Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zu Kasachstan(1).
Ona Juknevičienė (ALDE), Verfasserin. – (LT) Am 13. Februar wurde in Almaty der bekannte kasachische Politiker und Oppositionsführer Altynbek Sarsenbajew zusammen mit seinem Fahrer und seinem Leibwächter brutal ermordet. Vor kurzem wurde ein weiterer Oppositionsführer, Zamanbek Nurkadilow, mit drei Schusswunden tot aufgefunden, nachdem er die Regierung der Korruption beschuldigt und erklärt hatte, diese sei für den Tod des freiberuflichen Journalisten Scharipshanow verantwortlich. Die offizielle Version der Untersuchung lautet Selbstmord. Kasachstan gehört zu den am weitesten entwickelten Staaten in der Region und ist darum bemüht, einen Platz unter den demokratischen Staaten der Welt einzunehmen. Darüber hinaus will es ab 2009 den Vorsitz in der OSZE übernehmen. Die OSZE ist eine Organisation, deren Aufgabe es ist, die Demokratie und Stabilität innerhalb der Gemeinschaft und über ihre Grenzen hinaus zu sichern. Eine Organisation, die im Dezember erklärt hat, dass bei den Präsidentschaftswahlen in Kasachstan die internationalen Anforderungen nicht erfüllt worden sind. Wir wissen, dass die Wirtschaft Kasachstans rasch wächst. Kasachstan ist ein sehr wichtiger Handelspartner der Gemeinschaft, aber, meine sehr verehrten Kollegen, wir sind nicht nur eine Wirtschaftsunion, sondern auch eine Union der Werte. In der Außenpolitik können wir keine kurzsichtigen Wirtschaftsinteressen verfolgen, und wir können Menschenrechtsverletzungen keinesfalls tolerieren. Präsident Nasarbajew gibt offen zu, dass sein Land in der Vergangenheit kein demokratisches Land war und dass wir nicht erwarten können, dass es sich über Nacht zu einer Demokratie entwickelt. Dies ist ein Versuch, uns glauben zu machen, dass es eine kontrollierte Demokratie in Kasachstan geben kann, aber im Grunde soll damit nur ein autoritäres Regime aus der Sowjetära gerechtfertigt werden. Herr Präsident, wie wir alle wissen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder herrscht in einem Land Demokratie oder nicht. Eine kontrollierte Demokratie oder eine teilweise Demokratie gibt es nicht.
Albert Jan Maat (PPE-DE), Verfasser. – (NL) Herr Präsident! (... der Redner spricht ohne Mikrofon) hätten wir diese Aussprache heute Nachmittag nicht geführt. Nicht, dass wir uns etwa keine Sorgen über Kasachstan machten oder der Auffassung wären, es bestünden dort keine Missstände. Selbstverständlich sind wir beunruhigt, aber dieses Parlament hat in der vorhergehenden Wahlperiode eine nachdrückliche Entschließung zu Kasachstan angenommen, die seinerzeit sowohl von dem Parlament als auch der Regierung in Kasachstan ernst genommen worden ist. Sie hat dazu geführt, dass mehr politische Parteien zugelassen wurden, und sie hat auf jeden Fall Fortschritte bei der Pressefreiheit bewirkt.
Heute sind wir erneut beunruhigt, doch gegenüber der vorhergehenden Entschließung zur Lage in Kasachstan fällt nunmehr auf, dass die Regierung, der Präsident, zumindest um Transparenz in dem Sinne bemüht ist, dass in Bezug auf Morde oder fragwürdige Vorkommnisse ausländische Beobachter jedenfalls die uneingeschränkte Möglichkeit erhalten, festzustellen, was geschieht.
Eines ist sicher: Tatsächlich braut sich in Kasachstan etwas zusammen, was aber nicht heißt, dass die Lage nicht richtig eingeschätzt werden kann, und in dieser Hinsicht halten wir den vorliegenden Entschließungsantrag gegenwärtig für verfrüht. Wir finden zwar nicht alles großartig, können aber erstmals feststellen, dass in heiklen Bereichen, wo möglicherweise Morde begangen wurden und zweifellos begangen worden sind, auch wenn Umstände und Täter nicht bekannt sind, die Bereitschaft zur Auskunft über die Vorkommnisse und den Ausgang der Entwicklung besteht. Gerade diese Punkte wollen wir herausstellen, um die Beziehungen der Europäischen Union zu Kasachstan weiter auszubauen.
Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten schlägt daher vor, dass wir uns die Zusammenarbeit zwischen den parlamentarischen Delegationen zunutze machen. Die parlamentarische Delegation aus Kasachstan wird Brüssel im Mai besuchen, und wir werden dann Gelegenheit haben, alle diese Themen unter Kollegen zu erörtern. Wir in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten würden Fortschritte hinsichtlich der Länder in Zentralasien begrüßen; in Bezug auf Kasachstan muss ausdrücklich das Thema einer Partnerschaft angesprochen werden, um Möglichkeiten für ein Zusammenwirken in den Bereichen auszuloten, in denen wir gut kooperieren.
Kurz gesagt, wir sind im Hinblick auf Kasachstan besorgt. Zwar sind wir von der Demokratie in diesem Lande nicht immer beeindruckt, können aber gerade jetzt konstatieren, dass es mehr Transparenz gibt, dass sich ein Gärungsprozess vollzieht und dass große Unsicherheit besteht. Jedenfalls möchte ich die Frau Kommissarin zu den stichhaltigen Informationen beglückwünschen, die wir von ihrem Vertreter in Almaty auf diesem Gebiet erhalten haben, was unsere hohe Wertschätzung fand.
Was die Abstimmung betrifft, so haben wir zwar an dem vorliegenden Entschließungsantrag mitgewirkt, weil man sich sonst in Abseits stellt, aber wir haben fünf getrennte Abstimmungen beantragt, von deren Ausgang es abhängen wird, ob wir diesem Entschließungsantrag zustimmen. Kurzum, trotz unserer Besorgnis wollen wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Kasachstan in freundschaftlicher Atmosphäre darüber diskutieren, um zu sehen, ob weitere Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie möglich sind.
Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Nur ganz kurz: Die Kollegin Pleštinská hat heute Mittag gesagt, dass heute in der Slowakei und in vielen anderen Ländern in den Fenstern aus Solidarität mit der Opposition und der Freiheitsbewegung in Weißrussland Kerzen stehen. Wir haben – um keinen Feueralarm auszulösen – nur eine kleine symbolische Kerze ins Plenum gebracht, die bei der Kollegin Pleštinská brennt, aber sie soll deutlich machen, wie stark wir mit der Freiheitsbewegung in Belarus verbunden sind.
(Beifall)
Der Präsident. Ich erkläre mich solidarisch mit dieser Aktion, muss jedoch darauf hinweisen, dass es gemäß der Geschäftsordnung strikt verboten ist, brennende oder flammende Gegenstände in den Sitzungssaal zu bringen. Daher fordere ich die Kollegin höflich auf, die Kerze zu löschen. Danke.
Józef Pinior (PSE), Verfasser. – (PL) Herr Präsident! Die politische Opposition in Kasachstan protestiert gegen die Ermordung von Altynbek Sarsenbajew, früherer Minister und Botschafter, der sich 2003 der Opposition anschloss und begann, das politische System unter Präsident Nursultan Nasarbajew zu kritisieren. Am 26. Februar dieses Jahres nahmen rund 1500 Menschen an einer Demonstration in Almaty teil, und die Leiche des 43-jährigen Sarsenbajew wurde mit Schusswunden in den Schultern und im Kopf neben den Leichen seines Leibwächters und seines Fahrers gefunden. Die der Tat verdächtigten Beamten des Komitees für Nationale Sicherheit wurden verhaftet, und der Leiter dieses Komitees, Nartai Dutbajew, trat zurück.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ den kasachischen Behörden Internet-Zensur und eine Beschränkung der Meinungsfreiheit in traditionellen Medien vorwirft. Am 15. Dezember letzten Jahres durchsuchten die Sicherheitskräfte die Büros der Wochenzeitung „Recht Wirtschaft Politik Kultur“ nachdem diese ein vom Leiter der Wahlkommission unterzeichnetes Schreiben veröffentlicht hatte, in dem festgestellt wurde, dass es bei den Präsidentschaftswahlen am 4. Dezember in gewissem Umfang zu Wahlbetrug gekommen war. Ferner wurde am 20. Dezember die Wochenzeitung „Juma-Times“ per Beschluss des Gerichts von Almaty nach dem Vorwurf der Beleidigung von Präsident Nasarbajew geschlossen.
Erik Meijer (GUE/NGL), Verfasser. – (NL) Herr Präsident! Der Zerfall der Sowjetunion hat sich nicht als Garantie für die Demokratie erwiesen – ganz im Gegenteil. Manche Politiker mit kommunistischer Vergangenheit mögen zwar ihrer Ideologie abgeschworen haben, was sie aber heute noch weniger als früher an taktischen Manövern hindert, um sich selbst auf lange Sicht an der Macht zu halten oder die Staatsmacht ihren Nachkommen zu übertragen. Einer dieser Kunstgriffe besteht darin, die Mandatszeit amtierender Präsidenten um zehn Jahre oder gar auf Lebenszeit zu verlängern, indem ein Referendum durchgeführt wird, bei dem nicht die Möglichkeit der Aufstellung eines oder mehrerer Gegenkandidaten besteht.
Eine weitere Taktik ist die Ausschaltung ernst zu nehmender Gegner, indem man sie aufgrund falscher Beschuldigungen hinter Gitter bringt, sie in einem Autounfall tödlich verunglücken oder sie kurzerhand verschwinden lässt. In der Ukraine, Georgien und Kirgisistan ist das Aufbegehren breiter Bevölkerungsschichten gegen solche Regime geglückt, doch bleibt die Frage, ob sich die Lage in diesen Ländern auf Dauer verbessern wird. In Belarus, Usbekistan und Turkmenistan sowie in dem weitaus größeren Kasachstan ist es den Machthabern vorerst gelungen, jeglichen Widerstand zu brechen. Manche haben es verstanden, die Rolle ihres Landes als Energielieferant zu nutzen, um sich mächtige Freunde im Ausland zu verschaffen.
Kasachstan war lange Zeit vor allem eine trockene und dünn besiedelte Region, wo inmitten einer kleinen turksprachigen Bevölkerung eine russische Kolonisierung von Gebieten stattfand, in denen Industrie und Bergbau möglich schienen oder eine Abschussbasis für Weltraumraketen zu Testzwecken errichtet werden konnte. Mittlerweile wurde weit entfernt von der Großstadt Almaty eine neue Hauptstadt gebaut und der Einfluss des russischen Bevölkerungsteils erheblich zurückgedrängt.
Kasachstan ist ein großflächiges, dünn besiedeltes Land, in dem zwei große Ethnien leben, während der übrige Teil der Bevölkerung aus den aus dem russischen Reich in dieses Land verbannten Minderheiten besteht, deren Zukunft höchst ungewiss ist. In dem Entschließungsantrag wird zu Recht gefordert, in den Beziehungen zu Kasachstan nicht nur den wirtschaftlichen Aspekten, sondern auch und vor allem den politischen Gefangenen, dem Spielraum für die Opposition, der demokratischen Beschlussfassung sowie den Menschenrechten gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.
Carl Schlyter (Verts/ALE), Verfasser. – (SV) Herr Präsident! Die Situation in Kasachstan ist nicht in jeder Hinsicht pechschwarz. Verglichen mit einer Reihe anderer Länder dieser Region sind hier auch positive Dinge zu verzeichnen, beispielsweise das Moratorium für die Todesstrafe und die strafrechtliche Verfolgung von Polizisten, die der Folter beschuldigt werden. Die neueste Entwicklung zeigt jedoch, dass sich paradoxerweise mit dem Wachstum und der Stärkung der Opposition auch ihre Unterdrückung zunimmt. Diese beiden Morde haben die Lage noch verschlimmert.
Dach Angaben der OSZE sind die Wahlen nicht korrekt abgelaufen. Im Grunde war es ein ganz unnötiger Wahlbetrug, da Präsident Nasarbajew allen Meinungsumfragen zufolge die Wahl sowieso gewonnen hätte. Angesichts der Mediensituation in Kasachstan ist das nicht verwunderlich. Es herrscht auch ein Klima der Angst im Lande, sodass Gouverneure sich nicht trauten, ihre schlechtesten Wahlergebnisse weiterzuleiten, sondern sie lieber mit einige zusätzlichen Stimmen gespickt haben, aus Angst vor eine finanziellen oder anderweitigen Schwächung ihrer Position. Ein derartiges Klima in einer Demokratie ist ein Ding der Unmöglichkeit, daher müssen wir auf der Hut sein.
Im Grunde verlangt das Europäische Parlament nicht viel: nur, dass Kasachstan seine eigene Verfassung einhält und dass beispielsweise für Verhaftungen ein Gerichtsbeschluss vorliegen muss. Unter Ziffer 3 erklären wir, dass wir die laufenden Ermittlungen im Zusammenhang mit den Morden durch internationale Beobachter überwachen lassen wollen. Das FBI ist eingeladen worden, sich an der Ermittlungsarbeit zu beteiligen, und wir sollten sicherstellen, dass andere internationale Organe ebenfalls Informationen über diese Verbrechen erhalten, sodass wir Einsicht in die Ermittlungen und eine Klarstellung bekommen.
Janusz Wojciechowski (UEN), Verfasser. – (PL) Herr Präsident! Kasachstan ist ein wichtiges Land mit einer großen Geschichte und eines der größten Länder Europas – ja, Europas, denn etwa 150 000 km2 seines Hoheitsgebiets liegen innerhalb der geografischen Grenzen unseres Kontinents. In diesem Land leben bis heute Tausende meiner polnischen Landsleute, die während des Stalin-Regimes dorthin ins Exil getrieben wurden. Historisch und politisch jedoch gehört Kasachstan eindeutig zu Zentralasien. Außerdem ist es ein post-kommunistisches und post-sowjetisches Land. Diese Geschichte müssen wir berücksichtigen und bedenken, dass man unter dem Wort „Demokratie“ nicht immer das Gleiche versteht wie hier in den Ländern Europas mit ihren jahrhundertelangen demokratischen Traditionen.
Ich war einer der Beobachter des Europäischen Parlaments bei den kasachischen Präsidentschaftswahlen. Das Land ist in keiner Weise ein Vorbild an Demokratie, aber der Fairness halber muss man sagen, dass die Behörden dort viel tun, um das öffentliche Leben zu demokratisieren, und vor allem, um das Land westlichen Werten anzunähren und zu modernisieren. Das sollten wir würdigen, und wir sollten für diesen Prozess sinnvolle Unterstützung anbieten.
Der hier zur Aussprache vorliegende Entschließungsantrag verdient insoweit Zustimmung, als er eine Untersuchung des Todes von Herrn Sarsenbajew, des Oppositionspolitikers, fordert, aber er enthält auch einige Elemente, die Ausdruck eines unbegründeten Verdachts sind. Politiker werden in vielen Ländern bei Mordversuchen oder Unfällen getötet, ohne dass immer politische Intrigen der Grund sind. Deshalb rufe ich zu Mäßigung beim Inhalt der Entschließung und zur Annahme einiger der vorgeschlagenen Änderungsanträge auf.
Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Wie alle meine Kollegen im Europäischen Parlament bin auch ich bestürzt über die brutale Ermordung des Oppositionsführers Altynbek Sarsenbajew am 13. Februar. Ich begrüße es, dass Präsident Nasarbajew das FBI hinzugezogen hat, um die Schuldigen aufzuspüren, sowie seine Erklärung vom 21. Februar zur Bestrafung der Täter. Ermutigend ist auch die jüngste Festnahme von fünf Verdächtigen. Natürlich bestehen nach wie vor Bedenken, was Demokratie und Menschenrechte in Kasachstan anbelangt. Wir in der EU sind zu Recht besorgt über Anzeichen von Instabilität in dieser strategisch so bedeutsamen zentralasiatischen Republik, die sehr bestrebt ist, engere Bindungen nicht mit Russland oder China, sondern mit uns in der EU herzustellen.
Als Berichterstatter für die Europäische Nachbarschaftspolitik habe ich angeregt, Kasachstan in diese Politik einzubeziehen. Dies folgt einer Tradition, denn es war das Europäische Parlament, das zuerst die Frage nach einem solchen Status für die drei Kaukasus-Republiken aufgeworfen hat, der vom Rat seinerzeit zu Recht erteilt wurde. Kasachstan dehnt sich weit nach Westen aus, wodurch aus geografischer Sicht viel für seinen Status im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik spricht. Ein Erbe seiner sowjetischen Vergangenheit ist auch eine ausgeprägte weltliche Tradition mit einer sehr großen europäischen christlichen Minderheit, die in Eintracht mit den in Kasachstan heimischen Muslimen lebt.
Von strategischer Bedeutung für die EU sind die ausgedehnten Erdöl- und Erdgasvorräte, die Kasachstan gern an die EU verkaufen würde, ohne für den Transport seiner Naturressourcen völlig von russischen Pipelines abhängig zu sein. Darüber hinaus beinhaltet die kasachische Diversifizierungsstrategie Pläne zur Verflüssigung des Erdgases für den Export über die transkaspische Route.
Wichtig in diesem Zusammenhang, allerdings weniger geschätzt, ist auch die mögliche Lieferung großer Mengen an Urankonzentrat aus neu in Betrieb gegangenen Abbaustätten, die für die Deckung des künftigen Atomenergiebedarfs der EU eine zentrale Rolle spielen wird. Die EU muss diesem riesigen, unterbevölkerten, geopolitisch wichtigen Land jede Hilfe anbieten, und wir in der PPE-DE-Fraktion werden dem unausgewogenen gemeinsamen Text nicht zustimmen, wenn unsere Änderungsanträge nicht berücksichtigt werden.
John Attard-Montalto, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Gestatten Sie mir, in meiner Muttersprache zu sprechen.
Ein Redebeitrag wie der, den wir eben gehört haben, bereitet mir Sorge. Ich befürchte, dass bei der kasachischen Regierung der Eindruck entstehen könnte, sie könne sich bestimmte Dinge ungestraft erlauben, weil der Westen und die USA ein Interesse an Kasachstan haben – vor allem, weil das Land über große Erzvorkommen verfügt und ein Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus ist. Wir sollten verhindern, dass dieser Eindruck entsteht. Vor einiger Zeit hat sich Kasachstan um die Aufnahme in den Europarat beworben, und ich habe das Land mit einer Delegation besucht. Geografisch gesehen gehört Kasachstan zwar zu Europa, aber wir alle wissen, dass dieses Land noch viel lernen muss, damit es die Grundlagen für eine demokratische Entwicklung schaffen kann. Außerdem gibt es klare Anzeichen dafür, dass sich das politische Klima in letzter Zeit verschlechtert hat. Wir wissen, dass innerhalb von drei Monaten zwei Oppositionspolitiker getötet worden sind und dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Wir sollten uns deshalb durch den Reichtum Kasachstans und die Tatsache, dass das Land ein Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus ist, nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass wir darauf verzichten können, die Entwicklungen in diesem Land aufmerksam zu beobachten.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Bis dato hat ja der kasachische Präsident Nasarbajew nach dem alten Sprichwort „Halte dir deine Freunde nah und deine Feinde noch näher“ gehandelt und versucht, diese in sein Regime einzubinden. Es scheint ihm dies aber – obwohl er erst jüngst in meinem Heimatland Kärnten zu einem einwöchigen Kuraufenthalt offenbar zur Stärkung weilte – zunehmend schlechter zu gelingen, denn die Kritik an ihm nimmt bekanntlich zu.
Da kann es wohl kein Zufall sein, dass zwei Oppositionspolitiker, wie wir hörten, kurz nachdem sie unsaubere Machenschaften des Präsidentenclans öffentlich gemacht hatten, unter mysteriösen Umständen den Tod fanden. Es ist meines Erachtens wirklich essenziell, dass die Aufklärung dieser Morde transparent und unter Hinzuziehung von Unparteiischen erfolgt.
So fortschrittlich Kasachstan – nicht zuletzt dank seiner großen Bodenschätze – in seiner Wirtschaftsentwicklung sein mag, so sehr hinkt es – und da sind wir uns alle einig – in demokratischen Belangen nach. Vorwürfe über Wahlfälschungen bei den Präsidentschaftswahlen im letzten Dezember wurden laut, und die Tochter des unter so fragwürdigen Umständen gewählten Präsidenten ist bekanntlich Geschäftsführerin des größten Fernsehsenders, ihr Mann Chef der Steuerbehörde. Die Registrierung von Parteien wird partiell verweigert, und Aktivisten werden bekanntlich verfolgt. Da passt es ins Bild, wenn etwa dann die Trauergäste des Mordopfers abgestraft werden.
Bei dieser zweifelhaften Demokratiefähigkeit kann es nicht angehen, dass Kasachstan 2009 womöglich den angestrebten OSZE-Vorsitz einnimmt. Die EU muss sich meines Erachtens vehement dagegen stemmen. Überlegenswert ist es vielleicht auch, dem Vorhaben der USA zu folgen und finanzielle sowie wirtschaftliche Hilfe verstärkt von den Fortschritten im Bereich der Demokratie und der Bürger- und Menschenrechte abhängig zu machen.
Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Ich glaube, dass heute – einen Monat nach der brutalen Ermordung des prominenten Politikers Sarsenbajew – der richtige Zeitpunkt ist, um hier eine Dringlichkeitsdebatte zur Situation in Kasachstan zu führen. Innerhalb von drei Monaten wurden zwei prominente Oppositionspolitiker ermordet, und das politische Klima hat sich sehr verschlechtert.
Wir fordern die kasachischen Behörden auf, eine vollständige sowie unabhängig und transparent durchgeführte Ermittlung der Todesumstände zu ermöglichen und internationale Beobachterinnen und Beobachter zuzulassen.
Die politisch motivierten Morde sind nur die Spitze des Eisbergs. Es wurde die Zensur im Internet genannt und der Druck auf Oppositionspolitiker und Journalisten hat insgesamt zugenommen. Wir verurteilen die Inhaftierung der Teilnehmer in einer friedlichen Versammlung anlässlich des Todes von Altynbek Sarsenbajew und fordern die kasachische Regierung auf, ihren Verpflichtungen im Rahmen der Partnerschafts- und Kooperationsabkommen nachzukommen und insbesondere die Achtung der Demokratie und der Menschenrechte zu wahren.
Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Es gibt viel über Kasachstan zu sagen. Einerseits ist und sollte Kasachstan ein maßgeblicher Partner für die Förderung von Stabilität und regionaler Zusammenarbeit in Zentralasien sein. Tatsächlich ist es das wichtigste dieser Länder und verfügt auch über reiche Energiereserven und wird deshalb heute von vielen Ländern umworben.
Untersuchen wir doch einmal die Rede von Präsident Nasarbajew vom 1. März zur Lage der Nation. Er ging sehr umfassend auf die wirtschaftliche Entwicklung ein. Zum demokratischen Reformprogramm war sie jedoch nicht besonders detailliert, obwohl es Versprechungen für ein Programm zugunsten demokratischer Veränderungen und Zusagen an die internationale Gemeinschaft gegeben hat. Das Konzept der „verwalteten Demokratie“ wurde erneut bestätigt, ja bekräftigt.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den positiven und den negativen Aspekten sagen, denn wir müssen beide Seiten sehen. Als positiv würde ich die Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch Kasachstan im Januar dieses Jahres begrüßen. Das ist ein guter Schritt. Außerdem hoffen wir, dass Kasachstan jetzt Maßnahmen ergreifen wird, um das Fakultativprotokoll zu ratifizieren, das das Recht der Individualbeschwerde begründet. Das fortbestehende Moratorium bei der Todesstrafe ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.
Als Beispiel für negative Aspekte, die wir kritisieren sollten, ist das zu nennen, was mit dem führenden Oppositionsführer Altynbek Sarsenbajew geschehen ist und uns Anlass zu großer Besorgnis gibt. Seine Ermordung deutet auf eine sehr gefährliche Tendenz der Kriminalisierung der kasachischen Politik hin. Da es an klaren verfassungsmäßigen Mechanismen fehlt, die eine friedliche Übergabe der Exekutivmacht in Kasachstan gewährleisten, ist diese Entwicklung ausgesprochen beunruhigend. Wir haben deshalb die Behörden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Ermittlungen völlig transparent sind. Ich bin froh, dass das FBI daran beteiligt wird, aber es sollten auch ein paar Europäer dort sein. Wir verfolgen zudem aufmerksam die Ermittlungen im Mordfall Oksana Nikitina, der Tochter eines anderen bekannten Mitglieds der Opposition. Sehr beunruhigt haben mich auch Meldungen über die Schikanierung von Oppositionsangehörigen nach zwei friedlichen Gedenkmärschen in Almaty, die nach dem Begräbnis von Herrn Sarsenbajew stattfanden. Einige von Ihnen haben das angesprochen.
Erwähnen möchte ich auch die beiden Hauptprobleme Medienfreiheit und Beschränkungen für die Zivilgesellschaft. Wir sind besorgt angesichts der Berichte über zahllose Schikanen gegen Journalisten und Maßnahmen gegen fünf Zeitungen und eine Website der Opposition. Das neue Gesetz zur nationalen Sicherheit, das im Juli 2005 verabschiedet wurde, lässt ebenfalls unangemessene Restriktionen gegen Aktivitäten der Zivilgesellschaft und von NRO zu.
Einerseits begrüßen wir die Verbesserungen, die von der OSZE/BDIMR bei der Durchführung der Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2005 vermerkt wurden; einige von Ihnen waren ja dort als Beobachter. Andererseits bedauern wir jedoch, dass die Wahl zahlreichen OSZE-Verpflichtungen nicht gerecht wurde und dass nichts getan wurde, um den gesetzlichen Rahmen mit den OSZE/BDIMR-Empfehlungen in Einklang zu bringen. Wir wollen auf jeden Fall auch weiterhin die Untersuchungen zu mutmaßlichen Amtsmissbräuchen verfolgen.
Ein beständiges, zentrales Anliegen ist die politische Freiheit. Im Interesse seiner innenpolitischen Stabilität braucht Kasachstan eine politische Opposition, und die Behörden müssen dringend politische Oppositionsparteien zulassen und einen echten Dialog mit ihnen aufnehmen, zum Beispiel durch die staatliche Kommission für Demokratisierung, die ebenfalls bald eingesetzt und dann unter dem Vorsitz von Präsident Nasarbajew stehen wird. Vor allem denke ich, dass die kasachischen Behörden ihre Weigerung überdenken werden, die politischen Oppositionsparteien Alga und True Ak Zhol zuzulassen.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie eine Parlamentarische Delegation bilden und wenn Sie Ihre Zusammenarbeit mit Delegationen aus Kasachstan verstärken würden. Das ist ein weiterer wichtiger Kanal, um klare Botschaften an das Land zu übermitteln, und es ist auch eine Chance. Über Kasachstans Angebot, 2009 den Vorsitz in der OSZE zu übernehmen, sollten wir nicht vorschnell urteilen. Das könnte für Kasachstan vielleicht ein wichtiger Anstoß sein, sich um höhere demokratische Standards zu bemühen.
Besorgt sind wir schließlich auch über die zahlreichen Schikanen gegen Journalisten und Maßnahmen gegen fünf Zeitungen und eine Website der Opposition. Das neue Gesetz zur nationalen Sicherheit, das im Juli des vergangenen Jahres verabschiedet wurde, lässt ebenfalls unangemessene Restriktionen gegen Aktivitäten der Zivilgesellschaft und von NRO zu. Daher bin ich der Meinung, dass wir uns stark in diesem Land engagieren, zugleich aber auch eindeutige Signale senden müssen.