Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0013/2006).
Wir behandeln die folgenden Anfragen an den Rat.
Erster Teil
Anfrage Nr. 1 von Eoin Ryan (H-0110/06)
Betrifft: Oppositionelle in Äthiopien
Gegenwärtig befinden sich in Äthiopien 131 namhafte Oppositionelle in Haft, darunter 10 gewählte Mitglieder des Parlaments dieses Landes sowie Professoren, Richter und Journalisten.
Welche Maßnahmen hat der Rat in Anbetracht der Tatsache eingeleitet, dass diese Inhaftierungen gegen das Völkerrecht verstoßen und die EU für Äthiopien der weltweit größte Geber internationaler Hilfe ist, um diese schwerwiegenden Rechtsverletzungen bei der Regierung Äthiopiens zur Sprache zu bringen?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Zur Frage des Abgeordneten Ryan über die Oppositionellen in Äthiopien möchte ich namens des Rates Folgendes sagen:
Der Rat verfolgt die Lage inhaftierter Oppositionsführer, Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, Zeitungsverleger und Journalisten sehr aufmerksam. Nach deren Verhaftung hat die Europäische Union am 6. November des Vorjahres eine Erklärung abgegeben, in der sie ihre Besorgnis zum Ausdruck bringt und zur Freilassung aller politischen Gefangenen aufruft. Außerdem forderte die EU die sofortige Freilassung aller Verhafteten, gegen die nicht in einem ordentlichen, gewissen Mindeststandards entsprechenden Verfahren Anklage erhoben wurde. Ebenso forderte sie, dass alle Inhaftierten das Recht haben sollten, Besuch ihrer Angehörigen und des Internationalen Roten Kreuzes und/oder anderer geeigneter Vertreter der internationalen Völkergemeinschaft zu empfangen. Eine gemeinsame Erklärung der Botschafter der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten von Amerika vom 6. November 2005 in Addis Abeba enthielt eine ähnliche Forderung.
Seit den Festnahmen Anfang November 2005 haben Vertreter der Europäischen Union den Fall dieser Inhaftierten regelmäßig gegenüber der äthiopischen Regierung und auch direkt bei Premierminister Meles Zenawi im Rahmen des politischen Dialogs mit Äthiopien gemäß Artikel 8 des Cotonou-Abkommens zur Sprache gebracht. Die diplomatischen Vertreter der Europäischen Union in Addis Abeba sind übereingekommen, die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit als Kernstück des politischen Dialogs mit Äthiopien zusammen mit der Forderung zur Sprache zu bringen, alle nach den politischen Demonstrationen vom Juni und vom November festgenommenen Gefangenen freizulassen und ihren Angehörigen und Anwälten sowie humanitären Organisationen den Zugang zu ihnen zu garantieren.
Bei dieser Gelegenheit darf ich erwähnen, dass ich selbst in Gesprächen mit Lord Triesman und mit Minister Hilary Benn diese Fragen besprochen habe, weil wir wissen – und ich habe es erwähnt –, dass gerade die verschiedenen Schritte, die während der britischen Präsidentschaft gesetzt wurden, hier von großer Bedeutung waren und ich selbstverständlich darauf Wert lege, dass hier eine Kontinuität stattfindet.
Außerdem sind die diplomatischen Vertreter übereingekommen, darauf zu drängen, dass die Angehörigen der Inhaftierten über deren Verbleib informiert werden und diese selbst Zugang zu Rechtsbeistand und eine menschenwürdige Behandlung erhalten.
Eine andere Priorität, der wir uns in besonderem Maße widmen, besteht darin, die lokale und internationale Beobachtung der Prozesse gegen führende Oppositionelle und andere Personen zu gewährleisten. In dieser Hinsicht wird beabsichtigt, dass ein Beobachter, der den EU-Vertretern in Addis Abeba Bericht erstattet, den Prozess gegen die Oppositionsführer Hailu Shawel und andere Personen verfolgt.
Die Europäische Union wird diese Fragen weiterhin gegenüber der äthiopischen Regierung ansprechen und die Lage der Inhaftierten mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.
Eoin Ryan (UEN). – (EN) Ich bin von der Antwort auf meine Frage etwas enttäuscht. Im Mittelpunkt unserer Entwicklungshilfepolitik stehen die verantwortungsvolle Staatsführung und die Achtung der Menschenrechte, und das scheint hier durchaus nicht der Fall zu sein. Obwohl wir zwischen 2002 und 2005 annähernd 900 Millionen Euro für Äthiopien bereitgestellt haben, ist von der Achtung der Menschenrechte in diesem Land herzlich wenig zu spüren. Es wird viel geredet, aber sehr wenig getan.
Ich möchte konkret auf den Fall von Berhanu Nega, den gewählten Bürgermeister von Addis Abeba, aufmerksam machen. Wie geht es ihm, und wurde sein Fall vom Rat aufgegriffen?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Zur Zusatzfrage wäre Folgendes zu sagen. Wie der Herr Abgeordnete weiß und wie wir alle wissen, zählt Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Welt. Vor allem in den südlichen Landesteilen ist die Not besonders groß. Es mangelt an Nahrungsmitteln, und es ist unsere Pflicht, der Bevölkerung zu helfen.
Wir meinen, dass Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit für die arme Bevölkerung des Landes nicht als Druckmittel gegen die Regierung benutzt werden und zur Bestrafung der Bevölkerung führen sollte. Deshalb hält die Europäische Union für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellte Mittel nicht zurück, sondern lenkt sie um. Diesen Umstand sollten wir bedenken.
Wir denken jetzt darüber nach, wie wir weiter verfahren sollten. Wir verringern den Teil unserer Hilfe, der der Regierung direkt zufließt, und suchen nach Möglichkeiten, um diese Mittel der bedürftigen Bevölkerung direkt zukommen zu lassen.
Am 13. und 14. März wird in Paris eine Konferenz stattfinden, bei der es um die Zukunft der Entwicklungshilfe für Äthiopien gehen wird. Dabei wird man sich auf neue Möglichkeiten einigen, um der armen Bevölkerung in Äthiopien direkt zu helfen, ohne die entsprechenden Mittel direkt an die Regierung zu übergeben.
Was den von Herrn Ryan angesprochenen Fall betrifft, so liegen mir keine konkreten Informationen vor. Ich werde diese Angelegenheit auf jeden Fall prüfen und Sie über das Ergebnis unserer Erkundigungen informieren.
Ana Maria Gomes (PSE). – (EN) Wieso zählt Äthiopien, wie Sie sagten, zu den ärmsten Ländern der Welt? Das hängt mit dem Charakter des politischen Regimes zusammen, das der Zivilgesellschaft nicht einmal bei der Verteilung von Nahrungsmittelhilfe traut. Davon konnte ich mich als leitende Wahlbeobachterin in Äthiopien selbst überzeugen. Das hängt auch damit zusammen, dass in diesem Land 85 % der Bevölkerung Kleinbauern sind: Sie besitzen kein Land und haben daher keinen Produktionsanreiz.
Wurden von der gestrigen und heutigen Gebertagung die Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union in Betracht gezogen, denen zufolge bei den Wahlen die Grundsätze wahrhaft demokratischer Wahlen ignoriert und in denen die Gründe dafür aufgezeigt wurden? Wieso hat der Rat die von diesem Parlament in drei Entschließungen geforderte Aufnahme eines Dialogs ignoriert…
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Den letzten Teil der Frage habe ich leider nicht verstanden.
Wie ich bereits sagte, wissen wir sehr wohl um die politischen und sozialen Bedingungen in diesem Land. Ich kann Ihnen versichern, dass wir sie sehr sorgfältig in Betracht ziehen. Ich kann Ihnen ferner versichern, dass die im Moment stattfindende Konferenz über sämtliche Informationen in Bezug auf die politische, soziale, wirtschaftliche und finanzielle Lage in Äthiopien verfügt.
David Martin (PSE). – (EN) Ich teile die Ansicht des Rates. Man kann nicht zulassen, dass die arme Bevölkerung Äthiopiens für die Unzulänglichkeiten ihrer Regierung leiden muss.
Wie wird der Rat die Zivilgesellschaft bei der Verteilung von Hilfsgütern in Äthiopien unterstützen? Klar ist, dass wir keine Mittel über die äthiopische Regierung leiten sollten, aber wir sollten NRO weiterhin ermutigen, in Äthiopien aktiv zu sein. Um erfolgreich zu sein, brauchen sie aber logistische Unterstützung. Wie wird der Rat NRO in Äthiopien unterstützen?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie der Rat vorgehen kann und auch vorgeht. Wir sind sehr am Demokratisierungsprozess in Äthiopien interessiert, den wir auch unterstützen möchten.
Ich möchte kurz auf einige Instrumente eingehen, die wir einsetzen, so u. a. die Frage der parlamentarischen Verfahren. Wir haben uns damit befasst und beschlossen, sie zu berücksichtigen. Wir haben eine Reihe von Studien durchgeführt und möchten das Parlament bei der Verbesserung seiner parlamentarischen Verfahren unterstützen, damit Oppositionsparteien bessere Möglichkeiten erhalten und diese Verfahren auf internationales Niveau angehoben werden können. Wir bemühen uns in diesem Zusammenhang auch um die Gestaltung von Projekten und Programmen, die der Schulung von Parlamentariern dienen.
Wir leisten logistische Unterstützung für die Erweiterung und den Aufbau einer parlamentarischen Infrastruktur. Soweit mir bekannt ist, verfügt das Parlament über keinerlei Einrichtungen für Oppositionsparteien. Es gibt keine technischen Kommunikationseinrichtungen. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit dem UNDP an Projekten, die diesbezüglich hilfreich sein könnten.
Wir helfen ferner den Parlamentariern – vor allem von Oppositionsparteien –, andere Parlamente – z. B. in Indien, dem Vereinigten Königreich und den USA – zu besuchen, um Erfahrungen zu sammeln. Wie Sie sicher wissen, ist die Parteienlandschaft in Äthiopien noch sehr jung und unterentwickelt. Deshalb versuchen wir, diese unerfahrenen Abgeordneten mit traditionellen Parlamenten bekannt zu machen, damit sie von diesen lernen können.
Wir unterstützen die Reform des Nationalen Wahlausschusses, die meines Erachtens eine sehr interessante Initiative darstellt. Mit ihrem Beitrag versuchen unsere Botschafter in Äthiopien sicherzustellen, dass der Nationale Wahlausschuss internationalen Anforderungen genügt.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 2 von Cecilia Malmström (H-0148/06)
Betrifft: Förderung der Demokratie im Iran
Die politische Entwicklung im Iran ist sehr beunruhigend. Die reaktionären und antidemokratisch eingestellten Mullahs haben mit der Wahl von Machmud Achmadinedschad zum Präsidenten ihren Einfluss verstärkt. Jetzt ist es von großer Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft, darunter die EU, die demokratischen Kräfte im Iran unterstützt. Der Druck auf die politischen Machthaber muss verstärkt werden, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten, finanzielle Unterstützung für terroristische Organisationen und die Entwicklung von Kernwaffen geht. Letzte Woche teilte die US-amerikanische Außenministerin der Öffentlichkeit mit, dass die Regierung mit zusätzlichen 75 Millionen Dollar die Demokratie in Iran fördern will. Ein Großteil der Gelder soll in Radio- und Fernsehsender für die Bevölkerung in Iran fließen. Zudem werden große Bemühungen unternommen, um die iranische Bevölkerung über das Internet zu erreichen. Die USA beabsichtigen darüber hinaus eine beträchtliche Unterstützung des Radiosenders FARDA, der regimekritische Nachrichten in den Iran ausstrahlt.
Welche Maßnahmen wird der Rat innerhalb der EU ergreifen, damit unabhängige Radio- und Fernsehsender und andere demokratische Kräfte im Iran gestärkt werden können?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Der Rat ist sich darüber einig – das kommt auch in den Schlussfolgerungen des Rates vom 7. November 2005 zum Ausdruck –, dass es wichtig ist, politische Reformen im Iran zu unterstützen, Menschenrechte und die Demokratie zu fördern. Es liegt auf der Hand, dass es der Wunsch der Europäischen Union ist, dass sich der Iran zu einer Gesellschaft entwickelt, in der die Menschenrechte, die bürgerlichen und politischen Rechte in vollem Umfang gewahrt werden, in der demokratische Werte und Meinungsfreiheit sich entfalten können und in der es keine Diskriminierung, sondern Gleichbehandlung und Chancengleichheit gibt.
Es ist uns aber auch klar, dass die Umsetzung dieses Ziels eine nachhaltige und langfristige Bemühung und Geduld erfordern wird. Der Rat hat in der Vergangenheit versucht und wird es auch in Zukunft tun, politische Reformen zu fördern, und zwar durch Unterstützung verschiedener Stellen und Organisationen im Iran, einschließlich der iranischen Zivilgesellschaft. Zu diesem Zweck wurde der umfassende politische Dialog der Europäischen Union wieder aufgenommen, und wir sind auch sehr bestrebt, dass es wieder zu einem sinnvollen, konstruktiven Menschenrechtsdialog kommt. Die Europäische Union sucht derzeit nach dem besten Weg, um die politischen Reformen und die Demokratie im Iran zu unterstützen. Diese Überlegungen beziehen sich auf die Stärkung der Rolle der Medien und der demokratischen Kräfte.
Cecilia Malmström (ALDE). – (SV) Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Winkler, für diese Antwort.
Leider findet im Iran kein Menschenrechtsdialog statt. Es ist nichts passiert. Gegenwärtig sind im Iran umfassende Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. Dort ist ein Regime an der Macht, das die meisten Menschenrechte verletzt, eine Tatsache, die bei der natürlich äußerst wichtigen Diskussion um das Kernwaffenprogramm des Landes etwas in den Hintergrund gerät.
Meiner Meinung nach brauchen wir eine wohl durchdachte Strategie für das Reagieren auf die Menschenrechtssituation im Iran. Ich frage mich, ob wir vielleicht unsere Erfahrungen aus der Zeit nutzen können, als wir die belorussische Opposition mit Rundfunksendungen aus Europa auf Belorussisch unterstützt haben. Vielleicht könnte man auf diese Erfahrungen zurückgreifen.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Abgeordnete, wir sind uns bewusst, dass wir nicht alles auf einmal bewirken können, so gerne wir das täten. Aber wir glauben, dass der Dialog dennoch die einzige Alternative ist, die wir haben, denn der Abbruch eines Dialogs und sozusagen „die Bestrafung der Zivilgesellschaft“ ist sicherlich keine Option.
Es ist sicherlich enttäuschend, dass der Menschenrechtsdialog seit Juni 2004 nicht mehr stattgefunden hat. Daher wurde auch der Iran im November des Vorjahres bereits vom Rat Allgemeine Angelegenheiten aufgefordert, Schritte zur Wiederaufnahme substanzieller Gespräche im Rahmen des Dialogs zu unternehmen. Ich kann Ihnen sagen, Frau Abgeordnete, dass der Iran in den letzten Wochen durchaus Interesse gezeigt hat, diesen Dialog wieder aufzunehmen. Die Europäische Union macht dies allerdings von gewissen Rahmenbedingungen abhängig, denn nur ein Dialog um des Dialogs willen ist nicht zweckmäßig.
Wenn es uns gelingt, die Rahmenbedingungen festzusetzen, die einen sinnvollen Dialog erlauben, die auch eine Unterstützung der Zivilgesellschaft erlauben, werden wir diesen Dialog gerne wieder aufnehmen. Wir hoffen, dass es bereits unter österreichischem Vorsitz gelingen wird, diesen hoffentlich sinnvollen und zweckmäßigen Dialog wieder aufzunehmen.
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Die Frage betraf konkret die Stärkung der demokratischen Kräfte im Iran. Eine der wichtigen demokratischen Kräfte heißt auf Englisch People’s Mujahedin (Volksmudschaheddin). Sie steht derzeit auf der Terrorismusliste der EU, vermutlich weil die iranische Regierung sie dorthin gesetzt hat.
Ich möchte den Ratspräsidenten bitten zu prüfen, inwiefern die Frage einer baldigen Beseitigung dieser Anomalie auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden kann.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Ich kann dem Herrn Abgeordneten versichern, dass ich die Thematisierung dieser Frage im Rat nicht nur prüfen werde, sondern dass ich sie im Rat thematisieren werde.
David Martin (PSE). – (EN) Ich habe mich über die Antwort des Rates gefreut, denn mit reiner Propaganda kommen wir im Fall des Iran nicht weiter.
Als George Bush seine berühmte Rede hielt, in der er den Iran zu einem Element der „Achse des Bösen“ erklärte, war der Iran noch Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags. Inzwischen ist er nicht mehr an den Vertrag gebunden, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass sich der Iran vom Rest der Welt ins Exil getrieben fühlt. Behandelt man Menschen, als seien sie böse, dann werden sie sich entsprechend verhalten.
Kann uns der Rat versichern, dass er den Dialog mit dem Iran fortsetzen, sich aber nicht in die Innenpolitik einmischen und nicht – wie einige meiner Kollegen vorgeschlagen haben – einzelne politische Parteien unterstützen wird, sondern dass er eine Öffnung des Iran für eine breiter angelegte Diskussion anstreben wird? Die Unterstützung der EU für eine einzelne Partei des Landes wäre deren Untergang.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Ich danke dem Herrn Abgeordneten für seine ermutigenden Worte. Wir versuchen, einen sinnvollen Dialog zu führen und nicht in einer Weise zu reagieren, die die Tür zu einem Dialog zuschlagen würde. Ich kann Ihnen versichern, dass wir in diesem Sinne weiterarbeiten werden.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 3 von Panagiotis Beglitis (H-0150/06)
Betrifft: Beschluss der israelischen Regierung zum Bau einer Straßenbahnverbindung zwischen dem illegalen Siedlungsgebiet Pisgat Ze'ev (Ost-Jerusalem) und dem Zentrum von West-Jerusalem
Vor kurzem hat die israelische Regierung beschlossen, eine Straßenbahnverbindung zu errichten, die das illegale Wohngebiet Pisgat Ze'ev (Ost-Jerusalem) mit dem Zentrum von West-Jerusalem verbinden soll. Dieser Beschluss ist Teil einer Strategie der De-facto-Angliederung palästinensischer Gebiete an Israel und stellt einen unverhohlenen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht – und insbesondere gegen die 4. Genfer Konvention – sowie gegen die diesbezüglichen Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrats dar. An dem Bauvorhaben sind obendrein schon zwei private französische Unternehmen, „Alstom“ und „Connex“, beteiligt.
Was wird der Ministerrat gegenüber den israelischen Behörden unternehmen, die immer weiter ungestört gegen das Völkerrecht verstoßen?
Warum nutzt der Rat nicht die Möglichkeiten im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens EU-Israel, um Maßnahmen zur Beendigung dieser rechtswidrigen Siedlungspolitik zu ergreifen?
Welche Maßnahmen gedenkt der Rat gegenüber Frankreich und der französischen Regierung zu unternehmen, damit die an dem Bau der Straßenbahnlinie beteiligten Firmen das Völkerrecht achten?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Zur Anfrage von Panagiotis Beglitis möchte ich Folgendes sagen:
Die unzweideutige Haltung der Europäischen Union zu allen völkerrechtswidrigen Aktivitäten Israels in den palästinensischen Gebieten einschließlich Ostjerusalems hat nach wie vor Bestand und wird in den ständigen politischen Kontakten zwischen der Europäischen Union und Israel auf allen Ebenen immer wieder, regelmäßig, mit Nachdruck und deutlich zur Sprache gebracht. Zur Verfolgung dieser politischen Linie nutzt die Europäische Union das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel, das derartige Kontakte vorsieht, sowie den Aktionsplan EU-Israel, der Anfang 2005 im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik vereinbart wurde. An dieser Haltung hat sich nichts geändert. Das hat sich erst bei den letzten zwei Gelegenheiten wieder gezeigt, die bestanden, um den Nahost-Friedensprozess und die Situation im Nahen Osten zu diskutieren, nämlich beim letzten Rat Allgemeine Angelegenheiten und beim informellen Außenministertreffen, dem so genannten Gymnich-Treffen in Salzburg am vergangenen Wochenende. Die Europäische Union und alle Außenminister verfolgen weiterhin diese Linie der Fairness und der deutlichen Worte auch gegenüber Israel, wenn es darum geht, nach unserer Meinung völkerrechtswidrige Aktivitäten aufzuzeigen.
Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte dem Vertreter des österreichischen Ratsvorsitzes danken, jedoch gleichzeitig mein Bedauern über die bürokratische Art und Weise zum Ausdruck bringen, in der er als Vertreter des Ratsvorsitzes meine Frage zu einem Sachverhalt beantwortet hat, der in der Tat gegen die Grundsätze des Völkerrechts und der Gründungscharta der UNO verstößt.
Um ehrlich zu sein, Herr Minister, verstehe ich nicht die Zweizüngigkeit, die die Europäische Union gegenüber den Palästinensern und Israel an den Tag legt. Ich höre weder eine Erklärung, noch sehe ich irgendwelche Maßnahmen, die angesichts der fortgesetzten Besiedelungen von besetztem palästinensischen Territorium ergriffen werden. Und ich sehe keine Reaktion vonseiten der Europäischen Union auf die Aussage des israelischen Ministerpräsidenten, Herrn Olmert, er werde die Grenzen Israels bis zum Jahre 2010 durch einseitiges Vorgehen gestalten.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Es tut mir Leid, wenn der Abgeordnete meine Antwort als bürokratisch empfunden hat – dies war nicht meine Absicht. Ich glaube, ich war sehr deutlich. Ich habe gesagt, dass der Rat auf allen Ebenen und bei allen Gelegenheiten in jenen Fällen, in denen wir der Auffassung sind, dass völkerrechtswidriges Verhalten vorliegt, dies auch sagt und daraus kein Hehl macht.
Wir haben – um nur einige Beispiele zu nennen – sehr deutlich gesagt, dass unserer Meinung nach die Mauer, die Trennbarriere dort, wo sie auf palästinensischem Gebiet errichtet wird, nicht dem internationalen Recht entspricht. Wir haben die Siedlungspolitik sehr deutlich kritisiert und tun dies immer wieder. Wir werden das auch weiter tun. Ich hoffe, dass Sie das nicht als bürokratisch empfinden. Wir tun es auch nicht in einer bürokratischen Weise, wir tun es durchaus in einer sehr politischen Weise.
James Hugh Allister (NI). – (EN) Wäre es angesichts dessen, dass sich die EU mit einer solchen Begeisterung auf ihrem eigenen Territorium für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte einsetzt, nicht ein Widerspruch und falsch, ein solches Projekt in Israel abzulehnen, da bessere Verkehrsverbindungen zum Zusammenhalt und zu sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen in diesen grundverschiedenen Territorien beitragen würden?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Ja, ich stimme zu, dass wir alle Kontakte zwischen den Menschen und sämtliche infrastrukturellen Maßnahmen, die solche Kontakte fördern, unterstützen sollten. Sie müssen sich allerdings im Einklang mit den anerkannten Regeln des Völkerrechts befinden. Genau dafür setzt sich die EU ein. Wir unterstützen Kontakte und Projekte, die sich im Einklang mit dem Völkerrecht befinden, und kritisieren sie, wenn sie dies nicht tun.
Jonas Sjöstedt (GUE/NGL). – (SV) Herr Präsident! Wie aus der Anfrage hervorgeht, sind europäische Unternehmen an Infrastrukturprojekten auf besetztem Gebiet beteiligt. Dies sind Projekte, die eindeutig gegen internationales Recht und das humanitäre Völkerrecht verstoßen. Dazu gehören beispielsweise die Straßenbahnverbindung mit israelischen Siedlungen sowie die neue Eisenbahnlinie nach Jerusalem, die durch die besetzte Westbank führt. Das französische Unternehmen Connex ist an solchen Bauvorhaben beteiligt. Was meint der Ministerrat dazu, dass europäische Unternehmen sich an diesen das Völkerrecht verletzenden Aktivitäten beteiligen?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Diese Frage, ob sich die Europäische Union an Unternehmen beteiligen soll, kann ich beantworten. Das ist nicht keine Angelegenheit des Rates an sich. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe, und ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich wiederhole. Die Europäische Union fördert selbstverständlich nur Projekte, die im Einklang mit dem Völkerrecht stehen und die den Regeln entsprechen. Man mag verschiedener Meinung darüber sein, was genau dem Völkerrecht entspricht und was nicht. Es entspricht jedenfalls der Auffassung des Rates, dass wir selbstverständlich nur Projekte fördern, die im Einklang mit dem Völkerrecht stehen.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 4 von Reinhard Rack (H-0175/06)
Betrifft: Grundrechtsschutz
Wie soll gewährleistet werden, dass mit der Stärkung der gegenseitigen Anerkennung und mit der Vereinfachung grenzüberschreitender Verfahren keine Minderung des Grundrechtsschutzes verbunden ist?
Welche verbindlichen Regeln sind zur Klarstellung der Anwendung von Mindestverfahrensgarantien bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, vor allem im Hinblick auf den Grundrechtsschutz, notwendig?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident! Bei der Frage geht es um den Grundrechtsschutz und das vorher bereits diskutierte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Dazu möchte ich ausführen, dass der Rat stets betont hat, dass er der Achtung der Menschenrechte absoluten Vorrang einräumt und dass wir uns auch aktiv für die Verhinderung und Abschaffung von Folter und anderen Formen grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung einsetzen, wobei wir insbesondere Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union sowie den einschlägigen EU-Leitlinien Rechnung tragen.
Überdies hat der Rat in seinen Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates von Tampere, die heute hier bereits angesprochen wurde, festgehalten, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit werden sollte und dass eine gegenseitige Anerkennung und die notwendige Annäherung der Rechtsvorschriften den Schutz der Rechte des Einzelnen durch die Justiz erleichtern würden.
Die Kommission hat dazu in ihrer Mitteilung vom 26. Juli 2000 an den Rat und an das Europäische Parlament mit dem Titel „Gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen“ erklärt, es müsse sichergestellt werden, dass die Behandlung verdächtiger Personen und die Wahrung der Verteidigungsrechte durch die Anwendung dieses Grundsatzes – nämlich jenes der gegenseitigen Anerkennung – nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern sogar verbessert würden.
Dies wurde auch in dem vom Rat und von der Kommission angenommenen Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafverfahren bestätigt. Die Kommission hat am 28. April 2004 einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren innerhalb der Europäischen Union angenommen und dem Rat am 3. Mai 2005 unterbreitet. Darüber haben wir uns bereits beim vorherigen Tagesordnungspunkt mehr oder weniger eingehend unterhalten.
Dieser Vorschlag, der derzeit von den zuständigen Ratsgremien geprüft wird, und bei dem wir unter unserer Präsidentschaft versuchen, einen wesentlichen Schritt vorwärts zu kommen, stellt darauf ab, die Rechte aller Verdächtigen und der Angeklagten zu verbessern, indem ihnen ein einheitliches Schutzniveau innerhalb der Europäischen Union sichergestellt werden soll. Der Rat weist zudem darauf hin, dass die EU-Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen im Rahmen des Völkerrechts und insbesondere im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention – zu deren Vertragsparteien wir ja alle gehören – nachkommen muss. Dies wird auch in Artikel 6 des EU-Vertrags bekräftigt.
Die Tatsache, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im Rahmen eines voll und ganz justiziellen Verfahrens verwirklicht wird, bedeutet zudem, das der Rechtsschutz von unabhängigen Justizbehörden garantiert wird, worin ein großer Vorteil zu sehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass in den auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhenden Rechtsinstrumenten in der Regel eine allgemeine Menschenrechtsklausel vorgesehen ist, mit der bekräftigt wird, dass die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union nicht berührt wird.
Schließlich ist auch der von der Kommission im Juli 2005 unterbreitete Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, der derzeit von den zuständigen Ratsgremien geprüft wird, ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer wirksamen Menschenrechtspolitik der Europäischen Union.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Vielen Dank für die umfassende Antwort, Frau Minister! Ich habe eine Zusatzfrage im Zusammenhang mit dem Thema „Europäische Verfassung“. Wir haben dort im zweiten Teil vorgesehen, dass das Ergebnis der Arbeiten des seinerzeitigen Grundrechtekonvents gewissermaßen zusätzlich und teilweise auch vertiefend das, was in Artikel 6 des gegenwärtigen Vertragsrechts steht, ergänzen bzw. bereichern soll. Wäre mit einer derartigen Inkraftsetzung in ähnlicher Weise, wie Kommission und Parlament das bereits angesprochen haben, auch von Seiten des Rates zu rechnen und könnte das die Situation insgesamt verbessern?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Selbstverständlich. Das ist ja auch einer der Gründe, weshalb wir es bedauern, dass der Europäische Verfassungsvertrag bis dato noch nicht Rechtswirksamkeit hat, denn einer der großen Vorteile, die ich im Europäischen Verfassungsvertrag sehe, ist, dass darin genau jene Grundrechtscharta aufgenommen wäre. Gerade über diese Mindestverfahrensgarantien, über die wir früher sehr ausführlich debattiert haben, müssten wir bei einer einheitlichen Rechtsgrundlage in unseren Verträgen nicht mehr diskutieren.
Ich sehe hier einen sehr großen Vorteil. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Diskussion in der einen oder anderen Weise fortgesetzt wird. Ich bin auch hoffnungsfroh, dass wir hier einmal zu einer Lösung kommen werden.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 5 von Diamanto Manolakou (H-0193/06)
Betrifft: Ausnahmezustand auf den Philippinen
Auf den Philippinen gilt weiterhin trotz aller Erklärungen und Versprechen zu dessen Aufhebung der Ausnahmezustand, der mit mutmaßlichen Hinweisen auf einen Umsturzversuch gegen die Regierung der Präsidentin Gloria Arroyo begründet wird. Immer mehr Führer der demokratischen Massenbewegung werden unter Anklage gestellt, und die Armee verbreitet Dokumente, die die Existenz eines Plans zum Sturz der Präsidentin belegen sollen.
Verurteilt der Rat die Ausrufung des Ausnahmezustands, den viele lediglich als vornehme Umschreibung für die Verhängung des Kriegsrechts ansehen und mit dem die politischen Grundrechte aufgehoben werden? Beabsichtigt der Rat, die sofortige Aufhebung des Ausnahmezustands und die Wiedereinführung der demokratischen Freiheiten zu fordern?
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Der von der Präsidentin am 24. Februar dieses Jahres auf den Philippinen ausgerufene nationale Ausnahmezustand wurde – wie Sie wissen – eine Woche später, am Freitag, 3. März, aufgehoben. Der EU-Vorsitz, der sich zuvor mit den lokalen Missionschefs in Manila abgestimmt hatte, sowie die EU-Troika, die sich vom 28. Februar bis zum 4. März in Manila aufhielt, um an dem Treffen der zwischen den Sitzungen tagenden Unterstützungsgruppe des ASEAN-Regionalforums für vertrauensbildende Maßnahmen und präventive Diplomatie teilzunehmen, haben bei Zusammenkünften im philippinischen Außenministerium am 1. März mündlich die Besorgnis der Europäischen Union über die jüngste Entwicklung zum Ausdruck gebracht. Sie haben ferner zur uneingeschränkten Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, des Rechts auf ein ordentliches Verfahren und der Menschenrechte aufgerufen sowie die baldige Aufhebung des Ausnahmezustandes gefordert, der ja dann, wie ich bereits sagte, am 3. März auch tatsächlich aufgehoben wurde.
Diamanto Manolakou (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, Herr Minister! Vielen Dank für Ihre Informationen. Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass der Ausnahmezustand hätte aufgehoben werden können, doch fünf Parlamentsabgeordnete der Opposition sind verhaftet worden und befinden sich nun im Gefängnis. Ich möchte Sie deshalb fragen, was Sie zu unternehmen gedenken, um die unverzügliche Freilassung der inhaftierten Mitglieder des Parlaments sowie der Gewerkschafter zu erreichen, die sich noch immer in Haft befinden.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich kann der verehrten Abgeordneten versichern, dass sich die Europäische Union in diesen Fällen wie in allen anderen Fällen von eklatanten Menschenrechtsverletzungen, insbesondere auch gegenüber Volksvertretern ständig, regelmäßig, bei allen Gelegenheiten dafür einsetzt, dass die entsprechenden menschenrechtlichen Vorschriften und Standards eingehalten werden.
Das geschieht – wie schon zu Recht gesagt wurde – nicht immer öffentlich, weil das nicht immer zu den gewünschten Erfolgen führt – manchmal ist die stille Diplomatie die bessere –, aber es geschieht, und es geschieht regelmäßig. Sehr oft geschieht es durch die lokalen Vertreter der Europäischen Union. Im Wesentlichen auch durch die Troika. Das geschieht bei Gesprächen mit hohen Funktionären der betroffenen Länder. Und ich kann noch einmal versichern, dass wir uns um die Fälle, die Sie genannt haben, selbstverständlich auch weiterhin bemühen und uns ihrer annehmen werden.
Zweiter Teil
Der Präsident.
Anfrage Nr. 6 von Agnes Schierhuber (H-0179/06)
Betrifft: Zugang zum Recht für Verbraucher
Die Verbesserung des Zugangs zum Recht, insbesondere für Verbraucher, ist ein Grundanliegen des Wiener Aktionsplans und des Rates von Tampere. Im Bereich der gerichtlichen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen sind bereits einige Schritte unternommen worden, um die Rechtsdurchsetzung im Ausland zu erleichtern. Gerade in grenzüberschreitenden Sachverhalten besteht aber auch das Bedürfnis nach einfachen und raschen Verfahren, damit die EU-Bürger zu ihrem Recht kommen.
Welche verfahrensrechtlichen Erleichterungen können die EU-Bürger auf diesem Gebiet in absehbarer Zukunft erwarten, und welche Verbesserungen – insbesondere für die Rechtsstellung der Verbraucher – werden dadurch geschaffen?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Zur Anfrage von Frau Schierhuber zur Verbesserung des Zugangs zum Recht für Verbraucher in Europa möchte ich ausführen, dass im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen der Rat derzeit die vom Haager Programm 2004 und dem dazu ergangenen Aktionsplan 2005 in Aussicht genommenen Vorhaben verfolgt. Dazu zählt unter anderem auch die Schaffung neuer Verfahren, durch die bei grenzüberschreitenden Streitfällen die EU-Bürger und -Bürgerinnen leichter und rascher eine gerichtliche Entscheidung erlangen können.
Konkret handelt es sich dabei insbesondere um zwei Verordnungen: einerseits die Einführung des europäischen Mahnverfahrens und andererseits um die Einführung eines europäischen Bagatellverfahrens. Bei beiden Verfahren ist – nachdem es sich ja um Verordnungen handelt – auch das Europäische Parlament im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens sehr stark mit eingebunden.
Beide Verordnungen schaffen neue verfahrensrechtliche Möglichkeiten, durch die insbesondere auch der unionsweite Verbraucherschutz gestärkt werden wird. Für den Fall, dass nun ein Verbraucher bei seinen grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen mit einem Rechtsstreit konfrontiert wird, soll er auf die Institutionen der gerichtlichen Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten zurückgreifen können.
Die beiden neuen Verfahren werden daher im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit die bisher erlassenen Instrumente in diesem Bereich – ich nenne hier nur die erleichterte gerichtliche Beweisaufnahme, oder die Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe – ergänzen und somit die Rechtsschutzmöglichkeiten innerhalb der Europäischen Union weiter ausbauen.
Durch die Verordnung über ein europäisches Mahnverfahren können die EU-Bürger und -Bürgerinnen in Zukunft über Zahlungsaufforderungen, die vom Schuldner möglicherweise unbestritten bleiben, durch einen Antrag bei Gericht die Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls erwirken. Erfolgt dann vom Schuldner kein Einspruch dagegen, so wird dieser Zahlungsbefehl rechtskräftig und auch vollstreckbar. Der Gläubiger kann diesen Titel dann in weiterer Folge unter erleichterten Bedingungen in den Mitgliedstaaten durchsetzen.
Nach der positiven Stellungnahme des Europäischen Parlamentes im Dezember 2005 hat der Rat der Justizminister bei unserem letzten Rat am 21. Februar 2006 bereits eine politische Einigung über diese Verordnung über das europäische Mahnverfahren erzielen können. Nach Überarbeitung der Verordnung durch die Sprachjuristen soll die Verordnung im April 2006 als A-Punkt vom Rat in erster Lesung angenommen werden. Wir rechnen damit, dass die Verordnung selbst dann in zwei Jahren in Kraft tritt.
Mit der Einführung eines europäischen Bagatellverfahrens – des zweiten ganz wesentlichen Punktes hier – soll die grenzüberschreitende Geltendmachung geringfügiger Forderungen erleichtert und beschleunigt werden. Das Bagatellverfahren ist grundsätzlich als ein schriftlich durchzuführendes Verfahren konzipiert, in dem über Forderungen bis zu einem Betrag von 2 000 Euro gerichtlich entschieden wird. Um die angestrebte Beschleunigung zu erzielen, werden auch für die einzelnen Verfahrensabschnitte Zeitvorgaben vorgesehen, an die sich nicht nur die Gerichte, sondern auch die Verfahrensparteien zu halten haben werden.
Darüber hinaus bestimmt das Gericht, je nach Einzelfall, den Umfang und die Mittel der Beweisaufnahme nach eigenem Ermessen. Für die Beweisaufnahme können auch Mittel der modernen Kommunikationstechnologien, wie etwa Videokonferenzen oder Ähnliches, soweit es natürlich auch in den jeweiligen Mitgliedstaaten verfahrensrechtlich zulässig ist, in Anspruch genommen werden. Wir beabsichtigen, die Arbeiten im Zusammenhang mit der Verordnung über ein europäisches Bagatellverfahren während unserer Präsidentschaft intensiv fortzusetzen, und hoffen, dass wir sie auch weitgehend zum Abschluss bringen können.
Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Vielen Dank für die Antwort, Frau Minister. Sie haben diese Bagatellverfahren und auch den grenzüberschreitenden Schutz für beide Seiten erwähnt. Meine Zusatzfrage lautet: Wie werden die europäischen Verbraucher über ihre gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten in Zukunft informiert werden?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident! Ganz generell ist es so, dass es sehr viele Informationsangebote für unsere Bürgerinnen und Bürger in Europa gibt. Hier leistet vor allem der Gerichtsatlas der Europäischen Kommission, der im Internet für jede Frau und jeden Mann abrufbar ist, sehr wertvolle Arbeit, denn hier können Sie auf sehr einfachem Wege Gerichtszuständigkeiten und ähnliches in ganz Europa abrufen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Wir sind natürlich darauf bedacht, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern – gerade in Bezug auf den Zugang zum Recht – größtmögliche Information zur Verfügung stellen können. Deshalb ist es wichtig, die Informationen auch rasch weiterzugeben. Dazu ist es aber aus unserer Sicht insbesondere notwendig, dass wir im Rahmen der Institutionen, die hieran maßgeblich beteiligt sind, sehr gut, sehr rasch und sehr effizient zusammenarbeiten. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Ich sehe es als sehr notwendig an, dass wir in den Mitgliedstaaten sehr viel an Arbeit im Sinne der Information durch die Gerichte leisten, damit die nötige Information von den Gerichten an die Bürgerinnen und Bürger herangetragen werden kann. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Ein gutes Rechtssystem in Europa kann nur dann funktionieren, wenn der Bürger weiß, wohin er sich wenden kann.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Bundesminister! Die Konsumenten nutzen zunehmend die neuen Möglichkeiten im Internet und dort insbesondere auch den E-Commerce. Gibt es hier in Bezug auf die Verbesserung bzw. den Schutz von Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechende Überlegungen? Wie bald und wie rasch kann man hier mit Ergebnissen rechnen, die besser sind als der derzeitige Zustand?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Ganz generell ist es sicher so, dass Sie Recht haben, Herr Abgeordneter: Der Bereich E-Commerce wird in Zukunft in Europa eine ganz maßgebliche Rolle spielen. Es gibt ja bereits Regelungsinstrumente, wo vor allem der Schutz des Verbrauchers im E-Commerce-Bereich auch jetzt schon einer Regelung zugeführt wird, weil wir wissen, dass es hier sehr oft Missbrauchsfälle geben kann. Ich weiß auch, dass einzelne E-Commerce-Anbieter schon mit Qualitätssiegeln und Ähnlichem arbeiten, was eine eigene Art von Zugang ist. Ich rechne damit, dass wir uns in weiterer Folge auch hier mit diesen Instrumenten beschäftigen werden, wobei dies nicht primär bei uns im Rat für Justiz und Inneres geschehen wird, sondern eher im Bereich des Rats für Wettbewerb.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Minister! Ich glaube auch, dass im Binnenmarkt ein funktionierendes Rechtssystem und insbesondere eine funktionierende Rechtsdurchsetzung vorhanden sein müssen. Aber was ist im Bereich der Kosten geplant? Rechtsdurchsetzung ist ja immer auch eine Kostensache. Wird es hier eine einheitliche europäische Regelung geben oder bleiben wir sozusagen bei einzelnen nationalstaatlichen Regelungen?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Herr Abgeordneter! Sie haben hier einen sehr sensiblen Punkt angesprochen, der natürlich gerade bei der Verordnung über das europäische Bagatellverfahren einer der Hauptdiskussionspunkte ist. Beim europäischen Bagatellverfahren ist an und für sich kein Anwaltszwang vorgesehen, was natürlich bei der Kostenfrage, vor allem auch beim Prozesskostenersatz, der in unseren Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist, eine Kernfrage aufwirft.
Generell haben wir gerade im Rahmen der Prozesskostenhilfe schon Rechtsinstrumente angestrebt. Dies befindet sich bereits in Umsetzung. Für den anderen Bereich werden wir uns sicherlich noch Instrumente überlegen müssen. Ich sehe in den Ratsarbeitsgruppensitzungen, dass das ein Punkt ist, der von meinen Expertinnen und Experten diskutiert wird und wofür wir sicherlich auch im Zusammenhang mit dem Europäischen Bagatellverfahren einen Lösungsansatz werden erarbeiten können.
Der Präsident.
Anfrage Nr. 7 von Sarah Ludford (H-1113/05)
Betrifft: Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
Beabsichtigt der österreichische Ratsvorsitz wieder Schritte einzuleiten, um im Rat eine Einigung zu einem Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu erreichen, der von der Kommission 2001 vorgelegt und vom Parlament mit Nachdruck unterstützt wurde?
Wie lässt sich rechtfertigen, dass der Rat trotz des beunruhigenden Bildes, das die Berichte der in Wien ansässigen Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom Ausmaß rassistischer Straftaten und der in diesem Zusammenhang festzustellenden Tatenlosigkeit in Europa zeichnen, diesen Beschluss für ein gesamteuropäisches Vorgehen zur Ächtung rassistisch motivierten kriminellen Verhaltens nicht für vorrangig hält?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident! Wir kommen hier wieder zu einem sehr sensiblen Bereich. Es hat ja einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegeben, der am 29. November 2001 vorgelegt wurde. Trotz intensiver Beratungen im Rat konnte im Februar 2003 keine Einigung über diesen Vorschlag erzielt werden.
Es war dann in weiterer Folge so, dass im März 2003 die italienische Delegation eine alternative Fassung des Entwurfs des Rahmenbeschlusses vorgelegt hat. Doch auch diese Fassung fand nicht die Zustimmung der Delegationen. Am 24. Februar 2005 beauftragte der Rat daraufhin die Gruppe „Materielles Strafrecht“, die Beratungen über den Entwurf eines Rahmenbeschlusses fortzusetzen. Dementsprechend nahm die Gruppe die Arbeiten am Entwurf auf Grundlage des im Jahr 2003 erreichten Standes wieder auf. Bei der Aussprache über diesen Rahmenbeschluss auf der Tagung des Rates vom 2. bzw. 3. Juni 2005 wurde deutlich, dass kein Spielraum für einen Konsens zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Das war natürlich bitter, vor allem auch für jene Mitgliedstaaten, die diesen Rahmenbeschluss sehr befürwortet haben.
Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen erscheint dem österreichischen Ratsvorsitz angesichts der Ihnen gerade geschilderten Vorgeschichte zu diesem Rahmenbeschluss zum derzeitigen Zeitpunkt nicht Erfolg versprechend. Der Vorsitz will aber dieses sehr wichtige Dossier und vor allem auch die politische Botschaft, die hinter diesem Dossier steckt, nicht ganz zum Stillstand kommen lassen. Deswegen werden wir – auch in Abstimmung mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – noch während unserer Präsidentschaft ein Seminar zu dieser Thematik durchführen. Wir erwarten zu diesem Seminar ca. 100 Teilnehmer. Dieses Seminar wird vom 20. bis 22. Juni 2006 in Wien stattfinden und ausgesuchte Problematiken erörtern, die im Zusammenhang mit diesem Vorschlag stehen.
Wie Sie sich sicher vorstellen können – das konnten wir ja auch im Rahmen der jüngst erfolgten Diskussion über die Karikaturen sehen –, bewegen wir uns hier wieder genau in dem Spannungsfeld zwischen unserer politischen Botschaft, dass wir eindeutig gegen Rassismus und Fremdenhass auftreten, und der Freiheit der Meinungsäußerung. Genau dieses Spannungsfeld gilt es aufzulösen, um hier tatsächlich einen wichtigen Schritt weiterzukommen. Das sind auch genau die Punkte, die während des Seminars erörtert werden sollen.
Gedacht ist bezüglich der Teilnahme an diesem Seminar, dass je zwei Vertreter der Mitglieds-, Beitritts- und Kandidatenstaaten daran teilnehmen sollen. Vor allem wollen wir auch NGOs einladen, die mit der Thematik vertraut sind, ferner Vertreter des Europarats, des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Netzwerks unabhängiger Experten für Grundrechte, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Selbstverständlich werden auch Vertreter des Europäischen Parlaments eingeladen werden, daran teilzunehmen. Sie werden eine offizielle Einladung für dieses Seminar Ende März erhalten. Bis dann ist das Programm auch endgültig fertig gestellt, sodass wir es dann vorlegen können.
Darüber hinaus darf ich – wie bereits im Zusammenhang mit Frage 4 zum Grundrechtsschutz – darauf hinweisen, dass der Europäische Rat im Dezember 2003 beschlossen hat, eine Europäische Agentur für Grundrechte einzurichten, was er im Dezember 2004 bekräftigt hat. In der Ad-hoc-Arbeitsgruppe des Rates Grundrechte und Unionsbürgerschaft wird derzeit der im Juni 2005 von der Europäischen Kommission vorgelegte Verordnungsvorschlag geprüft. Geplanter Arbeitsbeginn der Agentur ist der 1. Januar 2007. Wir wissen, das ist ein sehr enger Zeitplan, aber wir hoffen, ihn einhalten zu können.
Der österreichische Vorsitz misst dieser Thematik größte Bedeutung bei und hofft, die Verhandlungen abschließen zu können, damit ein rechtzeitiger Arbeitsbeginn der Agentur gewährleistet werden kann.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Es gibt einige schwierige Fragen – wie die Leugnung des Holocaust bei gleichzeitigem Schutz der Redefreiheit –, aber es ist ein Skandal, dass sich die EU bis heute nicht auf ein gemeinsames Vorgehen gegen das alarmierende und zunehmende Problem der rassistischen Gewalt einigen konnte. Es muss doch möglich sein, eine EU-weite Einigung zum Kernproblem der Vermeidung der alltäglichen rassistischen Belästigung und des Rassenhasses, unter denen viele unserer Bürger und Bewohner zu leiden haben, zu erzielen.
In einigen Ländern wie Griechenland, Italien und Portugal werden rassistische Anschläge bis heute nicht einmal erfasst. Bitte nennen Sie die Mitgliedstaaten, die die Verabschiedung dieses Rahmenbeschlusses behindern, beim Namen und setzen Sie sich während Ihrer Präsidentschaft konsequent für ein Verbot von rassistisch motivierten Straftaten ein. Lassen Sie nichts unversucht!
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Ich kann Sie in diesem Statement nur unterstützen. Aus Sicht des Vorsitzes haben wir natürlich großes Interesse daran, hier auch ein wichtiges politisches Signal auszusenden. Wir gehen davon aus, dass wir durch dieses Seminar, das wir veranstalten werden, die Angelegenheit wieder versachlichen und über den Weg von Expertenmeinungen – vor allem auch von sehr vielen Expertenmeinungen – zu einem Ergebnis kommen werden, das es uns in Zukunft ermöglichen wird, die nötige Balance zwischen unseren gemeinsamen Ansinnen zu finden: nämlich einerseits Rassismus und Fremdenhass ganz wirksam entgegenzutreten, andererseits jedoch die Freiheit der Meinungsäußerung dadurch nicht zu gefährden. Wir wollen auf alle Fälle einen ganz wesentlichen Schritt vorwärts setzen und hoffen, dass es dann unter finnischer Präsidentschaft auf der Basis unserer Arbeiten gelingt, mit einem neuen Anlauf dieses Dossier abzuschließen oder zumindest weiter zu verhandeln.
Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Frau Ministerin! Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben selbst den Sport und den Fußball durchsetzt. Ich bin sicher, Ihnen ist sehr wohl bekannt, dass es bei einer ganzen Reihe von Veranstaltungen und Spielen – hauptsächlich Fußballspielen – in England, Spanien, Frankreich und anderswo zu zahlreichen Zwischenfällen kam, die sich gegen farbige Sportler und Fußballer richteten. Gedenkt der österreichische Ratsvorsitz, Deutschland die Empfehlung zu geben, während der Weltmeisterschaft in diesem Sommer Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu ergreifen, und wie werden Sie dies tun, vorausgesetzt, Sie haben dann immer noch den Ratsvorsitz inne?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Wir gehen davon aus, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist und dass es Sache der deutschen Behörden ist, die geeigneten Maßnahmen zu setzen, um Rassismus und Fremdenhass auch während der Fußballweltmeisterschaft entgegenzuwirken. Ich bin ganz sicher, dass Deutschland die entsprechenden Maßnahmen setzen wird.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) In meiner Frage, der Frage Nr. 8, geht es ebenfalls um Fremdenfeindlichkeit. Die Minister antworten recht langatmig. Wäre es nicht – schon aus Höflichkeit den Abgeordneten gegenüber – möglich, Fragen, die sich auf dasselbe Thema beziehen, zusammen zu behandeln?
Ich komme jeden Monat hierher, um Fragen zu stellen, zu denen wir dann nicht mehr kommen. Wir kommen immer nur zu einer sehr geringen Anzahl von Fragen, und für die Antworten scheint es keine Begrenzung zu geben. Die nächste Frage in meinem Namen betrifft das Problem der Fremdenfeindlichkeit, und ich weiß nicht, warum sie nicht zusammen mit Frage Nr. 7 behandelt wird.
Bill Newton Dunn (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Eine Bemerkung zur Anwendung der Geschäftsordnung. Die österreichische Justizministerin ist den langen Weg hierher gekommen. Man sagte uns, dass wir ihr Fragen stellen sollten. Wir mussten bis März warten. Einige dieser Fragen wurden im Dezember eingereicht, aber wir haben drei Monate geduldig gewartet, um ihr diese Fragen zu stellen. Jetzt hat man ihr gestattet, in drei Monaten genau zwei Fragen zu beantworten!
Das ist nicht ihre Schuld. Wir freuen uns, dass sie hier ist – vielen Dank für Ihr Kommen, Frau Ministerin –, aber würden Sie bitte Präsident Borrell bestellen, dass das so nicht funktioniert. Das geht einfach nicht. Es ist nicht sinnvoll für einen Minister, hierher zu kommen, um nach drei Monaten zwei Fragen zu beantworten.
VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN Vizepräsidentin
Die Präsidentin.
Anfrage Nr. 8 von Gay Mitchell (H-0138/06)
Betrifft: Fremdenfeindlichkeit in der EU
Verfügt der Rat über einen kohärenten Aktionsplan angesichts der Tatsache, dass die Fremdenfeindlichkeit im gesamten EU-Raum, insbesondere gegenüber Bürgern aus EU-Mitgliedstaaten, die in anderen EU-Mitgliedstaaten als Minderheiten leben und arbeiten, im Steigen begriffen ist?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Frau Präsidentin! Ich habe eigentlich die Anfragen 7 und 8 von Sarah Ludford und Gay Mitchell gemeinsam beantwortet, aber ich stehe natürlich für Zusatzfragen gern zur Verfügung.
Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Würde die Ratspräsidentin ausgehend davon, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gerade bei Sportveranstaltungen häufig anzutreffen sind, prüfen, inwiefern Sport im Rahmen eines Plans als ein Mittel zur Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit eingesetzt werden kann? Was klein beginnt, kann oft Großes bewirken.
Der Crumlin United Football Club in meinem Wahlkreis – ein Club für Jugendliche, aus dem Robbie Keane hervorgegangen ist – führt jedes Jahr an einem Wochenende ein Sportfest durch, bei dem nicht nur Sport getrieben wird, sondern bei dem auch der kulturelle Austausch nicht zu kurz kommt. Würde die Ratspräsidentin eine ähnliche Wochenendveranstaltung in Betracht ziehen, bei der in der gesamten Europäischen Union der sportliche und kulturelle Austausch im Mittelpunkt steht und wir über den Sport zur Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit beitragen können?
Karin Gastinger, amtierende Ratspräsidentin. Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich halte das grundsätzlich für eine gute Idee, weil ich auch glaube, dass wir gemeinsam dafür eintreten müssen, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa keine Chance haben. Ich sehe auch, dass der Sport hier Brücken schlagen kann, weil sich vor allem Jugendliche, die ja unsere Zukunft sind, aber vielfach auch Erwachsene, gemeinsam körperlich betätigen und dann in weiterer Folge gemeinsam Aktivitäten setzen können.
Hier könnte aber nicht nur Sport eine Rolle spielen, sondern ich sehe durchaus auch eine Chance im Bereich Kultur. Das steht jetzt zwar nicht unmittelbar damit in Zusammenhang, aber wir müssen versuchen, diese Brücke in den unterschiedlichsten Bereichen zu schlagen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind sehr oft mit Vorurteilen verbunden. Vorurteile entstehen meist dann, wenn man eine andere Kultur nicht kennt, weil alles, was wir nicht kennen, oft mit Angst verbunden ist. Da Angst in weiterer Folge negative Gefühle erzeugt, können daraus natürlich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entstehen. Daher ist alles zu begrüßen, was dazu führen kann, dass wir uns besser kennen lernen, die andere Kultur noch besser kennen lernen, um den Fremdenhass dadurch überwinden zu können.
Die Frage ist – weil Sie mich jetzt konkret als Justizministerin angesprochen haben –, ob wir als Rat im Rahmen des EU-Vertrages tatsächlich die entsprechende Kompetenz haben. Ich glaube aber, dass es eine wichtige politische Botschaft ist, die wir alle gemeinsam weitertragen sollten.
Die Präsidentin. Recht herzlichen Dank für diesen Hinweis! Wir werden das mit der Ratspräsidentschaft besprechen und sehen, wie wir beim nächsten Mal verfahren, damit alle Seiten zufrieden sind.
Claude Moraes (PSE). – (EN) Zur Geschäftsordnung. Ich bin nicht sicher, ob die Bemerkung zur Anwendung der Geschäftsordnung angekommen ist. Der österreichische Ratsvorsitz hat das System zur Beantwortung von Fragen an den Rat verändert. Das hatte zur Folge, dass viele der aufgeführten Abgeordneten – ich auch – drei Monate warten mussten. Darauf hat Herr Newton Dunn verwiesen.
Wir haben drei Monate gewartet. Die Frau Ministerin war sehr liebenswürdig. Es ist nicht ihre Schuld, dass der Vorsitz das System geändert hat. Es war überaus liebenswürdig von der Frau Ministerin, dass sie eine zusätzliche Frage beantwortet hat. So etwas habe ich noch nie erlebt.
Aber könnten Sie diese Entscheidung jetzt bitte überprüfen und zum alten System zurückkehren? Dieses funktioniert einfach nicht. Wir haben ernsthafte Fragen zur Radikalisierung und zu anderen Problemen gestellt, die nach drei Monaten immer noch nicht beantwortet wurden. Bitte prüfen Sie eine Rückkehr zum alten System.
Die Präsidentin. – Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).