Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht (A6-0028/2006) von Edit Bauer im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über Sozialschutz und soziale Eingliederung (2005/2097(INI)).
Edit Bauer (PPE-DE), Berichterstatterin. – (HU) Herr Präsident! Heute Mittag stellte Präsident Horst Köhler fest, dass viele Menschen dem Europa der Gegenwart mit Unverständnis begegnen. Wer sieht, welch enormen Aufwand Europa mit der Neuformulierung seiner Migrationspolitik getrieben hat, der wird, davon bin ich überzeugt, nicht begreifen, wieso es in Europa Kinderarmut gibt.
Während wir über den Mangel an hoch qualifizierten Zuwanderern sprechen, verzeichnen wir unvermeidbare und riesige Verluste aufgrund von Kinderarmut, Verluste, für die uns künftige Generationen zu Recht zur Rechenschaft ziehen werden.
Deshalb ist es kein Zufall, dass sich der Ihnen vorliegende Bericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung vornehmlich auf Kinderarmut konzentriert, denn während 15 % der europäischen Bürger dem Armutsrisiko ausgesetzt sind, beträgt dieser Anteil bei Kindern 19 %. Legt man Angaben von 2004 zugrunde, dann sind in 12 von 25 Mitgliedstaaten Kinder einem mindestens 25 % höheren Armutsrisiko ausgesetzt als die erwachsene Bevölkerung. Ich möchte betonen, dass das keine emotionale oder vielleicht rechtliche Frage ist, denn die Internationale Konvention über die Rechte des Kindes enthält diesbezüglich verbindliche Bestimmungen.
Europa muss sich in den kommenden Jahrzehnten ferner damit auseinander setzen, dass aufgrund des negativen Bevölkerungswachstums und der Überalterung der Gesellschaft 50 Millionen Zuwanderer gebraucht werden, damit das derzeitige Beschäftigungsniveau aufrechterhalten werden kann. Kinderarmut, die damit verbundene soziale Ausgrenzung sowie eine hohe Schulabbruchquote lassen bezweifeln, dass die Entwicklung einer wissensbasierten Gesellschaft möglich ist, ohne dass soziale Schichten immer weiter zurückgelassen werden.
Die Kommission räumt der Problematik der Kinderarmut zu Recht Vorrang ein, aber wir müssen andererseits feststellen, dass uns keine genauen Angaben, keine vergleichbaren Angaben zur Kinderarmut vorliegen. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation dringend korrigiert werden muss.
Ich hätte in meinem Bericht gern betont, dass die soziale Eingliederung einen Mehrwert im Hinblick auf den Lissabon-Prozess darstellt. Die europäische Sozialpolitik erfordert eine neue Solidarität zwischen den Generationen, denn die Schäden, die die Kinderarmut und der damit einhergehende Bildungsmangel im Bereich der Humanressourcen der Zukunft verursachen, sollten nicht unterschätzt werden.
Ich könnte natürlich noch zahlreiche weitere Probleme erwähnen, die im Bericht angesprochen werden, aber aus Zeitmangel werde ich auf lediglich ein weiteres Problem eingehen, und zwar die Verdrängung älterer Arbeitnehmer vom Arbeitsmarkt. Obwohl in diesem Bereich eine Antidiskriminierungsrichtlinie in Kraft ist, gibt es eine solche Diskriminierung noch immer, aber es ist schwerer geworden, sie aufzuspüren. Ich bin davon überzeugt, dass die Kommission die richtige Richtung eingeschlagen hat, als sie klare und nachvollziehbare Ziele für die Modernisierung des Sozialschutzes aufgestellt hat. Ich möchte nicht zuletzt dem Sekretariat des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für seine ausgezeichnete Zusammenarbeit danken. Ich bedanke mich ferner bei meinen Kollegen für den Änderungsantrag. Und nicht zuletzt danke ich ihnen dafür, dass sie hier sind und an der Aussprache teilnehmen.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen allen und namentlich der Berichterstatterin, Frau Bauer, für ihren Bericht danken und kann zu meiner Freude ein völliges Einvernehmen zwischen Ihnen und der Kommission dahingehend feststellen, dass die Lissabon-Strategie auf dem positiven Zusammenspiel von Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik beruht. Ich begrüße die im Bericht zum Ausdruck gebrachte Unterstützung für die Initiative der Kommission zur Modernisierung und effektiveren Gestaltung der offenen Koordinierungsmethode für die Bereiche Sozialschutz und soziale Eingliederung. Es geht jetzt darum, wie wir mit Hilfe der Sozialpolitik verstärkt zu den Zielen der Lissabonner Strategie beitragen können und zugleich die Koordinierung der entsprechenden Maßnahmen verbessern. Um durch sozialpolitische Koordinierung einen größeren Beitrag zur Lissabonner Strategie zu leisten, müssen wir aktive Funktionen des Sozialschutzes entwickeln und den zusätzlichen Nutzen anhand der geschaffenen Arbeitsplätze und des ausgelösten Wachstums nachweisen. Praktisch gesehen werden sowohl die neuen gemeinsamen Ziele für die offene Koordinierungsmethode als auch die vom Rat gerade beschlossenen thematischen Teilziele in einzelstaatliche Strategien übergeleitet. Die neuen einzelstaatlichen Gremien werden zunächst für den jeweiligen Mitgliedstaat eine strategische Konzeption zur Modernisierung der Politik in bestimmten Bereichen vorlegen. Danach reichen die Mitgliedstaaten die drei thematischen Pläne ein: soziale Eingliederung, Renten und Gesundheitsversorgung.
Überdies hat die Kommission mit Mitteilung eine öffentliche Konsultation zu möglichen gezielten Maßnahmen auf EU-Ebene in die Wege geleitet, deren Ziel in der Anpassung von Mindesteinkommensregelungen und der Eingliederung von arbeitsmarktfernen Personen besteht. In die Konsultation sind natürlich auch das Europäische Parlament und andere Einrichtungen einbezogen, aber angesichts des Themas wird sie auf staatliche Stellen aller Ebenen sowie Organisationen, Interessenverbände und Sozialpartner ausgedehnt. Ihr Bericht eröffnet auch die Möglichkeit neuer interinstitutioneller Vereinbarungen, mit denen die Rolle des Parlaments bei der Umsetzung der offenen Koordinierungsmethode gestärkt würde. Es trifft zu, dass die Mitwirkung des Parlaments an Arbeiten im Rahmen der offenen Koordinierung durch das Fehlen eines rechtlichen Gesamtrahmens nach wie vor eingeschränkt ist. Was mich betrifft, kann ich den Abgeordneten versichern, dass ich die Bemühungen der Beamten in meinen Dienststellen um die Weiterführung des Dialogs mit dem Parlament unterstütze.
Věra Flasarová (GUE/NGL) , Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (CS) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich begrüße mit Nachdruck den Bericht von Frau Bauer, den wir im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter beraten haben und den wir unterstützen. Im Bericht werden die Ziele unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung von Mann und Frau dargelegt, wobei insbesondere die Bedürfnisse der Frauen im Bereich der sozialen Eingliederung zur Sprache kommen.
Ich möchte aber nicht nur die Lage der Frauen ansprechen, sondern auch die Art und Weise, in der sich Armut und soziale Ausgrenzung auf Kinder und Jugendliche auswirken. Wir sollten nicht vergessen, wie sehr sich unsere Einstellung zur Armut in den Industrieländern im Vergleich zu früheren Zeiten geändert hat, denn heute wird eine Absenkung des Lebensstandards angesichts des überall zur Schau gestellten Wohlstands als ehrenrührig empfunden. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass dies als entwürdigender und unnatürlicher Zustand angesehen wird, den die Betreffenden selbst zu überwinden vermögen. Damit will ich sagen, dass die Medien und die Werbung ein Bild beispiellosen Überflusses zeichnen und dass die Menschen, die nicht daran teilhaben, ein Gefühl der Hilflosigkeit überkommt. Der Erfolg und die Fülle an materiellen Gütern, die damit verbunden sind, stehen anscheinend allen offen, sodass jene, die vergebens danach streben, die von der Gesellschaft gebotenen Möglichkeiten nicht nutzen können. Diese Ausgrenzung betrifft nicht nur materielle Faktoren, sondern auch Bildung, Gesundheit oder Sicherheit im Alter und wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. Kinder aus sozial benachteiligten Schichten studieren seltener, reisen weniger und müssen sich mit einem niedrigeren Lebensstandard begnügen. Die Armut trägt bei uns natürlich keine so drastischen Züge wie in den Entwicklungsländern, aber dennoch bewirkt sie – zumal sie aus Scham verheimlicht und statistisch zu niedrig ausgewiesen wird – ein Gefühl der Ausgrenzung aus der normalen Welt und den Eindruck, dass etwas zwar als normal and alltäglich empfunden wird, zugleich aber unerreichbar ist.
Warum muss dies so sein? Wie erklären wir einem Kind, dass es im Gegensatz zu anderen Altersgenossen auf bestimmte Dinge verzichten muss? Es stimmt, dass es schon immer soziale Unterschiede gegeben hat und dass diese die gesamte Entwicklung der Kinder geprägt haben. Noch nie aber galt der Wohlstand als so selbstverständlich wie heute, und noch nie wurden Menschen wegen fehlender Mittel so viele Möglichkeiten vorenthalten wie heute. Dies ist das Paradoxon hoch entwickelter Gesellschaften. Einen relativ hohen Lebensstandard genießen breitere Schichten denn je zuvor, aber um so schlimmer ist die Lage für jene, die ihn aus verschiedenen Gründen nicht erreichen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass es dabei nicht nur um materielle Folgen geht, sondern um unzureichenden Sozialschutz, vor allem im Falle von Kindern und Jugendlichen. Dies hat Folgen für die künftige Gestaltung unserer Gesellschaft, für die Moral und persönliche Sicherheit, denn soziale Ungerechtigkeit führt zu Spannungen, die sich – wie wir allerorten sehen können – gewaltsam entladen können oder zum Ausstieg aus der Realität in Form von Drogen oder eskapistischer Unterhaltung führen.
Ich unterschätze nicht den Beitrag karitativer Einrichtungen, doch müssen Sozialschutz und soziale Eingliederung Bestandteil eines Systems sein und muss ein Rechtsanspruch darauf bestehen. Wohltätige Gaben sind Geschenke, und in modernen Gesellschaften, die sich zur Würde des Menschen bekennen, sollte dies nur der letzte Ausweg sein, denn sie sind kein Ersatz für eine gute Sozialpolitik, die den Erfordernissen Europas im 21. Jahrhundert gerecht wird.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Der erste gemeinsame Bericht der Europäischen Kommission über Sozialschutz und soziale Eingliederung ist bereits alter Text, der im Januar 2005 verfasst wurde und der zusammen mit den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates und dem Zwischenbericht zur Lissabon-Strategie geprüft werden muss.
Der Bericht Bauer ist ein sorgfältig aufgebauter Text, und dazu gratuliere ich seiner Berichterstatterin. Er ist methodisch unterteilt und veranschaulicht sämtliche Aspekte der dringenden Notwendigkeit, dass das zentrale Ziel der Lissabon-Strategie weiterhin darin bestehen muss, bis zum Jahre 2010 eine deutliche Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu erreichen. Die zwei Runden der offenen Koordinierungsmethode zur sozialen Integration auf Ebene der 15 und ab 2004 der 25 Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass es notwendig ist, die offene Koordinierungsmethode im Bereich des Sozialschutzes und der sozialen Integration zu rationalisieren. Die Mittel, mit denen ein höheres Niveau an sozialem Zusammenhalt erreicht werden kann, sind sicherlich Wirtschaftswachstum und Beschäftigungszuwachs, in Verbindung mit effizienten Bildungs- und Weiterbildungssystemen.
Unter diesem Gesichtspunkt erinnert uns der Bericht Bauer daran, dass Maßnahmen erforderlich sind, die einem frühen Ausstieg aus der Bildung und Weiterbildung vorbeugen und die insbesondere Schulabgänger mit geringen Qualifikationen dabei unterstützen, Zugang zu einer weiterführenden Schule und zum Arbeitsmarkt zu erhalten.
Besondere Erwähnung haben Investitionen in die Bildung und das lebenslange Lernen gefunden, denn die Beteiligung ist hier stagnierend, weshalb auch die private Initiative, daran teilzunehmen, gefragt ist. Dies stellt ein außerordentlich solides Mittel zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung dar. Beachtung muss ebenfalls der Beseitigung von Kinderarmut geschenkt werden, und daher betont die Berichterstatterin, Frau Bauer, ganz zu recht, dass die Kommission ihre Arbeit an der Kindercharta, deren Ziel darin bestehen wird, die Rechte der Kinder zu fördern, beschleunigen muss, um die Vererbung von Armut unter den Generationen zu bekämpfen.
Proinsias De Rossa, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Kommissar Špidla und Frau Bauer für den Bericht und die Initiative zum Sozialschutz und zur sozialen Eingliederung danken. Die Tatsache, dass fast 70 Millionen Menschen in der Europäischen Union dem Armutsrisiko ausgesetzt sind, ist beschämend und inakzeptabel.
Armut wird vom Menschen verursacht, und sie kann durch das Handeln intelligenter Menschen beseitigt werden. Wir wissen, wie man Armut beseitigen kann, und doch reproduziert unser Wirtschaftssystem die Bedingungen, die für Dutzende Millionen von Menschen Not bedeuten, und diese Not setzt sich, wie festgestellt wurde, von Generation zu Generation fort.
Das ist deshalb der Fall, weil wir es auf nationaler Ebene versäumen, die verschiedenen von uns verfolgten ökonomischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Politiken zu integrieren. Wir versäumen es, die von verschiedenen Gremien und Berichten ermittelten Lösungen in alle relevanten Politikbereiche zu integrieren. Eine der wichtigsten Lösungen ist nicht, wie oft behauptet wird, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern Bildung zu ermöglichen: Bildung im Vorschulalter und natürlich Primarschulbildung sowie ein Mindestmaß an Sekundarschulbildung.
Die Beschäftigung spielt natürlich eine Schlüsselrolle, wobei jedoch anzumerken ist, dass zu viele unserer Obdachlosen und Armen sogar Arbeit haben. Deshalb ist klar, dass es um qualitativ hochwertige Arbeitsplätze geht mit ordentlicher Bezahlung und vertretbaren Bedingungen, wenn sie etwas bewirken und zur Beseitigung der Armut beitragen sollen.
Ich würde auch argumentieren, dass der Sozialschutz mehr umfasst als nur die soziale Sicherheit. Unsere öffentlichen Dienste sollten als Mechanismen für den Sozialschutz gesehen werden. Gesundheitsdienste, Bildung, Verkehr und kulturelle Dienste tragen nicht nur zum Schutz all jener bei, die dem Armutsrisiko ausgesetzt sind, sondern sie sorgen durch ihre bloße Existenz dafür, dass vielleicht Hunderte Millionen von Menschen ein Leben ohne Armut leben können. Ohne sie würden weitere Millionen von Menschen am Existenzminimum leben.
Ich würde außerdem argumentieren, dass der Eindruck, die soziale Sicherheit sei einfach nur eine Absicherung, vermieden werden sollte und dass wir bei der Reformierung unserer Systeme der sozialen Sicherheit der Beseitigung von Armutsfallen besondere Aufmerksamkeit widmen sollten.
Siiri Oviir, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ET) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kollegen! Die Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung zählt zu den strategischen Prioritäten der Europäischen Union. Der Zwischenbericht zur Lissabon-Strategie kritisierte die Tätigkeit bzw. die Untätigkeit der Mitgliedstaaten. Fünfzehn Prozent der europäischen Bevölkerung oder 68 Millionen Menschen – ein Drittel davon Kinder – leben in Armut. Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen beträgt durchschnittlich 20 % zugunsten der Männer. Armut bringt neue Armut hervor.
Das soziale Gleichgewicht dient den Interessen der gesamten Gesellschaft. Persönliches Versagen ist nicht die Hauptursache für Armut. Die soziale Eingliederung unter Berücksichtigung sämtlicher Politiken sowie die Bekämpfung der Verschwendung menschlicher Ressourcen würden direkt zu den Fortschritten beitragen, die wir uns von der Lissabon-Strategie erhoffen. Das wird auch in dem zur Diskussion stehenden Bericht betont.
Europa muss wieder einmal sein Haus in Ordnung bringen. Dabei können die skandinavischen Länder als Vorbild dienen. Diese Länder zählen in Bezug auf ihre Wirtschaftskraft zu den zehn führenden Ländern weltweit. Gleichzeitig verfügen sie über die effektivsten Sozialschutzsysteme.
Ich möchte vor allem die im Bericht enthaltene Aufforderung unterstreichen, Verhandlungen über die Auswahl von Politikbereichen aufzunehmen, in denen die offene Koordinierungsmethode zur Anwendung kommt. Europa muss bedenken, dass sich die gegenwärtige Zahl von 38 Rentnern je 100 Beschäftigten bei unveränderter Beschäftigungspolitik in den nächsten zehn Jahren verdoppeln könnte. Doch mit diesem Problem müssen wir uns heute auseinander setzen. Dabei sind lebenslanges Lernen und die Anhebung der Beschäftigungsquote von älteren Menschen ganz entscheidende Ziele.
Leider enthält die Gesetzgebung einiger Mitgliedstaaten Bestimmungen, die eine Diskriminierung aufgrund des Alters am Arbeitsmarkt fördern. Derartige Praktiken sollten aus dem europäischen Rechtsraum entfernt werden.
Neben anderen Risikogruppen sind Frauen im Alter von über 50 Jahren am stärksten von der sozialen Ausgrenzung bedroht, und das Risiko steigt mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben weiter an. Es ist sehr zu begrüßen, dass der Bericht dieser Erscheinung große Aufmerksamkeit widmet. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass sich Unterbrechungen der Berufstätigkeit wegen Mutterschaft und Elternurlaub nicht länger nachteilig auf die Berechnung der Rentenansprüche von Frauen auswirken. Ein Teil des Berichts, den ich für besonders wichtig halte, betrifft den Aufruf an alle Mitgliedstaaten – vor allem die neuen –, ihre auf Solidarität beruhenden Altersversorgungssysteme zu revidieren und dabei der wesentlich kürzeren mittleren Lebenserwartung von Männern und den erheblichen Unterschieden beim Arbeitsentgelt von Männern und Frauen Rechnung zu tragen, die sich in der Höhe der Renten von verwitweten Rentnerinnen und Rentnern niederschlagen, so dass diese häufig unterhalb der Armutsgrenze leben müssen.
Ich möchte Frau Bauer für ihre fachmännische Arbeit danken und hoffe, dass die im vorliegenden Dokument enthaltenen Grundsätze demnächst in der gesetzlichen Praxis der Mitgliedstaaten ihren Niederschlag finden werden.
Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Frau Bauer für die Arbeit danken, die sie mit diesem ausgezeichneten Bericht geleistet hat. Ich danke ferner der Kommission für ihr ursprüngliches Dokument.
Aus dem Bericht geht u. a. hervor, dass es eine mehrfache Benachteiligung gibt, die oftmals in Verbindung mit Diskriminierung auftritt. Schaut man sich einige der besonders betroffenen Gruppen an – Frauen, wie wir gerade gehört haben, Menschen mit Behinderungen, Bürger anderer Hautfarbe und ethnische Minderheiten sowie sowohl ältere als auch jüngere Bürger – dann wird deutlich, wieso Antidiskriminierungsrichtlinien auf der Grundlage von Artikel 13 so wichtig sind und warum sie so umfassend wie möglich umgesetzt werden müssen.
Es ist zu begrüßen, dass der Schwerpunkt auf die Kinderarmut gelegt wird. Wir wissen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen schlechter Ernährung, schlechten Wohnverhältnissen, schlechten Umweltbedingungen – Arme leben meist unter den schlimmsten Umweltbedingungen – und schlechten Bildungsaussichten, die sich dann durch das Leben der Betroffenen und sogar das ihrer Kinder ziehen. Ich begrüße den Aufruf, ein Grünbuch zur Kinderarmut vorzulegen. Wir müssen uns im Rahmen des sozialen Zusammenhalts insgesamt mit dieser Problematik beschäftigen, denn sie hat Auswirkungen auf die Kluft zwischen Arm und Reich.
Herr De Rossa erwähnte die Schwierigkeiten in Bezug auf Bildung und Beschäftigung. Die wahre Ursache für Armut ist Geldmangel. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass etwas vom wirtschaftlichen Wachstum zu den Armen durchsickern wird. Man muss konkrete Maßnahmen für diejenigen am unteren Ende der Gesellschaft ergreifen. Nehmen Sie als Beispiel das Vereinigte Königreich, wo das Armutsrisiko vergleichsweise hoch ist. Trotz aller aktuellen Bemühungen unserer Regierung ist festzustellen, dass der Anteil der ärmsten 10 % der Bevölkerung an deren Nettoeinkommen 2,8 % beträgt, während der Anteil der reichsten 10 % 28 % beträgt: zehnmal soviel. Das kann man deutlich in Zentral-London, meinem Wahlkreis, erkennen, der die wohlhabendste Region Europas ist und gleichzeitig eine erschreckende Armut aufweist. Wir müssen diese prozentualen Anteile verändern und den der ärmeren Einkommensgruppen erhöhen.
Ich teile die Ansicht bezüglich der Bedeutung der öffentlichen Dienste und der Rolle, die die soziale Sicherheit in diesem Zusammenhang spielt. Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, ob ihre Systeme der sozialen Sicherheit den Bürgern gestatten, eine Ausbildung zu absolvieren und Bildungschancen zu ergreifen, oder ob sie sie einengen, weil die Bürger stets arbeitsbereit sein müssen.
Ich würde mich außerdem den Bemerkungen zur offenen Koordinierungsmethode und der Rolle, die das Europäische Parlament nicht zuletzt bei der Überprüfung der nationalen Aktionspläne und deren Ergebnisse spielen sollte, anschließen.
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) In dieser Aussprache wurde bereits auf das hohe Maß an Armut und sozialer Ausgrenzung verwiesen, wovon mehr als 70 Millionen Bürger in der EU betroffen sind. Aus dem Bericht geht hervor, dass in 14 der 17 Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, die Kinderarmut in den neunziger Jahren zugenommen hat. Angesichts steigender Erwerbslosigkeit, unsicherer und schlecht bezahlter Arbeitsplätze, zunehmender Flexibilisierung und der Privatisierung von Kernsektoren und -dienstleistungen dürfte sich die Lage weiter verschlechtern.
In Anbetracht dessen, dass Armut eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, muss ihren Ursachen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Folglich müssen die aus multidisziplinärer Sicht erforderlichen Maßnahmen zur Förderung der sozialen Integration ergriffen werden. Das ist der Grund, weshalb das Ziel der von uns unterbreiteten Vorschläge darin bestand, die gesamtwirtschaftliche Politik zu verändern und die soziale Integration, eine mit Rechten verbundene Beschäftigung, die öffentliche Gesundheit, Bildung sowie Zugang zu Justiz, Kultur und menschenwürdigem Wohnraum an die Spitze der politischen Agenda zu setzen. Deshalb befürworten wir die Ablösung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch einen echten Pakt für Entwicklung und Fortschritt und der Lissabon-Strategie durch eine wirkliche Strategie des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Folglich sind wir der Ansicht, dass die Betonung nicht auf dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Binnenmarktes für Dienstleistungen liegen sollte.
Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass die in der Lissabon-Strategie vorgesehene offene Koordinierungsmethode nicht zum Abbau von Armut beigetragen hat. Die Lissabon-Strategie hat bewirkt, dass der Schwerpunkt nunmehr auf der Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Sektoren und Dienstleistungen liegt, was wiederum die Armut verschärft und die soziale Integration behindert. Wenn man bedenkt, dass diese Maßnahmen obligatorisch waren, hat die offene Koordinierungsmethode keinen Mitgliedstaat gezwungen, die Armut abzubauen, und darin besteht bei dieser scheinheiligen Vorgehensweise das Problem.
Öffentliche Maßnahmen sind für den Abbau der Armut und die Gewährleistung der Menschenrechte unerlässlich. Folglich bedarf es einerseits einer von Solidarität gekennzeichneten umfassenden öffentlichen Politik der sozialen Sicherheit und andererseits der Ablehnung der Privatisierung der Gesundheitssysteme, wie von uns vorgeschlagen.
Gleichzeitig kommt dem Staat eine überaus wichtige Rolle bei der Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Bildung und von Arbeitnehmerrechten zu, die die Würde der Arbeitnehmer in keiner Weise beeinträchtigen. Folglich bleiben wir dabei, dass es nicht ausreicht, Armut einfach zu bedauern. Die neoliberale Politik, die dafür verantwortlich ist, dass immer mehr Menschen dem Armutsrisiko ausgesetzt sind, muss revidiert werden. Das ist die Aufgabe, die wir dieser Versammlung in der Hoffnung stellen, dass diese Aussprache nicht wie so viele andere im Sande verläuft.
Guntars Krasts, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) In Ziffer 37 des insgesamt zu begrüßenden Berichts des Parlaments lesen wir, dass der rasche Wandel im Zuge der Globalisierung und die breite Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien die Bedrohung durch soziale Risiken erhöht. Die Globalisierung und die Informations- und Kommunikationstechnologien werden als Risiken eingestuft.
Meiner Ansicht nach ist eine Gesellschaft in Gefahr, in der der rasche Wandel im Zuge der Globalisierung nicht mit der breiten Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien einhergeht. Gefährlich wird es dann, wenn die aus Veränderungen resultierenden Vorteile als Risiken betrachtet werden.
Die breite Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien verbessert die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten der Bürger wie auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das gilt ganz besonders für die sozial schwächsten Gruppen wie Behinderte. Über die elektronischen Dienste der öffentlichen Verwaltung können soziale Gruppen oder Einzelpersonen direkt am sozialen Dialog mit der Landesregierung teilnehmen. Auch aus diesem Grund sollten wir in der Sozialpolitik den Schwerpunkt auf Maßnahmen legen, die den Bürgern die Nutzung dieser Möglichkeiten erleichtern. Die Erarbeitung von Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik und der Informationsgesellschaft muss aufeinander abgestimmt werden.
Überlassen wir die Befürchtungen bezüglich der rasanten Verbreitung der Informationstechnologie doch den Diktatoren von Nordkorea und Belarus.
Jan Tadeusz Masiel (NI). – (PL) Herr Präsident! Bedauerlich ist, dass laut jüngsten Statistiken der Anstieg der Zahl der Milliardäre in der Welt nicht mit einem wachsenden Wohlstand aller Bürger einhergeht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Zahl der Menschen, die in Armut leben, nimmt in den Ländern sowohl der alten als auch der neuen Union ständig zu. Selbstverständlich sind Armut, fehlender Sozialschutz und die Notwendigkeit sozialer Eingliederung Probleme, von denen die neuen Mitgliedstaaten stärker betroffen sind. In Polen zum Beispiel haben wir eine paradoxe Situation. Ein ehemals sozialistischer Staat bietet seinen Bürgern jetzt weniger Schutz als Staaten, die immer kapitalistisch waren. Zu den sozialen Problemen der Länder der alten Fünfzehn kommen unsere ganz speziellen Probleme wie hohe Arbeitslosigkeit unter gut ausgebildeten jungen Leuten oder fehlender Zugang zu einer allgemeinen medizinischen Versorgung hinzu.
Herr Kommissar! Die Union wird oft wegen ihres Übermaßes an Rechtsvorschriften kritisiert, doch meines Erachtens fehlt eine ganz besonders wichtige. Die Union sollte die Mitgliedstaaten verpflichten, ein soziales Mindestniveau festzulegen. Das würde allen Bürgern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Außerdem würde damit die soziale Eingliederung gefördert, weil die Existenzangst nicht mehr so groß wäre.
Tomáš Zatloukal (PPE-DE). – (CS) Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich halte die heutige Aussprache zum Thema Sozialschutz und soziale Eingliederung für hochaktuell, denn obwohl die relative Armut im Zeitraum 1995-2000 um 3 % abgenommen hat, ist eine Größenordnung von 15 % zweifellos alarmierend. Ich befürchte, dass es aufgrund der Zahlen und der derzeitigen Situation nicht möglich sein wird, bis 2010 die Armut und die daraus resultierende soziale Ausgrenzung zu beseitigen. Diese Erscheinungen sind Ergebnis des Strukturwandels, der mit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Gesellschaft einhergeht. Wir sind Zeugen von Änderungen auf dem Arbeitsmarkt, eines technologischen Wandels in der Gesellschaft, von demografischen Veränderungen, ethnischer Vielfalt, Veränderungen in der Zusammensetzung der Haushalte und einer Neubestimmung des Rollenverhältnisses von Mann und Frau. Die Hilfe muss deshalb in erster Linie auf die am stärksten gefährdeten Gruppen gerichtet sein, auf Arbeitslose, Alleinerziehende, Senioren, Alleinstehende, kinderreiche Familien, ethnische Minderheiten und Behinderte. Dass die Armut vielfach auch die Kinder in Mitleidenschaft zieht, ist nach meinem Dafürhalten äußerst traurig und bedenklich.
Unter den politischen Schwerpunktaufgaben zur Bewältigung der Problemkreise Armut und soziale Ausgrenzung möchte ich die Bildung herausgreifen. Es geht dabei um das richtige Bildungsniveau, den reibungslosen Übergang von den Bildungseinrichtungen ins Erwerbsleben und die Einbeziehung benachteiligter Gruppen in das Bildungssystem durch die Nutzung von E-Learning. Die Bildung ist nicht auf die Schule beschränkt, sie ist ein gezieltes System des lebenslangen Lernens. Allerdings sind zur Erfüllung dieser und anderer Schwerpunktaufgaben finanzielle Mittel erforderlich. Insbesondere die neuen Mitgliedstaaten sind nicht in der Lage, das Finanzierungsinstrument für diesen Bereich, den Europäischen Sozialfonds, hinreichend zu nutzen. Deshalb appelliere ich an die neuen Mitgliedstaaten, namentlich die Tschechische Republik, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um bei den vor kurzem fertig gestellten Programmplanungsunterlagen für den Zeitraum 2007-2013 den bürokratischen Aufwand für die Bewerber zu senken. Abschließend möchte ich Frau Bauer für ihren ausgezeichneten Bericht danken.
Karin Jöns (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kollegen und Kolleginnen! Rentenpolitik, Armutsbekämpfung sowie Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sind zentrale Aufgaben für uns und sind zentrale Themen für alle Bürger und Bürgerinnen in der Europäischen Union. Deshalb müssen wir uns als Parlament wesentlich stärker als bisher bei der offenen Koordinierung in allen Fragen des Sozialschutzes und der sozialen Eingliederung mit einbinden lassen. Das jetzige Verfahren ist völlig inakzeptabel. Wir beraten heute bereits über einen überholten Sachverhalt. Der Rat hat schon über die Folgemitteilung der Kommission beraten. Wir brauchen deshalb wirklich dringend eine interinstitutionelle Vereinbarung.
Herr Kommissar, Sie haben heute gesagt, dass Sie sich für einen Dialog mit dem Parlament einsetzen werden. Dafür danke ich Ihnen sehr, aber was wir wollen, das ist nicht nur ein lockerer Dialog, wir wollen wirklich den Abschluss einer interinstitutionellen Vereinbarung mit ganz klaren Spielregeln. Auch sollten künftig bei der offenen Koordinierung im Bereich Sozialschutz verstärkt Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf behandelt und der Kinderbetreuung besonderes Augenmerk geschenkt werden.
Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die zunehmende Globalisierung führt zur Umstrukturierung sowohl von Unternehmen als auch des Arbeitsmarktes. Eine weitere Folge der Globalisierung ist die Konzentration nicht mehr nur auf die lokale und nationale, sondern auch auf die internationale Ebene. Immer häufiger werden kleine und mittlere Unternehmen von den großen Unternehmen aus dem Markt gedrängt – mit erheblichen Auswirkungen auf die Existenzbedingungen der örtlichen Gemeinschaften.
Die Form der Umstrukturierung variiert von Region zu Region. In den alten Mitgliedstaaten gilt die Sorge dem Verlust von Arbeitsplätzen, in den neuen Mitgliedstaaten der Einstellung der Produktion und der Massenarbeitslosigkeit. In den neuen Mitgliedstaaten hatte der Bau von Verbraucher- und Supermärkten vor allem in den Stadtzentren und in großen Wohngebieten gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Durch diese großen Einkaufszentren wurde die Existenz der kleinen Händler und Dienstleister in ihrer unmittelbaren Umgebung zerstört; viele von ihnen mussten schließen. Für jeden in einem Verbrauchermarkt geschaffenen Arbeitsplatz gingen fünf bis acht in dessen Umfeld verloren. Die Investoren lassen dabei den Faktor Mensch oder das natürliche Umfeld des Einzelnen und das historische Erbe oft außer Acht. Frau Bauer hat das in ihrem Bericht ganz richtig dargelegt.
Zusammenfassend sei gesagt, dass die Arbeitnehmer und Lieferer der umstrukturierten Unternehmen einschließlich der Agrarproduzenten die ersten Opfer dieser Maßnahmen sind. Diese Menschen brauchen Hilfe und Unterstützung. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, eine neue Arbeit zu finden, einen neuen Beruf zu erlernen oder neue Märkte für ihre Produkte zu erschließen.
Ljudmila Novak (PPE-DE). – (SL) Meines Erachtens engagiert sich das Land in sozialer Hinsicht am stärksten, das die Voraussetzungen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schafft und die Chancengleichheit für seine Bürger sicherstellt. Hochwertige Arbeitsplätze können mittels Investition in Humankapital, lebenslanges Lernen, die Förderung eines flexiblen Arbeitsmarktes sowie Regelungen gewährleistet werden, die die Wirtschaft in den Vordergrund stellen.
Die Bürger brauchen günstige externe Bedingungen, damit sie arbeiten und schöpferisch tätig sein und gleichzeitig ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Ganz anders verhält es sich im Falle von Risikogruppen wie älteren Menschen oder Jugendlichen ohne Berufserfahrungen, Kranken, Behinderten und allein erziehenden Müttern oder Familien mit mehreren Kindern. Um den sozialen Schutz dieser Gruppen zu gewährleisten und sie vor dem sozialen Ausschluss zu bewahren bedarf es unserer Aufmerksamkeit und Hilfe.
Ich kann jedoch die in den Verhandlungen zur Finanziellen Vorausschau vom Rat getroffene Entscheidung, die für Bildung und Zuschüsse für junge Menschen vorgesehenen Mittel zu kürzen, nicht verstehen, da dies ein Bereich ist, in dem mit relativ bescheidenen Mitteln viel für die Bildung, das Erlernen von Fremdsprachen, die Entwicklung internationaler Verbindungen und Einstellungen gegenüber der Europäischen Union erreicht werden kann. Wir streben diese Werte in fast allen unseren Dokumenten an. Solange wir in der Europäischen Union konkrete Maßnahmen ergreifen, die sich ausdrücklich im Widerspruch zu unseren Worten und unserem Verständnis befinden, können wir unsere Ziele nicht schneller erreichen.
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war die Zeit schnelllebiger als heute, und nichts deutet darauf hin, dass sich das Tempo verlangsamen wird. Aus diesem Grund brauchen wir für die Anpassung an diese Veränderungen rasche und einfache Lösungen, damit wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln und den Sozialschutz für die Risikogruppen verbessern können.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Meine Damen und Herren! Als Sozialdemokratin glaube ich, dass Arbeit die einzige Quelle für Reichtum darstellt. Trotzdem muss die Arbeit ihre Position zunehmend an Maschinen – in anderen Worten, an Kapital – als Produktionsfaktor abgeben.
Viele Rentner in den alten Mitgliedstaaten genießen einen finanziell relativ sorgenfreien Ruhestand, weil die Gesetzgebung dieser Länder vorsieht, dass die Arbeitnehmer einen gewissen Beitrag zu ihrer Unterstützung leisten müssen, während Menschen, die zum Wohle der Gesellschaft tätig sind und mit einem geringen Einkommen auskommen müssen, nach ihrem Eintritt ins Rentenalter unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. In zu vielen Mitgliedstaaten sind die Rentensysteme eigentlich nichts weiter als Pyramidensysteme. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Letzten, die dem System beitreten – die Jungen –, nicht mehr in der Lage sein werden, genügend Menschen zu finden, die sie später mit ihren Gehältern unterstützen werden. Ihre Arbeit, ihre Einkommen und ihre finanziellen Verpflichtungen lassen weder Kinder noch Ersparnisse zu.
Ich befürworte Frau Bauers Bericht, aber Rentenprobleme lassen sich nicht mit einem einzigen Bericht lösen. Wir können jedoch heute Schritte zur Sicherung der Zukunft einleiten. Sowohl staatliche als auch private Rentenprogramme müssen greifbare Mittel enthalten und nicht ausschließlich auf Zusagen beruhen.
Estland hat den Übergang zu einem kapitalgedeckten Altersversorgungssystem erfolgreich vollzogen. Wenn die alten Mitgliedstaaten diesem Beispiel folgen würden, dann käme dies der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit deutlich zugute. Ich hoffe, dass sich unser Parlament bald erneut der Rentenfrage zuwenden wird.
Zita Gurmai (PSE). – (HU) Herr Präsident! Die wirkliche Herausforderung für die Europäische Union besteht darin, Möglichkeiten zu schaffen, um den Teufelskreis der sozialen Ausgrenzung zu durchbrechen. Es ist inakzeptabel, dass, wie aus dem von der Kommission am 27. Januar 2005 veröffentlichten Bericht hervorgeht, 15 % der europäischen Bürger oder annähernd 68 Millionen Bürger dem Armutsrisiko ausgesetzt sind.
Es ist inakzeptabel, dass die am stärksten gefährdeten Gruppen, Frauen und ethnische Minderheiten, von der sozialen Ausgrenzung betroffen sind. Das sind die Gruppen, die bei der Vergabe und beim Erhalt von Arbeitsplätzen, in Bezug auf Gehälter, soziale Leistungen, Gesundheit, Bildung und Zugang zu Kulturgütern benachteiligt werden.
Aus dem Bericht geht hervor, dass der Anteil der von Armut bedrohten Bürger in Ungarn unter dem EU-Durchschnitt liegt und mit weniger als 10 % etwa dem Anteil in der Tschechischen Republik, in Schweden, Dänemark und Slowenien entspricht. In der Republik Irland, der Slowakei, in Griechenland und Portugal dagegen beträgt dieser Anteil 20 %.
Kommissar Vladimir Špidla betonte in seinem Beitrag, dass Frauen im Verlaufe ihres Lebens viermal mehr Zeit für die Fürsorge für andere aufwenden als Männer. Sobald wir den sozialen Wert dieser Tatsache anerkennen, bietet sich uns die reale Chance, diese Kluft zu überwinden.
Die armen und gefährdeten Gruppen der Gesellschaft können nur dann aus dem Teufelskreis der sozialen Ausgrenzung ausbrechen, wenn wir Beschäftigungsmöglichkeiten für sie schaffen und wenn wir eine marktorientierte Ausbildung für sie gewährleisten. Arbeit bedeutet Einkommen, und dies wiederum erleichtert die soziale Eingliederung und trägt zur Verbesserung der finanziellen Lage des Einzelnen bei. Darin besteht die wahre Herausforderung, und wir sollten ihr uns stellen. Ich schlage vor, den Bericht anzunehmen.
Aloyzas Sakalas (PSE). – (LT) Ich möchte Frau Bauer für ihren fachgerecht erarbeiteten Bericht danken. Es wäre jedoch besser, wenn wir ein System hätten, das uns aufzeigt, welchen Prioritäten wir uns zuerst zuwenden müssen. Meiner Ansicht nach stellt das Kind die oberste Priorität dar, denn es ist der Anfang. Ein Erwachsener ist lediglich die Folge der Erziehung dieses Kindes. Wenn Kinder nicht die Schule besuchen, werden sie keine Arbeit bekommen. Wenn Kinder ständig Hunger haben, werden sie anfangen zu betteln und sogar zu stehlen. Wenn Kinder Gewalt erfahren oder sexuell missbraucht werden, werden sie als Erwachsene selbst gewalttätig. Wenn Kinder keine Eltern haben oder von ihnen getrennt sind, wird die Straße ihr Zuhause sein. All die genannten Fälle bilden einen wunderbaren Vorwand für die Verbrecherwelt, derartigen Kindern Unterschlupf zu gewähren und sie zu Kriminellen zu erziehen. Solche Kinder werden nicht auf den Arbeitsmarkt kommen, da sie nur Dinge tun können, die für den Arbeitsmarkt ungeeignet sind. Grundlegende Priorität solle deshalb die Beseitigung der Ursachen sein, die Kinder ungeeignet für den Arbeitsmarkt machen. Wenn wir die Ursachen nicht beseitigen, werden die anderen im Bericht genannten Maßnahmen lediglich einen Kampf gegen die Folgen darstellen.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich schätze das hohe Niveau dieser Aussprache und der von den Abgeordneten unterbreiteten Vorschläge, und ich möchte erneut meine Bereitschaft bekunden, an Ihrer Seite für die Verwirklichung der Ziele der Union und für die Ausfüllung der uns von den Bürgern Europas zugewiesenen Rolle einzutreten. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission unbeirrt weiter darauf hinwirken wird, der sozialen Dimension der Lissabon-Strategie ein noch stärkeres Profil zu verleihen. Für unsere künftige Arbeit möchte ich Sie mit einigen meiner Vorstellungen vertraut machen.
Wir müssen zunächst das Profil der europäischen Koordinierung schärfen. Es ist uns gelungen, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, bei dem die Verknüpfung sozialer Ziele mit finanziellen Vorgaben im Mittelpunkt steht. Dieser große Erfolg ist von grundlegender Bedeutung, um das Vertrauen der Bürger in die Reformen zu stärken. Es gilt, die Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten und der Union zu vertiefen. Die europäische Strategie für Wachstum und Beschäftigung und die sozialpolitische Agenda gehören nicht der Kommission oder den europäischen Institutionen. Sie beruhen auf den Verpflichtungen aller Teilnehmer, Mitgliedstaaten, europäischen Bürger, Parlamente, Sozialpartner und Interessengruppen sowie Institutionen und Organen der Gemeinschaft. Um die Partnerschaft zum Erfolg zu führen, ist eine klare Abgrenzung der Rollen erforderlich. Die Mitgliedstaaten werden die innerstaatlichen Reformen und die im Rahmen der überarbeiteten Lissabonner Strategie beschlossenen strukturpolitischen Maßnahmen umsetzen. Die Union unterstützt weiterhin die Reformbemühungen und nutzt zugleich alle neue Instrumente, die Förderung durch die Strukturfonds, die Achtung der Grundrechte, die Unterstützung des sozialen Dialogs und die Durchsetzung bewährter Konzepte.