Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 22. März 2006 - Brüssel Ausgabe im ABl.

11. Jährliche Strategieplanung 2007 (Aussprache)
Protokoll
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur jährlichen Strategieplanung 2007.

Das Wort hat der Präsident der Kommission, den ich für die Verzögerung um Entschuldigung bitte.

 
  
MPphoto
 
 

  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ziel unserer heutigen Aussprache ist es, Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu tun sowie einen Konsens zu den vorrangigen Aktionen im Jahr 2007 herbeizuführen. Es geht darum, gemeinsam zu handeln, um die Voraussetzungen für künftige Aktionen zu schaffen.

Die Kommission hat die wirksame Durchführung ihrer Politik in den Mittelpunkt ihrer Ziele gestellt, doch dazu bedarf es einer echten Partnerschaft zwischen den europäischen Institutionen. Der Bericht über das Jahr 2005 macht deutlich, wie weit das Zerrbild eines angeblich gelähmten Europas von der Wahrheit entfernt ist. Denn wir können wichtige Erfolge verzeichnen. Die Kommission konzentrierte sich auf ihre Ziele und erreichte bei ihren vorrangigen Aktionen eine Ausführungsrate von nahezu 90 %. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, die überarbeitete Sozialagenda und die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung wurden neu ausgerichtet. Vor allem aber werden wir meiner Ansicht nach diese Woche erleben, dass mit der Überprüfung der Lissabonner Beschäftigungs- und Wachstumsstrategie eine echte Wende eingeleitet wurde, denn sie wurde schließlich mit den Instrumenten ausgestattet, die erforderlich sind, um die Bestrebungen Realität werden zu lassen.

Das Gipfeltreffen von Hampton Court hat dazu beigetragen, einen neuen Konsens über die Schwerpunkte in der Tätigkeit der EU in einer zunehmend globalen Welt herzustellen. Es gab den Anstoß zu Maßnahmen, die heute Gestalt annehmen. Ich denke beispielsweise an eine europäische Energiepolitik und an den Europäischen Globalisierungsfonds.

Die EU stellte ihre Fähigkeit unter Beweis, zügig auf die Erfordernisse nach dem Tsunami oder den Terroranschlägen von London zu reagieren. Außerdem bewies sie, dass sie zu gemeinsamem Handeln fähig ist: der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, der auch die Zustimmung des Europäischen Parlaments erhielt, ist Ausdruck eines wirklichen gemeinsamen Ansatzes. Natürlich ist damit unser Auftrag noch nicht erfüllt. Was jedoch die Finanzielle Vorausschau anbelangt, bin ich der Ansicht, dass wir einer Einigung näher denn je zuvor sind. Wenn wir in Kürze eine Lösung erzielen, werden wir noch genügend Zeit haben, um die meisten Programme bis Anfang nächsten Jahres in Gang zu bringen, was für die weniger wohlhabenden Länder und Regionen unseres Kontinents besonders wichtig ist.

Was die Zukunft der europapolitischen Debatte anbelangt, können wir uns auch die Umstände zunutze machen und diese Zeit nutzen, um über die Richtung, die eingeschlagen werden soll, einen echten Konsens herbeizuführen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg: der Jahresfortschrittsbericht über die Lissabon-Strategie, das Grünbuch zur Energiepolitik, die Biokraftstoffe, das Europäische Technologieinstitut, der Fahrplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern sind wichtige Initiativen, die bereits auf der Tagesordnung stehen.

Worum wird es nun 2007 gehen?

Ich glaube, 2007 wird ein wichtiges Jahr für die Verwirklichung der strategischen Ziele sein, die die Kommission für ihre Amtszeit festgelegt hat. Unsere für fünf Jahre ausgelegten strategischen Ziele – Wohlstand, Solidarität, Sicherheit – und natürlich auch ihre Außenwirkung, bewahren weiterhin unvermindert ihren Wert und bieten einen kohärenten politischen Rahmen und Richtschnur für das Handeln der EU. Sie widerspiegeln die Herausforderungen, vor denen Europa steht, und die wichtigsten Sorgen der europäischen Bürger und versuchen, ihnen gerecht zu werden. Sie bleiben nach wie vor Dreh- und Angelpunkt für das Handeln der Kommission. Meiner Ansicht nach sind sie eine geeignete Grundlage, um die Richtung, die die EU nehmen soll, unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Vertrags von Rom im Jahr 2007 wird sich die Aufmerksamkeit zu Recht auf die globalen Werte und umfassenden Ziele der Europäischen Union konzentrieren.

(EN) Unser wichtigstes Ziel muss auch weiterhin Wachstum für mehr und bessere Arbeitsplätze in Europa sein. Angesichts der inzwischen freundlicheren makroökonomischen Aussichten muss jede Gelegenheit genutzt werden, um das Tempo der Reformen zu beschleunigen und sie in die Praxis umzusetzen. Ich weiß, dass das Parlament gewillt ist, seiner Rolle in einer echten Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze gerecht zu werden.

Im Jahre 2007 sollten mehrere Mitgliedstaaten ihre Vorbereitungen auf die Einführung des Euro beschleunigen. Sofern Bulgarien und Rumänien die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, werden sie 2007 der Gemeinschaft beitreten, und ich freue mich auf ihren Beitrag zur Europäischen Union.

Energie wird auch weiterhin ein zentrales Thema bleiben. Unser besonderes Augenmerk wird der Förderung von nachhaltigem Management und dem Schutz natürlicher Ressourcen gelten. Wir werden Vorschläge für eine Meerespolitik der Europäischen Union vorlegen. Es wird Folgemaßnahmen zum Grünbuch über die Entwicklung des Arbeitsrechts geben. 2007 wird zudem das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle sein. Die wichtigsten Handlungsbereiche im Bereich der Sicherheit und Freiheit werden die Ausdehnung des Schengengebiets, Einwanderung und Grenzkontrollen sowie Verbrechensbekämpfung sein. Auch Gesundheitsfragen werden weiterhin im Mittelpunkt stehen, und wir werden die Präventionsbemühungen gegen Pandemien verstärken. Auf internationaler Ebene werden wir uns um eine angemessene Weiterführung der Doha-Runde, um Fortschritte bei der Stabilisierung des Westlichen Balkans, insbesondere im Kosovo, und um den Abschluss der Partnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten bemühen.

Wie Sie sehen, wartet 2007 also viel Arbeit auf uns. Im Jahr 2007 werden auch neue Leitlinien für die zweite Hälfte der Amtszeit der Kommission aufgestellt. Wir werden Vorarbeit für die Zukunft leisten, indem wir uns intensiv mit einer umfassenden Überprüfung des Haushalts der Union befassen werden, woraus 2008-2009 ein Weißbuch hervorgehen soll. Diese Überprüfung muss gründlich vorbereitet werden und die verschiedenen Sichtweisen berücksichtigen. Dies schließt natürlich auch das Europäische Parlament ein, und ich freue mich, dass sie sich umfassend an diesem Prozess beteiligen wollen.

Ich möchte auch etwas dazu sagen, wie wir diese Prioritäten verwirklichen können. Wir müssen sie in praktische Maßnahmen umsetzen und dazu die geeignetsten Instrumente nutzen. Die Kommission konnte in dieser Hinsicht Fortschritte erzielen. Erstens verfügen wir über den Zyklus der Strategie- und Programmplanung, der es uns ermöglicht, unsere Prioritäten wirksam und zeitgerecht umzusetzen und unsere Ressourcen auf diese Aufgaben zu konzentrieren. Die Kommission formuliert ihre Ziele, führt dazu Konsultationen durch, passt ihr Arbeitsprogramm entsprechend an und erstattet regelmäßig Bericht über die Durchführung. Allerdings müssen wir den Erörterungen über unsere Strategie- und Programmplanung mehr politische Relevanz verleihen.

Zweitens haben wir eine Reihe von Instrumenten zur Förderung der besseren Rechtsetzung und der vorbildlichen Regierungsführung geschaffen, was meines Erachtens einen deutlichen Einfluss auf die Gründlichkeit und die Qualität unserer Arbeit haben wird. Wir haben uns sehr um eine Bewertung der Auswirkungen unserer wichtigsten Vorschläge bemüht. Bisher haben wir mehr als hundert Bewertungen abgeschlossen, und wir werden uns auch weiterhin um eine bessere Qualität unserer Vorschläge und darum bemühen, dass sie zu einer grundlegenden Veränderung unseres Entscheidungsfindungsprozesses beitragen werden.

Die Kommission wird zudem ihr Vereinfachungsprogramm fortsetzen, das verschiedene Bereiche von der Umwelt über die Industrie bis hin zur Modernisierung des Arbeitsrechts, zur Förderung der Verbraucherrechte und zu zentralen Binnenmarktsektoren umfasst. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass alle europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten für die Regierungsführung und eine bessere Rechtsetzung verantwortlich sind. Wie ich bereits angemerkt habe, ist eine bessere Rechtsetzung unbedingt erforderlich, wenn wir unser wirtschaftliches Potenzial insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen voll ausschöpfen wollen. Zur Förderung des Unternehmergeists müssen wir den roten Teppich ausrollen, anstatt bürokratische Hindernisse zu schaffen. Auf allen Ebenen muss der Beweis erbracht werden, dass Gemeinschaftsinitiativen gut durchdacht sind und einen echten Mehrwert bringen. Wir brauchen in vielen Bereichen weniger Regulierung, sei es auf europäischer oder einzelstaatlicher Ebene.

Wie Montesquieu so treffend gesagt hat, und ich werde ihn in seiner Muttersprache zitieren:

(FR) „Überflüssige Gesetze tun den notwendigen an ihrer Wirkung Abbruch“.

(EN) Grob übersetzt bedeutet dies, dass sinnlose Gesetze notwendige Gesetze schwächen. Genau auf diesem Grundsatz beruht die gute europäische Tradition.

Wie sehen also unsere nächsten Schritte aus? Die Entscheidung über die Jährliche Strategieplanung bildet die Grundlage für unseren Dialog über die Vorbereitung des Arbeitsprogramms der Kommission für 2007. Alle Kommissionsmitglieder sind nun bereit, mit den Ausschüssen die für ihren oder seinen Bereich vorgeschlagenen politischen Prioritäten zu erörtern. Entscheidend ist, dass wir uns nicht nur mit aktuellen Themen befassen, sondern auch für die Zukunft wappnen. Die Initiative des Parlaments im vergangenen Jahr, die Fäden im Bericht zusammenzuziehen, habe ich ausdrücklich begrüßt. Dies hat sich deutlich im diesjährigen Arbeitsprogramm niedergeschlagen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Kommission legt diese Strategie im Geiste der Partnerschaft vor. Ich bin gespannt darauf, welchen Bereichen sich Europa Ihrer Ansicht nach im Jahre 2007 vermehrt widmen sollte.

(Applause)

 
  
MPphoto
 
 

  Françoise Grossetête, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2005 hatten die EU-Bürger Gelegenheit, uns zu sagen, dass sie viel von uns erwarten, aber auch, dass sie sich vor dem Hintergrund der Globalisierung über ihre eigene Zukunft und die Zukunft Europas Gedanken machen.

Die politische Strategie für das Jahr 2007 soll uns ermöglichen, die richtigen Antworten zu geben. Aber wo kommen wir hin ohne eine interinstitutionelle Vereinbarung und ohne die Finanzielle Vorausschau, über die wir momentan noch nicht verfügen? Wir befinden uns in einer Lage, die ich als totale Heuchelei bezeichnen würde. Wir wollen über wichtige Maßnahmen für die Europäer diskutieren, während der Rat, bei dem unsere Argumente stets nur auf taube Ohren stoßen, praktisch keine Aufstockung des Haushalts vorschlägt. Unser Parlament wird bei der Finanziellen Vorausschau nicht nachgeben. Der Bedarf ist immens: Ausbildung von Jugendlichen, Forschung, Verkehr, Gesundheitsprogramme, Umweltschutz – die vollständige Aufzählung wäre zu umfangreich. Herr Barroso! Sie sagen uns, dass eine Einigung bald möglich sein wird, aber ich habe das Wort ‚anspruchsvoll’ nicht vernommen – eine anspruchsvolle Einigung –, daher bin ich nach wie vor skeptisch.

Sie können sicher sein, dass unser Plenum dynamisch genug ist, um in dem Dialog, der sich zwischen uns entwickelt, seine eigenen politischen Prioritäten für 2007 zu formulieren. Ich stelle übrigens mit Genugtuung fest, dass die Europäische Kommission schließlich einsieht, dass wirtschaftlicher Zusammenhalt, Solidarität und Umweltschutz mit unseren Zielen im Bereich Wachstum und Beschäftigung vereinbar ist.

Sie schlagen vier vorrangige Bereiche vor: Wissen, Unternehmen, insbesondere die KMU, Arbeitsplätze und demografische Alterung und schließlich Energie. Wir müssen tatsächlich im Rahmen der wissensbasierten Gesellschaft Spitzenleistungen erbringen. Wir sehen, was sich in Asien tut, und dürfen nicht untätig bleiben. Die Europäische Union wird es nur dann schaffen, wenn sie der Herausforderung des Wissens gewachsen ist, des Wissens, das in technischen und industriellen Entwicklungen seinen Ausdruck findet. Was die KMU angeht, müssen wir ein wettbewerbsfähiges ordnungspolitisches Umfeld schaffen und unseren Unternehmen helfen, sich auf den internationalen Märkten besser zu positionieren.

Sie wollen auch mit dem Aufräumen überflüssiger europäischer Gesetze weiter machen, jener berühmt-berüchtigten nutzlosen Gesetze, von denen Sie gesprochen haben, die den notwendigen an ihrer Wirkung Abbruch tun. Wir stimmen Ihnen durchaus zu, Herr Barroso, und unser Parlament möchte bei den Beschlüssen über die Vereinfachung aktiv mitwirken. Aber Einfachheit geht mit klarem Ausdruck einher. Sie wollen das Jahr 2007 zu einem wichtigen Jahr im Bereich der Kommunikation ausrufen und ich befürworte Ihr Anliegen. Aber Neologismen waren niemals Bestandteil einer guten Kommunikationsstrategie. Bei der wichtigsten Priorität jedoch, der Beschäftigung, gebrauchen Sie ein barbarisches Wort – ‚Flexicurity’. Was soll das denn heißen? Die Bürger werden angesichts dieses im höchsten Maße technokratischen Ausdrucks die Flucht ergreifen. Da hat sich ja Brüssel wieder etwas Schönes ausgedacht, könnte man zu hören bekommen.

Die grundlegende Frage ist die Energiefrage. Das Jahr 2007 soll bei der Ausrichtung der Energiepolitik eine entscheidende Rolle spielen. Wir müssen objektiv sein, jeglicher Ideologie abschwören, die Kernenergie nicht mehr als Tabuthema ansehen und uns stets bewusst sein, dass unsere Abhängigkeit im Energiebereich niemals 50 % überschreiten darf. Wir haben kürzlich erlebt, dass die Energie zu einer echten Waffe wird, um politischen Druck auszuüben. Und wenn eines Tages ein Staat beschließt, die Energieversorgung abzubrechen und Europa ins Dunkel zu versetzen, wie wollen wir dann reagieren? Folglich gilt es, die Transportverfahren für Energie zu verbessern und vor allem die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten nicht aus dem Blick zu verlieren.

Was den Bereich Sicherheit und Freizügigkeit anbelangt, sind unsere Mitbürger angesichts der Erweiterung des Schengen-Raums voller Sorge. Sie haben den Eindruck, dass unsere Grenzen nach wie vor durchlässig sind und dass sich die entsprechenden Einwanderungsdebatten noch im Stadium der frommen Wünsche befinden. Die EU-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien soll sich im Laufe dieses Jahres entscheiden. Diesbezüglich nehmen wir mit Interesse Ihre Vorbedingung zur Kenntnis, dass nämlich diese Länder den gemeinschaftlichen Besitzstand umfassend erfüllen sollen. Wenn darüber hinaus die Nachbarschaftspolitik eine eigenständige Politik wird, so bedauere ich, dass man bei der Definition der strategischen Partnerschaft nicht weiter geht.

Im Zeitraum 2007-2013 sollen auch zahlreiche neue europäische Programme auf den Weg gebracht werden, wofür wir die Finanzielle Vorausschau benötigen. Die Diskussion im Zusammenhang mit Erasmus ist uns nur zu gut bekannt. Und schließlich verfolgen wir mit besonderer Aufmerksamkeit die Ausarbeitung Ihres Weißbuchs über die Reform des EU-Haushalts und ersuchen Sie, unser Parlament zu den Arbeiten hinzuzuziehen.

Im Jahr 2007 steht der 50. Jahrestag der Verträge von Rom an. Könnte dies nicht zum Anlass genommen werden, um die Europäische Verfassung auf den Weg zu bringen und das Jahr 2007 in allen Mitgliedstaaten zum Europa-Jahr auszurufen, damit endlich der Doppelzüngigkeit ein Ende gesetzt und die Wahrheit darüber gesagt wird, wie sich Europa im täglichen Leben auswirken wird?

 
  
  

VORSITZ: Luigi COCILOVO
Vizepräsident

 
  
MPphoto
 
 

  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man über das strategische Programm der Kommission redet, dann muss man sich auch die Frage stellen: Welche Rolle spielt die Kommission selbst bei der Umsetzung dieser Strategieplanung? Genau dieser Frage will ich mich widmen.

Wir sind uns über den Inhalt dessen, was Sie vorgetragen und schriftlich vorgelegt haben, Herr Kommissionspräsident, weitgehend einig. Eine revidierte Lissabon-Strategie? Klar! Die Rolle Europas in der globalisierten Welt hinsichtlich der Migrationsströme definieren? Okay! Eine zentrale Herausforderung! Die Verbesserung der Energieversorgung Europas, mehr Energieeffizienz, mehr Energiesicherheit? Einigkeit im gesamten Hause! Technologieförderung, Investitionen in die zukünftigen Technologien, um die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas als wissensbasierter Kontinent zu erhalten, ja gar weiterzuentwickeln? Einverstanden! Die innere Sicherheit zu stärken und Europas Rolle in der internationalen Sicherheit zu vertiefen? Einverstanden! Wunderbar! Ganz toll! Wir werden heute noch viele Rednerinnen und Redner hören, die sagen: Genau, das ist es! Da hat er Recht, der Herr Barroso, so müssen wir vorgehen!

Eine entsprechende Finanzielle Vorausschau, das heißt, die notwendigen Mittel, um dies zu erreichen, bekommen wir jedoch nicht. Wir feilschen mit dem Rat – da hat die Kollegin Grossetête Recht – um eine Milliarde rauf oder runter. Der mutige Ansatz, den Sie, Herr Kommissionspräsident, mit Ihren Kommissarinnen und Kommissaren bei der Vorlage Ihrer Finanziellen Vorausschau propagiert haben, ist auf dem Europäischen Rat um 200 Milliarden Euro gekappt worden. Sie haben 1, 022 Billionen Euro für sieben Jahre gefordert, der Rat hat 840 Milliarden Euro beschlossen.

Ich habe mich gefragt, wo hier der strategische Aufschrei von José Manuel Barroso gegen eine solche falsche Finanzpolitik bleibt. Sie haben vor diesem Parlament gesagt: Ich kämpfe für diese strategischen Ziele mit dieser Finanzausstattung. Und Sie haben anschließend vor dem Parlament gesagt: Der Beschluss des Rates ist ein Erfolg. Sie können nicht anders – ich habe Verständnis dafür –, weil Sie nicht mehr Geld bekommen, zumindest nicht, wenn wir nicht noch ein bisschen dafür kämpfen. Denn Sie als Kommissionspräsident müssen auch mit der Unvernunft der Staats- und Regierungschefs leben. Deshalb richte ich meine Kritik gar nicht so sehr an Sie und Ihre Kommission, sondern an den Partner auf der anderen Seite.

Wir werden diese strategischen Ziele nicht erreichen, wenn wir einerseits die Ziele definieren, aber andererseits den handelnden Institutionen die notwendigen Finanzmittel nicht zur Verfügung stellen. Das steht fest! Deshalb sage ich: Die strategischen Ziele der Kommission sind die richtigen, aber Sie müssen sich auch mit den einzelnen Staaten anlegen! Sie müssen als Präsident der Kommission die Dinge beim Namen nennen! Sie müssen mit Ihren Kommissarinnen und Kommissaren in jedem einzelnen Fall hingehen und sagen, dass man nicht propagieren kann: Wir statten Europol mit mehr Macht aus, wir bekämpfen Terrorismus und Kriminalität in effizienterer Art und Weise auf europäischer Ebene – die höchste Zustimmungsrate von Bürgerinnen und Bürgern in Europa zu einem europäischen Thema ist übrigens die gemeinsame Bekämpfung von Kriminalität, mehr innere Sicherheit –, und dann kürzt der Rat die Ansätze um 7,8 Milliarden Euro – übrigens drei Tage, bevor er das zusätzliche Programm für Europol, das sich ja in der Zeitung schön liest, beschlossen hat.

Ihre strategischen Ziele sind die richtigen. Aber die Kommission muss sich mit jenen Staats- und Regierungschefs, mit jenen Ministern und Ministerräten in Konflikt begeben, die nicht bereit sind, montags den Preis für die Reden zu bezahlen, die sie sonntags gehalten haben. Das erwarte ich von der Kommission. Sie können von uns erwarten, dass wir Ihre strategischen Ziele unterstützen – Sie haben die richtigen strategischen Ziele benannt –, aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie in dem Kampf, den wir als Parlament mit den Staats- und Regierungschefs um ein Stückchen mehr Glaubwürdigkeit der Europapolitik führen, auf unserer Seite stehen.

Wenn wir das für 2007 gemeinsam vereinbaren, dann wird das ein spannendes und für die europäischen Institutionen sicherlich erfolgreiches Jahr.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Heute erörtern wir die Prioritäten der Kommission für 2007, doch morgen müssen unsere Staats- und Regierungschefs die Mittel finden und den Mut aufbringen, diese Prioritäten in die Tat umzusetzen.

Vor uns liegt ein Plan für die Zukunft, der vor allem auf Wissen, Unternehmergeist, Beschäftigung und Energie setzt. Mit der Jährlichen Strategieplanung 2007 wird den Vorschlägen von Hampton Court Leben eingehaucht, die Europa zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt machen könnten, wenn die Mitgliedstaaten nur in der Lage wären, die Plattitüden hinter sich zu lassen, die auf der Frühjahrstagung des Rates in Lissabon aufgetischt wurden. Ich habe die im Entwurf vorliegenden Schlussfolgerungen des Rates gesehen. Welch hehre Worte aus schwacher Brust! Europa hat etwas Besseres verdient. Es verdient die gemeinsame Verantwortung, von der Kommissar Barroso gesprochen hat. Daher begrüßen die Liberaldemokraten das Engagement der Europäischen Kommission.

Dieses Dokument verspricht, was bisherige Jährliche Strategieplanungen nicht bieten konnten: praktische Vorschläge für eine Erneuerung Europas durch die Schaffung legaler Einwanderungskanäle und ein gemeinsames europäisches Asylsystem – und in der logischen Folge bessere Grenzkontrollen –, um Europa die Arbeitskräfte und die Sicherheit zu bringen, die es benötigt; durch die beschleunigte Einführung einer europäischen Energiepolitik, die Vollendung des Binnenmarkts für Energie und Gas, Investitionen in saubere Kohletechnologien, die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Sozialschutz und den Erfordernissen der Märkte, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Doch eines hat die Kommission nicht gelernt. Sie ordnet Ressourcennutzung und Umweltschutz unter der Überschrift Solidarität ein. Sie gehören in die Rubrik Wohlstand, denn so lange wir nicht begreifen, dass die Umwelt und ein grünes Wachstum eine Frage des Wohlstands und nicht der Solidarität sind, haben wir nicht die richtige Einstellung zu diesen Fragen. Zusammen mit der Erweiterung des Euro-Währungsgebiets und dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien könnte 2007 für Europa ein erfolgreiches Jahr werden, vor allem dann, wenn wir den Verfassungsprozess wieder anschieben können.

Der Erfolg hängt jedoch von einem Faktor ab, der bisher nicht berücksichtigt wurde und sich auch nicht durch Kommissionsvorschläge ersetzen lässt: ein stärkeres Engagement der Mitgliedstaaten für notwendige Reformen. Wer hat schon Vertrauen in eine Führung, die das eine sagt und das andere tut; die Strategien zunächst zustimmt, dann jedoch einen Rückzieher macht und ihre Umsetzung stört und behindert? Hiermit meine ich nicht nur Angriffe auf die Dienstleistungs- und die Übernahmerichtlinie von Vertretern des Wirtschaftsprotektionismus, es geht mir darum, dass Mitgliedstaaten manchmal nicht in der Lage sind, den Gesamtzusammenhang zu sehen; um die Kurzsichtigkeit, die den Rat dazu veranlasst hat, Vorschläge abzulehnen, den Rückstand in einigen Mitgliedstaaten anzuprangern und eine angemessene Finanzierung der Schwerpunktbereiche der Gemeinschaft zu verweigern. Dies ist auch einer der Gründe, warum die Ziele der letzten Jährlichen Strategieplanung, die Doha-Runde, die Lissabonner Zielsetzungen und die Verfassung voranzubringen, bekanntermaßen im Sande verlaufen sind.

Diese Aufgaben erwarten also die europäischen Staats- und Regierungschefs, wenn sie sich morgen auf der Frühjahrstagung versammeln. Sie müssen zum Wohle Europas eine Koalition der Einheitlichkeit bilden.

 
  
MPphoto
 
 

  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind dabei, eine weitere Strategie, ein weiteres Papier und eine weitere Reihe von Prioritäten zu erörtern; und genauso wie in den anderen Fällen, möchten wir auch hier zwei oder drei Fragen herausstellen – und zwar als Erstes die Einigung über die Finanzielle Vorausschau.

Herr Präsident, Sie wissen genau, dass die Herbeiführung einer Einigung mit dem Rat zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet, dass wir unsere Ziele, und selbstverständlich auch die der Bürger, deutlich zurückfahren müssen. Deshalb fordern wir Sie auf, zwar eine Einigung zustande zu bringen und darauf hinzuarbeiten, jedoch zu unseren Bedingungen, die auch die Ihrigen sein sollten. Ich bin vollkommen einverstanden mit einer Einigung auf die Finanzielle Vorausschau, aber nicht zu den Bedingungen des Rates. Solange wir in dieser Frage nicht auf ein Einvernehmen und ein klares Bündnis mit der Kommission zählen können, bleiben Debatten wie die von heute gewissermaßen bedeutungslos.

Zweitens haben Sie weitere Themen angesprochen, von denen ich insbesondere zwei herausgreifen möchte: eines davon ist die Frage der Einwanderung und der inneren Sicherheit. Sie sagten, die Schwerpunkte hießen Schengen und Kontrollen an den Grenzen, doch haben Sie sich nicht zu einem Punkt geäußert, der gleichwohl in dem Text erwähnt wird: Ich meine einen Aspekt, der für uns im Vordergrund steht, und zwar die Verfahren der legalen Einwanderung. Dieses Element ist zwar in Ihren Texten enthalten, nicht aber in Ihren Taten und Erklärungen! Die Tatsache, dass die Kommission kein Wort – kein einziges – zu den tausend Menschen zu sagen vermag, die zwischen Mauretanien und den Kanarischen Inseln ums Leben kamen, oder dazu, dass mein Land, Italien, immer noch ein Abkommen mit Libyen hat, das nicht bekannt ist, Ihnen sowie diesem Parlament verheimlicht wird und den Tod vieler Menschen in dieser Wüste verursacht hat, bedeutet, dass die Debatte über eine gemeinsame Einwanderungspolitik noch immer inhaltslos ist. Wir würden zu diesem Thema gern einige Worte von Ihnen hören, die allerdings nicht nur eine allgemeine Bemerkung enthalten sollten.

Drittens wäre da die Frage der Energie. Wir haben ein Problem; Sie wissen, dass es Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage gibt und insbesondere, dass unserer Auffassung nach Kernenergie und erneuerbare Energie nicht auf dieselbe Stufe gestellt werden können – das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es auf diesem Kontinent Kernenergie gibt, doch wir können nicht glauben, dass dies eine Energieform der Zukunft für unser Europa sein soll, auch weil wir, was keineswegs belanglos ist, das Uran auf jeden Fall importieren müssen, Sonne und Wind hingegen nicht! Das ist ein wichtiger Aspekt, zumindest unter konzeptionellen Gesichtspunkten betrachtet, und die Kernkraft darf nicht auf dieselbe Stufe gestellt werden! Wir müssen klar und deutlich erkennen, dass wir nicht von der Kernenergie abhängig sein dürfen. Kernkraft deckt heutzutage nur einen Teil unseres Bedarfs und ist gewiss keine Option für die Zukunft.

Zudem klafft bei den Energiefragen noch eine Lücke in der Strategie der Kommission, nämlich ihr Schweigen zur Frage des Verkehrs. 70 % unserer Ölabhängigkeit betreffen den Verkehr. Auch in diesem Parlament ist es uns, zugegebenermaßen, nicht gelungen, wirklich zu einer innovativen Verkehrspolitik beizutragen, doch glaube ich, dass die Kommission uns dabei helfen sollte.

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich auf eine andere Priorität hinweisen, die in diesem Bereich übergangen wurde, und zwar unsere Städte. Die Städte bieten eine Chance nicht nur als eine Art Laboratorium, sondern auch als ein Instrument Europas, und gegenwärtig wird kein ausreichender Gebrauch davon gemacht, weder unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Unterstützung noch dem der großen Strategien. Vielleicht ist es besser, bei den Städten anzusetzen anstatt bei den großen Infrastrukturen, die auf jeden Fall auch nicht mehr von Europa finanziert werden.

 
  
MPphoto
 
 

  Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die wichtigste Frage, die meine Fraktion auf den Tisch gebracht hat, betrifft nicht allein die Politiken, bei denen spezielle Vorkehrungen für 2007 geplant sind, sondern auch die Zweifel, die die breitere strategische Ausrichtung in uns weckt, die dem europäischen Aufbau insgesamt verliehen wird.

Wir können nicht hinnehmen, tagtäglich die heftigen Unruhe und Proteste mitzuerleben, die durch die neuen volksfeindlichen Beschäftigungsgesetze in Frankreich geschürt worden sind; wir sind in jüngster Zeit häufig Zeuge von Reaktionen der Bürger auf verschiedene Richtlinien geworden. Es ist nicht zu akzeptieren, dass die Union ihren Kopf in den Sand steckt und Politikmaßnahmen durchsetzt, die keine Vorteile für die Arbeitnehmer, sondern für die Großunternehmen bringen.

Die Union hält an der Lissabon-Strategie fest, die jetzt, um die Arbeitnehmer abzulenken, angeblich eine „reformierte“ Strategie ist. Ist sie denn inhaltlich reformiert oder verändert worden, seit sie zuerst beschlossen wurde, oder konnte sie die Entwicklung der sozialpolitischen Agenda fördern, die dazu dienen soll, grundlegende soziale Standards, hochwertige Arbeitsplätze und die Vereinbarkeit von beruflichem und privatem Leben zu gewährleisten? Nein.

Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit stehen die Arbeitnehmerrechte tagtäglich unter dem Beschuss des kapitalistischen Europas. Arbeitszeiten werden verlängert, Löhne gekürzt, Tarifverträge abgeschafft, die Arbeitslosigkeit und das Lohngefälle nehmen zu und das Sozialfürsorgesystem wird vollkommen ausradiert. Als Erste trifft es die jungen Menschen, die Menschen, die wir aufrufen – und das ist die Ironie –, ein Europa mit Zukunft aufzubauen.

Zugleich werden Politikmaßnahmen propagiert, die angeblich die Zuwanderung reibungsloser gestalten sollen. Wie kann das sein, wenn ihr Ziel erneut die Kriterien sind, die zur Sicherung der wirtschaftlichen Interessen Europas festgelegt wurden, wenn Einwanderer und Menschen, die internationalen Schutz benötigen, auf europäischem Territorium unter Haftbedingungen festgehalten werden, wo ihr einziges Verbrechen doch das Streben nach einem humanen Leben ist?

Europäische Ressourcen sollten nicht benutzt werden, um Politikmaßnahmen zur Befestigung geschlossener Grenzen, Abschiebungen und Rückführungen zu finanzieren, sondern zur Behebung der tatsächlichen Ursachen von Immigration und zur substanziellen Förderungen der Menschenrechte im Rahmen einer gegenseitig vorteilhaften Nachbarschaftspolitik, weit ab von der Philosophie der Reformen der Welthandelsorganisation und der Weltbank und von der Philosophie der militärischen Intervention.

 
  
MPphoto
 
 

  Guntars Krasts, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Damit die Kluft zwischen den Lissabonner Zielen der Europäischen Union und der Wirklichkeit kleiner wird, benötigen wir ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm der Union für 2007. Die Kommission sollte auf allen Gebieten tätig werden, gleichzeitig aber solche Initiativen zu ihren Prioritäten machen, die nicht nur für einen speziellen Sektor, sondern für die Entwicklung der Europäischen Union insgesamt von Bedeutung sind.

Im Programm der Kommission gehören die Inangriffnahme des Weltraumprogramms sowie die regelmäßige Evaluierung der Strategie zu den wichtigsten Maßnahmen für die Umsetzung der Lissabon-Strategie im Jahre 2007. Ich möchte die Bedeutung dieser Maßnahmen nicht in Frage stellen, bin jedoch der Meinung, dass konkrete Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Entwicklung des Dienstleistungssektors den Prozess von Lissabon stärker befördern würden. Doch solche Maßnahmen waren in der Liste nicht zu finden. Die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen erscheint zwar in der Prioritätenliste, in der Liste der Hauptaktionen wird dieser Priorität aber nicht der ihr gebührende Platz eingeräumt. Gerade die Entwicklung dieses Sektors kann am schnellsten dazu beitragen, die Ziele Beschäftigung und Wachstum zu erreichen. Zwar ist und bleibt die Entwicklung des Dienstleistungssektors in der Kommissionsstrategie für 2007 eines der wichtigsten Instrumente für die Umsetzung der Strategie von Lissabon, doch werden keine konkreten Maßnahmen für seinen Ausbau genannt. Wir hoffen, dass es sich nicht um eine bewusste Entscheidung handelt, die Reform des Dienstleistungssektors nicht in die politische Strategie der Kommission für 2006 aufzunehmen, sondern dass versäumt wurde, die festgelegte Strategie durch operative Maßnahmen zu untersetzen.

Die Annahme der Dienstleistungsrichtlinie im Jahre 2007 wird der Europäischen Kommission den Weg für neue Initiativen in Sektoren ebnen, die für eine Liberalisierung von Dienstleistungen vorgesehen sind. Ein konkreter Schritt in diese Richtung wäre die Schaffung von alleinigen Anlaufstellen.

2007 wird ein entscheidendes Jahr für die Aussprache über die Zukunft der Europäischen Union. Eines der Hauptkriterien, anhand derer die europäischen Bürger die Lebensfähigkeit und die Zukunftschancen der Europäischen Union 2007 beurteilen werden, werden konkrete Ergebnisse der von den Organen der EU – einschließlich der Kommission – eingeleiteten Maßnahmen sein. Diese Spezifik sollte allerdings bereits aus der Festlegung der Prioritäten und Aufgaben erkennbar sein, indem die für 2007 geplanten Maßnahmen nicht nur eine Fortsetzung der bereits begonnenen Arbeit bedeuten, sondern konkrete Ergebnisse anvisiert werden.

 
  
MPphoto
 
 

  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Die Kommission hat ihr klares Versprechen gebrochen, ein vollständiges Jahresprogramm vorzulegen, in dem sämtliche Gesetzesvorschläge und ihre rechtlichen Grundlagen dargelegt werden. Bislang haben wir nur nähere Informationen zu einer kleinen Auswahl der von der Kommission erarbeiteten Gesetze und Verordnungen erhalten. Uns fehlen noch genaue Angaben zu den rechtlichen Grundlagen, so dass wir nicht absehen können, ob die Kommission freiwillige Absprachen oder verbindliche Regeln vorschlägt. Es ist schwierig, strategische Leitlinien im Dunkeln zu diskutieren. Will die Kommission mehr Macht, Zentralismus und unflexible Vorschriften oder möchte sie die Mitgliedstaaten motivieren, im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen an einem Strang zu ziehen und die einzelnen Länder zum gegenseitigen Wettbewerb um die besten Lösungen ermutigen?

Die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie fordert mehr Freiheit für die Mitgliedstaaten und weniger zentralisierte Macht in Brüssel. Die Kommission sollte ehrlich sein. Sagen Sie uns, wer Ihnen in Ihren 3000 geheimen Arbeitsgruppen gute Ratschläge gibt! Zeigen Sie auf, was hinter diesen Empfehlungen steckt! Teilen Sie uns mit, wofür Sie Steuergelder aufwenden! Gewähren Sie den EU-Rechnungsprüfern, dem Bürgerbeauftragten und dem Ausschuss für Haushaltskontrolle des Europäischen Parlaments unbeschränkten Einblick, um alle Ausgaben zu prüfen! Stellen Sie Ihre Post ins Internet, damit wir alle Kontaktanfragen und Anliegen von Lobbyisten beurteilen können! Vertrauen Sie den Menschen! Geben Sie uns die Informationen, die wir brauchen, abgesehen von begründeten Ausnahmefällen, die eine öffentliche Diskussion ausschließen!

Lassen Sie mich auch dem Herrn Präsidenten für das Zitat von Montesquieu danken. Auch er befürwortete die Dreiteilung der Macht, allerdings nicht in der Weise, wie die Kommission Legislative, Exekutive und Judikative vermischt. Mir scheint, Machiavellis Ideen spielten beim Zuschnitt der Machtbereiche der Kommission eine größere Rolle als Montesquieu.

 
  
MPphoto
 
 

  Jan Tadeusz Masiel (NI).(PL) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! 2005 wird den Europäern leider als das Jahr im Gedächtnis bleiben, in dem der Verfassungsvertrag in zwei der Gründerstaaten der EU abgelehnt wurde. Es sollte uns Politikern eine Warnung sein, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht genügend Aufmerksamkeit schenken. Der Europäischen Union ist es noch nicht gelungen, sich nach der jüngsten Erweiterung um 10 neue Mitgliedstaaten in Einheit zusammenzufinden, und dennoch bereitet sie sich bereits auf den späteren Beitritt der Türkei vor.

Das Jahr 2007 könnte ein Jahr sein, in dem wir die Chance haben, ein einheitlicheres Europa zu schaffen, das mehr Solidarität beweist, wenn sich die alten Mitgliedstaaten den neuen Mitgliedstaaten öffnen würden, insbesondere in Bezug auf die Liberalisierung ihrer Arbeitsmärkte. Leider scheint es nur wenige Länder zu geben, die so mutig sind wie Spanien und Portugal, wissen diese Staaten doch aus ihrer eigenen jüngsten Erfahrung, wie schwer es ist, Bürger zweiter Klasse in der Europäischen Union zu sein. Ich schlage vor, dass jede zukünftige Erweiterung der Europäischen Union entweder uneingeschränkt erfolgt oder dass wir die Finger davon lassen. Ich hoffe, dass ich damit auch den Willen der Bürger in den Niederlanden und in Frankreich zum Ausdruck bringe. Es ist noch nicht zu spät, die europäische Einheit zu vertiefen, indem wir für einen Haushalt Sorge tragen, der den Ambitionen Europas gerecht wird.

Das Jahr 2006 hat die Aufmerksamkeit der Europäer auf das Problem der Energieversorgung gelenkt. Mehr denn je braucht Europa heute eine einheitliche Energiepolitik. Hier böte sich eine gute Gelegenheit, die Zukunftsaussichten der Landwirte, vor allem in den neuen Mitgliedstaaten, zu verbessern, denn sie könnten in die Erzeugung von Biokraftstoffen eingebunden werden.

Der weltweite Prozess der Globalisierung ist nicht aufzuhalten. Europa sollte ihn als neue Herausforderung und Entwicklungschance betrachten. Es ist unsere Pflicht, den Entwicklungsländern zu helfen, gleichzeitig müssen wir jedoch auch unser europäisches Sozialmodell verbessern und uns um diejenigen unter unseren Bürgern kümmern, die selbst am wenigsten dazu in der Lage sind.

 
  
MPphoto
 
 

  József Szájer (PPE-DE). – (HU) Herr Präsident! Wie andere Mitglieder meiner Fraktion, die vor mir das Wort ergriffen haben, bereits erwähnten, begrüßen wir das strategische Programm der Kommission für das Jahr 2007, und zwar sowohl was die Verfahrensfragen angeht als auch hinsichtlich der Inhalte.

Was die Verfahrensfragen betrifft, so bin ich erfreut über die Initiative, die bereits im vergangenen Jahr im Zuge der Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde und dafür sorgt, dass das Europäische Parlament und seine Ausschüsse stärker an der Ausarbeitung der jährlichen Strategieplanung und des Gesetzgebungsprogramms beteiligt werden. Ich hoffe, dass die im letzten Jahr aufgetretenen Schwierigkeiten dieses Jahr aus dem Weg geräumt werden.

Auch inhaltlich wurden an der Kommissionsvorlage im Vergleich zu den vergangenen Jahren bedeutende Änderungen vorgenommen, und sie weist in die richtige Richtung. Paradoxerweise könnten wir auch sagen, der Umstand, dass das Dokument aufgrund der fehlenden Finanziellen Vorausschau keine konkreten Haushaltsangaben enthält, hat sich positiv auf den Text ausgewirkt, denn dadurch war eine bessere Konzentration auf die politischen Ziele und Aufgaben möglich, vor denen die Europäische Union steht.

Gleichzeitig sollten wir nicht den Kontext vergessen, in dem dieses Programm erstellt wurde. In den vergangenen Jahren haben wir des Öfteren den Eindruck gehabt, Europa bewege sich nicht vorwärts, sondern rückwärts und unternehme nicht die notwendigen Schritte. Im Laufe des letzten Jahres gelang es uns, einige vorsichtige erste Schritte in die richtige Richtung zu gehen; eine Vielzahl von Projekten ist jedoch nicht abgeschlossen. Werfen wir einmal einen Blick auf diese Vorhaben:

Eines dieser Projekte ist die Verfassung, die nach meinem Dafürhalten so rasch wie möglich zu einem Abschluss gebracht werden sollte. Wenn wir ein Europäisches Parlament voller europaskeptischer Gruppen vermeiden wollen, sollten wir dafür sorgen, dass die Verfassung vor Beginn der Wahlen zum Europäischen Parlament auf den richtigen Weg gebracht wird.

Auch eine Finanzielle Vorausschau fehlt uns bisher. Daher sind die Ziele, die in diesem Sieben-Jahres-Haushalt korrekt formuliert werden, noch nicht fest verankert und entbehren derzeit einer soliden Grundlage. Wir haben diesbezüglich ebenfalls einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, der Haushalt stellt uns im Parlament jedoch zurzeit nicht zufrieden.

Wenn wir über 2007 sprechen, sprechen wir auch über die Erweiterung, denn dann werden höchstwahrscheinlich Rumänien und Bulgarien der Europäischen Union beitreten. Da wir spüren, dass die Spannungen, die im Zusammenhang mit der letzten Erweiterung in der Europäischen Union aufgrund einer schwindenden Solidarität aufgetreten waren, noch immer nicht abgebaut sind, sollten wir das Jahr 2007 mit dem Ziel ansteuern, diese im Zuge der letzten Erweiterung entstandenen Unstimmigkeiten auszuräumen.

 
  
MPphoto
 
 

  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Präsident Barroso! Ich würde Sie ersuchen, dass Sie noch intensiver, als es in dem von Ihnen vorgelegten Papier bereits der Fall ist, darüber nachdenken, wie Sie die Inhalte und die Ziele, die Sie richtigerweise definieren, auch den Bürgerinnen und Bürgern stärker vermitteln können.

Herr Präsident Barroso, Wettbewerbsfähigkeit ist eines Ihrer wichtigen Themen, es ist eines unserer wichtigen Themen! Trotzdem sehe ich viele Bürgerinnen und Bürger, die glauben, das sei ein Thema, das sie nichts angeht, das nur die Wirtschaft, nur die großen Unternehmen etwas angeht. Nein, ohne Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit können wir das soziale System in Europa nicht aufrechterhalten, ohne verstärkte Wettbewerbsfähigkeit können wir das soziale Modell Europa nicht aufrechterhalten.

Ähnlich verhält es sich mit der Bildung. Bildung ist eben nicht etwas, was nur für eine Elite interessant ist. Bildung muss in die breiten Schichten gehen, wenn wir eines der wesentlichen Ziele Europas erreichen wollen, nämlich den Ausschluss von Menschen oder Gruppen zu verhindern. Bildung ist gerade auch wichtig, wenn wir bedenken, dass wir de facto ein Zuwanderungskontinent sind. Für die Integration der neu zugewanderten Bürgerinnen und Bürger ist es ganz wichtig, dass wir den Bildungssektor entsprechend ausbauen.

Was den von Ihnen angesprochenen Globalisierungsfonds betrifft, so ist auch der in der Tat nur finanzierbar, wenn wir auf der anderen Seite auch durch die verstärkte Wettbewerbsfähigkeit es nicht allzu oft darauf ankommen lassen, dass wir diesen Globalisierungsfonds in Anspruch nehmen müssen.

Ein zweites Beispiel, das ich nehmen möchte, weil Sie es in Ihrem Papier sehr stark betonen, ist die Energiepolitik. Ich möchte den nach mir sprechenden Kollegen nicht vorgreifen, aber ein wichtiges Thema, das Sie angeschnitten haben, ist die Sicherheit der Energieversorgung. Ich bin sehr froh, dass Sie kürzlich in Moskau waren und – soweit ich gehört habe – durchaus einige Erfolge mitgebracht haben, wenngleich es vielleicht in mancher Hinsicht noch an Russland liegt, Entscheidungen zu treffen, gerade was die Energiecharta betrifft.

Ich habe zuletzt auch gehört, dass Sie gemeint haben, wir müssten auch über Atomenergie sprechen. Sie haben Recht, und ich bin sehr froh, dass das für Energie zuständige Kommissionsmitglied jetzt kommt. Obwohl ich gegenüber der Atomenergie skeptisch bin, muss man doch darüber reden, auch über die damit verbundenen Risiken. Wenn wir gerade in diesen Tagen auch im Zusammenhang mit dem Iran die Frage der Weiterverbreitung diskutieren, dann bedeutet mehr Atomenergie auch mehr Gefahren, wenn wir nicht gemeinsam multilateral dafür Sorge tragen, dass die damit verbundenen Risiken möglichst minimiert werden.

Ich meine, dass man gerade zu diesem Thema mehr sagen müsste, sowohl von Ihrer Seite als auch im Rahmen des Grünbuchs. Das trifft insbesondere auch für den Ausbau der Infrastruktur zu. Denn ohne vermehrte Infrastruktur – gerade auch was Pipelineverbindungen betrifft, aber auch in anderen Bereichen – werden wir diesem Kontinent weder die Energiesicherheit geben können noch Europa den entsprechenden neuen Technologieschub verschaffen. In diesem Sinne: volle Unterstützung. Aber ich wünsche Ihnen noch mehr Kraft und Mut, diese Entscheidungen umzusetzen.

Sie haben Montesquieu erwähnt, jemand anders hat sich Machiavelli gewünscht. Ich wünsche Ihnen die Weisheit eines Montesquieu, aber auch die Kraft und die Gefinkeltheit eines Machiavelli, um Ihr Programm durchzubringen.

 
  
MPphoto
 
 

  Andrew Duff (ALDE).(EN) Herr Präsident! Das von Herrn Barroso genannte Montesquieu-Zitat hat mich dazu veranlasst, in der Jährlichen Strategieplanung nach einem Anhaltspunkt dafür zu suchen, wie die Kommission mit der Verfassung verfahren will. Es gibt keine Anhaltspunkte. Eine Strategieplanung, die keine Maßnahmen gegen den wichtigsten politischen Stillstand in der Union beinhaltet, sollte eher kritisch gesehen werden. Ohne die Verfassung wird die Union nicht in der Lage sein, die Pläne, die die Kommission für sie hat, zu verwirklichen. Die Öffentlichkeit wird dem europäischen Einigungswerk nach wie vor skeptisch gegenüberstehen, und ohne öffentliche Unterstützung wird die Kommission im Rat nicht über den erforderlichen Einfluss verfügen.

Die klassische Rolle der Kommission bestünde darin, in einer Krise zwischen den verfeindeten Parteien ein Abkommen auszuhandeln. Ich hoffe, dass Herr Barroso bei seiner Rede vor dem Parlamentarischen Forum am 9. Mai eine umfassende Kommissionsstrategie vorlegt, die uns den Weg aus dieser Krise weisen kann. Denn so gut Plan D auch sein mag, der beste Weg, das Vertrauen durch Handeln zu stärken, besteht darin, die Verfassung zu retten. Vielleicht wäre es jetzt höchste Zeit für Plan B.

 
  
MPphoto
 
 

  Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident! Herrn Barrosos Absichten sind gewiss gut, aber ich befürchte, Sie werden sie nicht verwirklichen können, eben weil Ihnen das Geld fehlt. Da besteht überhaupt keine Möglichkeit, und Ihre Politik ist auch keine Politik, die Europa blühen lassen wird. Es gibt nicht einen, nicht einen einzigen europäischen Bürger, der dieses Jahr finanziell besser dastehen wird, als letztes Jahr. Betriebe verlassen Europa, um sich in anderen Ländern anzusiedeln. Frauen kaufen Handtaschen mit französischen Markenzeichen, die jedoch in Marokko hergestellt worden sind. Ihre Lederjacke ist von einem europäischen Designer, gefertigt wurde sie aber in der Türkei. Was bedeutet das? Es bedeutet höhere Arbeitslosigkeit. Es bedeutet mehr Entlassungen. Es bedeutet, dass wir alle Geiseln der Industrie werden, die Politik oktroyiert wie die in Frankreich, eine Politik, die Sie nicht zurückgewiesen haben. Das bedeutet demnach ein schlechteres Leben. Es bedeutet höhere Preise. Nichts von alledem, was Sie im Sinn haben, kann kreativ sein, wenn wir uns nicht aus dem Klammergriff der Maastricht-Indikatoren befreien. Wenn wir Maastricht nicht revidieren, dann wird Europa eine schlechte Gegend.

 
  
MPphoto
 
 

  Hans-Peter Martin (NI).(PT) Ich mag Portugal und die Portugiesen.

Herr Präsident! Herr Kommissar, lassen Sie bitte zu, dass ich Ihnen einen sehr tief empfundenen Rat gebe, der gar keinen doppelten Boden hat. Die Geschichte bietet Ihnen ab Mai 2007 mit der dann ja wohl portugiesischen Ratspräsidentschaft noch einmal ein historisch geöffnetes Fenster für das europäische Projekt.

Ja, es geht um Plan B des Herrn Duff und um noch viel mehr. Sie haben noch einmal die Chance, dieses europäische Dingsda, das wir vor uns haben, in einer sinnvollen Form zusammenzufügen. Das ist das ganz große Ding. Das können Sie stemmen und damit in die Geschichte eingehen, aber Sie können auch komplett scheitern. Aber schauen Sie sich bitte jetzt an, was an Debattenbeiträgen zur Frage der Verfassung und der Positionierung der EU wirklich kommt. Versuchen Sie, aus den alten Denkschemata, die uns in diese ganzen Probleme hineingeführt haben, herauszukommen. Schauen Sie über den weiten Ozean! Denken Sie ein bisschen mit Vasco da Gama – und da spreche ich nicht nur von Chindia – und fügen Sie das dann so zusammen, damit wir diese historische Chance, die es noch einmal geben wird, bevor das europäische Projekt einfach „Blubb“ macht oder implodiert, auch wirklich nutzen.

Ich bin neugierig auf das, was Sie uns dann ab Mai 2007 sagen können. Sie sollten auch schon jetzt sagen, dass Sie dann etwas zu sagen haben werden, weil es sonst der alte Trick ist, mit dem gearbeitet wird, und der wird ganz sicherlich zum Scheitern führen.

 
  
MPphoto
 
 

  Malcolm Harbour (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! In meiner Wortmeldung zur Strategieplanung der Kommission am Ende des vergangenen Jahres habe ich gesagt, dass es dieser Strategie an Schwerpunkten fehle. Das hervorragende neue Dokument enthält 62 Prioritäten. Außerdem stelle ich fest, dass wir von „Jetzt aufs Tempo drücken“ zu „Durch Handeln das Vertrauen stärken“ übergegangen sind. Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Wallström noch anwesend ist, und ich weiß auch nicht, ob sie sich diese wunderbaren Formulierungen ausgedacht hat, doch Tatsache ist, dass wir einen strukturierteren und praktischeren strategischen Ansatz als diese abgedroschenen Werbephrasen von der Kommission erwarten.

Zudem vernehme ich hier, Herr Barroso, dass Sie bei der Realisierung Ihrer Ziele das notwendige Tempo erreichen wollen! Das heißt doch, dass wir uns derzeit offen gesagt nur im Schritttempo fortbewegen. Die Kommission soll wirklich durchstarten und nicht nur so dahinschippern. Das Problem im Zusammenhang mit ihrer Strategie besteht nicht darin, dass es uns an neuen Ideen oder an neuen Initiativen fehlt, sondern dass wir es nicht schaffen, die Strategien umzusetzen, mit denen wir zu Beschäftigung und Wachstum beitragen könnten, was Ihnen doch so am Herzen liegt. Wo gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Sie sich tatsächlich um Ressourcen und Schwerpunkte bemühen, um die Probleme des Binnenmarktes zu lösen? Es gibt einen kleinen Absatz darüber, dass Sie das Regelungskonzept rationalisieren wollen; das ist großartig, doch wo finde ich dies in ihren vorrangigen Maßnahmen wieder?

Sie haben eine hervorragende Formulierung gewählt – zu der ich Ihnen gratuliere –, dass wir für kleine Unternehmen den roten Teppich ausrollen müssen. Doch es gibt nicht eine einzige vorrangige Maßnahme, Herr Präsident Barroso, in der kleine Unternehmen Berücksichtigung finden. Diese Aussprache ist daher zu begrüßen, aber wir benötigen besseres Material; wir brauchen ein Dokument, das sich mehr auf eine tatsächliche Strategie und auf den Einsatz der Ressourcen als auf diese Werbephrasen konzentriert, die Ihnen Frau Wallström in den Mund zu legen scheint. Es muss wirklich klar gesagt werden, dass Ihr Schwerpunkt darin besteht, die erforderlichen Grundlagen für die Europäische Union zu schaffen und die Funktionsweise des Binnenmarktes zu verbessern, wir wollen nicht nur eine Sammlung undurchdachter Prioritäten, die auf dem Papier zwar gut aussehen, doch von denen keiner weiß, ob sie sich wirklich in die Praxis umsetzen lassen.

 
  
MPphoto
 
 

  Libor Rouček (PSE).(CS) Sehr verehrte Damen und Herren! Heute möchte ich mich auf einige Prioritäten der EU für das Jahr 2007 im Hinblick auf die EU-Erweiterung konzentrieren. Die Erweiterungsrunde 2004 war rückblickend aus politischer, sicherheitsrelevanter, wirtschaftlicher und sozialer Sicht ein großer Erfolg für Europa und ich bin mir sicher, dass wir 2007 eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte erleben werden. Im Jahr 2007 sollen die ersten neuen Mitgliedstaaten dem Eurogebiet beitreten. Diesbezüglich möchte ich die Kommission auffordern, den betreffenden Ländern aktiv zu helfen, sich auf die Einführung des Euro vorzubereiten und die Einhaltung der Beitrittskriterien, die so genannten Maastricht-Kriterien, streng zu überwachen. Ich bin davon überzeugt, dass die Einhaltung der Kriterien – ob der von Maastricht oder der des Stabilitäts- und Wachstumspakts – entscheidend für die Wahrung der politischen und finanziellen Glaubwürdigkeit der einheitlichen europäischen Währung ist.

Die neuen Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas werden 2007 auch Teil des erweiterten Schengen-Raumes. Die Abschaffung von Grenzkontrollen an den Innengrenzen der Mitgliedstaaten ermöglicht wirkliche Freizügigkeit innerhalb der Union. Sie sollte jedoch unter keinen Umständen den freien Verkehr von Kriminalität, illegaler Migration usw. befördern. Der Kampf gegen Verbrechen und Gewalt in Europa sollte gemeinsam mit dem Start der zweiten Generation des Schengensystems meiner Ansicht nach Teil der klaren, praktischen Prioritäten der EU für 2007 sein.

Schließlich soll 2007 mit dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien auch das Jahr der nächsten Erweiterungsphase werden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Kommission aufrufen, die beiden Länder bei den Beitrittsvorbereitungen zu unterstützen und zu gewährleisten, dass diese die Beitrittskriterien in jeder Hinsicht erfüllen. Rumänien und Bulgarien müssen auf den Beitritt so gut vorbereitet sein wie die zehn Beitrittsländer des Jahres 2004. Nach meinem Dafürhalten ist dies ausgesprochen wichtig für die Glaubwürdigkeit künftiger Erweiterungsrunden und die Akzeptanz dieses Prozesses seitens der europäischen Öffentlichkeit.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Ich möchte den Damen und Herren Abgeordneten mitteilen, dass Kommissionspräsident Barroso die Sitzung verlassen muss und deshalb gebeten hat, seine Rede vorzuziehen, um einige Fragen beantworten und einiges klarstellen zu können. Ich erteile ihm daher jetzt das Wort, und anschließend werden wir sofort mit der Aussprache fortfahren.

 
  
MPphoto
 
 

  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Leider muss ich die Sitzung in Kürze verlassen, da ich eine offizielle Verpflichtung gegenüber den belgischen Behörden zu erfüllen habe. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich nach dem ersten Teil der Debatte im Plenum die Sitzung bis zum Beginn dieses Tagesordnungspunkts so lange hinziehen würde. In jedem Falle wird die Kommission bis zum Ende der Aussprache anwesend sein. Ich werde noch die Möglichkeit haben, auf einige der aufgeworfenen Fragen zu antworten.

Zunächst möchte ich mich für die Bemerkungen bedanken, die im Allgemeinen unser Programm befürworteten. Eine grundlegende Frage betrifft offenkundig die Finanzielle Vorausschau, auf die ich gleich noch eingehen werde. Generell wurden jedoch, wie ich wohl sagen kann, die Ziele der Kommission für das Jahr 2007 positiv aufgenommen.

Ganz konkret hat Herr Watson gefragt, weshalb wir die mit der Erhaltung der Energie und dem Umweltschutz verbundenen Ziele in das Solidaritäts- und nicht das Wohlstands-Kapitel aufnehmen. Selbstverständlich könnten und müssten sie im Kapitel Wohlstand stehen, wir haben sie aber in das Kapitel Solidarität aufgenommen, um ihre enorme Bedeutung zu unterstreichen, denn der Begriff „Solidarität“ bezieht sich auf die Solidarität mit den zukünftigen Generationen. Der Kampf für eine saubere Umwelt und für eine nachhaltige Entwicklung ist von unmittelbarer Relevanz für unsere gesamte Zukunft. Das war der Grund, weshalb wir, was die Präsentation anbelangt, die Fragen der Umwelt in das Kapitel Solidarität einbezogen haben.

In Bezug auf die Einwanderung sagte Frau Frassoni, wir hätten uns nie zur Frage der illegalen Einwanderung und zu der Tragödie der zahlreichen Afrikaner geäußert, die im Mittelmeer zu Tode kommen. Es tut mir Leid, aber das stimmt nicht. Es gab mehrere eindeutige Stellungnahmen der Kommission in dieser Frage, die von Herrn Frattini zum Ausdruck gebracht wurden, und tatsächlich sind wir darum bemüht, möglichst zu einem gemeinsamen Ansatz der Mitgliedstaaten in diesen Fragen zu gelangen.

Eine weitere Frage von Frau Frassoni betraf die Nichterwähnung des Verkehrs im Rahmen der Energiepolitik. Entschuldigen Sie bitte, aber auf Seite 11 der englischen Fassung des Grünbuchs steht, dass wir den Mitgliedstaaten die folgenden möglichen Maßnahmen vorgeschlagen haben, und ich zitiere:

(EN) „a major effort to improve energy efficiency in the transport sector, and in particular to improve rapidly urban public transport in Europe’s major cities“

(PT) Natürlich ist es nur ein Grünbuch, das Konsultationszwecken dient, aber diese Linie ist darin enthalten. Wir halten den Verkehrssektor im Hinblick auf die Energieeffizienz für entscheidend. Ich möchte, dass diesbezüglich keinerlei Zweifel bestehen.

Einer der Abgeordneten sprach die Öffnung der Arbeitsmärkte in Europa an. Sie wissen dass die Kommission dafür ist. Im Gefolge unseres Berichts haben mehrere Mitgliedstaaten – nicht nur die von mir erwähnten, nämlich Portugal und Spanien, sondern auch Finnland und die Regierung der Niederlande – ihre Absicht erklärt, die Liberalisierung der Arbeitsmärkte in Europa beizeiten zu fördern. Dies ist außerdem der Fall im Vereinigten Königreich, in Irland und Schweden. Meines Wissens erwägen auch andere Länder eine Erleichterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern innerhalb der EU.

Herr Swoboda hat gefragt, wie dies unseren Bürgern besser erklärt werden kann, mit anderen Worten, was wir tun können, um den zusätzlichen Gewinn für Europa zu erläutern, was eine sehr wichtige Frage ist. In manchen Fällen ist dies leichter als in anderen. Heute haben wir tatsächlich eine äußerst wichtige Maßnahme angekündigt, die „Schwarze Liste“ im Bereich der Sicherheit des Flugverkehrs, die die erste der von dieser Kommission mit Unterstützung des Parlaments und des Rates angenommene Rechtsvorschrift darstellt. Dies ist ein Thema, bei dem die Vorteile eines Vorgehens auf Gemeinschaftsebene für die Bürger völlig klar sind. In solchen Fragen müssen wir zusätzliche Aufklärungs- und Argumentationsarbeit leisten. Das ist in der Tat Aufgabe der Kommission, doch lassen Sie mich hinzufügen, dass wir alle eine Verantwortung dafür tragen: auch das Parlament, die Damen und Herren Abgeordneten, die nationalen Parlamente, alle jene, denen Europas Interessen am Herzen liegen und die spüren, dass es notwendig ist, zu erklären, welchen Mehrwert Europa bringt.

Was die Frage der Kernenergie betrifft, Herr Swoboda, so ist unsere Position eindeutig: Wir respektieren das Subsidiaritätsprinzip. Es handelt sich um eine schwierige Frage in Europa; einige Mitgliedstaaten sind dafür, andere dagegen. Der richtige Weg ist meines Erachtens, dieser Debatte nicht auszuweichen. Herr Swoboda hat mein Treffen mit Präsident Putin erwähnt. Lassen Sie mich sagen, dass trotz der riesigen Naturreichtümer Russlands an Erdöl und Erdgas Präsident Putin die Entwicklung der Kernenergie als eine der wichtigsten Prioritäten Russlands in der Zukunft nannte. Es ist also eine Frage, der wir uns nicht entziehen können; eine Frage, die auf der Tagesordnung steht und die ehrlich diskutiert werden muss. In der Debatte über die Kernenergie ergreift die Kommission nicht Partei. Wir sind für den Grundsatz, dass jeder Mitgliedstaat in seinem Energiemix Formen einer langfristigen, nachhaltigen Energie findet und dabei die Achtung des Subsidiaritätsprinzips sicherstellt.

Herr Duff und andere haben die Frage der Verfassung aufgeworfen. Dieses Thema steht heute und hier nicht zur Diskussion, doch möchte ich bestätigen, dass die Kommission nach wie vor die Grundsätze und die Werte verficht, die im Entwurf des Verfassungsvertrags festgeschrieben sind, und daran arbeiten wir. Auf dem Europäischen Rat im Juni werden wir einige Vorstellungen zur Zukunft der europäischen Debatte unterbreiten. Ich hoffe, dass diese Ideen einen nützlichen Beitrag leisten werden. Auch wenn der Verfassungsvertrag, wie schon der Name sagt, einen zwischenstaatlichen Vertrag darstellt, ist die Kommission zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet und mithin bestrebt, ihren eigenen Teil zu dieser Denkpause beizutragen.

Ich weiß nicht, ob dies ein ebenso ehrgeiziger Beitrag sein wird wie die Entdeckungsfahrten von Vasco da Gama, wie Herr Martin meinte, auf jeden Fall aber wird es unser Beitrag sein. Ich habe mich jedenfalls gefreut, dass in unserer Aussprache Montesquieu, Machiavelli und Vasco da Gama erwähnt wurden, was zeigt, dass die Debatte im Europäischen Parlament ein immer höheres Niveau erreicht.

(EN) Ich möchte nun auf Englisch fortfahren – wenn es um Geld geht, spreche ich immer Englisch! Ich habe mich im Verlauf des britischen Vorsitzes daran gewöhnt. Nun also einige Anmerkungen in Englisch zur Finanziellen Vorausschau.

Meines Wissens wurde gestern zwischen den Institutionen ein Durchbruch erzielt. Auf der Grundlage von Kompromisstexten der Kommission fand gestern Nachmittag ein dritter Trilog mit dem österreichischen Vorsitz, dem Verhandlungsteam des Parlaments und der Kommission statt. Unserer Ansicht nach war das Ergebnis dieser Zusammenkunft im Großen und Ganzen positiv. Über die Interinstitutionelle Vereinbarung herrscht nahezu völliges Einvernehmen, wie auch über die Möglichkeit, einen neuen Teil 3 zur Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung aufzunehmen.

Vorbehaltlich technischer Prüfungen wurde eine Einigung über Dokumente zu wichtigen Fragen wie der Haushaltsordnung, der Zertifizierung durch die Mitgliedstaaten und der Revisionsklausel erzielt. Wenn ich „Einigung“ sage, dann spreche ich von einer Einigung zwischen den Delegationen. Es handelt sich um Einigungen ad referendum. Alle diese Aspekte standen auch im Mittelpunkt zahlreicher Entschließungen, die das Parlament angenommen hat. Es freut mich, dass die drei Institutionen einen Konsens erzielen konnten, und ich bin stolz auf den Beitrag, den die Kommission zu dieser Einigung leisten konnte.

Was die Zahlen anbelangt, haben Parlament und Rat ihre Standpunkte und Bewertungen unter Berücksichtigung der auf der Europäischen Ratstagung vom Dezember festgelegten Obergrenzen formuliert. Wir wollen ehrlich sein. Nach wie vor besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den Vorschlägen des Parlaments und denen des Rates. Darauf möchte ich in aller Deutlichkeit hinweisen. Die Kommission setzt sich für eine höchstmögliche ehrgeizige Einigung ein. Doch wir müssen uns einfach fragen, wie weit ist der Rat bereit zu gehen? Meine Forderung lautet daher, so schnell wie möglich einen Kompromiss zu erzielen. Wenn es keinen Kompromiss gibt, wird dies für uns alle in der Europäischen Union, insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten und diejenigen Mitgliedstaaten und Regionen, die wirklich unserer Solidarität bedürfen, um sich zu entwickeln, negative Folgen haben.

Die Lösung könnte darin bestehen, eine geeignete Kombination aus drei Elementen zu finden: Flexibilität, Möglichkeiten der Mobilisierung von Mitteln aus den einzelnen Flexiblitätsmechanismen und schließlich Obergrenzen.

Ich sehe Licht am Ende des Tunnels! Ein abschließender Trilog ist für den 4. oder 5. April 2006 in Straßburg vorgesehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf dieser Zusammenkunft eine Einigung erzielen können. In der Zwischenzeit wird sich die Kommission weiterhin unermüdlich um die ehrgeizigste Position bemühen, doch letztendlich brauchen wir Ehrgeiz und eine Einigung. Ich befürworte also Ehrgeiz, doch er muss mit Realismus und Verantwortlichkeit gepaart sein, und alle Institutionen müssen an einem Strang ziehen.

Mir ist bekannt, dass sich der österreichische Ratsvorsitz unentwegt für eine Einigung mit allen Mitgliedstaaten einsetzt. Ich muss Ihnen sagen, dass ich die Regierungschefs bei unseren zahlreichen Zusammenkünften – und in dieser Woche hatte ich gleich mehrere – sowohl öffentlich als auch privat aufgefordert habe, einer Erhöhung der Gesamtausgaben zuzustimmen. Ich habe vor allem auf die Erfordernisse in den Bereichen Bildung und Kultur verwiesen, namentlich auf das Erasmus- und das Bürgerschaftsprogramm. Zumindest hier sollten wir grundlegende Anstrengungen unternehmen und können gewisse Fortschritte erzielen. Wir wollen uns gemeinsam um eine gute Einigung und anschließend, wenn unsere Absichten gut sind, um eine gute Strategie und gute politische Maßnahmen bemühen. Hoffen wir, dass wir mit Blick auf die Finanzielle Vorausschau auch über gute Instrumente verfügen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Bronisław Geremek (ALDE).(PL) Herr Präsident! Es ist sehr wichtig, dass dem Parlament die Gelegenheit gegeben wird, eine Aussprache über die Strategie zu führen. 2007 wird ein bedeutsames Jahr für die Zukunft der Europäischen Union sein. Damit eine strategische Debatte im Parlament stattfinden kann, muss das Haus Entscheidungsmöglichkeiten haben. Der Präsident der Kommission hat die der Kommission offen stehenden Entscheidungsmöglichkeiten nicht erläutert, obwohl Politik die Kunst ist, die richtige Wahl zu treffen.

An erster Stelle steht die Frage der Verfassung. Meint die Europäische Kommission, dass die Verfassung 2007 angenommen wird, und verfügt sie über die für die Erreichung dieses Ziels erforderlichen Möglichkeiten und Methoden?

Zweitens geht es um das wichtige Thema Beschäftigung. Besteht die Antwort auf Arbeitslosigkeit in Wirtschaftswachstum und Vertrauen auf wirtschaftliche Freiheit und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer? Wenn das nicht der Fall ist, warum kehren wir dann nicht zu Colbert und zum Wirtschaftsprotektionismus zurück, der einmal als Wirtschaftspatriotismus bezeichnet wurde?

Drittens: Die Lissabon-Strategie stellt ein Schlüsselproblem für die Zukunft der Europäischen Union dar. Die ganze Angelegenheit wurde auf ein Wortgeklingel reduziert, denn wir behaupten zwar einerseits, die Zukunft der Europäischen Union hänge von der Lissabon-Strategie ab, doch wenn es andererseits um Entscheidungen über den Haushalt und Haushaltskürzungen geht, werden die ersten Einschnitte an der wissenschaftlichen Forschung und am Bildungssystem vorgenommen. Die Europäische Union hat die Fähigkeit, Europa zu einem Standort für Innovationen und zu einem globalen Partner zu machen, doch dazu bedarf es einer Strategie.

Nach meiner Überzeugung ist die heutige Aussprache ein Beleg für die Bedeutung des Parlaments, und es wäre gut, wenn alle anderen europäischen Institutionen das Parlament ernst nehmen würden.

 
  
MPphoto
 
 

  Jeffrey Titford (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Ich habe alle 15 Seiten dieses langweiligen Dokuments gelesen, das meines Erachtens eher ein Bericht über die Vergangenheit als ein Dokument für die Zukunft ist. Dabei fällt mir eine Formulierung ein, die häufig unter Schulaufsätzen zu lesen ist: „befriedigend“. Wenn Sie tatsächlich davon träumen, die Einstellung der Menschen in der Europäischen Union zu ändern, dann können Sie nicht nur „befriedigend“ handeln.

Wir werden mit Begriffen wie „strategische Zielsetzungen“, „Strategieplanung“, „neue Leitlinien“, „wirksame Kommunikation“ und „echter Dialog“ traktiert. Uns wird versprochen, dass mehr Mittel für die Regional-, Kohäsions-, Sozial-, Globalisierungs-, Fischereifonds usw. veranschlagt werden – und all dies, um das Vertrauen und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen. Doch wo bleiben Worte wie „Freiheit“, „Entscheidung“ und „das Individuum“? Das erinnert an „1984“ von George Orwell – nur dass er sich im Jahr geirrt hat, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird es die absolute Kontrolle über das Individuum geben.

Bei Referenden zur EU oder auch nur bei den Wahlen werden die wahren Gefühle der Menschen zeigen, dass die meisten zu diesem bürokratischen Alptraum „Nein“ sagen wollen.

 
  
MPphoto
 
 

  John Bowis (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Es tut mir Leid, dass Herr Barroso von der belgischen Polizei aus dem Saal gebeten wurde. Ich bin mir sicher, dass er in Zukunft bis zum Ende unserer Aussprachen bleiben kann, wenn er sein Auto ordnungsgemäß parkt, doch unsere Botschaft wird ihm ohne Zweifel übermittelt werden.

Ich begrüße den Titel dieses Dokuments „Durch Handeln das Vertrauen stärken“. Manchmal lässt sich Vertrauen durch Handeln stärken, manchmal aber auch dadurch, dass man nicht handelt. Manchmal geschieht es dadurch, dass Maßnahmen zurückgezogen werden, oder durch die so genannten Sunset-Klauseln, durch Überprüfungen, und niemals darf das Kleingedruckte in den Vorschlägen außer Acht gelassen werden. Mit albernen Vorfällen wie dem im Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit Kirchenorgeln in dieser Woche tragen wir nicht zum Vertrauen unserer Wähler bei, auch nicht durch die Absicht der Europäischen Union, die Reparatur und den Bau von Kirchenorgeln aufgrund ihres Bleigehalts im Rahmen der Altgeräte-Richtlinie zu untersagen. Das ist schwachsinnig, und wenn wirklich diese Gefahr bestehen sollte, dann hoffe ich, dass es sofort einen Anruf aus dem Vatikan geben wird, dass sich der Petersdom einen solchen Unsinn nicht gefallen lässt. Dies ist jedoch das Kleingedruckte.

Ich denke, wir sollten wieder den Kontakt zu unseren Wählern herstellen, das Ziel unseres europäischen Einigungswerks neu ausrichten und dies auch der Öffentlichkeit übermitteln. Ein Beispiel dafür ist die nun anschließende Aussprache über Energieversorgung, indem wir zeigen, dass wir uns allen eventuellen Gefahren solidarisch stellen.

Montesquieu wurde zitiert. Dumas hat geschrieben „einer für alle, alle für einen“: Wir benötigen ein europäisches Energienetz, das jedem Versuch, einzelne Mitgliedstaaten herauszunehmen, standhält. Zudem sind Maßnahmen im Gesundheitsbereich erforderlich, um sicherzustellen, dass wir uns gemeinsam auf eine Grippepandemie vorbereiten können. Wir müssen den österreichischen Vorschlag für ein Diabetesprogramm aufgreifen; wir müssen den Kommissionsvorschlag zur psychischen Gesundheit weiterentwickeln. Frau Wallström wird mir zustimmen, dass wir die Öffentlichkeit nach besten Kräften davon überzeugen müssen, dass wir beispielsweise bei Chemikalien, Umweltverschmutzung oder Ökozertifizierung und in anderen Bereichen, die den Menschen am Herzen liegen, wirksame Maßnahmen ergreifen können. Sie würden dies als Mehrwert durch die Gemeinschaft betrachten, und dann würden wir nicht mit denselben Problemen konfrontiert sein, vor denen einige unserer Mitgliedstaaten vor nicht allzu langer Zeit bei den Referenden standen.

 
  
MPphoto
 
 

  Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Aufgrund der Erfahrungen meines Heimatlandes mit Reformen kann ich nur eines mit Gewissheit sagen: Wirtschaftliche und politische Programme können nur dann verwirklicht werden, wenn die bestehenden Institutionen reformiert werden. Es ist mir ziemlich unverständlich, weshalb die Europäische Kommission, deren erklärtes Ziel es ist, die Regulierung zu vereinfachen, ihre eigenen Strukturen nicht verändert und die Arbeit ihrer Organe, die ja diese komplizierten Dokumente erstellen, nicht neu organisiert. Das ist einfach unbegreiflich und inkonsequent. Ich möchte ein simples Beispiel anführen: Unlängst stattete eine Delegation litauischer Dozenten der Kommission einen Besuch ab. Sie gingen zu verschiedenen Direktionen in der Hoffnung, etwas über die Arbeit einer Direktion zu erfahren. Sie erhielten überall die gleichen Informationen. Und das Kommissionsmitglied, das in unseren Haushaltsausschuss kam, erklärte sogar, dass nicht alle Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit und Informationskampagnen ausgeschöpft werden. Aber alles wird doppelt gemacht. Die litauischen Dozenten waren darüber ziemlich erstaunt. Wir müssen die Reform der Arbeit der Europäischen Kommission unbedingt in Angriff nehmen. Das Europäische Parlament zeigt zumindest eine gewisse Initiative und will seine Arbeit reformieren, damit wir unsere ehrgeizigen Ziele verwirklichen können. Ich bedauere immer wieder, dass wir die Erfahrungen der neuen Länder nicht nutzen. Wir, das heißt die neuen Länder, haben wirklich erkannt, dass wir zuerst unsere Institutionen reformieren müssen. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission möglichst bald ein Programm für die Reformierung ihrer Arbeitsstrukturen vorstellen wird.

 
  
  

VORSITZ: JANUSZ ONYSZKIEWICZ
Vizepräsident

 
  
MPphoto
 
 

  Alexander Stubb (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte drei Anmerkungen machen.

Erstens übernehme ich die Rolle des guten Polizisten, im Gegensatz zu Malcolm Harbour, der den bösen Polizisten spielt. Diese Strategie ist meines Erachtens gar nicht so schlecht. Die Kommission legt dieses Dokument zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt vor, da eine nationalistische und protektionistische Stimmung herrscht. Im Übrigen gibt es in dieser Strategie im Vergleich zu vielen anderen, die Sie bisher vorgelegt haben, Herr Barroso – ich würde sie „nato“ nennen: no action talk only – ziemlich viel Action.

Ich stimme jedoch mit Herrn Harbour überein, dass Sie sich vielleicht einen anderen Titel überlegen sollten. Sie haben dieses Dokument – nicht unbedingt besonders passend – „Durch Handeln das Vertrauen stärken“ betitelt. Vielleicht sollten Sie sich von einer Werbeagentur beraten lassen, bevor Sie die nächste Marke herausbringen. Es ist zwar hart, aber das wird nicht ausreichen.

Zweitens stimme ich mit dem Schwerpunkt Kommunikation überein. Frau Wallström, Sie übernehmen dabei natürlich eine besonders wichtige Rolle. Es gibt kein Demokratie- und auch kein Informationsdefizit – davon gibt es beinahe schon zu viel –, doch ein Kommunikationsdefizit besteht in der Tat. Ihr Dokument zur Kommunikation in Europa ist ausgesprochen gut. Wir haben große Probleme: John Bowis hat vor einigen Minuten das Thema Kirchenorgeln erwähnt, und wir wissen natürlich, dass dies völliger Blödsinn ist. Wenn jedoch angesehene Zeitungen wie der „Independent“ Schlagzeilen bringen wie „EU verlangt die Wiederverwertung von Dildos“, dann haben wir ein Problem. Dabei ging es um eine Richtlinie über Elektrogeräte: Wenn Sie das Gerät zurück in den Laden bringen, dann muss es recycled werden. Doch genau diese Form der Kommunikation muss der Vergangenheit angehören.

Abschließend möchte ich anmerken, dass die EU oft als Sündenbock herhalten muss. Alles Schlechte kommt von der EU, alles Gute aus den Mitgliedstaaten. Ich möchte Sie daher dazu ermutigen, Frau Wallström, sich mehr auf die Kommunikation über die Verfassung zu konzentrieren. Die Verfassung ist gut, wir brauchen sie; halten Sie sie bis zum Frühjahr 2007 am Leben, und dann werden wir sehen, was geschieht.

 
  
MPphoto
 
 

  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wir legen dem Europäischen Parlament dieses Dokument und die Jährliche Strategieplanung vor, damit Sie uns Ihre Meinung dazu sagen und Vorschläge machen können, wie wir sie verbessern können. Daher verfolgen wir Ihre Anmerkungen sehr aufmerksam. Wir haben bereits einige Hinweise vernommen, die unser Dokument verbessern würden. Dasselbe gilt auch für meine Aussprache mit der Konferenz der Ausschussvorsitzenden. Wir werden davon profitieren, weil wir eine echte politische Diskussion über unsere Prioritäten, die gewünschte Ausgewogenheit und die Botschaften, die wir übermitteln wollen, führen können.

Wir kommen wieder darauf zurück, dass wir Ergebnisse erzielen und Vertrauen gewinnen wollen. Dies sind grundlegende und zentrale Voraussetzungen für eine Stärkung der Europäischen Union. Welchen Titel wir auch immer wählen – es wird immer sprachliche oder andere Probleme damit geben. Ich bin mir nicht sicher, ob wir jemals etwas finden können, das allen gefällt. Unser Ziel ist es jedoch, Vertrauen aufzubauen, indem wir gute Ergebnisse erzielen und unsere Verpflichtungen einhalten. Wenn wir mit unseren Bürgern eine demokratische Diskussion führen und mit ihnen sprechen, dann wird es uns auch leichter fallen zu erklären, warum wir die Verfassungsreform benötigen, um diese positiven Ergebnisse zu erzielen. Diesen Weg müssen wir beschreiten: Wir müssen uns auf demokratischer Ebene mit den Bürgern auseinander setzen.

Ich freue mich über die Gelegenheit, allen Menschen im Vereinigten Königreich mitzuteilen, dass Kirchenorgelpfeifen nicht unter die Richtlinie für Elektro- und Elektronikaltgeräte fallen. Sie können in Ihren Kirchen so viele Bleipfeifen haben wie Sie wollen. Die Kommission wird sich nicht einmischen. Sorgen Sie aber dafür, dass die armen britischen Bürger hier und da auch einmal die Wahrheit erfahren, denn sie werden nur selten richtig informiert. Seien Sie versichert, dass Kirchenorgelpfeifen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Außerdem hoffe ich, dass wir die Ratstagungen für die Öffentlichkeit zugänglich machen können. Der finnische Vorsitz bemüht sich nun darum, dies Wirklichkeit werden zu lassen, und es wird auf jeden Fall dazu beitragen, dass mit den Schuldzuweisungen Schluss ist. Wenn die Bürger das Verhalten ihrer Minister im Rat verfolgen können – welche Standpunkte sie vertreten und welche Stellungnahmen sie abgeben, wenn sie denn überhaupt anwesend sind – dann werden die Schuldzuweisungen endlich ein Ende haben. Wir müssen alle gemeinsam Sinn und Zweck der Europäischen Union erläutern. Womöglich können wir dann Fortschritte erzielen. Ich hoffe, dass wir im Verlauf des österreichischen Vorsitzes Fortschritte gemacht haben, denn das ist auch für Sie von Belang. Doch im Rahmen der finnischen Ratspräsidentschaft können wir die Angelegenheit voranbringen und sollten auf jeden Fall vorwärts kommen.

Ich danke Ihnen für Ihre guten Anmerkungen zur Jährlichen Strategieplanung. Ich werde den übrigen Kommissionsmitgliedern alle Ihre Bemerkungen übermitteln.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen