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Ausführliche Sitzungsberichte
Montag, 3. April 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

9. Lage in den Flüchtlingslagern auf Malta (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zur Lage in den Flüchtlingslagern auf Malta.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Die Probleme, vor denen Malta steht, betreffen die Europäische Union als Ganzes und machen einen globalen Ansatz für den Umgang mit Migration und Asyl erforderlich. Die Außengrenzen der EU sind aufgrund der ungeregelten Migrantenströme einem ständigen Druck ausgesetzt, und viele Menschen, die sich auf eine solche Reise begeben, bedürfen des Schutzes.

Im Dezember hat der Europäische Rat eine Reihe von Maßnahmen benannt, die die EU-Außenpolitik in Bezug auf Migration und Asyl voranbringen würden. Die Kommission sucht aktiv nach strukturellen Antworten auf den Druck, der aufgrund der starken Migration auf der EU und ihren Partnerländern lastet. In dieser Hinsicht hat sich die Ministerkonferenz EU-Afrika am 10. und 11. Juli in Rabat für eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und den Dialog mit den Hauptherkunftsländern ausgesprochen, und es wurden neue politische Initiativen erarbeitet, im Rahmen derer Migrationsfragen ausführlich erörtert und gleichzeitig dauerhafte gemeinsame Lösungen gefunden werden sollen.

Die Kommission ist sich der besonderen Situation in Malta bewusst und plant folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Lage: Über entsprechende EU-Finanzierungsprogramme kann Malta auf EU-Ebene sofortige Hilfe gewährt werden. Der Europäische Flüchtlingsfonds gewährt Mitgliedstaaten bereits finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen einer Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen.

Unterstützung bei der Schaffung angemessener Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gehört zu den Schwerpunkten des Europäischen Flüchtlingsfonds, und Malta kommt in den Genuss von Mitteln aus diesem Fonds. Der Europäische Flüchtlingsfonds hat Malta 114 000 Euro im Jahre 2004, 500 000 Euro im Jahre 2005 sowie 600 000 Euro im Jahre 2006 zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat die Kommission vor kurzem die Finanzierung eines Projekts in Höhe von 120 000 Euro zugesichert, mit dem die Aufnahmebedingungen auf Malta im Rahmen des Programms ARGO verbessert werden sollen.

Um auf konkrete Situationen reagieren zu können, wie sie beispielsweise Malta in den vergangenen Monaten erlebt hat, werden beim Europäischen Flüchtlingsfonds auch Änderungen vorgeschlagen, damit die Mitgliedstaaten schneller und mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand an Mittel gelangen können, um somit für die Folgen des unerwarteten Eintreffens von vielen Personen gewappnet zu sein, die des Schutzes von internationaler Seite bedürfen. Konkret zielen die Änderungen auf die Förderung von Notfallmaßnahmen ab, um annehmbare Aufnahmebedingungen für Asylbewerber zu schaffen, wozu auch die Befriedigung von Grundbedürfnissen sowie faire und effektive Asylverfahren gehören.

Die Kommission wird ferner in Kürze einen Vorschlag für eine Entscheidung des Rates vorlegen, um die praktische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, wie sie in der am 17. Februar angenommenen Mitteilung über die Intensivierung der praktischen Zusammenarbeit dargelegt ist. In diesem Vorschlag wird die Einrichtung von Expertenteams zur Unterstützung von Mitgliedstaaten in besonderen Situationen wie jetzt in Malta angeregt, um sie in Bezug auf Aufnahmebedingungen und Asylverfahren zu unterstützen.

Die nunmehr geltende Richtlinie über Aufnahmebedingungen legt einen Mindeststandard für die Unterbringung von Asylbewerbern fest, darunter von Personen in Haft oder mit räumlicher Aufenthaltsbeschränkung. Die Kommission überwacht die Umsetzung der Richtlinie, und es wird besonders darauf geachtet, wie sie in Malta angewendet wird, auch vor dem Hintergrund der Berichte von Abgeordneten dieses Hohen Hauses nach deren Besuch in der vergangenen Woche. Ein Bericht über die Anwendung der Richtlinie und mögliche Verbesserungen wird dem Europäischen Parlament im Herbst vorgelegt.

 
  
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  Stefano Zappalà, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorige Woche war eine Delegation des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres auf Malta, wie zuvor bereits in Paris, Ceuta und Melilla oder Lampedusa.

Wir alle müssen uns dieses Problems bewusst machen und empfänglich dafür sein. Doch Reden ist die eine Seite, Fakten hingegen eine andere. Die Einwanderungssituation in Europa ist gewiss weder angenehm, erfreulich noch angemessen. Sie ist dem Jahr 2006, der Europäischen Union und ihren Grundsätzen, den Verträgen und der politischen Verantwortung nicht angemessen, die wir als Europäisches Parlament gegenüber den Völkern Europas haben.

Die Kommission weicht dem Problem aus. Zuerst hörte ich, wie von Maßnahmen über 25 000 Euro oder 120 000 Euro gesprochen wurde. Herr Kommissar, ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass Malta jedes Jahr für diese Aufgaben im Gegenteil eine Million Euro ausgibt. Seit 2002, d. h. von der Vorbeitrittsphase bis heute, hat dieses Land wachsende Einwanderungsquoten verzeichnet, so dass es sich nun mit 2 000 überzähligen Personen konfrontiert sieht, von denen es nicht weiß, wo es sie unterbringen soll. Diese 2 000 Personen in Malta bedeuten dasselbe, wie wenn 400 000 Personen in den nationalen Haftanstalten Deutschlands in Gewahrsam gehalten würden, oder 300 000 in Italien, in Frankreich und im Vereinigten Königreich. Malta setzt 10 % seiner Polizeikräfte für die Beaufsichtigung der Einwanderer ein, das würde 30 000 Bediensteten in Italien oder 40 000 in Deutschland entsprechen, anders gesagt, allen Ordnungskräften zusammengenommen. Das ist unmöglich.

Herr Kommissar – aber ich wende mich hier insbesondere an den Rat –, wir haben eine konkrete Verpflichtung: Wir dürfen unsere Mitgliedstaaten nicht im Stich lassen, vor allem aber dürfen wir Malta inmitten des Meeres nicht sich selbst überlassen, denn dieses Land stellt faktisch die südlichste Außengrenze Europas dar. Es bildet die Grenze zu Europa. Unter diesem Gesichtspunkt kann Malta nicht als ein autonomer Staat betrachtet werden.

Es ist erforderlich, dass die Europäische Union in dieser Richtung alle geeigneten Initiativen ergreift. Herr Kommissar, ich fordere Sie auf, möglichst bald eine außerordentliche Tagung der Minister für Justiz und Inneres in Malta einzuberufen, bei der auch Vertreter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres anwesend sein sollten.

Malta hat gegenwärtig mit äußerst schwierigen Verhältnissen zu kämpfen: Es weiß nicht wohin mit 2 000 Personen, die nur nach Gozo verlegt werden können, wodurch sich ihre ohnehin sehr schlimme Lage noch verschlechtern würde. Wir bringen die maltesische Bevölkerung so weit, dass sie das, was sie getan hat, bereut, obwohl sie das gar nicht möchte, denn Malta ist ein entschieden proeuropäisches Land. Auf Malta beginnt Fremdenfeindlichkeit aufzukommen, was wirklich äußerst Besorgnis erregend ist.

Als Europäisches Parlament müssen wir zu unserer politischen Verantwortung stehen. Ich fordere den Rat auf, schnell aktiv zu werden und das Dubliner Übereinkommen zu überarbeiten. Malta muss ein Transitland sein. Die Menschen kommen heutzutage nicht nach Malta, um dort zu bleiben, sondern sie sind auf der Durchreise und machen nur auf Malta Halt, um sich in Sicherheit zu bringen. Ich fordere Sie alle auf, Solidarität mit Malta zu üben.

Zufällig wird übermorgen der Präsident der Republik Malta hier bei uns sein, und darüber freue ich mich sehr. Ich hoffe, dass dieses Parlament dieser großartigen, alten und edelmütigen Nation, die nun aufgrund von uns begangener Fehler zu leiden hat, seine uneingeschränkte Unterstützung zuteil werden lässt.

 
  
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  Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Bei den Besuchen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres in den Gewahrsamszentren wurden wirklich zahlreiche gravierende Probleme festgestellt. Was wir jedoch in Malta gesehen haben, war furchtbar. Die Haftbedingungen dort sind unmenschlich und entwürdigend. Die Asylbewerber werden in Käfige eingesperrt, aus denen sie nicht hinausgelangen können, und nicht einmal ihre elementarsten Rechte werden eingehalten. Sie verfügen weder über die Möglichkeit, Rechtsbeistand noch ärztliche Versorgung in Anspruch zu nehmen. Wir trafen Menschen, die mitunter 18, 19 oder 20 Monate ohne Kontakt zur Außenwelt und unter unerträglichen hygienischen Bedingungen eingesperrt waren.

Immerhin können wir zufrieden sein, dass die maltesischen Behörden nichts vor uns verheimlicht haben, was ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Europäischen Parlament und der EU an sich ist. Aber dennoch stellen diese Haftbedingungen eine Verletzung der Menschenrechte und der europäischen Richtlinie über die Aufnahme von Flüchtlingen dar.

Daher fordern wir die maltesische Regierung nachdrücklich auf, schnellstmöglich dieser Form der gezielten Internierung von Migranten ein Ende zu setzen. Asylbewerber sind keine Kriminellen. Häufig sind sie der Hölle entkommen und müssen würdig behandelt werden. Andererseits müssen wir einräumen, dass Malta ein sehr kleines Land ist und dass die Insel aufgrund ihrer geografischen Lage einem besonders starken Druck ausgesetzt ist. Daher ist es Aufgabe der Union, sich solidarisch zu erweisen und die finanzielle Belastung der Grenzsicherung mit zu tragen, indem vor allem, wie Sie sagten, Herr Kommissar, bestehende Programme genutzt werden, wie das Programm ARGO und der Flüchtlingsfonds. Allerdings ist eine weiter reichende Reform erforderlich, denn es handelt sich nicht nur um eine Frage des Geldes!

Daher fordere ich die Kommission auf, so bald wie möglich die Überarbeitung der Dublin II-Verordnung in Angriff zu nehmen und Vorschläge zu machen, um dort wesentliche Änderungen vorzunehmen. Müssen wir nicht ihren eigentlichen Grundsatz in Frage stellen, wonach das erste Einreiseland unter den Mitgliedstaaten für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist? Denn dieser Grundsatz stellt für die Länder im Süden und Osten der EU eine untragbare Belastung dar und führt zu der abwegigen Situation, dass die Aufnahmebedingungen und der Zugang zum Asyl in Gefahr geraten.

Wanderbewegungen sind durchaus eine Erscheinung, die zur Gegenwart gehört. Wir werden uns der Verantwortung nicht entziehen können, die wir als reiche Nationen im Hinblick auf die Aufnahme von Opfern der Unterdrückung oder der Bekämpfung der Armut haben, die – das dürfen wir nicht vergessen – Hauptursache der Migration sind.

 
  
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  Jean Lambert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich Frau Roure anschließen, die ein sehr lebendiges Bild der Situation gezeichnet hat, die sich der Parlamentsdelegation in Malta geboten hat. Gleichzeitig möchten meine Fraktion und ich den Ausführungen von Herrn Zappalà und Frau Roure in Bezug auf die Folgen zustimmen, nicht nur für Malta, sondern auch für verschiedene andere Orte, die unsere Delegation besucht hat, darunter Dublin. Was der Mehrheit des Parlaments – nicht allen – seinerzeit als ein äußerst logisches System erschien, weist echte Schwachstellen auf, die angegangen werden müssen.

Wir haben gehört, dass einige dieser Probleme teilweise auf fehlende Mittel und mangelndes Fachwissen zurückzuführen sind. Die Kommission hat in Bezug auf die Fortsetzung der Asylpolitik zu verstehen gegeben, dass sie u. a. darauf hinwirken will, dass alle Mitgliedstaaten die höchstmöglichen Standards und bewährte Praktiken anwenden. Es freut mich daher zu hören, dass Expertenteams gebildet werden sollen, doch sollte die Kommission nicht unterschätzen, wie viele davon in vielen Teilen der Union gebraucht werden. Ich nehme an, dass sie mit Behörden wie dem UNHCR und anderen zusammenarbeiten werden, die über das entsprechende Fachwissen verfügen. Dies wirkt sich wiederum auf die Höhe der finanziellen Mittel aus, die die Europäische Union dem UNHCR zur Verfügung stellt. Wir sind bereits ein großer Geldgeber des UNHCR, und wenn wir um mehr bitten, dann werden wir das berücksichtigen müssen.

Ich habe außerdem eine Frage an die Kommission zum Zeitrahmen für Malta: Wie schnell können ihrer Meinung nach Expertenteams dorthin geschickt werden? Und welche weiteren Mittel werden benötigt, um die Malteser langfristig dabei zu unterstützen, die Menschen mit der gebotenen Würde zu behandeln?

 
  
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  Giusto Catania, im Namen der GUE/NGL-Fraktion– (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst meinen Kolleginnen und Kollegen vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres dafür danken, dass sie mich benannt und gebeten haben, über diesen Besuch in Malta Bericht zu erstatten.

Als Berichterstatter kann ich nur bekräftigen, dass die Zustände in den Gewahrsamseinrichtungen für Migranten in Malta einfach schrecklich sind: ein regelrechtes Dantesches Inferno, wo die elementarsten Rechte versagt werden. Wir haben drei Gewahrsamseinrichtungen besucht, wo wir absolut unmenschliche und entwürdigende Bedingungen vorfanden, die eines zivilisierten Landes unwürdig sind: unhaltbare hygienische Bedingungen, Promiskuität, Schwangere, die bis zum vierten Monat in Gewahrsam gehalten werden, unzumutbares Essen, Kaltwasserduschen, Toiletten ohne Türen und überall Schmutz und Verfall.

Das maltesische Recht ist gnadenlos: Es sieht 18 Monate Verwaltungshaft für Bürger vor, die keine strafbare Handlung begangen haben. Meiner Auffassung nach ist das wirklich zuviel! Außerdem denke ich, dass diese Behandlung der Asylbewerber im Widerspruch zur Genfer Konvention und zu den europäischen Richtlinien über Asylrecht steht. Die Migranten erhalten keine Informationen, und ihre Asylanträge werden frühestens nach acht oder neun Monaten geprüft. In Malta wird sogar Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, speziell aus Darfur, das Asyl verweigert. Mich hat insbesondere ein Mann betroffen gemacht, der ein Schild hielt mit der Aufschrift „Völkermord in Darfur, Inhaftierung in Malta“.

Europa kann angesichts dieser schrecklichen Situation nicht stumm bleiben, und die Besuche unseres Ausschusses in den zentralen Aufnahmelagern Europas veranlassen uns zu der Auffassung, dass die Politik für die Aufnahme von Migranten radikal geändert werden muss. Vor allem gilt es, legale Einwanderungswege zu öffnen, eine gemeinschaftliche Einwanderungspolitik zu entwickeln, die Dublin-II-Verordnung zu ändern und schließlich alle im Gebiet der Union bestehenden Verwaltungshafteinrichtungen zu schließen. Sie sind juristisch unhaltbare Einrichtungen, in denen sämtliche Menschenrechte verletzt werden.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE).(MT) Mein Vorredner, Herr Catania, vergaß zu erwähnen, dass die am lautesten und eindringlichsten vorgebrachte Beschwerde der Flüchtlinge in den von uns besuchten Auffanglagern sich nicht auf die Lebensbedingungen in den Lagern bezog, sondern darauf, dass sie nie beabsichtigt hatten, nach Malta zu kommen. Sie sind gegen ihren Willen in Malta gelandet und wollen auf das europäische Festland weiterreisen. Dies ist die eigentliche Tragödie. „Erlaubt uns, in andere Länder Europas zu gehen“, hörten wir immer wieder. Es ist zu begrüßen, dass das Parlament durch diese Aussprache und diese Entschließung seine Solidarität mit den Einwanderern ebenso wie mit der Bevölkerung Maltas und den maltesischen Behörden und Ordnungskräften, die eine sehr schwierige Arbeit bewältigen, zeigt. Es ist gut, dass die Fraktionen dieses Parlaments zeigen, dass sie in der Lage sind zusammenzufinden, um diese Solidarität zu demonstrieren und die Kommission und den Rat aufzufordern, dringend praktische Maßnahmen zu ergreifen. Wie sehen diese dringenden praktischen Maßnahmen aus? Zunächst einmal sollten die Mitgliedstaaten Personen aufnehmen, die in Malta Asyl beantragen. Zweitens sollte die Dublin-II-Verordnung dahingehend überarbeitet werden, dass die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten gerechter aufgeteilt werden, als es derzeit der Fall ist, da Malta, und auch andere Länder, unverhältnismäßig hohe Lasten zu tragen haben, die ihre Fähigkeiten übersteigen. Drittens müssen die Mittel der Europäischen Union auch in dringenden Fällen verwendet werden, wie es der Kommissar selbst sehr richtig gesagt hat. Wichtig wäre allerdings, in jedem der vier europäischen Fonds, die wir im Einwanderungssektor ab dem kommenden Jahr haben werden, eine Notfallklausel zu haben, nicht nur im Fonds für Flüchtlinge. Abschließend, Herr Präsident, möchte ich die Kommission fragen, was aus ihrer im letzten Jahr versprochenen Initiative für gemeinsame Patrouillen im Mittelmeer geworden ist. Herr Präsident, das Parlament hat gesprochen. Wir erwarten nun, dass der Rat und die Kommission tätig werden. Vielen Dank.

 
  
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  Louis Grech (PSE).(MT) Von einigen vor kurzem eingeleiteten Initiativen einmal abgesehen, hat die Union meines Erachtens nicht mit der erforderlichen Dringlichkeit, Energie und praktischen Durchführbarkeit auf die aktuelle Situation reagiert. Der vorliegende Entschließungsantrag spiegelt die alarmierende Lage in Malta und anderen Ländern auf treffende, klare und objektive Weise wider. Darin wird ganz richtig festgestellt, dass die Lager, in denen die Flüchtlinge festgehalten werden, so geführt werden müssen, dass die Würde und die Rechte der Einwanderer gewahrt werden. Mängel müssen sofort beseitigt werden, wo auch immer sie entdeckt werden. Der Entschließungsantrag macht jedoch auch deutlich, dass ein einzelnes Land nicht in der Lage ist, dieses Problem auf sich gestellt zu bewältigen, geschweige denn ein Land wie Malta, das eine weitaus größere Last schultert, als es tragen kann. So steht ohne jeden Zweifel fest, dass die europäische Dimension eine integrierte, auf dem Grundsatz der Lastenteilung basierende Politik erfordert, bei der die Lasten zwischen allen Mitgliedstaaten entsprechend der Bevölkerungszahl des Landes und dem BIP aufgeteilt werden. Von ebenso großer Wichtigkeit wäre eine Überarbeitung von Dublin II und insbesondere des Systems für die Weiterbearbeitung der Anträge der Einwanderer. Um mit der Lösung dieses Problems auch nur beginnen zu können, muss die Union jedoch Mittel zur Verfügung stellen und nicht nur Versprechungen machen. Sie muss auch die erforderlichen Gelder bewilligen, um den kleinen Grenzländern bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten zu helfen. Es sollte darüber hinaus spezifische Fonds für Notfälle geben, insbesondere im Falle eines übermäßigen Zustroms von Flüchtlingen, vor allem während des Sommers. Mit dieser Initiative hat das Parlament gezeigt, dass es bereit ist zu handeln. Nun ist es an der Kommission und am Rat zu beweisen, dass sie bereit sind, ihre Solidaritätsversprechen in die Tat umzusetzen. Herr Präsident, jede Maßnahme der Europäischen Union, mit der den Einwanderern auf faire Weise geholfen wird und auch kleinen Mitgliedstaaten wie Malta praktische Unterstützung zukommt, bewirkt mehr als hunderttausend Erklärungen oder Broschüren, verleiht der Europäischen Union mehr Glaubwürdigkeit und erhöht das Vertrauen in sie. Vielen Dank.

 
  
  

VORSITZ: ANTONIOS TRAKATELLIS
Vizepräsident

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Meiner Ansicht nach liegt das enorme Verdienst der Besuche des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments darin, dass sie deutlich machen, dass es gewissermaßen üblich geworden ist, Migrationsfragen durch die Internierung der Ausländer zu bewältigen, und dass dieses überall in Europa praktizierte Verfahren, Ausländer einzusperren, seine Grenzen und absolut inakzeptablen Folgen deutlich macht, wie es vor allem in Malta der Fall war. Die Gründe dafür wurden bereits in der Aussprache angeführt.

Allerdings dürfen wir nicht bei bloßen Feststellungen stehen bleiben, die bereits 2004 und 2005 von bedeutenden internationalen Menschenrechtsorganisationen getroffen worden waren. Die Lage ist uns bekannt und meines Erachtens gilt es heute einfach anzuerkennen, wie abwegig das Dubliner Übereinkommen ist, das in Malta angewendet wurde. Meiner Ansicht nach müssen wir mit dieser Reform wirklich vorankommen und zwar gründlich, wie einige Kolleginnen und Kollegen bereits gefordert haben. Zunächst muss doch jemand, der in Malta eintrifft, die Möglichkeit haben, seinen Asylantrag in dem Land, wo er sich niederlassen will, zu formulieren und einzureichen. Außerdem müssen Personen, die in Malta den Flüchtlingsstatus erhalten, sich in Europa frei bewegen dürfen, wie übrigens in Malta oder in jedem anderen ersten Zugangsland.

Meines Erachtens sind diese Reformen zwingend notwendig, wenn wir solche, aus der Sicht der Menschenrechte überaus fatale Zustände überwinden wollen. Die Europäische Union muss auch die Möglichkeit haben, eine rechtskräftige Migrationspolitik zu entwickeln, und muss aufhören, Repressionen sowie der Abschottung der Grenzen obersten Vorrang zu geben und sich dabei einer Verwaltung zu bedienen, die, wie wir heute sehen, völlig bedeutungslos und inhuman ist. Davon zeugen Hunderte, ja Tausende Menschen, die jede Woche ertrinken, nicht nur im Mittelmeer, sondern auch in den kanarischen Gewässern, denn wir wissen ja, dass sich die Migrantenströme inzwischen nach Mauretanien verlagert haben.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Der Kommissar hat vorhin von Aufnahmeeinrichtungen gesprochen. Ich möchte jedoch sagen, dass das, was wir Mitglieder der Delegation des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres in Malta gesehen haben, alles andere als Aufnahmeeinrichtungen waren.

Es ist nicht zu akzeptieren und ein Skandal, dass Europa sich unter dem Schatten einer Krise antiterroristischer Hysterie in eine mittelalterliche Festung verwandelt und den Betrieb von Gewahrsamseinrichtungen fördert, in denen Migranten und Asylbewerber unter Bedingungen festgehalten werden, die im Widerspruch zu den einschlägigen internationalen Übereinkommen stehen. Die Bedingungen in den geschlossenen Gewahrsamseinrichtungen, die wir in Malta besucht haben, sind vielleicht die schlimmsten, die wir bislang zu Gesicht bekommen haben.

Die geografische Lage Maltas und die Tatsache, dass es nicht über die finanziellen und administrativen Mittel verfügt, um die Migrationswellen – insbesondere nach seinem Beitritt zur Europäischen Union, der zu einem Anstieg der Migranten- und Flüchtlingsströme geführt hat – zu bewältigen, sind kein Grund, um die Situation zu rechtfertigen. Die Praxis des Gewahrsams ist an sich schon zu verurteilen. Asylbewerber und Migranten ihrer Freiheit zu berauben ist durch nichts zu begründen. Die Bedingungen, unter denen sie in Gewahrsam gehalten werden, sind miserabel, und die fehlende Transparenz bei der Führung dieser Einrichtungen sowie bei den dort angewandten Praktiken ist nicht zu akzeptieren.

 
  
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  David Casa (PPE-DE).(MT) Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat eine Delegation nach Malta entsandt, um sich selbst ein Bild von der Lage der illegalen Einwanderer zu verschaffen. Ich stelle daher heute mit Befriedigung fest, dass das Parlament der besonderen Situation in Malta die nötige Bedeutung beimisst. Jeder, der vor Ort war, sah die großen Probleme all der Menschen, die an unseren Küsten gelandet sind und in unseren Lagern leben. Sie sahen jedoch auch die enormen Anstrengungen, die die maltesische Regierung unternommen hat, um alle illegal nach Malta gelangenden Flüchtlinge trotz sehr begrenzter Mittel ordentlich zu behandeln. Klar ist jedoch, dass sich diese Situation bald ändern muss. Wir haben alle gehört, dass der Zustrom sich dieses Jahr voraussichtlich verdoppeln wird, das Problem wird sich mithin verschärfen. Malta kann auf sich allein gestellt keine Wunder vollbringen. Jahrelang haben wir versucht, Europas Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken, damit die erforderlichen Lösungen gefunden werden können. Ich spreche nicht nur von finanzieller Hilfe (von der wir, ehrlich gesagt, recht wenig gesehen haben), sondern von praktischen Lösungen, mit denen die Europäische Union, deren Mitglied wir sind, uns helfen könnte, den riesigen Zustrom von Einwanderern in unser Land zu bewältigen. Wir müssen die Würde der Festgehaltenen gebührend respektieren, aber wir können nicht länger unsere Mittel bis zum Äußersten belasten und Anstrengungen unternehmen, die unsere Möglichkeiten übersteigen. Da wir uns in einer kritischen Lage befinden, müssen Lösungen gefunden werden, die Malta von dem übermäßigen Druck befreien, alle Maßnahmen selbst zu ergreifen und die zugleich verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät. All den schönen Worten und Versprechungen müssen wir nun Taten folgen lassen. Die Kommission, der Ministerrat und das Parlament sollten Maßnahmen ergreifen, um die von meinen Vorrednern in dieser Aussprache bereits erwähnten Lösungen so bald wie möglich umzusetzen. Die Regierung und die Bevölkerung Maltas werden weiterhin ihr Möglichstes tun, aber zu Recht erwarten wir, dass alle wirkliche und praktische Anstrengungen unternehmen, weil dies meines Erachtens letztlich nicht nur ein Problem für Malta ist, sondern alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union angeht.

 
  
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  Joseph Muscat (PSE).(MT) Herr Kommissar! Ihre Ausführungen heute haben mich dazu veranlasst, die Rede, die ich vorbereitet hatte, beiseite zu legen und Sie als Vertreter der Kommission direkt anzusprechen. Ich denke nicht, dass Sie von uns, den Vertretern des maltesischen Volkes, erwarten können, in diesem Hause Danke zu sagen, weil Sie uns Geld geben werden oder weil Sie uns so viel Geld gegeben haben, wie wir an einem Tag zu Weihnachten für wohltätige Zwecke sammeln. In Ihren Antworten spiegelt sich nicht das wider, was in unserem Land wirklich geschieht. Zweitens sind Sie der entscheidendsten Frage ausgewichen. Wir präsentieren Ihnen einen praktischen Vorschlag: Dublin II sollte so überarbeitet werden, dass die Zuständigkeit für die Bearbeitung der Anträge von Flüchtlingen, die nach Malta kommen, nicht länger bei Malta liegt, sondern mit anderen Ländern geteilt wird. Was halten Sie von diesem Vorschlag? Ich frage dies, da wir letztlich nicht irgendeinen Geldbetrag (und ich wiederhole „Geld“, nicht Peanuts) wollen, sondern es um eine Summe in Höhe von Millionen geht, die groß genug ist, um diese Menschen, und darum handelt es sich schließlich, in gebührender Weise betreuen zu können. Vom Geld einmal abgesehen, welche wirkliche administrative und langfristige Hilfe würde dieses Problem Ihres Erachtens lösen? Das würden wir heute gerne erfahren.

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE).(MT) Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, mich in dieser sehr wichtigen Angelegenheit vor dem Parlament äußern zu dürfen. Leider wurde Malta im Stich gelassen und muss allein zurechtkommen. In diesen schwierigen Zeiten, die nicht nur die Bevölkerung unseres Landes, Malta, erlebt, sondern auch die Menschen, die in den Lagern festgehalten werden, haben wir gespürt, dass wir gegen den Strom schwimmen, dass wir allein gelassen wurden und dass Europa uns, all den schönen Worten von Solidarität zum Trotz, im Stich gelassen hat. Nun ist endlich, wie wir seit langem gefordert hatten, eine Delegation nach Malta gereist und hat mit eigenen Augen die schrecklichen Bedingungen gesehen, unter denen die Menschen in den Lagern leben. Diese Bedingungen sind alles andere als erfreulich und niemand ist glücklich über diese Situation, aber es ist eine Frage der Mittel. Zweitausend Menschen kommen jedes Jahr nach Malta, das klingt nicht viel, aber diese zweitausend Flüchtlinge entsprechen achthunderttausend Einwanderern jährlich in Deutschland oder vierhunderttausend Immigranten in Italien. Führen Sie sich nur einmal den Zustrom von Flüchtlingen in das kleinste Land vor Augen und stellen Sie sich vor, was eines der Länder, das über keinerlei Mittel verfügt, bewältigen muss. Wir brauchen, und das sei nachdrücklich gesagt, finanzielle Hilfe. Wir bedürfen auch der Solidarität – Solidarität, mit der Sie uns zu Hilfe kommen, indem Sie Flüchtlinge in Ihren Ländern aufnehmen, in denen Sie angemessen versorgt werden können, da sie nicht in Malta bleiben können, einer Insel von nur 300 Quadratkilometern Fläche. Beenden möchte ich meine Ausführungen mit dem Hinweis, dass wir Sie als deutlichen Beweis dafür betrachten, dass es Solidarität dann, wenn die Bedürfnisse eines Landes anerkannt werden müssen, dessen Fläche verglichen mit der enormen Ausdehnung Europas sehr klein ist, tatsächlich gibt. Vielen Dank.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie ich bereits eingangs sagte, muss ich die Behauptung zurückweisen, dass Malta im Stich gelassen wurde. Die Kommission hat dem Land bisher alle erdenkliche Unterstützung zukommen lassen, und alle zur Verfügung stehenden Programme werden auch weiterhin genutzt, um Malta bei der Lösung des Problems unter die Arme zu greifen. Doch sollten wir uns auch dessen bewusst sein, dass Zentren das Problem nicht lösen. Es ist absolut notwendig, dass wir mit den Ländern, aus denen die Migrantenströme kommen, zusammenarbeiten. Dies ist unsere Herausforderung Nr. 1, denn solange die Bedingungen die Menschen zum Abwandern bewegen, werden sie es tun, und wenn es heute in Richtung Malta ist, so wird es das nächste Mal mein Land oder ein anderes sein. Dies ist also die zentrale Herausforderung.

Die Kommission hat bereits finanzielle Unterstützung zugesagt, und wir werden sie umgehend zur Verfügung stellen. Es stehen auch Expertenteams bereit, und der Vorschlag wird am 31. Mai fertig sein. Wir werden weiter an gemeinsamen Patrouillen arbeiten. Was das Dublin-II-Paket betrifft, so braucht es Zeit, selbst wenn die Mitgliedstaaten zustimmen – es wurde vor vier Jahren verabschiedet. Dass das Parlament diese Frage angesprochen hat, ist hochwichtig, und wir werden überlegen, wie wir die Lage in optimaler Weise angehen.

Das Prinzip, dass der aufnehmende Mitgliedstaat zuerst kommt, ist völlig logisch, aber wir wissen, zu welchen Problemen das für Malta geführt hat. Die Kommission wird sich mit diesem Problem weiter beschäftigen und jede zu diesem Zeitpunkt verfügbare Unterstützung bereitstellen, doch ist es unumgänglich, dass die maltesischen Behörden ebenfalls ihren Job machen, da ich denke, dass menschenwürdige Bedingungen und Menschenwürde auch aus Sicht der einzelstaatlichen Behörden angestrebt werden sollten. Wir erwarten von jedem Mitgliedstaat, dass er in dieser Hinsicht seine Hausaufgaben erledigt, da die Gemeinschaft zwar Unterstützung gewähren sowie überlegen kann, wie man die bestmöglichen Antworten findet, doch erwarten wir auch von jedem Mitgliedstaat, dass er die in den EU-Richtlinien aufgeführten Auflagen erfüllt.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.

 
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