Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über den Bericht von Herrn Onesta im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die an der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments vorzunehmenden Änderungen zur Festlegung von Verhaltensregeln für die Mitglieder des Europäischen Parlaments (A6-0413/2005).
Gérard Onesta (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, Sie haben vor sich ein Exemplar unserer gegenwärtigen Geschäftsordnung liegen. Nach dieser Geschäftsordnung müssten Sie mich sofort durch die Saaldiener aus dem Saal entfernen lassen, denn ich trage ein T-Shirt, auf das vorn und hinten eine kleine politische Losung aufgedruckt ist. Denn nach unserer Geschäftsordnung ist es strikt verboten, seine politischen Überzeugungen visuell zum Ausdruck zu bringen, auf welchem Träger auch immer. Dies zeigt, wie absurd die gegenwärtige Regelung ist, umso mehr, da uns die geltende Geschäftsordnung in Fällen von Gewaltanwendung, Beleidigungen, Diffamierung und Beleidigungen in oder außerhalb des Sitzungssaals keine Möglichkeit des Einschreitens bietet. Unsere gegenwärtigen Instrumente für diese Fälle sind sehr schwach: sie bieten entweder nichts oder die Atombombe, und die Atombombe sind Sie, Herr Präsident. Sie können dem Parlament vorschlagen, gegen den Zuwiderhandelnden eine Ordnungsmaßnahme zu verhängen, doch da dieser faktisch keinerlei Rechte hat, zögern Sie, dies zu tun, und durch Ihr Zögern riskieren Sie selbst, gerügt zu werden. Aus diesem Grund haben weder Sie noch irgendeiner Ihrer Vorgänger jemals diese Atombombe genutzt, und dies ist gut so.
Es war also notwendig, die Dinge zu verändern, und daher möchte ich nicht nur Ihnen danken – ich bin wirklich sehr beeindruckt, dass Sie zu so später Stunde noch hier sind, um die Sitzung zu leiten -, sondern auch die vier Schattenberichterstatter beglückwünschen, die uns geholfen haben, einen Konsens zu finden: Íñigo Méndez de Vigo für die EVP, Richard Corbett für die SPE, Ignasi Guardans Cambó für die Liberalen und Sylvia-Yvonne Kaufmann für die VEL. Dieser Bericht gibt uns die Möglichkeit, nicht nur eine vernünftigere, geeignetere, flexiblere und angemessenere Geschäftsordnung zu verabschieden, sondern auch – und das ist umso besser – die individuellen Grundrechte jedes Abgeordneten zu stärken.
Erstmalig wird durch diese neue Geschäftsordnung unser Primärrechtsschutz in der Geschäftsordnung festgeschrieben. Auch der Schutz durch das Abgeordnetenstatut ist gegeben. Zum ersten Mal wird ein Zuwiderhandelnder Anspruch auf individuelle Information haben sowie das Recht, von Ihnen, Herr Präsident, angehört zu werden. Die Sanktion muss schriftlich begründet werden. Es gibt keinen Ermessensspielraum mehr. Der Zuwiderhandelnde hat zusätzlich zu dem externen Beschwerderecht auch das Recht, intern Beschwerde einzulegen. Eine solche Beschwerde hat aussetzende Wirkung. Sollte unser Beschwerdegremium zu langsam arbeiten, dann wird die Sanktion null und nichtig. Die Abgeordneten werden auch – und das ist zu begrüßen – erstmals ein Recht auf visuelle Äußerungen haben. Ich werde dadurch endlich ein solches T-Shirt tragen können, ohne dass Ihre Saaldiener eingreifen müssen, Herr Präsident, vorausgesetzt, das was ich trage, ist weder verletzend noch diffamierend und stört auch nicht die Sitzung, was, wie ich hoffe, heute Abend nicht der Fall ist.
Wir haben auch erstmals das Stimmrecht für unantastbar erklärt. Bisher ist es so, dass ein Kollege im Falle der Suspendierung für einige Tage auch sein Stimmrecht verliert. Das heißt, nicht nur er wird bestraft, sondern auch alle seine Wähler, die nichts mit seinem Regelverstoß zu tun haben. Wir haben uns somit entschlossen, davon auszugehen, dass die Demokratie stark genug ist, um so weit zu gehen, um selbst den schlechtesten Abgeordneten – der nämlich die Demokratie nicht achtet – zu schützen. Die Demokratie ihrerseits wird jedoch auch das kleinste seiner Rechte achten. Ich denke, dass dies unserem Parlament zur Ehre gereicht.
Ich möchte nochmals den Schattenberichterstattern danken, dass sie es ermöglicht haben, zu diesem Konsens zu gelangen. In der Geschäftsordnung selbst ist eine Sicherheitsklausel vorgesehen, denn sie soll künftig folgenden Satz enthalten: „Die Anwendung dieses Artikels schränkt weder die Lebhaftigkeit der Parlamentsdebatten noch die Redefreiheit der Mitglieder in irgendeiner Weise ein.“
Für den Schluss habe ich mir ein Beispiel aufgehoben. Sie werden sich sicher erinnern, dass vor einem Jahr während der Abstimmung über die Europäische Verfassung eine Fraktion in diesem Saal beträchtliche Unruhe hervorgerufen hat. Sie selbst, Herr Präsident, hatten einige Schwierigkeiten, um die Ordnung im Saal wieder herzustellen und dem Hohen Haus zu ermöglichen, seine Arbeit fortzusetzen. Sie haben große Besonnenheit an den Tag gelegt, doch es war eine äußerst schwierige Situation, und die in der Öffentlichkeit gezeigten Bilder von diesen tumultartigen Szenen haben in keiner Weise zum Ansehen der europäischen Demokratie beigetragen.
Es ist damit zu rechnen, dass dieselbe Fraktion morgen während der Abstimmung über den zur Beratung anstehenden Punkt ein neues Happening veranstalten wird, allerdings ganz anderer Natur. Einige von ihnen haben mir gesagt, sie hätten den Geist der neuen Geschäftsordnung bereits verinnerlicht. Sie wollen Marionetten verwenden und Straußvögel zur Schau stellen; dies wird weder gewalttätig, noch störend und gewiss nicht aggressiv sein. Allein die Tatsache, dass sie diese neue Geschäftsordnung bereits verinnerlicht haben, zeigt, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.
Abschließend möchte ich die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass wir uns dank der Anstrengungen aller Abgeordneten als ein lebhaftes, aber würdiges, ein würdiges, doch lebhaftes Parlament erweisen werden. Herr Präsident, Sie können sich auf mich, der ich allgemein als politischer Agitator bekannt bin, verlassen, dass ich darauf achten werde, dass dieses Parlament seine Lebhaftigkeit nicht verliert.
Präsident. – Vielen Dank, Herr Onesta, für Ihre Erläuterungen, doch ich muss Sie aus dem Sitzungssaal verweisen, denn das sieht die gegenwärtige Geschäftsordnung vor, die immer noch gilt.
Ingo Friedrich, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Was ist der Sinn dieser Geschäftsordnung und was ist neu daran? Der Sinn ist, dass die Lebhaftigkeit und Spontaneität voll gewährleistet werden sollen, dass aber jemand, der wirklich bösartig, nachhaltig und ständig den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Parlamentsarbeit stört, zur Ordnung gerufen werden kann.
Dies wurde neu definiert und es wird geklärt, was bisher in der Satzung sehr unspezifisch dargelegt wurde, nämlich der Unterschied zwischen dem „normalen“ Sitzungsleiter, dem Präsidenten einer Delegation oder eines Ausschusses, oder einem Vizepräsidenten, der diese große Versammlung leitet, und dem einzigen Präsidenten – Sie sind ja heute persönlich anwesend. Der „normale“ Sitzungsleiter darf eine Rüge erteilen, er darf einen nachhaltig störenden Kollegen des Saales verweisen und er darf eine Sitzung unterbrechen. Aber die wirklich schmerzlichen Sanktionen kann nur der Präsident verhängen. Es klingt zunächst einmal überraschend, dass der Präsident alleine, ohne das Plenum, so eine wirksame Sanktion verhängen kann. Dies wird aber korrigiert oder ausbalanciert dadurch, dass eine Beschwerdemöglichkeit neu eingeführt wird, so dass der Kollege, der sich vom Präsidenten ungerecht behandelt fühlt, sich beschweren kann und eine womöglich falsch verhängte Sanktion dann korrigiert werden kann.
Wirklich neu ist, dass auch der Geheimnisverrat jetzt sanktioniert werden kann. Neu ist eine gewisse Erhöhung der Sanktionsmöglichkeit. Bisher gibt es die Möglichkeit, einen Kollegen zwei bis fünf Tage von den Arbeiten auszuschließen, neu wäre die Dauer von zwei bis zehn Tagen. Ich meine – so wie dies auch Herr Onesta gesagt hat – dass es sich um einen ausbalancierten Entwurf, einen Vorschlag, der die Lebhaftigkeit ermöglicht und trotzdem den ordnungsgemäßen Ablauf gewährleistet, handelt. Unsere Fraktion wird deshalb Ja zu diesem Vorschlag sagen.
Richard Corbett , im Namen der PSE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Wie Sie sicher wissen, verfügen fast alle Parlamente über Bestimmungen, um sich vor störendem Verhalten zu schützen, das auf die Behinderung der parlamentarischen Arbeit abzielt. Vielleicht werden diese Bestimmungen ja nie angewendet, vielleicht werden sie ja nie gebraucht, aber trotzdem ist es wichtig, dass solche demokratischen Schutzklauseln vorhanden sind.
Bei dem, was unser Ausschuss heute vorgestellt hat, handelt es sich lediglich um bescheidene Vorschläge. Damit würden Sie, Herr Präsident, Befugnisse erhalten, die wesentlich geringer sind als beispielsweise die Befugnisse des Speaker des House of Commons. Diese Befugnisse wären nämlich eng begrenzt und an bestimmte Garantien gebunden, womit den Befürchtungen der Kolleginnen und Kollegen Rechnung getragen wurde, dass wir gegen jedwedes lebhafte Verhalten vorgehen würden. Das ist aber nicht der Fall. Dennoch halten wir es für richtig, dass abgestimmte und ausgewogene Vorschriften eingeführt werden, um uns gegebenenfalls zu schützen. Schließlich wurde bei den letzten Europawahlen ein Abgeordneter gewählt, der zwar inzwischen offenbar von der Bildfläche verschwunden ist, aber der während des Wahlkampfes erklärt hatte, dass er nur ins Parlament gewählt werden wolle, um den allgemeinen Arbeitsablauf zu stören. Letzten Endes ist ihm das nicht gelungen. Aber wer weiß, vielleicht hätte er sich zusammen mit anderen ernsthaft daran gemacht, das Parlament in seiner Arbeit zu behindern. Deshalb muss der demokratische Prozess geschützt werden bzw. es müssen zumindest Instrumente vorhanden sein, auf die wir gegebenenfalls zurückgreifen können.
Einige Vertreter der Presse behaupten ja, dass mit diesen Bestimmungen EU-Gegner zum Stillschweigen gebracht und somit Minderheitenansichten unterdrückt werden sollen. Das stimmt aber nicht. Jeder, der die Vorschläge gelesen hat, wird wissen, dass diese Behauptung jeder Grundlage entbehrt. Wir haben uns nach Kräften bemüht, den Pluralismus im Parlament – das Rederecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung und in einem gewissen Maße sogar das Recht auf den Einsatz visueller Mittel – zu schützen und zu gewährleisten. Mit diesen Vorschlägen soll also nicht irgendeine Minderheit abgestraft werden. Die Personen, die das sagen, haben es doch nur auf leichtgläubige Journalisten oder die euroskeptische Presse abgesehen in der Hoffnung, dass daraus eine Geschichte gemacht wird, in der wir als Trottel dargestellt oder lächerlich gemacht werden. Entweder denken diejenigen, die hinter dieser Geschichte stecken, wirklich, dass diese Maßnahmen auf sie abzielen, was ich kaum glauben kann, und sie wollen uns in unserer Arbeit stören – und das ist hoffentlich nicht der Fall – oder sie sind schlichtweg paranoid. Wenn man jedoch ihre generelle Einstellung zur Europäischen Union kennt – nämlich dass alles, was von unseren Organen kommt, zwangsläufig nichts Gutes verheißen kann –, dann glaube ich eher, dass sie aus ihrer Paranoia heraus der Presse eine solche Geschichte über diesen völlig vernünftigen Bericht aufgetischt haben.
Meine Fraktion wird die Vorschläge von Herrn Onesta unterstützen, denn dadurch wird unser Parlament hoffentlich ausgewogene Bestimmungen erhalten, die wir gegebenenfalls zu unserem eigenen Schutz anwenden können.
Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, meine Fraktion wird diesem Bericht in der jetzigen Form nach Annahme mehrerer Änderungsanträge ihre volle Unterstützung geben, und ich möchte dem Berichterstatter zu dem Text gratulieren, auf den wir uns alle schließlich einigen konnten. Die Vorredner haben dies sehr gut erläutert, und ich komme nicht umhin, einige ihrer Punkte aufzugreifen.
Dieser Text rationalisiert im Wesentlichen das derzeitige System − was an sich schon eine Aufgabe ist –, er kodifiziert, aber rationalisiert, er verdeutlicht viel stärker die Rolle jedes Einzelnen, und vor allem schafft er ein Gleichgewicht zwischen gegensätzlichen Standpunkten.
Der erste besteht darin, dies als Parlament und nicht als Schule oder Kirche und – bitte betrachten sie dies als Scherz – nicht als Opernhaus zu betrachten. Es braucht seine Lebendigkeit, seine Bewegung und seine Menschen. Dennoch müssen die Regeln seiner Tätigkeit eingehalten werden, und das Parlament muss in der Lage sein, jederzeit die Würde seiner Funktion zu bewahren.
Es ist unerträglich – und ich möchte ein Beispiel anführen, das ich als Skandal empfunden habe, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten –, eine feierliche Sitzung mit einem Präsidenten, einem Staatsoberhaupt, während seiner letzten Rede und wahrscheinlich einer seiner letzten politischen Aktionen in Europa und in seiner politischen Karriere zu unterbrechen. Ich meine die Rede von Präsident Ciampi in diesem Haus. Das ist untragbar. Andere, ähnliche Aktionen sind ebenso wenig hinnehmbar.
Ein solches Verhalten muss bestraft werden, viel mehr als wenn ein Mitglied das eine oder andere Plakat enthüllt oder ein kleines Faltblatt verteilt, was die Arbeit des Hauses keineswegs stört.
Deshalb sind einerseits Lebendigkeit, Energie und gegensätzliche Interessen gut – die sich manchmal durch Zurufe und andere Reaktionen äußern, die uns, die wir aus südländischen Parlamenten kommen, sogar zu fehlen scheinen, weil es uns das simultane Dolmetschen schwer macht, spontan zu lachen oder auf eine Bemerkung zu reagieren –, doch darf das nicht so weit gehen, dass die Würde der uns übertragenen Rolle leidet und dessen, was jeder von uns repräsentiert, was viel mehr ist, als jeder von uns, einzeln betrachtet, darstellt. Deshalb sind wir hier, auch zu dieser späten Stunde.
Dieses Gleichgewicht kommt meines Erachtens in dem Bericht, über den wir morgen abstimmen, gut zum Ausdruck. Es gibt angemessene Sanktionen, es gibt Garantien für jene, gegen die gegebenenfalls Sanktionen verhängt werden, es gibt Befugnisse für den Präsidenten, denen das Recht, beim Präsidium Beschwerde einzulegen, gegenüber steht. All dies stellt nach meiner Ansicht einen Fortschritt dar.
Ich wünsche diesem Text das Beste, was man einem solchen Text wünschen kann: dass er nicht zur Anwendung kommen muss. Ich hoffe, dass er bleibt, wo er ist, dass wir alle praktisch vergessen, dass er existiert, und dass er unbeachtet bleibt, weil er nicht herangezogen werden muss. Dies wäre das bestmögliche Ergebnis der Existenz klarer Vorschriften in Bezug auf die interne Disziplin dieses Parlaments.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Herr Onesta hat sein Möglichstes getan, um die richtige Balance zwischen der Empörung über das Verhalten einiger Europaabgeordneter und der Gewährleistung der Freiheit zur Äußerung abweichender Meinungen zu finden. Positiv ist, dass Abgeordnete, gegen die Sanktionen verhängt wurden, nicht ihr Stimmrecht verlieren werden und ihnen eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt wird. Trotzdem könnte sich dieser Vorschlag meines Erachtens kontraproduktiv auswirken. Er stellt eine Einladung an die Europaabgeordneten dar, Schlagzeilen zu machen, indem sie die gegen sie verhängten Sanktionen publik machen und sich damit der Öffentlichkeit als Märtyrer darstellen. Ferner werden indignierte Sitzungspräsidenten dadurch zu unnötiger Härte gegenüber Personen, die sie nicht als ihre Freunde betrachten, verleitet. Darüber hinaus wird jeder Zwischenfall zu der Forderung führen, alle unvorhergesehenen Irritationen durch noch strengere Bestimmungen auszuschließen.
Unterbrechungen bei Aussprachen und „sichtbare“ Meinungsbekundungen sind fester Bestandteil üblicher parlamentarischer Praxis. Dieses Haus würde sich möglicherweise lächerlich machen, sollte dies zur Folge haben, dass Abgeordnete von manchen Sitzungen ausgeschlossen oder sogar suspendiert werden. Wäre dies der Fall, so würden die Medien weniger über den Inhalt der Debatte und die Beschlussfassung als vielmehr über den Mangel an Toleranz berichten. Da dies ein falsches Signal an die Wähler aussenden würde, wäre es besser, eine solche Regelung darauf zu beschränken, physische Gewalt zu verhindern und zu bestrafen.
Gerard Batten , im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Seit meine Partei, die UK Independence Party, im Jahre 1999 den Sprung ins Europäische Parlament geschafft hat und aus den Wahlen im Jahre 2004 sogar noch gestärkt hervorgegangen ist, haben wir als erste Partei echte Oppositionsarbeit gegen den Prozess der politischen Integration Europas betrieben. Ich habe Bedenken, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen dazu verwendet werden könnten, die Stimmen der Befürworter der nationalen Souveränität und der EU-Gegner zu ersticken. Sollte dies der Fall sein, dann werden Sie keinen Erfolg haben.
Ich möchte jedoch einige konstruktive Empfehlungen abgeben, um das Verfahren etwas zu beschleunigen. Erstens sollten die Präsidenten, die den Vorsitz inne haben, dafür sorgen, dass sich die Redner an die ihnen zugewiesene Redezeit halten: Denn bei europäisch gesinnten Rednern wird eher mal ein Auge zugedrückt, wenn sie die Redezeit überschreiten, als bei Euroskeptikern. Zweitens müssen einige Präsidenten bei der Abstimmung etwas langsamer vorgehen. Dann hätten wir vielleicht auch etwas mehr Zeit, um vernünftig abstimmen zu können. Zugleich würden die Präsidenten dann vielleicht nicht mehr so viele eklatante Fehler bei der Feststellung des Ergebnisses machen, sodass auch nicht mehr so viele elektronische Kontrollen notwendig wären.
Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident, ich werde aus Gründen parlamentarischer Höflichkeit sprechen: erstens, weil Sie hier sind, und ich glaube, wir sollten Ihnen dafür danken, und zweitens, weil es meine Fraktion war, die diese Aussprache beantragt hatte.
Nach unserer Geschäftsordnung hätte diese Debatte nicht unbedingt stattfinden müssen, da im Ausschuss mit überwältigender Mehrheit für den Bericht von Herrn Onesta gestimmt wurde, aber meine Fraktion hat sie beantragt, eben weil sie für Transparenz ist.
Ich möchte sagen, dass ich mich freue, dass wir die Aussprache beantragt haben, trotz der späten Stunde, denn nach meiner Ansicht trug sie Modellcharakter: Die Abgeordneten, die vor mir gesprochen haben, brachten hervorragend zum Ausdruck, was diese Reform der Geschäftsordnung bedeutet. Wiederum aus Gründen parlamentarischer Höflichkeit und in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde möchte ich hier enden, damit wir alle nach Hause gehen können.
Rainer Wieland (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte ausdrücklich klarstellen, dass ich hier nicht als Ersatz für Herrn Martin auftrete, sondern dass mir meine Fraktion zwei Minuten eingeräumt hat, obwohl ich nicht dem zuständigen Ausschuss angehöre. Ich goutiere sehr, Herr Präsident, dass Sie sich für diese Fragen herbegeben haben, und ich goutiere auch sehr, dass Sie ein Präsident sind, der versucht, manchen Missbrauch beim Aufruf der Geschäftsordnung von Seiten einiger Kollegen einzudämmen. Ich möchte mich jetzt nicht darüber auslassen, ob man manche Kollegen nicht aufwertet, indem man ihr fragwürdiges Verhalten in der Geschäftsordnung sanktioniert. Ich möchte auch nicht diskutieren, ob nicht manches Präsidiumsmitglied einfach über weniger Souveränität verfügt, die man ihm auch durch eine Änderung der Geschäftsordnung nicht verleihen kann. Ich befürworte ausdrücklich, dass der Geheimnisverrat in diesen Text aufgenommen worden ist. Ich empfinde aber ein gewisses Unbehagen darüber, dass dieser Text nicht vom Rechtsausschuss, der für das Mandat der Abgeordneten zuständig ist, mitberaten werden konnte.
Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen ist mit gutem Grund für die Geschäftsordnung zuständig. Dort ist diese Sache in den richtigen Händen. Aber manchmal kollidiert das Recht des Abgeordneten auch mit Bestimmungen in der Geschäftsordnung. Natürlich beschränkt sich das Recht des Abgeordneten nicht auf die bloße Abstimmung. Wir sind ein Parlament und kein „Votament“. Mit gutem Grund sagen Gerichte dann, dass – wenn ein Abgeordneter nicht anwesend sein und seine Argumente nicht vortragen konnte – in diesem Fall eine Abstimmung eventuell rechtswidrig zustande kommt. Wenn der Rechtsausschuss beteiligt worden wäre, hätte ich einen Punkt thematisiert, der an die Substanz geht. Bisher konnte ein Abgeordneter, der sanktioniert worden ist, fünf Minuten Redezeit im Parlament beantragen. Die Abgeordneten haben darüber bestimmt. Deshalb brauchte man auch keine Beschwerdemöglichkeit. Jetzt verschwindet das Verfahren, das öffentlich gewesen wäre, gewissermaßen in den Gremien des Parlaments. Das empfinde ich als einen Rückschritt. Ich stimme trotzdem mit Bauchweh zu. Ich bitte aber, dass, wenn man künftig über die puren Organisationsabläufe hinausgeht und auch nur theoretisch das Mandat berührt werden könnte, der Rechtsausschuss in die Beratung mit einbezogen wird.
Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, um 12.00 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Glyn Ford (PSE) . – (EN) Herr Präsident! Ich gratuliere Herrn Onesta zu seinem Bericht, der – wenn er denn angenommen wird – unsere Geschäftsordnung dahingehend abändern würde, dass strengere und flexiblere Verfahren zur Disziplinierung von Abgeordneten eingeführt werden, die die Arbeit des Parlaments oder seiner Ausschüsse stören. Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, ob ich den neuen Artikel 147 Absatz 3 Buchstabe b richtig verstanden habe. Darin ist vorgesehen, dass eine Strafe im Verlust des Anspruchs auf Tagegeld für die Dauer von zwei bis zehn Tagen bestehen wird. Heißt das, dass sich der betroffene Abgeordnete während dieses Zeitraums nicht in die Anwesenheitsliste eintragen darf und somit zu Hause bleiben muss oder ist damit eher gemeint, dass der Abgeordnete, auch wenn er sich in die Anwesenheitsliste einträgt, keinen Anspruch auf Tagegeld hat? Vielleicht könnte ja der Berichterstatter hier seine Absicht näher erläutern!
Ich begrüße den Änderungsantrag 3 zu Artikel 9 Absatz 1 b (neu), in dem der Schutz der Redefreiheit der Mitglieder gewährleistet wird. Sollte diese Abänderung befürwortet und in unsere Geschäftsordnung aufgenommen werden, werde ich diese neue Bestimmung sofort – wenn sie auf der nächsten Sitzung in Kraft tritt – austesten, indem ich meine schriftliche Erklärung zur Boykottierung von Ferrero-Rocher nochmals einreichen werde. Denn diese Erklärung wurde, bevor diese Bestimmung vorgelegt wurde, vom damaligen Parlamentspräsidenten als inakzeptabel zurückgewiesen. Die Redefreiheit darf jedoch nicht eingeschränkt werden, nur um den Wünschen eines europäischen multinationalen Konzerns nachzukommen.
David Martin (PSE). – (EN) Aufgrund des Verhaltens einiger Abgeordneter und Fraktionen hier im Plenum müssen leider neue Bestimmungen zur Regelung des Verhaltens der Abgeordneten eingeführt werden. Meiner Meinung nach wurde in dem Bericht das richtige Gleichgewicht gefunden zwischen der notwendigen Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Abgeordneten und einer lebhaften Aussprache einerseits und der Sicherstellung eines würdigen Arbeitsablaufs andererseits.