Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Perspektiven für Bosnien und Herzegowina.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bosnien und Herzegowina hat zweifellos in den 10 Jahren seit Abschluss des Friedensvertrages von Dayton große Fortschritte auf dem Weg der Schaffung einer multiethnischen Demokratie erzielt, und wir sollten das begrüßen und uns darüber freuen. Als wesentlich erscheint mir, dass wir, die wir alle vor zehn Jahren – und ich sage das auch als Österreicher, der sozusagen in der Nachbarschaft lebt – gebannt auf die Ereignisse, auf die unglaublichen Gräueltaten, auf den Krieg und das Leiden der Menschen geblickt haben, heute mit Befriedigung feststellen können, dass die Wahrscheinlichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung gering geworden ist. Das ist ein großer Erfolg der internationalen Staatengemeinschaft, aber insbesondere auch ein Erfolg der Europäischen Union.
Der Beginn von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowina ist ein Zeugnis dieses Erfolges, der in diesen zehn Jahren erzielt wurde. Ein wichtiges Beispiel für diese erzielten Fortschritte ist die Ende 2005 erfolgte Abschaffung von getrennten Verteidigungsministerien auf der Ebene der Entitäten Republika Srpska und der Föderation von Bosnien und Herzegowina. Alle Verteidigungsaufgaben und das Personal wurden einem gemeinsamen Verteidigungsministerium auf Gesamtstaatsebene übertragen, und das ist zweifellos ein Meilenstein in der Entwicklung dieses Landes. Die europäische EUFOR-Mission ALTHEA arbeitet eng mit diesen neuen gesamtstaatlichen Strukturen zusammen und treibt die Verteidigungsreform weiter voran.
Es gibt auch noch weitere Beispiele, die zeigen, dass die Gesamtstaatlichkeit und die Eigenverantwortung dieses Staates Fortschritte macht. Ich erwähne hier die Einführung einer gesamtstaatlichen Mehrwertsteuer mit 1. Jänner dieses Jahres.
Ein ganz wesentlicher Reformfortschritt war zweifellos die Einigung über die Polizeireform, die sich jetzt in der Implementierungsphase befindet, und wer diese Verhandlungen beobachtet und verfolgt hat, der weiß, wie schwierig es war und welche inneren Widerstände zwischen den Ethnien in diesem Staat bestanden haben. Die Überwindung dieser Schwierigkeiten ist zweifellos ein großer Erfolg, und man kann Bosnien und Herzegowina dazu nur gratulieren.
Die EU-Polizeimission in Bosnien und Herzegowina wird in diesem Prozess der Reform eine wichtige Rolle spielen. Erst am 1. Jänner dieses Jahres wurde die EUPM, die EU-Polizeimission, für weitere zwei Jahre verlängert, nachdem ihr ursprüngliches Mandat abgelaufen war. Das Mandat besteht in einer noch stärkeren proaktiven Unterstützung der Polizeiaspekte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, etwas, was in unseren Mitgliedstaaten von Bedeutung ist, weil wir natürlich auch die Auswirkungen einer organisierten Kriminalität in unserer Nachbarschaft zu spüren bekommen. EUPM, EUFOR und der Hohe Vertreter/EU-Sonderbeauftragte arbeiten in diesem Bereich eng zusammen, um eine koordinierte, kohärente und wirkungsvolle Unterstützung der Exekutivbehörden zu gewährleisten.
In den letzten Monaten hat es auch Anstrengungen in der Frage der Reform der Dayton-Verfassung gegeben. Es ist richtig, die Dayton-Verfassung wird immer wieder als zu kompliziert kritisiert, aber man darf nicht vergessen, dass diese Verfassung dazu geführt hat, dass – wie ich eingangs erwähnt habe – in diesem Land heute Frieden herrscht und eine Gefahr des Ausbruchs von Feindseligkeiten nicht mehr gegeben ist.
Die letztes Jahr begonnenen Verhandlungen, die Anfang dieses Jahres fortgesetzt wurden, sind zwar bis auf weiteres verschoben worden, und die Parteiführer konnten vorläufig noch keine Einigung über ein Gesamtpaket erzielen, aber es gibt Fortschritte, und in Zukunft können wir damit rechnen, dass diese Fortschritte auch zu konkreten Ergebnissen führen werden. Ich möchte insbesondere hier auch sagen, dass gerade die in den Bereichen Menschenrechte und der Stärkung der Position des Vorsitzenden des gesamtstaatlichen Ministerrates erzielten Fortschritte Anlass zu einem gewissen Optimismus geben.
Dieser Prozess der Reform, auch der Verfassungsreform, ist ein „Prozess“ und kein einmaliges „punktuelles Ereignis“. Wir müssen alle realistisch bleiben: In einem Wahljahr sind in einer Demokratie manche Dinge, vor allem wenn es um tiefgreifende Reformen geht, schwierig zu erzielen. Der Rat hat im Jänner in seinen Schlussfolgerungen festgehalten, dass die Diskussionen über die Verfassungsreform und die bisher erzielten Fortschritte begrüßt werden. Über alle diese Anstrengungen und auch über den Beitrag der internationalen Staatengemeinschaft und der Europäischen Union können wir das Leitmotiv stellen: Es muss mehr Eigenverantwortung der Institutionen in Bosnien und Herzegowina geben, was man unter dem Schlagwort ownership zusammenfasst.
Eine weitere wichtige Frage, die uns 2006 beschäftigen wird, ist die Zukunft des Hohen Vertreters und die Präsenz der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Es steht außer Zweifel, dass dieser Staat bis auf weiteres einer internationalen Hilfe bedürfen wird. Das Ziel muss es hier sein, den „push“ der internationalen Gemeinschaft – verkörpert vor allem in den umfassenden Befugnissen, den so genannten „Bonn Powers“, des Hohen Vertreters – zu ersetzen durch einen „pull“ aus Brüssel. Im Rahmen eines Übergangsprozesses vom Amt des Hohen Vertreters in der derzeitigen Form zu einem EU-Sonderbeauftragten sollten die Befugnisse und Eingriffsmöglichkeiten der internationalen Akteure reduziert werden. Das entspricht genau dem Begriff der ownership, der Übertragung von zusätzlichen Befugnissen und von Verantwortung an die Institutionen des Staates.
Dem entspricht auch – und darüber sollten wir uns freuen – das erklärte Ziel des neuen Hohen Vertreters Christian Schwarz-Schilling, der diese Funktion Ende Jänner von Paddy Ashdown übernommen hat. Er hat gesagt, als Hoher Vertreter wolle er verstärkt die Rolle eines „Fazilitators“ einnehmen und die Europäisierung des Landes vorantreiben, und weniger auf die Befugnisse zurückgreifen, die an sich der Hohe Vertreter hat, die er aber im Sinne einer Fortsetzung des Reformprozesses immer weiter zurückstellen wird müssen.
Daher begrüßen wir es, wenn Schwarz-Schilling gesagt hat, dass er die Eingriffsbefugnisse nur in Ausnahmefällen anwenden will.
Den Rahmen für die Heranführung von Bosnien und Herzegowina an die europäischen Strukturen bildet – wie auch bei den anderen Ländern des Balkans – der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess. Die Aufnahme dieser Verhandlungen, und damit der Verhandlungen über vertragliche Beziehungen mit der Europäischen Union, bedeutet einen wichtigen Schritt in der Entwicklung Bosniens und Herzegowinas in Richtung Europäische Union.
Die erste Verhandlungsrunde unter dem Ko-Vorsitz der Europäischen Kommission und des bosnischen Chefverhandlers Davidovic konnte am 25. Jänner erfolgreich abgeschlossen werden, und die weiteren Fortschritte, die hoffentlich bald erzielt werden, werden natürlich auch davon abhängen, wie weit dieser Reformprozess fortgesetzt werden kann.
Es wurde heute bereits vom Bundespräsidenten der Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft, Westbalkan, erwähnt. Der dahinter liegende Grund und das Motiv für diesen Schwerpunkt ist, diesen Ländern eine europäische Perspektive zu geben, weil diese europäische Perspektive die Triebfeder für die Reformen darstellt, die in diesen Ländern notwendig sind und die wir fördern wollen und müssen. Es ist wichtig, dass es bei diesen Reformen Fortschritte in den verschiedensten Bereichen gibt. Das gilt für die Korruptionsbekämpfung, für die Stärkung der öffentlichen Verwaltung, für die volle Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien – ein besonders wichtiger Punkt für alle Länder dieser Region, die davon betroffen sind. Und es gilt für viele andere Reformschritte, die notwendig sind, um Bosnien und Herzegowina und alle anderen Staaten der Region zu modernen, demokratischen Staatswesen zu machen.
Was ist nun die Perspektive? Der EU-Westbalkan-Gipfel in Thessaloniki im Juni 2003 hat dazu geführt, dass die Europäische Union ein Bekenntnis zu dieser europäischen Perspektive für alle Westbalkanstaaten bekräftigt hat. Dieses grundlegende Bekenntnis, dass die Zukunft dieser Länder in der Europäischen Union liegt, hat der Europäische Rat vom Juni 2005 bekräftigt und bestätigt. Selbstverständlich wird der Fortschritt in diesem Heranführungsprozess von der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien sowie der Konditionalitäten im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess abhängen.
Die Ende Jänner 2006 vorgelegte Mitteilung der Kommission über die künftige Gestaltung der EU-Beziehungen mit den Staaten des Westlichen Balkans, die vom Rat sehr begrüßt wurde, skizziert die über die Thessaloniki-Agenda hinausgehenden Heranführungsschritte, und ich bin sicher, dass Kommissar Rehn darüber ausführlich berichten wird.
Anlässlich des bevorstehenden informellen EU-Westbalkan-Außenministertreffens in Salzburg am 10./11. März sollen diese Ziele der Europäischen Union bekräftigt und soll eine Einigung darüber erzielt werden, wie und mit welchen Mitteln die EU ihr Engagement in der Region verstärken kann. Das Treffen sollte eine gute Gelegenheit bieten, sich zu konkreten Maßnahmen zur Förderung von Stabilität, Sicherheit und Wohlstand auf dem Westbalkan durch allmähliche Einbindung der Region in europäische Strukturen zu einigen. Die Mitteilung der Kommission, die ich gerade erwähnt habe, wird dabei eine wichtige Grundlage darstellen.
Ich habe schon gesagt, wie wichtig diese Priorität der österreichischen Präsidentschaft ist, und damit will ich schließen. Dieser „high-level event“ in Bezug auf den Westbalkan wird – so hoffen wir – einen weiteren Anstoß dazu geben, dass diese Länder noch mehr ermutigt werden, mit den Reformen fortzufahren und sich in die europäischen Strukturen zu integrieren.
Herr Präsident, wir sind zuversichtlich, wenn es um die Zukunft Bosniens und Herzegowinas geht, und die Europäische Union kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten.
(Beifall)
Olli Rehn, Kommission. – (EN) Herr Präsident! Als Erstes möchte ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass Österreich die westlichen Balkanländer zu einem Schwerpunkt seiner Ratspräsidentschaft erklärt hat. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Ratsvorsitz, dem Rat und dem Parlament, damit wir die nächsten wichtigen Schritte zu einer weiteren Annäherung der westlichen Balkanländer an die Europäische Union verwirklichen können.
Bosnien und Herzegowina steht derzeit wirklich an einem Scheideweg. Im November letzten Jahres hat das Land Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union aufgenommen. Mit Christian Schwarz-Schilling trat ein neuer Hoher Vertreter/EU-Sonderbeauftragter die Nachfolge von Lord Ashdown in Sarajewo an. Herr Schwarz-Schilling wird seine Exekutivbefugnisse nicht mehr so intensiv nutzen und mehr Aufgaben den Politikern von Bosnien und Herzegowina übertragen. Wir befinden uns nun in einer Phase, in der die Eigenverantwortung und die Zuständigkeit Bosniens ausgeweitet werden sollen.
Bevor ich auf einige aktuelle Entwicklungen und unsere politischen Ziele eingehe, möchte ich mich bereits im Voraus dafür entschuldigen, dass ich nicht bis zum Ende der heutigen Aussprache anwesend sein kann. Ich werde heute Nachmittag um 16.00 Uhr gemeinsam mit Kommissionspräsident Barroso zu einer dreitägigen Rundreise in sechs Städte der westlichen Balkanländer aufbrechen, die wir am Samstag in Sarajewo abschließen werden. Ich hoffe deshalb, dass wir bis 16.00 Uhr fertig sein werden.
Bosnien und Herzegowina befindet sich mitten im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess. Vergangenen November haben wir in Sarajewo offiziell die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufgenommen. Die erste echte Verhandlungsrunde fand Ende Januar 2006 statt. Sie war sehr erfolgreich, und unsere bosnischen Partner hatten sich sorgfältig darauf vorbereitet.
Die Kommission geht davon aus, dass die Verhandlungen etwa ein Jahr dauern werden. Doch um diesen Termin einhalten zu können, muss Bosnien und Herzegowina in der Lage sein, alle Reformanforderungen der EU zu erfüllen. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, dass Bosnien und Herzegowina uneingeschränkt mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zusammenarbeitet. Um falschen Vorstellungen vorzubeugen, möchte ich klarstellen, dass es nicht einfach sein wird: Die uneingeschränkte Zusammenarbeit ist eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens und für Forschritte bei den Verhandlungen. Unverzichtbar ist darüber hinaus die Umsetzung der Vereinbarung über die Umstrukturierung der Polizei, die Verabschiedung und Umsetzung aller erforderlichen Rechtsvorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und nicht zuletzt die Schaffung ausreichender legislativer und administrativer Kapazitäten zur Umsetzung des Abkommens. Unsere Botschaft ist daher eindeutig: Bosnien und Herzegowina sollte die Chance nutzen, die es jetzt hat. Deshalb müssen die Reformen mit größter Entschlossenheit weiter vorangetrieben werden.
Man kann durchaus sagen, dass die internationale Gemeinschaft eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Reformen in diesem Land gespielt hat. Doch auch die lokalen Behörden verdienen Anerkennung, die erhebliche Fortschritte in einem, um es vorsichtig auszudrücken, sehr schwierigen Umfeld erreicht haben. Wir hoffen, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt und die Eigenverantwortung für die Politik auf lokaler Ebene noch stärker ausgeweitet wird. Wir sind bereit, diesen Prozess umfassend zu unterstützen. Die internationale Gemeinschaft wird ihre eigene Rolle an diese sich entwickelnden Strukturen einer größeren lokalen Eigenverantwortung anpassen. Je mehr das Land in der Lage ist, seine Reife und politische Eigenverantwortung unter Beweis zu stellen, umso weniger muss die internationale Gemeinschaft sich einschalten. Ich habe kürzlich mit dem Hohen Vertreter/EU-Sonderbeauftragten, Herrn Schwarz-Schilling, Gespräche geführt, der diese Ansicht im Hinblick auf die neue Rolle der internationalen Gemeinschaft und den Einsatz der Bonner Befugnisse teilt.
Die Überarbeitung der Dayton-Verfassung ist eine weitere wichtige Aufgabe der politischen Führung in Bosnien. Das Land braucht eine Verfassung, die die uneingeschränkte Kompatibilität mit der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherstellt, die wirksame Entscheidungsverfahren und eine effiziente Staatsführung ermöglicht und eine Regierungsstruktur schafft, die die Bürger und Steuerzahler weniger Geld kostet.
Es ist mit anderen Worten notwendig, dass sich das Land zu einem demokratischen, funktionsfähigen und bezahlbaren multiethnischen Staat entwickelt, der die Bedürfnisse aller seiner Bürger besser erfüllen und die Reformen unterstützen kann, die mit einem Beitritt zur EU verbunden und notwendig sind. Deshalb begrüße ich die jüngsten Bemühungen der maßgeblichen politischen Parteien und der politischen Führung um eine praktische und tragfähige Lösung dieser äußerst schwierigen Aufgaben. Ich möchte die politische Führung zur Fortsetzung ihres Dialogs ermutigen, damit noch ehrgeizigere Ergebnisse erreicht werden können. Was die Verfassung angeht, erwarten wir keine Revolution, sondern vielmehr eine Evolution. Die Neugestaltung der Verfassung muss ein konsensorientierter Prozess sein, bei dem die führenden Akteure in Bosnien und Herzegowina den Kurs bestimmen. Die internationale Gemeinschaft kann als Moderator fungieren, wir können Anregungen und Unterstützung bieten, aber die bosnischen Politiker müssen die Führung übernehmen.
Die Neugestaltung der Verfassung ist an sich keine Voraussetzung für den Abschluss der Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Trotzdem müssen wir hervorheben, dass die Europäische Union einen großen Anteil an diesem Prozess hat. Bosnien und Herzegowina muss mit anderen Worten sicherstellen, dass seine Verfassungsbestimmungen die uneingeschränkte und wirksame Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens garantieren und so dem Land den Weg nach Europa ebnen.
Ich bin gerne bereit, dem Europäischen Parlament bei anderer Gelegenheit erneut über die Fortschritte in Bosnien und Herzegowina zu berichten.
(Beifall)
Doris Pack, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Mehr als zehn Jahre nach Dayton müssen sich vor allem die bosnischen Politiker selbst fragen, ob sie alle Gestaltungsmöglichkeiten genutzt haben, um eine gute Zukunft für die Kinder ihres Landes zu schaffen. Gehen Sie verantwortlich mit Ihrem Mandat um!
Dabei möchte ich, genau wie der Ratspräsident, hervorheben, dass hier einiges erreicht wurde. Es gibt einen Innenminister, einen Verteidigungsminister, es gibt ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem, es gibt die Polizeireform, zumindest auf dem Papier, sie ist auf dem Weg. Im Gegensatz zu den landläufigen Meinungen in unseren Ländern ist Bosnien und Herzegowina nicht der Ort der Kriminalität. Höher als der EU-Standard ist die Aufklärungsrate der kriminellen Akte in Bosnien und Herzegowina, und geringer als bei uns ist dort die Zahl der klassischen Verbrechen. Das haben wir nicht erfunden, das geht aus Statistiken hervor. Ich denke, wir sollten Bosnien und Herzegowina dafür loben.
Der neue Hohe Repräsentant Schwarz-Schilling, ein intimer Kenner von Bosnien und Herzegowina wird die Politiker vor Ort sicher mit viel Verständnis tatkräftig begleiten, und auf alle Hauruck-Methoden, sprich „Bonn Powers“, verzichten. Die Eigenverantwortung, von der der Ratspräsident gesprochen hat, wird mehr und mehr in den Vordergrund treten.
Die Kommission aber, Herr Kommissar, muss ihn auch unterstützen. Vor allen Dingen, indem sie hilft, neue Arbeitsplätze zu schaffen, indem sie endlich eine richtige Agrarpolitik dort unten anstößt und der Entwicklung der ländlichen Räume wirkliche Aufmerksamkeit schenkt. Ohne eigene Produktion, Herr Kommissar, nutzt dem ganzen Land keine Freihandelszone. Dazu gehört aber auch, dass die Flüchtlinge endlich wieder in diese Landschaften zurückkehren können, z. B. in die Posavina, dort wieder die Gegend bevölkern und den fruchtbaren Boden wieder nutzbar machen.
Die bosnischen Politiker müssen aber endlich auch institutionelle Reformen einleiten, die die ethnische Teilung überwinden, und den Staat funktionsfähig und damit beitrittsfähig machen. Die Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Den Haag ist unabdingbar. Es gibt zwar Fortschritte, aber bevor Karadžić nicht in Den Haag ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Versöhnung wirklich vollendet werden kann.
Die Verhandlungen zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen gehen gut voran. Wir freuen uns darüber, und das Europäische Parlament wird mit seiner Delegation im Sommer dieses Jahres nach Banja Luca fahren, um mit den Kollegen über die Fortschritte zu reden. Wir wünschen der Ratspräsidentschaft und dem Kommissar alles Glück bei Ihrer Unterstützung für Bosnien und Herzegowina.
Jelko Kacin, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SL) Bosnien und Herzegowina haben nunmehr Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufgenommen, und bei diesen Verhandlungen werden gute Fortschritte erzielt. Dabei handelt es sich um eine positive Entwicklung, die ermutigend ist und unseren größten Respekt und unsere Bewunderung verdient.
Wohl kaum ein anderes Land der Welt hat eine ähnlich komplizierte und komplexe Staatsstruktur wie Bosnien und Herzegowina, deshalb sind die Erfolge und Fortschritte dieses Landes umso bemerkenswerter. Ich freue mich sehr darüber, und wir in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa unterstützen die Anstrengungen der Politiker und die Tatkraft der Bürger von Bosnien und Herzegowina. Wir bewundern ihre Entschlossenheit zu noch schnelleren Fortschritten.
Zehn Jahre nach dem Massaker von Srebrenica und der Beendigung des Krieges durch die Unterzeichnung des Abkommens von Dayton ist es höchste Zeit, dass die Verfassung des Landes geändert wird und die staatlichen, kantonalen und lokalen Verwaltungsstrukturen wiederhergestellt werden, die Bosnien bei der Verabschiedung und Umsetzung der Gesetze und Verfahren, mit denen wir in der Europäischen Union vertraut sind, nicht behindern, sondern unterstützen. Sie sollten stärker auf den Rechten des Einzelnen, den Rechten der Bürger von Bosnien und Herzegowina (die in der Zukunft Bürger der Europäischen Union sein werden) aufbauen als auf der Zugehörigkeit zu religiösen und ethnischen Gruppen.
In dieser Hinsicht kommt eine schwierige Übergangsperiode auf Bosnien und Herzegowina zu. In dieser Zeit müssen wir alle dem Land beistehen – die Kommission, der Rat und in dieser Phase ganz besonders der neue Hohe Vertreter, der von seinen eigenen Befugnissen weniger Gebrauch machen und die staatlichen Stellen in Bosnien ermutigen sollte, mehr Verantwortung und mehr Zuständigkeiten zu übernehmen.
Die Verringerung der militärischen Präsenz in Bosnien und die Übertragung des Kommandos für die Mission von der NATO an die EU ist ein klarer und überzeugender Beweis für die Forschritte in diese Richtung. Trotzdem kommen wir nicht weiter voran, wenn die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof in Den Haag nicht gewährleistet ist. Ebenso wie Serbien und Montenegro bis Ende des Monats Mladić finden und ausliefern muss, muss auch Bosnien und Herzegowina, oder genauer gesagt die Republika Srpska, Karadžić überstellen. Das ist die Voraussetzung für Vergebung und Aussöhnung.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Weg in die Europäische Union vor allen Dingen bessere multilaterale Beziehungen und den Respekt unter allen Nachbarn erfordert. Christliche, orthodoxe und islamische Kulturen haben in friedlicher Koexistenz in Bosnien und Herzegowina gelebt. Sie sprachen dieselbe Sprache und verstanden einander ohne Schwierigkeiten. Heute werden drei verschiedene Sprachen gesprochen, doch die Menschen können einander noch immer verstehen, und die Kommunikation zwischen ihnen ist intensiver und besser geworden.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Probleme mit den Karikaturen ist es richtig und sinnvoll, dass wir an die schmerzliche Geschichte von Bosnien und Herzegowina erinnern. Vielleicht bringt uns dies auf den Boden der Tatsachen zurück, und vielleicht fällt es uns dann leichter, die Visaregelung zu ändern und eine neue Regelung voranzutreiben.
Gisela Kallenbach, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Wir begrüßen die Entschlossenheit und Kontinuität, mit der das Europäische Parlament sich dem Problem und Anliegen des westlichen Balkans widmet. Das ist Ausdruck von Weisheit und Zuverlässigkeit. Auch Rat und Kommission stehen zu ihren Aussagen; wir haben das heute wieder gehört. Allerdings – so betonen wir es unisono immer wieder – wird die schrittweise Integration in Europa zuallererst von den Fortschritten in den einzelnen Ländern abhängen. Zehn Jahre nach dem Dayton-Abkommen schreien die derzeitige Situation in sowie der Status von Bosnien und Herzegowina nach Veränderung. Wir begrüßen daher, dass der neu berufene Hohe Vertreter Schwarz-Schilling es als seine wichtigste Aufgabe ansieht, seine Funktion überflüssig zu machen.
Fundierte demokratische Entwicklung ist nur dauerhaft möglich, wenn sie von der so genannten lokalen Eigentümerschaft getragen ist. Herr Minister Winkler hat das heute auch wieder unterstrichen. Das hat viel mit Eigenverantwortung – sowohl hinsichtlich der Vergangenheit als auch mit Blick auf die gemeinsame Zukunft – zu tun. Begleitung von außen auf diesem Weg ist gut und wohl auch noch eine Zeit lang nötig. Dessen muss sich aber die EU auch bei ihren finanziellen und strukturellen Beschlüssen bewusst sein. Was wir aber nicht wollen, sind bilaterale Abkommen, die im Schnellschuss die dringend nötige Verfassungsänderung und Verwaltungsreform aufdrängen. Das birgt die Gefahr eines zweiten Dayton- oder nunmehr Washington-Abkommens, bei dem jegliche lokale Verantwortungsübernahme fehlt.
Auf dem Weg nach Europa brauchen wir eine gestärkte Zivilgesellschaft, die derzeit noch zu oft Anfeindungen ausgesetzt ist. Wir brauchen Gespräche zwischen den drei ethnischen Gruppen auf gleicher Augenhöhe und einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung, zu Arbeit, zu Wohnung. Diese Ziele müssen letztlich die Menschen in Bosnien-Herzegowina selbst umsetzen, aber sie brauchen unsere Begleitung. Dazu soll auch die heutige Entschließung dienen.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Bosnien und Herzegowina ist Jugoslawien en miniature: ein Staat mit verschiedenen Völkern, die jeweils eine Minderheit bilden. Die Bosnier in der Mitte und im Nordwesten, die Serben im Norden und Osten sowie die Kroaten im Südwesten benötigen allesamt ein Regierungsmodell, das ihre eigene Identität schützt. Die Serben und Kroaten, die zusammen die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, brauchen zudem offene Grenzen mit den Nachbarländern Serbien und Kroatien, mit denen sie durch historische Bande verbunden sind.
Die beste Lösung für dauerhaften Frieden und Versöhnung zwischen den drei Nationen ist wahrscheinlich eine föderale Struktur wie in Belgien und in der Schweiz. Meine Fraktion tritt daher für Lösungen von der Basis her ein, bei denen die Außenwelt nicht versucht, alles besser zu wissen, sondern Hilfe leistet, wo es um Wiederaufbau, Aussöhnung und Wissenstransfer im Bereich guter Verwaltungspraxis geht. Die Ausführungen der Herren Winkler und Rehn stimmen mich zuversichtlich, dass diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen wird.
In dem Entschließungsantrag liegt der Nachdruck unseres Erachtens jedoch zu sehr auf einem andersartigen Konzept, das der in Europa leider weit verbreiteten Ansicht entspricht, in Bosnien und Herzegowina herrsche seit dem Krieg 1992-1995 weiterhin ein durch Gewalttätigkeit und Intoleranz gekennzeichnetes Chaos, für das eine externe Lösung durch militärische Mittel und durch administrative Interventionen gefunden werden müsse, bis eine starke Führungspersönlichkeit in Erscheinung tritt.
Das ist keine Lösung. Wir befürchten, dass in einem eventuellen Einheitsstaat ein ständiger Machtkampf über die Frage stattfände, welche Volksgruppe die Herrschaft übernehmen und wer eine untergeordnete Rolle spielen würde.
In der Vergangenheit haben Muslime, katholische Kroaten und orthodoxe Serben abwechselnd übereinander geherrscht. Eine starke Staatsführung führt zu ethnischer Politik und Diskriminierung, die beide nicht erstrebenswert sind. Deshalb macht meine Fraktion ihre Zustimmung zu dem Kompromiss-Entschließungsantrag von der Annahme unserer beiden Änderungsanträge abhängig, in denen wir uns für die Möglichkeit der Selbstbestimmung der betreffenden Völker und gegen weitere militärische Einmischung von außen aussprechen.
Jan Tadeusz Masiel (NI). – (PL) Herr Präsident! Es wird der Tag kommen, an dem Bosnien und Herzegowina der Europäischen Union angehören werden. Es ist zwar schwer vorstellbar, wann dies geschehen wird, aber genauso schwer ist es, sich eine Union ohne Bosnien und Herzegowina vorzustellen. Außerdem sollten eines Tages Länder wie die Ukraine, Belarus, Armenien und Georgien in unsere Union aufgenommen werden. Diese Länder werden sich leicht integrieren lassen, da sie wie die gesamte EU auch auf christlichen Traditionen beruhen, was man ja von der Türkei nicht gerade sagen kann.
Wir sollten jetzt Bosnien und Herzegowina erst einmal unbedingt ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen anbieten, ohne ihnen dabei irgendeine Garantie auf Mitgliedschaft zu geben. Zudem würde ich vorschlagen, dass nach der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens der EU-Beitritt weiterer Länder von der fast hundertprozentigen Zustimmung der EU-Bürger abhängig gemacht werden sollte.
Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Danke für die Möglichkeit, meinen Beitrag zu verschieben. Ich möchte mich beim Ratsvorsitz und beim Kommissar entschuldigen, ich war bis jetzt mit dem österreichischen Bundespräsidenten zusammen in der Konferenz der Präsidenten.
In der Tat ist es ganz wichtig, dass wir in der prekären Situation, in der wir uns in Südosteuropa befinden – mit den begonnenen Verhandlungen in Kroatien, mit Mazedonien als Kandidat, aber noch ohne Verhandlungen, und dem offenen Kosovo-Problem – über die Probleme, die in Bosnien und Herzegowina nach wie vor herrschen, nicht hinwegsehen und diese Probleme nicht vergessen.
Die Probleme können wir nur gemeinsam lösen. Gemeinsam: die Völker, die Menschen, die politisch Verantwortlichen in Bosnien und Herzegowina und die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäische Union. Es ist schon mehrfach gesagt worden: Der bestehende Verfassungsrahmen, oder sagen wir der institutionelle Rahmen, ist nicht tauglich. Nicht nur nicht tauglich für den Weg in die Europäische Union, sondern auch nicht tauglich für die Lösung der aktuellen Probleme im Lande selbst. Denn wenn man etwa 50 % der Finanzen dafür ausgibt, um Institutionen zu erhalten, dann kann das nicht wirklich eine sinnvolle politische und wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben.
Aber allein den institutionellen Rahmen zu ändern, nützt natürlich nichts. Wir müssen insbesondere auch darauf drängen, dass die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof endlich zum Ziel führt, dass nämlich jene, die für Kriegsverbrechen verantwortlich sind oder ihrer verdächtigt werden, vor Gericht kommen. Das ist auch eine der Voraussetzungen dafür, dass die Menschen über andere wichtige, aktuelle Probleme nachdenken können.
Und ein aktuelles Problem ist natürlich die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land, die auch dazu führt, dass viele junge, gebildete Menschen dieses Land verlassen, weil es zu wenig Arbeitsplätze und Investitionen gibt, und daher die zukünftige Elite, die zukünftige Führerschaft dieses Landes, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, nicht im Lande bleibt.
Aus diesem Grunde ist es absolut wichtig, dass wir aus dieser Zusammenarbeit aller Menschen in Bosnien und Herzegowina, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, und der internationalen Gemeinschaft, zu einer neuen Verfassung, zu einer Reform der Institutionen kommen, wo nicht primär das ethnische Kriterium gilt, sondern die menschliche und fachliche Qualität der Betroffenen, die zu wählen sind, um politische Verantwortung zu tragen.
Anna Ibrisagic (PPE-DE). – (SV) Herr Präsident! Um zu verstehen, warum die Situation in Bosnien gegenwärtig so kompliziert ist und weshalb dort eine Verfassungsreform gebraucht wird, müssen wir den Hintergrund kennen. Wer den Krieg in Bosnien miterlebt oder die Ereignisse auf dem Balkan in den 90er Jahren verfolgt hat, weiß, dass das Dayton-Abkommen vor allem eine Aufgabe hatte, nämlich ein Ende des Krieges herbeizuführen. Es war außerordentlich wichtig, die Kämpfe sofort zu beenden und zu verhindern, dass das Land einen weiteren Kriegswinter erlebt. Niemand war der Ansicht, die vom Dayton-Abkommen angebotene Lösung sei perfekt. Im Gegenteil, viele sahen darin keine geeignete Lösung. Das Dayton-Abkommen sollte wohl eher als das Ergebnis internationaler Anstrengungen denn als ein wünschenswerter Kompromiss zwischen den verschiedenen politischen Führern Bosniens betrachtet werden. Das Friedensabkommen hat dann zwar zum Erhalt der territorialen Integrität Bosniens beigetragen, doch ist in Anhang 4 zum Abkommen festgelegt, dass das Land aus zwei Teilen bestehen soll – einer Föderation zwischen Bosniern und Kroaten einerseits und einem serbischen Teil mit der Bezeichnung Republica Srpska andererseits.
Zehn Jahre später müssen wir feststellen, dass die Folgen des Dayton-Abkommens es Bosnien schwer machen, als normales europäisches Land zu agieren, ganz zu schweigen von den Hunderten von Ministern oder dem schwerfälligen Staatsapparat. Meiner Ansicht nach besteht das Hauptproblem darin, dass das Dayton-Abkommen zu einer Situation geführt hat, in der die ethnischen Interessen den Vorrang vor denen der einzelnen Bürger haben. In dieser Beziehung hat das Dayton-Abkommen die von den nationalistischen Parteien bei den ersten postkommunistischen Wahlen 1990 begonnene Arbeit zu einem Ende gebracht. Diese Parteien haben immer noch mehr oder weniger die absolute politische Macht. Was sie eint, ist das mehr oder weniger stark ausgeprägte Bestreben, über ein bestimmtes, von einer bestimmten ethnischen Gruppe besiedeltes Territorium zu herrschen. Das macht eine Einigung über die wirtschaftliche oder politische Zukunft aller Bürger, über einen Präsidenten bzw. ein Zoll- oder Bildungssystem so schwierig. Der ethnische Aspekt spielt noch immer eine größere Rolle als der staatsbürgerliche.
Ich bin in Bosnien geboren und aufgewachsen und habe den Krieg dort miterlebt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Land heute, so wie zum Zeitpunkt des Dayton-Abkommens, die praktische Hilfe der internationalen Gemeinschaft braucht. Dieser ausgezeichnete Entschließungsantrag könnte der erste Schritt hin zu einem starken Engagement der EU sein.
Borut Pahor (PSE). – (SL) Meines Erachtens befindet sich Bosnien derzeit an einem sehr schwierigen Punkt, den man am besten als Übergang von einer Phase, in der das vorrangige Ziel der Frieden war, zu einer Phase, in der das vorrangige Ziel die Entwicklung ist, beschreiben könnte. Dies ist, wie die beiden Redner zu Beginn dieser Aussprache ausführlich erläutert haben, im vorliegenden Entschließungsantrag klar zum Ausdruck gebracht worden, und deshalb unterstütze ich den Wortlaut des Entschließungsantrags.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass meiner Meinung nach die Stärkung der Zentralbehörde in Bosnien von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Landes ist. Ich persönlich glaube nicht, dass Bosnien zu einem modernen und sicheren Staat werden kann, wenn die Entscheidungsverfahren in diesem Land nicht vereinfacht werden.
Diese äußerst komplexen Entscheidungsverfahren waren und sind noch immer weitgehend auf die Erhaltung des Friedens und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den drei nationalen Volksgruppen ausgerichtet. Doch wenn Bosnien echte Fortschritte erreichen will, muss es seine politischen Entscheidungsverfahren von Grund auf vereinfachen und transparenter, aber natürlich auch demokratischer gestalten, mit größeren Befugnissen für die zentralen Behörden und einer verringerten Präsenz von Vertretern der internationalen Gemeinschaft.
Ich halte all dies für notwendig, damit die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina mehr Selbstvertrauen gewinnen kann, mehr als man heute auf den Straßen spürt, wenn man das Land besucht.
(Beifall)
Sarah Ludford (ELDR). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße von ganzem Herzen die Reise von Präsident Barroso und Kommissar Rehn als sichtbares Zeichen dafür, dass wir uns für eine Zukunft der westlichen Balkanländer in der EU einsetzen. Hoffen wir, dass es während dieses Besuches gelingt, die Herren Karadžić und Mladić dingfest zu machen.
Die Verfassungsreform in Bosnien ist von wesentlicher Bedeutung, nicht als interessante intellektuelle Aufgabe, sondern damit der Staat die Vorschriften und Politiken effizient umsetzen kann, die für den wirtschaftlichen Erfolg und den Handel mit der EU notwendig sind.
Ich begrüße ausdrücklich das jüngste Grünbuch der Kommission. Ich hatte vor allem auf baldige Visaerleichterungen gehofft, um damit an einem praktischen Beispiel zu zeigen, dass Europa nicht nur harte Arbeit für Bosnien bedeutet, sondern auch Freiheit.
Hoffentlich halten Sie mich nicht für allzu parteiisch, wenn ich sage, dass sich Lord Ashdown während seiner zugegebenermaßen nicht unumstrittenen Amtszeit mit außergewöhnlichem Engagement für eine Zukunft Bosniens in Europa eingesetzt und das Land auf dem Weg von Dayton nach Brüssel unterstützt hat. Die Tür ist offen und wir möchten, dass Bosnien hereinkommt.
Angelika Beer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, warum meine Fraktion die Initiative ergriffen hat, diese Debatte heute zu führen.
Bosnien und Herzegowina hat sich endlich auf den Weg gemacht, die Verfassungsänderung anzugehen, weil sie Voraussetzung ist, um der Europäischen Union näher zu kommen. Wir haben im Januar d. J. eine sehr ernste Situation gehabt, wo in genau dieser Phase von einer amerikanischen Denkfabrik ein Hauruck-Prozess versucht wurde, wobei die Europäer nicht am Tisch waren. Das war die Phase nach dem Ende des Mandats von Paddy Ashdown und vor dem Beginn des Mandats von Schwarz-Schilling. So etwas darf uns nicht noch einmal passieren. Ich bin optimistisch, dass wir mit Schwarz-Schilling einen Hohen Beauftragten haben, der im Interesse der Menschen in Bosnien und Herzegowina auch deren Selbstverantwortung ernst nimmt und dafür sorgen wird, dass das politische Ziel, das wir haben, jetzt auch eine Chance hat, nämlich zehn Jahre nach Dayton, zehn Jahre nach einem Militäreinsatz der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass die ethnische Trennung nicht weiter verfolgt wird, sondern wir eine gemeinsame Zukunft für Bosnien und Herzegowina ermöglichen.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Bosnien und Herzegowina ist geprägt von sehr starken ethnischen und religiösen Kriterien. Frieden stiften kann man auf Dauer nur, wenn man diese Realitäten nicht ignoriert – sie kommen in den Wahlen zum Beispiel stark zum Ausdruck –, sondern respektiert und integriert in dem klugen Sinne, der heute auch in der Rede des österreichischen Bundespräsidenten zum Ausdruck kam. Wir müssen froh sein, dass die liberalistische Diktatur von Lord Ashdown, die zum Beispiel die religiösen Persönlichkeiten an den Rand gedrängt hat, zu Ende ist, und dass wir mit einer sensibleren Gestaltung der Dinge durch Herrn Schwarz-Schilling zu rechnen haben.
Wir werden uns hier vor allem mit zwei Themen auseinandersetzen müssen: Das erste ist der schon angesprochene Prozess zur Neugestaltung der Verfassung. Wir haben eine ungleichgewichtige Föderation. Das kann auf die Dauer nicht funktionieren. Wir haben die bosnisch-kroatische Föderation, in der die Bosniaken dominieren, die Republika Srpska der Serben, wir haben die herzegowinischen Kroaten, die eine Welt für sich sind, aber wer völlig außerhalb steht, das sind die bosnischen Kroaten, die sich eigentlich in dieser Realität kaum wieder finden. Deshalb wird diese Struktur, auch wenn man sie noch so mit Kantonen überbürokratisiert, so nicht funktionieren. Es ist eine Verfassungsreform im Sinne einer symmetrischen Förderation aller drei Volksgruppen dringend geboten, bei gleichzeitiger Reduzierung der Kantone und der bürokratischen Überstrukturen, die dem Land die Effizienz rauben.
Der zweite Punkt, der von Bedeutung ist – ich habe ihn schon angesprochen –, bezieht sich auf die dort sehr wesentlichen Religionsgemeinschaften. Wir haben viel vom Islam gesprochen. Als Bosnien österreichisch wurde, hat Österreich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts geschaffen für die Muslime, die übrigens bis heute in Österreich weiter besteht. Das ist das einzige EU-Land, in dem es eine repräsentative, von den Muslimen akzeptierte Organisation der Muslime gibt. Das hängt mit Bosnien zusammen. Auch der Reis-ul-Ulema in Bosnien und Herzegowina selbst und andere Institutionen sind wichtig als Erscheinungsform eines europäischen Islam, und da auch die christlichen Religionsgemeinschaften in diesem Land über solche Persönlichkeiten verfügen wie Bischof Komarica, sollte man sie aktiv in den Friedensprozess einbeziehen und sie auch als Körperschaften des Rechts akzeptieren.
Justas Vincas Paleckis (PSE). – (LT) Die größten ethnischen und politischen Spannungen in Europa sind auf dem Balkan zu finden, und am schwierigsten ist die Lage wohl in Bosnien und Herzegowina. In keinem anderen Teil Europas gibt es so viele frische Gräber, so viele Parks und Stadien, die jetzt Friedhöfe sind.
Darum ist diese Entschließung, die ich voll und ganz unterstütze, so notwendig und wichtig. Vor einem Jahr bin ich selbst zu der Überzeugung gelangt, dass die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union in diesem vom Schicksal gebeutelten Land für Ruhe und Besserung sorgen wird. Diesen Weg müssen Bosnier, Serben und Kroaten mit noch mehr Nachdruck verfolgen, um unter neuen Bedingungen wieder zu einem friedlichen Miteinander zu finden und dies institutionell zu festigen.
Auf diesem Weg war und ist die Unterstützung durch die EU auch künftig besonders wichtig. Vor zwanzig Jahren konnten die Einwohner dieses Landes ungehindert sowohl nach Osten als auch nach Westen reisen. Jetzt sind die Bürger des kleinen Bosnien und Herzegowina durch Visaschranken eingegrenzt. Diese müssen von Sarajewo wie auch von Brüssel beseitigt werden. Vor allem fordere ich die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass junge Menschen an Hochschulen in EU-Ländern studieren und sich mit Europa, mit seinen Erfahrungen bei der Versöhnung von Nationen, die einst Todfeinde waren, und der Mannigfaltigkeit der europäischen Kultur vertraut machen können.
Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE). – (NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich dagegen Einspruch erheben, dass Herr Posselt die Delegation von Lord Ashdown als liberalistische Diktatur bezeichnet hat. Zweifellos hat Lord Ashdown mit fester Hand seines Amtes gewaltet, aber ich protestiere sowohl gegen das Substantiv „Diktatur“ als auch gegen das Adjektiv „liberalistisch“.
Ich möchte mich nun Bosnien und Herzegowina zuwenden, das 15 Jahre lang als Versuchskaninchen gedient hat, was der bosnischen, der kroatischen und der serbischen Bevölkerungsgruppe durchaus bewusst war. Zuerst war es das Versuchskaninchen eines im Zerfall begriffenen kommunistischen Staates. Dann wurde es zum Versuchskaninchen für eine EU, die damals, vor über zehn Jahren, noch über keine wirkliche Außen- und Sicherheitspolitik verfügte. Es war ferner ein Versuchskaninchen für eine NATO auf der Suche nach einem neuen Auftrag und leider auch eines für all jene, die weltweit von Gewalt und Krieg leben. In den letzten Jahren bildete es ein neuzeitliches Protektorat.
Ich hoffe, dass sowohl die EU als auch die Führer in Bosnien und Herzegowina die Aussicht auf ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen nutzen werden, um aus ihrem Land einen erwachsenen Staat zu machen, der sich auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft befindet.
Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! In den zehn Jahren, die seit der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton vergangen sind, konnte in Bosnien und Herzegowina zwar Frieden geschaffen werden, doch wichtige politische und soziale Probleme bleiben ungelöst. Die komplexe institutionelle Struktur hat dazu geführt, dass es dem politischen Entscheidungsprozess an Transparenz mangelt und die Verwaltungsausgaben auf allen Ebenen eine starke Belastung für die öffentlichen Finanzen darstellen.
Die positiven Ergebnisse, wie z. B. ein relativ gutes Wirtschaftswachstum und Reformen im Polizeiwesen, im Verteidigungssektor und im Steuersystem, sollten nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass ohne eine grundlegende Verfassungsreform die Zukunft von Bosnien und Herzegowina düster aussehen wird. Insofern kommt der Europäischen Union eine ganz besondere Verantwortung zu. Die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, die im Januar aufgenommen wurden, sind schon einmal ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn die Aussicht auf Einbindung in die europäischen Strukturen wird diesem Land als Anreiz dienen, dringend notwendige politische, institutionelle und wirtschaftliche Reformen in Angriff zu nehmen. Da bin ich mir ziemlich sicher.
An dieser Stelle möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich keinesfalls die Auffassung teile, der Fortgang in den Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen solle von den Forschritten bei der Verfassungsreform abhängig gemacht werden. Die Bürger von Bosnien und Herzegowina rechnen damit, dass durch den Aufbau engerer Beziehungen zur Europäischen Union ihre Zukunft besser aussehen wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Aussicht durch interne politische oder ethnische Auseinandersetzungen gefährdet wird.
Ich möchte den Initiatoren dieser Aussprache und den Verfassern dieses Antrags danken, der keinerlei Abänderungen bedarf. Ich denke da insbesondere an den Änderungsantrag 2. Außerdem möchte ich der österreichischen Präsidentschaft viel Erfolg bei der Lösung der komplexen Probleme in den Balkanländern wünschen. Das würde nicht nur den betroffenen Ländern, sondern auch ganz Europa zum Vorteil gereichen.
(Beifall)
Ignasi Guardans Cambó (ALDE). – (ES) Herr Präsident! Der Bürgerkrieg in Spanien ging 1939 zu Ende. Heute, nach mehr als sechzig Jahren, sind die Wunden dieses Bürgerkriegs in einigen Städten und einigen Winkeln Spaniens noch am Verheilen; es war ein Krieg, der aus ethnischer Sicht nicht mit dem Krieg in Bosnien und Herzegowina verglichen werden kann und viel leichter zu erklären war.
Ich sage dies, um ein etwas besseres Verständnis von den gewaltigen Schwierigkeiten zu geben, die eine echte Versöhnung mit sich bringt, eine Versöhnung, die zwischen Völkern und Familien, in den Straßen und Städten stattfinden muss, vor allem da der Frieden rein militärischer Natur ist oder anfangs ein rein militärischer Frieden, ein erzwungener Frieden war.
Deshalb trägt der Bosnien-Prozess Modellcharakter. Es ist absolut beispielhaft, dass wir in solch einer kurzen Zeit ein befriedetes Land mit einem Zukunftsprojekt haben, das zwar instabil, aber letztendlich doch ein Projekt ist. Aber klar ist, dass Dayton nicht die endgültige Lösung sein kann und wir daher der konstitutionellen Umgestaltung unsere klare Unterstützung geben müssen, um all die anhängigen Fragen zu lösen, die in Dayton offen geblieben sind, was damals vielleicht als zeitweilige Lösung Sinn gemacht hat, jedoch keineswegs zur Errichtung eines gemeinsamen politischen Projekts beiträgt.
Unsere Unterstützung müssen wir leisten für die Errichtung eines wirklichen gemeinsamen politischen Projekts durch alle Seiten, das – und hier stimme ich dem soeben Gesagten zu – die Jugend einbezieht, die Jugend Bosniens und Herzegowinas und ihr Verhältnis zu Europa, und deshalb müssen wir den Studentenaustausch zwischen Bosnien und Herzegowina und der Europäischen Union wesentlich erleichtern.
Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Als Erstes begrüße ich es, dass Österreich so klar und engagiert für die westlichen Balkanländer eintritt, für eine Region, die weiterhin von entscheidender Bedeutung für unsere kollektive Sicherheit und für die Außen- und Verteidigungspolitik in Europa selbst ist. Ebenso begrüße ich die Fortschritte von Bosnien und Herzegowina auf dem Weg zu einer europäischen Perspektive. Als wir die tragischen Ereignisse der vergangenen Jahre in Bosnien und Herzegowina mitverfolgt haben, haben wir uns mehr Europa gewünscht. Heute haben wir mehr Europa in diesem Land, und zwar in politischer und militärischer Hinsicht. Zehn Jahre nach Dayton wünschen wir uns jetzt auch mehr Bosnien und Herzegowina.
Die Europäische Union hat Bosnien und Herzegowina die verlässliche Perspektive einer vollwertigen Mitgliedschaft und echte Fortschritte in Aussicht gestellt, aber dies hängt zunehmend vom politischen Willen und der Qualität der Entscheidungsverfahren in Bosnien und Herzegowina ab. Unheilvolle Erfahrungen haben gezeigt, dass Fortschritte nicht gewährleistet werden können, wenn Volksgruppen in Bosnien und Herzegowina ausgegrenzt oder nicht an der Macht beteiligt werden. Sie sind nur möglich auf der Grundlage der Achtung der Würde aller Bevölkerungsgruppen und Bürger.
Fortschritte werden umso schneller möglich sein, wenn die europäischen Standards für die Achtung der Vielfalt und die Bereitschaft, einen gemeinsamen Nenner zu finden, so zügig wie möglich umgesetzt werden. Ein solcher Fortschritt wäre zweifellos die neue Verfassung, nachdem die Zeit der Vereinbarung von Dayton nun offensichtlich abgelaufen ist. Ich hoffe, dass die Länder, die zukünftig den Vorsitz im Rat führen werden, den westlichen Balkanländern weiterhin größte Aufmerksamkeit beimessen.
(Beifall)
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke sehr herzlich für diese Debatte und die Wortmeldungen. Es gibt eigentlich keine Wortmeldung, die ich – so wie sie gemacht wurde – nicht unterstützen kann. Ihre Meinungen, die hier geäußert wurden, zeigen auch, dass der Rat und auch die Kommission auf dem richtigen Wege sind, und wir danken für diese Unterstützung.
Ich kann Baroness Ludford nur Recht geben. Wir sollten, wenn wir heute die Strukturen von Dayton kritisieren, nicht vergessen, dass Dayton der Ausgangspunkt für den Frieden war. Dafür müssen wir dankbar sein. Das müssen wir anerkennen, auch wenn wir heute natürlich feststellen können und müssen, dass die Strukturen, die Dayton geschaffen hat, nicht ideal sind.
Es wurde fast in allen Wortmeldungen auch darauf hingewiesen, dass eines der Probleme des heutigen Bosnien und Herzegowina die bürokratischen Überstrukturen sind. Das ist zweifellos richtig. Aber vergessen wir nicht die Motive, warum diese Überstrukturen bestehen. Diese Strukturen wurden geschaffen, weil zwischen den Volksgruppen Misstrauen geherrscht hat, weil man einander nicht getraut hat und einander kontrollieren musste und wollte, weil – das darf man nicht vergessen, und der Herr Abgeordnete aus Spanien hat das im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg erwähnt – hier Unsägliches zwischen den Volksgruppen passiert ist.
In dem Maße, in dem wir imstande sind, das Misstrauen abzubauen und das gegenseitige Vertrauen zu fördern, wie Herr Peterle das genannt hat, wird es uns auch gelingen, die Strukturen zu verändern, denn ich glaube nicht, dass es richtig wäre zu versuchen, die Strukturen von oben zu verändern, solange dieses Vertrauen nicht besteht. Wir als Europäische Union müssen dafür sorgen und dazu beitragen, dass dieses Misstrauen abgebaut wird. Wir müssen konkrete Beiträge dazu leisten, dass die europäischen Werte in diesem Land zum Durchbruch kommen, und ich unterstütze selbstverständlich auch, was über die jungen Leute gesagt wurde. Wir müssen die Jugend fördern. Wir müssen auch die Möglichkeiten zu reisen für die jungen Leute fördern. Selbstverständlich wird ein Teil des Pakets, das die Europäische Union vorbereitet, darin bestehen, dass wir im Rahmen der möglichen Visaerleichterungen vorsehen.
Ich danke noch einmal sehr für die Wortmeldungen. Der Rat wird sich gemeinsam mit der Kommission weiter bemühen, dass alle diese Dinge, die heute als Ziel genannt wurden, auch tatsächlich verwirklicht werden können.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! In dieser Aussprache ist deutlich geworden, dass eine breite Mehrheit die Auffassung teilt, dass den bosnischen Politikern mehr Eigenverantwortung übertragen werden muss und die internationale Gemeinschaft ihre Rolle neu definieren muss. Ich möchte Ihnen außerdem für diese großartige Debatte danken, die das Eintreten des Europäischen Parlaments und des Ratsvorsitzes für unsere gemeinsame Politik in den westlichen Balkanländern und deren europäische Perspektive zeigt.
Wir alle sollten uns über die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina freuen, die sehr gut angelaufen sind, auch wenn wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass das Land noch viele schwierige Aufgaben zu bewältigen hat. Es geht um die Umsetzung, die Umsetzung und nochmals die Umsetzung in Bosnien und Herzegowina.
Darüber hinaus sind wir uns alle darin einig, dass mit dem Abkommen von Dayton zwar der Krieg beendet werden konnte, doch dass es als Rahmen für einen reibungslos funktionierenden Staat sicher nicht ideal ist. Daher müssen wir uns selbst als Partner sehen, der Bosnien und Herzegowina bei der Erarbeitung einer Verfassung unterstützt.
Viele von Ihnen haben betont, wie wichtig die wirtschaftliche Entwicklung ist, und ich teile diese Auffassung voll und ganz. Aus diesem Grund haben wir in der Mitteilung zum Treffen in Salzburg einige Vorschläge zu den Themen wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Investitionen vorgelegt. In unserer Heranführungshilfe haben wir den Schwerpunkt bereits vom Wiederaufbau auf die wirtschaftliche Entwicklung verlagert. In der Mitteilung schlagen wir die Einrichtung eines regionalen Freihandelsabkommens vor, das die derzeit bestehenden 31 bilateralen Freihandelsabkommen ersetzen und durch den Handel und Investitionen die Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region fördern soll.
Ich teile die Auffassung uneingeschränkt, dass auf dem Weg zu einem Beitritt zur Europäischen Union noch viel Arbeit vor der jetzigen oder der nächsten Generation liegt und deshalb enthält die Mitteilung zum Treffen in Salzburg unter anderem auch Vorschläge für Visaerleichterungen und Stipendien für Studenten.
Um mein persönliches Engagement und das der Kommission sowie von Kommissionspräsident Barroso deutlich zu machen, werde ich diese Woche nach Zagreb und später nach Sarajewo reisen.
(Beifall)
Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 10.00 Uhr statt.