Der Präsident. Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 16. März 2006, gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden.
Martin Schulz (PSE). – Herr Präsident! Ich beziehe mich auf Artikel 103 und Artikel 130 der Geschäftsordnung. Artikel 130 regelt die Tagesordnung, Artikel 103 Erklärungen und Vorschläge der Kommission.
Ich beziehe mich aber nicht auf die heutige Tagesordnung, sondern auf die Tagesordnung der nächsten Plenartagung, und habe folgende Bitte: Wir haben auf der Tagesordnung der nächsten Plenartagung des Europäischen Parlaments eine Aussprache und eine Entschließung des Parlaments zur Situation in Weißrussland. Ich nutze die Chance der Anwesenheit des Herrn Kommissionspräsidenten und der Vizepräsidentin der Kommission sowie weiterer Mitglieder der Kommission, um Folgendes zu erbitten: Die Situation in Weißrussland ist besorgniserregend. Ich glaube, die Europäische Union kann nicht tatenlos zuschauen, wie in Europa ein Diktator schamlos die Zerstörung der Demokratie betreibt. Deshalb muss überlegt werden, welche Maßnahmen die Europäische Union ergreifen kann, um Herrn Lukaschenko seine Grenzen zu zeigen.
Ich würde deshalb die Kommission heute bitten, bis zur Diskussion auf der nächsten Plenartagung geeignete Vorschläge zu diesem Tagesordnungspunkt zu unterbreiten und die Maßnahmen darzulegen, die sie – die Kommission – vorschlägt oder vorschlagen kann, um gegen Weißrussland und seine jetzige Regierung vorzugehen und die dortige Opposition zu stärken.
(Beifall)
Der Präsident. Herr Schulz, die Tagesordnung für die kommende Sitzung wird von der nächsten Konferenz der Präsidenten festgelegt. Wir nehmen gebührend zur Kenntnis, dass Sie diesen Punkt aufgenommen wünschen. Die Konferenz der Präsidenten wird darüber beraten.
Martin Schulz (PSE). – Herr Präsident! Dann beantrage ich, den Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz der Präsidenten zu setzen.
Der Präsident. Sehr gut, er wird auf der Tagesordnung der Konferenz der Präsidenten stehen.
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Ich beziehe mich auf die Artikel 133 und 144 der Geschäftsordnung. Herr Schulz sprach von der Tagesordnung der nächsten Plenartagung, ich frage mich jedoch, weshalb das Hohe Haus nicht schon während der aktuellen Plenartagung eine Aussprache über die Lage in Belarus führt. Wir können zwar abwarten, bis die Kommission Maßnahmen vorschlägt, aber wir können auch eigene Vorschläge unterbreiten. Es ist absurd, dass wir die Dynamik, die von den Menschen auf der Straße jetzt ausgelöst wird, nicht nutzen.
Ich schlage vor, dass wir entweder heute oder morgen eine Aussprache zu Belarus abhalten.
Der Präsident. Vielen Dank, Frau Hennis-Plasschaert.
Wir machen erhebliche Fortschritte, weil die Abgeordneten, die zur Geschäftsordnung sprechen möchten, jetzt die Artikel nennen, auf die sie sich berufen. Das ist ein Schritt vorwärts. Doch Sie sollten sich nicht nur auf sie berufen, sondern sie auch lesen, dann werden Sie sehen, dass sie besagen, dass diese Anträge mindestens drei Stunden vor Eröffnung der Sitzung schriftlich vorliegen müssen.
Nach der Geschäftsordnung kann ich Ihren Vorschlag dem Haus somit nicht zur Erwägung unterbreiten.
Es tut mir Leid, aber so lautet unsere Geschäftsordnung, und wir werden dieses Thema deshalb auf der nächsten Konferenz der Präsidenten diskutieren.
Mario Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde mich wirklich kurz fassen, und zwar möchte ich auf die Straßburg-Tagung zu sprechen kommen. Genauer gesagt, fordere ich eine Klarstellung zu den Erklärungen, die das Präsidium während der Straßburg-Tagung zur Zusammensetzung der IND/DEM-Fraktion abgegeben hat. Ich möchte das Präsidium davon in Kenntnis setzen, dass die Mitglieder der Delegation, der ich angehöre, und die Mitglieder der polnischen Delegation heute eine Einladung zu der um 14.00 Uhr anberaumten Sitzung der IND/DEM-Fraktion erhalten haben.
Wir würden allerdings gern wissen, unter welchem Status wir eingeladen wurden, da ja das Präsidium mitgeteilt hatte, dass wir im Rahmen eines vollkommen unverständlichen und absolut regelwidrigen Verfahrens aus der IND/DEM-Fraktion ausgeschlossen worden sind.
Ich möchte lediglich klarstellen, dass diese Sitzung die Rechtsverletzungen, die die Führung der IND/DEM-Fraktion gegenüber den 11 Mitgliedern der so genannten Minderheit in der Fraktion begangen hat, nicht aus der Welt schafft, denn sie haben, wahrscheinlich nicht von ungefähr, auch erklärt, dass sie mit den dunklen Machenschaften, durch die die Fraktionsführung die Aufmerksamkeit des Europäischen Rechnungshofs auf sich gezogen hat, absolut nichts zu tun haben.
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Der Präsident. Herr Borghezio, die Abgeordneten können nicht einfach in den Plenarsaal kommen und um das Wort bitten, um irgendein Problem zu erläutern, das sie beschäftigt. Sie haben sich auf keinen Artikel berufen, um Ihre Äußerung zu begründen.
Das von Ihnen dargelegte Problem betrifft grundsätzlich die interne Organisation Ihrer Fraktion. Das Präsidium hat darüber keine Kenntnis und ist nicht befugt, sich darin einzumischen, wie Ihre Fraktion Sitzungen zu irgendeinem Thema anberaumt oder nicht.
Deshalb bedauere ich, Herr Borghezio, dass ich Ihnen nicht das Wort entziehen konnte, wie ich es hätte tun müssen.
Kathalijne Maria Buitenweg (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte ebenfalls auf die Anmerkungen gemäß Artikel 133 und 144 der Geschäftsordnung zurückkommen. Meines Erachtens mögen Sie technisch gesehen Recht haben, dass der Antrag drei Stunden vor Eröffnung der Sitzung hätte vorgelegt werden müssen. Das war ein Fehler. Aber soll das bedeuten, dass wir heute hier in diesem Hohen Hause nicht über Belarus sprechen werden, wo die Menschen auf die Straße gehen und demonstrieren, nur weil wir nicht drei Stunden vor der Sitzung einen Antrag gestellt haben? Politisch gesehen ist das völlig absurd!
(Beifall)
Bitte vergessen Sie die drei Stunden und lassen Sie uns darüber abstimmen, ob wir über Belarus sprechen wollen. Möglicherweise besteht gar nicht der Wunsch danach, dann sollen die Abgeordneten eben dagegen stimmen. Doch wir sollten nicht zulassen, dass wir aus bürokratischen Gründen nicht über aktuelle Themen debattieren können und uns damit als Parlament völlig unserer Bedeutung berauben.
(Beifall)
Der Präsident. Frau Buitenweg, wenn uns die Geschäftsordnung nicht passt, bezeichnen wir sie als bürokratisch. Doch Geschäftsordnung ist Geschäftsordnung, und wenn Sie möchten, dass ich Ihnen sage, wie die Bestimmungen lauten – Sie müssten sie kennen –, so geht es nicht nur um die schriftliche Einreichung vor der Sitzung: Sie besagen, dass der Antrag von einem Ausschuss – was nicht der Fall ist –, von einer Fraktion – was nicht der Fall ist – oder von mindestens 37 Abgeordneten – was auch nicht der Fall ist – eingereicht werden muss. Keine der in unserer Geschäftsordnung festgelegten Voraussetzungen ist damit erfüllt. Der Präsident muss sich an die Geschäftsordnung halten und danach handeln: Die Angelegenheit ist somit abgeschlossen. Sie ist abgeschlossen: 37 Abgeordnete vor der Sitzung; vor der Sitzung.
Es tut mir Leid, meine Damen und Herren: Die Geschäftsordnung fordert die Einreichung des schriftlichen Antrags vor der Sitzung. Wenn er Ihnen so wichtig ist, hätten Sie sich die Mühe machen und ihn schriftlich vor der Sitzung unterbreiten können, denn ich kann mir vorstellen, dass Sie nicht erst vor einer halben Stunde auf das Thema Belarus aufmerksam geworden sind, oder? Bitte nehmen Sie sich die Zeit, lesen Sie die Geschäftsordnung, und wenden Sie sie an.
Hans-Gert Poettering (PPE-DE). – Herr Präsident! Es gibt Situationen, wo man sich verständigen muss. Sie haben in der Auslegung der Geschäftsordnung sicher Recht, aber wir haben morgen früh eine andere Sitzung, und ich beantrage für die PPE-DE-Fraktion, dass wir hier im Hause morgen über die Situation in Weißrussland debattieren ...,
(Lang anhaltender Beifall)
um unsere Solidarität mit den Demokraten in Weißrussland zum Ausdruck zu bringen.
Der Präsident. Vielen Dank, Herr Poettering. Das Plenum ist souverän und gemäß der hier geäußerten Zustimmung werden entsprechenden Schritte unternommen, aber der Präsident muss sich an die Geschäftsordnung halten.
Martin Schulz (PSE). – Herr Präsident! Ich bin einverstanden; unsere Fraktion stimmt dem zu. Wir können morgen früh hier über Weißrussland diskutieren, das ist überhaupt kein Problem. Aber die Heuchler-Nummer, die ihr hier gerade abgespielt habt, die müssen wir auch einmal miteinander diskutieren. Wenn eine Fraktion der Auffassung ist, dass dieses Thema heute oder morgen hier hätte diskutiert werden sollen, Herr Kollege Poettering, dann hätte ein Telefonanruf gereicht. Ich habe fünf Minuten vor Beginn dieser Sitzung mit Ihnen telefoniert, ich habe von Ihnen kein Wort zu diesem Thema gehört.
Ich habe hier eben beantragt, dass wir in der nächsten Sitzung darüber diskutieren, dann hat eine Kollegin darum gebeten, dass wir das jetzt machen.
(Unruhe)
Ihre Demokratiefähigkeit zeigt sich auch in Ihrer Fähigkeit zuzuhören! Ich bin gleich fertig.
Eine Kollegin hat darum gebeten, dass wir das jetzt machen, darüber kann man ja in Ruhe diskutieren. Aber diesen Aufstand hier zu proben, als wären Sie – und nur Sie – die Verteidiger der Interessen Weißrusslands, das können wir hier nicht mitmachen. Wir können morgen darüber diskutieren, aber nicht mit Ihrem Affentheater.
(Missfallen)
Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte kein spezielles Thema mit Ihnen erörtern: es geht immer noch um Belarus. Wir sammeln jetzt 37 Unterschriften. Ich denke, wir können morgen sehr früh den Antrag unseres Fraktionsvorsitzenden vorlegen. Ich gehe nicht davon aus, dass wir eine schriftliche Erklärung einreichen, doch die 37 Unterschriften, die wir hier im Verlauf der Sitzung gesammelt haben, sollten ausreichen, und ich freue mich auf Ihre Bestätigung.
(Beifall)
Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). – (CS) Ich möchte meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die uns auffordern, im Hinblick auf die Lage in Weißrussland schnellstmöglich tätig zu werden – darunter sind auch einige Abgeordnete aus Österreich –, darauf aufmerksam machen, dass die EU vor einiger Zeit Sanktionen gegen Österreich verhängte. Frau Ferrero-Waldner fordert, Druck auf Weißrussland auszuüben. Gleichzeitig war sie Mitglied der Regierung Schüssel, die sich mit EU-Sanktionen konfrontiert sah. Bitte überlegen Sie sich die Schritte genau, die Sie unternehmen, damit Sie später nicht in die peinliche Lage kommen, diese ignorieren zu müssen.
Daniel Marc Cohn-Bendit (Verts/ALE). – Herr Präsident! Liebe Kollegen, erst einmal freue ich mich immer, wenn die große Koalition ins Wanken kommt. Das ist für das Parlament immer gut.
(Beifall)
Das Zweite, was ich sagen möchte, ist – und da braucht man sich nicht aufzuregen, denn ich glaube, dass der Kollege Poettering da einfach Recht hat, auch wenn ihm die Erleuchtung vielleicht erst hier im Saal gekommen ist, was ja auch nicht schlimm wäre, Martin –, dass wir, dass das Europäische Parlament in dieser Situation diskutieren und eine eindeutige Stellungnahme gegenüber Weißrussland und gegenüber Russland abgeben muss, denn ohne Putin würde Lukaschenko überhaupt nicht mehr an der Macht sein! Wenn wir das morgen machen, dann haben wir die Sterne der Europäischen Union verdient.
Der Präsident. Herr Cohn-Bendit, wir sind bei Fragen zur Geschäftsordnung; ich bitte Sie, nicht in das eigentliche Thema einzusteigen.
Graham Watson (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihnen gratulieren, dass Sie die Einhaltung der Geschäftsordnung gewährleisten, sich flexibel zeigen, den Forderungen unserer Kolleginnen und Kollegen nach einer Abstimmung am morgigen Vormittag nachzukommen, und ich schlage vor, dass wir nun mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fortfahren.
Hans-Gert Poettering (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich eben in den Saal kam – und ich melde mich nur noch, weil der geschätzte Kollege Schulz mich angesprochen hat –, habe ich gedacht: Das ist die erste Sitzung, seitdem ich Fraktionsvorsitzender bin, in der ich nicht zu reden brauche. Jetzt hat es sich so ergeben – Sie haben die Erklärung zur ETA abgegeben, darauf habe ich reagiert, weil sich andere gemeldet haben.
Ich hatte, als ich mit dem Kollegen Schulz auf dessen Initiative fünf Minuten vor drei oder fünf Minuten vor zwei – ich weiß es nicht mehr so genau – telefoniert habe, überhaupt nicht im Kopf, dass es hier heute eine Diskussion über Weißrussland gibt. Wenn ich diese Debatte hätte anregen wollen – ich bitte das doch zur Kenntnis zu nehmen, ich spiele mit offenen Karten –, dann hätte ich nicht nur mit dem Kollegen Schulz darüber gesprochen, sondern auch mit den Kollegen Watson, Cohn-Bendit, Monica Frassoni, Wuertz, Brian Crowley, mit allen. Ich bin ohne Kenntnis dieser Debatte hier in den Raum gekommen, habe die Reaktion der Kolleginnen und Kollegen gehört, und ich habe gemeint, ich biete meinen guten Willen an, wenn ich vorschlage, dass wir morgen früh debattieren. Ich glaube nach wie vor, dass das ein guter Vorschlag ist.
(Beifall)
Der Präsident. Gut, passen wir die Geschäftsordnung an, aber wir müssen sie respektieren, denn wenn wir es heute nicht tun, weil wir uns sagen, dass sie ein lästiges Stück Bürokratie ist, dann können andere morgen ebenso verfahren, und wir werden am Ende gänzlich ohne Geschäftsordnung dastehen. Wenn also heute Nachmittag ein von 37 Abgeordneten oder von einer Fraktion unterzeichneter Antrag vorgelegt wird – wie es die Geschäftsordnung vorsieht –, dann wird die Debatte über Belarus morgen stattfinden. Aber bitte halten Sie die vorgeschriebenen Verfahrenswege ein.