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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0086/2006

Aussprachen :

PV 01/02/2006 - 12
CRE 01/02/2006 - 12

Abstimmungen :

PV 02/02/2006 - 8.8
CRE 02/02/2006 - 8.8
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 1. Februar 2006 - Brüssel Ausgabe im ABl.

12. Ergebnisse der Wahlen in Palästina und Lage im Nahen Osten sowie Beschluss des Rates, den Bericht über Ostjerusalem nicht öffentlich zugänglich zu machen
Protokoll
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  Präsident. Als nächster Punkt folgen Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Ergebnissen der Wahlen in Palästina und zur Lage im Nahen Osten sowie zu dem Beschluss des Rates, den Bericht über Ostjerusalem nicht öffentlich zugänglich zu machen.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem vorigen Tagesordnungspunkt ist bereits sehr viel über die Wahlen in Palästina, über die Konsequenzen, über die weitere Vorgangsweise gesprochen worden. Ich möchte aber doch einige Punkte anführen, von denen sich der Rat in seiner Sitzung am Montag hat leiten lassen.

Zunächst ist festzustellen – und ich möchte bei dieser Gelegenheit Frau De Keyser und allen Kolleginnen und Kollegen, die die Wahlbeobachtung durchgeführt haben, danken –: Die Wahlen sind, wie allgemein festgestellt worden ist, in Ordnung verlaufen. Ich glaube, sie waren ein klarer demokratischer Ausdruck des Willens der Bevölkerung. Daran gibt es nichts zu rütteln.

Der Vorsitz und praktisch alle Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben unmittelbar reagiert. Sie haben unabhängig voneinander in einer Art und Weise reagiert, die im Wesentlichen den gleichen Grundsätzen entspricht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die Erklärungen des Nahostquartetts vom 26. bis 30. Jänner hinweisen, die klarstellen, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin das Prinzip der Gewaltlosigkeit, die Anerkennung des Existenzrechtes Israels und die Einhaltung aller bestehenden gegenseitigen Verpflichtungen als Voraussetzung für eine dauerhafte und friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes sieht.

Besonders wichtig war und ist, dass die Äußerungen des Rates, die Äußerungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit denen unserer Partner im Quartett praktisch identisch waren. Das Quartett sowie die Europäische Union erwarten von einer zukünftigen palästinensischen Regierung ein eindeutiges Bekenntnis zu diesen Grundsätzen, die ich erwähnt habe, und betont, dass auch die internationale Unterstützung für die neue Palästinensische Autonomiebehörde eng mit der Achtung dieser Grundsätze verbunden sein wird.

Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde werden erneut an ihre jeweiligen Verpflichtungen aus der Roadmap erinnert. Der Rat hat diese Linie des Quartetts im Wesentlichen bestätigt. Auch der Rat erwartet vom neu gewählten palästinensischen Legislativrat die Unterstützung einer Regierung, die sich zu diesen Prinzipien, nämlich zu einer friedlichen und auf dem Verhandlungsweg gefundenen Lösung des Konflikts mit Israel, welche auf bestehenden Vereinbarungen und der Roadmap basiert, zur Rechtsstaatlichkeit, zu Reformen sowie zu einer ordentlichen Finanzgebarung bekennt. Auf dieser Grundlage ist die Europäische Union bereit, die wirtschaftliche Entwicklung und demokratische Staatsbildung der Palästinenser weiter zu unterstützen.

Wir dürfen zu diesem Zeitpunkt keine voreiligen Beschlüsse fassen, sondern müssen klar zum Ausdruck bringen, dass die Europäische Union – so wie die anderen Partner, die ebenfalls Beiträge leisten – bereit ist, diese Unterstützung weiter fortzuführen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.

Ich möchte nun einige Worte zur Frage Ost-Jerusalem sagen, die eigentlich der ursprüngliche Anlass für diese Debatte war. In der Debatte zuvor ist sehr deutlich die Erwartung angeklungen, dass sich die Europäische Union ausgewogen verhält, dass im Nahen Osten eine kohärente Politik betrieben wird, die sich nicht nur an den Interessen Israels oder nur an den Interessen Palästinas orientieren kann, sondern dass hier Ausgewogenheit herrschen muss.

Die Europäische Union ist weiter besorgt über israelische Aktivitäten in und um Ost-Jerusalem einschließlich der fortgesetzten Siedlungstätigkeit und des Weiterbaus der Trennbarriere sowie der Zerstörung palästinensischer Häuser. Diese Aktivitäten stehen im Widerspruch zum Völkerrecht, gefährden eine endgültige Regelung der Jerusalem-Frage und drohen die auf der Koexistenz zweier lebensfähiger Staaten basierende Lösung unmöglich zu machen.

Vor diesem Hintergrund hat der Rat relevante Ratsinstitutionen beauftragt, eine detaillierte EU-Analyse zu Ost-Jerusalem, basierend auf EU-Missionen in Jerusalem und Ramallah, zu verfassen.

Ausgehend von der veränderten Lage, insbesondere vor den kommenden Wahlen zur Knesset in Israel, hat der Rat noch am 12. Dezember entschieden, in dieser Angelegenheit hochrangige Vertreter der israelischen Regierung bezüglich der Bedenken der Europäischen Union zu kontaktieren, anstatt die Analyse zu veröffentlichen.

Inzwischen haben zwei Demarchen stattgefunden. Eine EU-Troika-Demarche im israelischen Außenministerium am 19. Dezember sowie eine Präsidentschaftsdemarche gegenüber den wichtigsten israelischen Parteien am 23. Dezember des vergangenen Jahres.

Die Europäische Union hat die israelische Entscheidung, teilweise die Stimmabgabe in Ost-Jerusalem zu erlauben und damit zu einer erfolgreichen Abhaltung der Wahlen beizutragen, positiv zur Kenntnis genommen.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie wir bereits in der vorhergehenden Aussprache festgestellt haben, sind wir in der Tat mit einer neuen Sachlage konfrontiert. Am Montag trafen sich die EU-Außenminister und das Quartett, um über unsere Reaktion auf den Eintritt der Hamas in die nationale politische Arena der Palästinenser und die Folgen für unsere Unterstützung zugunsten der palästinensischen Autonomiebehörde zu beraten.

Ich möchte an drei Faktoren erinnern. Erstens an unsere Grundsätze, die absolut klar sein sollten. Wir haben diese Wahlen mit Finanzhilfen in Höhe von 18,5 Millionen Euro unterstützt. Darüber hinaus haben wir gehört, dass es etwa 240 Wahlbeobachter unter der großartigen Leitung von Frau De Keyser gegeben hat. Wir haben außerdem unser Engagement für den Aufbau demokratischer Einrichtungen unter Beweis gestellt. Ich denke, dies ist eine klare Grundsatzposition. Sollten wir diese Position nun heute aufgeben, weil uns das Ergebnis der Wahlen nicht gefällt? Meiner Meinung nach wäre das wiederum ein klarer Fehler. Wir sollten vielmehr alle dazu auffordern, den Ausgang einer demokratischen Wahl zu respektieren. Bei meinem Besuch in Gaza habe ich deutlich gemacht, dass wir bereit sind, mit einer Regierung zusammenzuarbeiten, die sich mit friedlichen Mitteln um Frieden bemüht. Wie das Quartett betonte, bedeutet das Kooperation, ein eindeutiges Bekenntnis zum Gewaltverzicht, eine Anerkennung Israels und die Übernahme früherer Verpflichtungen einschließlich der Roadmap und des Abkommens von Oslo.

Zweitens die Verantwortlichkeiten: Jetzt sind die palästinensischen Führer am Zug. Es liegt in ihrer Verantwortung, sich wie Partner zu verhalten und die von der internationalen Gemeinschaft aufgestellten Kriterien zu erfüllen. Es ist noch unklar, wie die Hamas im Rahmen ihres Konzepts für Wechsel und Reform die Verantwortlichkeiten ausüben wird, die eine neue palästinensische Regierung wahrnehmen muss. Das wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen. In diesen beiden Beratungen habe ich mich für eine klare Botschaft der internationalen Gemeinschaft zu unseren Erwartungen ausgesprochen. Ich habe außerdem gesagt, dass die Europäische Kommission bereit ist, mit jeder Regierung zusammenzuarbeiten, die sich wirklich mit friedlichen Mitteln um Frieden bemüht.

Wir sind uns allerdings auch der wirtschaftlichen und humanitären Bedürfnisse des palästinensischen Volkes bewusst, die in der Tat erheblich sind. Außerdem berücksichtigen wir auch den legitimen Anspruch der Palästinenser auf Eigenstaatlichkeit. Wir müssen bedenken, dass die Geberfinanzierung unerlässlich ist, um die Not der palästinensischen Bevölkerung zu lindern und den Teufelskreis von Armut und Extremismus zu durchbrechen. Darüber vergessen wir jedoch nicht unser eigenes Engagement für eine Zwei-Staaten-Lösung und die Sicherheitsbedürfnisse Israels.

Deshalb erwarten wir zuallererst, dass sich die künftigen Mitglieder einer palästinensischen Regierung zu diesen drei Grundsätzen verpflichten. Das gilt für das Interims-Assoziationsabkommen zwischen der EU und Palästina. Darin kommt ganz klar zum Ausdruck, dass die Freiheit der Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte zu achten sind. Zusätzlich ist im Nachbarschaftsaktionsplan ebenfalls eindeutig ausgeführt, dass die Roadmap der Weg zum Frieden sein muss.

Das Verhalten der Hamas als Organisation wird weiter aufmerksam beobachtet, aber die neue palästinensische Regierung muss in erster Linie nach ihren Taten beurteilt werden, was die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität anbelangt.

Eine wichtige und unmittelbare Aufgabe ist die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen. Ich bin bereit, konstruktiv auf die finanzpolitischen Probleme der palästinensischen Autonomiebehörde – vor allem jetzt für die Übergangsregierung und für die geschäftsführende Regierung – durch Linderung ihrer Liquiditätsprobleme zu reagieren. Aber andere müssen ebenfalls ihren Teil beitragen. Dazu gehört Israel, das aufgefordert wurde, den Transfer von Zolleinnahmen an die palästinensische Autonomiebehörde fortzusetzen. Ebenso wie andere Mitglieder des Quartetts werde auch ich mit den Israelis persönlich über diese Angelegenheit sprechen.

Die Rolle der Palästinenser selbst wird ebenfalls maßgebend sein. Die Weltbank entsendet eine Mission, um zu prüfen, was sie tun kann und wie die palästinensische Autonomiebehörde die Vorgaben erfüllen kann, vielleicht durch Umschichtung der Haushaltsmittel. Sie müssen eine Möglichkeit finden, die Aussetzung der Zahlungen aus dem Treuhandfonds der Weltbank aufzuheben. Dort liegen immer noch 35 Millionen US-Dollar. Sie sind noch nicht ausgezahlt worden, weil sie nicht ausgezahlt werden durften. Ich hoffe, ich kann bei der Suche nach einer kurzfristigen Lösung auf die Unterstützung des Parlaments zählen. Es wird aber für die neue Regierung auch darauf ankommen, erneut wesentliche Reformen auf Kurs zu bringen. Das sollte in dem Geiste geschehen, in dem wir mit der palästinensischen Autonomiebehörde bisher zusammengearbeitet haben.

In der Zwischenzeit plant die Kommission, die Hilfeprogramme fortzuführen, die den grundlegendsten Bedürfnissen der Palästinenser dienen, darunter die Infrastrukturfazilität, Nahrungsmittelhilfe, humanitäre Hilfe und Flüchtlingshilfe.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass sich der Friedensprozess bekanntlich an einem sehr wichtigen Scheideweg befindet. Das Jahr 2005 war bestimmt vom einseitigen Vorgehen Israels und gelähmten palästinensischen Institutionen. Jetzt muss sich die internationale Gemeinschaft auf beiden Seiten, bei den Israelis und bei der palästinensischen Autonomiebehörde, um konkrete Aussichten auf Fortschritt bemühen. In diesem Zusammenhang stimme ich zu, dass wir Mahmud Abbas und seine Behörde unterstützen müssen, um Stabilität zu gewährleisten und zu zeigen, dass die Verhandlungen positive Ergebnisse bringen werden. Genau aus diesem Grund möchte ich betonen, dass unbedingt alle einseitigen Aktionen vermieden werden müssen, die die Verhandlungen über den endgültigen Status gefährden könnten, wie Terroranschläge, die Erweiterung von Siedlungen und der Ausbau des Grenzzauns.

Darum müssen wir von nun an so eng wie möglich zusammenarbeiten: Die vor uns liegenden Tage und Monate werden in jeder Hinsicht entscheidend sein, wenn es darum geht, im Nahen Osten und bei uns Stabilität herzustellen.

 
  
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  Edward McMillan-Scott (PPE-DE), Vorsitzender der Delegation der Beobachter des Europäischen Parlaments. – (EN) Herr Präsident! Ich hatte das Privileg, erneut Vorsitzender der größten gewählten Beobachtungsmission bei den Wahlen in Palästina zu sein: der des Europäischen Parlaments. Zunächst möchte ich den anderen 26 Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die in der Delegation vertreten waren, für ihre Arbeit danken, besonders meiner Stellvertreterin Frau Napoletano, und natürlich Frau de Keyser in ihrer Funktion als Leiterin der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union. Außerdem danke ich den Mitarbeitern des Europäischen Parlaments, die uns begleitet und unter sehr schwierigen Umständen hervorragende Arbeit geleistet haben.

Letzte Woche hörten wir auf den Straßen Palästinas den Ruf nach Alternativen und Veränderung. Es war die Stimme der Demokratie. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass der Verlauf nicht zu beanstanden war, wie einer meiner Kollegen es formulierte. Die Wähler gingen freiwillig zu den Wahlurnen, Männer, Frauen, Junge und Alte. Die Wahllokale, in der Regel in Schulen und unter der Leitung von Lehrern, waren effektiv und gut organisiert. Die israelischen Streitkräfte hielten sich im Großen und Ganzen zurück. Der Verlauf war mustergültig, und es besteht kein Zweifel, dass das Ergebnis den Wunsch der Menschen widerspiegelt, doch es ist weniger Ausdruck ihrer Liebe zur Hamas als ihrer Verzweiflung über die Fatah-Bewegung. Die Vertreter der Hamas, die wir trafen, waren in der Tat nicht besonders liebenswert.

Wir beobachten das Erstarken fundamentalistischer Islamisten in der Politik nicht nur in Palästina, sondern überall in der arabischen Welt mit ihren 250 Millionen Menschen – darunter Ägypten, wo die Muslim-Bruderschaft im November und Dezember so gut abgeschnitten hat, und bei den bevorstehenden Parlamentswahlen in Marokko. Genau darauf müssen sich alle unsere Institutionen bei ihrer Arbeit konzentrieren. Wir müssen zusammenarbeiten, weil wir meiner Meinung nach zwar den Prozess der Demokratie, aber nicht die Werte der Demokratie vermittelt haben, die für uns in der Europäischen Union so selbstverständlich sind. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die Achtung der Rechte von Minderheiten: Diese Werte müssen wir vermitteln.

 
  
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  Véronique De Keyser, Vorsitzende der EU-Wahlbeobachtungsmission in den palästinensischen Gebieten.(FR) Herr Präsident! Meine ersten Gedanken gelten den Mitgliedern der Mission, die sich immer noch vor Ort befinden. Ich habe viele Dankesbekundungen erhalten, die ich gern an sie weiterleiten möchte – sie haben Außerordentliches geleistet. Ich habe auch durch den Rat, durch Marc Otte, der sich vor Ort in Palästina befand, und durch Jeanette umfassende Hilfe erfahren. Vor allem aber möchte ich Ihnen gegenüber, Frau Kommissarin, meinen Dank zum Ausdruck bringen. Sie waren für mich bei einigen schwierigen Entscheidungen eine große Hilfe.

Ich möchte zwei davon anführen. Zunächst der Einsatz unserer Mission im Gaza-Streifen unter heiklen Sicherheitsbedingungen. Von Anfang an waren wir die einzige Beobachtermission, die im Gaza-Streifen eingesetzt war. Und dann die schwierige Entscheidung, Frau Kommissarin, mit den Kandidaten von Change and Reform der Hamas-Liste zusammenzutreffen. Selbstverständlich haben wir eine Auswahl der Kandidaten getroffen, mit denen wir zusammenkommen wollten - gemäßigten Kandidaten. Aber ich möchte auch sagen, dass wir die einzige Mission waren, die mit Kandidaten von Change and Reform zusammengetroffen ist, und die Geschichte gibt uns Recht, denn 44 % der palästinensischen Bevölkerung haben für diese Liste gestimmt.

Ich möchte nun drei Herausforderungen nennen, die sich uns stellen. Die erste Herausforderung - die auch ich als schwierig empfinde - besteht darin, die Entscheidung der Palästinenser zu respektieren, eine Entscheidung für den Wandel und nicht unbedingt für den radikalen Islamismus, wie auch Edward McMillan-Scott sagte. Nicht alle Palästinenser – und das gilt zumindest für die Hälfte der Bevölkerung - sind zu radikalen Islamisten geworden. Sie sehnen den Wandel herbei, sowohl im Inneren als auch außerhalb ihres Landes, und den Frieden, der wohl noch lange Zeit auf sich warten lässt.

Die zweite Herausforderung, Frau Kommissarin, besteht darin, bei den Friedensbemühungen nicht der Versuchung des Unilateralismus zu erliegen. Seit Itzhak Rabin haben wir in den Entscheidungen und in den Verhandlungen zwischen Israel und Palästina keine Anzeichen von Bilateralismus mehr verspürt. Der Abzug aus dem Gazastreifen war eine einseitige Maßnahme. Die Präsenz der Hamas in der palästinensischen Regierung ist derzeit dazu angetan, diesen Unilateralismus zu verstärken und nicht etwa, den Frieden herbeizuführen. Ich hoffe, die Bemühungen der Europäischen Union werden in diesem Sinne verlaufen.

Die dritte Herausforderung ist, unabhängig von den Umständen, einen Unterschied zu machen zwischen der palästinensischen Regierung, die ihrer Verantwortung nachkommen muss, und der palästinensischen Bevölkerung, die nun nicht als Geisel für ihre eigenen Entscheidungen benutzt werden darf. Sicherlich hat sich die Bevölkerung für diese Option entschieden, aber wie auch die künftige Entwicklung verlaufen mag, hat sie Grundbedürfnisse, für deren Befriedigung wir sorgen müssen, andernfalls steuern wir auf eine Katastrophe zu.

Abschließend möchte ich Ihnen weitergeben, was eine Palästinenserin mir unmittelbar nach den Wahlen auf meine Frage „Haben Sie keine Angst, von der Scharia regiert zu werden?“ antwortete: „Wir hatten keine Angst, „Nein“ zu den Israelis zu sagen, die die Stärkeren sind. Wir hatten keine Angst, „Nein“ zur Fatah zu sagen, denn sie hat uns enttäuscht. Wir werden auch „Nein“ zur Hamas sagen, sollte sie uns künftig enttäuschen“. Das ist die Lektion von der parlamentarischen Demokratie, die von den Palästinensern vollauf verstanden wurde.

(Beifall)

 
  
  

VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN
Vizepräsidentin

 
  
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  Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Wahlen sind wie ein Bild. Im Grunde sind sie wie eine Röntgenaufnahme einer Gesellschaft zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt. Diese Wahlen sind eine Aufforderung an uns alle, realistisch zu sein und endlich der Heuchelei in der internationalen Gemeinschaft ein Ende zu setzen. Millionen Palästinenser sind verzweifelt. Sie haben nichts zu verlieren und sie stimmen für diejenigen, die Veränderung, Reform und ein Ende der Korruption versprechen.

Wir sprechen zu viel über den Nahen Osten und zu wenig über die wirkliche Lage der Männer, Frauen, Kinder und Alten, die wie ihre Familien verzweifelt sind. Wir müssen ihren Willen respektieren. Wir müssen dieser neuen Mehrheit vermitteln, dass wir sie respektieren. Dabei müssen wir aber auch deutlich machen, dass unsere Unterstützung abhängig ist von einem Ende der Gewalt, des gewalttätigen Widerstands und des Terrorismus. Aber wir müssen den Willen der Menschen respektieren.

Wir sollten nicht so tun, als ob wir weiter den gleichen Film zeigen und das gleiche Drehbuch verwenden und nur einen der Darsteller austauschen. Damit wäre ein Scheitern vorprogrammiert. Wir haben es hier mit einem neuen Szenario zu tun, das auf beiden Seiten neue Vorschläge, ein neues Engagement und neuen Druck verlangt. Die jetzige Situation ist doch genau deshalb entstanden, weil wir das nicht getan haben. Auf beiden Seiten des Konflikts muss neuer Druck herrschen. Wir müssen uns um Frieden bemühen, dürfen aber nicht vergessen, dass wir hier von realen Menschen reden.

 
  
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  David Hammerstein Mintz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Frau Präsidentin! Ich glaube, dass die Vermittlerrolle der Europäischen Union jetzt notwendiger ist denn je. Es wäre jetzt die ungünstigste Zeit, sich aus der Region zurückzuziehen und das palästinensische Volk sich selbst zu überlassen, und gleichzeitig sollten wir die entsprechenden Lehren ziehen. Was haben wir aus unserem Engagement in der Region und unserer Hilfe für das palästinensische Volk gelernt? Was haben wir daraus gelernt, dass wir jahrelang erklärten, die Lösung seien Wahlen und Demokratie, sie seien ein Schritt nach vorn und eine Voraussetzung für den Frieden, wenn wir jetzt feststellen, dass diese Wahlen nicht die Lösung, sondern zu einem Problem geworden sind?

Ich habe keine Selbstkritik seitens des Rates und der Kommission darüber gehört, was wir falsch gemacht haben, nachdem wir Milliarden von Euro investiert haben.

Meiner Meinung nach haben wir nun nach diesem Sieg der Hamas eine Sachlage, mit der es der israelischen Politik gelungen ist, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu realisieren. Jahrelang haben sie erklärt, es gebe keinen palästinensischen Partner für den Frieden. Nun, am Ende haben sie genau das erreicht.

Die Europäische Union muss jetzt mehr als deutlich machen, dass die Hamas, wenn sie weitermachen will, sich an die Spielregeln und die bereits von der palästinensischen Regierung geschlossenen Vereinbarungen halten, Israel anerkennen und ihre Milizen auflösen muss. Gleichzeitig müssen wir uns intensiv darum bemühen, eine Aussicht auf Frieden zu eröffnen.

Einer der Hauptgründe für den Sieg der Hamas ist die fehlende Hoffnung, die fehlende Hoffnung auf eine endgültige Vereinbarung im Nahen Osten. Darüber hinaus hat sich die Lebensqualität der Palästinenser Jahr für Jahr weiter verschlechtert. Die Zusagen des Quartetts vor Ort zur Verbesserung des Wohlergehens der Palästinenser kamen im Schneckentempo voran, sehr langsam, und die komplizierten Verfahren und die Hindernisse sind nicht überzeugend überwunden worden.

Ich glaube, wir müssen vermitteln und arbeiten wie nie zuvor, um diese Aussicht auf Frieden zu eröffnen.

 
  
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  Adamos Adamou, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Zunächst möchte auch ich Véronique De Keyser und Edward McMillan-Scott für die Bemühungen danken, die sie zusammen mit den anderen Europaabgeordneten während ihrer Mission unternommen haben.

Die Stimmauszählung hat die Hamas als die erste politische Kraft bestätigt und dieses Ergebnis muss respektiert werden. Gleichzeitig sollte es auch keinen überraschen. Es ist die Auswirkung zahlreicher Faktoren, und zwar sowohl lokaler als auch internationaler.

Die Palästinenser haben leider, trotz der Verlautbarungen des Westens, noch nichts davon bemerkt, dass ihr Ziel, einen eigenen unabhängigen Staat zu schaffen, Unterstützung erhält. Sie haben jedoch gesehen, dass die rassistische Politik der Mauer und der Besiedelung legitimiert wird. Das Wahlergebnis ist eine Botschaft sowohl an die Palästinenser selbst als auch an die internationale Gemeinschaft und insbesondere an uns, und sie verweist auf unsere unzulängliche Politik, die es versäumt hat, Druck auf Israel auszuüben, damit es die Roadmap sowie die UN-Resolutionen zur Förderung eines politischen Prozesses umsetzt, und die sich darauf beschränkte, die Palästinenser finanziell zu unterstützen.

Leider bin ich mir nicht sicher, ob wir in der Lage waren, diese Botschaften zu empfangen, da heute im Europäischen Parlament ein Entschließungsantrag propagiert wird, der einseitig und parteiisch ist.

Unsere Reaktion gegenüber der neuen Regierung darf nicht darin bestehen, die Bemühungen um eine Wiederbelebung des Friedensprozesses einzustellen, wie dies von den Vereinigten Staaten angekündigt wurde. Gleichzeitig muss die Hamas die Gewalt verurteilen, das Existenzrecht des Staates Israel anerkennen und mit Präsident Abbas bei der Fortsetzung des Friedensprozesses zusammenarbeiten. Darüber hinaus müssen sowohl die Europäische Union als auch die Mitglieder des Quartetts erneut die Verpflichtung bekräftigen, einen unabhängigen palästinensischen Staat neben dem Staat Israel mit Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt zu schaffen.

 
  
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  Mario Borghezio, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Europa erntet, was es gesät hat: Die an Palästina verschwendeten Milliarden – Gelder, die zweckentfremdet verwendet und nicht entsprechend abgerechnet wurden – sind in den Tsunami der Hamas geflossen. Demzufolge ist eine terroristische Organisation an die Macht gelangt, die – wie durch die oftmals doppeldeutigen Antworten der Führer dieser Organisation auf unsere Fragen während der Mission bestätigt wurde – die Schaffung eines Scharia-Staates zu ihrem strategischen Ziel erklärt und sich damit vom Frieden, von den Menschenrechten und den Rechten der Frauen und religiösen Minderheiten verabschiedet. Die Hamas hat uns durch ihre Ablehnung sämtlicher Forderungen des Nahost-Quartetts eine unmissverständliche Antwort gegeben.

Die Sozialistische Internationale hat uns bereits durch Herrn Schulz wissen lassen, dass sie Verhandlungen mit der Hamas befürwortet, während sie andererseits nie ihre Stimme gegen die skandalöse Verwendung der an die Palästinensische Behörde geflossenen Mittel erhoben hat. Fakt ist jedoch, dass jeder, der auf die Einleitung eines gemäßigteren Kurses der Hamas setzt, Palästina damit definitiv den Fundamentalisten bzw. einem Schicksal überlässt, welches das mutige, bescheidene, kluge und fleißige palästinensische Volk ganz gewiss nicht verdient hat.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Einmal ganz abgesehen davon, ob der berüchtigte Bericht der EU-Diplomaten tatsächlich amtlich ist, müssen wir zu dem Schluss gelangen, dass mit diesem so viel diskutierten Dokument zumindest ein weiterer Beweis für die allzu einseitige propalästinensische Haltung der offiziellen Institutionen der Europäischen Union geliefert wird. Die europäischen Vertreter nehmen ständig für sich in Anspruch, wie es Bismarck tat, ehrliche Makler zu sein, in Wirklichkeit aber treten sie hauptsächlich für die Forderungen der Palästinenser ein, was der Unabhängigkeit der EU abträglich ist.

In diesem Zusammenhang sollten wir übrigens auch eingestehen, dass die vielen Milliarden europäischer Steuergelder, die der Palästinensischen Autonomiebehörde in den letzten Jahren als Finanzhilfe zugeflossen sind, in erster Linie der Unterstützung eines durch und durch korrupten Regimes dienten. Dazu hatte ich zahlreiche Anfragen an den Rat und die Kommission gerichtet, die jedes Mal abgewiesen wurden, und jetzt müssen wir mit den Konsequenzen fertig werden. Die Korrupten sind durch den Wahlsieg der islamischen Terrorbewegung Hamas weggefegt worden. Auf der EU lastet damit eine schwere Verantwortung.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra (PPE-DE).(ES) Frau Präsidentin! Obwohl die jüngsten Ergebnisse der palästinensischen Wahlen kaum Anlass zu Optimismus geben, glaube ich, dass einer der größten Fehler, den die Europäische Union im Allgemeinen und dieses Parlament im Besonderen machen könnten, darin bestände, überstürzt Schlussfolgerungen zu ziehen.

Was wir wohl mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Anwesenheit der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union ein beachtlicher Erfolg für die Europäische Kommission war und dass das – wie Kommissarin Ferrero-Waldner sagte – der Union mehr Profil verleiht und zur Festigung der Demokratie überall in der Welt beiträgt. Deshalb geht unser aufrichtiger Glückwunsch an die Kommission und auch an unsere Kollegen, Herrn McMillan-Scott und Frau De Keyser, wie auch an die übrigen Mitglieder dieses Parlaments, die sie begleitet haben.

Frau Präsidentin, es wäre wohl zu früh, jetzt den Schluss zu ziehen, dass der stockende Nahost-Friedensprozess infolge dieser Wahlen begraben wird oder dass diese Wahlen den Tod der Oslo-Abkommen einläuten. Wir sollten etwas Zeit vergehen lassen und beobachten, was sich tut. Insbesondere müssen wir, trotz der begangenen Fehler, den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde als legitimen Gesprächspartner behandeln, die Bildung der neuen Regierung abwarten und dabei bedenken – wie Frau De Keyser sagte –, dass 75 % der Bürger, die für diese politische Formation gestimmt haben, nicht die Zerstörung Israels wollen, und schließlich, Frau Präsidentin, müssen wir analysieren, welche Auswirkungen dieser Wahlprozess auf die Wahlen in Israel haben wird.

Doch früher oder später, Frau Kommissarin, wird die Europäische Union, unabhängig von den drängenden kurzfristigen Problemen, Stellung zu einem grundlegenden Aspekt beziehen müssen: ob die immensen Bedürfnisse – wie Sie sagten – des palästinensischen Volkes mit der Existenz der Hamas, deren Gründungscharta zur Auslöschung und Zerstörung des Staates Israel aufruft, und mit der Tatsache vereinbar sind, dass sie auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union erscheint.

Frau Präsidentin, hier darf die Europäische Union nicht mit zweierlei Maß messen: Sie muss sich von Terror und Gewalt als Mittel des politischen Handelns lossagen oder auf die Tätigkeit und Hilfe der Europäischen Union verzichten.

 
  
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  Pierre Schapira (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn McMillan-Scott und Frau De Keyser meinen Dank aussprechen: Die Wahlen sind in jeder Hinsicht glatt verlaufen. Darüber hinaus sind es Wahlen von historischer Bedeutung - ist es der erste demokratische Machtwechsel in der arabischen Welt.

Das palästinensische Volk hat nicht für die Hamas, sondern gegen die Fatah gestimmt. Die Hamas gewann auf der Grundlage eines Programms, das gegen die Korruption und die Reform der PLO als einziger zur Verhandlungsführung ermächtigter Instanz gerichtet war. Vor allem jedoch gewann sie auf der Grundlage eines speziell für Palästina konzipierten Sozialprogramms. Das war mein Eindruck, als ich am Rande unserer Mission mit palästinensischen Bürgermeistern und deren unter dem Einfluss der Hamas stehenden Verband zusammentraf. Was die Hilfe anbelangt, wird sie unbedingt auch weiterhin vom palästinensischen Volk benötigt. Es muss gewährleistet werden, dass die Beamten Gehalt bekommen, vor allem aber gilt es, den Staatsbankrott zu verhindern, denn sonst wird die palästinensische Behörde unter die Herrschaft eines anderen Landes gelangen.

Wir müssen unbedingt abwarten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen aber auch keinem naiven Optimismus verfallen. Lesen Sie die Charta der Hamas: sie ist verwerflich und fragwürdig. Bevor die neue Regierung Gesprächspartner werden kann, muss sie für null und nichtig erklärt werden. Wir müssen eine Frist, einen Zeitplan festlegen, damit die Hamas ihrer Verantwortung nachkommt, denn sie ist eine rechtmäßige Partei in einem demokratischen Land geworden.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE).(FR) Frau Präsidentin! Ich werde mich kurz fassen, da ich nur eine Minute Zeit habe, um meiner Enttäuschung darüber Ausdruck zu verleihen, dass hier unser Parlament sorgfältig zu vermeiden sucht, die Dinge beim Namen zu nennen.

Sechs Verweise, sieben Erwägungsgründe und zwölf Artikel in diesem Text über das Wahlergebnis in Palästina, und nicht ein einziges Mal wird die Hamas und ihre Charta des Hasses, auf der sich ihre Ideologie und ihr Handeln begründen, erwähnt, einfach nur erwähnt. Herr Schapira sprach soeben davon, wie verwerflich diese Charta ist – ich glaube, er verwendete dieses Wort – und Daniel Cohn-Bendit bezeichnete sie als abstoßend. Selbstverständlich teile auch ich diese Meinung.

Ich meine, wir haben wohl einen Nobelpreis für „hohle Worte“ verdient zu einem Zeitpunkt, da das Nahostquartett, die europäischen Minister, die Medien und vor wenigen Augenblicken noch Herr Solana – wir haben sie ja alle vernommen – sich trotz der Charta die unvermeidliche Frage stellen: Wie können wir mit der Hamas zusammenarbeiten und unsere für die Palästinenser lebensnotwendige Hilfe fortsetzen, wenn die Hamas nicht auf den Terror verzichtet und Israel nicht anerkennt? Mahmoud Abbas nimmt seinerseits kein Blatt vor den Mund, wenn er seinen Forderungen vor den Islamisten Ausdruck verleiht.

Es stimmt, die Wahl war demokratisch, zumindest in ihrem Verlauf. Es stimmt, die Hamas hat die Wahlen gewonnen. Es stimmt, wir wollen der palästinensischen Behörde weiterhin helfen. Es stimmt schließlich, dass es heute der Hamas obliegt, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und sich zu ändern. Den Pragmatikern auf beiden Seiten hätte ebenso klar und direkt gesagt werden müssen: Aufgrund einer demokratischen Abstimmung ist eine Ideologie an die Macht gekommen, die nicht demokratisch ist. Dies ist die schwierige Gleichung, die wir heute lösen müssen.

 
  
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  Margrete Auken (Verts/ALE). – (DA) Frau Präsidentin! Die Wahl in Palästina ist auf eine beispielhafte Art und Weise vonstatten gegangen. Dazu möchte ich die Palästinenser beglückwünschen, und meinen Kollegen möchte ich ein großes Dankeschön aussprechen. Allerdings gibt es nach wie vor Probleme in Israel und Palästina. Palästina ist besetzt. Diese Tatsache wird in einer Liste von Resolutionen der Vereinten Nationen hervorgehoben, in der die anhaltenden Verstöße Israels gegen das Völkerrecht ebenso kritisiert werden wie die Siedlungen, die schreckliche Mauer und die Versuche, Ostjerusalem zu annektieren, um nur die gravierendsten Probleme zu nennen.

Die schwierige Situation in Palästina ist Gegenstand des gemeinsamen Entschließungsantrags, der eine Reihe konstruktiver Punkte enthält. Es werden darin die wesentlichen Bedingungen für die Hamas dargelegt. Wir müssen aufmerksam darüber wachen, dass die Hamas nicht erneut Zuflucht zum Terrorismus nimmt, nachdem sie jetzt für mehr als ein Jahr den Frieden bewahrt hat. Selbstverständlich dürfen wir ihr nicht das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die Besetzung absprechen, das sie nach der Genfer Konvention hat, aber wir müssen entschlossene und sorgfältig durchdachte Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät. Alle nichtstaatlichen Gruppierungen, sowohl in Palästina als auch unter den israelischen Siedlern, sollten entwaffnet werden. Wir müssen jede Form der Radikalisierung, sowohl in Palästina als auch in Israel, zu verhindern suchen.

Der uns vorliegende Entschließungsantrag könnte durchaus als eine einseitige Anerkennung

aufgefasst werden, und das wäre im Hinblick darauf, dass wir ja einen Beitrag zum Frieden leisten sollen, natürlich gefährlich. Daher fordere ich die Abgeordneten auf, für die von der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz eingebrachten Änderungen zu stimmen, insbesondere für den Änderungsantrag zu Ziffer 10, in der der Beschluss des Rates, den von den Leitern der EU-Vertretungen in Palästina verfassten Bericht über Ostjerusalem nicht öffentlich zugänglich zu machen, sehr deutlich formuliert ist. Wenn die in diesem Bericht enthaltene Kritik an der Situation in Ostjerusalem und die entsprechenden Empfehlungen unmissverständlich zurückgenommen werden, ist der Entschließungsantrag ein geeignetes Mittel, um weitere Fortschritte in Richtung auf einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina zu erzielen.

Ich möchte an uns alle appellieren, jetzt konsequent zu sein. Die Palästinenser haben kein ausreichendes Vertrauen zu uns, und es ist an der Zeit, das zu ändern.

 
  
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  Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte der Kommission sowie Frau De Keyser, Herrn McMillan-Scott und unserer gesamten Delegation für ihre Sensibilität und Klugheit danken. Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass die Nichtveröffentlichung des Berichts über Ost-Jerusalem – und darum geht es hauptsächlich in der Debatte – und die Unterlassung entsprechender Schritte effektiv eine Hilfe für die Hamas waren, weil bestimmte Wahrheiten einfach nicht unausgesprochen bleiben dürfen.

Der Sieg der Hamas war meines Erachtens vorauszusehen. Dafür ist zu einem Großteil die internationale Gemeinschaft verantwortlich, die es nicht vermocht hat, nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens dem Völkerrecht Vorrang und Anerkennung zu verschaffen. Sie hat weder den Grundsatz „zwei Völker, zwei Staaten“ durchgesetzt noch Mahmoud Abbas eine angemessene Unterstützung zuteil werden lassen – denn Finanzhilfen genügen nicht, sondern die Palästinenser wollen politische Unterstützung –, und gleichzeitig hat sie Israel nicht in erforderlichem Maße unter Druck gesetzt, um die Ausweitung der Siedlungen und die Gebietsannexionen zu verhindern.

Insbesondere meine ich, dass die Völkergemeinschaft, obwohl sie stark genug ist, um Druck auszuüben, nicht imstande war, die konkrete Wiederaufnahme der Verhandlungen zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz vermochten die Palästinenser mit einem demokratischen Wahlprozess zu reagieren, an dem das Volk beteiligt war und bei dem sie ihren Wunsch nach Leben, Gerechtigkeit und Frieden zum Ausdruck brachten.

Für mich als Frau ist der Sieg der Hamas eine schreckliche Tatsache. Allerdings vermute ich, dass es sich bestimmt um ein Protestvotum gegen Al Fatah handelt, die viele Jahre lang die Vorherrschaft über die palästinensische Gesellschaft ausgeübt hat und ihre Versprechen nicht halten konnte, aber auch gegen die Korruption, die jedoch eher ein demagogisches Problem ist. Aufgabe der Europäischen Kommission und der internationalen Gemeinschaft ist es nun, den Dialog wieder aufzunehmen und am Leben zu erhalten sowie dafür Sorge zu tragen, dass sowohl die Hamas als auch Israel die Gewalt stoppen und sich zu dem Grundsatz „zwei Völker, zwei Staaten“ bekennen können.

 
  
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  James Hugh Allister (NI).(EN) Frau Präsidentin! Die Hamas ist gefährlich: Sie ist verantwortlich für einige der schlimmsten Terroranschläge, die es je gegeben hat. Auch wenn sie jetzt ein demokratisches Mandat erhalten hat, ändert dies nichts an der Tatsache, dass es sich um eine terroristische Organisation handelt. Ich bin aus Nordirland, wo eine vergleichbare Terrororganisation, die IRA, eine Wählerschaft fand, und kann deshalb aus Erfahrung sprechen. Dort wurden fundamentale Fehler gemacht in der Hoffnung, sie vom Pfad des Terrorismus abzubringen. Demokratische Werte wurden entstellt, auf ein ungerechtfertigtes Zugeständnis folgte das nächste, doch nach jeder Zusage, die sie sich sicherten, stellten sie neue Forderungen. So denken und handeln Terrororganisationen, wenn sie ihren langen, facettenreichen Krieg führen.

Deshalb fordere ich dringend dazu auf, dass wir fest und entschlossen auftreten, ohne Schummeleien und ohne von dem Grundsatz abzugehen, dass von Seiten der EU keine Hilfe an eine Behörde fließen wird, die von Terroristen der Hamas geführt wird. Wenn wir uns daran nicht halten, werden wir und auch die Demokratie die Verlierer sein.

 
  
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  Antonio Tajani (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Europa muss ein grundlegendes Ziel anstreben, um Frieden im Nahen Osten zu schaffen und den Terrorismus zugleich mit politischen Mitteln zu schlagen. Dieses Ziel besteht in der Gewährleistung der Existenz und der Sicherheit Israels und der gleichzeitigen Schaffung eines palästinensischen Staates. In letzter Zeit wurden dank des Einsatzes von Ariel Scharon und Abu Mazen bedeutende Fortschritte in dieser Richtung erzielt.

Ist der Wahlerfolg der Hamas eventuell ein Rückschritt für uns? Besteht vielleicht die Gefahr, dass er Palästina in ein neues theokratisches und fundamentalistisches Regime verwandelt? Die Worte des Sprechers der Hamas, Mahmoud Zahar, der eine neue palästinensische Regierung ohne Atheisten ankündigt, weil sie „AIDS und Homosexualität einführen“, stimmen uns sicher wenig hoffnungsvoll, ebenso wie andere Äußerungen zu Israel.

Europa muss seiner Stimme mit wirksamen politischen Initiativen Gehör verschaffen, die die Hamas zur Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses bewegen. Europa muss der neuen Regierung verständlich machen, dass, falls sie die Existenz Israels zu bedrohen beabsichtigt, die für Palästina bestimmten Finanzhilfen eingestellt werden. Wenn die Hamas den Weg der Intoleranz wählt, wird sie ihrer Bevölkerung schweren Schaden zufügen und das Wahlergebnis in Israel negativ beeinflussen. Deshalb sollten wir Abu Mazen unterstützen und die Idee seines Besuchs im Europäischen Parlament begrüßen. Und wir sollten auch die Rechte der christlichen Palästinenser verteidigen, einer Minderheit, die im Nahen Osten vom Untergang bedroht ist, die jedoch einen wichtigen Friedens- und Stabilitätsfaktor darstellt.

Lassen Sie uns voller Zuversicht darauf hinarbeiten, dass die Geisteshaltung von Anwar Zaboun, nach dessen Behauptung Verhandlungen mit Israel haram, d. h. durch die Religion verboten sind, nicht die Oberhand gewinnt. Ich bin davon überzeugt, dass die palästinensische Bevölkerung anders darüber denkt.

 
  
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  Lilli Gruber (PSE). – Frau Präsidentin! Palästina hat ein neues Parlament, das aus Wahlen hervorgeht, die von der internationalen Staatengemeinschaft einhellig anerkannt wurden. Wir respektieren den Ausgang und unterstützen Präsident Abu Mazen in seiner Suche nach einer Regierung, die sich für das internationale Recht und gegen Gewalt stark macht.

Demnach mutet es paradox an, heute damit zu drohen, der Autonomiebehörde den europäischen Finanzhahn zuzudrehen. Damit riskieren wir, dass die EU durch aggressive Staaten und Gruppen ersetzt wird und dass Al Qaida arbeitslose palästinensische Soldaten und Polizisten anwirbt.

Erinnern wir uns: Am 13. Juni 1980 hat die EG auf dem Gipfel in Venedig die PLO anerkannt. Über den Dialog wurde die ehemalige Terrororganisation auf dem Weg zur Anerkennung des Existenzrechts Israels und des Friedensprozesses begleitet. Angesichts des Wahlsieges der Hamas stehen wir heute vor einer ähnlichen Herausforderung. Vor den Wahlen gaben die USA übrigens zu verstehen, man müsse mit der Hamas sprechen, obwohl sie auf der Liste der Terrororganisationen steht.

Das Europäische Parlament muss nun seinen konstruktiven Beitrag leisten und so bald wie möglich eine Delegation der neu gewählten palästinensischen Volksversammlung nach Brüssel einladen, denn mehr als für Drohgebärden ist jetzt der dringende Zeitpunkt für vertrauensbildende Maßnahmen.

 
  
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  Sajjad Karim (ALDE). – (EN) Frau Präsidentin! In den letzten Wochen haben wir den Zyklus aus Gegensätzen und Widersprüchen verfolgt, der jetzt die Beziehungen der EU zum Nahen Osten charakterisiert. Wir fordern Legitimität und Transparenz von unseren Partnern, doch wir verdrängen die Wahrheit, wenn sie uns von Rechts wegen zum Handeln verpflichtet. Wir unterstützen demokratische Wahlen in Palästina, doch wir stellen die Stimme des Volkes in Frage, wenn wir sie hören. Wir helfen der korrupten Fatah jahrelang, doch binnen weniger Tage zweifeln wir die erklärten humanitären Absichten der künftigen Vertreter der neuen palästinensischen Autonomiebehörde an. Wir zweifeln an dem Wunsch der neuen Autonomiebehörde, Brücken des Vertrauens und der Kooperation zu bauen, doch wir sehen darüber hinweg, dass Israel weiter an dem Grenzzaun baut. Wir finanzieren zu Recht demokratische Einrichtungen in Palästina, doch wir behindern das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im annektierten Ostteil Jerusalems. Wir stellen an die Hamas die berechtigte Forderung, auf Gewalt zu verzichten oder entsprechende Konsequenzen in Kauf zu nehmen, doch wir sehen untätig zu, wenn die israelische Armee ungestraft unschuldige Kinder in Gaza und Ramallah erschießt. Wir fordern zu Recht, dass die Hamas Israel anerkennt, doch nehmen es stillschweigend hin, wenn Israel sich über internationales Recht hinwegsetzt.

Im Grunde fragen sich die Palästinenser: Geht es der EU um Demokratie oder um Unterdrückung? Geht es der EU um Brücken oder um Barrieren? Geht es der EU um die Achtung oder um die Missachtung von Völkerrecht? Die Entscheidung der Hamas, Waffen gegen Wahlzettel einzutauschen, deutet einen strategischen Wechsel an, der zu Gesprächen mit Israel führen könnte. Die EU muss einen ebensolchen Wechsel vollziehen und die so wichtige Gleichbehandlung und Gleichheit unter Beweis stellen, die notwendig ist, damit ein palästinensischer Staat entstehen kann, der in Frieden mit Israel lebt.

 
  
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  Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! Wir müssen den Geldfluss nach Palästina, wo die Hamas die Macht übernommen hat, sofort stoppen. Die Hamas ist eindeutig eine terroristische Bewegung, die den Staat Israel nicht anerkennt, die nicht bereit ist, die Waffen niederzulegen und die nach dem Gesetz der Scharia lebt. Wofür wird die Hamas das Geld der europäischen Steuerzahler ausgeben? Wird sie Menschen die Augen ausbrennen, wird sie Frauen steinigen oder Menschen die Hände abhacken? Wie viele Menschen werden durch die Waffen der Hamas getötet werden?

Meine Damen und Herren, wir müssen uns eingestehen, dass die Union eine gewisse Mitschuld an dem Pulverfass Naher Osten trägt, denn sie hat ihren Kopf in den Sand gesteckt und eine ambivalente Politik verfolgt. Ich bin Tschechin, und mein Heimatland war eines der ersten, das dem neuen Staat Israel im Jahre 1948 Waffen geliefert hat, damit dieser sein Territorium verteidigen konnte. Zu jener Zeit haben die damaligen Mitgliedstaaten der EU ihre Abscheu über den Holocaust zum Ausdruck gebracht und die Bildung eines jüdischen Staates unterstützt. Aber was haben sie seitdem getan? Wen hat die Union einhellig unterstützt – Israel oder die palästinensischen Terroristen? Lassen Sie uns bitte diese Doppelzüngigkeit

beenden und laut und deutlich erklären, dass die Hamas, die über viele Jahre indirekt Geld von der Union erhalten hat, eine ungeheuerliche Politik betreibt, und dass die Bürger der EU ihr dafür keine Steuergelder zur Verfügung stellen.

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Wir haben etwas mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, was etwas Selbstverständliches ist: dass eine Partei gewonnen hat, die den Leuten das Gefühl gegeben hat, sie kümmere sich um die Leute, während die anderen als korrupte Fahrensleute bewertet wurden. Daraus müssen wir auch unsere Schlussfolgerungen ziehen: Wir müssen noch mehr daran arbeiten, dass EU-Hilfen Sichtbarkeit haben, um auf diese Art und Weise den Bürgern deutlich zu machen, dass es sich lohnt, für den Frieden und für die Demokratie zu sein. Ich glaube, das gilt nicht nur für die Regierungen.

Für diese Region ist das Wahlergebnis etwas Schreckliches. Jedenfalls kann man von einem Fünfjahresrhythmus ausgehen: Vor zehn Jahren etwa starb Rabin, und Peres wurde nach Terrorakten nicht gewählt; fünf Jahre später begann die Intifada, und jetzt ist es wieder so weit. Es geht immer wieder von vorne los.

Ich glaube, dass wir dennoch die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, dass die Hamas eine Entwicklung mitmacht. Aber wir müssen klarmachen, unter welchen Bedingungen dies geschieht. Wenn die Hamas nach der Zusammensetzung des Parlamentes die Autonomiebehörde übernimmt, muss sie den Gewaltverzicht, die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Anerkennung der schon getroffenen Abmachungen zusagen, damit man nicht wieder bei null anfangen muss.

Ich hoffe, dass dies noch vor den israelischen Wahlen geschieht, um auf diese Art und Weise zu vermeiden, dass es auch dort noch negative Ansätze gibt, die es uns dann umso schwerer machen würden, wieder zueinander zu finden. Es wird notwendig sein, dass das Quartett in diesem Zeitraum deutlich macht: Wenn das funktioniert, wird wirtschaftliche Hilfe geleistet und Sicherheitsgarantie gegeben. Deshalb freue ich mich, dass das Quartett an diesem Wochenende so schnell reagiert hat.

Gestatten Sie mir noch, dass ich mich ausdrücklich bei Frau De Keyser und ihrem Team und auch bei unserer parlamentarischen Delegation unter der Leitung von Herrn McMillan-Scott für ihre Arbeit bedanke.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen und zunächst meinen Kollegen, Frau Véronique De Keyser und Herrn Edward McMillan-Scott, zu ihrem bedeutenden Beitrag gratulieren, den sie bei der Überwachung der Wahlen in Palästina geleistet haben.

Das palästinensische Volk hat in demokratischer Weise abgestimmt, und ich bin der Ansicht, dass wir alle den demokratischen Willen des palästinensischen Volkes respektieren und die neue europäische Strategie auf der Grundlage der neuen politischen Realität im Nahen Osten und in Palästina formulieren sollten.

Leider ist Herr Solana heute nicht hier. So kann ich ihm nicht persönlich sagen, dass die von ihm eine Woche vor den Wahlen in Palästina abgegebene Erklärung, im Falle eines Wahlsieges der Hamas die Wirtschaftshilfe für Palästina einzufrieren, ein sehr schwerer Fehler war. Herrn Solanas Erklärung hat sich die Hamas zunutze gemacht und sie erwies sich im Grunde als ein Bumerang für die gemäßigten progressiven Kräfte in Palästina.

In dieser Situation sehe ich ein gravierendes Defizit in der Europäischen Union. Ich habe keine Stellungnahme, keine Erklärung gehört, dass man sich der einseitigen Politik der israelischen Regierung bewusst ist, ich habe keine Stellungnahme zu der Politik und zur Entscheidung von Herrn Olmert gehört, die 50 Millionen Dollar Rückerstattungen an die Palästinensische Autonomiebehörde einzufrieren.

Ich möchte die Kommission um eines bitten: Setzen Sie sich für die Verlängerung des Waffenstillstands durch die Hamas ein. Dieses Thema sollte im Mittelpunkt stehen und nicht die verschiedenen Bedingungen, mit denen man Partei gegen die palästinensische Seite ergreift.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Ich hatte die größten Befürchtungen, weil man einer nicht reformierten Hamas erlaubt hat, Kandidaten für die palästinensischen Wahlen aufzustellen. Vielleicht haben Herr Bush und andere damit gerechnet, dass die Hamas nicht gewinnen würde, oder dass sie ihre Rhetorik und Politik deutlich ändern würde, wenn sie in den Wahlprozess eintritt. Das sehe ich ganz anders.

Die Hamas bleibt eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur Muslim-Bruderschaft und zur Hisbollah. Sie tritt für die Auslöschung Israels und die Errichtung eines islamischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt ein. In ihrer Charta heißt es sogar, sie sei dem weltweiten Dschihad verpflichtet, was den Einsatz von Selbstmordattentätern und die generelle Errichtung einer Theokratie und eines islamischen Zölibats einschließen würde. Wenn sie diese Ansichten irgendwo in einem EU-Mitgliedstaat vertreten würde, wäre sie als Partei verboten.

Ich habe immer die ungezügelte Korruption unter dem Vorsitzenden Arafat kritisiert und im letzten Parlament versucht, dazu eine Untersuchung durchzuführen, aber bedauerlicherweise sind die Ergebnisse meiner Arbeitsgruppe nie im Plenum diskutiert worden. Jetzt sehen wir das Ergebnis einer massiven Protestwahl durch normale Palästinenser. Dennoch ist klar, dass eine als terroristische Vereinigung verbotene Organisation wie die Hamas kein legitimer Verhandlungspartner für die EU sein kann oder auch nur einen einzigen Cent vom Geld unserer Steuerzahler erhalten darf, ehe sie nicht der Gewalt abschwört und den Staat Israel anerkennt. Ich habe den Sicherheitszaun immer aus dem Grund unterstützt, dass durch ihn Menschenleben vor Selbstmordattentätern geschützt werden. Leider hat er Gemeinden voneinander abgeschnitten, aber er bildet ja nicht die endgültige Grenze eines künftigen palästinensischen Staates.

Nichtsdestoweniger wird durch den Hamas-Sieg eine „Land für Frieden“-Einigung viel schwieriger zu erreichen sein. Auch die endgültige Lösung der Ost-Jerusalem-Frage und der Fragen zum Recht auf Rückkehr wird mit der Hamas an der Regierung für die palästinensische Autonomiebehörde nahezu unmöglich sein.

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE).(ES) Frau Präsidentin! Sicher ist der Wahlsieg der Hamas keine gute Nachricht für die Demokraten und fortschrittliche Gesinnte, auch nicht für Anhänger der Linken, aber dieser Sieg war das Ergebnis fairer Wahlen, und wir müssen dies anerkennen. Deshalb sollten wir eines positiv sehen: Die Hamas ist jetzt im politischen Spiel, und das ist ein Fortschritt. Um sie dann noch weiter in das politische Spiel hineinzuziehen, müssen wir es schaffen, sie auch vollständig in die Beziehungen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Europäischen Union einzubinden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass das erste Zusammentreffen eines bei diesen Wahlen gewählten Hamas-Vertreters mit der Europäischen Union durchaus im Rahmen der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer stattfinden könnte, die am 26. und 27. März stattfindet. Dann kommen auch die neuen israelischen Parlamentsmitglieder nach den Wahlen in ihrem Land dorthin. Darum sollten wir alle auf diesem gemeinsamen Forum zum Dialog und einer demokratischen Modernisierung der Hamas beitragen, die für alle von Nutzen ist.

 
  
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  Jana Hybášková (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Die Statistik zeichnet ein klares Bild: Ein Hamas-Sitz mehr auf nationaler Ebene bedeutet viele mehr auf Bezirksebene. Die Menschen in den Gemeinden trauen der Hamas, und wir müssen sie auf intelligente, transparente und verantwortungsbewusste Weise respektieren. Haben wir dafür einen Plan? Wir haben eine Strategie: Gewaltverzicht, Entwaffnung und Existenzrecht Israels.

Zum Gewaltverzicht: Wenn wir an einem Tag eine Erklärung zum Gewaltverzicht erhalten und am nächsten von einem Terroranschlag getroffen werden, was tun wir dann? Die Hamas ist eine Widerstandsbewegung. Wenn die Besatzung weitergeht, wird die Regierung einen gewalttätigen Widerstand nicht ausschließen. Was werden wir dann tun?

Zur Existenz des Staates Israel: Genügt es, wenn nach den israelischen Wahlen Verhandlungen aufgenommen werden?

Zur Entwaffnung: Wollen wir Hamas-Milizen in die palästinensischen Sicherheits- und Polizeikräfte einbeziehen? Zu welchen Bedingungen? Haben wir irgendwelche Pläne?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kommissarin! Es besteht kein Zweifel, natürlich wurden in der Vergangenheit auch Fehler gemacht, aber jetzt ist es Zeit, nach vorne zu schauen. Wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen, die weitere Strategie muss wohl überlegt sein.

Es wurde in der Debatte zu Recht gesagt, dass selbstverständlich ein Partner bleibt: Präsident Abbas ist ein Partner, mit dem wir weiter reden, mit dem wir weiter handeln müssen. Aufgrund der Verfassung, die in Kraft tritt, und die wohl auch von der neuen Regierung nicht verändert werden wird oder kann, dürfen wir auch weiterhin mit Abbas als Partner rechnen. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben und müssen in die Zukunft schauen.

Aber eines ist auch klar, und der Rat hat dies am Montag – ebenso wie das Quartett – sehr deutlich gesagt: Es gibt Prinzipien, von denen wir nicht abweichen dürfen, und dazu gehört zweifellos die Gewaltlosigkeit, die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Fortführung des Friedensprozesses.

Es wurde auch immer wieder gesagt, die europäische Politik müsse ausgewogen sein. Ich kann dem nur zustimmen. Selbstverständlich muss die europäische Politik ausgewogen sein. Ich habe in meinem Einleitungsstatement auch die Position des Rates bezüglich unseres Verhältnisses und auch unserer Kritik an Israel deutlich gemacht.

Wichtig ist, dass Europa mit einer Stimme spricht. Wichtig ist auch, dass wir mit unseren Partnern im Quartett eine einheitliche Sprache sprechen, wenn wir Einfluss haben wollen. Ich bin besonders der Kommission dankbar, dass sie sehr wohl überlegt und ohne unnötige Hast eine Strategie entwickelt, wie wir dem palästinensischen Volk helfen können. Es wurde ja auch in der Debatte immer wieder gesagt: Wir dürfen das palästinensische Volk, das sehr viel gelitten hat und leidet, nicht im Stich lassen. Ich weiß, dass hier die Kommission, Frau Kommissarin Ferrero-Waldner eine sehr gute kohärente Politik betreibt – wir sollten sie alle darin unterstützen.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. Frau Präsidentin, lieber Staatssekretär und Ratspräsident Hans Winkler, verehrte Damen und Herren!

(EN) Zunächst einmal möchte ich Ihnen allen für die freundlichen Worte zu den Wahlen und zu den Beobachtern danken. Alle Anerkennung gebührt Frau De Keyser und ihrem Team sowie Herrn McMillan-Scott und seinem Team. Anerkennung gebührt auch dem palästinensischen Volk, das gezeigt hat, dass es frei und fair wählen kann, auch wenn wir mit dem Ergebnis nicht immer zufrieden sind.

Wir müssen uns jetzt einig sein, dass wir den Willen des palästinensischen Volkes respektieren. Wie es in unserer Erklärung des Quartetts heißt, haben die Palästinenser jetzt für einen Wechsel gestimmt. Wir wissen, warum. Gleichzeitig sehnen sie sich nach Frieden. Umfragen zeigen, dass eine knappe Mehrheit für einen Frieden mit Israel ist. Hier müssen wir weitermachen. Wir sind bereit, das palästinensische Volk weiter zu unterstützen. Wir möchten dies tun, wie wir es auch bisher getan haben. Keine andere Organisation unternimmt seit Jahren so viel für das palästinensische Volk wie die Europäische Union und vor allem die Europäische Kommission.

Aber gewählt zu werden und ein Amt zu übernehmen erfordert auch politisches Verantwortungsbewusstsein. Deshalb bitten wir darum, ja erwarten es sogar, dass eine neue palästinensische Regierung ihr Engagement für Frieden mit friedlichen Mitteln, insbesondere aber die drei Bedingungen bekräftigt, die in der Erklärung des Quartetts genannt werden: Gewaltverzicht, die Anerkennung Israels und die Achtung früherer Verpflichtungen, namentlich des Abkommens von Oslo und der „Roadmap“. Darin findet sich ein klares Engagement für Frieden, für eine Zwei-Staaten-Regelung, aber auch für eine ehrgeizige Reformagenda für die Palästinenserbehörde. Darauf wollte ich unbedingt noch einmal hinweisen.

Außerdem möchte ich noch feststellen, dass die Politik des Quartetts – und hier arbeiten wir wirklich zusammen – sehr ausgewogen ist. Ich hörte einige Abgeordnete sagen, wir seien einseitig: Wer die jüngste Erklärung des Quartetts noch nicht gesehen hat, sollte sie sich doch bitte anschauen. Ich möchte den letzten Absatz anführen, wo es heißt, dass das Quartett sein Bekenntnis zu den in der „Roadmap“ niedergelegten Grundsätzen und der früheren Erklärung bestätigt und sein Engagement für eine gerechte, umfassende und dauerhafte Lösung des arabisch-israelischen Konflikts auf der Grundlage der UNO-Resolutionen 242 und 338 bekräftigt. Ich denke, daraus geht doch klar hervor, dass wir gegenseitige Verpflichtungen unterstützen.

Ich möchte bekräftigen, dass unser erstes Ziel sein muss, dafür zu sorgen, dass Israel die palästinensischen Steuereinnahmen an die Behörde überweist. Dabei handelt es sich nämlich um palästinensisches Geld. Wir sind nicht der Meinung, dass es konstruktiv wäre, wenn Israel es in einer so kritischen Zeit zurückhält. Ich werde auch mit den israelischen Behörden darüber sprechen, und ich weiß, dass andere Kollegen im Quartett dies ebenfalls tun werden. Ich hoffe wirklich, dass die Mittel bald überwiesen werden, denn sie würden einen Gutteil der Gehälter des Personals der palästinensischen Autonomiebehörde abdecken und zudem das dringend benötigte Einkommen der Familien sichern. Dies könnte eine humanitäre Geste Israels in dieser kritischen Zeit sein.

Rückhalt finde ich damit auch beim Präsidenten der Weltbank, der die gleiche Auffassung vertritt. Ich habe Herrn Wolfowitz gestern in London getroffen. Heute wurde er mit den Worten zitiert: „Der gesamte politische Prozess wird gefördert, wenn sich die Lebensbedingungen der Palästinenser verbessern. Wir sollten die Letzten sein, die sich daraus zurückziehen“. Ich begrüße diese Erklärung sehr und hoffe, dass sie hilft. Deshalb sollten aber auch die Mitglieder der Arabischen Liga ihre Unterstützungszusagen so bald wie möglich erfüllen. Gestern haben die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik und ich auf der Londoner Afghanistan-Konferenz jede Gelegenheit genutzt, mit den verschiedenen Vertretern arabischer Länder zu sprechen, um dies zu ermöglichen.

Wir müssen deshalb in dieser Zeit sehr aufmerksam sein. Es ist eine kritische Zeit, weil wir auch in Israel Wahlen haben. Wir wollen, dass der Friedensprozess in Zukunft fortgesetzt werden kann. Deshalb fordere ich Sie auf, sich weiter mit uns zu engagieren. Trotz aller Schwierigkeiten würden wir den Weg zum Frieden in der Zukunft gern etwas glätten.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 5 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Nachdem Europa seinen ersten Schock wegen des Wahlergebnisses in Palästina überwunden hat, muss es nun die Rechtmäßigkeit der Wahlen und die Legitimität der neuen Regierung anerkennen und sollte außerdem die hohe Wahlbeteiligung der palästinensischen Bürger begrüßen. Nur wenn wir der neuen Regierung volles Vertrauen entgegenbringen und die Zusammenarbeit fortsetzen, werden wir von ihr verlangen können, sich im erforderlichen Maße für die vollständige Umsetzung des Fahrplans für den Frieden einzusetzen. Wir müssen gewiss wachsamer sein, vor allem aufgrund der enormen Spannungen, die in den letzten Jahren zwischen der jetzt an der Macht befindlichen Partei und der so genannten westlichen Gesellschaft entstanden sind, doch bin ich sicher, dass dieses gespannte Verhältnis nicht mit geballten Fäusten überwunden werden kann. Vielmehr müssen wir der Hamas die Gelegenheit geben zu beweisen, dass sie ihre mehrfach durch Präsident Abbas selbst bekräftigte Verpflichtung, den Fahrplan umzusetzen, die bestehenden Abkommen und Pflichten zu erfüllen und eine Verhandlungslösung des Konflikts mit Israel anzustreben, einzuhalten vermag. Eine Kürzung der Finanzhilfe für die Palästinensische Behörde ist daher nicht der richtige Weg. Was wir brauchen – und in diesem Punkt dürfen wir nicht locker lassen – ist eine Verstärkung des Kontrollsystems, auch durch eine umfangreichere internationale Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass die Mittel ausschließlich für die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung der palästinensischen Gesellschaft und nicht zur Zerschlagung unserer Gesellschaft verwendet werden.

 
  

(1)Siehe Protokoll.

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