Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Meinungsfreiheit und zum Respekt gegenüber Glaubensbekenntnissen.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Kontroverse, die wir in den letzten Wochen um die Karikaturen erlebt haben, die in einer dänischen Zeitung erschienen sind, stellen zweifellos eine sehr bedauerliche Entwicklung dar, weil sie an etwas rührt, worum sich die Mitglieder der Europäischen Union und die Europäische Union selbst seit vielen Jahren bemüht hat, nämlich um ein vertrauensvolles, konstruktives Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften in unseren Ländern.
Dieses Vertrauen und dieser gute Wille, der in allen Mitgliedstaaten und auch von den Institutionen der Europäischen Union in den letzten Jahren zum Ausdruck gebracht wurde, scheinen nun erschüttert. Wir haben gewalttätige Demonstrationen erlebt, die auch Tote gefordert haben. Vertretungen der Europäischen Union und andere Einrichtungen der Mitgliedstaaten in verschiedenen Staaten wurden angegriffen und beschädigt. Drohungen wurden ausgesprochen. Boykottmaßnahmen wurden gesetzt.
All das ist eine Entwicklung, die wir zutiefst zu bedauern haben und die uns veranlassen muss, uns zu fragen: Was ist hier schief gelaufen? Was ist hier zu tun, um derartige Ereignisse in Zukunft zu verhindern? Verschiedene Grundsätze unseres Zusammenlebens stehen auf dem Spiel und sind mit dieser Frage zu diskutieren.
Zum Ersten besteht der Konsens, dass wir jede Form von Gewalt, jede gewalttätige Reaktion militanter Gruppierungen verurteilen müssen. Die Ratspräsidentschaft hat dies auch in klarer Weise von Anfang an getan.
Wir erwarten auch von den verantwortlichen Regierungen, dass sie sich der Verantwortung und auch der Verantwortlichkeit auch in einem völkerrechtlichen Sinn bewusst sind und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen müssen.
Nun gilt es – was die Frage der Gewalt und die gewaltsame Auseinandersetzung betrifft –, beruhigende Schritte zu setzen und zu einer Entspannung der Lage beizutragen. Die Ratspräsidentschaft hat von Anbeginn dieser Ereignisse ihre politische Verantwortung wahrgenommen. Schon am 30. Jänner hat der Rat Dänemark und Schweden und allen anderen betroffenen Ländern seiner vollen Solidarität versichert. Die Außenminister im Rat haben aber gleichzeitig auch die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit unterstrichen, die einen Grundpfeiler unserer Werte, die wir in der Europäischen Union verteidigen, darstellen. Diese Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut, das wir verteidigen müssen und um das wir auch in unseren Gesellschaften in unserer europäischen Geschichte lange gekämpft haben. Gleichzeitig aber bedeutet die Ausübung dieses Rechts auf freie Meinungsäußerung wie die Ausübung jedes Rechts ein hohes Maß an Verantwortung, an Verantwortung des Einzelnen, an Verantwortung der Institutionen.
Bereits frühzeitig haben die Europäische Union, aber auch die Vereinten Nationen und andere Organisationen, wie zum Beispiel insbesondere auch die Organisation der Islamischen Konferenz in Erklärungen versucht, die Grundsätze, an die wir uns in dieser Auseinandersetzung halten müssen, zu verdeutlichen. Die gemeinsame Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und des Generalsekretärs der Organisation der Islamischen Konferenz sowie des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vom 7. Februar war in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Darin werden gerade ein verantwortlicher Umgang mit religiösen Überzeugungen sowie die Meinungsfreiheit bei gleichzeitiger Verantwortung der Presse betont. Diese Verantwortung der Presse ist eine Eigenverantwortung der Presse. Es ist in unseren Gesellschaften nicht möglich – und das ist auch gut so –, dass Regierungen unabhängigen Pressemedien vorschreiben, was sie sagen oder nicht sagen können, innerhalb der Grenzen, die von den Rechtsordnungen gesetzt werden. Diese Rechtsordnungen müssen im Einklang mit den internationalen Normen, insbesondere mit der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen.
Gewalttätige Übergriffe wurden auch in dieser Erklärung vom 7. Februar, die ich erwähnt habe, abgelehnt und verurteilt und es wurde zum Dialog aufgerufen. Am 8. Februar telefonierte die Ratsvorsitzende Außenministerin Plassnik mit dem türkischen Vizepremier und Außenminister Gül. Es geschah sehr bewusst, dass wir die Türkei in die Bemühungen um Beruhigung mit eingeschlossen haben, denn gerade die Türkei kann eine sehr aktive und konstruktive Rolle bei der Förderung des Dialogs zwischen Europa und der muslimischen Welt spielen. Wir haben daher auch – das ist eine österreichische Maßnahme – die nächste Sitzung der High Level Group der Allianz der Zivilisationen, die unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen steht, zu ihrer nächsten Sitzung nach Österreich eingeladen.
Ebenfalls am 8. Februar brachte der Vorsitzende des Europäischen Rates, Bundeskanzler Schüssel, in einer Erklärung seine Bestürzung über Darstellungen auf der Homepage einer muslimischen Emigrantenorganisation in Antwerpen und über den Aufruf der iranischen Zeitung Hamschahri zu einem Holocaust-Karikaturenwettbewerb zum Ausdruck. Auch hier müssen wir deutlich Position beziehen, dass derartige Initiativen und Aufrufe zu verurteilen und abzulehnen sind.
Wie Sie wissen, befindet sich der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, derzeit im Nahen Osten. In einem Treffen mit dem Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz, Ekmeleddin Ihsanoglu, am 13. Februar wurden die Möglichkeiten eines zielorientierten Dialogs zwischen Europa und der muslimischen Welt erörtert. Diese Diskussion wird der Generalsekretär und Hohe Vertreter mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga und mit Vertretern der Länder Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, der Palästinensischen Autorität und Israel fortsetzen.
Wir, der Rat, aber auch die einzelnen Mitgliedstaaten werden den Dialog mit der islamischen Welt vorantreiben und auf diesem Weg des Dialogs zwischen den Zivilisationen, zwischen den Religionsgemeinschaften fortfahren. Auch der finnische Außenminister Tuomioja hat bereits angekündigt, dass Dialogaktivitäten ein zentrales Anliegen der finnischen Präsidentschaft sein werden.
Wir werden auch als Präsidentschaft weiterhin Schritte setzen, die zur Beruhigung der Lage beitragen sollen. Beim nächsten Treffen der Außenminister am 27. und 28. Februar werden Möglichkeiten verstärkter EU-Dialogaktivitäten mit der islamischen Welt ein wichtiges Thema sein.
In der gegenwärtigen Krise ist Leadership der gewählten politischen Vertreter und Vertreterinnen der Europäischen Union gefordert. Diese Leadership kann und soll selbstverständlich nicht darin bestehen, den Medien von staatlicher Seite Verhaltensmaßregeln vorgeben zu wollen. Ich habe schon die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit für unsere Werte, für die Werte in der Europäischen Union, hervorgehoben. Diese Freiheit von Zensur wollen wir unter keinen Umständen aufs Spiel setzen. Sie wurde zu lange und zu schwer erkämpft. Diese Freiheit – das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in sehr vielen grundlegenden Entscheidungen auch deutlich gemacht – schließt auch die Zulassung von neuen, kontroversen Gedanken und jeglicher Diskussion ein. Sie schließt auch die Freiheit ein, einerseits Fehler zu machen und andererseits Fehler mit aller Schärfe zu kritisieren. Wie es der Europäische Gerichtshof in einer grundlegenden Entscheidung vor zwanzig Jahren gesagt hat: Die Meinungsfreiheit schließt auch ein, zu schockieren und zu irritieren. Der Gerichtshof hat aber auch gesagt, dass es selbstverständlich Grenzen für diese freie Meinungsäußerung geben muss, und zwar dort, wo sie die Gefühle anderer, vor allem auch die religiösen Gefühle anderer, verletzt.
Die politische Leadership der Europäischen Union muss sich nun daran zeigen, dass wir glaubwürdig vermitteln, dass sich Meinungsfreiheit und der Respekt vor der Kultur und Religion des anderen einander nicht widersprechen, sondern ergänzen und miteinander vereinbar sind. Die Antwort auf die gegenwärtige Krise heißt unserer Meinung nach nicht weniger Meinungsfreiheit, sondern vielmehr glaubwürdiges Engagement des demokratisch pluralistischen Europas im Dialog der Kulturen und Zivilisationen. Wir müssen den muslimischen Gemeinschaften in der Welt vermitteln, dass wir mit ihnen weiter den Weg der Entwicklung vertrauensvoller Beziehungen gehen wollen. Wir müssen unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern innerhalb der Europäischen Union vermitteln, dass diese Union ein guter Ort ist, an dem sie ebenso wie die Angehörigen anderer Religionen respektiert werden und sich wohl fühlen können und an dem sie die Möglichkeit demokratischer Mitgestaltung haben. Bei der Annahme dieser Herausforderung wird es uns wichtig sein, sich besonders auf das Vertrauen zu stützen, das in den vergangenen Jahren in allen Mitgliedstaaten zwischen den Religionsgemeinschaften untereinander sowie zwischen den politischen Verantwortlichen und den Religionsgemeinschaften aufgebaut werden konnte.
Ich darf auf einige Aktivitäten hinweisen, die in meinem eigenen Land, Österreich, getätigt wurden, denn auch die Verantwortung der Mitgliedstaaten ist hier sehr gefordert, und der Rat, der für sich und die Europäische Union insgesamt spricht, muss sich hier selbstverständlich auch auf die Aktivitäten und Tätigkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten stützen.
Was Österreich betrifft, so war eines der wichtigsten Gespräche, die österreichische Spitzenvertreter gerade in den letzten Tagen auf der Suche nach einer Entspannung der Situation geführt haben, jenes am 7. Februar zwischen der Außenministerin Plassnik und dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh. Dabei wurde die Bedeutung des friedlichen Miteinanderlebens der verschiedenen Religionsgemeinschaften in unseren Ländern hervorgehoben, und es wurde erklärt, dass es jetzt darum geht, zusammenzustehen und unser laufendes Gespräch, das sich in der Praxis bewährt hat, auch nach außen hin sichtbar zu machen. Dies ist eine Dialogkultur, die wir in Österreich, aber auch in allen anderen Mitgliedstaaten über die Jahre aufgebaut haben und die sich nunmehr in einer Krise zu bewähren hat.
Es gab in Österreich gerade in den letzten Monaten sehr wichtige Veranstaltungen, so etwa eine große Konferenz zum Thema „Islam in einer pluralistischen Gesellschaft“, an der sehr viele religiöse, politische Führer – der Präsident von Afghanistan, der Präsident des Irak, der frühere Präsident des Iran, hohe geistliche Würdenträger aller Religionsgemeinschaften – teilgenommen haben. Vor zwei Tagen hat der Bundeskanzler sämtliche Führer der großen anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich zu einem Treffen eingeladen. Bei dieser Gelegenheit wurde von allen übereinstimmend betont, dass nur ein friedliches Zusammenleben, eine friedliche – auch kritische – Auseinandersetzung miteinander der richtige Weg ist, um Entwicklungen, wie wir sie in den letzten Wochen erleben mussten, zu verhindern. Es geht also darum, diesen Dialog fortzusetzen; es geht aber auch darum, unsere Werte, wie etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung, zu verteidigen.
(Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Veröffentlichung der Karikaturen in dänischen und anderen europäischen Zeitungen sowie die Reaktionen darauf haben heikle und grundlegende Fragen aufgeworfen. Bei vielen Muslimen in allen Teilen der Welt haben die Karikaturen Empörung ausgelöst. Wir müssen diese Sensibilität und deren Ausdruck in friedlichen Protesten respektieren, die zu den Grundrechten in jeder freien Gesellschaft gehören.
Ich schließe mich der Meinung von Ministerpräsident Rasmussen an, der deutlich gemacht hat, dass seine Regierung den Islam als eine der großen Weltreligionen anerkennt und weder die Absicht hat, Muslime zu beleidigen, noch Aktivitäten unterstützt, die darauf aufzielen. Ich möchte heute meinen tiefen persönlichen Respekt für die islamische Zivilisation und den Beitrag zum Ausdruck bringen, den sie zu Europa geleistet hat und noch immer leistet.
Grund für die Besorgnis der Kommission sind nicht die mehrheitlich friedlichen Reaktionen auf die Karikaturen. Die Sorge der Kommission gilt vielmehr den gewaltsamen Reaktionen einer Minderheit; Reaktionen, die von vielen Muslimen abgelehnt werden. Daher verurteilt die Kommission die gewalttätigen Ausschreitungen gegen unser Büro in Gaza sowie gegen die Vertretungen der Mitgliedstaaten, insbesondere gegen die dänische Vertretung, auf das Allerschärfste. Es ist paradox, dass gerade die Einrichtungen angegriffen werden, deren Ziel es ist, das Leben der Menschen in ihren Gastländern spürbar zu verbessern.
Ein Handelsboykott ist kein geeigneter Weg zur Lösung des Problems. Im Gegenteil: Ein Boykott würde den wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten schaden und könnte die sich entwickelnden Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den betroffenen Ländern beeinträchtigen. Der Handel und die damit verbundenen engeren Beziehungen sollen das gegenseitige Verständnis fördern. Eines ist sicher: Ein Boykott dänischer Waren ist zwangsläufig auch ein Boykott europäischer Waren.
(Beifall)
Ich habe mit dem dänischen Ministerpräsidenten gesprochen und ihm die Solidarität der Kommission zugesichert. Ich möchte heute auch dem dänischen Volk meine Solidarität bekunden, einem Volk, das zu Recht den Ruf genießt, eines der offensten und tolerantesten Völker, nicht nur Europas, sondern der Welt zu sein. Ich begrüße an dieser Stelle die Vertreter des dänischen Volkes, die mit einer Delegation des dänischen Parlaments heute anwesend sind.
(Beifall)
Mit Bundeskanzler Schüssel, dem amtierenden Ratspräsidenten, habe ich ebenfalls gesprochen. Die Kommission wird weiterhin gemeinsam mit dem österreichischen Ratsvorsitz und allen Beteiligten an einer friedlichen und raschen Lösung dieses Problems arbeiten.
Dieser Streit berührt grundlegende Themen. Die Fundamente unserer europäischen Gesellschaft sind der Respekt vor dem Leben des Einzelnen, die Freiheit, die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, die freie Meinungsäußerung und eine klare Trennung zwischen Politik und Religion. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass wir als Menschen frei, unabhängig, gleichberechtigt und verantwortlich sind. Diese Grundsätze gilt es zu bewahren.
Die freie Meinungsäußerung ist Teil der Werte und Traditionen Europas. Ich möchte unmissverständlich klarstellen: Die freie Meinungsäußerung ist nicht verhandelbar. Wie alle Freiheiten wird auch sie nur Bestand haben, wenn in verantwortungsbewusster Weise von ihr Gebrauch gemacht wird.
(Beifall)
Wir alle verurteilen Vorurteile jeglicher Art und jede Form der Diskriminierung, wo und wann auch immer sie zum Ausdruck gebracht werden. Doch Regierungen oder andere öffentliche Stellen schreiben den Bürgern nicht vor, welche Meinungen sie zu äußern haben und welche nicht. Das bedeutet andererseits auch, dass für Ansichten, die von Einzelnen geäußert werden, diese und nur diese allein verantwortlich sind. Sie geben nicht die Position eines Landes, eines Volkes oder einer Religion wieder und wir sollten nicht zulassen, dass andere diesen Anschein erwecken.
(Beifall)
Die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit bilden nicht nur die Grundlage für die Veröffentlichung einer Meinung oder Karikatur, sondern auch für die Möglichkeit, eine solche Veröffentlichung zu kritisieren. Die freie Meinungsäußerung ist keine Einbahnstraße.
Aber die Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen. Diese Grenzen müssen respektiert werden. Sie werden durch die Gesetze und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union festgelegt und durchgesetzt. Es ist selbstverständlich nicht hinnehmbar, dass die von demokratischen Organen erlassenen Gesetze missachtet werden.
Die Religionsfreiheit ist ebenfalls nicht verhandelbar. So wie Europa die freie Meinungsäußerung respektiert, muss es auch die Religionsfreiheit respektieren, und Europa tut dies auch. Die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht von Einzelpersonen und Gemeinschaften; sie schließt die Achtung der Integrität aller religiösen Überzeugungen und aller Formen der Religionsausübung ein. Muslime können und müssen ihren Glauben auf dieselbe Weise ausüben können, wie auch Angehörige anderer Religionen und Glaubensrichtungen ihren Glauben praktizieren.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten fördern seit langem den Dialog zwischen verschiedenen Gemeinschaften – sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch mit muslimischen Nachbarländern sowie in anderen Teilen der Welt. Nur durch einen lebendigen, aber friedlichen Dialog, der die freie Meinungsäußerung garantiert, kann das gegenseitige Verständnis vertieft werden und gegenseitiger Respekt wachsen. Ich unterstütze den Dialog zwischen den Kulturen und mit den Religionen und werde dies auch in Zukunft tun. Die Fundamente eines solchen Dialogs müssen Toleranz, nicht aber Vorurteile, und Meinungs- und Religionsfreiheit sowie die damit verbundenen Werte bilden.
Gewalt ist der Feind des Dialogs. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine extremistische Minderheit sich durchsetzt. Sorgen wir dafür, dass unsere wichtigsten Werte über die schlimmsten Vorurteile siegen.
(Beifall)
Hans-Gert Poettering, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EVP-ED-Fraktion verfolgt die Auseinandersetzungen über die Karikaturen mit großer Sorge. Aber für uns ist eines völlig klar, und davon lassen wir uns leiten. Wir werden die Pressefreiheit verteidigen, und wir werden die Gefühle von Gläubigen und auch die Symbole, die ihnen wichtig sind, gleichgültig welcher Religion, schützen. Wir werden Menschenrechte und die Errungenschaften der Aufklärung verteidigen, und wir werden das Recht auf Glauben, auf Unterschied und Anerkennung schützen. Wir können dies nur gleichzeitig tun, wenn als Erstes Selbstbeherrschung und Besonnenheit auf allen Seiten besteht. Darum bitten wir heute vor allem die Vertreter der Medien in Europa, im Iran, in anderen islamischen Ländern. Wir bitten diejenigen darum, die den Streit um die Karikaturen zu einem politischen Grundsatzstreit hochstilisieren wollen. Wir werden nicht in eine gute Zukunft gehen, wenn wir Polemik mit Polemik, Aggression mit Aggression, Unsensibilität mit Unsensibilität beantworten. Wir wollen eine Ordnung, die die Meinungsfreiheit als eines der höchsten Menschenrechte verteidigt und die zugleich sensibel für ihre Grenzen ist, die sich in der Freiheit und der Würde des anderen befinden. Es muss eine Ordnung sein, die Respekt vor dem Glauben und den religiösen Gefühlen anderer zeigt und die zugleich ein friedliches und konstruktives Gespräch ermöglicht über das, was uns auf den ersten Blick oder auch im tiefen Kern unseres Wesens, unserer Werte, unserer Erfahrungen und Gefühle trennt.
Daraus ergibt sich: Gewalt als Mittel der Erregung oder Empörung über andere Meinungen darf niemals akzeptiert werden. Wir verurteilen alle, die die gewaltsamen Reaktionen in verschiedenen Ländern der Erde organisiert haben. Dies war ja keine spontane Reaktion – im Übrigen ist diese Reaktion erst nach Monaten erfolgt –, sondern sie war zum Teil von Regimes organisiert, die nicht auf die Meinungsfreiheit setzen, sondern die Menschen unterdrücken, auch dies müssen wir in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen!
(Beifall)
Wir wenden uns gegen alle Formen der Gewalt. Nicht nur gegen die Gewalt gegen Menschen, sondern auch gegen Gewalt gegenüber Gegenständen, gegenüber Fahnen oder Gebäuden und wir verurteilen sie auf Schärfste. Es geht jetzt darum, dass wir auch etwas konkreter werden. Allein den Dialog der Kulturen zu beschwören, reicht nicht aus – wir müssen konkreter werden. Ich möchte – ich weiß, dies alles ist unvollkommen, aber es ist eine Anregung zum Nachdenken – zwei sehr konkrete Vorschläge machen: Erstens sollten wir – weil wir bei den jungen Menschen anfangen müssen – eine Kommission von Schulbuchexperten einsetzen und die Schulbücher in Europa und in der islamischen Welt darauf untersuchen, welche Worte und Werte dort übereinander verbreitet werden. Eine solche Kommission sollte von der Europäischen Union und der Organisation der islamischen Konferenzen gemeinsam getragen werden, am wirkungsvollsten unter Beteiligung des UNO-Generalsekretärs bei der Auswahl der Experten.
Wir bzw. die islamische Welt haben uns über einige Karikaturen in einer europäischen – dänischen – und in einigen anderen Zeitungen erregt. Dies ist nur eine Dokumentation von Hunderten – um nicht zu sagen von Tausenden – von Karikaturen, in denen auch unsere Werte, die christlichen Werte, und unsere Überzeugungen in der islamischen Welt karikierend dargestellt werden. Damit muss Schluss sein – bei uns, aber auch in den Ländern der islamischen Welt!
(Beifall)
Zweitens: Wir waren mit anderen Kollegen in Barcelona bei der Euromediterranen Konferenz. Wir sollten die Euromediterrane Parlamentarische Versammlung nutzen, um Vertreter der gewählten Politik und Vertreter der Zivilgesellschaften aus Europa und aus unseren Partnerländern im Rahmen des Barcelona-Prozesses zu regelmäßigen Gesprächen und zielorientierten Beratungen zusammenzuführen. So könnte die Euromediterrane Versammlung ein entscheidender Ort der Begegnung für den Dialog der Kulturen sein.
Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung: Ich habe seit 1999 bis in dieses Jahr 2006 16 arabische und islamische Länder besucht. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem sehr engagierten, glaubwürdigen hohen Vertreter der Geistlichkeit in Saudi-Arabien. Es war alles in allem ein wunderbares Gespräch. Diese Persönlichkeit hat mich dann gefragt, wie werden Moslems in Europa behandelt. Ich habe geantwortet, wir würden uns oftmals eine bessere Integration der Menschen wünschen, aber sie könnten ihren Glauben leben. Ich habe dann die Gegenfrage gestellt: Ist es wahr, dass nach dem Gesetz in Saudi-Arabien eine Moslemin, ein Moslem, wenn er oder sie Christin oder Christ werden möchte, nach dem Gesetz mit dem Tode bestraft wird? Eine Antwort darauf habe ich nicht bekommen.
Toleranz ist wichtig. Aber sie geht nicht nur in eine Richtung, sondern sie geht in beide Richtungen. Toleranz, Versöhnung, Verständigung muss sich auf die Wahrheit gründen, und dafür treten wir ein. Ich begrüße nachdrücklich, was der Präsident der Kommission gesagt hat. Wer ein Land der Europäischen Union angreift, der greift uns alle an. In einem solchen Sinne sind wir selbstverständlich mit Dänemark solidarisch, und wir sollten von dieser Debatte ein Signal der Toleranz, der Verständigung, allerdings auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und der Akzeptierung der Wahrheit senden. Nur dann werden wir in eine gute Zukunft des Dialogs der Kulturen gehen können.
(Beifall von rechts und aus des Mitte)
Poul Nyrup Rasmussen, im Namen der PSE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident Barroso! Herr Schultz, unser Fraktionsvorsitzender hat mich gebeten, heute im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament zu sprechen, und ich übernehme diese Aufgabe gern, zumal es um diese Angelegenheit geht. Es war schrecklich und schockierend mit anzusehen, wie Menschen ermordet wurden, wie die Flaggen meines eigenen Landes sowie anderer Länder verbrannt wurden, wie Botschafter angegriffen und Boykotts verhängt wurden, was dazu geführt hat, dass eine große Anzahl von Menschen ihre Arbeitsplätze verloren hat. Es war doppelt deprimierend, zumal die Geschichte unserer Länder auch durch die Toleranz, das Verständnis und den Respekt gegenüber anderen Völkern geprägt ist. Wir waren stets an vorderster Front, wenn es um die internationale Solidarität sowie um wirtschaftliche und politische Hilfe für die armen Völker auf der ganzen Welt ging. Wir haben stets für Gerechtigkeit und für das Recht der Völker auf eigene unabhängige Staaten, die durch friedliche Koexistenz geprägt sind, gekämpft, insbesondere im Fall von Palästina.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gewalt, die wir erleben, nicht völlig außer Kontrolle gerät. Diese Gewalt muss jetzt aufhören, und ich möchte Herrn Barroso persönlich sowie im Namen meines Landes für das klare Signal danken, das er heute im Parlament ausgesandt hat, und für die Solidarität, die er meinem Land sowie allen Ländern gegenüber demonstriert hat, die angegriffen worden sind. Ein Angriff auf einen Mitgliedstaat ist ein Angriff auf die Europäische Union insgesamt.
Wichtig ist es jedoch auch zu betonen, dass die Europäische Union für das Gegenteil von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz steht. Die europäischen Werte basieren auf dem Respekt gegenüber anderen Völkern und Religionen. Unsere gesamte blutige Geschichte hat uns die Weisheit des gegenseitigen Verständnisses, der Würde und der Koexistenz gelehrt. Das Erste, was ich deshalb heute der ganzen muslimischen Welt und jedem in Europa sagen möchte, ist, dass es sich bei der Meinungsfreiheit nicht um etwas handelt, bei dem wir Kompromisse eingehen können. Keine Regierung, kein normaler Bürger kann ein Fragezeichen hinter diese Freiheit setzen. Die Meinungsfreiheit existiert jedoch nicht in einem luftleeren Raum. Sie muss und wird verantwortungsbewusst ausgeübt werden. Und wir können auch keine Kompromisse in Bezug auf den Respekt gegenüber anderen Völkern und Religionen eingehen. Dies ist ebenfalls ein elementarer Grundsatz der Menschenrechte, auf die sich Europa und die UNO stützen. Meinungsfreiheit muss daher Hand in Hand mit dem Respekt gegenüber anderen Völkern gehen. So muss es sein.
Ich möchte meine Meinungsfreiheit heute nutzen, um die Karikaturen des Propheten Mohammed, die vor einigen Monaten in einer dänischen Zeitung erschienen sind, zu kritisieren und zurückzuweisen. Sie zu veröffentlichen war arrogant und respektlos und Ausdruck einer völligen Unkenntnis des Islams. Ich möchte betonen, dass die Karikaturen nicht die Haltung der gewöhnlichen Bürger Dänemarks reflektieren. Wir sind uns sowohl in Dänemark als auch anderswo in Europa voll und ganz bewusst, dass die Liebe zu unserem Heimatland sowie unsere Würde und Religion nicht von uns verlangen, andere zu kritisieren oder uns abfällig über sie zu äußern, wenn das, worum es gerade geht, etwas ist, das sie als heilig erachten. Ich bin mir auch bewusst, dass viele Menschen in Europa nicht verstehen können, warum der dänische Ministerpräsident sich weigerte, Botschafter aus der arabischen Welt zu treffen. Das ist etwas, was auch ich nicht verstehe. Wir können jedoch nicht ändern, was geschehen ist. Das Wichtigste ist, dass die dänische Regierung anschließend ihre Meinungsfreiheit nutzte, um klar und deutlich ihren Respekt gegenüber anderen Völkern und deren Religionen, nicht zuletzt gegenüber dem Islam, zum Ausdruck zu bringen. Jetzt müssen wir nach vorne schauen.
(EN) Wir möchten heute eine klare Botschaft vermitteln: Wir sind entschlossen, neue Provokationen zu ignorieren und Extremisten in Europa und der muslimischen Welt keine Gelegenheit zu geben, damit Gewalt und Intoleranz zu schüren und neue Gerüchte übereinander zu verbreiten.
Wir haben das alles schon so oft bei fremdenfeindlichen und populistischen Parteien in Europa und bei extremistischen Bewegungen in der muslimischen Welt erlebt. Wir sagen „Nein“ zu denen, die uns einreden wollen, es gehe um einen Kampf zwischen „den anderen und uns“. Schon viel zu lange haben wir zugelassen, dass Extremisten auf beiden Seiten ihr falsches Spiel treiben. Und das Schlimmste ist, dass sie Hass und Angst geschürt und Gehör für ihre Parolen gefunden haben. Es ist an der Zeit, dass gemäßigte und verantwortungsbewusste Stimmen eine neue Richtung vorgeben, eine neue Agenda, wie Herr Barroso sagte, die klar und unmissverständlich zeigt, dass es einen anderen Weg gibt.
Wir in Europa wollen nicht noch Öl ins Feuer der Extremisten gießen. Die Botschaft des Europäischen Parlaments ist klar: Wir wollen alle Kräfte in einen neuen und sehr viel intensiveren Dialog mit der islamischen Welt einbinden, der auf bedingungslosem Respekt basiert – einem Respekt, der über Grenzen hinausgeht und allen Völkern und Religionen gilt. Wir wissen, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Deshalb haben wir eine ganz besondere Verantwortung. In dieser globalisierten Welt geht es nicht um einen Kampf zwischen „den anderen und uns“: Wir sitzen alle im selben Boot. Und hier geht es auch nicht um einen Kampf der Religionen oder Kulturen.
Was geschehen ist, geschah aus Ignoranz und hat zu Demütigung und Beleidigung geführt. Extremisten haben diese Gelegenheit genutzt, um Hass und Gewalt zu schüren. Wenn wir die tieferen Ursachen für diese Reaktionen verstehen wollen, müssen wir uns klar machen, dass diese Karikaturen in Verbindung mit der Manipulation durch extremistische Kreise nur der letzte Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen brachte. Viele muslimische Gesellschaften haben seit Jahren mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, das sollten wir nicht vergessen. Diese Ereignisse sollten uns vor Augen führen, was Demütigung und die Arroganz derer, die Macht und Wohlstand besitzen, auslösen können.
Wir sollten nicht den Fehler machen, kurzsichtige Sanktionen zu verhängen, sondern unsere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit fortsetzen. Lassen wir das, was die Karikaturen ausgelöst haben, hinter uns. Sie sollten das Letzte sein, was eine Provokation verursacht. Machen wir gemeinsam den nächsten Schritt und entwickeln wir einen noch intensiveren Dialog – einen kritischen, offenen, anhaltenden und konstruktiven Dialog.
(Beifall)
Karin Riis-Jørgensen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Kernaussage der Fraktion der Liberalen und Demokraten in dieser heutigen Aussprache ist, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung schützen und verteidigen müssen, nicht nur in Europa, sondern auch in Kabul und Teheran. Es ist völlig unannehmbar, gewaltsame Proteste, Übergriffe auf Botschaften, das Verbrennen von Flaggen und den Boykott von Waren an die Stelle des Dialogs zu setzen. Der Fall eines europäischen Unternehmens, das dänische Waren boykottiert hat, ist bedauerlich und zeugt nicht gerade von europäischer Solidarität.
Wir alle sind erschüttert und traurig über die schrecklichen Ereignisse der letzten zwei Wochen, und für niemanden waren sie ein größerer Schock als für mich und meine dänischen Landsleute. Die muslimische Gemeinschaft sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die weltweiten Spannungen die Unterstützung für die zuwanderungsfeindlichen Parteien am äußersten rechten Rand nur noch verstärkt haben und von Extremisten innerhalb wie außerhalb Europas missbraucht werden.
Europäische Bürger aus allen Gemeinschaften müssen sich jetzt ihrer persönlichen Verantwortung stellen, damit dieser wachsenden Welle des Zorns Einhalt geboten werden kann. Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten auf Kosten einer gemäßigten Mehrheit die Oberhand gewinnen. Wir müssen gemeinsam für die Einhaltung von Artikel 11 des Vertrages eintreten und Gewalt und Drohungen gegen Mitgliedstaaten verurteilen. Wenn die dänische Flagge und andere europäische Flaggen verbrannt werden, sollte sich die EU solidarisch zeigen, wie dies heute der Fall war, und Forderungen zurückweisen, dass sich Regierungen im Namen unabhängiger Medien entschuldigen sollen ...,
(Beifall)
... zumal dieser Sachverhalt in Paragraph 77 der dänischen Verfassung eindeutig geregelt ist: „Jedermann ist – unbeschadet seiner Verantwortlichkeit gegenüber den Gerichten – berechtigt, seinen Gedanken in Druck, Wort und Schrift öffentlich Ausdruck zu verleihen. Zensur und andere vorbeugende Maßnahmen dürfen niemals wieder eingeführt werden“.
Die EU sollte auch dem Vorstoß der Organisation der Islamischen Konferenz und der Arabischen Liga eine klare Abfuhr erteilen, mit dem diese eine mit möglichen Sanktionen verbundene UN-Resolution erreichen wollen, die Angriffe gegen Glaubensbekenntnisse verbietet. Ein solcher Antrag würde gegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen vieler freiheitlicher Demokratien verstoßen und wäre geradezu eine Ermutigung zur weltweiten Kriminalisierung jeder Form der Meinungsfreiheit.
(Beifall)
Niemand bestreitet das Recht von Muslimen, sich durch diese Zeichnungen verletzt zu fühlen, ebenso wie Sikhs, Juden, Christen oder Angehörige anderer Glaubensrichtungen das Recht haben, an dem Anstoß zu nehmen, was in der Presse veröffentlicht wird. Beschwerden müssen allerdings bei den entsprechenden rechtlichen Stellen vorgebracht werden. In einer zivilisierten Gesellschaft darf eine Beleidigung niemals Anlass zu Gewalt sein. In einer säkularen demokratischen Gesellschaft wie der unseren muss die Pressefreiheit weiterhin einen sehr hohen Stellenwert genießen, weil diese Freiheit die Grundsätze der Demokratie und des Pluralismus untermauert, die das Fundament unserer Union bilden und die in allen internationalen Übereinkommen anerkannt worden sind. Deshalb sollten alle Gläubigen für diese Werte eintreten, die gewährleisten, dass jeder in Europa seine Religion frei und offen ausüben kann, aber sie sollten auch das Recht derer akzeptieren, die nicht an einen Gott glauben.
Das heißt nicht, dass es keine Grenzen für die Pressefreiheit gibt und diese Freiheit ein Freibrief für Angriffe aller Art ist. Es ist offensichtlich, dass nach den Ereignissen vom 11. September und den Bombenanschlägen in Madrid und London mehr Fingerspitzengefühl notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften so harmonisch wie möglich bleiben. Dennoch sind die Liberalen und Demokraten davon überzeugt, dass das aktuelle Problem nicht durch Zensur, sondern allein durch Dialog gelöst werden kann. Deshalb unterstützen wir die vom UN-Generalsekretär angeregte Initiative für eine Allianz der Zivilisationen, und wir danken Kommissar Frattini für die Einberufung einer Gesprächsrunde mit Medienverantwortlichen, Journalisten und hochrangigen Vertretern der Religionsgemeinschaften. Aber wir unterstützten Ihren Vorschlag für einen Verhaltenskodex für die Presse nicht uneingeschränkt, Herr Frattini, und wir ermutigen Herrn Solana, genau dieselbe Grenze zu ziehen. Ein solcher Vorstoß führt nur zu noch größerem Misstrauen und gegenseitigen Feindseligkeiten, denn wie sollen sich die Gemeinschaften jemals gegenseitig akzeptieren, wenn sie nicht offen über die Themen diskutieren können, bei denen die Trennlinien zwischen ihren Kulturen sichtbar werden?
Bevor ich meinen Beitrag auf Dänisch schließe, möchte ich dem Präsidenten der Kommission, Herrn Barroso, und meinen Kollegen hier in diesem Haus persönlich für ihre Solidarität danken.
(DA) Die Meinungsfreiheit ist ein Recht, jedoch nicht notwendigerweise auch eine Pflicht. Aber sie ist ein Recht, das nicht in Frage gestellt werden und bei dem es keine Kompromisse geben darf. Wenn wir damit anfangen, bei unserer Meinungsfreiheit Kompromisse einzugehen, und zugleich unser Recht aufgeben, alle Religionen kritisch zu beurteilen, dann schränken wir unser elementares Recht ein, zu denken und uns frei zu äußern.
Daniel Marc Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kollegen! Hannah Arendt hat gesagt: Die Freiheit verstört und schmerzt. Menschen können sogar vor ihr fliehen, denn sie kann manchmal schwer und unangenehm sein. Ich glaube, dass wir als politische Menschen und als Politiker eines nicht machen dürfen, nämlich zum Beispiel zu versuchen, für die Presse zu formulieren, was ihre Grenzen sind. Dies können und dürfen Politiker nicht. Was common sense ist, das weiß nur eine Gesellschaft. Wir Politiker können uns natürlich darüber unterhalten, wo wir mit unserem Handeln Menschen verletzen – wenn wir z. B. Ausländergesetze machen, wie in Dänemark, die Einwanderer verletzen und nicht respektieren. Das können wir hier kritisieren, wie es der Europarat mit Dänemark gemacht hat. Oder wir können kritisieren, wenn z. B. in den deutschen Bundesländern ein Fragebogen für Muslime formuliert wird, der die Muslime ganz offensichtlich nicht respektiert. Das können wir als Politiker sehr wohl kritisieren und diskutieren.
Ich bitte Sie: Diese ganze Diskussion um die Grenzen ist eine gesellschaftliche Diskussion. Herr Barroso hat Recht: Man hat das Recht, Karikaturen zu veröffentlichen, gegen uns Politiker, gegen mich, gegen Hans-Gert Pöttering und wen auch immer. Wir haben das Recht, in der Gesellschaft zu sagen, es gefällt uns nicht. Die Muslime haben das Recht – und wir respektieren das –, dagegen zu demonstrieren. Wie Mitglieder der jüdischen Gemeinde demonstriert haben gegen ein Theaterstück von Rainer-Werner Fassbinder. Das ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung. Wir können aber keinen code of conduct für die Presse formulieren. Das muss die Presse selbst machen oder nicht, das ist nicht unsere Aufgabe!
In der weltweiten Auseinandersetzung wird immer gesagt, die Religionen müssen respektiert werden. Ja, aber die Religionen sind im öffentlichen Raum, und als solche werden sie – die Religionen – Ziele von blasphemischen Karikaturen sein. Das gehört zu Religion und Demokratie wie die Luft zum Atmen, das ist nun einmal so. Das heißt nicht, dass man diese Karikaturen für gut, für geschmackvoll halten muss. Freiheit ist weder geschmackvoll noch geschmacklos. Freiheit ist etwas, was wir uns erkämpft haben, und es ist noch keine Welt zusammengebrochen, weil zu viel Freiheit war, sondern sie ist immer zusammengebrochen, weil zu wenig Freiheit war. Viel zu wenig!
Deswegen sage ich: Ich bin nicht solidarisch mit den Karikaturen. Ich kann Ihnen sagen, bei welchen ich geschmunzelt habe, bei welchen ich gelacht habe, welche ich abstoßend fand. Ich bin solidarisch mit allen Menschen, die Opfer von Gewalt sind in dieser Auseinandersetzung. Ich finde es entsetzlich, was zum Beispiel große europäische Unternehmen gemacht haben – Carrefour, Nestlé – die Anzeigen in Saudi-Arabien geschaltet haben mit dem Spruch „Wir sind keine Dänen, wir sind Franzosen!“. Das ist geschmacklos, das können wir angreifen! Aber bitte keine Selbstgerechtigkeit!
Nehmen wir die Religion nicht heraus aus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, weil auch die Religionen den Anspruch haben, zu sagen, was richtig ist oder falsch. In der Abtreibungsfrage, in der Frage der Homosexualität dürfen wir sie nicht karikieren, wenn sie darüber Unsinn sagen – das ist unsere Freiheit. Diese Freiheit wollen wir auch verteidigen.
Wenn wir in unserer Welt die Einwanderer mehr respektieren würden, wenn wir sie mit unseren Gesetzen mehr respektieren würden, hätten sie die Möglichkeit, unsere Freiheiten anders zu diskutieren. Geben wir ihnen die Freiheiten, die wir für uns in Anspruch nehmen, und sie werden mit dieser Freiheit verantwortungsvoll umgehen!
(Beifall von der Verts/ALE Fraktion)
Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Unter all den kategorischen Urteilen, zu denen die Angelegenheit der Mohammed-Karikaturen bislang Anlass gab, gab es nur wenige, die mich überzeugen konnten. Dieses Thema ist für jede Art Schablonendenken geeignet, und dies ist eine Falle, der wir meiner Ansicht nach um jeden Preis entkommen müssen. Ruhiges und differenziertes Nachdenken über die verschiedenen Aspekte des Problems, mit dem wir es hier zu tun haben, ist meiner Meinung nach dringend geboten.
Zunächst geht um die Frage der Meinungsfreiheit, die unbestritten Prüfstein für die Demokratie und auch für das Bestehen eines nicht konfessionellen öffentlichen Raums ist, dem wir berechtigte Bedeutung beimessen. Dieser Raum soll von einem kritischen Geist, einem persönliches Verhältnis zu seinem jeweiligen Glauben und Toleranz geprägt sein. Hinsichtlich dieser Errungenschaft kennen wir keine Kompromisse, wir sollten uns aber zugleich darin einig sein, dass die Verteidigung dieser Grundsätze keine Beleidigungen, Verallgemeinerungen und Stigmatisierungen und noch weniger deren Rechtfertigung dulden darf. Wir können immer wieder nur betonen, dass wir alle in einer Welt leben, die immer kleiner wird, wo alles miteinander zusammenhängt und wo weder Europa oder der Westen generell noch irgendeine andere Region Zentrum ist. Und daraus gilt es alle Konsequenzen zu ziehen. Wir handeln nunmehr stets vor den Augen der gesamten Menschheit. Daher müssen wir uns bemühen, eine Art weltumspannenden Bürgersinn ins Leben zu rufen. Der Einzelne kann seine Freiheit nur dadurch ausüben, dass er alle anderen respektiert.
Was aber soll man umgekehrt von den völlig unangemessenen Reaktionen einiger arabischer Staaten auf diese Vorfälle halten, abgesehen davon, dass ihr Ziel wohl vor allem darin besteht, bei ihrer Bevölkerung das Image ihrer Führung wieder aufzupolieren, das im Zusammenhang mit deren Unterordnung unter eine Großmacht, die anderweitig viel mehr Schuld auf sich geladen hat als das friedliche Dänemark, etliche Schrammen davongetragen hat? Andernorts sind es die radikalen Islamisten, die mit den europäischen Rechtsextremen bei der Instrumentalisierung solcher Vorfälle wetteifern, um ihre Anhängerschaft aufzuputschen und sachliche, mutige und fortschrittliche Stimmen zum Schweigen zu bringen, die ihnen ihr Terrain streitig machen. Das Schlimmste wäre deshalb, ihnen ohne es zu wollen Wasser auf die Mühlen zu gießen, anstatt alles zu tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Wir sollten uns eher dafür interessieren, was dieser Vorfall hinter dieser situationsbedingten Überhitzung und jenseits der dadurch erzeugten verwerflichen Exzesse an Wesentlichem enthüllt, nämlich die unverhältnismäßige Reaktion von durch ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit, Unterwerfung und Demütigung gepeinigten Wesen, für das – insbesondere von Palästina bis zum Irak – der Westen verantwortlich gemacht wird.
Wie es der große palästinensische Poet Mahmoud Darwish allgemein in die Worte fasst, haben Araber und Moslems das Gefühl, aus der Geschichte ausgestoßen zu sein. Hier deutet sich meiner Ansicht nach die wichtige Rolle an, die Europa zukommen könnte – nämlich Brücken zwischen den Zivilisationen zu errichten. Ein solches Anliegen ist aber nur dann glaubwürdig, wenn man sich klar von jenen lossagt, die sich als die Herren der Welt aufführen und die letztere zugleich – man sieht es ja von Tag zu Tag deutlicher – an den Rand der Konfrontation treiben. Dabei ist auch erforderlich, dass für ausnahmslos alle Staaten das gleiche internationale Recht gilt, damit im Nahen Osten vor allem jene offene Wunde, die ewig das Gift der Verzweiflung ausströmt, Heilung findet. Möge die unglückselige Geschichte der Karikaturen uns als Hinweis auf die vor uns stehenden strategischen Ziele dienen.
(Beifall von links)
Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Guten Morgen, kleine EU! Die Globalisierung ist in der Tat angekommen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass die dänische Flagge von anderen mit einer solchen Leidenschaft verbrannt werden könnte. In der Frage der Meinungsfreiheit werden wir niemals nachgeben. Die Meinungsfreiheit muss ebenso respektiert werden wie die Religionsfreiheit.
Der Herausgeber der „Jyllands-Posten“ hat sich für die Gefühle entschuldigt, die durch die Veröffentlichung in seiner Zeitung ausgelöst worden sind. Heute würde er die Karikaturen nicht mehr veröffentlichen. Einige Imame in Dänemark haben die von ihnen kritisierten Karikaturen verbreitet. Weshalb fühlt man sich durch Karikaturen derart beleidigt, die man selbst an möglichst viele andere weitergegeben hat?
Der dänische Ministerpräsident hat sich zu Recht geweigert, die Verantwortung für den Inhalt unserer Zeitungen zu übernehmen, aber wenn 11 arabische Botschafter um ein Gespräch bitten, ist es die Pflicht eines Ministerpräsidenten, sich mit ihnen zusammenzusetzen. Er hätte erklären sollen, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit in Dänemark von den Gerichten und nicht von der Regierung bestimmt werden. Er hätte erläutern können, wie man sich an die für die Presse zuständige Behörde wenden und deren Urteil einholen kann.
Blasphemie ist nach dem dänischen Strafgesetz ein Straftatbestand. Jeder dänische Herausgeber muss eine globale Verantwortung übernehmen. Karikaturen in einer Zeitung können über das Internet und globale Medien wie durch ein Lauffeuer verbreitet werden. Mehrere Menschen sind getötet worden.
Der dänische Außenminister hat nach den Brandanschlägen auf dänische Botschaften eine bemerkenswerte Pressekonferenz abgehalten. Er hat von Dialog und Großzügigkeit statt Feindseligkeit gesprochen. In Dänemark droht jedem, der den Koran verbrennt, eine Gefängnisstrafe. Ich bin ganz seiner Meinung: Was wir brauchen ist Großzügigkeit, nicht Feindseligkeit. Wir müssen lernen, Muslime zu respektieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten, auch wenn wir in der Frage der Meinungsfreiheit niemals von unserer Position abweichen werden.
Meine Fraktion hat davor gewarnt, die Grundrechte im Gemeinschaftsrecht zu verankern. Entscheidungen über die Meinungsfreiheit und religiöse Rechte, die Augenmaß erfordern, müssen auf lokaler Ebene auf der Grundlage der von den Vereinten Nationen und der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Vorgaben getroffen werden. Wir können in der neuen Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer einen Dialog anbieten. Wir können unsere Austauschprogramme erweitern, damit Europäer die arabische Welt und junge Araber uns besuchen können. Wir können unsere Märkte stärker für ihre Waren öffnen und Frieden und Wohlstand im Nahen Osten in die Liste unserer Prioritäten aufnehmen, aber wenn staatlich unterstützte Handelsboykotte gegen dänische Erzeugnisse verhängt werden, muss die EU bei der WTO Protest gegen ein solches Vorgehen einlegen.
Der Islam hat nichts mit der dänischen Verfassung zu tun. Imame in Dänemark haben nicht das Recht, andere Nationen zur Unterstützung aufzurufen. Muslime können sich ebenso wie alle anderen Bürger an die dänischen Gerichte wenden. Wenn das nicht ausreicht, können sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hier in Straßburg anrufen. Die Globalisierung ist zur Realität geworden. Wir alle müssen offener werden. Es gibt keine einfache Lösung, und wir können nicht mehr zurück. Wir alle müssen uns ein wenig ändern, damit wir im globalen Dorf zusammenleben können. Eine kleine Karikatur kann einen Dritten Weltkrieg auslösen, so, wie die Schüsse eines jungen Studenten auf Erzherzog Franz-Ferdinand in Sarajewo den Ersten Weltkrieg ausgelöst haben. Die Schüsse eines Studenten – oder eine satirische Karikatur – sind vielleicht nicht der eigentliche Grund, aber es ist gut, wenn wir das Signal ernst nehmen. Wir alle müssen auf dieser Erde zusammenleben. Noch haben wir keine andere Alternative.
Wir müssen alle auf diesem Planeten zusammenleben.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! In unserer Diskussion über das Recht auf Freiheit und die Meinungsfreiheit möchte ich darauf hinweisen, dass Oliver Wendell Holmes, ein Richter am amerikanischen Supreme Court einmal gesagt hat, dass es keine absoluten Rechte gibt und Rechte eingeschränkt werden können. Als Beispiel führte er an, dass niemand das Recht hat, in einem voll besetzten Kino „Feuer“ zu rufen, wenn es dort nicht wirklich brennt.
Eines der Probleme in unseren Diskussionen ist der berechtigte Wunsch sicherzustellen, dass die Presse und die Medien in Europa ihre Meinung frei äußern können, dass sie die Freiheit haben, jemanden oder etwas auf die Schippe zu nehmen, Satire zu machen und manchmal auch Menschen zu beleidigen. Eine Demokratie braucht ihrem Wesen nach das Überdruckventil des Humors und der Beleidigung, damit sie reibungslos funktioniert. Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier in diesem Haus die gewalttätigen Reaktionen in bestimmten Ländern des Nahen Ostens auf die Veröffentlichung dieser Zeichnungen und Karikaturen auch nur im Entferntesten entschuldigen kann.
Doch was in dieser Debatte, Diskussion und Medienberichterstattung bedauerlicherweise übersehen wird, sind die vielen friedlichen Proteste, die es ebenfalls gegeben hat. Dabei haben Muslime und Nichtmuslime gemeinsam ihren Unmut zum Ausdruck gebracht, nicht weil sie diese Karikaturen und die dargestellten Motive per se als Beleidigung für ihren religiösen Glauben empfanden, sondern weil sie sich als Menschen beleidigt fühlten. Die Achtung der Menschenwürde ist in jeder Demokratie ein ebenso wichtiges Recht wie das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Heute besteht eine der größten Herausforderungen für uns in der Europäischen Union darin, dass wir nicht auf jeden schrecklichen Vorfall oder jede Gewalttätigkeit reflexartig reagieren. Für mich, der ich aus einem kleinen Land wie Irland komme, war es ein Schock zu sehen, wie die dänische Botschaft in Brand gesteckt und die Flagge eines Landes öffentlich verbrannt wurde, das für Freiheit und gegen Intoleranz eintritt. Besonders geschmacklos und unerträglich fand ich außerdem die Bilder in den Medien, die zeigten, wie einige wenige, vor allem junge Menschen, sich auf diesen Demonstrationen selbst Verletzungen zufügten. Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt, dass die Auflage steigt, wenn Blut fließt. Je dramatischer die Bilder, umso größer ist die Chance, dass sie es auf die Titelseiten schaffen.
Wie kann Europa reagieren? Präsident Barroso sagte zu Recht, dass Europa solidarisch hinter unseren dänischen Kollegen steht, weil ein Boykott dänischer Waren einem Boykott aller europäischen Waren gleichkommt. Wir müssen sicherstellen, dass wir unseren Kollegen in der dänischen Regierung den Rücken stärken können, damit sie sich dem Druck der Medien nicht beugen und nicht von ihrer derzeitigen Position abweichen. Auch wenn wir der Politik der dänischen Regierung und ihrem diplomatischen Geschick kritisch gegenüberstehen, erkennen wir an, dass Ministerpräsident Rasmussen einen Grundsatz verteidigt hat. Er sagte, er werde in der Frage, ob die Regierung oder das Parlament Kontrolle über die Medien ausüben sollten, nicht nachgeben. In fünfzig Jahren wird man ihn wegen seiner entschlossenen Haltung feiern, denn die Freiheit der Medien ist ein Bollwerk der Demokratie.
Mein letzter Punkt bezieht sich darauf, dass beide Seiten versuchen werden, diesen Streit als Kampf der Zivilisationen, Religionen oder Kulturen darzustellen. Respekt und Toleranz sind in dieser Situation nötiger als alles andere. Wir müssen die Unterschiede respektieren und den verschiedenen Religionen in der Europäischen Union einen angemessenen und wichtigen Platz einräumen, aber wir erwarten im Gegenzug dafür, dass sie sich gegenseitig anerkennen.
Die Freiheit darf niemals aufgegeben werden. Die Freiheit kann uns genommen werden, aber die Freiheit, die es uns ermöglicht, die Leidenschaften in unseren Herzen und Seelen lebendig zu halten, muss zu jeder Zeit bewahrt und geschützt werden.
(Beifall)
Frank Vanhecke (NI). – (NL) Herr Präsident! Alles in allem ist es meines Erachtens eine Schande, wie wenig Solidarität gegenüber Dänemark die meisten europäischen Regierungen in dieser Situation gezeigt haben. Ebenso beschämend sind die Unterwürfigkeit und Feigheit, mit denen man auch heute wieder den äußerst behutsam gewählten Worten der Solidarität sogleich alle möglichen Einwendungen folgen lässt, um die Islam-Fanatiker bloß nicht zu beleidigen.
Wir müssen uns alle als Dänen fühlen, denn die kriminellen Ausschreitungen gegen Botschaften, der Boykott dänischer Erzeugnisse sowie die gewaltsamen Demonstrationen richten sich im Grunde genommen gegen die Freiheit und gegen den Westen insgesamt. Wer auf diese Drohung mit der kaum verhohlenen Forderung nach Selbstzensur reagiert, macht sich faktisch zu einem Verbündeten des Terrors.
Lassen Sie mich in diesem Hause die Frage wiederholen, derentwegen der Chefredakteur einer jordanischen Zeitung festgenommen und hinter Gitter gebracht wurde: Wodurch wird der Islam eigentlich mehr beleidigt – durch die Veröffentlichung von ein paar Karikaturen oder durch die Bilder islamischer Geiselnehmer, die ihren Opfern vor laufenden Kameras die Kehle durchschneiden? Darf ich ferner fragen, ob es irgendwo in der Welt ein islamisches Land gibt, in dem Atheisten oder Andersgläubigen mit dem gleichen Respekt begegnet wird, den die Muslime von uns verlangen?
Die Frage stellen, heißt sie beantworten, und deshalb ist es höchste Zeit, dass wir nicht mehr wie die Katze um den heißen Brei schleichen und von den in Europa lebenden Muslimen – die übrigens Religionsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit genießen und sich all der Wohltaten der sozialen Sicherheit erfreuen, und zwar zu Recht – fordern, sich selbst weniger ernst zu nehmen und zu begreifen, dass Demokratie bedeutet, unterschiedlicher Meinung sein und bisweilen entgegengesetzte Standpunkte vertreten zu können.
Wer damit nicht leben kann, sollte besser von seiner Freiheit Gebrauch machen und in eines der zahlreichen Länder übersiedeln, in denen bereits die starren und oftmals sehr grausamen Gesetze des Islam gelten.
Ich möchte die dänische Königin Margaretha II zitieren, der ich vollkommen zustimme und die weitaus beherzter zu sein scheint als alle politischen Führer Europas zusammen: „In diesen Tagen werden wir auf nationaler und internationaler Ebene durch den Islam herausgefordert. Dieses Problem haben wir viel zu lange ruhen lassen, weil wir tolerant und vielleicht sogar selbstgefällig waren. Wir müssen dem Islam unseren Widerstand zeigen und bereit sein, das Risiko einzugehen, manchmal auch mit einem negativen Etikett versehen zu werden“.
Lasst uns daher das Recht auf freie Meinungsäußerung mit aller Entschiedenheit verteidigen. Die europäischen Länder, in denen bereits freiheitsfeindliche Gesetze zur Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit bestehen – Belgien beispielsweise –, sollten die Initiative zur Abschaffung solcher Maulkorbgesetze ergreifen, um somit allen, die die Freiheit bekämpfen, ein deutliches Signal zu senden.
Des Weiteren sollten wir daraus Lehren für die Verhandlungen mit der Türkei ziehen, denn die Türkei kann nie ein EU-Mitgliedstaat werden, aus dem einfachen Grund, dass sie kein europäisches Land ist, und weil ferner die Grundprinzipien des Islam mit den europäischen Werten der Freiheit, der Trennung von Staat und Kirche und der Gleichberechtigung von Mann und Frau unvereinbar sind. Wir müssen endlich den Mut aufbringen, dies auch zu sagen, zumal da Ministerpräsident Erdogan jetzt die Arroganz besaß, der Meinungsfreiheit Beschränkungen auferlegen zu wollen.
Gestatten Sie mir als abschließende Bemerkung zu dieser dänischen Affäre noch ein beeindruckendes Zitat aus dem Leitartikel von Frau Doornaert in der flämischen Zeitung „De Standaard“: „Europa ist offensichtlich nicht imstande, von seiner Appeasement-Tendenz loszukommen. Es sollte jedoch mittlerweile gelernt haben, dass man ein totalitäres Monstrum nicht beschwichtigen kann. Je mehr man es füttert, desto dreister wird es“. Frau Doornaert und ihre Zeitung vertreten sicherlich nicht den gleichen politischen Standpunkt wie ich, aber wir wären gut beraten, über diese prophetischen Worte sorgfältig nachzudenken.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht mir selbstverständlich nicht zu, eine Debatte in diesem Haus zu kommentieren. Ich möchte mich aber im Namen des Rates doch sehr herzlich bedanken für die starke Botschaft, die heute hinausgegangen ist – das Bekenntnis zu den Werten, aber auch das Bekenntnis zu einem toleranten Dialog mit anderen Zivilisationen und Religionen.
Ich möchte auch betonen, dass es für den Rat selbstverständlich sehr wichtig ist, dass alle Institutionen der Europäischen Union, die Kommission, das Europäische Parlament und auch der Rat, hier einer Meinung sind und mit der gleichen Sprache sprechen. Ich halte das für sehr wichtig. Diese Debatte, die wir heute hier erlebt haben, wird auch die Arbeit des Rates in der Zukunft erleichtern.
Es wurde vom Präsidenten der Kommission gesagt, es wurde von sehr vielen Rednern gesagt, auch im Namen des Rates will ich noch einmal wiederholen, was ich in meinem Einleitungsstatement gesagt habe: Jeder Angriff auf einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, jeder Boykott gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist ein Angriff auf die Europäische Union, und wir sind selbstverständlich mit Dänemark solidarisch. Ich möchte das auch im Namen des Rates zum Ausdruck bringen.
Es sind hier eine Reihe von sehr interessanten Ideen vorgebracht worden, die der Rat gerne aufgreifen wird. Ich bin mit Herrn Pöttering einer Meinung, dass es darum geht, auch die jungen Leute, gerade die jungen Leute, zu erreichen – in den Schulen, aber auch in den Familien, denn die Erziehung beginnt selbstverständlich in der Familie – und ich stimme mit Herrn Pöttering überein, dass es wichtig ist, auch in den Schulbüchern Stereotypen und Klischees zu vermeiden. Ich halte es darum für eine gute Anregung, hier eine Überprüfung vorzunehmen.
Ich kann mit Herrn Rasmussen nur übereinstimmen, wie wichtig der Dialog der Zivilisationen ist und dass wir einen offenen, kritischen, respektvollen Dialog miteinander brauchen. Das erscheint mir sehr wichtig. In der Tat, Extremisten dürfen nicht triumphieren. Das ist eine wesentliche Aussage, die wir hier treffen müssen. Selbstverständlich geht es nicht darum, vor Extremisten in die Knie zu gehen, wegen irgendwelcher Vorteile. Hier müssen wir uns einig und solidarisch sein. Ich kann Herrn Cohn-Bendit nur zustimmen, und ich habe das auch gesagt in meiner Erklärung, dass ich auch der Meinung bin, dass die Verantwortung der Presse eine Eigenverantwortung ist, und dass es nicht darum geht, dass Regierungen der Presse sagen, was sie tun können oder was sie nicht tun können.
Ich weiß, dass über die Jahre, die Jahrzehnte im Europarat und in anderen Institutionen immer wieder der Versuch unternommen wurde, Verhaltenskodizes aufzustellen; sie sind alle gescheitert. Ich bin der Meinung, dass es hier um Eigenverantwortung geht. Das ist sehr wichtig.
Der Rat wird in dem Geiste, in dem auch diese Debatte heute hier geführt wurde, an einem besseren Verständnis zwischen den Zivilisationen und den Religionsgemeinschaften weiterarbeiten, aber auch eine deutliche Sprache sprechen, wenn es darum geht, Gewalt abzulehnen, und wenn es darum geht, abzulehnen, dass gegen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gewalt angewendet wird oder Boykottmaßnahmen gesetzt werden. Hier müssen wir solidarisch sein.
(Beifall)
Der Präsident. Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, am Donnerstag, um 10.00 Uhr statt.
Ana Maria Gomes (PSE). – (PT) Ich habe für diesen Entschließungsantrag gestimmt, weil ich für die freie Meinungsäußerung als europäischen und universellen Wert eintrete und weil ich Gewalt als Ausdruck für Empörung unabhängig von ihrer Zielrichtung ablehne, und das schließt europäische Interessen und Botschaften ein.
Außerdem habe ich dafür gestimmt, weil in Ziffer zwei des Entschließungsantrags Aufrufe zu religiösem Hass und die Verbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen verurteilt werden.
Dennoch halte ich den Entschließungsantrag insgesamt für unausgewogen, denn er bezieht sich vor allem auf die Meinungsfreiheit und nicht auf die islamfeindlichen Absichten hinter den von einer rechtsextremen, rassistischen und fremdenfeindlichen Zeitung in Dänemark veröffentlichten Karikaturen.
Wenn das Parlament die Freiheit der Meinungsäußerung und die grundlegendsten Menschenrechte fördern soll, dann muss es sich kategorisch von Islamfeindlichkeit distanzieren und alle Versuche verurteilen, den Islam und seine Glaubensanhänger mit Terrorismus gleichzusetzen.
Meine Stimme für diesen Entschließungsantrag war auch ein Ausdruck meiner Solidarität mit dem dänischen Volk. Ich billige jedoch nicht die selbstgefällige, arrogante Haltung der Regierung Fogh Rassmussen, die ich mitverantwortlich dafür mache, dass die reaktionären, extremistischen Kräfte sowohl in der westlichen als auch in der islamischen Welt Kapital aus dem Vorfall geschlagen haben, indem sie den „Kampf der Kulturen“ beschwören.