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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0109/2006

Aussprachen :

PV 15/02/2006 - 10
CRE 15/02/2006 - 10

Abstimmungen :

PV 16/02/2006 - 6.6
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 15. Februar 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

10. Lage in Belarus im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen am 19. März 2006 (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Belarus im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen am 19. März 2006.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich sage, dass der Rat über die negativen Entwicklungen in Belarus sehr besorgt ist, vor allem auch im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen am 19. März. Die Frage Belarus wurde zuletzt wiederholt im Rat behandelt, und wir haben mit Sorge zur Kenntnis genommen, dass das Regime von Präsident Lukaschenko sich immer repressiver verhält, zunehmend isoliert ist und sich vor allem selber isoliert. Wir nahmen natürlich die an die OSZE und an ODIR ausgesprochene Einladung zur Wahlbeobachtung mit Befriedigung zur Kenntnis. Das ist sicherlich ein guter Schritt, den wir durchaus auch bereit sind, zu begrüßen. Unsere Sorge über die Verschlechterung der Lage in Belarus bleibt aber aufrecht, und wir müssen uns berechtigterweise Sorgen darüber machen, ob diese Wahlen demokratisch ablaufen werden.

Der Rat allgemeine Angelegenheiten und auswärtige Beziehungen hat über Belarus zuletzt am 30. Jänner diskutiert, und die Minister einigten sich auf neue Schlussfolgerungen. Diese senden ein klares Signal, dass sichergestellt werden muss, dass die OSZE dem Auftrag zur Wahlbeobachtung umfassend und ungehindert nachgehen kann. Gleichzeitig wurde auch die Warnung ausgesprochen, dass weitere restriktive Maßnahmen gegen verantwortliche Individuen ergriffen werden können, sollten die Präsidentschaftswahlen nicht den anerkannten internationalen Standards entsprechen.

Die Politik der Europäischen Union gegenüber Belarus wurde das letzte Mal in den Schlussfolgerungen des Rates vom 7. November des vergangenen Jahres überprüft. Diese Schlussfolgerungen stellen eine ausgewogene Mischung aus Engagement gegenüber der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft auf der einen Seite und einer härteren Linie gegenüber dem Regime auf der anderen Seite dar. Sie bezogen sich auch auf die Absicht des Hohen Vertreters Javier Solana, einen engen Mitarbeiter zu seinem Kontaktpunkt für Belarus zu ernennen.

Es ist uns allen bewusst, dass die Arbeit bezüglich Belarus längerfristig angelegt sein muss. Es ist keine kühne Prophezeiung, wenn wir davon ausgehen, dass die Wahlen am 19. März keinen wirklichen Wandel bringen werden. Es wurde auch durchaus versucht, unsere Botschaften im Vorfeld der Wahlen zu überbringen und sie deutlich zu machen. An sich war geplant, Anfang Februar eine hochrangige gemeinsame Demarche zwischen den Vertretern der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten auf der Ebene des Generaldirektors für auswärtige und politisch-militärische Beziehungen des Rates, Robert Cooper, und des U.S. Assistant Secretary of State for Europe, Dan Fried, zu unternehmen. Doch die belarussischen Behörden haben es abgelehnt, diesen beiden Persönlichkeiten Sichtvermerke für einen gleichzeitig stattfindenden Besuch zu erteilen, weshalb diese Demarche nicht möglich sein wird.

Wir haben es deutlich gemacht und unsere Enttäuschung darüber ausgedrückt, dass die belarussischen Behörden es verabsäumt haben, diese Gelegenheit für einen offenen und freien Dialog mit der internationalen Gemeinschaft wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass am 30. Jänner, am Tag der letzten Ratstagung, der Kandidat der belarussischen Opposition, Alexander Milinkewitsch, Brüssel besucht hat und informell mit Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengetroffen ist. Es waren sehr viele Minister anwesend, es war mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten durch Minister vertreten, und es hat auch ein Treffen mit Solana und dem Kommissionspräsidenten Barroso und Kommissarin Ferrero-Waldner gegeben. Dies war zweifellos ein deutliches und klares Zeichen für die Unterstützung der Europäischen Union für den demokratischen Prozess in Belarus, auch wenn wir natürlich als Europäische Union nicht individuelle Kandidaten unterstützen.

Ich möchte bei aller Kritik, die anzubringen ist und die wir anbringen müssen, doch sehr deutlich sagen, dass es nicht das Ziel der Politik der Europäischen Union ist, Belarus zu isolieren. Wir möchten – und das ist unser Ziel – ein demokratisches, stabiles und wirtschaftlich erfolgreiches Belarus sehen. Ein Belarus, das Mitglied des Europarates werden kann und das korrekte, gute und starke Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft auch und insbesondere mit der Europäischen Union unterhält. Aus diesem Grunde haben wir klargestellt, dass bei einer nachhaltigen Entwicklung in die richtige Richtung Belarus selbstverständlich auch von der europäischen Nachbarschaftspolitik profitieren könnte.

Wir wollen deutlich machen, dass wir bereit sind, der Bevölkerung von Belarus die Hände zu reichen und dem Land zu helfen, sich in europäische Strukturen zu integrieren. Wir möchten zu diesem Land normale und freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Unter den gegenwärtigen Umständen ist dies aber nicht möglich. Der Rat wird seine Augen nicht vor den anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten verschließen, und er wird auch weiterhin seine Besorgnis über die negativen Entwicklungen in Belarus deutlich aussprechen. Um die Demokratie in Belarus zu fördern, ist der Rat weiterhin zu einem intensiven Engagement sowie zur Zusammenarbeit und Koordination mit internationalen Partnern bereit, und bei diesem von mir bereits erwähnten Zusammentreffen mit Herrn Milinkewitsch wurden insbesondere auch Möglichkeiten diskutiert, wie man der Zivilgesellschaft, die für eine demokratische Entwicklung in ihrem eigenen Land eintritt, helfen kann, und welche Möglichkeiten wir haben, um direkt Einfluss zu nehmen auf jene Kreise in Belarus, die für eine demokratische Entwicklung eintreten.

Ungeachtet des wahrscheinlich bekannten Ergebnisses der Wahl müssen wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Präsenz und den Einfluss der Europäischen Union in Belarus zu erhalten. Das Engagement der Europäischen Union ist, wie ich schon sagte, ein langfristiges Projekt, aber wir sollten durch die derzeitigen Schwierigkeiten nicht entmutigt werden und unser Ziel nicht aus den Augen verlieren!

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Frau Kommissarin Ferrero-Waldner hatte sehr gehofft, an der gemeinsamen Aussprache über die Lage in Belarus teilnehmen zu können. Sie hat sich seit unserem Amtsantritt intensiv an der Entwicklung der Aktivitäten der Kommission für Belarus beteiligt, und ich bin sicher, dass sie das Thema Belarus in ihren Gesprächen mit dem russischen Außenminister zur Sprache bringen wird, das heute in Wien stattfindet.

Im Namen von Kommissarin Ferrero-Waldner und der Kommission freue ich mich, dass ich heute Gelegenheit zu diesem Meinungsaustausch mit Ihnen über die Lage in Belarus im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen am 19. März sowie über die Arbeit der Kommission zur Förderung der Demokratisierung und zur Unterstützung der Zivilgesellschaft habe.

Lassen Sie mich zu Beginn einige Worte über die allgemeine Lage in Belarus sagen. Die Kommission ist nach wie vor äußerst besorgt über die fehlende Demokratie und die unzureichende Achtung der Menschenrechte in Belarus. Angesichts des näher rückenden Wahltermins hat sich die Lage weiter verschlechtert, und dies hat dazu geführt, dass die Opposition in den letzten Monaten massiv unterdrückt und die unabhängige Presse in ihrer Berichterstattung behindert wurde.

Die Tatsache, dass eine OSZE-Mission zur Wahlbeobachtung bei den Präsidentschaftswahlen eingeladen wurde und neben Präsident Lukaschenko nun anscheinend auch noch einige andere Präsidentschaftskandidaten zugelassen werden sollen, ist zwar begrüßenswert, doch kein ausreichender Beweis für eine funktionierende Demokratie. Bei diesem Stand der Dinge ist es wichtig, dass die Europäische Union und die Kommission das reibungslose Funktionieren der Mission unterstützen, sobald die OSZE-Beobachter ihre Arbeit vor Ort aufgenommen haben. Die Europäische Union wird ihre Bewertung der Wahlen und ihre Reaktion darauf auf den Bericht dieser Mission stützen.

Was die Reaktion der Europäischen Union betrifft, kennen Sie alle die klare Botschaft, die die Europäische Union Belarus übermittelt und im Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am 30. Januar erneut bekräftigt hat: Die Europäische Union hat die Bedeutung unterstrichen, die sie einer demokratischen Wahl beimisst, und außerdem ihre Entschlossenheit klar zum Ausdruck gebracht, gezielte Sanktionen zu verhängen, wenn sich herausstellen sollte, dass es bei den Wahlen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Auf der anderen Seite hat die Europäische Union ihre Bereitschaft zu einer Vertiefung der Beziehungen zu Belarus erneut bekräftigt, vorausgesetzt, dass wir überzeugende Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie erkennen können.

Ich möchte nun auf die konkreten Maßnahmen der Kommission eingehen und betonen, dass sie ihr Versprechen, sich stärker in Belarus zu engagieren, eingelöst hat. Als Reaktion auf die zunehmenden Auflagen und Beschränkungen, die von der Regierung von Belarus für die ausländische Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen festgelegt worden sind, hat die Kommission diese Unterstützung für Belarus aufgestockt und beschleunigt. Allein 2005 wurden 8,9 Millionen Euro für Projekte zur Förderung der Demokratie und zur Unterstützung der Zivilgesellschaft bereitgestellt. Zur Umgehung der Hürden, mit denen verhindert werden soll, dass die Unterstützung bei den Empfängern ankommt, wurden kreative Strategien entwickelt. Wir haben deshalb einen Teil unserer Unterstützung auf NRO außerhalb von Belarus verlagert. Die 2,2 Millionen Euro, die wir im Dezember vergangenen Jahres für die Europäische Humanistische Universität im Exil bereitgestellt haben, sowie unsere Unterstützung für unabhängige Medien, sind praktische Beispiele für diesen neuen Ansatz.

Was die unabhängigen Medien angeht, freue ich mich sagen zu können, dass die Kommission hier zu den wichtigsten Gebern gehört. Wir haben mit der Unterstützung eines Rundfunkprogramms begonnen, das täglich Nachrichten in russischer und belarussischer Sprache sendet, die in Belarus empfangen werden können. Unser größter Erfolg ist jedoch ein Medienprojekt mit einem Finanzvolumen von 2 Millionen Euro, das jetzt gestartet wird. Es umfasst Rundfunk- und Fernsehprogramme, Beiträge im Internet, die Unterstützung der unabhängigen Presse in Belarus und die Schulung von belarussischen Journalisten. Das Projekt ermöglicht von Februar an, also rechtzeitig vor den Wahlen, die Ausstrahlung spezieller Fernseh- und Rundfunkprogramme. Wir glauben, dass dieses hochkarätige Projekt, das von einem Team aus mehreren europäischen Ländern unterstützt wird und genau das bietet, woran es in Belarus mangelt – Sendungen ohne Propaganda, unverfälschte Nachrichten und reine Unterhaltung –, zu Recht für große Teile der Bevölkerung interessant sein wird.

Darüber hinaus hat die Kommission beschlossen, eine Delegation in Minsk einzurichten, aber leider liegt bis jetzt noch keine Zustimmung der belarussischen Behörden vor. Bis sich hier etwas bewegt, werden wir einen Beauftragten in Kiew installieren, der regelmäßig nach Minsk reisen wird.

Schließlich hat die Kommission vergangenen Montag alle internationalen Geber für Belarus zusammengerufen, um die zukünftigen Planungen abzustimmen. Bei diesem Treffen wurde gemeinsam darüber nachgedacht, wie die Unterstützung nach den Präsidentschaftswahlen fortgeführt werden soll. Dieses Treffen war ein Signal, dass die Unterstützung und Koordinierung nach der Wahl unvermindert weitergehen wird.

Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass der demokratische Prozess in Belarus aller Voraussicht nach ein langer Prozess sein wird, der letztlich nur mit Unterstützung der Bevölkerung zum Erfolg führen wird. Aus diesem Grund müssen wir unsere Bemühungen fortsetzen, die gesamte belarussische Bevölkerung durch die Unterstützung der Zivilgesellschaft und die Erleichterung von Kontakten zwischen den Menschen zu sensibilisieren. Da Belarus derzeit an einem Scheideweg steht, ist es jetzt umso wichtiger, dass wir alle unsere Anstrengungen zur Umsetzung einer gemeinsamen Strategie bündeln und bereit sind, auf die jeweiligen Entwicklungen in Belarus zu reagieren. Die Kommission ist weiterhin entschlossen, ihren Beitrag zu leisten.

 
  
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  Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Am 19. März werden Präsidentschaftswahlen in Belarus abgehalten. Noch bietet dieses Ereignis die Chance, dass das Land seinen rechtmäßigen Platz in der europäischen Familie der Demokratien einnimmt und eine freie und unparteiische Wahl durchführt. In Wirklichkeit ist diese Chance aber sehr gering, da Präsident Lukaschenko seit seinem Wahlsieg 1994 sein Land zu einem von der Außenwelt abgeschotteten Polizeistaat und einer Scheindemokratie gemacht hat.

Die ohnehin schwierige Menschenrechtslage hat sich seit der Verabschiedung des Antirevolutionsgesetzes, mit dem Proteste unterdrückt werden sollen, weiter verschlechtert und zahlreiche Oppositionspolitiker wurden wegen angeblicher Korruptionsvergehen inhaftiert oder verschwanden in einigen Fällen einfach, das heißt, sie wurden wahrscheinlich ermordet. Herr Lukaschenko propagiert einen merkwürdigen slawischen, gegen den Westen gerichteten Nationalismus, der mit einem übersteigerten Personenkult gekoppelt ist.

Unabhängigen Meinungsumfragen zufolge unterstützen ihn etwa 55 % der Bevölkerung. Es ist damit zu rechnen, dass er alles tun wird, um die magische Zahl von 77 % zu erreichen. Am 21. Februar läuft die Frist für die Registrierung anderer Präsidentschaftskandidaten ab. Ich begrüße den Mut des gemeinsamen Kandidaten der Opposition, Alexander Milinkewitsch, dem in seinem Wahlkampf nur zwei dreißigminütige Fernseh- und Rundfunkinterviews zugestanden werden, während Herr Lukaschenko über unbegrenzte Sendezeit verfügt und jeden Tag als Staatoberhaupt in den Medien präsent ist, wo er seine Gegner als Verbrecher oder Söldner des Westens beschimpft.

Auch wenn dieser Appell wahrscheinlich vergeblich ist, fordere ich Belarus auf, unabhängige Wählerbefragungen zu gestatten, um Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Wahlergebnisse zulassen. Es überrascht nicht, dass dieses Parlament nicht zur Beobachtung der Wahlen eingeladen worden ist, aber die Konferenz der Präsidenten sollte Mittel bereitstellen, damit sich Mitglieder des Europäischen Parlaments im Rahmen der OSZE-Mission beteiligen können. Auch Russland, das das Regime mit sehr billigem Gas zu 50 US-Dollar pro 1 000 m3 finanziell unterstützt, muss daran erinnert werden, dass es als Vollmitglied des Europarates die Demokratie in Belarus unterstützen sollte.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich das von Kommissar Borg erwähnte Projekt begrüße, bei dem im Rahmen von TACIS 2 Millionen Euro für unabhängige Rundfunk- und Fernsehprogramme in Belarus sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft bereitgestellt wurden.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma, im Namen der PSE-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Am 16. Dezember letzten Jahres stimmte das Parlament in Minsk – ein nicht demokratisch gewähltes Organ – dem Vorschlag Lukaschenkos zu, die Präsidentschaftswahlen auf den 19. März vorzuverlegen. Dies veranschaulicht die völlig eigenmächtige Vorgehensweise von Herrn Lukaschenko und zeigt ferner, dass er nicht beabsichtigt, die Macht im Rahmen von Wahlen aus den Händen zu geben. Deshalb steht wieder einmal ein äußerst betrügerischer Verlauf des demokratischen Wahlprozesses in Belarus zu befürchten.

Die Opposition ist die Hauptleidtragende der getroffenen Entscheidung. Wie kann sie einen Wahlkampf führen, wenn ihre Kandidaten im Gefängnis landen, wie der Sozialdemokrat Nikolai Statkewitsch, und wenn alle Massenmedien vom Regime kontrolliert werden? Die Behörden sind nach Kräften bemüht, der Opposition das Leben so schwer wie möglich zu machen, und dann wurde die Wahlkampfzeit auch noch um mehr als die Hälfte verkürzt.

Auf diese flagranten Verletzungen unserer demokratischen Werte in einem der EU-Nachbarländer muss weiterhin die Aufmerksamkeit gelenkt werden. Wir müssen erneut nachdrücklich darauf hinweisen, dass die Politik Lukaschenkos inakzeptabel ist, aber wir müssen zugleich nochmals betonen, dass im Falle eines Kurswechsels der Weg zu engeren Beziehungen zur EU offen steht. Welche sonstigen Handlungsmöglichkeiten haben wir? Bedauerlicherweise hat sich das Verhältnis zwischen Lukaschenko und dem Europäischen Parlament dermaßen verschlechtert, dass wir – im Unterschied zur OSZE – nicht zur Teilnahme an der Wahlbeobachtungsmission eingeladen wurden.

Während dies insofern ein gutes Zeichen bedeutet, als es die Folge unserer konsequent kritischen Haltung gegenüber dem Regime in Belarus ist, müssen wir uns andererseits auch fragen, weshalb das Europäische Parlament nicht einfach als offizielle EU-Vertretung an der OSZE-Mission teilnehmen könnte. Wir sind über die Einladung an die OSZE zwar erfreut, aber wir möchten zugleich betonen, dass in Bezug auf die internationalen Standards, zu denen sich auch Belarus als OSZE-Mitglied verpflichtet hat, mehr als ein Lippenbekenntnis abgelegt werden muss. Deshalb hoffen wir, dass die OSZE-Mission ihrer normalen Arbeit nachgehen kann, und appellieren an die belarussische Regierung, ihr jeglichen Beistand zu gewähren.

Wir müssen schließlich trotz verschlechterter Umstände – ich hatte vor vier Jahren an der Beobachtung mitgewirkt, und meines Erachtens ist die Situation heute noch schlimmer als damals – alle Anstrengungen unternehmen und dürfen vor allen Dingen nichts unterlassen, um die Opposition zu unterstützen, der es gelang, diesmal einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Hoffentlich wird das Parlament mit seiner heutigen Erklärung der Opposition und dem Kandidaten Aleksander Milinkewitsch zumindest moralischen Auftrieb geben.

 
  
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  Elisabeth Schroedter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich gebe den Vorrednern Recht. Die Hoffnung, dass die Präsidentschaftswahlen zu einem neuen Anfang im Land, in der demokratischen Entwicklung führen, sinkt jeden Tag. Präsident Lukaschenko erfindet täglich neue Repressalien gegen die Opposition und die Menschen im Land, die für sich die Freiheit der Andersdenkenden in Anspruch nehmen. Deshalb ist es notwendig, dass die Hilfe von außen weiter verstärkt wird. Wir dürfen uns auch nicht dadurch entmutigen lassen, dass das demokratische Engagement im Lande im Keim erstickt wird, denn der Freiheitswille der Menschen ist da, und wir wissen, wie schwer ein solches Engagement gerade unter den Bedingungen dieser gelinkten Wahl ist. Deshalb muss uns klar sein, dass nicht allein dieser Wahltag nicht allein der Stichtag ist, sondern dass das Ganze ein Prozess ist.

Wir sollten aufmerksam beobachten, wie viele kleine Aktivitäten der Menschen in Belarus stattfinden, die deren Freiheits- und Demokratiewillen zum Ausdruck bringen. Wir haben ein wirklich ernsthaftes demokratisches Potenzial im Land und deswegen möchte ich außerdem noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Aktivitäten in Kommission und Rat zur Unterstützung dieses Potenzials völlig unzureichend sind. Zu langsam, zu unflexibel, nicht effizient! Ich bitte den Rat, dass er jetzt endlich einmal wirklich seine Hausaufgaben erledigt und die Regeln, die es für die Außenhilfe gibt, dieser speziellen Situation schnellstens anpasst, dass er die Beratungen beendet und ein effizientes Instrument entwickelt, sonst sind wir mit schuld an dieser schwierigen Situation.

 
  
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  Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Meine Damen und Herren! Als Mitglied der Delegation für Belarus im Auftrag der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke lehne ich den Entschließungsantrag ab, und ich werde erklären, weshalb. Man könnte der Aussprache im Parlament zufolge Verständnis dafür haben, zu denken, dass der Oppositionskandidat in der Lage wäre, die Wahlen in Belarus zu gewinnen, doch wir wissen, dass Lukaschenko im Amt bleiben wird. Was wird als nächstes geschehen? Welche Art Beziehungen werden wir mit Belarus unterhalten? Wir müssen uns bewusst machen, dass Belarus nicht nur Lukaschenko und die Personen in privilegierten Positionen ist, sondern eine Nation, die keine vollkommen negativen Erfahrungen mit dem Regime gemacht hat, zumal es unbestreitbar bestimmte soziale Vorzüge genießt, wie beispielsweise freie Bildung und Gesundheitsversorgung. Wir sind uns voll und ganz bewusst, wie eng die Beziehungen zwischen Belarus und Moskau sind und welche Bedeutung die Entwicklung dieses kleinen Landes für seinen großen Nachbarn hat. Es ist kein Geheimnis, dass beide Länder darauf hinarbeiten, sich enger als bisher zusammenzuschließen. Die Strategie der Europäischen Union gegenüber Belarus ist deshalb letztendlich auch eine Strategie gegenüber Russland.

 
  
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  Paul Marie Coûteaux, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Wie immer kann ich nur in wenigen Worten meine Missbilligung über die Äußerungen zum Ausdruck bringen, die soeben vom Rat und von der Kommission zu hören waren.

Mit scheint es ein wenig zu einfach, im vorliegenden und auch in anderen Fällen einem souveränen Land den Vorwurf zu machen, nicht in allen Punkten dem Kanon zu entsprechen, den wir für die Anerkennung einer Regierung festgelegt haben, je nachdem, ob sie uns genehm ist oder nicht, in Wahrheit aber aus einem ganz anderen Grunde.

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches war Belarus einigen sicherlich auch nicht besser legitimierten Schmarotzerbanden ausgeliefert, denn sie dienten den Interessen gewisser Multis, wobei man sogar erlebte, dass Minister häppchenweise öffentliches Eigentum verkauften – häufig sogar an europäische Unternehmen – und den Erlös in die eigene Tasche steckten. Das nannte sich dann Liberalisierung. Hinzu kam, dass Belarus von einigen westlichen Mächten instrumentalisiert wurde, die nur allzu großen Gefallen daran fanden, dieses Land und mit ihm die Ressourcen, die es bot, gegen seine große Schwesternation, gegen Russland in Stellung zu bringen.

Wir dürfen uns nicht durch eine etwas billige Propaganda blenden lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir derzeit aufgefordert werden, die Minsker Behörden zu verurteilen, so nicht zum Wohle des weißrussischen Volkes, sondern wir würden damit ganz einfach verkappt als Mittler für eine US-amerikanische Strategie dienen, deren Ziel es ist, die russische Staatsmacht dadurch so straff wie möglich im Zaum zu halten, dass man sie ihrer natürlichsten – geschichtlichen wie geografischen – Verbindungen beraubt. Das hieße, den Hexenmeister zu spielen, wie man es auch seit einem Jahr in der Ukraine erlebt, und das würde Europa – dem echten Europa – nicht zum Guten gereichen, das Russland und seine Bündnispartner in seinen Sphäre aufnehmen muss, was es früher oder später auch tun wird.

 
  
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  Konrad Szymański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Belarus stellt eine große Herausforderung für die Europäische Union dar, weil der Druck, den wir bisher auf dieses Land ausgeübt haben, keinerlei Wirkung gezeigt hat.

Wir müssen nun Maßnahmen ergreifen, um den demokratischen Prozess in Belarus zu unterstützen. Dazu sind einige organisatorische Schritte notwendig. Für die Überwachung der Menschenrechte in Belarus sollten wir die Jahresberichte des Parlaments über die Menschenrechte in der Welt und die Informationen des Sonderbeauftragten der Kommission und des Rates für Belarus als Grundlage nehmen. Parlamentarischen Entschließungen sollten neuen und kritischen Situationen vorbehalten bleiben.

Unsere Maßnahmen sollten auf dem Nachbarschaftsinstrument oder – wenn die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen dies nicht zulassen – auf einem eigenständigen Menschenrechtsinstrument beruhen. Vor allem aber muss die EU ihre Zusagen einhalten und gemeinsam mit zuverlässigen Partnern für die Finanzierung unabhängiger Medien sorgen. Insofern lässt die jüngste Ausschreibung der Kommission einige Zweifel aufkommen, die der Kommission deshalb mit der heutigen Anfrage vorgetragen wurden.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (NI).(PL) Herr Präsident! Belarus ist ein besonderes Land, denn es ist die letzte Diktatur in Europa. Es ist ein verarmtes Land. Es ist auch in dem Sinne verarmt, dass es noch nie in seiner Geschichte in den Genuss der Freiheit gekommen ist – im Gegensatz zu vielen, wenn nicht sogar allen seinen Nachbarn. Wie kann Belarus aber nun nach Freiheit streben, wenn es diesen Zustand gar nicht kennt? Belarus weiß ja gar nicht, wonach es streben soll. Die Belarussen stellen kaum Forderungen und sind sehr geduldige Menschen. Sollte sich herausstellen, dass die Wahlen am 19. März manipuliert waren, dann werden die Belarussen eben warten, bis es eines Tages zu freien Wahlen kommt.

Dennoch sollten wir jetzt keine Mühen scheuen um sicherzustellen, dass am 19. März zum ersten Mal freie Wahlen stattfinden. Es ist nicht gut, wenn ein und dieselbe Person über einen langen Zeitraum hinweg an der Macht bleibt. Belarus sollte zwischen seinem amtierenden Präsidenten und Alexander Milinkewitsch frei wählen können.

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE). (SK) Wir in der Slowakei haben nach dem so genannten „Siegreichen Februar“ des Jahres 1948 vierzig Jahre lang ein ähnliches Regime erlebt, wie es heute in Belarus an der Macht ist. Der von der Kommunistischen Partei kontrollierte Staatsapparat unterdrückte nicht nur jede Äußerung von Widerstand, sondern auch jede Ausdrucksform und jedes Symbol einer freien, demokratischen Gesellschaft und der Rechtsstaatlichkeit. Menschen, die nie in einer Diktatur gelebt haben, können sich nur schwer vorstellen, was das bedeutet.

Wir beobachten mit Sorge, dass die belarussischen Behörden ihre repressiven Maßnahmen gegen die Zivilgesellschaft ausweiten. Die gewaltsame Auflösung von unabhängigen Presseorganen und Nichtregierungsorganisationen geht weiter.

Am 6. Februar 2006 wurde eine weitere Nichtregierungsorganisation, der Dachverband von Kinder- und Jugendorganisationen, durch das Oberste Gericht von Belarus aufgelöst.

Es ist richtig und sinnvoll, dass die Europäische Union den Druck auf Belarus erhöht. Ich bin dankbar, dass wir uns nicht darauf beschränkt haben, unser Bedauern über das harte Vorgehen gegen unabhängige Medien, Nichtregierungsorganisationen und religiöse Organisationen sowie einige Bildungseinrichtungen in diesem Land zum Ausdruck zu bringen. Ganz besonders begrüße ich die Entscheidung der Kommission, unabhängige Hörfunkprogramme für Belarus finanziell zu unterstützen. Der Radiosender „Deutsche Welle“ verdient ebenfalls unsere Anerkennung. Ich hoffe, dass die ursprüngliche Entscheidung, in russischer Sprache zu senden, geändert worden ist und dass die belarussische Bevölkerung die Sendungen in ihrer Muttersprache hören kann, was in diesen Tagen vor den Wahlen besonders wichtig ist. Bei meinen Kontakten mit Vertretern der demokratischen Kräfte in Belarus wurde darauf hingewiesen, dass Sendungen in russischer Sprache einen negativen Effekt haben könnten. Jetzt vor den Wahlen sollte es das Ziel der Europäischen Organe sein, gemeinsame Maßnahmen zur Unterstützung eines konkreten demokratischen Wandels in diesem Land zu treffen.

 
  
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  Joseph Muscat (PSE). (MT) Vielen Dank, Herr Präsident. Ich denke, dass das Europäische Parlament dem belarussischen Volk, wenn auch mit einem Tag Verspätung, eine Botschaft übermitteln möchte, um ihm seine Sympathie zu bekunden. Diese Botschaft richtet sich an ein Volk, dem, wie die Fakten zeigen, die Freiheit verweigert wird, seine politische Führung selbst zu wählen. Wir haben in diesem Hohen Haus bisher immer davon gesprochen, dass Wahlen anstehen. Ich glaube, dass es wohl korrekter wäre, wenn wir das bevorstehende Ereignis als unrechtmäßigen Prozess bezeichnen würden, mit dem das Regime seine Macht sichern will. Es sollte erwähnt werden, dass die Europäische Union in den vergangenen Monaten große Fortschritte bei praktischen Maßnahmen zur Unterstützung der Bevölkerung von Belarus erreicht hat. Im Namen des Vorsitzes der Delegation für die Beziehungen zu Belarus möchte ich dem Rat und der Kommission danken, doch es muss noch mehr getan werden. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir die Bevölkerung von Belarus, insbesondere die jungen Menschen, umfassend unterstützen. Die Behörden, die die Freiheit einschränken wollen wissen, dass die jungen Menschen die wichtigsten Protagonisten des Wandels sind. Die Behörden haben nun sogar RADA geschlossen, der Jugendliche aus Belarus im Europäischen Jugendforum vertritt. Dies missbilligen wir aufs Äußerste. Wir möchten dem belarussischen Volk nochmals unsere Unterstützung zusichern, insbesondere den jungen Menschen, und wir versprechen, dass wir in schweren Zeiten an seiner Seite sein werden.

 
  
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  Anne E. Jensen (ALDE).(DA) Herr Präsident! Es gibt sicher nicht viele Leute, die glauben, dass die Präsidentschaftswahlen in Belarus am 19. März selbst den elementarsten demokratischen Grundregeln entsprechen werden. Wir haben jeden Grund, davon auszugehen, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Präsident Lukaschenko wird alles unternehmen, um seine Position zu verteidigen und seine Diktatur zu festigen. Die Opposition verfügt nicht über die gleichen Möglichkeiten, ihre politischen Botschaften auszusenden, und der Wahlkampf des Kandidaten der vereinigten Opposition, Herrn Milinkewitsch, gestaltet sich außerordentlich schwierig. Wir müssen alles unternehmen, um die demokratischen Kräfte in Belarus im Vorfeld der Wahlen zu unterstützen. Ich möchte jedoch eine spezielle Bitte aussprechen, und zwar dass wir Belarus nach den Wahlen nicht vergessen. Ich stimme Herrn Winkler zu, dass langfristige Anstrengungen erforderlich sind, um die Demokratie in Belarus auf den Weg zu bringen, und wir müssen diese Anstrengungen auch nach den Wahlen weiter fortsetzen. Ich möchte Kommissar Borg dafür danken, dass er beabsichtigt, eben solch eine Strategie zu verfolgen.

 
  
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  Jonas Sjöstedt (GUE/NGL).(SV) Herr Präsident! Ich gehöre dem Teil meiner Fraktion an, der der Ansicht ist, dass unsere Fraktion den gemeinsamen Entschließungsantrag hätte unterzeichnen sollen. Ich bedauere, dass das nicht geschehen ist.

Die Lage in Belarus verschlechtert sich zusehends, und die Bedingungen für demokratische Wahlen sind leider äußerst schlecht. Die Opposition – sowohl die politische Opposition als auch die freien Gewerkschaften – wird systematisch verfolgt. Kritische, unabhängige Medien verfügen nur über einen äußerst geringen Spielraum.

In dieser Situation müssen wir alles in unseren Kräften Stehende tun, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen und freie Wahlen und eine umfassende Wahlbeobachtung zu gewährleisten. Es gibt nur eine Möglichkeit, unsere Solidarität mit Belarus zu zeigen, indem wir fordern, dass die Belarussen selbst über ihre Zukunft entscheiden. Dazu ist Demokratie erforderlich.

 
  
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  Inese Vaidere (UEN).(LV) Meine Damen und Herren! Ein freier Fluss von Informationen aus Europa ist für die Unterstützung der Demokratie in Belarus unerlässlich.

Ich möchte darauf hinweisen, dass erstens die Mittel, die wir für Hörfunksendungen nach Belarus eingesetzt haben, bisher noch nicht die erwünschte Wirkung hatten. Die Entscheidung der Europäischen Kommission, einen Auftrag im Wert von zwei Millionen Euro für Sendungen nach Belarus an das deutsch-russische Konsortium zu vergeben, wohl wissend, dass das russische Fernsehen bereits großzügige Verträge mit der belarussischen Regierung hat und auch, dass Sendungen in Russisch ausgestrahlt werden, ist meiner Meinung eine nicht hinnehmbare Geldverschwendung. Letztendlich könnte dies sogar dem Lukaschenko-Regime nützen.

Zweitens muss die Europäische Union die demokratische Presse von Belarus unterstützen.

Drittens sollten wir in Erwägung ziehen, die Erlangung von EU-Visa für die Bürger, Wissenschaftler und Kulturschaffenden von Belarus zu erleichtern und gleichzeitig die Beschränkungen bei Visa für Vertreter des herrschenden Regimes und ihrer Familien zu verschärfen.

Abschließend fordere ich die Europäische Kommission und den Rat auf, mit größerem Nachdruck die unverzügliche Freilassung des Oppositionsführers Michail Marinitsch zu verlangen, der aus politischen Gründen inhaftiert ist.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE).(LT) Die Lage in Belarus lässt gut einen Monat vor den Wahlen kaum Hoffnung auf demokratische, freie oder faire Präsidentschaftswahlen.

Bisher ist kein einziger Kandidat offiziell registriert, und nur für einen künftigen Kandidaten (den jetzigen Präsidenten Alexander Lukaschenko) läuft eine umfangreiche Werbekampagne, die vom gesamten staatlichen Medienapparat durchgeführt wird. Eine Presseanalyse zeigt, dass sich landesweit die Meinung herausbildet, es gebe zum derzeitigen Präsidenten keine Alternative und eine absolute Mehrheit der Bürger werde für ihn stimmen, weil nur Alexander Lukaschenko für Stabilität in einem Land sorgen könne, dessen Erfolge unbestreitbar seien. Die Gegner sind offenbar nichtsnutzige Gauner, während der Westen die Lage in Belarus nicht versteht und versucht, das Land zu destabilisieren, was ihm aber nicht gelingen wird, weil Belarus ja Präsident Lukaschenko hat. Die Unterdrückung der nichtstaatlichen Medien nimmt weiter zu.

Angesichts dessen ist die Unterstützung durch die Europäische Union unerlässlich, aber es kommt zu wenig und zu spät und hat deshalb kaum Wirkung. Ist das wirklich alles, was die Europäische Union tun kann, um sich für die Gedankenfreiheit und die Pressefreiheit in einem Nachbarland einzusetzen?!

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE). (EN) Herr Präsident! Am 19. März werden in Belarus Präsidentschaftswahlen stattfinden. Wir alle sind uns darin einig, dass es an der Zeit ist, die Aktivitäten der demokratischen Kräfte in Belarus zu unterstützen. Unsere oberste Priorität sollte die Unterstützung einer freien und demokratischen Wahl sein. Bei dieser Wahl muss während des gesamten Ablaufs, dazu gehören die Auszählung der Stimmen ebenso wie die Gewährleistung gleicher Bedingungen für alle Bewerber, die größtmögliche Transparenz sichergestellt werden.

Die Politik von Lukaschenko hat allzu oft Anlass zu ernsthafter Sorge gegeben. Ganz wichtig ist die Anwesenheit des Europäischen Parlaments und des Europarates bei den Präsidentschaftswahlen. Wir sollten bei den belarussischen Behörden darauf bestehen, dass beide Institutionen so bald wie möglich eine Einladung erhalten.

Was die Unabhängigkeit der Medien und die Meinungsfreiheit anbelangt, verschlechtert sich die Situation der belarussischen Bürger immer weiter. Deshalb unterstützen wir auch ausdrücklich den Aufbau eines Rundfunknetzes, das von Polen, Litauen und eventuell auch von der Ukraine aus sendet. Die Maßnahmen, die von der belarussischen Regierung gegen die Union der Polen in Belarus und die Roma-Minderheit getroffen wurden, zeigen ebenso wie die Entscheidung, die evangelisch-reformierte Kirche zu verbieten, dass weder die Minderheitenrechte noch die Glaubens- und Vereinigungsfreiheit respektiert werden.

 
  
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  Rolandas Pavilionis (UEN).(LT) Außer den schlechten Nachrichten aus Minsk gibt es auch gute Neuigkeiten aus Vilnius. Heute hat die litauische Regierung die Europäische Humanistische Universität registriert, die vor einiger Zeit Minsk verlassen und ihre Tätigkeit in Vilnius wieder aufgenommen hat. Dies ist das Ergebnis von immensen Bemühungen einiger Abgeordneter des Europäischen Parlaments zusammen mit Vertretern der Europäischen Kommission und litauischen Diplomaten. Die Studenten dieser Universität lassen ohne Zweifel auf die Wiederbelebung von Belarus hoffen. Gleichzeitig haben wir auch einige schlechte Nachrichten aus Minsk erhalten. Die Diktatur verstärkt ihren Druck auf zivile demokratische Jugendorganisationen, die gegen das Regime sind. Die Arbeit der belarussischen Union von staatlichen Kinder- und Jugendverbänden, RADA, wurde durch einen Beschluss des Regimes verboten. Diese Jugendorganisation hatte bereits internationale Anerkennung erworben und war dabei, Beziehungen zwischen Jugendlichen in Belarus und vielen europäischen Jugendorganisationen aufzubauen. Deshalb möchte ich an alle meine Kollegen appellieren und meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass sie die Forderung nach einem Ende der Unterdrückung der Jugend von Belarus und ihrer Organisationen unterstützen.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (FR) Zum Abschluss dieser Aussprache möchte ich nun im Namen des Rates das Wort ergreifen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst eines ganz klar feststellen, weil es in der Debatte angesprochen wurde: Die Sorge um die Menschenrechte irgendwo in der Welt ist das Recht jedes Staates, die Kritik an menschenrechtswidrigen Zuständen ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Das ist spätestens 1993 bei der Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte festgestellt worden. Daher ist es das gute Recht der Europäischen Union, das gute Recht jeden Staates, sich um die Einhaltung der Menschenrechte in einem anderen Staat zu kümmern. Die Europäische Union tut das, und ich danke dem Europäischen Parlament für dieses Engagement und für die klaren Aussagen, die hier in dieser Debatte getroffen wurden. Sie erleichtern damit auch dem Rat und der Kommission die Arbeit, weil es wichtig ist, dass die Europäischen Institutionen hier mit einer Stimme sprechen.

Ich darf vielleicht zum Beitrag der Frau Abgeordneten Schroedter sagen, dass man es durchaus so sehen kann, dass die Instrumente, die zur Verfügung stehen, bis dato nicht effizient eingesetzt worden sind. Wir bemühen uns, das besser zu tun. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, dass die Schaffung des neuen Außenhilfeinstruments über die europäische Nachbarschaftspolitik die Situation verbessern wird und wir uns in diesem Sinne auch bemühen wollen, damit die Einsetzung der Mittel in effizienterer Weise gewährleistet wird.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch sagen – weil es in der Debatte mehrfach angesprochen wurde –, dass gerade heute das Troika-Treffen der Außenminister in Wien mit dem russischen Außenminister stattfindet – Kommissar Borg hat es gesagt, weil Kommissarin Ferrero-Waldner auch teilnimmt. Selbstverständlich steht bei diesem wichtigen Treffen auch das Thema Belarus auf der Tagesordnung. Es ist in der Tat natürlich wichtig, dass auch Russland hier entsprechende klare Worte spricht. Wir alle wissen, dass Russland selbstverständlich einen bestimmten Einfluss auf die Geschehnisse in Belarus hat.

Wir wollen – auch das wurde hier angesprochen – etwas sehr ernst nehmen: In der Tat ist es, um die Kontakte zwischen Wissenschaftlern, zwischen jungen Leuten, zwischen Mitgliedern der Zivilgesellschaft zu fördern, notwendig, dass diesen Personen die Möglichkeit zu reisen gegeben wird. Das ist etwas, was wir uns in der Tat näher anschauen müssen. Es wäre nicht richtig, wenn wir es diesen Menschen, die sich unter Einsatz ihrer Freiheit für demokratische Verhältnisse eintreten, nicht möglich machen würden, sich gemeinsam mit unseren Institutionen für eine Demokratisierung in Belarus einzusetzen.

Die Präsidentschaftswahlen wurden angesprochen. Sie wären an sich eine Chance, damit Belarus den richtigen Weg einschlägt. Wie die meisten Redner gesagt haben, sind diese Chancen nicht sehr groß, und die Europäische Kommission und der Rat werden sich überlegen müssen, wie man im Falle von Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen darauf reagiert. Wir sind selbstverständlich bereit, hier auch Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Wir müssen aber auf jeden Fall sicherstellen, dass wir nicht – wie das mit Sanktionen oft der Fall ist – die Falschen treffen. Wir wollen nicht die Zivilbevölkerung treffen. Wir wollen auch nicht die Zivilgesellschaft treffen. Im Gegenteil, wir wollen diese fördern, und wir wollen alles unternehmen, damit von der Basis her langfristig eine Veränderung in Belarus erreicht werden kann. Daran wollen wir, daran wird der Rat arbeiten.

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Ich danke den Mitgliedern des Parlaments für alle ihre Beiträge, in denen im Allgemeinen das Eintreten dieses Hauses für die Demokratie und die Achtung der Menschenrechte in Belarus bekräftigt worden ist.

Wie ich in meiner Einführung bereits sagte, hat die Kommission über ihre Unterstützung von NRO und Medienorganisationen sowie Maßnahmen zur Sensibilisierung der belarussischen Bevölkerung eine aktive Rolle in Belarus gespielt, in der Hoffnung, dass dadurch ein demokratischer Wandel herbeigeführt werden kann. Die Europäische Union hat die Bedeutung hervorgehoben, die sie einer demokratischen Wahl beimisst, und wir sind bereit zu einer Vertiefung der Beziehungen, wenn wir überzeugende Fortschritte auf dem Weg zu einer echten Demokratie und zur Achtung der Menschenrechte erkennen können.

Im Hinblick auf das, was Herr Wiersma und andere Mitglieder über die für den 19. März angesetzten Präsidentschaftswahlen gesagt haben, bedauert die Kommission, dass das Europäische Parlament nicht als Wahlbeobachter eingeladen worden ist. Das ist wirklich enttäuschend, doch angesichts der Lage im Land kommt diese Entscheidung nicht überraschend. Wir werden die Berichte der OSZE-/BDIMR-Mission über die Wahlen sorgfältig verfolgen. Zu klären wäre, ob sich Mitglieder des Europäischen Parlaments über die nationalen Kontingente der Mitgliedstaaten an der OSZE-/BDIMR-Mission beteiligen können.

Was das Thema angeht, das von Frau Schroedter und anderen Abgeordneten angesprochen worden ist, möchte ich wiederholen, dass die Kommission mit neuen Strategien auf die Situation zu reagieren versucht, zum Beispiel durch die Unterstützung der Europäischen Humanistischen Universität im Exil und unabhängiger Medien.

Zu den Ausführungen von Frau Záborská verweise ich nochmals darauf, dass die Kommissionsstrategie zu einem wesentlichen Teil in der Unterstützung unabhängiger Medien besteht, die sowohl in russischer als auch belarussischer Sprache senden – hier ist insbesondere die Deutsche Welle zu nennen –, um sicherzustellen, dass diese als echter Katalysator für einen Wandel fungieren können.

Herr Muscat hat in seinem Beitrag die Jugend besonders hervorgehoben. Ich danke ihm für seine Ausführungen und versichere ihm, dass die Kommission ihre Anstrengungen auf die Zivilgesellschaft konzentriert, dazu gehört auch die Jugend in Belarus, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist.

Frau Vaidere kann ich im Hinblick auf das von ihr erwähnte Thema berichten, dass in den Arbeitsgruppen des Rates Gespräche über praktische Lösungen für ein gemeinsames Konzept für Visaerleichterungen geführt werden.

Den Ausführungen von Herrn Pavilionis kann ich mich nur anschließen, dass wir alle Maßnahmen unterstützen müssen, die jungen Menschen in Belarus und insbesondere der Europäischen Humanistischen Universität im Exil zugute kommen.

An dem Medienprojekt mit einem Finanzvolumen von 2 Millionen Euro beteiligen sich nicht nur Partner aus Deutschland und Russland, sondern auch ein Radiosender aus Polen und ein Sender aus Litauen sowie deutsche und niederländische NRO und belarussische Journalisten. Es handelt sich also um ein europaweites Projekt. Der russische Partner für das Fernsehprogramm, RTVI, hat den Nachweis erbracht, dass er von der russischen Regierung völlig unabhängig ist. Tatsächlich besteht RTVI aus Journalisten, die den von der Regierung kontrollierten Medien den Rücken gekehrt haben.

Alle Fernseh- und Rundfunkprogramme werden sowohl auf Russisch als auch auf Belarussisch ausgestrahlt. Fernsehprogramme, die in Russisch gesendet werden, haben grundsätzlich belarussische Untertitel.

 
  
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  Der Präsident. – Zum Ende dieser Aussprache habe ich gemäß Artikel 103 Absatz 2 GO sechs Entschließungsanträge(1) erhalten.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 10.00 Uhr statt.

(Die Sitzung wird in Erwartung der Fragestunde der Kommission um 16.50 Uhr unterbrochen und um 17.30 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN
Vizepräsidentin

(Die Sitzung wird um 17.35 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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