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Verfahren : 2004/0001(COD)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0409/2005

Eingereichte Texte :

A6-0409/2005

Aussprachen :

PV 14/02/2006 - 12
PV 14/02/2006 - 14
CRE 14/02/2006 - 12
CRE 14/02/2006 - 14

Abstimmungen :

PV 16/02/2006 - 6.1
CRE 16/02/2006 - 6.1
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2006)0061

Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 14. Februar 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

14. Dienstleistungen im Binnenmarkt (Fortsetzung der Aussprache)
Protokoll
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  Präsident. Wir setzen jetzt die Aussprache über den Bericht von Evelyne Gebhardt zu den Dienstleistungen im Binnenmarkt fort.

 
  
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  Jacques Toubon (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich als neues Mitglied des Parlaments zunächst sagen, dass mir in den 18 Monaten, in denen ich nunmehr an dieser Debatte teilnehme, der Reichtum und die Qualität der Arbeit, die hier geleistet wird, klar geworden ist.

Ich möchte unserem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und seinem verstorbenen Vorsitzenden Phillip Whitehead sowie dessen Berichterstatterin Evelyne Gebhardt und der Verfasserin der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Anne Van Lancker, meine Hochachtung aussprechen. Mein Dank gilt den Verantwortlichen unserer Fraktion, deren Arbeit wir den Entwurf zu verdanken haben, über den wir heute beraten: Malcolm Harbour, Schattenberichterstatter und Koordinator unserer Fraktion; Marianne Thyssen, unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende; und unserem unermüdlichen Sekretariat. Würdigen möchte ich ebenfalls die Arbeit von Marie-Hélène Descamps und Roselyne Bachelot, die beide der französischen Delegation angehören.

Ihnen allen ist es zu verdanken, dass wir ein beachtliches Ergebnis erreicht haben: Der Kompromiss ist ein neuer Text. Er begründet zunächst den Binnenmarkt für Dienstleistungen. Dieser Entwurf nimmt dem Gerichtshof das De-facto-Monopol, das er seit 50 Jahren bei der Umsetzung der Grundsätze der Verträge ausübt. Der Dienstleistungsbinnenmarkt basiert auf gegenseitigem Vertrauen und erfordert Verwaltungszusammenarbeit und -vereinfachung, die Beseitigung der protektionistischen Hindernisse sowohl für die Niederlassung von Dienstleistungsunternehmen als auch für die zeitweilige Erbringung von Dienstleistungen. Der Entwurf gilt bei den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur soweit, wie die Niederlassungsfreiheit betroffen ist, und klammert zahlreiche wesentliche Dienstleistungen aus, wie den audiovisuellen und den Filmsektor, Gewinnspiele, Gesundheitswesen, Rechtsberufe. Mit dem Kompromiss wird dem Parlament somit vorgeschlagen, ein Rahmengesetz zu verabschieden, das auf wirtschaftliches Wachstum, Innovation und Beschäftigung gerichtet ist, also das, was die Völker Europas wollen.

Aber der Kompromiss beinhaltet auch die Achtung unseres Modells und unserer kollektiven nationalen Präferenzen. Wird die Richtlinie zum Abbau unserer sozialen Errungenschaften führen? Wird sie eine Nivellierung nach unten auslösen? Mit dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission bestand unbestreitbar dieses Risiko. Genau deshalb haben wir ihn abgelehnt! Aber der Ihnen nun vorliegende Kompromiss stellt eine Barriere gegen Sozialdumping dar, er basiert auf der Subsidiarität und verwirklicht die Dienstleistungsfreiheit auf pragmatische und begrenzte Weise. Der Kompromiss klammert ausdrücklich die sozialen Errungenschaften und das Arbeitsrecht aus. Sozialer Wettbewerb ist verboten. Hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit werden zahlreiche nationale Rechtsvorschriften eingehalten, und die Dienstleistungsfreiheit geht einher mit der Garantie, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalen Regeln anwenden können, wenn das öffentliche Interesse dies rechtfertigt. Es handelt sich um einen echten Kompromiss, denn er stößt auf beiden Seiten auf Kritik, was deutlich macht, dass wir uns genau in der Mitte befinden.

Ich wünsche mir daher im Namen meiner französischen Kolleginnen und Kollegen, dass Sie dem Kompromiss in Ihrer großen Mehrheit zustimmen. Das wäre ein Sieg für das Europäische Parlament, es wäre ein Sieg für die Europäische Union.

 
  
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  Harlem Désir (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Ratsvorsitzender! Den Binnenmarkt zu vollenden, ist eine Sache; dies ist ein Ziel, das wir teilen. Das europäische Sozialmodell abzubauen, ist eine andere Sache, und diese Bestrebungen bekämpfen wir. Wir bekämpfen sie, weil sie dem Interesse der Bürger, dem Interesse der europäischen Arbeitnehmer und Verbraucher zuwiderlaufen, aber auch weil sie die Zustimmung der Bürger zum europäischen Projekt gefährden.

Der ursprüngliche Vorschlag für die Bolkestein-Richtlinie stieß auf entschiedene Ablehnung, weil er darauf abzielte, die Vollendung des Binnenmarktes auf die Schwächung der sozialen Rechte, der Umweltnormen und des Verbraucherschutzes, welche in einigen Mitgliedstaaten ein höheres Niveau als in anderen erreicht hatten, zu gründen.

In dem Bestreben, den Binnenmarkt nicht länger auf den Wettbewerb zwischen den Unternehmen, sondern auf den Wettbewerb zwischen den Sozialsystemen der verschiedenen Mitgliedsländer zu gründen, vermittelte der Bolkestein-Vorschlag das Gefühl, dass die Interessen der Mitgliedstaaten gegeneinander ausgespielt werden. Er schuf ein Klima des Misstrauens zwischen alten und neuen Mitgliedern, was der Aufgabe der Europäischen Kommission widerspricht, die doch darin besteht, alle Europäer um ein gemeinsames Projekt zu einen. Indem die Kommission zahlreiche soziale Dienstleistungen und einen Teil der wirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezog, versuchte sie, wesentliche Tätigkeiten für den sozialen Zusammenhalt einzig und allein der Logik des Wettbewerbs und des Marktes zu unterwerfen.

Mit dem Herkunftslandprinzip wandte sie sich von der Gemeinschaftsmethode ab, die eine sektorbezogene Harmonisierung zum Ziel hat. Diese Methode bestand stets darin, die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften aneinander anzunähern und so die gegenseitige Anerkennung und die wirtschaftliche Integration zu fördern, ohne das europäische Sozialmodell und – das möchte ich wiederholen – das in einigen Ländern erreichte zuweilen höhere Schutzniveau zu gefährden. Das Ziel bestand in einer Harmonisierung nach oben.

Mit diesem Entwurf hat die Europäische Kommission erstmals Rechtsvorschriften vorgeschlagen, die im Gegensatz zur Gemeinschaftsmethode die Unterschiedlichkeit des nationalen Rechtsvorschriften begünstigen und die am wenigsten anspruchsvollen Staaten belohnen. Gewiss ist die derzeitige Kommission nicht der Urheber des ursprünglichen Vorschlags. Sie trägt jedoch eine Verantwortung: Nachdem Sie erkannt hatten, dass dieser Text schlecht erarbeitet und schlecht gestaltet war – wie Sie sagten, Herr McCreevy –, lag es in Ihrer Verantwortung, ihn zurückzuziehen und einen anderen Text vorzuschlagen, der den europäischen sozialen Grundsätzen besser entspricht und geeignet ist, den Bürgern wieder Vertrauen einzuflößen.

Deshalb werden die französischen Sozialisten für einen Änderungsvorschlag stimmen, der auf Ablehnung abzielt. Wie Sie sagten, Herr Barroso, ist die Kommission bereit, die Änderungsvorschläge zu berücksichtigen, die dazu beitragen, auf dem Weg zum Dienstleistungsbinnenmarkt voranzukommen. Aber Sie haben nicht gesagt, wie Sie mit den Änderungsvorschlägen verfahren wollen, die darauf abzielen, die sozialen Rechte, die Umweltnormen, das Verbraucherrecht zu garantieren. Sie haben sich auch nicht dazu geäußert, was Sie mit den Änderungsvorschlägen vorhaben, mit denen die sozialen Dienstleistungen und bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeklammert werden sollen. Im Gegenteil, Herr McCreevy hat heute Nachmittag gesagt, dass er die Beibehaltung eines Teils der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Anwendungsbereich der Richtlinie wünsche. Damit vermitteln Sie das Gefühl, dass Sie dem Europäischen Parlament nicht zuhören oder ihm nur dann zuhören, wenn es sich positiv zur Liberalisierung äußert.

Lassen Sie mich abschließend sagen, Herr Präsident, Herr Barroso, dass die Kundgebung heute Nachmittag Ausdruck der Erwartung war, dass sich Europa den Schutz des Sozialbereichs stärker angelegen sein lässt, als dies die Kommission tut. Wir werden unser Abstimmungsverhalten davon abhängig machen, dass sämtliche öffentlichen Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeklammert werden, dass das Herkunftslandprinzip gestrichen wird und klare juristische Regeln hinsichtlich des anwendbaren Rechts aufgestellt werden. Das ist in dem derzeit vorgeschlagenen Kompromiss leider nicht der Fall, und deshalb haben wir entsprechende Änderungsvorschläge eingebracht.

 
  
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  Ona Juknevičienė (ALDE).(LT) Ich bin die Schattenberichterstatterin des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für den Bericht von Anne Van Lancker. Ich möchte über die Regelung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der Richtlinie sprechen.

Herr Präsident, ich bin 1990, als Litauen seine Unabhängigkeit erklärte, zum ersten Mal ins Ausland gereist. Vor dieser Zeit erhielt ich von den Kommunisten keine Ausreisegenehmigung, da mein Vater ein Regimegegner war.

Inzwischen hat sich Litauen von den Kommunisten befreit und wir sind Mitglied der Europäischen Union.

Wir sind der Gemeinschaft beigetreten in dem Wunsch, nützlich zu sein. Wir glaubten, wir wären gleichwertige Partner und Bürger der Union. Leider ist dies nicht der Fall. Die meisten der alten Mitgliedstaaten Europas fürchten uns mehr als die Vogelgrippe. 2006 wurde zum Europäischen Jahr der Arbeitskräftemobilität ausgerufen, aber die Mitglieder der Union wollen ihre Türen keineswegs öffnen. Die Richtlinie sieht neue Restriktionen vor.

Die Zahlen der Kommission zeigen, dass Länder, die ihren Arbeitsmarkt liberalisiert haben, einen klaren Vorteil haben. Die Politiker indes ängstigen die Menschen mit einer Invasion aus dem Osten und ignorieren die Tatsachen. Warum werden illegale Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien in Österreich, Marokkaner in Frankreich und Türken in Deutschland toleriert, Slowaken, Polen und Litauer dort jedoch als große Bedrohung angesehen?

Die alten Mitglieder der Union haben lange von den Märkten der neuen Länder profitiert. Das ist für uns in Ordnung, denn wir glauben an einen gegenseitigen Vorteil. Unsere Geschäftsleute halten auch Ausschau nach neuen Märkten und sind bereit, einen fairen Wettbewerb zu führen. Sie wissen, dass Wettbewerb gleichbedeutend mit Fortschritt und Wachstum ist. Sie wissen auch, dass nur ein integriertes und geeintes Europa die Herausforderungen der Globalisierung annehmen kann. Aber wissen wir dies?

Leider bedeutet die vorgeschlagene Richtlinie für die Litauer, dass sich seit den Tagen des Eisernen Vorhangs wenig geändert hat.

Herr Präsident, Europa könnte gespalten bleiben, wenn seine Völker gegeneinander ausgespielt werden. Ein geeintes Europa ist ein Europa, in dem alle Bürger gleiche Rechte haben. Vor allem das Recht auf Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit.

 
  
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  Jean-Luc Bennahmias (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Barroso, meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz bitte ich darum, in der Abstimmungsstunde am Donnerstag unmittelbar vor der Schlussabstimmung eine Pause vorzusehen.

Das Parlament und die Kommission sollten Herrn Bolkestein, dem bekanntesten Europäer der Jahre 2005 und 2006, ein Denkmal errichten, damit sich alle daran erinnern, dass wir keinen Vorschlag dieser Art auf Initiative der Europäischen Kommission mehr haben wollen.

Gewiss haben wir es heute nicht mehr mit der ursprünglichen Bolkestein-Richtlinie zu tun: Unsere Parlamentsausschüsse haben gearbeitet und gut gearbeitet. Ist das aber ausreichend, um diesen Kompromiss zu akzeptieren? Ich glaube das ehrlich gesagt nicht, wir glauben es nicht. Es gibt noch zu viele Grauzonen in diesem Text, besonders hinsichtlich der Kontrollmöglichkeiten im Bereich des Arbeitsrechts, des Umweltrechts und des Verbraucherrechts. Man kann nicht hinnehmen, dass wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, soziale Dienstleistungen oder Sozialwohnungen unter diese Richtlinie fallen.

Wenn man das Vertrauen aller unserer Mitbürger wiederherstellen will, die zunehmend daran zweifeln, dass die europäische Integration zur Verbesserung ihres Alltagslebens beiträgt, müssen wir rasch zu einer wirklichen sozialen Harmonisierung nach oben übergehen, indem wir insbesondere vorrangig eine Richtlinie erarbeiten, die den Begriff der europäischen öffentlichen Dienstleistung definiert.

 
  
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  Jonas Sjöstedt (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Der Vorschlag für die Dienstleistungsrichtlinie ist reaktionär. Sie bedroht die Rechte der Arbeitnehmer und birgt die Gefahr des Sozialdumpings in sich. Darum plädieren wir für die Ablehnung des Vorschlags in seiner Gesamtheit. Sollte das nicht geschehen, werden wir für jeden Änderungsantrag stimmen, der die negativen Auswirkungen der Richtlinie in Grenzen hält, beispielsweise solche, die das Herkunftslandprinzip abschaffen oder bestimmte Sektoren von der Richtlinie ausnehmen.

Der von der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten eingebrachte Kompromiss beseitigt wichtige Nachteile des Vorschlags. Es bleiben jedoch noch erhebliche Unklarheiten bestehen, die vermutlich vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden müssen. Wir unsererseits wollen nicht, dass der Gerichtshof über Arbeitnehmerrechte entscheidet. Wir können keine Situation akzeptieren, in der die Rechte der Arbeitnehmer zusammen mit der Gesetzgebung, die unsere Bürger schützen soll, auf dem Altar des freien Marktes geopfert werden.

 
  
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  Jens-Peter Bonde (IND/DEM).(DA) Herr Präsident! Ich danke den vielen Demonstranten, die heute in würdiger Weise ihren Widerstand gegen die Bolkestein-Richtlinie zum Ausdruck gebracht haben. Wie die Demonstranten lehnt auch die Juni-Bewegung die Bolkestein-Richtlinie ab. Der Kompromiss zwischen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten ändert nichts am Kern der Angelegenheit. Das Herkunftslandprinzip wurde aufgehoben, aber es wurde nicht durch ein klares Ziellandprinzip ersetzt. Die Postrichtlinie gibt Billiglohn-Ländern weiterhin das Recht, unsere Löhne und das dänische Tarifverhandlungsmodell zu unterlaufen. Sensible Bereiche werden aus der Richtlinie herausgenommen, so dass es den Richtern überlassen wird, öffentliche Dienstleistungen zu liberalisieren und sie dem Markt zu unterwerfen. In den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales ist dies ja bereits geschehen.

Der Europäische Gerichtshof wird durch Änderungsantrag 5, der die vom Gericht aufgestellten Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bestätigt, unmittelbar aufgefordert, gesetzgeberisch tätig zu werden. Diese Grundsätze klingen gut, aber die drei Wörter bedeuten, dass die Entscheidung, ob nationale Rechtsvorschriften als gesetzwidrig angesehen werden können, wenn ausländische Unternehmen in der Praxis nicht dieselben Rechte haben, Arbeiten auszuschreiben und Dienstleistungen zu erbringen, den Richtern in Luxemburg überlassen bleibt. Die Juni-Bewegung heißt polnische Klempner und alle anderen ausländischen Arbeitnehmer willkommen, aber sie sollten nicht diskriminierende Löhne erhalten, keine Dumping-Löhne. Wir wollen freien Wettbewerb sehen, aber er muss auch fair sein, und deshalb schlagen wir vor, dass Dienstleistungen über die offene Koordinierungsmethode geregelt werden, damit unsere Demokratien von den Richtern in Luxemburg nicht in gesetzwidrige Handelsbarrieren verwandelt werden.

 
  
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  Rolandas Pavilionis (UEN).(LT) Alle sind sich darin einig, dass die Dienstleistungsrichtlinie die Freizügigkeit von Dienstleistungen innerhalb des Hoheitsgebiets der Europäischen Union legalisieren würde. Und wenn sie ohne größere Änderungsanträge angenommen würde, würde sie die neuen Länder nicht diskriminieren. Ich meine da vor allem die Bewahrung des Herkunftslandprinzips. Zudem könnte sich diese Richtlinie, insbesondere angesichts der Gefahren, die von den meisten Änderungsanträgen ausgehen, weit von dem ursprünglichen Entwurf entfernen und zu einem unüberwindbaren Hindernis für die weitere Entwicklung der Europäischen Union werden.

Ein anderes Problem ist die Spanne der Dienstleistungen. Ich stimme zu, dass der Bildungsbereich, gemäß EG-Vertrag und der Richtlinie, in der Praxis vor allem eine nationale Angelegenheit ist und die Europäische Union nur allgemeine Bildungsprogramme finanziert. Wenn es jedoch an nationaler Verantwortung mangelt und die Finanzierung allgemeiner europäischer Bildungsprogramme nicht zunimmt, hilft die Dienstleistungsrichtlinie, indem sie nur die Zuständigkeit der nationalen Regierungen bestätigt und die Bildungsdienste vernachlässigt, nicht dabei, Probleme im Rahmen der Erweiterung der Bildung in Europa zu lösen, sondern lässt sie weiter bestehen. Dies wird übrigens durch den Rückgang bei der Finanzierung von allgemeinen Bildungs- und Kulturprogrammen für 2007-2013 bestätigt, zu dem sich der Ausschuss für Kultur und Bildung in einem überzeugenden Schreiben an alle Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments äußerte.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Heute sind wir Zeugen einer gespenstischen Debatte. wenn man den Vertretern der Großparteien zugehört hat, könnte man glauben, es sei wirklich eine Lösung erreicht worden. Aber wie sieht es denn aus? Der Berg hat gekreist und einen bürokratischen Zwitter geboren. Schauen Sie doch hin, Sie, die sich hier Sozialdemokraten nennen. Wie werden Sie das denn umsetzen können, was Sie glauben, jetzt hinein verhandelt zu haben? Und von der anderen Seite die gleiche Misere. Die, die wirklich glauben, da eine Öffnung erreichen zu können, sind doch auch gescheitert. Was macht man in einer solchen Situation im normalen Leben, wo es nicht um Verschwendung und Selbstbeweihräucherung geht? Man geht zurück an den Start. Man fängt noch mal neu an. Es ist tragisch für Europa, dass Sie das hier nicht zustande bringen. Es ist tragisch, dass Sie nicht etwa auf Kollegin Rühle hören. Die ganzen Problematiken, die jetzt eingebaut sind mit den Klagen, die auf uns zukommen, werden wieder auf diejenigen zurückfallen, die eigentlich für die europäische Idee eintreten wollen.

 
  
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  Ria Oomen-Ruijten (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Der Wohlstand und das Wohlergehen der Bürger in der Europäischen Union gründen sich auf anerkannte Freiheiten, auf den freien Waren-, Personen-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr.

Während die Förderung des freien Dienstleistungsverkehrs in den Rahmen des Lissabon-Prozesses passt, weil sie zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung erforderlich ist, stellte sich der Vorschlag, der uns vorlag, als Schnellschuss heraus, der zwar tödlich sein, aber auch positive Effekte zeitigen kann. Für die neuen Mitgliedstaaten erwies er sich als positiv, aber ich warne Sie vor den sozialen Unruhen, die möglicherweise daraus resultieren und mit denen wir vom Regen in die Traufe kommen werden, und die Richtlinie würde nicht nur zu sozialen Unruhen führen, sondern auch gute Arbeit zunichte machen.

Es gibt einige weitere Probleme. Ich möchte die Entsendung von Arbeitnehmern herausgreifen. Wie will die Kommission nun in der Praxis verfahren? Da ich selbst aus einer Grenzregion stamme, bin ich mir bewusst, dass wir administrative Hürden vermeiden müssen, die die Entsendung von Arbeitnehmern erschweren oder ganz und gar verhindern. Wir müssen alles daransetzen und auch das Thema Leiharbeit im Rat wieder zur Diskussion stellen. Wenn dann einmal im Leiharbeitssektor alles reibungslos funktioniert, bin ich dafür, diese Branche ebenfalls in den Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie einzubeziehen, aber dieser Punkt ist noch immer nicht erreicht. Jetzt kommt es darauf an, diese Entsenderichtlinie wieder flottzumachen.

Alles steht und fällt mit den Kontrollverfahren, die vorgesehen werden: Überwachung der Entsendung von Arbeitnehmern, Überwachung der Selbstständigen ohne Personal ... Bei den Ersteren prüfen wir nicht nur die Sozialversicherung und Steuern, sondern könnten auch vorschreiben, dass der Mindestlohn in den verwendeten Formularen einzutragen ist.

Damit wird das Verfahren der Dienstleistungsrichtlinie derart effektiv, und ich freue mich über die erzielten Kompromisse.

 
  
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  Poul Nyrup Rasmussen (PSE).(DA) Herr Präsident! Der vorliegende Kompromiss, über den wir am Donnerstag abstimmen werden, ist eine Dienstleistungsrichtlinie, die sich von der Bolkestein-Richtlinie weitgehend unterscheidet. Ich kann Herrn Bonde daher sagen, dass die Tausende von ehrenwerten Gewerkschaftern, die heute vor dem Parlament demonstrieren, den in diesem Hause erzielten Kompromiss unterstützen. Herr Bonde braucht nur die Presseerklärung von John Monks zu lesen, dem Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbands, dann weiß er, dass das stimmt. Ich muss auch sagen, dass ich keine Zweifel habe, warum sie den Kompromiss unterstützen. Ich war selbst daran beteiligt, die Dinge in diese Richtung zu bewegen. Über Vereinbarungen und Arbeitsrecht entscheiden die einzelnen Länder und die einzelnen Gewerkschaftsbewegungen. Diese Regelung wird mehr Arbeitsplätze schaffen. Der öffentliche Sektor wird geschützt, und wir werden eine Spaltung zwischen den neuen und den alten Mitgliedstaaten verhindern.

Am Donnerstag werden wir über eine ausgewogene Öffnung des Binnenmarkts abstimmen. Ich sage seit langem, dass sich die Europäische Union nicht zu einer Art Wettbewerb zwischen Staaten entwickeln darf. Dies haben wir durch den nun vorliegenden Kompromiss verhindert. Wir werden jetzt einen Wettbewerb zu fairen und transparenten Bedingungen erreichen, und wir werden den Schutz der Interessen sichern, die der Öffentlichkeit und dem einzelnen Bürger im öffentlichen Sektor dienen, wie auf unterschiedliche Weise in unseren Gesellschaften manifestiert.

Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um einen bedeutenden Kompromiss, und ich denke auch, er stellt eine wesentliche Entwicklungstendenz dar, auf der wir weiter aufbauen müssen, ob wir nun über die Arbeitszeitrichtlinie sprechen oder über die zahlreichen anderen, noch für uns anstehenden Themen. In meiner Eigenschaft als Präsident der PSE kann ich daher den uns jetzt vorliegenden Kompromiss empfehlen. Er wird uns auf jeden Fall in die richtige Richtung führen.

 
  
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  Cecilia Malmström (ALDE). – Herr Präsident! Diese Dienstleistungsrichtlinie diskutieren wir seit fast zwei Jahren überall in Europa. Es ist natürlich hervorragend, dass von dem, was wir in diesem Hohen Hause behandeln, endlich etwas das aktive Interesse der Menschen findet. Manchmal gibt es viele Missverständnisse, und manchmal werden diese Missverständnisse in ziemlich geschmackloser Weise ausgenutzt.

Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist der Abbau all der Tausenden bürokratischen Hindernisse, die Europas Unternehmen und insbesondere den kleinen Firmen das Leben schwer machen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Arbeitsplätze von den Unternehmen geschaffen werden. Ohne Betriebe gäbe es keine Arbeitnehmer. Der Dienstleistungssektor ist ein wachsender Teil unserer Wirtschaft, der erhebliche Möglichkeiten für Beschäftigung und Wachstum bietet. Die europäischen Volkswirtschaften müssen dringend geöffnet und reformiert werden. Das Herkunftslandprinzip ist insofern praktisch, als es einen echten Binnenmarkt ohne Diskriminierung schafft. Für die Bürger und auch für die Unternehmen stellt dies einen großen Fortschritt dar. Dieses Prinzip wird durch den Kompromiss des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz klargestellt und konkretisiert, der erklärt, dass für das Arbeitsrecht, die Volksgesundheit und die Sicherheit die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaates gelten.

Der jetzt zwischen den großen Fraktionen kursierenden Kompromiss hat einen äußerst verschwommenen Begriff eingeführt: die Sozialpolitik. Das ist höchst bedauerlich, denn es ebnet den Weg für Protektionismus und unterschiedliche rechtliche Auslegungen. Man hört ja, wie Vertreter der einzelnen Fraktionen den Kompromiss auslegen. Jetzt sieht es allerdings so aus, als ob dieser Kompromiss sich verabschiedet, was wir in diesem Fall nur begrüßen können.

Bei der Dienstleistungsrichtlinie geht es darum, wie sich Europa in einer globalisierten Welt behauptet. Es geht um Wachstum, Wirtschaft, Beschäftigung und Wahlfreiheit. Seit dem Vertrag von Rom verfolgen wir das Ziel, die Freizügigkeit auch für Dienstleistungen zu erreichen. Nun ist es genau dafür an der Zeit.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE).(SV) Herr Präsident! Das Parlament kapituliert heute und verleugnet seine politische Rolle. Der Kompromiss bedeutet, dass das Herkunftslandprinzip aufgegeben wird und an seine Stelle ein politisches Vakuum tritt. Dieses Vakuum wird dann durch den Europäischen Gerichtshof gefüllt, der wiederum das Herkunftslandprinzip einführen wird, denn er stellt die Rücksicht auf den Binnenmarkt konsequent über alles andere. Der Gerichtshof kann nicht abgesetzt oder zur Verantwortung gezogen werden. Ist das Demokratie?

Nur Großunternehmen mit einer Armee von Anwälten werden mit der Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie ihre Interessen durchsetzen können. Die einzige Arbeitslosigkeit, die diese Richtlinie beseitigt, ist die der Anwälte. Verlierer werden die Kommunen, die Angestellten des öffentlichen Dienstes, die Verbraucher und die Kleinunternehmen sein. Wir müssen diese Richtlinie ablehnen! Statt eine Liberalisierung aller Bereiche erzwingen zu wollen, sollten wir vielmehr demokratisch gefasste Beschlüsse zur Bewahrung bestimmter Sektoren vor kurzsichtigem Marktdenken respektieren. Die EU kann nicht von wirtschaftlicher Effizienz allein leben. Wir brauchen auch demokratische Effizienz, bei der die Bürger nicht ständig von schlechten Richtlinien überfahren werden.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die Richtlinie über die freie Erbringung von Dienstleistungen und die Niederlassungsfreiheit ist Bestandteil der allgemeineren volksfeindlichen Politik der Europäischen Union und basiert auf dem Maastricht-Vertrag sowie auf der ratifizierten Zielsetzung der Lissabon-Strategie zur Errichtung des Binnenmarkts. Das Ziel besteht hierbei vorrangig darin, durch die Privatisierung des öffentlichen Sektors und der öffentlichen Dienstleistungen sowie durch den Angriff auf die elementaren Beschäftigungs- und sozialen Rechte der Arbeiterklasse den Wettbewerb zu stärken und die Profite der Monopole zu maximieren.

Die Treueschwüre auf den Grundsatz, Monopolen keinerlei Verantwortung aufzuerlegen, wurden heute durch den Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Barroso, in arroganter Weise bekräftigt.

Die politische Einigung zwischen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten sowie der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament über das Paket von Änderungsanträgen, ändert nichts an dem reaktionären Charakter der Richtlinie, deren grundlegendes Prinzip das Herkunftslandsprinzip ist, mit anderen Worten, ein kompletter Freibrief für das Kapital und die Vernichtung Tausender von kleinen und mittleren Unternehmen und Selbstständigen. Die Empfehlungen zur angeblichen Respektierung der Arbeitnehmerrechte stellen einen Versuch dar, die bittere Pille zu versüßen und dem Widerstand der Arbeitnehmer den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Das Argument, die Liberalisierung bedeute kostengünstigere Dienstleistungen für die Bürger, ist nicht stichhaltig, da die Dienstleistungen durch die Richtlinie in weniger Händen konzentriert sein werden und die Monopole mit Blick auf die Steigerung ihrer Profite über die Qualität und die Preise bestimmen. Deshalb werden wir gegen die Richtlinie stimmen. Sie säen Wind und werden gewiss Sturm ernten.

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM).(SV) Herr Präsident! Die Schwedische Juniliste gehört zu den Verfechtern eines effektiven Binnenmarktes und steht der Dienstleistungsrichtlinie daher positiv gegenüber. Gleichzeitig messen wir der nationalen Selbstbestimmung großes Gewicht bei. Die Mitgliedstaaten brauchen gute Gründe dafür, der EU Macht und Zuständigkeiten zu übertragen. Wenn wir das Herkunftslandprinzip akzeptieren, geben wir ein Stück nationaler Souveränität auf. Aus unserer Sicht wiegen die Vorteile dieses Prinzips zu gering, als dass wir dazu bereit wären. Dieses Prinzip betrifft vor allem Bau-, Reinigungs- und Beratungsdienstleistungen. Das sind wichtige Sektoren, aber sie haben keinen entscheidenden Einfluss auf den Wohlstand und das BIP in Schweden.

Es ist auch positiv, dass nationale Dienstleistungsmonopole nicht Gegenstand der Richtlinie sein sollen. Falls diese umstrukturiert werden sollen, dann sollte dies in einem demokratischen Geist erfolgen, d. h. über eine breite Debatte in den Ländern, die eine solche Veränderung für wünschenswert halten. Wir werden den Kompromiss unterstützen.

 
  
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   Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN).(PL) Herr Präsident! Der gemeinsame europäische Markt sollte auf drei Freiheiten beruhen: dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, dem freien Kapitalverkehr und dem freien Personenverkehr.

In den letzten Jahrzehnten konnten die alten Mitgliedstaaten dadurch, dass sie die erste dieser Freiheiten verwirklichten, in ihrer Handelsbilanz mit Ländern wie Polen Überschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe erzielen. Dies trug dazu bei, in den alten Mitgliedstaaten Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu sichern.

Die zweite Freiheit gestattete es Unternehmern aus den alten Mitgliedstaaten, zu äußerst günstigen Bedingungen an der Privatisierung von Vermögenswerten des polnischen Staates teilzuhaben, namentlich im Banken- und Versicherungssektor.

Wenn es aber um den freien Personenverkehr geht, also um die Freiheit, die den neuen Mitgliedstaaten größte Vorteile bringen würde, sehen wir uns leider mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert.

Die so genannte Dienstleistungsrichtlinie hätte vielleicht eine Verbesserung bringen können. Leider ist aber der derzeitige Entwurf, wie er im Bericht von Frau Gebhardt enthalten ist, weit von der Fassung der Europäischen Kommission entfernt und hat nur wenig mit dem Gedanken des freien Dienstleistungsverkehrs zu tun. Dies verwundert umso mehr, als fast 70 % des BIP der Europäischen Union auf Dienstleistungen entfallen und der freie Dienstleistungsverkehr fraglos zu höheren Zuwachsraten des BIP in den alten wie in den neuen Mitgliedstaaten führen würde.

 
  
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  Roselyne Bachelot-Narquin (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stellen wir uns einmal den Fortgang unserer Arbeit vor. Es ist an der Zeit, uns daran zu erinnern, dass wir uns in einem Mitentscheidungsverfahren befinden. Intelligenterweise hat unser Kollege Malcom Harbour auf einen parlamentarischen Sieg verzichtet, der wahrscheinlich war, der jedoch geradenwegs zu einer langsamen Agonie eines unerlässlichen Textes zum Thema Dienstleistungen geführt hätte. Seine Rundreise durch die europäischen Hauptstädte hat ihm bestätigt, was wir bereits wissen. Der zusammen mit Evelyne Gebhardt erarbeitete Kompromiss, den ich begrüßen möchte, ist der einzig Mögliche innerhalb des Rates und zwischen Parlament und Rat; es gibt keine qualifizierte Mehrheit innerhalb des Rates für die Version des Binnenmarktes, die manche wünschen. Sich auf eine solche Version zu versteifen, wäre ein Pyrrhus-Sieg.

Wichtig ist auch die Feststellung, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen uns zu einem Dissens zwischen Ost und West geworden sind. Und mit dieser Feststellung wird nunmehr die Logik der Erweiterung in Frage gestellt. Vergessen wir nicht, dass das Scheitern der Dienstleistungsrichtlinie in einer Reihe mit dem Scheitern der Verfassung, den Besorgnissen hinsichtlich der Finanziellen Vorausschau und den Zweifeln zur Lissabon-Agenda stehen würde.

Wir brauchen heute eine Aussöhnungsstrategie, um die gemeinschaftliche Ambition am Leben zu erhalten. Ich sehe in dem Gefühl der Diskriminierung, das die neuen Mitgliedstaaten angesichts der Einschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer verspüren, ein echtes Problem. Ich möchte ihnen in aller Freundschaft sagen, dass sie diese Diskriminierung nicht dadurch überwinden werden, dass sie den Kompromiss und damit auf längere Sicht die Dienstleistungsrichtlinie ablehnen oder die Entsenderichtlinie in Frage stellen, ganz im Gegenteil. Dies lag unserer Arbeit unter Leitung von Anne Van Lancker im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zugrunde, als wir die Artikel 24 und 25 des ursprünglichen Textes gestrichen haben.

Wir müssen nunmehr feierlich dazu aufrufen, das Moratorium und alle Behinderungen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten aufzuheben. Es wäre auch interessant, diese Fragen bei der Beratung über die Dienstleistungsrichtlinie im Rat miteinander zu verbinden. Doch die Prüfung des Textes hat auch zahlreiche Lücken im gemeinschaftlichen juristischen Instrumentarium aufgezeigt. Einige Abgeordnete haben legitime Befürchtungen geäußert, die es auszuräumen gilt. Nutzen wir die unleugbaren Fortschritte des Textes, denn unsere Arbeit als Gesetzgeber steht ja erst am Anfang.

 
  
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  Edit Herczog (PSE). – (HU) In dem Jahr, als ich geboren wurde, sagte Präsident Kennedy: „Ich bin ein Berliner“. Damals haben das alle verstanden und stimmten ihm zu, dass die Teilung von Ost und West eine historische Sünde sei. Wenn ich heute sagen würde: „Ich bin ein polnischer Klempner“, dann weiß ich nicht, ob alle hier verstehen würden, dass es immer noch um die Einheit Europas geht, und ob wir uns alle einig wären.

Die Dienstleistungsrichtlinie geht über Interessen hinaus und befasst sich mit Werten. Sie betrifft die vier im Vertrag von Rom verankerten Grundfreiheiten und Chancengleichheit. Im Europa des 21. Jahrhunderts ist es unannehmbar, einen Dienstleistungsanbieter wegen seiner Herkunft, Nationalität oder Muttersprache zu diskriminieren.

Ein wichtiges Ziel ist es, die Anzahl und die Gefährdung derer zu verringern, die in die Schattenwirtschaft gezwungen werden. Wir wollen ein besseres Europa! Wir wollen ein Europa, in dem Dienstleister Rechtssicherheit in den Mitgliedstaaten genießen. Wir wollen ein besseres Europa, in dem Dienstleister europäische Arbeitsplätze schaffen und die Anforderungen der Verbraucher legal erfüllen können. Wir müssen einen sicheren, stabilen und klaren ordnungspolitischen Rahmen schaffen. Das ist besonders wichtig für kleine und mittlere Unternehmen. Die sozialdemokratischen EP-Abgeordneten der neuen Mitgliedstaaten haben dieses gemeinsame europäische Interesse stets ausdrücklich unterstützt. Wir sind konstruktiv, wir haben die vollständige Streichung von arbeitsrechtlichen Regelungen aus der Richtlinie akzeptiert. Wir haben akzeptiert, dass anstelle des Herkunftslandprinzips die Dienstleistungsfreiheit geregelt werden muss. Wir haben anerkannt, dass die Richtlinie weder in Konflikt mit anderen, bereits bestehenden europäischen Rechtsnormen kommen noch den Vertrag verletzen darf. Wir dürfen den sicheren, stabilen und klaren Rahmen, der jetzt errichtet wird, nicht aufweichen. Wir dürfen keine undefinierten Ausnahmen zulassen, weil sie Raum für willkürliche Entscheidungen der Mitgliedstaaten lassen würden.

Wir sind nicht dafür, dass öffentliche Dienstleistungen wirtschaftlicher Art aus der Richtlinie vollständig herausgenommen werden, aber wir sind bereit, Ausnahmen für einzelne Sektoren individuell zu prüfen. Wir würdigen, ja begrüßen sogar den Schutz, auf den die europäischen Verbraucher jederzeit und überall Anspruch haben, aber eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den Verbraucherschutz lehnen wir ab. Nicht zuletzt noch dies: Angesichts der Herausforderung des globalen Wettbewerbs kann es sich Europa nicht leisten, das gemeinsam erzeugte BIP für die Verwaltungskontrolle auszugeben.

 
  
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  Karin Riis-Jørgensen (ALDE).(DA) Herr Präsident! Dies ist eine schicksalhafte Zeit für Europa. Am Donnerstag haben wir zwei Wahlmöglichkeiten. Wir können entweder die lang ersehnte Solidarität mit unseren neuen Mitgliedstaaten unter Beweis stellen und zeigen, dass wir die Bürger Europas ernst nehmen und auch dem Wunsch der Verbraucher nach mehr und preiswerteren Alternativen und dem Bedarf an mehr Arbeitsplätzen Rechnung tragen, oder wir können die Europäer täuschen und eine Dienstleistungsrichtlinie um jeden Preis mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner annehmen und ein Dokument verabschieden, das keine der derzeitigen protektionistischen Bedingungen im Dienstleistungsbereich ändert – ein Dokument, das noch nicht einmal den Status quo bewahrt, sondern obendrein einen Rückschritt darstellt, weil es nur noch mehr Hindernisse für unsere Unternehmen auftürmt.

Die Kommission, Herr McCreevy, hat ihre Wahl leider bereits getroffen und wenig hilfreich zu dem Kompromiss zwischen den beiden großen Fraktionen beigetragen. Ich hatte von der Kommission auf jeden Fall erwartet, dass sie der Fahnenträger für einen wirklichen Binnenmarkt für Dienstleistungen sein würde, der eigentliche Eckpfeiler des hoch profilierten Lissabon-Prozesses der Kommission. Der Kompromiss der großen Fraktionen wird die EU den Bürgern unter keinen Umständen näher bringen, was wir natürlich normalerweise anstreben. Nur ein wirklicher Binnenmarkt für Dienstleistungen kann die Arbeitsplätze schaffen, die wir in Europa so dringend benötigen. Alles andere ist fehl geschlagenes Marketing.

Wir müssen die Angstkampagnen, die Desinformation und Manipulation, die gewisse Kreise – manche von ihnen in diesem Hohen Hause – zu den Themen Sozialdumping, Massenarbeitslosigkeit und andere schlechte Seiten betrieben haben, in deutlichen Worten verurteilen. Ihr Handeln ist skandalös.

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Wie viele Abgeordnete bereits festgestellt haben, ist der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission sozial gefährlich, schlecht gemacht, juristisch kompliziert. Kurz, er ist genau das Gegenteil eines guten Rechtsakts, das heißt eines Rechtakts, der dem europäischen Projekt und seinen Bürgern nützt.

Wir hier in diesem Haus vertreten die Bürger. Heute Nachmittag haben Zehntausende von ihnen in den Straßen von Straßburg demonstriert. Ich glaube, es war eine gute Übung in Demokratie, dass die Schattenberichterstatter und die Berichterstatter die Richtlinie in ihrer derzeitigen Fassung abgelehnt und substanzielle Änderungen ihres Inhalts vorgeschlagen haben.

Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz wünscht zwar die Schaffung eines europäischen Dienstleistungsmarktes, ist aber kategorisch dagegen, dass dieser vom Wettbewerb zwischen den nationalen Rechtsvorschriften beherrscht wird, wie ihn das Herkunftslandprinzip impliziert und der de facto eine Harmonisierung nach unten zur Folge hätte. Deshalb werden wir für den Vorschlag stimmen. Im Übrigen haben wir Änderungen mit dem Ziel vorgeschlagen, das Herkunftslandprinzip zu streichen und die wirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuklammern.

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL).(Die Rednerin sprach Irisch.)

(EN) Ich fordere Sie dringend auf, die Dienstleistungsrichtlinie abzulehnen. Der jüngste Disput bei der Fährgesellschaft „Irish Ferries“ hat gezeigt, was die Zukunft für die Arbeitnehmer und ihre Rechte bringt, wenn die Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet wird. Auch viele der Äußerungen von Kommissar McCreevy in letzter Zeit haben die Gefahren verdeutlicht, die für die Rechte der Arbeitnehmer und die Tarifverhandlungen bestehen.

Die Richtlinie kommerzialisiert fast alle Dienstleistungen innerhalb der EU. Sie wird dafür sorgen, dass Millionen von Bürgern keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in guter Qualität haben werden. Frauen werden besonders stark betroffen sein, da sie die Mehrzahl der Beschäftigten im Dienstleistungsgewerbe stellen und auch mehr Frauen als Männer diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Ich unterstütze auch, was heute Abend über Entscheidungen gesagt wurde, die letztlich durch den Gerichtshof getroffen werden. Heute waren Zehntausende von Menschen auf der Straße, um gegen diese Richtlinie zu protestieren, aber wir können den Regierungen versichern, dass die eigentlichen Kämpfe auf nationaler Ebene stattfinden werden.

 
  
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  Dariusz Maciej Grabowski (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Die Wachstumsrate der Europäischen Union ist seit Jahren rückläufig und beträgt seit kurzem weniger als 2 % pro Jahr. Wir können mit der übrigen Welt nicht Schritt halten, denn im globalen Wettbewerb sind andere besser als wir, wenn es darum geht, die Kosten und Preise zu senken und neue Produkte auf den Markt zu bringen.

Die Europäische Union gerät immer mehr ins Hintertreffen, denn ihr Agrarsektor ist zu teuer und wird mittels einer verfehlten, wirtschaftlich aufwändigen und ineffektiven Politik subventioniert. Auch der Industrie in der EU machen hohe Kosten zu schaffen. Verursacht werden sie durch überzogene soziale Privilegien, die gemeinsame Zollpolitik und den hohen Aufwand für die Erledigung bürokratischer Formalitäten. Vor allem aber sind in der Union die Dienstleistungen zu teuer. Der Dienstleistungssektor schafft die meisten Arbeitsplätze, doch preisgünstigen Dienstleistern wird der Zugang zum Markt verwehrt.

Der Versuch, die Liberalisierung der Dienstleistungen aufzuhalten, erinnert an den Versuch, den Zustrom billiger Konsumgüter aus Asien zu stoppen. Das Ganze ist ebenso aufwändig wie ineffektiv. Es ist aufwändig, weil dazu ein ausufernder Verwaltungsapparat benötigt wird, und es ist ineffektiv, weil es zur grassierenden Schwarzarbeit beiträgt, die den Arbeitnehmern sehr schadet. Die Verfechter der derzeit geltenden EU-Regelungen für Dienstleistungen behaupten, dass sie für die Arbeitsplätze ihrer Bürger eintreten und gegen den Anstieg der Arbeitslosigkeit kämpfen. Mein Gegenargument lautet: Schaut euch an, was in Irland und Großbritannien passiert ist. Beide Länder haben ihre Märkte geöffnet. Ist die Erwerbsquote gestiegen oder gesunken? Nimmt die Arbeitslosigkeit zu oder ab? Die Antwort fällt ganz eindeutig aus. Die Beschaffenheit des Dienstleistungsmarktes hat zur Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen.

Nach meiner Ansicht sind preiswertere Dienstleistungen der Schlüssel zur Forcierung des Entwicklungstempos in der EU. Dadurch würden sich die Kosten für Produzenten und Konsumenten gleichermaßen verringern. Auch gilt es, den Markt auszuweiten und neue Technologien einzuführen. Nur durch preiswertere Dienstleistungen lässt sich das Problem, die notwendigen Mittel für….

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! In nahezu allen Debatten, die in diesem Parlament stattfinden, kommen die Herausforderungen zur Sprache, denen sich die Europäische Union in einer vom globalen Wettbewerb geprägten Welt gegenübersieht.

Wir möchten, dass sich Europa dynamisch entwickelt und in wenigen Jahren zum wettbewerbfähigsten Wirtschaftsraum der Welt wird. Auch die Bürger Europas wollen dies, und sie vertrauen darauf, dass die in diesem Hause gefassten Beschlüsse die Union auf dem Weg zu diesem Ziel voranbringen. Allerdings werden wir diese Erwartungen enttäuschen, wenn wir nicht den Mut aufbringen, einen wirklich gemeinsamen Markt zu schaffen, der allen europäischen Unternehmen unabhängig vom Standort des Firmensitzes die Möglichkeit gibt, sich weiter zu entfalten. Die richtigen Bedingungen dafür werden aber nicht entstehen, wenn wir uns mit protektionistischen Praktiken einverstanden erklären. Derartige Praktiken sind auch eine Form der Diskriminierung, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen Ost und West, auch wenn sie dort am deutlichsten zutage treten. Die Bürger der neuen Mitgliedstaaten leiden am stärksten darunter.

Die europäische Wirtschaft verlangt nach Entwicklung, und die Bürger der Mitgliedstaaten verlangen nach Arbeitsplätzen. Der von der vorangegangenen Kommission erarbeitete Richtlinienentwurf, den wir heute erörtern, war eine sachgerechte und rationelle Antwort auf dieses Verlangen. Da der Dienstleistungssektor 70 % des Sozialprodukts der Union erwirtschaftet und die Mehrheit der Europäer beschäftigt, sollten wir alles daran setzen, um sicherzustellen, dass sich dieser Sektor ohne unnötige bürokratische Hemmnisse entwickeln kann. Leider ist dies der Sektor, in dem die Freizügigkeit am stärksten eingeschränkt ist. Dies widerspricht dem gesunden Menschenverstand und auch den Bestimmungen der Verträge.

Von Anfang an erhitzten sich am Richtlinienentwurf die Gemüter. Eine Reihe von Änderungsanträgen wurden eingebracht, und unlängst einigte man sich im Verlauf der Arbeiten des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz auf einen Kompromiss. Es handelt sich um einen wirklich weit reichenden Kompromiss, der wesentliche Änderungen des Textes mit sich bringt. Weitere Änderungen würden aber bedeuten, dass man vor den Herausforderungen zurückscheut, mit denen sich Europa konfrontiert sieht.

Die Union wird im globalen Wettbewerb nicht bestehen können, wenn schon die Angst vor dem inneren Wettbewerb sie lähmt.

 
  
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  Arlene McCarthy (PSE).(EN) Herr Präsident! Mein Vorgänger, der Europaabgeordnete Herr Philip Whitehead, wäre stolz darauf gewesen, im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zu sprechen. Er wäre stolz gewesen auf die intensive Arbeit, die unsere Berichterstatterin, Frau Gebhardt, und all die anderen Abgeordneten geleistet haben, um den Vorschlag der Kommission abzuändern und zu verbessern. Er wäre gern hier gewesen, um sich selbst davon zu überzeugen, mit welcher Reife und mit welchem Verantwortungsbewusstsein sich dieses Parlament um einen Konsens im Auftrag unserer Bürger zur Öffnung des Dienstleistungsmarktes bemüht. Wenn wir es richtig anpacken, dann können wir den Markt öffnen, den Arbeitsmarkt und das Wachstum in ganz Europa ankurbeln und Europa helfen, sich im internationalen Wettbewerb gegen den aufstrebenden Dienstleistungsmarkt in Indien und China zu behaupten.

Der Makel des Vorschlags von Herrn Bolkestein bestand darin, dass man nicht erkannt hatte, dass man die Öffentlichkeit nur dann für die Öffnung des Marktes gewinnen kann, wenn man sie von den damit verbundenen Vorzügen sowie davon überzeugen kann, dass sie keine Unterminierung der Rechte von Arbeitnehmern und Verbrauchern zu befürchten hat. Wenn man die Bürger ermutigen will, Veränderungen und Reformen zu unterstützen, dann muss man ihnen erklären, was sie davon haben, was das für ihr eigenes Leben bedeutet. Es ist doch das Parlament, das sich für die Bürger einsetzt und die Interessen aller unserer Bürger, Unternehmen, Verbraucher, Arbeitnehmer und Erwerbslosen vertritt.

Wir sollten das Ganze vereinfachen. Wir müssen einen Schlussstrich unter die unsinnigen diskriminierenden Praktiken ziehen, die unsere Unternehmen daran hindern, sich auf dem europäischen Markt zu etablieren. Weshalb sollte ein Unternehmen die Mitgliedschaft in einer lokalen Handelskammer beantragen, nur um zu erfahren, dass die Wartezeit fünf Jahre beträgt? Weshalb sollte ein Unternehmen vier Büros einrichten und eine Anzahlung von 500 000 Euro leisten? Die Schwarzwirtschaft im Bereich Dienstleistungen floriert in Europa, weil diese komplexen und teuren Hindernisse die Unternehmen veranlassen, ihre Tätigkeit nicht anzumelden und illegal zu agieren. Nutzen wir diese Vorschriften, um diesen Unternehmen eine legale Tätigkeit zu ermöglichen. Lassen Sie uns den Protektionismus abschaffen, aber die Rechte von Verbrauchern und Arbeitnehmern schützen.

Meines Erachtens können die Verbraucher dann erkennen, welche Vorteile Auswahl und Wettbewerb bieten, wenn sie sicher sein können, dass sie, falls etwas schief geht, ihr Problem rasch bei einem lokalen Gericht klären lassen können und sich nicht in Lissabon, Paris, Warschau oder London mit einem zweifelhaften Dienstleistungserbringer auseinander setzen und dort um ihre Rechte kämpfen müssen. Genau das wollen wir mit diesen Kompromissen erreichen.

Die Beschäftigten des Dienstleistungsgewerbes brauchen Garantien, die den Schutz ihrer Rechte gewährleisten. Hier geht es nicht um das alte oder neue Europa. Hier geht es nicht um rechts oder links. Die Bürger verlassen sich darauf, dass wir die richtige Entscheidung treffen: Also Abschaffung des Protektionismus, der den Binnenmarkt für Dienstleistungen massiv behindert, und Schutz der Rechte von Arbeitnehmern und Verbrauchern. Wenn wir es richtig anpacken, dann können wir meines Erachtens einen Sieg für die parlamentarische Demokratie erringen und den Arbeitsmarkt und das Wachstum für künftige Generationen von Europäern ankurbeln.

Abschließend möchte ich die Kommission bitten, sich für die Einrichtung dieser Kontaktstellen, dieser einheitlichen Ansprechpartner einzusetzen, die für die Erbringung, Kontrolle und Überwachung der Art von Leistungen, die wir uns vorstellen, unerlässlich sind. Sie sollte die Einführung eines EU-Gütezeichens oder eines EU-Qualitätssicherungsprogramms prüfen, damit die Verbraucher sicher sein können, dass bei entsprechend gekennzeichneten Dienstleistungen die Rechte von Arbeitnehmern und Verbrauchern eingehalten werden.

 
  
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  Bronisław Geremek (ALDE).(PL) Herr Präsident! Von Zeit und Zeit hat das Europäische Parlament eine Entscheidung zu treffen, die für die Zukunft der Europäischen Union von äußerster Wichtigkeit ist.

So verhält es sich mit der Dienstleistungsrichtlinie. Sie war als Möglichkeit zur praktischen Verwirklichung des Grundsatzes der vier europäischen Freiheiten gedacht. Ihr Sinn und Zweck besteht darin, EU-weit jedwede Diskriminierung bei der Erbringung von Dienstleistungen zu verhindern. Die nationale Herkunft soll ohne Belang sein, und die Bürger der alten und neuen Mitgliedstaaten sollen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden. Die Umsetzung der Richtlinie wird das Wirtschaftswachstum fördern und für eine stärkere Verbreitung des europäischen Sozialmodells sorgen. Durch die Verwirklichung der wirtschaftlichen Freiheit wird die soziale Dimension Europas gestärkt und nicht geschwächt.

Kompromisslösungen sind natürlich ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Arbeit. Dies gilt auch in diesem Falle, und deshalb sollten wir uns trotz unserer Meinungsverschiedenheiten um einen Kompromiss bemühen. Allerdings gibt es dafür Grenzen, bei deren Überschreitung die Dienstleistungsrichtlinie ihren Sinn verlieren würde.

Es erscheint mir sinnvoll, jene Bereiche, in denen die Gesetze des Marktes nicht funktionieren, nicht dem Merkantilismus auszuliefern. Außerdem halte ich es für gerechtfertigt, ausdrücklich zu vermerken, dass die Richtlinie das Arbeitsrecht nicht berührt. Allerdings sehe ich keine Veranlassung zu Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn dafür kein Grund und keine eindeutige Rechtsgrundlage vorliegen. Mir scheint, dass in Fragen von derartiger strategischer Bedeutung klare Rechtsvorschriften unerlässlich sind. Wir brauchen eine rationelle Entscheidung, mit der wir die Weichen für die Zukunft stellen. Die Schreckensbilder, die hier mit den Schlagworten von der Frankenstein-Richtlinie und dem polnischen Klempner heraufbeschworen wurden, sollten aus dem europäischen Bewusstsein verschwinden und durch die Begriffe Vertrauen, Freiheit und Solidarität ersetzt werden.

(Beifall)

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke fordert, dass die vorgeschlagene Bolkestein-Richtlinie zurückgezogen wird, und auf jeden Fall plädieren wir für die Abschaffung des Herkunftslandprinzips, das unter dem neuen Namen „Prinzip der freien Erbringung von Dienstleistungen“ beibehalten wird. Die bewusste Unklarheit der neuen Formulierung öffnet negativen Auslegungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, über die Kommissar McGreevy gesprochen hat, Tür und Tor.

Wir fordern auch, dass Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Wir verlangen einheitliche Vorschriften auf europäischer Ebene sowie die Unterbindung von Sozialdumping und unfairem Wettbewerb, die von den Unternehmen mithilfe von flexiblen Sozial- und Umweltrechtsvorschriften angekurbelt werden. Der zerbrechliche Kompromiss, den die Europäische Rechte und die Sozialdemokraten unter dem Druck des Widerstands und der Demonstrationen der Gewerkschaften geschlossen haben, mildert die neoliberale Philosophie und die negative Ladung des Vorschlags ab, aber er beseitigt sie nicht.

Die Europäische Linke lehnt die verkappte Bolkestein-Richtlinie ab und plädiert dafür, ihre negativen Auswirkungen mithilfe von Änderungsanträgen einzugrenzen.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Die in den Ländern Westeuropas vom Schreckgespenst des „polnischen Klempners“ ausgelösten Befürchtungen fanden ihren Niederschlag in mehreren Versuchen, den Entwurf der Richtlinie über die Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes zu verwässern. Die vielen Kompromissänderungsanträge, die vornehmlich von den größten Fraktionen vereinbart wurden, lassen erkennen, dass einige Länder der alten Fünfzehnergemeinschaft nicht an dem im Vertrag verankerten Grundsatz des freien Warenverkehrs in der Union festhalten wollen. Wenn wir aber die Beispiele Großbritannien und Irland betrachten, wird deutlich, dass sich die Öffnung der Arbeitsmärkte gegenüber Polen und den anderen neuen Mitgliedstaaten für die Volkswirtschaften als vorteilhaft erwiesen hat.

Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass der erbitterte Widerstand gegen die Annahme der Richtlinie in ihrer ursprünglichen Form auf irrationale Ängste zurückzuführen ist, die an Fremdenfeindlichkeit grenzen.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Im nächsten Jahr werden wir den 50. Jahrestag des Vertrags von Rom begehen, mit dem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit sowie den freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr als wichtigste Ziele für die Errichtung eines gemeinsamen oder Binnenmarktes forderte.

Im Bereich der Dienstleistungen ist der Markt jedoch gekennzeichnet durch 50 Jahre Protektionismus und restriktive Praktiken seitens der Mitgliedstaaten, die von komplizierten bürokratischen Hürden über Verzögerungen und Geldstrafen bis hin zu obskuren Qualifikationsanforderungen reichen. In Österreich ist es ausländischen Skilehrern nicht gestattet, ihre Leistungen für mehr als 14 Tage zu erbringen. In Belgien und Frankreich können Sofortreparaturen erst nach einer Voranmeldung von acht Tagen erledigt werden, was ein Widerspruch in sich ist. Will man Piloten auf Zeit und Flugzeugingenieure bei einer Fluggesellschaft in Italien unterbringen, muss man dazu vier Büros einrichten und 400 000 Euro hinterlegen. Und jedes dieser Hindernisse wird stets mit dem vordergründigen, aber gefühlsbetonten Argument begründet, man wolle ein „Wettrennen nach unten“ verhindern. Protektionistische Mitgliedstaaten spielen sich als die Verfechter der Arbeitnehmer gegen Sozialdumping auf. In der Praxis unterstützen sie damit eine sich rasant entwickelnde Schwarzwirtschaft

Dabei ist es so, dass die Länder, die die Möglichkeiten, die der erweiterte EU-Markt bietet, aufgeschlossen genutzt haben, ausgezeichnete Wachstumsraten verzeichnen. Der freie Waren- und Kapitalverkehr sowie die Freizügigkeit sind seit 1993 mit enormen ökonomischen und sozialen Vorzügen verbunden. Fast 70 % der erwerbstätigen Bevölkerung in Europa sind im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt, auf das 55 % des BIP der EU entfällt, aber gegenwärtig machen die Dienstleistungen lediglich 20 % des Handels zwischen den Mitgliedstaaten aus. Der nicht vollendete Binnenmarkt hat einen Beitrag in Höhe von 1 000 Milliarden Euro zum europäischen Wohlstand geleistet und für 2,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze gesorgt. Die Dienstleistungsrichtlinie könnte zur Entstehung von weiteren 600 000 Arbeitsplätzen beitragen.

Es gibt eine begrenzte Anzahl von Dienstleistungen – vor allem Gesundheitsdienstleistungen -, für die sektorspezifische Maßnahmen ergriffen werden sollten. Ich begrüße Kommissar McCreevys Verpflichtung zur Vorlage einer gesonderten Richtlinie über die Mobilität von Patienten und die ganze Frage der grenzüberschreitenden Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen. Ich unterstütze allerdings die verbleibenden Bestimmungen einer ohnehin schon stark abgeschwächten Richtlinie. Besonders wichtig ist, dass in Anbetracht der großen Rolle, die Personal- und Beschäftigungsagenturen auf einem modernen und flexiblen Arbeitsmarkt spielen, Zeitarbeitsfirmen im Geltungsbereich der Richtlinie verbleiben. Und weshalb sind Beschäftigte der Bereiche Verkehr und Kinderbetreuung ausgeschlossen?

Ich befürworte die Bestimmungen in Artikel 16 von ganzem Herzen...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Jan Andersson (PSE).(SV) Herr Präsident! Zur Zeit steht das Europäische Parlament im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wir haben jede Möglichkeit, die politische Tagesordnung zu bestimmen. Das müssen wir nutzen und dieser unglaublich wichtigen Richtlinie unseren Stempel aufdrücken. Das ist nicht die Bolkestein-Richtlinie, sondern ein sich herausschälender Kompromiss, was etwas völlig anderes ist.

Lassen Sie mich einige Beispiele aus dem Zuständigkeitsbereich des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten anführen. Das Arbeitsrecht, Tarifverträge und das Recht auf Arbeitskampf werden von der Richtlinie nicht berührt. In Zukunft werden Mitgliedstaaten von den Dienstleistungsunternehmen fordern können, dass sie einen Vertreter benennen, der Tarifverträge abschließen kann, der für Arbeitsschutzinspektionen zuständig ist usw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie Gesundheitswesen, Bildung und soziale Dienste, sind von der Richtlinie ausgenommen. Auch Zeitarbeitsfirmen fallen nicht darunter, da für diesen Sektor eine spezielle Richtlinie erarbeitet wird .

Bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse liegt es bei den Mitgliedstaaten, ob sie diese für den Wettbewerb öffnen. Aber falls dies geschieht, dann sollte es auf dem gesamten Binnenmarkt so sein. Dies ist ein konstruktiver Kompromiss, der die Vorteile des Binnenmarktes mit der Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt verbindet und zudem die öffentlichen Dienstleistungen schützt, zu denen die Bürger unserer Mitgliedstaaten und Regionen gegenwärtig Zugang haben. Einige halten dies für einen unklaren Kompromiss, aber wie sieht es denn momentan aus? Was passiert, wenn wir die Richtlinie ablehnen? Wie viele Fälle warten endlos auf ein Urteil durch den Europäischen Gerichtshof, statt durch eine Richtlinie entschieden zu werden, mit der wir die Spielregeln festlegen? Ich bleibe dabei, dass diese Richtlinie ein eindeutiger Fortschritt wäre. Sie ist eindeutiger als die gegenwärtigen Vorschriften. Darum sollten wir dafür stimmen.

 
  
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  Luigi Cocilovo (ALDE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind wohl alle absolut davon überzeugt, dass der Dienstleistungsbinnenmarkt durch die Beseitigung von Hindernissen, restriktiven Praktiken und Protektionismus vollendet werden muss. Das ist ein reales und allgemeines Problem.

Die ursprünglichen Vorschläge der Bolkestein-Richtlinie waren jedoch widersprüchlich und in vielerlei Hinsicht fragwürdig und falsch. Der Grundfehler bestand darin, dass gegensätzliche und negative Empfindungen ausgelöst wurden. Zum einen entstand der Eindruck, die Neubelebung eines fairen Wettbewerbs würde im Wesentlichen auf einen Freifahrtschein für Sozial- und Demokratiedumping hinauslaufen. Zum anderen kam infolge des völlig legitimen Widerstands gegen diese Unklarheiten in vielen Ländern, und insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten, das Gefühl auf, man wolle die protektionistischen Hindernisse und die Hemmnisse für den freien Dienstleistungsverkehr festigen und verteidigen.

Ich denke, dass auf der Grundlage der vorgelegten Kompromisstexte diese Widersprüche und Mängel nun im Wesentlichen korrigiert werden können. Berechtigt ist vielleicht die Kritik an bestimmten Ausschlüssen und Ausnahmen für einzelne Bereiche, die sich bestimmt negativ auf die Aussichten für die Wettbewerbssteigerung der europäischen Produktions-, Wirtschafts- und Sozialsysteme auswirken. Diese Bereiche umfassen bestimmte berufliche Tätigkeiten, Bank-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und die Energieversorgung.

Viele behaupten, mit der Richtlinie entstünde die Gefahr, dass der Berg kreißt und eine Maus gebiert. Diesen Einwänden möchte ich entgegenhalten, dass es besser ist, dieses Risiko einzugehen als dass ein Skorpion geboren wird, denn das Gift, das im Schwanz dieses kleinen Tieres enthalten ist, würde gewiss das Gleichgewicht des europäischen Sozialmodells zerstören.

 
  
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  Vladimír Železný (IND/DEM).(CS) Ein privater Fernsehsender der EU berichtete heute, dass die Arbeitnehmer der EU gegen die Dienstleistungsrichtlinie protestieren. Er vergaß hinzuzufügen, dass es sich um Arbeitnehmer aus den alten Mitgliedstaaten handelt, denn die Arbeitnehmer in den neuen Mitgliedstaaten sind als EU-Bürger zweiter Klasse für diese Richtlinie. Tschechen können ebenso wie Bürger anderer neuer Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres in Deutschland oder anderen Ländern einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Da mutet es geradezu lächerlich an, dass wir subventionierte Lebensmittel aus dem Westen konsumieren und westliche Waren kaufen, die ungehindert unsere Grenzen passieren, ohne dass eine Einfuhrsteuer erhoben wird. Der Knackpunkt liegt darin, dass Artikel 16, der in der Fassung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz wohlweislich vorsieht, dass für Dienstleister die Bestimmungen ihres Herkunftslands gelten können, einem Kompromiss zwischen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament zum Opfer gefallen ist. Wir haben es hier nicht mit einem Kompromiss zu tun, vielmehr wurde die ganze Richtlinie ihres Sinnes entleert. Die Abwälzung der Verantwortung ist nicht der richtige Weg für die Handhabung eines rechtlichen Rahmens für Dienstleistungserbringer, denn sie geraten dadurch in eine unsichere Rechtslage. Es mag sich dabei nur um eine nichtverbindliche Erklärung handeln, aber es wird ausgiebig auf das Allgemeininteresse als Begründung für die Einschränkung von Dienstleistungsaktivitäten verwiesen. Dadurch ergeben sich große Unstimmigkeiten, denn Unterabsatz 1 besagt, dass die Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats unmittelbar gelten, während Unterabsatz 3 so ausgelegt werden kann, dass die Vorschriften des Herkunftslands anzuwenden sind.

Wenn wir noch nicht einmal reif dafür sind, unsere Wirtschaft dem Wettbewerb innerhalb der EU auszusetzen, wie wollen wir dann mit der übrigen Welt konkurrieren? Wenn wir die rasante Entwicklung der neuen Mitgliedstaaten nicht nutzen, um schneller Effizienzgewinne in der Arbeitswelt zu erzielen, verspielen wir einen der größten Aktivposten der EU-Erweiterung.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Wir sind dabei, eine weit reichende Entscheidung mit Folgen für die Zukunft einer Grundfreiheit dieser Union zu treffen, die seit über fünfzig Jahren Bestandteil des europäischen Rechts ist. Zur gleichen Zeit, da sich Europa für die Volkswirtschaften von Drittstaaten öffnet, errichten die Länder der Union interne Schranken für den Dienstleistungsverkehr. Es ist nun an uns, entweder diese künstlichen Barrieren niederzureißen oder sie abzusegnen, was die Gewerkschafter mit Beifall quittieren würden. Das Ergebnis wird zeigen, wie gut die Union mit der Erweiterung fertig geworden ist. Die Berliner Mauer ist gefallen, die neuen Mitgliedstaaten haben ihre Märkte für Waren und Dienstleistungen aus ganz Europa geöffnet, und trotzdem gibt es noch immer EU-Mitgliedstaaten, die das europäische Recht über den freien Dienstleistungsverkehr nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Diese Staaten schotten ihre Märkte heuchlerisch vor dem gegenseitigen Wettbewerb ab, und das unter Verstoß gegen das Recht der Union und die Spruchpraxis der Gerichte. Vor uns sehen wir Chiracs idiotisches Schreckgespenst des polnischen Klempners, der Frankreich und andere Länder heimzusuchen droht. Die Zeit ist gekommen herauszufinden, wer die Grundgedanken der Lissabonner Strategie und die Vorstellung vom flexiblen Markt ernst nimmt und wer nicht.

Ich würde gern wissen, worauf die Opposition ihre Argumente stützt. Sie hat uns keine Studien präsentiert, sondern sich vielmehr der Berichterstatterin bedient, um bei den Gewerkschaftern falsche Eindrücke zu erwecken. Es stimmt einfach nicht, dass durch die Richtlinie das Arbeitsrecht umgestaltet wird oder dass es zu Änderungen bei den Maßnahmen für Arbeitnehmer kommt bzw. deren Schutz ausgehöhlt wird. Alle Untersuchungen belegen vielmehr, dass dadurch 600 000 neue Arbeitsplätze entstehen, 37 Milliarden Euro in die Wirtschaft fließen und mit der Diskriminierung Schluss gemacht wird. Die vorgeschlagene Verwässerung der Richtlinie und die Aufgabe des Herkunftslandprinzips richten sich gegen die Interessen aller, auch der Verbraucher, und wäre ein ideologischer Schlag gegen den Gedanken der Deregulierung und fortschreitenden Harmonisierung. Unsere Erfahrungen mit dem Warenverkehr zeigen, dass dieses Vorgehen zu nichts führt. Die Mitgliedstaaten könnten sich nie darüber einigen, und zudem würde die damit verbundene zusätzliche Regulierung – an Stelle der erhofften Vereinfachung und Flexibilität – das Ziel eines erfolgreichen Europas, das im Rahmen einer globalen Wirtschaft agiert, weiter in die Ferne rücken lassen. Die Richtlinie ist damit ein Prüfstein dafür, ob wir uns lieber für kurzfristigen nationalen Protektionismus oder gemeinsamen europäischen Wohlstand entscheiden.

 
  
  

VORSITZ: LUIGI COCILOVO
Vizepräsident

 
  
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  Barbara Weiler (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Richtlinie ist wahrlich kein Ruhmesblatt für das Prinzip better regulation. Im Gegenteil! Herr Kommissar, die Verärgerung, ja die Empörung fast aller gesellschaftlichen Gruppen in Europa geht auf Ihr Konto. Auch was wir gerade von der Kollegin Roithová gehört haben, das Ausspielen der Abgeordneten zwischen West und Ost. Es geht uns nämlich nicht um eine Abschottung. Der Binnenmarkt ist kein Selbstzweck. Darum sind auch die drei großen Ausnahmen erforderlich: die Entsendungsrichtlinie, die Leih- bzw. Zeitarbeitsrichtlinie, die so lange ausgenommen bleiben muss, solange die europäische Richtlinie im Rat auf Eis liegt, und ganz besonders die Berufsqualifikationsrichtlinie, die wir ja alle hier im Hause beschlossen haben.

Ein effizienter Binnenmarkt ohne Abschottung und ohne Diskriminierung, mit fairen Rahmenbedingungen, ist ein Gewinn für Europa – für Anbieter, Dienstleister, Verbraucher und Beschäftigte. Aber genau das haben wir eben nicht mit dieser Richtlinie. Ich danke ausdrücklich dem Europäischen Gewerkschaftsbund, der sich mit uns für den Schutz eingesetzt hat, ohne in nationale Engstirnigkeit zu verfallen. Nicht Ablehnen ist die Lösung, sondern Gestalten.

 
  
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  Sophia in 't Veld (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich erwähnen, dass es hier nicht um Ost gegen West geht, denn ich stamme aus dem Westen und bin eine große Befürworterin der Dienstleistungsrichtlinie. Wir sollten das Ziel der Richtlinie nicht aus dem Auge verlieren, die Beseitigung unnötiger Hindernisse für kleine und mittlere Unternehmen, damit sie in anderen Ländern ihre Dienste anbieten können. Mit einer verwässerten Richtlinie, wie von den Sozialdemokraten und einigen Mitgliedern der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten vorgeschlagen, laufen wir Gefahr, den Zugang zu den Märkten noch weiter zu versperren. Während wir wertvolle soziale Errungenschaften schützen müssen, dürfen wir uns nicht dem Protektionismus, dem Nationalismus und zweifellos nicht der Fremdenfeindlichkeit hingeben.

In der globalen Wirtschaft müssen wir den europäischen Markt eher stärken, als ihn zu fragmentieren und zu schwächen. Der Dienstleistungsmarkt bietet vielen herausragende Möglichkeiten, und innovative Qualitätsarbeitsplätze können im Dienstleistungssektor entstehen.

Die Debatte riecht nach Scheinheiligkeit, denn die alten Mitgliedstaaten im Westen fürchten die Konkurrenz aus dem Osten, vergessen jedoch dabei, dass westliche Unternehmen in Osteuropa schon seit 15 Jahren mit viel Gewinn Geschäfte machen.

Die Richtlinie muss mit einem möglichst weit gesteckten Geltungsbereich verabschiedet werden, was bedeutet, dass Dienste von allgemeinem Interesse oder Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – und es ist vielleicht an der Zeit, diese Begriffe zu definieren –, die schon jetzt auf dem Markt angeboten werden, ebenso wie Gesundheitsversorgung, Zeitarbeitsfirmen und Glücksspiele ohne weiteres in den Geltungsbereich fallen. Das Herkunftslandprinzip muss, auch wenn wir ihm einen anderen Namen geben, einfach erhalten bleiben.

Ich werde nur dann für diese Richtlinie stimmen, wenn sie zu mehr freiem Dienstleistungsverkehr führt. Einem Kompromiss, der die Märkte nur noch mehr versperrt, werde ich meine Stimme verweigern.

 
  
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  Charlotte Cederschiöld (PPE-DE).(SV) Herr Präsident, Herr Kommissar! Dies ist ein großer Schritt für die EU und ein kleiner Schritt für den freien Handel. Ob es ein Schritt nach vorn ist, hängt von der Abstimmung am Donnerstag ab. Es gibt zu viele Ausnahmen, und das Prinzip darf nicht übermäßig geschwächt werden. Das ist wichtig für kleine Unternehmen und besonders wichtig für kleine Länder. Ohne Mehrwert ist der Kompromiss wertlos. Deshalb trägt die Kommission in der laufenden Arbeit eine besondere Verantwortung.

Der EU-Protektionismus, der sich hinter der Sozialpolitik oder dem Verbraucherschutz versteckt, ist grotesk. Lassen Sie mich dafür zwei Beispiele anführen: Wenn jemand in Deutschland 25 identische Einfamilienhäuser bauen will, muss er bei den Behörden 25 Zeichnungen zur Genehmigung einreichen und 25-mal dafür Gebühren bezahlen, obwohl es sich doch immer um genau das gleiche Haus handelt. Ist das sinnvoll? Nein, es ist teuer für den Verbraucher und einfach absurd! Wenn eine schwedische Touristengruppe in Begleitung eines Tauchlehrers auf Urlaubsreise nach Griechenland fährt, dann muss dieser Tauchlehrer griechisch sprechen. Andernfalls ist es ihm nicht gestattet, mit einer Gruppe Schweden in Griechenland arbeiten und mit ihnen zu reden, obwohl niemand in der Gruppe griechisch spricht. Das ist wirklich unsinnig!

Darum brauchen wir bessere Vorschriften für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr. Wir können diesen Kompromiss am Donnerstag noch verbessern, indem wir die Anzahl der Ausnahmen reduzieren und auch das private Gesundheitswesen einbeziehen. Wir sollten dann das durchsetzen, was die österreichische Ratspräsidentschaft nach eigener Aussage anstrebt, nämlich eine ehrgeizige Dienstleistungsrichtlinie, die zu größerem Wohlstand für uns alle beitragen wird.

 
  
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  Maria Matsouka (PSE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte über die Dienstleistungen im Binnenmarkt könnte nützlich sein, wenn Sie die Harmonisierung der Beschäftigungsregelungen in ihren Mittelpunkt stellen würden, mit dem Ziel, diese so gut es geht zu verbessern und die Konvergenz der Wirtschaftsstrukturen und technologischen Kapazitäten zu gewährleisten.

Der vorliegende Richtlinienvorschlag versucht jedoch, unter dem Vorwand institutioneller Defizite und auftretender Funktionsstörungen eine Strategie durchzusetzen, die mit den Interessen der Gesellschaft nichts gemein hat und die darauf abzielt, das Kapital noch mehr zu stärken und die Errungenschaften der Arbeiterklasse zunichte zu machen.

Die europäischen Sozialdemokraten schlagen eine historische Schlacht. Alle Bemühungen, Kompromisse für einen besseren Gesetzestext zu finden, werden das Ziel weit verfehlen, da angesichts der jüngsten Entwicklungen kein Grund zu der Annahme besteht, dass ein arbeitnehmerfreundlicher bzw. entwicklungsfördernder Rechtsrahmen erreicht werden kann, der das Sozialmodell der Union sichert.

Das Prinzip, das letztendlich zur Anwendung kommen wird, ist das Herkunftslandprinzip, da es der strittige Artikel 16, der das Wesen der Richtlinie ausmacht und ihre Hauptwaffe ist, nicht radikal ändert und die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Grunde nicht vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind.

In einer Zeit, da wir uns angeblich den Bürgern nähern wollen, indem wir uns darum bemühen, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen, werden wir aufgefordert, einen Text anzunehmen, der erhebliche Unklarheiten und Widersprüche enthält, einen Text, der im Bemühen, jeden zufrieden zu stellen, entscheidende Fragen offen lässt, die dann schließlich zwangsläufig von den Gerichten geklärt werden müssen.

Für eine weitere technische Analyse ist die Zeit zu kurz, doch die Quintessenz ist, dass der wirtschaftliche Liberalismus, der den gesamten Text durchzieht, keine Einbahnstraße ist.

 
  
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  Diana Wallis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Bei all dem, was bisher gesagt wurde, hoffe ich, dass der Kompromiss, über den wir am Donnerstag entscheiden werden, einen Fortschritt darstellen wird, ganz gleich wie dieser Kompromiss aussehen wird. Ich hoffe, er wird die im Vertrag verankerte Grundfreiheit zur Erbringung von Dienstleistungen unterstreichen und voranbringen und dass wir zumindest die bestehende Freiheit besser als bisher in die Praxis umsetzen. Gleichzeitig sollten wir aber aus der bisherigen Entwicklung eine klare Lehre ziehen: Eine derart wichtige Sache sollte gründlich und langfristig vorbereitet werden. Vor allem sollte auch die europäische Öffentlichkeit – die Bürger, die wir vertreten wollen und von denen wir viele im Zusammenhang mit diesem Vorschlag verärgert haben – entsprechend vorbereitet werden.

Denken Sie an 1992: die Jahre der Vorbereitung, die Zahl der verschiedenen Rechtsakte und dann die allgemeine Begeisterung über die Einführung des freien Warenverkehrs. Vergleichen Sie dies mit unserem jetzigen Vorgehen: ein weit reichender Vorschlag für eine Richtlinie, der uns am Ende der letzten Legislaturperiode im wahrsten Sinne des Wortes auf den Tisch geknallt wurde. So geht das nicht. Ich hoffe sehr, dass wir daraus eine Lehre für die Vermittlung des europäischen Gedankens ziehen.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Wir erörtern heute einen der für die Zukunft Europas wichtigsten Rechtsetzungsakte. Er kann der Union eine neue Dimension verleihen, aber nur, wenn er im Einklang mit den ursprünglichen Vorstellungen der Gründungsväter steht. Die von bestimmten Gegnern der Richtlinie vorgebrachte Kritik hat nur bedingt etwas mit dem vorgelegten Entwurf zu tun. Eigentlich geht es hier um den Versuch, die auf den vier Grundfreiheiten basierende wirtschaftliche Integration Europas aufzuhalten.

Wir können diese Heuchelei nicht hinnehmen – all diese Forderungen nach einer Beschränkung der unternehmerischen Dienstleistungsfreiheit und der Freiheit der Verbraucher, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Souveränität. Ebenso wenig können wir den Vorschlag akzeptieren, gegenüber der jetzigen Rechtslage und der Spruchpraxis des Gerichtshofs noch weiter zurückzugehen, indem wir den Anwendungsbereich der Richtlinie einschränken und weiterhin den nationalen Verwaltungen einen Freibrief zur Errichtung neuer Schranken und zur Beibehaltung der bereits bestehenden Hindernisse erteilen.

Wir halten es auch für bedenklich, dass sich die Diskussion in manchen Mitgliedstaaten um den polnischen Klempner und den lettischen oder portugiesischen Bauarbeiter dreht, während doch in Wirklichkeit diskriminierende Verwaltungshemmnisse das gravierendste Problem darstellen. Nach wie vor leidet der einheitliche Binnenmarkt unter den Trennungslinien zwischen dem alten und dem neuen Europa. Viele Mitgliedstaaten betreiben gegenüber Dienstleistern aus den anderen Mitgliedstaaten eine diskriminierende Praxis. Seit der EU-Erweiterung hat sich diese Tendenz noch verstärkt. Die diskriminierenden Einschränkungen, die den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr behindern, haben zur Folge, dass kleine und mittlere Unternehmen um die Möglichkeit gebracht werden, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern.

Europa braucht eine solide Dienstleistungsrichtlinie mit breitem Anwendungsbereich, mit einem aussagestarken Artikel 16 und mit ebenso klar formulierten Artikeln 24 und 25. Eine derartige Richtlinie hätte den Wegfall von administrativen Hindernissen zur Folge und würde die Entsenderichtlinie gar nicht berühren, auch wenn man uns ständig das Gegenteil einreden will. Europa braucht eine Dienstleistungsrichtlinie, die dafür sorgt, dass die Bestimmungen der Lissabonner Strategie nicht nur auf dem Papier stehen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir einen klaren und eindeutigen Text.

Es ist der Arbeit des Parlaments zu verdanken, dass unklare Teile des Textes präzisiert wurden, aber wir dürfen bei der Abstimmung über den Entwurf nicht neue Schwierigkeiten hervorrufen. Der ursprüngliche Sinn und Inhalt der Richtlinie dürfen nicht im Interesse der oft weit reichenden Kompromisse geopfert werden. Protektionismus schafft keine Arbeitsplätze. Vielmehr ist er ein verwerfliches und kurzsichtiges Instrument zur Verteidigung von Arbeitnehmerrechten. Er zeugt von der politischen Unfähigkeit der nationalen Bürokratien, sich den wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der realen Welt zu stellen.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE).(EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin Gebhardt, Frau van Lancker sowie den Schattenberichterstattern in den anderen Fraktionen für die ausgezeichnete Arbeit danken, mit der sie versucht haben, die Dienstleistungsrichtlinie zu stärken.

Für die meisten in diesem Haus ist klar, dass es uns mit einem Wettlauf nach unten nicht gelingen wird, die Loyalität der europäischen Bürger zu gewinnen oder ihr Vertrauen in das europäische Projekt zu stärken. Ich hatte gehofft, dass Kommissar McCreevy heute deutlich machen würde, dass er diese Botschaft verstanden hat, aber seine Ausführungen über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse lassen befürchten, dass dem nicht so ist.

An die Adresse derjenigen gerichtet, die aus nationalen Gründen symbolisch gegen Bolkestein stimmen wollen, sage ich: „In Ordnung.“ Aber dann unterstützen Sie bitte die breite progressive Mehrheit in diesem Parlament bei der Gestaltung einer Richtlinie, aus der die Bolkestein-Elemente entfernt werden, indem Sie die sorgfältig ausgehandelten entscheidenden Kompromissänderungsanträge befürworten. Dieses Haus entzieht sich seiner Verantwortung, wenn es sich weigert, die jetzt vorliegende abgeänderte Richtlinie anzunehmen, und unseren Dienstleistungsmarkt, die Rechte unserer Arbeitnehmer und Verbraucher und unsere Umweltrechte in diesem Bereich der Ungewissheit von Einzelfallentscheidungen durch den Europäischen Gerichtshof zu überlassen. Nicht er, sondern wir wurden gewählt, um Gesetze zu erlassen.

Zu Frau de Brún, die dieses Haus inzwischen verlassen hat, würde ich sagen, dass sie, wenn sie im Dienstleistungsgewerbe einen Wettlauf nach unten á la Irish Ferries vermeiden will, es als ihre Pflicht ansehen sollte, als ersten Schritt – nicht als einzigen, aber als ersten Schritt - für die Änderungsanträge zu stimmen, die man ihr morgen anbieten wird, um zu verhindern, dass sich ihre Befürchtungen bewahrheiten.

 
  
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  Šarūnas Birutis (ALDE).(LT) Ich halte die Dienstleistungsrichtlinie für das wichtigste Dokument, das das Europäische Parlament in dieser Sitzungsperiode annehmen wird. Warum? Weil es ein einzigartiger Gradmesser für einen Umschwung im europäischen Denken ist. Wir werden sehen, ob Europa bereit ist, den Binnenmarkt zu errichten und zu liberalisieren und die grundlegende Versorgung der Europäischen Union zu legitimieren. Schade, dass den Worten der Lissabon-Ziele noch immer keine Taten folgen. Noch immer beeinflussen Furcht vor Veränderung und Wettbewerb und die Furcht vor dem Druck des Wählers das Handeln der Politiker. Es ist nicht nötig, den Menschen mit der Zerstörung eines Sozialmodells zu drohen; wir müssen mit ihnen über die Realität sprechen und welche Veränderungen notwendig sind, wenn Europa wettbewerbsfähig sein soll. Früher oder später werden wir den Markt liberalisieren, aber eine Verzögerung könnte katastrophal sein. Soziale Wohlfahrt in der Europäischen Union verhält sich wie Wasser in kommunizierenden Röhren. Zur Zeit gibt es soziale Wohlfahrt nur im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum. Kompromisse sind möglich und in gewissem Umfang notwendig. Meiner Meinung nach sollte das Herkunftslandprinzip im Wesentlichen bestehen bleiben. Wir müssen einander wirklich vertrauen.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE).(SK) Das Europäische Parlament stand selten so im Blickpunkt der Öffentlichkeit wie jetzt, da die Entscheidung über diese wichtige Richtlinie ansteht. Dem Ergebnis der Abstimmung sehen die Europäische Kommission, der Rat, der Mittelstand und die Gewerkschaften voller Erwartung entgegen. Dies ist ein erfreuliches Zeichen der Demokratie und eine Anerkennung für all jene, die hier Europas Bürger vertreten. Allerdings ist dafür ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein erforderlich. Wir sind im Begriff, über eine Dienstleistungsrichtlinie zu befinden, die der überarbeiteten Lissabonner Strategie neuen Auftrieb und eine zusätzliche Dynamik verleiht.

Die Dienstleistungsrichtlinie wird kleinen und mittleren Unternehmen vor allem dadurch einen direkten Vorteil bringen, dass sie die Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten vereinfacht und erleichtert. Eine vollständige Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes ist besonders für die neuen Mitgliedstaaten von Bedeutung. Deshalb bin ich dafür, die Artikel über die Entsendung von Arbeitnehmern wieder in die Richtlinie aufzunehmen.

Ich möchte lobend die Arbeit des Schattenberichterstatters Malcolm Harbour hervorheben, dem es gelungen ist, auf der Grundlage einer Absprache zwischen rechten und liberalen Gruppierungen das Herkunftslandprinzip, auch „Dienstleistungsfreiheit“ genannt, beizubehalten, wobei die Mitgliedstaaten einem Dienstleistungserbringer aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes die Genehmigung verweigern können.

Allerdings habe ich ein Problem mit dem Kompromissänderungsantrag, der insbesondere die Möglichkeit eines Vorbehalts aus Gründen des Verbraucherschutzes oder der Sozialpolitik einschließt, da dies die Behörden im Bestimmungsland in die Lage versetzt, den Zugang zu einem Dienstleister aus einem anderen Mitgliedstaat jederzeit zu blockieren, und damit dem Herkunftslandprinzip zuwiderläuft. Nach meinem Eindruck stand die Kritik am Herkunftslandprinzip zu sehr im Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses über die Richtlinie.

Sehr wenig war bisher über die beträchtlichen Vorzüge der Richtlinie zu lesen, die für die Vereinfachung der Verwaltungszusammenarbeit, einheitliche Ansprechpartner und ein Standardformular in elektronischer Form sorgt. Abschließend möchte ich daher der Berichterstatterin, Frau Evelyn Gebhard, für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Abfassung des Berichts danken.

 
  
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  Ieke van den Burg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Der Kompromiss, der uns vorliegt, steht in der besten niederländischen Tradition der Verbindung offener Märkte mit einem angemessenen Maß an sozialem Schutz und wird deshalb von meiner Delegation uneingeschränkt unterstützt. Unser Wirtschaftsminister erklärte kürzlich, Sorge bereite ihm hauptsächlich die Fülle von Ausnahmen in der Richtlinie. Diese Sorge kann ich nicht teilen. Ich möchte Ihnen erläutern, weshalb ich einige dieser Ausnahmen für nicht unwesentlich erachte.

Erstens, die Ausnahme der Gesundheitsversorgung und anderer Sektoren, die von einer übermäßigen Zahl zwingender Gründe von allgemeinem Interesse beherrscht werden. Diese Sektoren könnten meines Erachtens weitaus besser einzeln geregelt werden, und zudem ist es notwendig, dass eine horizontale Rahmenrichtlinie für Dienste von allgemeinem Interesse verabschiedet wird, die deutlich macht, welche Möglichkeiten für nichtzentrale Stellen bestehen, um Rechtsvorschriften für derartige Sektoren aus Gründen des allgemeinen Interesses zu erlassen.

Eine andere Branche, die ich kurz antippen möchte, ist die Zeitarbeit. Bekanntlich haben wir in diesem Haus zu eben diesem Thema vor vier Jahren einen wunderbaren Kompromiss geschlossen, der sich im Parlament einer breiten Mehrheit erfreute, aber schon eine ganze Zeit eingefroren beim Rat liegt. Auch für den Zeitarbeitsbereich bildete die Richtlinie, die wir uns damals ausgedacht hatten und die eine Balance zwischen dem Schutz und der Öffnung der Märkte vorsah, eine erheblich bessere Grundlage für eine präzisere und sorgfältigere europäische Rechtsetzung in dem betreffenden Sektor. Und deshalb möchte ich Herrn McCreevy auffordern, seiner Pflicht nachzukommen und eine Rechtsvorschrift auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung und der Zeitarbeit zu schaffen, die sich von der vorliegenden Richtlinie unterscheidet.

 
  
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  Luisa Fernanda Rudi Ubeda (PPE-DE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Im Verlaufe des heutigen Abends wurde viel über die Notwendigkeit gesprochen, den Dienstleistungsmarkt in der Europäischen Union zu öffnen und Hindernisse für die Erreichung oder Realisierung einiger der Ziele der Lissabon-Strategie aus dem Weg zu räumen. Dafür ist diese Dienstleistungsrichtlinie nicht nur ein notwendiges, sondern auch ein unentbehrliches Instrument.

Welche Voraussetzungen sollte jedoch diese Richtlinie erfüllen, um der ihr von uns zugedachten Rolle gerecht zu werden? Meiner Ansicht nach sollte sie vor allem eindeutige Kriterien setzen, die allen Rechtssicherheit geben, den Verbrauchern und Unternehmern und insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, die den größten Teil – etwa 80 oder 90 % – des Wirtschaftsgefüges der Europäischen Union ausmachen. Und weiterhin ist es erforderlich, dass dieser Text – der Rechtssicherheit und, ich wiederhole, Klarheit bieten muss – in allen Staaten der Europäischen Union Anwendung findet.

Wie ich meine, hat der im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz angenommene Text diese Forderungen erfüllt. Doch muss ich an dieser Stelle erklären, dass ich meine Zweifel habe, ob die vereinbarten Kompromisstexte den Anforderungen an Klarheit und Rechtssicherheit gerecht werden.

Abschließend, Herr Präsident, noch eine kurze Bemerkung. Heute Abend haben einige versucht, zwei Modelle für Europa gegenüberzustellen. Jene, die behaupten, das europäische Sozialmodell zu verteidigen – und sich selbst als seine einzigen Verfechter hinstellen –, wollen ihre Position gegen die jener stellen, die sich für die Notwendigkeit von Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit einsetzen.

Ich möchte sagen, dass die beste Art von Sozialpolitik diejenige ist, die Wirtschaftswachstum erzeugt und Arbeitsplätze schafft. Meiner Ansicht nach ist die einzige mögliche Gefahr für das europäische Sozialmodell eine Europäische Union ohne Wirtschaftswachstum, alten Vorurteilen verhaftet und unfähig, mit anderen Volkswirtschaften zu konkurrieren, denn wenn wir nicht wachsen, wird es unmöglich sein, unsere Sozialpolitik aufrechtzuerhalten.

 
  
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  Dariusz Rosati (PSE).(PL) Herr Präsident, die Europäische Union fußt auf vier Grundfreiheiten. Es sind dies der freie Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr. Auf diese Eckpfeiler der Europäischen Gemeinschaften einigte man sich schon 1958, denn bereits damals war klar, dass es sich dabei um die unerlässlichen Voraussetzungen für eine echte Integration Europas handelte.

Seitdem sind mehrere Jahrzehnte vergangen, aber von einem freien Dienstleistungsverkehr in Europa kann noch immer keine Rede sein. Schuld daran ist vor allem die Schwäche der politischen Klasse. Die Politiker konnten oder wollten den Bürgern nicht erklären, dass die Dienstleistungsfreiheit neue Arbeitsplätze und schnelleres Wirtschaftswachstum mit sich bringt. Anstatt den Sinn der EU-Erweiterung zu verdeutlichen, zogen es die Politiker vor, die Wähler zu verängstigen und das Schreckgespenst vom Sozialdumping, von der so genannten Frankenstein-Richtlinie und vom „polnischen Klempner“ an die Wand zu malen.

Vor diesem Hintergrund findet heute in diesem Hause die Aussprache über die Dienstleistungsrichtlinie statt. Mit der Annahme der Richtlinie werden wir Verbrauchern und Unternehmern das Leben erleichtern, das Wirtschaftswachstum beschleunigen und in Europa 600 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Leider gerät die Richtlinie zunehmend in die Schusslinie populistischer und protektionistischer Kreise. Immer wieder heißt es, dass die Öffnung des Dienstleistungsmarktes zu Sozialdumping und schlechteren Arbeitsbedingungen führt, aber diese Behauptungen sind völlig unbegründet.

Immerhin ist ein Kompromiss noch möglich. Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, dass Fragen im Zusammenhang mit der Beschäftigung und dem Arbeitsrecht aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen worden sind, was den Befürchtungen der Gewerkschaften den Boden entziehen sollte. Auch Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind davon nicht berührt. Nach meiner Ansicht sorgt dies für den notwendigen Ausgleich zwischen dem Erfordernis der Wettbewerbfähigkeit und der Notwendigkeit, die Arbeitnehmerrechte zu schützen. Deshalb appelliere ich an das Europäische Parlament, für die Richtlinie in ihrer jetzigen Form zu stimmen. Sie eröffnet neue Möglichkeiten, den Wettbewerb zu stärken und die Arbeitsmärkte zu öffnen. Zudem werden es die Verbraucher und die Unternehmen leichter haben.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich habe zwei schlechte Nachrichten, zwei gute Nachrichten und eine Empfehlung. Die erste schlechte Nachricht bezieht sich auf das Diskussionsklima, das wir heute in Europa haben. Es ist gekennzeichnet von Protektionismus, Nationalismus sowie von rassistischen und fremdenfeindlichen Elementen. Für mich als Proeuropäer und Föderalisten ist Protektionismus antieuropäisch.

Meine zweite schlechte Nachricht betrifft die Kommission. Ich bin ein großer Fan der Kommission. Sie hat meine volle Unterstützung, aber eins muss ich Ihnen sagen, Herr McCreevy: Zählen Sie nicht auf meine Unterstützung, wenn es um die Verwässerung der Dienstleistungsrichtlinie geht. Ihre Aufgabe besteht darin, die Dienstleistungsrichtlinie zu verteidigen und nicht den Protektionismus. Ihr Büro versucht, mit dieser Regelung, nicht den freien Dienstleistungsverkehr zu ermöglichen, sondern ihn zu verhindern. Bitte sorgen Sie dafür, dass das das letzte Mal ist!

Die gute Nachricht ist, dass uns meines Erachtens morgen ein Kompromiss vorliegen wird. Ich glaube, dass wir vorankommen werden. Wir brauchen diese Richtlinie. Die zweite gute Nachricht ist, dass es uns gelingen könnte, im Europäischen Parlament eine breite Mehrheit zu erzielen. Ich hoffe, dass die österreichische Regierung im Rat für eine breite Mehrheit sorgen kann.

Ich möchte abschließend eine Empfehlung geben: Meine bescheidene Empfehlung wäre, den Kompromiss zu Artikel 16 in der zwischen der PSE-Fraktion und der PPE-DE-Fraktion vereinbarten Fassung zu billigen, vorausgesetzt wir nehmen drei Dinge in die Richtlinie auf: erstens Gesundheitsdienstleistungen, zweitens Zeitarbeitsagenturen und drittens die Entsendung von Arbeitnehmern. Sie sind unerlässlich.

Diese Aussprache hat sich in einer Art und Weise entwickelt, die mir sehr unfair erscheint. Wir sehen das Ganze als einen Fall von alt gegen neu. Das ist es aber nicht, sondern es geht um Protektionismus und liberale Märkte. Ich fürchte, einige von uns haben das aus den Augen verloren.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Präsident! Frau Wallis hat, wie ich meine, den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie sagte, dass die Kommission in dieser Angelegenheit schlechte Arbeit geleistet hat. Am Ende der letzten Wahlperiode präsentierte sie uns plötzlich einen Rechtsakt, der dem ganzen Paket gleichkommt, das Delors zwischen 1988 und 1992 für die Liberalisierung der Waren erarbeitet hatte.

Darüber hinaus behandelt der Richtlinienvorschlag der Kommission nicht einmal die Liberalisierung der Dienstleistungen, denn der zentrale Punkt ist die Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Das heißt, Artikel 16, in dem es um das Herkunftslandprinzip geht, wird nicht die Dienstleistungen liberalisieren; sein Zweck besteht darin, den Arbeitsmarkt zu liberalisieren, denn er enthält bestimmte Konzessionen, die vom damaligen Kommissionsmitglied gemacht wurden und die sich gegen den Sozialschutz, den Umweltschutz und den Verbraucherschutz richten.

Daher stand das Parlament vor einer großen Schwierigkeit, die uns zwei Jahre Arbeit gekostet hat. Die Hauptberichterstatterin Frau Gebhardt und auch die Schattenberichterstatter, unter ihnen Frau van Lancker, haben äußerst hart gearbeitet. Ich meine jedoch, das Parlament ist nunmehr im Begriff, eine echte Richtlinie über die Liberalisierung der Dienstleistungen vorzulegen. Dabei darf sie nicht mit dem Thema Arbeitskräfte vermischt werden, das derzeit so viel Streit auslöst.

Mit der vorgeschlagenen Dienstleistungsrichtlinie, die, so denke ich, am Donnerstag im Ergebnis der Vereinbarung zwischen den beiden großen Fraktionen angenommen wird, wird es nunmehr möglich sein, die Dienstleistungen entsprechend den normalen Verfahren zu liberalisieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir schon Bereiche haben, in denen die Dienstleistungen liberalisiert worden sind, wie Verkehr, Kommunikation, audiovisuelle Übertragungen und freiberufliche Tätigkeiten. Diesen Weg müssen wir weiterverfolgen.

Bei Annahme dieser Richtlinie durch den Rat – und ebenso wie Herr Stubb hoffe auch ich, dass die Kommission den Vorschlägen des Europäischen Parlaments zustimmt – wird eine tatsächliche Liberalisierung der Dienstleistungen möglich.

In einem der eingebrachten Änderungsanträge wird die Kommission zudem aufgerufen, in Abstimmung mit den Sozialakteuren innerhalb von fünf Jahren konkrete Vorschläge für die Liberalisierung der Dienstleistungen vorzulegen. Wenn die Kommission die Änderungsanträge des Parlaments akzeptiert, könnte der Rat der Richtlinie zustimmen, und wir könnten den Beginn einer wirklichen Liberalisierung der Dienstleistungen erleben.

 
  
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  Konstantinos Hatzidakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich persönlich hatte gegenüber dem ursprünglichen Text, den die Europäische Kommission vor zwei Jahren vorgelegt hat, viele Vorbehalte. Alle diese Vorbehalte sind jedoch nicht mehr von Bedeutung, da dieser Text durch den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments erhebliche Veränderungen erfahren hat, und ich glaube, dass er durch das Plenum übermorgen noch mehr verändert wird.

Die Kommission hatte zunächst einen Text vorgelegt, der sehr viele Übertreibungen enthielt und zum Großteil sein Ziel verfehlte. Somit wurde sie der Idee von der Vollendung des Binnenmarkts in der Europäischen Union nicht gerecht. Das heißt, ihre Bemühungen, alle administrativen und legislativen Hindernisse zu überwinden, um Investitionen in diesem Sektor zu erleichtern, gingen nicht in die richtige Richtung. Ein korrektes Ziel wurde durch die Politik der Europäischen Kommission, vor allem durch deren Kommunikationspolitik, falsch behandelt. Das rief den Widerstand verschiedener gesellschaftlicher Gruppen hervor, während die OECD behauptet, eine vernünftige Öffnung der Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten könne 2 500 000 neue Arbeitsplätze schaffen und würde das europäische BIP entsprechend um 1,8 % steigern. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat sowohl hinsichtlich des Anwendungsbereichs als auch bezüglich der Arbeitnehmerrechte erhebliche Eingriffe vorgenommen, und ich bin der Ansicht, dass die von der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament sowie von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten eingebrachten Änderungsanträge den Text der Richtlinie noch weiter verbessern, einige Probleme in Bezug auf das ursprüngliche Herkunftsland ansprechen und die Voraussetzungen für einen breiten Konsens in der Gesellschaft und im Parlament schaffen.

Das Ziel der Mehrheit der Europaabgeordneten aller Mitgliedstaaten und der europäischen Gewerkschaften besteht nicht darin, jede Form einer Richtlinie zu den Dienstleistungen abzulehnen, sondern eine bessere Dienstleistungsrichtlinie zu bekommen, und ich glaube, dass uns dies gemeinsam gelingen wird.

 
  
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  Bernadette Vergnaud (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Barroso, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst die Arbeit unserer Berichterstatterin Evelyne Gebhardt würdigen, die faktisch den ganzen Text umgeschrieben hat.

Wie soll man Ihnen sagen, Herr Barroso, dass die europäischen Bürger genug von diesem Europa des Sozialabbaus haben? Vielleicht in der Sprache des Herkunftslandes? Obgleich bereits große Fortschritte zu verzeichnen sind, wie die Beibehaltung der Entsenderichtlinie und die Ausklammerung des Gesundheitswesens sowie der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, bedauere ich, dass die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und die sozialen Dienstleistungen immer noch nicht herausgenommen wurden. Ich kann nicht hinnehmen, dass diese öffentlichen Dienstleistungsverpflichtungen den Regeln des Wettbewerbsmarktes unterworfen werden sollen.

Ebenso wäre es sehr wünschenswert, das Arbeitsrecht aus Artikel 2 herauszunehmen, um keinen gefährlichen Streit auszulösen. Des Weiteren wird, auch wenn das Herkunftslandsprinzip nicht mehr erwähnt wird, durch den vorgeschlagenen Kompromiss die effektive Befugnis des Gesetzgebers auf den Gemeinschaftsrichter übergangen, der dann die Ausrichtung der europäischen Sozialpolitik bestimmen wird. Es wäre vorzuziehen, auf die Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten das Empfängerlandprinzip anzuwenden und das Herkunftslandprinzip ausschließlich für das Zugangsrecht gelten zu lassen.

Denjenigen, die fälschlicherweise behauptet haben, das Nein zum Entwurf der Europäischen Verfassung würde das Aus für die Bolkestein-Richtlinie bedeuten, wird jetzt durch die Realität vor Augen geführt, dass diese Richtlinie im Gegenteil sehr lebendig ist und von unserer Seite höchste Wachsamkeit und ständigen Kampf erfordert.

 
  
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  Stefano Zappalà (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal behandeln wir ein Thema, das wichtig für die tatsächliche Verwirklichung des Binnenmarkts ist.

Ich war Berichterstatter für die Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, zu der etwa 800 Änderungsanträge eingereicht wurden, sowie die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, zu der zirka 600 Änderungsanträge gestellt wurden. In beiden Fällen habe ich mit Herrn Harbour und Frau Gebhardt sowie mit vielen anderen zusammengearbeitet. Die Ergebnisse, die wir erreichten, fanden eine so breite Zustimmung, dass die letztgenannte Richtlinie im Mai letzen Jahres sowohl im Parlament als auch im Rat – bei Stimmenthaltung von nur zwei Mitgliedstaaten – einstimmig angenommen wurde. Ich möchte den beiden Kollegen noch einmal meinen Dank aussprechen.

Die Grundsätze der beiden Richtlinien ähneln denen, an denen sich auch die Dienstleistungsrichtlinie orientieren sollte, und ihre Ziele sind dieselben. Leider wurden mit dem Vorschlag der Prodi-Kommission weder die Gründe noch die Inhalte erfasst, wegen denen das Parlament die beiden Richtlinien überarbeiten musste, so wie wir jetzt gezwungen waren, die vorliegende Richtlinie neu zu formulieren.

Wir alle wollen, dass der Markt auch für die Arbeit und nicht nur für Waren und Kapital geöffnet wird, doch wir meinen, dass dies einmal mehr durch die Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme geschehen muss und nicht dadurch, das alles auf den Kopf gestellt wird. Die Revisionsklausel mit einer maximalen Frist von fünf Jahren ermöglicht schrittweise Übergänge.

Wir wollen diese Richtlinie ohne Schocks oder ideologische Konfrontationen, weshalb wir einen vorsichtigen Ansatz mit vernünftigen politischen Lösungen anstreben. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat bereits einen Standpunkt geäußert, den ich teile, und aufgrund meiner persönlichen Erfahrung auf diesem Gebiet kann ich denjenigen nicht zustimmen, die, anstatt sich um einen Kompromiss zu bemühen, den Vorschlag als Ganzes ablehnen wollen und folglich die Verträge verleugnen. Vielmehr befürworte ich die erzielten Kompromisse und hoffe, dass auch diese Richtlinie eine breite Mehrheit finden möge. Abschließend möchte ich Frau Gebhardt noch einmal für ihre Arbeit danken.

 
  
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  Joel Hasse Ferreira (PSE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist eine entscheidende Aussprache für die Zukunft Europas, die Auswirkungen auf den ökonomischen, sozialen und politischen Bereich hat. Die Kompromisslösung, die zwischen den wichtigsten Fraktionen erreicht wurde, ist meiner Ansicht nach ausgewogen.

Es ist sehr wichtig, dass die Anwendung des Herkunftslandprinzips, die Zeitarbeit im Gesundheitswesen und in anderen sozialen Bereichen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie Lotterien herausgenommen werden. Von grundlegender Bedeutung ist es auch, dass die Kriterien für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eindeutig formuliert, völlig gestrichen oder von jedem Mitgliedstaat selbst festgelegt werden. Als Teil des Kompromisses möchte ich hervorheben, dass es wichtig ist, dass es keine Kollision mit der Entsenderichtlinie geben darf.

Meine Damen und Herren! Es ist zwar wichtig, in Richtung Dienstleistungsbinnenmarkt voranzuschreiten, nicht weniger wichtig ist es jedoch, die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, wozu nicht gehört, soziale Ungleichheit zu fördern, und sicherlich auch nicht gehört, die Arbeitsmärkte zu zerrütten oder die Arbeitsbeziehungen zu zerstören, sondern erreicht werden muss das durch den Abbau von Bürokratie und technisch nicht gerechtfertigten Hindernissen.

Dieser Prozess der Errichtung des Binnenmarkts für Dienstleistungen muss, auch wenn er für die wirtschaftliche Entwicklung Europas sehr wichtig ist, die Regeln respektieren, die den sozialen Zusammenhalt in Europa sicherstellen. Da das mit der ursprünglichen Fassung der Richtlinie nicht möglich war, haben wir als Mitglieder dieses Parlaments nun die Chance, einen Text anzunehmen, der in ausgewogener und sachlicher Form zur Errichtung eines echten europäischen Dienstleistungsmarktes beitragen und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt Europas sicherstellen wird.

Dazu sind Klarheit und Mut vonnöten.

 
  
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  José Manuel García-Margallo y Marfil (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Einleitend möchte ich sagen, dass ich für den Kompromiss stimmen werde, dass ich den Kompromiss der ursprünglichen Richtlinie bei weitem vorziehe und dass ich mich auf einen einzigen Punkt konzentrieren will: die Erstattung der von einem Bürger eines Mitgliedstaats verursachten Kosten für Dienstleistungen, die er in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommen hat.

Wenn ich hier die Fallmethode anwenden darf, werde ich ein Beispiel aus der Autonomen Gemeinschaft Valencia anführen, obwohl ich auch jede andere Region auswählen könnte, eine italienische zum Beispiel.

Wir empfangen täglich mehr Touristen; immer mehr europäische Bürger erwerben dort einen Zweitwohnsitz; immer mehr Bürger kommen ausschließlich in unsere Autonome Gemeinschaft Valencia, um sich dort aufgrund der Qualität der medizinischen Leistungen behandeln zu lassen. Dieser Druck stellt eine Gefährdung des Gesundheitswesens dar. Der finanzielle Druck ist für uns schwer auszuhalten.

Der Gerichtshof hat wiederholt bestätigt, dass der Mitgliedstaat, der medizinische Leistungen erbringt, nach Artikel 49 und 50 des EG-Vertrags und der entsprechenden Durchführungsbestimmungen das Recht auf Erstattung der Kosten durch den Staat hat, dessen Bürger behandelt wurde. Doch in der Praxis ist die Lage so, dass dieses Recht nicht eingehalten wird, sondern dass es sich um eine rein rhetorische Erklärung handelt.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass diese Richtlinie ein gutes Instrument darstellt, um dieses Recht durchzusetzen, und diese Auffassung ist in Artikel 23 verankert. Im Moment weiß ich nicht, wie es mit Artikel 23 und den Änderungsanträgen, mit denen seine Streichung beabsichtigt ist, steht. Ich möchte einfach meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, diesen Artikel so zu erhalten, wie ihn die Kommission abgefasst hat. Ich möchte den Kommissar bitten, sich nicht auf eine förmliche Erklärung zu beschränken, in der er erneut verspricht, dass das Problem gelöst wird. Wir wollen, dass dieser Artikel so angenommen wird, wie er ist, und so werde ich abstimmen.

 
  
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  Mia De Vits (PSE). – (NL) Herr Präsident! Einige sind der Meinung, wir hätten über die Richtlinie falsch informiert. Heute freue ich mich, dass wir die Bolkestein-Richtlinie mit den Änderungsanträgen grundlegend geändert haben. Allerdings frage ich mich, ob wir mit dieser geänderten Fassung für Rechtssicherheit sorgen. Wie viele andere befürchte ich, dass das nicht der Fall ist.

Kommissar McCreevy, Sie könnten uns überzeugen, wenn Sie hier und jetzt sagen, dass die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse am besten nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, aber Sie haben das Gegenteil erklärt. Über die Rahmenrichtlinie für Dienste von allgemeinem Interesse verlieren Sie kein Sterbenswörtchen.

Schlussendlich werden wir in unserem abschließenden Urteil dem Rechnung tragen, dass die uns vorliegende Richtlinie in keiner Weise harmonisiert ist – ganz im Gegenteil. Eine Entscheidung für eine Rechtsvorschrift ist auf der Grundlage der Unterschiede zwischen den 25 Mitgliedstaaten gefallen, und das halte ich nicht für den rechten Weg zur Integration der Märkte.

 
  
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  József Szájer (PPE-DE). – (HU) Einige sind der Ansicht, dass eine verwässerte Richtlinie immer noch besser ist als gar keine. Aber das stimmt nicht, denn es gibt eine Grenze, ab der wir den freien Dienstleistungsverkehr nicht mehr unterstützen, sondern ihm weitere Hindernisse in den Weg legen. Leider ist genau das die Wirkung von einigen in der letzten Woche eingebrachten Änderungsanträgen. Wenn wir für diese stimmen, zerstören wir das eigentliche Wesen dieses Vorschlags.

Wir haben viel zu verlieren, denn in den letzten Jahrzehnten hat der Europäische Gerichtshof wiederholt die Rechte von Dienstleistungsanbietern gegen Versuche der Einschränkung durch die Mitgliedstaaten geschützt. Wenn wir jetzt eine Richtlinie voller neuer Hindernisse annehmen, die dem Geist und Wort der Gründungsverträge der Europäischen Union zuwiderläuft, können wir nicht darauf hoffen, dass die Strategie von Lissabon, deren Ziel die Schaffung von Arbeitsplätzen und eines neuen europäischen Wachstums ist, erfolgreich ist, weil wir diesen Markt im Grunde für weitere dreißig Jahre beschränken würden.

Die neuen Mitgliedstaaten haben ihre Kapital- und Warenmärkte ja schon vor einigen Jahren geöffnet. Das war keine leichte Entscheidung. Auch wir hätten sagen können, dass unsere Volkswirtschaften zu schwach und untauglich für den Wettbewerb sind. Darum sind viele von uns EP-Abgeordneten aus den neuen Mitgliedstaaten schockiert zu sehen, dass jetzt, da wir gemeinsam den Dienstleistungsmarkt öffnen sollten, einige alte Mitgliedstaaten mit starker Wirtschaft zögern.

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich jetzt entscheiden: Stehen Sie zu einer der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union oder nicht? Eine starke Dienstleistungsrichtlinie wäre gut für den Mittelstand, sie wäre gut für die alten und die neuen Mitgliedstaaten, und sie wäre gut für alle Bürger Europas. Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns den Entwurf von allen Versuchen befreien, einen freien Dienstleistungsmarkt einzuschränken! Wir Ungarn können nur eine Richtlinie unterstützen, die mehr tut, als den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit aus dem Vertrag von Rom nur dem Namen nach zu bewahren.

 
  
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  Pier Antonio Panzeri (PSE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Richtlinie, die wir hier erörtern, wird zweifellos wegen des verschlungenen und schwierigen Wegs, den sie zurückgelegt hat, in Erinnerung bleiben.

Von Anfang an wurde die Richtlinie offen und heftig kritisiert. Nicht von Ungefähr hat selbst heute eine große Demonstration des Europäischen Gewerkschaftsbundes kraftvoll verdeutlicht, dass Europa im Interesse des europäischen Arbeitsmarkts mit einer Dienstleistungsrichtlinie ausgestattet werden muss, durch die der Binnenmarkt vollendet wird, ohne den sozialen Zusammenhalt zu beeinträchtigen. Wir im Parlament haben uns bei unserer Arbeit an diesen Grundsatz gehalten, um zu Wachstum und Entwicklung des wichtigen Dienstleistungssektors in Europa beizutragen, ohne jemals die soziale Dimension, die Europa haben muss, und die Notwendigkeit, den Harmonisierungsprozess nicht auf unbestimmte Zeit zu vertagen, aus den Augen zu verlieren.

Die vorgenommenen Änderungen und der erzielt Kompromiss werden den Fragen und Forderungen, die sowohl zu den Arbeitsrechten als auch zu dem so genannten Herkunftslandprinzip gestellt wurden, weitgehend gerecht. Trotzdem gibt es noch einige offene Probleme, darunter die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die, wie ich hoffe, bei der Schlussabstimmung auf der Grundlage der eingereichten Änderungsanträge gelöst werden können.

Alles in allem denke ich, dass bisher eine gute Arbeit geleistet wurde, was auch Frau Gebhardt zu verdanken ist. Wir haben uns der Auseinandersetzung über den Inhalt nicht entzogen, sondern vielmehr dazu beigetragen, einige mögliche Lösungen aufzuzeigen, und wir beabsichtigen, uns auch nach der Abstimmung in erster Lesung an unsere Verpflichtung zu halten.

 
  
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  Thomas Mann (PPE-DE). – Herr Präsident! Nach Gesprächen mit der Belegschaft und den Chefs von zwei Dutzend kleinen und mittleren Unternehmen allein in Hessen sowie mit Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern sah ich, ehrlich gesagt, schwarz für eine akzeptable Dienstleistungsrichtlinie. Nach dem einseitigen Bolkestein-Ansatz ist der jetzt gefundene Kompromiss die richtige Balance zwischen dem Abbau von Hemmnissen und nationaler Abschottung im Binnenmarkt und dem notwendigen sozialen Zusammenhalt. Weder soll die Daseinsvorsorge liberalisiert, noch sollen etwa öffentliche Unternehmen privatisiert werden. Auch das Wettbewerbsrecht und das Beihilferecht werden nicht eingeschränkt. Befürchtungen, es würde zu einem Sozial- und Lohndumping kommen, sind nicht mehr berechtigt.

Das neue Prinzip – Freizügigkeit für Dienstleistungen – sieht vor, dass Staaten, in denen die Dienstleistungen erbracht werden, auf die Einhaltung und Kontrolle ihrer nationalen Regelung bestehen können. Das gilt für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie für Umwelt- und Gesundheitsschutz. Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten gab im Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit wichtige Impulse. Wir legen Wert darauf, dass der Arbeitsschutz nicht bedroht ist und bestehende Regelungen aus Tarifverträgen gewahrt werden.

Die Entsenderichtlinie hat Vorrang, wodurch in den Mitgliedstaaten die Baubranche und weitere sensible Bereiche geschützt werden können; auch die Beibehaltung von Mindestlöhnen ist möglich. Um Firmen daran zu hindern, in anderen EU-Mitgliedstaaten nur eine Briefkastenadresse anzumelden, wurde eine verbraucherfreundliche Regelung getroffen: Eine Niederlassung wird erst anerkannt beim Nachweis einer angemessenen Infrastruktur und ständiger Präsenz.

Viele Parolen der heutigen Demonstration sind nicht auf dem neuesten Stand. Öffentlicher Protest ist berechtigt, glaubwürdig ist er, wenn die Inhalte stimmen. Öffentlichkeit, Kommission und Rat warten auf die Entscheidung unseres Hauses. Überall ist zu spüren, welche Bedeutung das Europäische Parlament wirklich hat. Der interfraktionelle Kompromiss ist der richtige Weg. Die EVP-ED-Fraktion hat ihre Grundhaltung konsequent verfolgt, sowohl dem Binnenmarkt neue Dynamik zu geben – Stichwort Lissabon – als auch soziale Standards zu wahren.

 
  
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  Lasse Lehtinen (PSE). – (FI) Herr Präsident! Es ist besser, den vorgeschlagenen Kompromiss anzunehmen als ihn zurückzuweisen. In jedem Fall ist dies der Ausgangspunkt für einen einheitlichen, funktionierenden Arbeitsmarkt.

Als Gesetzgeber müssen wir Genauigkeit und Präzision anstreben. Jede vage Regelung in einer Richtlinie ist ein potenzieller Fall für den Europäischen Gerichtshof. Beim Lesen des Vorschlags beschleicht einen das Gefühl, dass es mit zunehmendem Bildungs- oder Ausbildungsgrad einer Person immer wahrscheinlicher wird, dass der Bereich des Betreffenden aus dieser Richtlinie herausfällt und damit vor echter Konkurrenz geschützt wird.

Europa braucht Wirtschaftswachstum. Wachstum erzielt man durch mehr Arbeit oder eine Erhöhung der Produktivität. Wir können nicht gegen das Sozialdumping vorgehen, indem wir die Mobilität der Menschen einschränken, sondern nur dadurch, dass wir ein grenzüberschreitendes System schaffen, bei dem jeder, der Dienstleistungen anbietet, dafür verantwortlich ist, dass dies in Übereinstimmung mit den Beschäftigungsbedingungen geschieht. Wie können wir ernsthaft darüber nachdenken, mit China oder Indien in Wettbewerb zu treten, wenn es uns nicht einmal gelingt, uns im Bereich unserer eigenen Mitgliedstaaten von unnötigen Behinderungen des Wettbewerbs zu befreien?

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Die Europäische Union sucht unablässig nach Anreizen für die Entwicklung, damit sie in der Lage ist, die Herausforderungen des dritten Jahrtausends zu bestehen. Diese Richtlinie sollte dafür sorgen, dass die Europäische Union auf globaler Ebene gestärkt wird und sich weltweit besser gegen andere Volkswirtschaften behaupten kann. Dabei hat man wohl übersehen, dass die Gemeinschaft nicht mehr aus 15, sondern aus 25 Staaten besteht. Abgeordnete dieses Hauses gelangen zunehmend zu dem Schluss, dass nicht China oder die USA, sondern die neuen Mitgliedstaaten die Hauptkonkurrenten der EU sind.

Es hat den Anschein, dass die Europäische Union Angst vor sich selbst hat. Die alten Mitgliedstaaten, die sich gegen diese Richtlinie verbündeten, haben wieder polemische Töne in die Debatte gebracht. Die Gräben zwischen der alten und der neuen Union werden immer deutlicher. Erneut werden die Mitgliedstaaten in gut und böse eingeteilt. Die reichen Länder verfolgen eine kurzsichtige Politik, die auf Ängsten und nicht auf rationalen Überlegungen beruht. Ausgerechnet die reichen Länder, die sich bisher als die stärksten Verfechter der Integration gaben, widersetzen sich nun der vollständigen Umsetzung der Vertragsbestimmungen. Sie betreiben Panikmache, indem sie den neuen Mitgliedstaaten Sozialdumping vorwerfen und von einer möglichen Bedrohung des europäischen Sozialmodells sprechen.

Ich denke, die neuen Mitgliedstaaten werden mit der Situation schon fertig werden. Das Wirtschaftswachstum im Euro-Währungsgebiet liegt faktisch bei Null, und die Wirtschaft kommt nur langsam voran. Der Widerstand gegen die vollständige Öffnung des Dienstleistungsmarktes birgt die Gefahr, dass ein wichtiger Anreiz verloren geht, der zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums der EU und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen würde. Bisher wurden die neuen Mitgliedstaaten als Jammerer bezeichnet. Im Europa der zwei Geschwindigkeiten, das jetzt entsteht, müssen sie jedoch Möglichkeiten finden, um sich rasch auf die gegen sie gerichteten taktischen Koalitionen einzustellen, die immer häufiger zustande kommen.

Der ursprüngliche Richtlinienentwurf eröffnete der aus 25 Mitgliedstaaten bestehenden Europäischen Union eine neue Perspektive. Nach dem Wegfall der Artikel, die eine Diskriminierung von im Ausland tätigen Dienstleistern untersagten und das Herkunftslandprinzip festschrieben, gehen Sinn und Transparenz dieser Regelung zusehends verloren.

 
  
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  Joseph Muscat (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich komme aus einem neuen Mitgliedstaat. Ich unterstütze den Kompromiss; alles andere wäre sozial und politisch kurzsichtig. Die Art und Weise, in der bei der Mehrheit im Parlament im Bemühen um eine drastische Umorientierung der Dienstleistungsrichtlinie eine Annäherung der Standpunkte zu verzeichnen war, zeigt, welche Bedeutung diese Institution hat. Wir machen aus einem Vorschlag, der potenziell katastrophale Folgen für unsere Länder gehabt hätte – vor allem für die bedürftigsten unter ihnen – einen Vorschlag, der wesentlich vernünftiger ist. Wir sind noch immer nicht vollkommen zufrieden; wir wollen, dass öffentliche Dienstleistungen eindeutig ausgeschlossen werden, und wir wollen klarere Garantien für andere Sektoren. Trotzdem müssen wir zugeben, dass uns jetzt ein wesentlich realistischerer Rechtsakt vorliegt. Wir erneuern unser Bekenntnis zum Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit und erleichtern diese, aber wir kommen überein, dass soziale Rechte Vorrang haben. Nachdem wir innerhalb relativ kurzer Zeit die Hafendienstrichtlinie zum zweiten Mal abgelehnt haben, demonstrieren wir unser Engagement für ein soziales Europa. Ich glaube, dass Herr Whitehead stolz auf Frau Gebhardt und uns alle gewesen wäre.

 
  
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  Astrid Lulling (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Beim jetzigen Stand der Dinge halte ich es für politisch nicht korrekt, sich einem Kompromiss zu widersetzen, der durch führende Persönlichkeiten zweier Fraktionen mühsam ausgearbeitet wurde. Jeder Mitwirkende an diesem Kompromiss behauptet, er habe gesiegt. Das bereitet mir Unbehagen, denn ich lasse mich nicht gern für dumm verkaufen.

Meine Kollegen schwören, das Herkunftslandprinzip sei implizit im Text des Kompromisses enthalten. Die Sozialisten rühmen sich, es im Keim erstickt zu haben.

Für mich wie für viele andere sind das Herkunftslandprinzip und die Geschichte der europäischen Integration eng miteinander verbunden. Es aus dogmatischen Gründen abzulehnen, bedeutet, sich gegen das zu stellen, was wir geduldig aufbauen, und das Prinzip des allgemeinen Misstrauens einzuführen.

Natürlich darf sich dieses Prinzip nicht über alle anderen erheben, daher haben wir es mit einem Rahmen umgeben und unter Kontrolle gebracht.

Wir haben klargestellt, dass das Empfängerlandprinzip für alle sozialen Aspekte gilt. Weiterhin von einem Angriff auf die sozialen Errungenschaften zu reden, zeugt also von einer Böswilligkeit ohnegleichen.

Man hält uns vor, marktbestimmte und nicht marktbestimmte Dienstleistungen dürften nicht miteinander vermischt werden. Auch daran haben wir uns gehalten und die Richtlinie schließlich so verwässert, dass sie nun so viele Ausnahmen enthält, dass es besser wäre zu sagen, wofür sie gilt, als wofür sie nicht gilt.

Weiterhin waren die Regeln des Empfängerlandes für die Entsendung von Arbeitnehmern nie umstritten. Was will man also noch? Die Grundprinzipien des Vertrags von Rom in Frage stellen?

Diese werden durch den Kompromiss zu Artikel 16 kaum bestätigt. Das ist durchaus kein Fortschritt! Unter diesen Bedingungen würde ich es vorziehen, anstatt eine Richtlinie solange zu zerpflücken bis nichts mehr übrig bleibt, sich an die Version des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zu halten.

Herr Präsident, ich bin nicht bereit, alles zu schlucken, um zu einer Lösung zu gelangen, die unter dem Vorwand, soziale Errungenschaften verteidigen zu wollen, in Wahrheit protektionistische Errungenschaften verteidigt, und dementsprechend werde ich auch abstimmen.

 
  
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  Vladimír Maňka (PSE).(SK) Vor einer Stunde hieß es in diesem Hause, es würden nur Gewerkschafter aus den alten Mitgliedstaaten in Straßburg gegen die Richtlinie demonstrieren. Tatsache ist aber, dass sich Kollegen aus den neuen Mitgliedstaaten ihnen angeschlossen haben, und wer genau zugehört hat, konnte erkennen, dass sie gar nicht gegen die Richtlinie waren.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich noch gut daran erinnern, dass wir unlängst bei der Annahme der Finanziellen Vorausschau für 2007-2013 mit großer Mehrheit einen Vorschlag abgelehnt haben, auf den sich der Rat geeinigt hatte. Damals waren wir dafür, europäische Interessen über spezifische Eigeninteressen zu stellen. Wir waren imstande, uns zum Wohle der gesamten Europäischen Union zu verständigen. Ich war stolz darauf, dass wir den Versuchen der Einflussnahme auf unsere Entscheidung widerstanden hatten und dass wir im Europäischen Parlament zu einer Einigung gelangten.

Ein Kompromiss ist für ein grundlegendes Dokument wie die Dienstleistungsrichtlinie sehr wichtig. Ich meine, dass die Berichterstatterin sehr gute Arbeit geleistet hat. Nach meiner Ansicht haben wir eine Reihe von annehmbaren Kompromissen erzielt. Deshalb sollten wir im Interesse Europas für dieses alle Seiten zufrieden stellende Ergebnis stimmen, das für die alten wie auch für die neuen Mitgliedstaaten die beste Lösung darstellt.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). – (SV) Herr Präsident! Wenn man die Aussprache hier im Plenum verfolgt hat, sollte man sich wirklich wieder vor Augen halten, warum wir eine Dienstleistungsrichtlinie brauchen und warum wir uns für einen offeneren Dienstleistungsverkehr einsetzen. Denn im Grunde sind wir uns doch alle einig, dass ein umfassenderer Handel mit Dienstleistungen mehr Arbeitsplätze schafft, mehr neue Unternehmen, größeres Wachstum und bessere Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der heutigen Aussprache in diesem Hause scheint es allerdings, dass viele dies vergessen haben. Der freie Dienstleistungsverkehr ist etwas Gutes, nicht etwas Schlechtes. Leider haben es die Gegner dieser Richtlinie geschafft, sie zu beschneiden. Somit werden wir also eine geringere Wettbewerbsfähigkeit haben, als es möglich wäre. Das bedeutet weniger neue Arbeitsplätze und wenige neue Unternehmen. Die Bürger Europas erwarten etwas anderes.

Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Moderaten Sammlungspartei werde ich den Kompromiss unterstützen, nicht weil es das ist, was wir haben wollen, sondern weil er ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich möchte jedoch unterstreichen, dass ich die Darstellung nicht akzeptiere, wir hätten es hier mit einem Konflikt zwischen Ost und West und zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten zu tun. Vielmehr haben wir eine Spaltung zwischen denen, die durch den Dienstleistungsverkehr mehr europäische Integration und Zusammenarbeit, offenere Grenzen usw. sowie neue Arbeitsplätze wollen, und denen, die anderer Ansicht sind.

Wir werden uns darum bemühen, dass private Gesundheitsdienste in die Richtlinie einbezogen werden, dass die Entsenderichtlinie allen klar und deutlich gemacht wird, und dass kein Bürger irgendeines Landes diskriminiert wird. Außerdem werden wir uns dafür einsetzen, dass die Zeitarbeitsfirmen in den Geltungsbereich der Richtlinie einbezogen werden. Der Kommission will ich folgendes sagen: Dies ist ein erster Schritt, und Sie müssen dafür sorgen, dass wir weitere Schritte in die vom Vertrag vorgegebene Richtung unternehmen.

 
  
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  Amalia Sartori (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich habe mich zu Wort gemeldet, um darzulegen, warum ich zusammen mit meiner Delegation für diese Richtlinie stimmen werde. Wir sind davon überzeugt, dass sie den Beginn des vor uns liegenden Weges und einen Schritt nach vorn bei der Verwirklichung der Vorstellung von der Vollendung des Binnenmarkts markiert.

Unter diesem Gesichtspunkt ist mein Votum sicher. Gleichwohl möchte ich eine Bemerkung zu dem anführen, was in den letzten anderthalb Jahren und vor allem in den letzten Wochen innerhalb der Fraktionen sowie heute Nachmittag und heute Abend in diesem Hohen Haus geschehen ist. Dies zeigt – und das möchte ich klipp und klar sagen –, dass wirklich Uneinigkeit innerhalb der 25 Mitgliedstaaten besteht. Und zwar Uneinigkeit zwischen jenen, deren Auffassung nach wir Wachstum und Entwicklung erreichen können, indem wir auf das Neue setzen und in das Neue investieren, d. h. Innovation, Flexibilität und die Möglichkeit, in einem freieren und offeneren Markt und vor allem einem Markt mit fast 500 Millionen Menschen zu arbeiten, und denen, die hingegen der Meinung sind, ihre bisherigen Errungenschaften könnten besser verteidigt werden, wenn sie sich abschotten.

Darin bestand der eigentliche Konflikt. Deshalb hoffe ich, dass mit Abschluss dieser Debatte auch die Überlegung endet, die auf der Trennung in alte und neue Mitgliedstaaten beruht, denn diese Trennung gab es nie. Vielmehr gab es eine andere Trennung, die zu einer Richtlinie geführt hat, die meines Erachtens nur ein erster Schritt ist. Trotzdem werde ich mit Überzeugung für sie stimmen, weil ich selbst einen kleinen Schritt nach vorn für bedeutsam halte.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass wir uns ausgerechnet am Valentinstag mit der Dienstleistungsrichtlinie befassen, denn für die Dienstleistungsrichtlinie und bestimmt auch für Herrn Bolkestein handelt es sich gewiss um einen Fall von nicht erwiderter Liebe.

Letzten Monat haben wir mit überwältigender Mehrheit die Hafendienstrichtlinie abgelehnt, und das hätten wir fast auch dieses Mal tun können, wäre da nicht der Umstand, dass der Vorschlag der Kommission von diesem Haus in einen Kompromiss umgewandelt wird. Das mag nicht der beste Kompromiss sein, aber er ist tragfähig, und vor allem findet er das richtige Maß zwischen unserem Ziel der Öffnung des Dienstleistungsmarktes und unserer Absicht, berechtigten sozialen Bedenken Rechnung zu tragen. Ich betone „berechtigte Bedenken“, weil wir inzwischen alle wissen, dass im Zusammenhang mit diesem Vorschlag ständig unbegründete Ängste geschürt wurden. Wenn man wie ich aus einem neuen Mitgliedstaat kommt, dann kommt einem diese Panikmache bekannt vor. In meinem Heimatland beschworen die Gegner der EU-Mitgliedschaft Alptraumszenarios herauf, denen zufolge wir von ausländischen Arbeitskräften, die unsere Arbeitsplätze stehlen, regelrecht überrannt werden. Die gleichen Kassandras spielten auch in den alten Mitgliedstaaten diese Karte aus, aber jetzt wissen wir, dass diese apokalyptischen Szenarios nicht stimmen: sie sind nicht eingetreten, und sie werden auch bei der Dienstleistungsrichtlinie nicht eintreten.

Die Öffnung des Dienstleistungsmarktes ist eine gute Sache, und die sollten wir laut und deutlich vertreten. Sie ist gut für die Wirtschaft – vor allem für KMU – und sie ist gut für den Arbeitsmarkt. Wir haben einen vernünftigen Kompromiss. Ich würde sagen: „Stimmen wir ihm zu.“

 
  
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  Ivo Strejček (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Für eine derart ernste Aussprache ist es schon recht spät, und der Kommissar muss müde sein. Ich möchte nur einige wenige Punkte ansprechen, die die Aussprache beleben könnten oder Sie, Herr Kommissar, möglicherweise noch mehr ermüden.

Zu Beginn der heutigen Aussprache dachte ich, dass wir es vielleicht nur mit einer ideologischen Auseinandersetzung zwischen Protektionismus und einem Versuch, den Dienstleistungsmarkt zu liberalisieren, zu tun haben. Ich gebe zu, ich war ein Träumer. Leider ist die Sache viel ernster: die Debatte über die verwässerte Richtlinie entwickelt sich zu einer Auseinandersetzung zwischen Neu und Alt.

Wir sind inzwischen an die endlosen Spekulationen darüber gewöhnt, weshalb die Bürger in den Mitgliedstaaten die schönen neuen europäischen Ideen nicht verstehen. Wieso sollten sie? Ich bin ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, der die Tschechische Republik vertritt und sich für die Interessen der Tschechen einsetzt. Die Tschechische Republik hat den Zugang zu ihrem Markt Anfang der 90er Jahren vollständig liberalisiert. Viele traditionelle, aber ineffiziente Unternehmen mussten schließen. Das hatte höhere Arbeitslosenquoten sowie schwere politische Verluste zur Folge. Ist es nicht fair, das Gleiche von den alten Mitgliedstaaten zu erwarten? Fahren Sie in irgendeine tschechische Stadt nahe der tschechisch-österreichischen Grenze, und versuchen Sie einem dortigen Dienstleistungsanbieter zu erklären, dass er seine Dienstleistungen nicht in derselben Weise wie sein österreichischer Konkurrent – und ich betone Konkurrent – in seiner tschechischen Stadt anbieten kann. Ich wette, dass Ihnen das nicht gelingen wird. Versuchen Sie, über hehre europäische Ideale zu sprechen und im gleichen Atemzug zu erklären, dass es ihm nicht gestattet ist, seine Dienste ungehindert an einem Ort seiner Wahl anzubieten. Die Idee, den Binnenmarkt zu öffnen, war mutig, aber die Realität sieht doch so aus, dass wir über etwas debattieren, an dem wir ohnehin nichts mehr ändern können.

Ich danke den Tschechisch-Dolmetschern für ihre löbliche Arbeit.

 
  
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  Simon Coveney (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Es ist schwierig, in den bewilligten zwei Minuten einen echten Beitrag zur Aussprache über die Dienstleistungsrichtlinie zu leisten. Mit dieser Richtlinie wird versucht, in einem einzigen kühnen Schritt enorm viel zu erreichen. Das ist auch der Grund, weshalb so heftig debattiert wird und weshalb Abgeordnete aus allen Fraktionen in den letzten Monaten fast ständig mit dieser Richtlinie beschäftigt waren. In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Harbours Arbeit herausgreifen. Dank seines sehr engagierten Einsatzes konnten bei der Formulierung des Kompromisses im Namen der PPE-DE-Fraktion so große Fortschritte gemacht werden.

Wir sollten bei unseren heftigen Debatten über spezielle Änderungsanträge - insbesondere in Verbindung mit Artikel 16 zur Dienstleistungsfreiheit – das eigentliche Ziel, das wir anstreben, nicht aus den Augen verlieren. Das ist die erste Stufe eines Prozesses zur Erarbeitung einer Richtlinie, die zu einem offeneren und besser funktionierenden Binnenmarkt für Dienstleistungen beitragen soll. Wird sie in der richtigen Form angenommen, dann kann diese Richtlinie Wachstum fördern und den Arbeitsmarkt sowie die Konjunktur im Dienstleistungssektor ankurbeln.

Tatsache ist, dass die Wirtschaft der EU angeschoben werden muss. Dazu kann die Richtlinie einen Beitrag leisten. Auf den Dienstleistungssektor entfallen 68 % der Beschäftigung in der EU und über 60 % der Wertschöpfung. Folglich ist dieser Sektor potenziell besser als andere Sektoren in der Lage, die stagnierende EU-Wirtschaft anzukurbeln. Kurz, diese neue Kompromissrichtlinie erfüllt vielleicht nicht alle Wünsche in allen Fraktionen, aber sie wird etliche Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen beseitigen und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die in andere EU-Länder expandieren wollen, abbauen. Mit dem Kompromiss konnte eine ausgewogene Lösung gefunden werden, durch die die Arbeitsgesetzgebung und Tarifverträge innerhalb der Mitgliedstaaten geschützt und gleichzeitig die Öffnung eines effektiveren Marktes für Dienstleistungen ermöglicht werden.

Ich hoffe, dieses Parlament wird der Kommission einen klaren Auftrag erteilen, mit dem sie diese Richtlinie nach der Abstimmung am Donnerstag mit neuem Schwung weiter überarbeiten kann, und ich hoffe ferner, dass dem Parlament in nicht allzu ferner Zukunft eine weiter verbesserte Fassung dieser Richtlinie vorliegen wird.

 
  
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  Riccardo Ventre (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahrscheinlich eine Binsenwahrheit festzustellen, dass die Annahme dieser Richtlinie ein äußerst wichtiges politisches Ereignis ist.

Wenn das Parlament die Richtlinie mit breiter Mehrheit annimmt, wird das politische Signal, das damit gesetzt wird, jedoch noch wesentlich bedeutsamer sein, würde doch dadurch einmal mehr die Vermittlerrolle bestätigt, die wir im Rechtsetzungsprozess zwischen der europäischen Bürokratie und den Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten spielen. Als Vermittler sind wir verpflichtet, die Liberalisierungserfordernisse des Marktes mit den Rechten der schwächeren Gesellschaftsschichten in Einklang zu bringen.

Ich betrachte den Kompromiss der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament als wirkungsvoll im Hinblick auf die Liberalisierung eines Bereichs, der einen sehr großen Teil unserer Wirtschaft betrifft; eines Bereichs, der als Grundfreiheit im Vertrag verankert ist. Sicherlich hätten wir mit der Liberalisierung noch weiter gehen können, doch man kann nicht alles auf einmal haben.

Die Revisionsklausel mit der Frist von fünf Jahren wird es ermöglichen, den Text zu verbessern und den Liberalisierungsprozess weiter voranzutreiben. In wirtschaftlicher Hinsicht haben wir uns ehrgeizige Wachstums- und Beschäftigungsziele gesetzt.

Ich möchte noch etwas zu einigen Änderungsanträgen bemerken, insbesondere zu den Änderungsanträgen 13, 72, 73 und 86. Ihnen zufolge werden die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht nur ausgeschlossen, sondern es wird auch dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, diese Dienstleistungen zu definieren und die Gemeinwohlverpflichtungen festzulegen, denen sie unterliegen.

Laut Änderungsantrag 13 soll es zudem nicht erforderlich sein, dass die Mitgliedstaaten solche Dienstleistungen liberalisieren oder bestehende öffentliche Körperschaften oder bestehende Monopole privatisieren, wie etwa Lotterien. In den Änderungsanträgen 17 und 80 wird ebenfalls vorgeschlagen, Glücksspiele vom Geltungsbereich auszuschließen. Ich denke, dass wir diese Änderungsanträge in der allgemeinen Aussprache prüfen sollten.

 
  
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  John Purvis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Der Kommissar wird erleichtert sein, dass wir langsam zum Ende kommen. Ich bin der drittletzte Redner.

Es war letztes Jahr im April und die Wogen im Vorfeld des französischen Referendums schlugen sehr hoch, als der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie die Stellungnahme von Herrn Chatzimarkakis zur Dienstleistungsrichtlinie annahm. Diese Stellungnahme stellte die damals weit verbreitete feindselige Haltung gegenüber dieser Richtlinie und die damit verbundenen absurden und überzogenen Behauptungen bezüglich polnischer Klempner und Sozialdumping in Frage.

Seit 1979, als das Parlament erstmals direkt gewählt wurde, setzt es sich für einen wahrhaft freien und offenen Binnenmarkt ein, wie er in den ursprünglichen Verträgen vorgesehen ist. Aus einem internen Unterausschuss des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, dem ich mit Stolz angehörte, entwickelten sich die Kangaroo Group und das Binnenmarktprogramm von 1992, dessen Grundlage die Einheitliche Europäische Akte von 1985 bildete.

Es fällt mir schwer, zu verstehen oder zu rechtfertigen, weshalb die Dienstleistungen bisher nicht in dieses Unterfangen einbezogen wurden. Wir haben jetzt die Möglichkeit, uns ein Beispiel am Mut und an der Weitsicht unserer Vorgänger zu nehmen und dafür zu sorgen, dass auch im Dienstleistungssektor ein wirklicher Binnenmarkt errichtet wird. Gewerkschafter, französische Nein-Stimmer wie auch französische Klempner haben wirklich nichts zu befürchten. Die Dienstleistungsrichtlinie wird so wie der Binnenmarkt für Güter für neue, mehr und bessere Arbeitsplätze sorgen, wenn wir für eine schlagkräftige und liberale Fassung stimmen. Sie kann die Möglichkeiten schaffen, die jeder – vor allem in KMU – sucht, und sich zur Triebkraft für eine erfolgreiche, wettbewerbsfähige und florierende europäische Wirtschaft entwickeln.

Die Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, der einen liberalen Standpunkt vertritt, wurde von 34 Abgeordneten, bei denen es sich um konservative, liberale und sogar die Mehrzahl der sozialistischen Abgeordneten handelte, bei 6 Gegenstimmen befürwortet. Ich hoffe, dass auch das Parlament als Ganzes einen ähnlich mutigen und weitsichtigen Standpunkt beziehen wird. Adam Smith hatte Recht: freier Handel funktioniert; ein wahrhaft freier und offener Dienstleistungsmarkt wird funktionieren und mehr und mehr Europäern die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt ermöglichen.

 
  
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  Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte Kommissar McCreevy und den Mitgliedern meiner Fraktion, Herrn Harbour, Frau Thyssen und anderen, danken, die gekämpft haben, um eine Richtlinie zu verteidigen, und die mit ansehen mussten, wie deren nach unserer Meinung besten Aspekte vor ihren Augen verschwanden.

Ich muss sagen, dass wir Politiker und Regierende mitunter hinter der Gesellschaft zurückbleiben, und ich sage das, weil es zwei Aspekte in der Richtlinie gibt, die für mich von großer Bedeutung sind und die leider zu einem großen Teil nicht aufgenommen werden: zum einen die Anerkennung der Berufsqualifikationen und die Niederlassungsfreiheit für Fachkräfte, und zum anderen das Thema Gesundheit.

Wenn jemand in Europa in ein anderes Land geht, um zu arbeiten, ist es meiner Ansicht nach viel leichter für ihn, eine Stelle mit körperlicher Tätigkeit bzw. eine unterbewertete Beschäftigung zu erhalten, auch wenn er hoch qualifiziert ist, weil der berufsständische Egoismus nichts anderes zulässt. Wir waren nicht imstande, dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen.

Zum Zweiten möchte ich über die Gesundheit sprechen. Die Richtlinie sah die Möglichkeit oder Verpflichtung vor, jenen Ansässigen eines Landes die Kosten zu erstatten, die in einem anderen Land medizinische Hilfe erhalten. An der Mittelmeerküste leben Millionen von Europäern, die auf der Suche nach Sonne und einem neuen Leben in den Süden gegangen sind, aber ihr Recht auf Erstattung der Mittel im Zusammenhang mit der sozialen Fürsorge – und insbesondere der medizinischen Betreuung –, die sie erhalten, wird nicht anerkannt.

Sie leben in Ungewissheit und befinden sich in einer schwierigen Situation, aber vor allem werden sie von den Politikern allein gelassen. Und das Gleiche möchte ich in Bezug auf die private medizinische Betreuung sagen.

Deshalb unterstütze ich die Einbeziehung der privaten medizinischen Betreuung, denn wir haben Hunderte Kliniken, in denen Deutsche, Briten und Schweden betreut und behandelt werden, die im Süden und am Mittelmeer leben. Diese Bürger haben das Recht, in ihrer Muttersprache zu sprechen und behandelt zu werden sowie Dienstleistungen in ihrer Muttersprache zu erhalten. Diese Lage ist eine Realität, die Gesellschaft hat sie geschaffen, und wir wollen sie nicht anerkennen.

 
  
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  Valdis Dombrovskis (PPE-DE). – (LV) Herr Präsident, Herr McCreevy, sehr geehrte Damen und Herren! Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist die Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union. Gegenwärtig wird das effektive Funktionieren des Europäischen Binnenmarktes durch eine große Zahl administrativer Hindernisse erschwert. Diese Hindernisse sowie die damit verbundenen Kosten wirken sich besonders negativ auf die Möglichkeiten der KMU aus, Dienstleistungen außerhalb ihrer eigenen Länder anzubieten. Der Dienstleistungssektor macht rund 70 % der europäischen Wirtschaft aus, also würde die Abschaffung bürokratischer Hindernisse ihre Entwicklung spürbar ankurbeln. Einer Analyse der Europäischen Kommission zufolge haben die im Zeitraum 1992-2002 ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung des gemeinschaftlichen Arbeitsmarktes und zur Öffnung der Binnengrenzen der Union zu einer Steigerung des BIP der EU um 1,8 % und zur Entstehung von zweieinhalb Millionen neuen Arbeitsplätze geführt. Dieser Zuwachs ist vor allem auf die Sicherung des freien Warenverkehrs und die Liberalisierung des Telekommunikations- und Energiesektors zurückzuführen. Außerdem zeigt diese Studie der Europäischen Kommission, dass ein reibungslos funktionierender EU-Binnenmarkt für Dienstleistungen ähnliche Wachstumsraten für Wirtschaft und Beschäftigung bringen könnte. Darum ist es wichtig, für eine solide Dienstleistungsrichtlinie zu stimmen, die das Herkunftslandprinzip beinhaltet, zumindest in der vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz angenommenen Version. Dort sind die Artikel der Richtlinie beibehalten, in denen die Rechte der Dienstleister betreffend die Entsendung von Arbeitnehmern in das Land, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, geregelt sind und in denen die Ausnahmen begrenzt wurden. Diese Grundsätze herauszulassen würde den Sinn der Dienstleistungsrichtlinie erheblich verzerren, und man würde Möglichkeiten für ein zusätzliches Wirtschaftswachstum in der EU ungenutzt lassen. Einige Abgeordnete des Europäischen Parlaments versuchen, die Bedeutung der Dienstleistungsrichtlinie stark zu entstellen und eine protektionistische Politik gegenüber den Dienstleistern aus den neuen Mitgliedstaaten zu betreiben, ohne zu bedenken, welche wirtschaftlichen Verluste dadurch der Europäischen Union als Ganzes entstehen würden. Bei der Abstimmung im Europäischen Parlament wird sich zeigen, ob die Mehrheit der Abgeordneten die Zukunft der europäischen Wirtschaft in einem dynamischen und offenen EU-Binnenmarkt oder in einem protektionistischen Dschungel von 25 Mitgliedstaaten sehen.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Das war eine ausgedehnte und lebhafte Diskussion. Man kommt bei einer derart anregenden Debatte gut und gerne ohne Koffein aus. Ich möchte allen Teilnehmern für ihre Beiträge danken, in denen sie ihre unterschiedlichen Blickwinkel erläuterten.

Wir haben alle Argumente für und gegen diesen Vorschlag gehört. Dabei ist meines Erachtens deutlich geworden, dass es bei allen Meinungsverschiedenheiten sehr viele Stimmen gibt, die eine Dienstleistungsrichtlinie befürworten, und dass der allgemeine Wunsch nach einer generellen Einigung über unser weiteres Vorgehen besteht. Das begrüße ich. Das ist Ausdruck der wichtigen Rolle, die das Europäische Parlament bei der Vermittlung zwischen den vielen verschiedenen Standpunkten in diesem Haus spielen kann.

Ausgehend von der heutigen Aussprache bin ich überzeugt davon, dass das Parlament maßgeblich zu dem Konsens beitragen kann, der für die Annahme dieses Vorschlags erforderlich ist. Wir schulden dem Berichterstatter, den Schattenberichterstattern und den Fraktionsführern Dankbarkeit für ihr konstruktives Vorgehen.

Ich sagte, dass die Kommission die Änderungsanträge, für die ein Konsens erreicht werden kann, umfassend berücksichtigen wird. Meines Erachtens liegt dieser Konsens in greifbarer Nähe, und zwar vor allem in Bezug auf den Anwendungsbereich und die Freiheit zur Erbringung von Dienstleistungen gemäß Artikel 16.

Viele meiner Vorredner sagten, dass sie sich eine Dienstleistungsrichtlinie wünschen, die einen echten Wertzuwachs bringt. Deshalb sollten wir weitere sektorale Ausnahmen vom Anwendungsbereich auf ein Minimum beschränken, und wir müssen besondere Sorgfalt auf die Formulierung von Artikel 16 verwenden. Die Bestimmungen des Vertrags und die Rechtsprechung des Gerichtshofs können nicht rückgängig gemacht werden.

Ein Wort zu Herrn Watsons Kritik an unseren Bemühungen, in Bezug auf Artikel 16 Brücken zu bauen. Es ist bedauerlich, dass er nicht die Quelle des seiner Ansicht nach fehlerhaften Entwurfstextes geprüft hat. Er stammt nicht aus meinem Büro, aber ich bin daran gewöhnt, dass man mir die Schuld für viele gute und schlechte Dinge gibt, für die ich nicht verantwortlich bin.

Ich komme jetzt zum Kern der heutigen Aussprache und zur Entsendung von Arbeitnehmern. Ich habe großes Verständnis für diejenigen, die über den ihrer Ansicht nach überflüssigen Verwaltungsaufwand für Arbeitnehmer besorgt sind, die in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden. Es gibt entsprechende gemeinschaftliche Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung des Gerichtshofs, und die sind einzuhalten. Wenn Sie mit großer Mehrheit für die Streichung von Artikel 24 und 25 stimmen, dann wird die Kommission rasch Leitlinien für diese wichtige Initiative vorlegen.

Wichtig ist, dass im Ergebnis dieser Aussprache und der Abstimmung am Donnerstag deutlich wird, dass Europa Fortschritte verzeichnet bei der Erarbeitung eines Rahmens für eine bessere Dienstleistungsrichtlinie, die der Wirtschaft, Unternehmern und Verbrauchern die erforderlichen Anreize bietet und die ihnen das Vertrauen gibt, das sie brauchen, um die Vorzüge unseres Binnenmarktes durch Investition in neue Möglichkeiten und die Entwicklung und Inanspruchnahme neuer Dienstleistungen, die zu mehr Arbeitsplätzen und Wachstum führen, umfassend zu nutzen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 10.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Die Dienstleistungsrichtlinie, die am Donnerstag in Straßburg zur Abstimmung gestellt wird, bietet die Gelegenheit, den 450 Millionen europäischen Bürgern zu demonstrieren, dass Europa und insbesondere das Europäische Parlament ein offenes Ohr für die Forderungen und Ängste der Bevölkerung haben und bemüht sind, sie mit einer Wachstums- und Entwicklungsstrategie in Einklang zu bringen, die nur eine Harmonisierung und eine wirkliche Öffnung der Wirtschaftstätigkeiten hervorbringen können.

Der Text, den wir hoffentlich auf dieser Plenartagung verabschieden werden, wird ein entschärftes Dokument sein mit Grauzonen, die noch der Klärung bedürfen. Gleichwohl ist in einem vielschichtigen Kontext wie dem europäischen, mit neuen Ländern, die Chancen suchen, und alten Ländern, die sich selbst zu schützen bemüht sind, mit kleinen und mittleren Unternehmen und 25 unterschiedlichen Rechtssystemen, der Kompromiss der einzige Weg, um voranzukommen. Deshalb müssen wir die Anstrengungen begrüßen, die alle Fraktionen und die betroffenen Akteure unternommen haben, um zu einer Einigung zu gelangen. Dies ist eine wichtige Gelegenheit für Europa, Vertrauen zurückzugewinnen und seinen Einsatz für ein Wirtschaftswachstum, das unser Sozialsystem nicht beeinträchtigt, zu erneuern; dieser Einsatz hat leider in den letzten Monaten an Glaubwürdigkeit verloren. Wir brauchen Wachstum und wir brauchen eine Neubelebung unserer Wirtschaft, und die Dienstleistungsrichtlinie ist ein erstes wichtiges Instrument, vorausgesetzt, Wohlstand und Rechte unserer Arbeitnehmer werden nicht in Frage gestellt.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Die Richtlinie über die Errichtung des Binnenmarktes für Dienstleistungen wurde von der Kommission vorgeschlagen, als ihr der Sozialdemokrat Romano Prodi als Präsident vorstand. Fortgeführt wird die Arbeit daran von der jetzigen Kommission, an deren Spitze Herr Barroso steht.

Dieser Vorschlag spielt bei der Offensive des Kapitalismus in der EU eine zentrale Rolle. Er kommt den Interessen der großen multinationalen Konzerne entgegen, für die der Weg geebnet wird, um die Beschäftigten auszubeuten und neue Wirtschaftssektoren zu beherrschen.

Der Vorschlag läuft auf die völlige Liberalisierung der Dienstleistungen hinaus, einschließlich der öffentlichen Dienste, was mit tief greifenden negativen Folgen für die Beschäftigten und für die Souveränität der Staaten verbunden sein wird. Wird dieser Vorschlag angenommen, so wird er als Druckmittel dienen, als eine Art „Trojanisches Pferd“ fungieren, um Löhne, Tarifverträge und Rechte der Arbeitnehmer zu untergraben. Er wird auch gegen die Fähigkeit der Mitgliedstaaten eingesetzt, die öffentlichen Dienste und generell die Art und Weise der Erbringung der Dienstleistungen zu kontrollieren.

Dieser Vorschlag kann nicht „reformiert“ werden, wie es die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten und die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament, die grundlegende und negative Elemente der Richtlinie retten und gleichzeitig ihr Gesicht wahren wollen, anstreben.

Der Vorschlag muss abgelehnt werden, so wie es die Arbeitnehmer gefordert und wir es von Anfang an verfochten haben.

 
  
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  Filip Andrzej Kaczmarek (PPE-DE).(PL) Die auf dem europäischen Dienstleistungsmarkt bestehenden Schranken führen zu höheren Preisen, hemmen das Wirtschaftswachstum und behindern die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Sind geringeres Wachstum, weniger Arbeitsplätze und höhere Preise wirklich das, was sich die Europäischer wünschen? Wohl kaum.

Vor allem wollen die Europäer mehr Arbeitsplätze. Warum sollten Politiker dies hintertreiben? Bestimmte selbsternannte Interessenvertreter der arbeitenden Bevölkerung wollen die Richtlinie verwässern und wirkungslos machen. Man könnte argumentieren, diese Leute sind für die Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes oder auch dagegen. Ich teile unbedingt die Auffassung, dass die Richtlinie sensible Fragen berührt. Aber wir können den Kopf nicht in den Sand stecken. Ich frage mich, ob die Gegner der Richtlinie gründlich die Frage der Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der Dienstleister bedacht haben, und ob sie wirklich einen einheitlichen Markt wollen. Es war viel von Gleichberechtigung die Rede, aber sie gilt wohl im Sinne Orwells nur für diejenigen, die „gleicher sind“ als andere. Auch über den Schutz der sozialen Errungenschaften wurde oft gesprochen, aber anscheinend geht es dabei nur um die reichen Länder und nicht um ganz Europa.

Mittelständische Betriebe schaffen die meisten Arbeitsplätze. Die Dienstleistungen erbringen den größten Beitrag zum BIP Europas. Wir sollten den selbständigen Unternehmern eine Chance geben. Ebenso den 20 Millionen Arbeitslosen in Europa. Und dem Mut zur Selbständigkeit. Für uns eröffnet sich eine Möglichkeit, etwas Gutes zu bewirken. Wir dürfen sie nicht verspielen. Deshalb müssen wir gegen die Änderungsanträge stimmen, die die Richtlinie verwässern, ihre Umsetzung behindern und die Verwirklichung der erwünschten Ergebnisse gefährden. Lassen Sie uns für wirkliche Freiheit stimmen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Europa durch nationalen Egoismus und Protektionismus Schaden nimmt.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Der Bericht von Frau Gebhardt über die Bolkestein-Richtlinie wurde heute dem Plenum zur Aussprache und zur Abstimmung vorgelegt.

Im Wesentlichen ist das eine Neuausgabe des düsteren Bilderberg-Clubs, um die Globalisierungsdampfwalze in Fahrt zu bringen und die Regeln der Neuen Ordnung durchzusetzen.

Als gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments (nicht gewählt von einigen Parteikräften, die von den Vertretern der Neuen Ordnung kontrolliert werden) lehne ich die Philosophien, die in der betreffenden Richtlinie, die kaltblütig jahrzehntelang bestehende Arbeitnehmerrechte vernichtet, neu bearbeitet wurden, voll und ganz ab.

Als Vorsitzender des Laikos Orthodoxos Synagermos (LAOS) in Griechenland werde ich alle Gruppen, die durch diese Richtlinie attackiert werden, ermutigen, umfassenden Widerstand zu leisten.

Ich habe an der Aussprache aus dem einfachen Grunde nicht teilgenommen, weil durch die Anwesenheit all jener, die ideologisch gesehen auf der anderen Seite stehen, die extremen Positionen des geistigen Urhebers der Richtlinie legitimiert werden.

Ich stimme gegen die Richtlinie und bitte darum, meine Erklärung ins Protokoll aufzunehmen.

 
  
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  David Martin (PSE). – (EN) Siebzig Prozent des europäischen BIP wird heute vom Dienstleistungsgewerbe erwirtschaftet. Das größte Hindernis bei der Vollendung des europäischen Binnenmarktes ist der Dienstleistungssektor. Wenn es uns gelänge, einen dynamischen Binnenmarkt für Dienstleistungen zu errichten, könnten in der EU ca. 600 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Beseitigung von administrativen und technischen Hindernissen für Unternehmen, die außerhalb ihres Heimatlandes tätig sind, stellt daher ein wünschenswertes und wichtiges Ziel dar und ermöglicht in diesem Sektor einen fairen Wettbewerb. Eine Unterhöhlung der Rechte der Arbeitnehmer, ihrer Einkommen sowie des Arbeitsschutzes hat nichts mit der Schaffung eines dynamischen Dienstleistungssektors zu tun, und deshalb werde ich für die Änderungsanträge stimmen, die die Arbeitsgesetzgebung und freie Tarifverhandlungen vom Geltungsbereich der Richtlinie ausschließen.

Ich bin außerdem der Ansicht, dass bestimmte Leistungen im Bereich Gesundheit, Sozialwesen und Bildung so sensibel sind, dass sie nicht Bestandteil dieser speziellen Maßnahme sein sollten.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN) Herr McCreevy! Ich hatte mich einmal auf den Landstraßen meines Heimatlandes verfahren. Als ich einen Mann, an dem ich vorbeikam, nach dem Weg fragte, sagte er: „Ich würde mir einen anderen Ausgangspunkt suchen.“

Ich reiche diesen Rat an Sie, Herr Kommissar, weiter: Wenn Sie den freien und einfachen Dienstleistungsverkehr zwischen unseren 25 Ländern fördern wollen, dann sollten Sie sich einen anderen Ausgangspunkt suchen.

Der „Ausgangspunkt“ ist in diesem Falle ein vages und unverständliches Durcheinander, das in unseren Gerichten näher definiert werden wird. Mit diesem „Ausgangspunkt“ ist das Chaos vorprogrammiert. Wir schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung von 25 verschiedenen Regulierungssystemen, und die Unternehmen werden jeweils in das Land mit den für sie günstigsten Vorschriften ziehen. Die einzige Lösung für die Krise, die wir damit heraufbeschwören, wird eine völlige EU-weite Harmonisierung sein, und wer will die schon?

 
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