kraft, die konsequent angewendet werden sollte. Das Gleiche gilt für die Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbare Energie: Wir verfügen über verbindliche Instrumente, und wir sollten sie anwenden. Gleiches gilt auch für die erneuerbare Energie. Die Kommission wird alles in ihren Kräften Stehende tun. Sie hat bereits entsprechende Schritte eingeleitet, mit denen sie u. a. versucht, alle nur möglichen Ressourcen zu mobilisieren.

Ich komme jetzt zu den neuen Nachbarschaftsländern, mit denen wir sehr gute Beziehungen unterhalten. Leider stimmt es, dass Energiefragen bisher zu kurz gekommen sind. Mit der Ukraine wurde erst während des Gipfels in diesem Jahr eine Absichtserklärung über die Umsetzung der Energiepolitik unterzeichnet. Deshalb müssen wir wirklich Hilfe leisten, und zwar nicht nur in Bezug auf Fragen der Energielieferungen aus Drittstaaten, sondern auch hinsichtlich des Energieverbrauchs, denn die Energieintensität in diesen Ländern und die Energieverluste sind enorm, und kein Land kann sich Energiekosten, die auf eine solche Situation zurückzuführen sind, leisten. Das Gleiche gilt für die Republik Moldau.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hat in der Ukraine gute Arbeit geleistet, aber sie könnte ihre Aktivitäten intensivieren. Wir könnten dazu andere Ressourcen nutzen und Instrumente der neuen Nachbarschaftspolitik in Anspruch nehmen, um entsprechenden Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. Das werden wir tun, und wir werden bei der Entwicklungspolitik analog verfahren, denn anders kommen wir nicht ans Ziel.

Ich möchte Ihnen nochmals für diese Aussprache danken. Ich bin sicher, dass das nicht unsere letzte Debatte zu diesen Fragen sein wird. Solchen Aussprachen entnehme ich viele Anregungen.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.

 
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