13. Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2003 und 2004) – Bessere Rechtsetzung 2004: Anwendung des Subsidiaritätsprinzips – Durchführung Folgen und Auswirkungen der für den Binnenmarkt geltenden Rechtsvorschriften – Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache „Bessere Rechtsetzung“, die sich mit vier Berichten befasst:
– mit dem Bericht von Monica Frassoni im Namen des Rechtsausschusses über den 21. und 22. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2003 und 2004) (2005/2150(INI)) (A6-0089/2006),
– mit dem Bericht von Bert Doorn im Namen des Rechtsausschusses über bessere Rechtsetzung 2004: Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität – 12. Jahresbericht (2005/2055(INI)) (A6-0082/2006),
– mit dem Bericht von Arlene McCarthy im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Umsetzung, die Folgen und die Auswirkungen der geltenden Rechtsvorschriften zum Binnenmarkt (2004/2224(INI)) (A6-0083/2006) und
– mit dem Bericht von Giuseppe Gargani im Namen des Rechtsausschusses über eine Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds (2006/2006(INI)) (A6-0080/2006).
Monica Frassoni (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin besonders froh, heute nicht wie üblich als Vertreterin meiner Fraktion, sondern als Berichterstatterin des Rechstausschusses das Wort zu ergreifen, der eine viel breitere Mehrheit repräsentiert. Als Berichterstatterin möchte ich einige Botschaften über diesen Bericht vermitteln, dessen wichtigstes Ziel es ist hervorzuheben, dass die Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften
ebenso wie die anderen Fragen, die wir heute Nachmittag noch erörtern werden, ein fester Bestandteil einer „besseren Rechtsetzung“ ist
.
Die Anwendung ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts, vor allem, weil die Situation auf Ebene der Europäischen Union unbefriedigend ist, wie im Bericht der Kommission wirksam herausgestellt wird. Es gibt wirklich ernsthafte Probleme, insbesondere beim Umweltrecht sowie bei den Binnenmarktvorschriften, wobei die Verantwortung hierfür – es ist müßig, das zu leugnen – vor allem bei den Mitgliedstaaten liegt.
Schuld an der mangelhaften Umsetzung ist jedoch auch ein Verfahren, das aufgrund seiner Verankerung in den Verträgen nicht so leicht verbessert werden kann. Dies ist ein schwerfälliges Verfahren, das gleichsam unangemessene Sanktionen vorsieht: Im Hinblick auf die Herbeiführung einer positiven Lösung für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten lässt das Verfahren oft zu wünschen übrig und dauert sehr lange.
Ich würde gern wissen, ob dieses Problem der Anwendung des Gemeinschaftsrechts Ihrer Meinung nach für die Kommission Priorität besitzt oder nicht. Der Mitteilung nach zu urteilen ist das meinem Eindruck nach nicht der Fall, denn wie wir wissen geht sie mehr auf den Aspekt der Rücknahme und Änderungen der Richtlinien als auf deren korrekte Umsetzung ein.
Ich glaube, in der Kommission herrschen im Wesentlichen zwei Denkweisen: eine, die besagt, „Das Beste ist, Ärger mit den Mitgliedstaaten zu vermeiden, also lasst uns versuchen, ihre Probleme mit ihnen gemeinsam zu lösen“, und eine andere, die besagt. „Lasst uns die Regeln anwenden wie sie sind, nicht unflexibel, aber auf jeden Fall positiv, und dabei die Verfahren in Betracht ziehen, die möglichst schnell und rechtmäßig sind“.
Hierzu möchte ich einige Beispiele nennen. Wir meinen, dass einige Beschlüsse, die die Kommission zur Einleitung bestimmter Verfahren wie jener zu den GVO in Österreich erlassen hat, besonders schnell und effizient ergangen sind. Andererseits mussten wir im Falle Frankreichs und seiner Unfähigkeit, die Richtlinie „Natura 2000“ zu implementieren, drei Jahre warten, ehe die Kommission, nach der Entscheidung des Gerichtshofs, im Sinne von Artikel 228 betreffend die finanziellen Sanktionen tätig wurde.
Analog dazu gibt es auch interessante Situationen in Bezug auf das Recht der Bürger auf Erstattung der Arztkosten. Das ist für die Bürger eine äußerst wichtige Frage, die jedoch, wie wir wissen, noch nicht gelöst worden ist, weil dabei ein kompliziertes politisches Problem zu berücksichtigen ist. Zugleich wurde nur in zwei Fällen auf Artikel 228 zurückgegriffen, nämlich bei dem Fall der Abfallentsorgung in Griechenland, der nach einer wahrhaft kurzen Zeit ausgesetzt wurde, und bei dem Fall der spanischen Badegewässer, der in letzter Minute aus einem Grund zurückgezogen wurde, den die Kommission selbst unter rechtlichen Gesichtspunkten als ziemlich fragwürdig betrachtet hat.
Was für eine Antwort haben wir und welche Vorschläge unterbreiten wir zur Überwindung einer Situation, bei der wir ein transparenteres Vorgehen der Kommission für notwendig erachten? Erstens glauben wir, dass die Modalitäten der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts besser überwacht und transparenter gestaltet werden müssen. Ich halte es für wichtig, dass uns die Kommission ihre Konformitätsstudien über die Rechtsanwendung übermittelt, was wir leider nicht durchsetzen konnten.
Zweitens ist es meines Erachtens von großer Bedeutung, Ressourcen von allen Stellen, die künftig keine Rechtsvorschriften mehr erarbeiten müssen, auf die mit der Anwendung befassten Einrichtungen zu verlagern. Wir sind zum Beispiel nicht damit einverstanden, dass diese Verlagerung zu jenen Bereichen erfolgt, die sich mit der Folgenabschätzung beschäftigen werden, wie dies gegenwärtig in der Kommission diskutiert wird. Drittens – und das betrifft uns – meinen wir, dass das Europäische Parlament stärker in die Frage der Anwendung des Gemeinschaftsrechts eingreifen sollte, nicht um die Zuständigkeiten der Kommission zu ändern – ich weiß, dass dies die große Sorge der Mitglieder dieses Organs ist –, sondern vielmehr, um sich eine klarere Vorstellung von den aktuellen Vorgängen zu verschaffen, wie dies der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und andere Ausschüsse bereits tun.
Ich denke, dass der Grundsatz, die Sünder beim Namen zu nennen, auch bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sehr nützlich ist und dass uns die Kommission vielleicht dabei behilflich sein sollte, ihn konsequenter anzuwenden.
Bert Doorn (PPE-DE), Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident! Ich zitiere einen Artikel, der im Mai vergangenen Jahres kurz vor dem Referendum in den Niederlanden in einer führenden niederländischen Zeitung erschien. Das Zitat beginnt wie folgt: „Nicht Barroso, nicht Blair, sondern Herr van Alphen aus den Niederlanden und Tausende andere nationale Bedienstete treffen in Europa die täglichen Entscheidungen“. Dieser Artikel hat in den Niederlanden keinesfalls zu einer positiven Grundhaltung gegenüber dem Referendum beigetragen. Wie Sie wissen, ging alles gründlich schief. Die Niederlande sagten „Nein“, was Besorgnis erregend ist. Eben diese Rechtsetzung ist ein Sorgenkind, und das sollten wir heute genauer erörtern.
Wir müssen uns anstrengen, um bei den Bürgern das negative Bild von der Rechtsetzung zu beseitigen. Wie können wir das erreichen? Indem wir für mehr Transparenz sorgen. Wir müssen auch die daraus resultierende administrative Belastung in unsere Überlegungen einbeziehen. Zahlreichen Unternehmen hängt der hohe Verwaltungsaufwand wie ein Mühlstein am Hals, und wenn, dann beeinträchtigt dies die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Wie erzielen wir mehr Transparenz und bauen die Bürokratie ab? Zunächst durch eine tatsächliche Folgenabschätzung, und daran hapert es im Augenblick nach wie vor. Wir haben zahlreiche Beispiele für Folgenabschätzungen gesehen, die sich in der Qualität alle voneinander unterscheiden. Manche sind gut, manche nicht. Wollen wir als Parlament von einer Folgenabschätzung profitieren, dann sollte sie neutrale und fundierte Informationen liefern, die leicht verständlich sind. Daran mangelt es.
Wir im Parlament haben selbst Erfahrungen mit einigen Folgenabschätzungen zu Änderungsanträgen gesammelt. Auch dort schwankt die Qualität, und daher rührt mein Vorschlag für eine unabhängige Kontrolle. Dazu bedarf es keiner gewichtigen Behörde. Es könnte eine Gruppe von vier Sachverständigen auf dem Gebiet der Folgenabschätzung sein, die einfach einmal einen Blick auf die Folgenabschätzungen der Kommission und des Parlaments werfen und im Anschluss auf dieser Grundlage Empfehlungen erteilen. Also keine Agentur oder gewichtige Behörde, wir brauchen einfach eine unabhängige Qualitätskontrolle, die effizient und extern ist.
Nunmehr komme ich zur Komitologie. Auch davon handelte der Artikel, den ich gerade erwähnt habe. Er enthielt eine weitere Passage, eine über die Ausschüsse, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: „Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, etwa 450 Beratungsklubs in Brüssel, die ständig Entscheidungen treffen, die den Alltag der Bürger beeinflussen.“ Auch in diesem Bereich ist mehr Transparenz vonnöten. Wenn die Komitologie zu abgeleiteten Rechtsvorschriften führt, müssen auch diese Vorschriften einer Überprüfung unterzogen werden. Wir müssen die Auswirkungen derartiger Rechtsvorschriften mithilfe einer Folgenabschätzung aufzeigen. Dann erkennt der Bürger, dass es uns Ernst ist und wir diese Transparenz tatsächlich wollen.
Schließlich kommt, wie Frau Frassoni bereits vorgetragen hat, der Durchführung außerordentliche Bedeutung zu, und das Parlament sollte ihr weitaus mehr Beachtung schenken. Wenn im Plenum ein Bericht erörtert wurde, dann ist die Arbeit für den Berichterstatter beendet. Ich schlage vor, den betreffenden Berichterstatter aufzufordern, seinen Ausschuss drei Jahre nach der Verabschiedung im Parlament über den Gang der Dinge rund um die Durchführung zu informieren. Dies trägt signifikant zu einer ordnungsgemäßen Implementierung in den Mitgliedstaaten und auch zu guten Kontakten zu den einzelstaatlichen Parlamenten bei.
Die Vorschläge lauten: mehr Transparenz, eine objektive Kontrolle der Folgenabschätzung, Grenzen für die Komitologie, mehr Einblick in die Komitologie und eventuell ein Rückrufrecht für das Europäische Parlament, sofern dazu Anlass besteht. Das sind die Bestandteile einer interinstitutionellen Vereinbarung, die nach meinem Dafürhalten erforderlich sind, damit diese Rechtsetzung tatsächlich in Gang kommt.
Arlene McCarthy (PSE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Als Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz begrüße ich diese gemeinsame Aussprache zur besseren Rechtsetzung sowie die Möglichkeit, mit Rat und Kommission zu erörtern, wie wir die Erfahrungen der Verbraucher, Bürger und Unternehmen auf dem Gebiet der Regulierung verbessern können, denn schließlich sind sie direkt von der Umsetzung der EU-Gesetze betroffen und müssen damit klarkommen. Das Vertrauen der Bürger, Verbraucher und Unternehmen in die EU hängt von ihren Erfahrungen mit den EU-Rechtsvorschriften und ihrer diesbezüglichen Wahrnehmung sowie den Auswirkungen der Vorschriften auf ihren Alltag ab.
Ich möchte mich darauf konzentrieren, wie wir die Rechtsetzung für den Binnenmarkt verbessern und gewährleisten können, dass wir bei unserer Rechtsetzung die Belange der Verbraucher am Binnenmarkt im Auge haben. Der Binnenmarkt macht fast ein Drittel des gemeinsamen Besitzstandes aus. Gute, effektive und einfache Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt sollten Möglichkeiten für den grenzüberschreitenden Handel eröffnen und Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten bieten. Gleichzeitig sollten sie dem Schutz der Umwelt sowie sozialer Rechte und der Rechte der Verbraucher dienen. Der Erlass der für den Binnenmarkt am besten geeigneten Gesetze ist zudem für die Erfüllung der Beschäftigungs-, Wachstums- und Wettbewerbsziele von Lissabon von entscheidender Bedeutung.
Meines Erachtens wird der Binnenmarkt vor allem von einem gemeinsamen und koordinierten Ansatz aller drei Institutionen bei der Verbesserung des gesamten Rechtsetzungszyklus profitieren. Das bedeutet, dass wir uns auch der Konsequenzen unserer mitternächtlichen Deals und Kompromisse bewusst sein und bedenken müssen, ob die Vorschriften für den Nutzer dadurch einfacher oder verwirrender werden. Das beginnt meiner Ansicht nach bereits beim klaren und guten Entwurf von Gesetzen und umfasst Folgenabschätzungen in hoher Qualität sowie die effektive, umfassende und transparente Konsultation von Betroffenen. Auch die Mitgliedstaaten müssen ihre Verantwortung ernst nehmen und dafür sorgen, dass Binnenmarktvorschriften gut und korrekt umgesetzt werden. Sie sollten nicht der Versuchung erliegen, Rechtsvorschriften der EU durch zusätzliche nationale Anforderungen zu verschärfen. Obwohl sich die Umsetzungsquoten verbessern, wie aus dem Binnenmarktanzeiger hervorgeht, bleibt noch sehr viel zu tun. Deshalb bitten wir um die Einführung eines zügigen Vertragsverletzungsverfahrens für Testfälle im Bereich des Binnenmarktes. Wir müssen aus Versäumnissen und Fehlern in Bezug auf die EU-Rechtsetzung lernen. Deshalb sind wir auch sowohl an Ex-ante- als auch vor allem Ex-post-Bewertungen und -Evaluierungen unserer Fehler und Versäumnisse interessiert. Wir müssen wissen, ob eine Regelung ihr Ziel erreicht oder möglicherweise zu Verzerrungen oder einer Zersplitterung des Binnenmarktes geführt hat.
Einige Kollegen sind der Ansicht, dass die Folgenabschätzung durch ein externes Gremium durchgeführt werden sollte. Ich bin anderer Ansicht. Ich glaube, die Binnenmarktvorschriften sollten in die Zuständigkeit der Kommissionsbeamten fallen und Teil der effektiven politischen Entscheidungsfindung sein. Der Binnenmarktausschuss besteht jedoch darauf, dass sämtlichen Legislativvorschlägen eine Qualitäts-Folgenabschätzung, eine Zusammenfassung sowie eine Checkliste zur besseren Rechtsetzung für Binnenmarktvorschläge beizufügen ist.
Viele Kollegen stehen der alternativen Regulierung sehr skeptisch gegenüber. Obwohl die Interinstitutionelle Vereinbarung diese nicht legislative Möglichkeit vorsieht, bestehen wir im Falle von Binnenmarktvorschriften darauf, dass das Parlament über alternative Ansätze dieser Art informiert und dazu konsultiert wird. Ihnen liegen Folgenabschätzungen zugrunde. Gleichzeitig müssen wir Rechtshilfe und Sanktionen für den Verbraucher gewährleisten, falls der erwartete Nutzen für den Verbraucher auf dem Binnenmarkt ausbleibt.
Ich möchte nachdrücklich auf den Beitrag des Binnenmarktausschusses als aktiver Partner beim Prozess der besseren Rechtsetzung verweisen. Ich weiß, dass die Kommissionsmitglieder dem Parlament häufig vorwerfen, es nehme seine Aufgaben nicht ernst. Wir waren der erste Ausschuss, der – unter dem Vorsitz von Herrn Whitehead – eine eigene Folgenabschätzung zu den Änderungsanträgen zum Bericht Toubon über Nennfüllmengen für Erzeugnisse in Fertigpackungen in Auftrag gegeben hat. Zum Pyrotechnik-Vorschlag führen wir eine Folgenabschätzung zu den von unserem Berichterstatter vorgeschlagenen Änderungsanträgen durch. Wir werden eine Kosten/Nutzen-Analyse seiner Änderungsanträge zu diesem Vorschlag prüfen. Wir führen eine Anhörung zu den Auswirkungen der Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen auf den Binnenmarkt durch. Das öffentliche Auftragswesen der Union repräsentiert 16 % des BIP der EU, trotzdem hatte das Gesetzespaket aus dem Jahre 1992 nicht die erhoffte Öffnung des Marktes zur Folge, wie eine Reihe von Fällen des Europäischen Gerichtshofes zeigt.
Eines muss klipp und klar festgestellt werden. Die Zeche für wirkungslose Gesetze zahlen die Verbraucher, die Bürger und die Unternehmen. Mängel bei der Ausarbeitung führen zu Rechtsunsicherheit und zu Fehlern und Unklarheiten bei der Umsetzung und letztlich zu Verwirrung beim Geschäftsmann oder Verbraucher, der das Vertrauen in den Binnenmarkt verliert. Nach jahrelangen Diskussionen hat der Europäische Gerichtshof das letzte Wort in puncto bessere Rechtsetzung. Das ist nicht der richtige Weg.
Abschließend ein Wort zu SOLVIT. Dieses Online-Netzwerk zur Problemlösung stellt meines Erachtens eine ausgezeichnete Initiative der Kommission dar. Es gab da den Fall eines entsprechend qualifizierten Arztes, der jahrelang versuchte, sich als Arzt in Spanien registrieren zu lassen. Er hatte bereits sehr viel Geld für Anwälte ausgegeben und das Vertrauen in den Binnenmarkt verloren. Doch SOLVIT schaltete sich ein und half ihm innerhalb von zehn Wochen, sich in Spanien als Arzt anzumelden. Der Arzt sagte: „SOLVIT hat mein Vertrauen in den Binnenmarkt wiederhergestellt.“
Folglich ist es so, dass gute Gesetze, die gut ausgearbeitet wurden, leicht um- und durchzusetzen sowie zu überwachen sind, die Voraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens in den Binnenmarkt darstellen. Ich hoffe, dass die heutige Aussprache den Anfang einer engen Zusammenarbeit bilden wird, die gekennzeichnet ist vom Austausch vorbildlicher Verfahrensweisen der als gleichberechtigte Partner eng kooperierenden Institutionen, um das Vertrauen her- bzw. wiederherzustellen, um das uns der von mir erwähnte Arzt als Verbraucher auf dem Binnenmarkt gebeten hat.
(Beifall)
Klaus-Heiner Lehne (PPE-DE), stellvertretender Berichterstatter. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich etwas zu drei Aspekten sagen, erstens zum Thema Vereinfachung: Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Europäische Parlament grundsätzlich hinter den Bestrebungen der Kommission steht, die Gesetzgebung zu vereinfachen. Aber ich will auch deutlich sagen, dass die Tücke hier wie in vielen anderen Fällen natürlich im Detail liegt und dass man aufpassen muss, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet.
Ich will auf ein Beispiel verweisen: Wenn ich zum Beispiel dem Dokument der Kommission entnehme, dass man das gesamte Handels- und Gesellschaftsrecht vereinfachen will, dann weiß ich als einer der ständigen Berichterstatter im Rechtsausschuss für dieses Themenfeld, dass viele Richtlinien und Regelungen, die wir dort gefunden haben, das Ergebnis höchst komplexer Kompromissverhandlungen gewesen sind und dass ein Vereinfachungsvorschlag immer das Risiko beinhaltet, dass die Büchse der Pandora aufgemacht wird und am Ende nach vielen Mühen erreichte Kompromisse wieder in Frage gestellt werden. Vor diesem Hintergrund muss man mit dem Instrument der Vereinfachung sehr sorgsam umgehen.
Deshalb bin ich der Ansicht, dass es durchaus sinnvoll ist, darüber nachzudenken, ob man nicht ähnlich wie bei der Kodifikation auch bei der Vereinfachung eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen den drei Organen erlässt, mit der die klare Vorgehensweise bei Vereinfachungsgesetzen festgelegt wird.
Ein zweiter Punkt, über den ich die Kommission nachzudenken bitte, ist die Frage der Prioritätensetzung bei Vereinfachungsvorschlägen. Richtlinien richten sich üblicherweise nicht an die Bürger, sondern an die nationalen Gesetzgeber, und die Praktiker müssen am Ende mit den Gesetzen umgehen, die auf nationaler Ebene erlassen werden. Von daher sollten Richtlinien nur nachrangig vereinfacht werden. Die Kommission sollte die Priorität auf Verordnungen legen, weil Verordnungen nun einmal unmittelbar anwendbares Recht sind und beim rechtsuchenden Publikum unmittelbar ankommen.
Zweiter Themenkomplex: Gesetzesfolgenabschätzung. Ich will noch einmal nachdrücklich betonen, dass aus der Sicht der Parlamentsmehrheit ein unabhängiges Element in der Gesetzesfolgenabschätzung zwingend notwendig ist. Das Parlament hat im Dezember in einem Bericht eine unabhängige Agentur nach amerikanischem Vorbild verlangt. Ich will für mich deutlich sagen, dass das für mich keine conditio sine qua non ist. Über so etwas kann man reden. Unverzichtbar für mich ist jedoch, dass es einen unabhängigen externen Faktor gibt, der an der Gesetzesfolgenabschätzung teilnehmen muss. Es kann nicht sein, dass die Beamten, die die Vorschläge machen, auch gleichzeitig alleine für die Gesetzesfolgenabschätzung verantwortlich sind, weil die Konsequenz dann die ist, dass diese Folgenabschätzung nichts anderes ist als Bestandteil der Begründung. Das ist nicht das, was wir wollen. Meines Erachtens ist es deshalb erforderlich, in dieser Frage zu einem vernünftigen Ergebnis mit der Kommission zu kommen.
Wir haben eine interinstitutionelle Vereinbarung seit Dezember 2003. In dieser Vereinbarung ist festgelegt, dass die Kommission grundsätzlich für das impact assessment verantwortlich ist. Das bedeutet aber auch, dass sie im Wesentlichen damit eine Verantwortung für den Gesetzgeber mit ausübt, also für Parlament und Rat, und deshalb glauben wir, dass wir als Parlament auch ein Mitspracherecht hinsichtlich der Art der Durchführung des impact assessment haben und haben sollten.
Das ist übrigens auch der Grund, weshalb wir innerhalb der Konferenz der Präsidenten die Beschlussfassung über die follow-up-Verwaltungsvereinbarungen zunächst einmal ausgesetzt haben, weil dies natürlich noch einmal verhandelt werden muss, auch im Lichte der Beschlüsse, die wir zu diesen hier vorliegenden vier Berichten im Mai dieses Jahres fassen werden.
Lassen Sie mich noch auf einen ganz aktuellen Punkt Bezug nehmen. Es gibt seit dem 16. März einen Vortrag der Generalanwältin Sharpston in dem Verfahren Spanien gegen den Rat, in dem sie in ihren Schlussanträgen ausdrücklich auch auf das impact assessment Bezug nimmt. Sie hat gesagt, wenn kein ausreichendes impact assessment vorgenommen wird, dann ist das ein Indiz dafür, dass der Rechtsakt willkürlich erlassen worden ist. Das beweist und belegt, dass sich auch der Gerichtshof zunehmend dieser Thematik annimmt.
Ich halte es für entscheidend – der Kollege Doorn hat schon darauf hingewiesen –, dass auch Komitologieentscheidungen einer Gesetzesfolgenabschätzung bedürfen. Es gibt eine Vielzahl von Beispielsfällen, wo der eigentliche bürokratische Wahnsinn in den Komitologieentscheidungen lag und nicht in der Gesetzgebung. Also bedarf es auch hier einer vernünftigen Gesetzesfolgenkontrolle.
Lassen Sie mich auf einen allerletzten Punkt kommen; er betrifft das dritte Thema: stake holder consultation, also Anhörung der Beteiligten. Die Kommission stützt sich in ihrer bisherigen Art und Weise, wie sie die Gesetzgebung vorbereitet, sehr stark auf die europäischen Dachverbände. Nichts gegen die europäischen Lobby-Dachverbände. Aber die Entscheidungsprozesse in diesen Dachverbänden sind manchmal komplizierter als im Ministerrat. Und das, was dort herauskommt, ist oftmals die Verdichtung des Konsens zum Nonsens. Ich glaube, wir brauchen noch andere Konsultationsmechanismen, mit denen man die Information unmittelbar von den Betroffenen bekommt, die im Arbeitsleben stehen und die entsprechend mit diesen Themen befasst sind. So könnte etwa der Konsultationsmechanismus, der im Netzwerk gefunden wurde, mit dem im Augenblick das europäische Vertragsrecht entwickelt wird und mit dem man einen begrenzten Teil von Leuten definiert hat, die man konsultiert, ein gutes Beispiel dafür sein, wie man diese Mechanismen verbessern kann.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident! Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, heute mit Ihnen über ein Thema zu diskutieren, das für Europa sehr wichtig ist. Ich weiß aus meinen eigenen, sehr intensiven Kontakten mit den Bürgerinnen und Bürgern in den letzten Monaten, dass das Thema Bessere Gesetzgebung und alles, was damit verbunden ist – vielleicht nicht als Schlagwort, viele Bürger wissen nicht, was sich dahinter verbirgt, aber als Prinzip –, eines der Themen ist, die die Bürger am allermeisten beschäftigen.
Das Programm der Kommission für dieses Jahr trägt ja bekanntlich zu Recht den Titel „Das ganze Potenzial Europas freisetzen“. Der Rat ist davon überzeugt, dass eine bessere Gesetzgebung entscheidend ist, um die Grundlage dafür zu schaffen. Unsere Gesetzgebung soll die Bürger unterstützen, nicht einengen. Dies gilt – wie bereits von Frau McCarthy gesagt wurde – für den Verbraucher; es gilt aber natürlich auch ganz besonders im Wirtschaftsleben, wo die Dynamik und Kreativität vor allem der kleineren und mittleren Unternehmen oft zu wenig gefördert wurde. Erst vor kurzem hat der Europäische Rat Signale und Impulse gesetzt, gerade die kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Wir wissen aus Studien, dass die Verwaltungsbelastung für Unternehmen und Bürger zwischen zwei und fünf Prozent des europäischen BIP ausmacht. Wir wollen daher durch Folgenabschätzung, Vereinfachung und Reduktion des Verwaltungsaufwandes eine deutliche Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erzielen.
Bessere Gesetzgebung ist ein Begriff, der in der letzten Zeit sehr oft verwendet wurde. Ich stimme hier durchaus mit Herrn Lehne überein, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten soll und dass dieser Begriff sehr oft auch etwas inflationär und etwas locker gebraucht wird, wobei auch nicht immer klar ist, was darunter zu verstehen ist. Ich begrüße es daher im Namen des Rates ganz besonders, dass sich das Parlament heute in nicht weniger als vier Berichten mit diesem Thema beschäftigt.
Der Ratsvorsitz sieht in der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung, die heute auch schon genannt wurde, weiterhin den Rahmen für unsere Zusammenarbeit. Wir beabsichtigen, in Zusammenarbeit mit dem künftigen finnischen Vorsitz, der Kommission und selbstverständlich mit Ihrem Haus die Agenda für die Reform des Regelungsrahmens weiter voranzubringen.
Ich möchte auf einige der Bereiche, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, etwas näher eingehen.
Zunächst zur Vereinfachung: Die Vereinfachung von EU-Vorschriften ist für Unternehmen und Bürger greifbar; daher ist es auch besonders effizient, wenn es uns gelingt, hier mehr Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Mit der Screening-Initiative von Kommissar Verheugen und den aktuellen Plänen für sektorale Vereinfachungen sowie weiteren horizontalen Vereinfachungsbemühungen sind wir auf dem richtigen Weg. Ich bin auch sehr beeindruckt, dass der Präsident und der Vizepräsident heute hier sind und an dieser Debatte teilnehmen, denn wir müssen – und das tun Rat und Kommission auch – dazu ermutigen, auf diesem Weg weiter voranzuschreiten. Denn hier tun wir etwas für größere Bürgernähe. Wie Sie wissen, steht die österreichische Präsidentschaft ein bisschen unter dem Motto „Europa wieder den Bürgern näher bringen“, und diese Initiativen, auch der Kommission, tragen sehr dazu bei. Sie tragen auch dazu bei, dass Europa bei der Erreichung der Lissabon-Ziele erfolgreich sein kann. Der Ratsvorsitz begrüßt, dass die Kommission im Bereich „Vereinfachung von bestehenden Rechtsvorschriften“ neben der generellen Durchforstung des Aquis auch plant, die Ergebnisse der Anstrengungen, die der Rat dazu unternommen hat, mit einzubeziehen.
Wir streben zusammen mit dem künftigen finnischen Vorsitz und der Kommission bessere Arbeitsmethoden für die Vereinfachung und eine möglichst effiziente Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Parlament an. Daher ist es auch nützlich, dass die Kommission den Rat jährlich über ihr Vereinfachungsprogramm unterrichtet. Wir schlagen auch vor, den Vereinfachungsdossiers in den Tagesordnungen Priorität einzuräumen und dass Rat und Parlament anstreben, Vereinfachungsdossiers wenn möglich in erster Lesung anzunehmen.
Die Verwaltungsbelastungen – die auch bereits angesprochen wurden – sind natürlich für die Betroffenen direkt messbar und haben unmittelbare Wirkungen. Wir benötigen dazu Instrumente im europäischen Bereich. Diese Instrumente gibt es, nun müssen wir sie aber auch benutzen. Die Ratspräsidentschaft arbeitet derzeit ein Papier zur Vorgabe von quantitativen Zielen in diesem Bereich aus.
Als drittes Thema möchte ich mich der Frage der Wahl des Rechtsinstruments widmen. Denn bei allen Bemühungen um eine bessere Rechtsetzung dürfen wir einige wichtige Aspekte nicht aus den Augen verlieren: das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wir müssen aber gleichzeitig darauf achten, dass der gemeinschaftliche Besitzstand gewahrt bleibt. Wir wünschen uns ein besseres Europa, aber wir wünschen uns nicht weniger Europa.
Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind zentrale „Handlungsanleitungen“ der Institutionen bei der Ausübung von Unionskompetenzen und daher integraler Bestandteil der besseren Rechtsetzung.
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit spielen auch eine zentrale Rolle bei der Wahl des Rechtsinstruments. Bei der Durchführung von Folgenabschätzungen sind mehrere Handlungsalternativen zu prüfen; darunter eben auch die Option, nicht im Rahmen der Union, sondern auf untergeordneter Ebene tätig zu werden.
Umgekehrt können aber auch Verordnungen im Interesse der rechtlichen Klarheit und des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts angemessener sein als Richtlinien – auch das wurde heute schon angesprochen. Insgesamt ist es entscheidend, jeweils im Einzelfall das Handlungsinstrument auszuwählen, mit dem Europa das Ziel der Regelung am besten erreichen kann. Daher gibt es in der Praxis einen engen Zusammenhang zwischen qualitativ hochwertigen Folgenabschätzungen und der effektiven Anwendung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
Auch Rat und Parlament sind bereits – auf der Grundlage der Interinstitutionellen Vereinbarung – verpflichtet, im politischen Entscheidungsfindungsprozess umfassend auf die Folgenabschätzungen der Kommission zurückzugreifen. Diese Folgenabschätzungen der Kommission bieten sich daher auch als Grundlage für eine aktive Diskussion des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an. Ich darf hier noch einmal erwähnen, dass wir zur Vertiefung dieser Diskussion am 18. und 19. April in Österreich eine Konferenz zur Subsidiarität veranstalten wollen, bei der wir auch auf wertvolle Beiträge aus Ihrem Haus hoffen.
Die Folgenabschätzungen müssen – wie auch allgemein heute unterstrichen wurde – in bestmöglicher Qualität erstellt und dann auch im Verhandlungsprozess genutzt werden. Die österreichische Ratspräsidentschaft wird eine Art Handbuch für Vorsitzende von Ratsarbeitsgruppen mit dem Titel „How to Handle Impact Assessments in Council“ vorlegen.
Wir wollen auch die interinstitutionelle Zusammenarbeit weiter fördern, insbesondere bei der Folgenabschätzung für bedeutende Abänderungsvorschläge durch den Rat und bei der konsistenten Anwendung der vereinbarten Vorgangsweise in allen drei Organen. In diesem Zusammenhang erwarten wir mit großem Interesse die Überprüfung der Folgenabschätzung der Kommission, die für dieses Frühjahr angekündigt wurde.
Der Ratsvorsitz teilt insgesamt die Ansicht des Europäischen Parlaments, dass qualitativ hochwertige Folgenabschätzungen wesentliche Voraussetzung für einen verbesserten Regelungsrahmen sind.
Die Einbindung – auch das wurde schon erwähnt – der so genannten stake holders im Rahmen von Konsultationsprozessen ist wichtig für mehr Transparenz. Die Betroffenen müssen über Konsultationsmöglichkeiten umfassend informiert werden, ihre Meinung muss in die Politikerstellung einfließen, und sie müssen darüber auch wirksames Feedback erhalten.
Schließlich noch ein Wort zur Transparenz: Wichtig für die Akzeptanz unserer Entscheidungen bei den Bürgerinnen und Bürgern ist nicht nur, dass wir verständliche und einfache Gesetze machen, sondern dazu gehört auch, dass wir besser erklären, wie Entscheidungen zustande kommen. Der Weg zur Beschlussfassung soll für die Öffentlichkeit so transparent wie möglich sein. Unser Bundeskanzler hat es in seiner Vorstellung des österreichischen Ratsprogramms gesagt, und auch ich habe es bereits bei mehreren Gelegenheiten betont: Der österreichischen Ratspräsidentschaft sind weitere Fortschritte in der Frage der Transparenz wichtig. Erste Schritte sind gesetzt durch Beschlüsse, die im vergangenen Dezember gefasst wurden. Auf dieser Basis versuchen wir nun, dies in die Praxis umzusetzen und, wenn möglich, auch noch weitere Schritte aufzuzeigen, wie wir zu mehr Transparenz kommen sollen.
Wie ich zu Beginn gesagt habe: Die Bessere Gesetzgebung ist ein Projekt, das die Bürgerinnen und Bürger, das uns alle direkt angeht. Wenn wir hier erfolgreich sind, können wir gemeinsam einen konkreten Mehrwert schaffen und den Bürgerinnen und Bürgern den Nutzen der Europäischen Union wieder deutlicher machen.
VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN Vizepräsidentin
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die europäischen Rechtsvorschriften stehen im Mittelpunkt all dessen, was die Einzigartigkeit der Europäischen Union ausmacht, denn wir sind eine Rechtsgemeinschaft. Ohne das Recht wären wir abhängig von ständigen Verhandlungen, von den Kräfteverhältnissen zwischen den Mitgliedstaaten oder ansonsten vom guten Willen – rein theoretisch –, von der Zusammenarbeit und der Bereitwilligkeit. Wir wollen keine Gemeinschaft, die auf Willkür oder freiem Ermessen beruht. Wir wollen eine Rechtsgemeinschaft. Nur das Recht kann die Freiheiten garantieren, über die die Europäer und Europäerinnen heute verfügen.
Ich halte dies für ein Grundprinzip und möchte hier eine persönliche Bemerkung einfügen. Vor drei Tagen habe ich am Europäischen Hochschulinstitut Florenz einen Vortrag, den Jean-Monnet-Vortrag, gehalten, in dem es gerade um meine Auffassung vom Recht in der Europäischen Union ging. Ich glaube, diese Grundsätze einer Rechtsgemeinschaft, wie sie unsere Gemeinschaft ist, müssen mehr denn je bekräftigt werden. Sie machen den Unterschied zu anderen Vorhaben auf internationaler Ebene aus.
Wir erlassen Rechtsvorschriften aus zahlreichen Gründen, so z. B. zum Schutz der Gesundheit durch Überwachung der Nahrungsmittelsicherheit, zum Schutz der Umwelt durch Festlegung von Normen für die Luft- und die Wassergüte, zur Festlegung von Regeln für die auf dem Binnenmarkt agierenden Unternehmen, damit sie mit gleichen Waffen gegeneinander antreten und jede Diskriminierung ausgeschlossen ist.
Wir erlassen Rechtsvorschriften auf der Ebene der Europäischen Union, weil die Mitgliedstaaten sich darauf geeinigt haben, dass bestimmte Maßnahmen im Gemeinschaftsmaßstab getroffen werden sollen. Konkret handelt es sich darum, eine einzige unionsweit geltende Regel an die Stelle von 25 einzelstaatlichen Regeln zu setzen. Allerdings müssen wir darauf achten, dass die europäischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften einen Mehrwert erbringen, d. h. sie müssen zielführend sein, dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechen, ordnungsgemäß angewendet werden und in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen. Die angenommenen Bestimmungen dürfen weder unverhältnismäßig sein, noch über das unbedingt Erforderliche hinausgehen. Zu vermeiden sind Regeln, mit denen zu viel vorgeschrieben wird, die unbegründete Ausgaben verursachen oder sich als kontraproduktiv erweisen können.
Beseitigt werden muss auch die Überschneidung von Regeln, die sich mit der Zeit überlagern, was für die Unternehmen, die Vereine, die öffentlichen Behörden und die Bürger nachteilig ist.
Ich möchte das Europäische Parlament beglückwünschen, dass es die ausgezeichnete Initiative zu dieser Aussprache zum Thema „Bessere Rechtsetzung“ ergriffen hat. Sie gibt uns Gelegenheit, diese Frage in kohärenter Weise zu prüfen. Lassen Sie mich Frau Frassoni, Herrn Doorn, Frau McCarthy und Herrn Gargani, der heute von Herrn Lehne vertreten wird, für ihre ausgezeichnete Arbeit und für ihre Berichte danken.
Um die Qualität unserer legislativen Initiativen wirklich zu beeinflussen, brauchen wir ein Maßnahmepaket und ein überzeugendes Leitprinzip. Dies geht eindeutig aus den einzelnen Berichten hervor, die, wie ich meine, eine solide Grundlage für unseren Meinungsaustausch darstellen. Diese Berichte sowie unsere Reaktion darauf beweisen, dass unsere beiden Institutionen in den letzen Jahren ein gutes Stück vorwärts gekommen sind. Zu der Notwendigkeit einer besseren Rechtsetzung und der Formulierung besserer Regeln besteht ein wirklicher Konsens. Unsere Rechtssetzungsaktivität ist ein fortlaufender Prozess. Wir müssen zusammenarbeiten, damit alle unsere politischen Entscheidungen in Rechtsvorschriften von hoher Qualität umgesetzt werden. Und in diesem Zusammenhang möchte ich sämtliche Initiativen begrüßen, die die österreichische Präsidentschaft in dieser Beziehung ergriffen hat.
Wie wollen wir diese Herausforderung bewältigen? Zugegebenermaßen müssen noch alle Stadien des Prozesses verbessert werden, angefangen von den bereits verabschiedeten Rechtsakten über die noch in Beratung befindlichen Vorschläge bis hin zu den neuen Initiativen. Aus diesem Grund hat die Kommission ein umfassendes Konzept zur besseren Rechtsetzung eingeführt, das mehrere Maßnahmen umfasst: ein System zur Folgenbewertung für die wichtigsten Vorschläge der Kommission; ein Programm zur Vereinfachung der geltenden Gesetzgebung und zur Rücknahme einer Reihe von dem Parlament und dem Rat zur Beratung vorliegenden Kommissionsvorschlägen; der häufigere Einsatz von anderen Mitteln zur Problemlösung als die übliche Gesetzgebung, wie beispielsweise die Selbstregulierung durch die Betroffenen oder die Koregulierung zusammen mit dem Gesetzgeber. Alle diese Maßnahmen erbringen heute greifbare Ergebnisse.
(EN) Werfen wir einen Blick auf die Folgenabschätzung. Die Kommission hat 2003 ein System eingeführt, mit dem sie die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer wichtigsten Vorschläge prüfen kann. Seit Einführung eines integrierten Ansatzes wurden 120 Folgenabschätzungen veröffentlicht. Wir haben zudem unsere Leitlinien aktualisiert, um den Mitarbeitern die Prüfung von Optionen und Auswirkungen – beispielsweise auf die Wettbewerbsfähigkeit – zu erleichtern und die Aufmerksamkeit auf Fragen wie die Kosten für einen zu hohen Verwaltungsaufwand zu lenken. Das ist Ausdruck eines grundlegenden Strategie- und Sinneswandels. Meines Erachtens ist das ein echter Fortschritt. Wir wissen, dass die Folgenabschätzungen noch nicht alle den gleichen Anforderungen genügen. Wir wissen, dass es noch Reserven gibt. Uns ist klar, dass die Qualität verbessert werden kann und die Qualitätskontrollmechanismen gestärkt werden müssen, wie in Herrn Doorns Bericht im Namen des Rechtsausschusses festgestellt wird.
Ich unterstütze die Forderung nach einer gesonderten Kontrolle der Folgenabschätzungen; sozusagen nach dem „Vieraugen-Prinzip“. Wir arbeiten an einem umfassenden Ansatz. Zunächst müssen wir dafür sorgen, dass wir unsere Folgenabschätzungen ordnungsgemäß anlegen. Wie im März 2005 versprochen, richten wir ein Netz von technischen und wissenschaftlichen Experten ein, das uns helfen soll, Verfahren zu erarbeiten, mit den wir gewährleisten wollen, dass Folgenabschätzungen umfassend und in hoher Qualität vorgenommen werden. Das System wird derzeit extern evaluiert, um unsere Stärken und Schwächen zu ermitteln. Außerdem sind die Verfasser von Folgenabschätzungen auf Feedback angewiesen, um zu wissen, ob sie gute Arbeit geleistet haben. Deshalb bildet die Konsultation einen festen Bestandteil des Folgenabschätzungsprozesses. Das ist auch einer der Gründe dafür, weshalb alle Folgenabschätzungen der Kommission auf der Europa-Webseite veröffentlicht werden.
Was die Qualitätskontrolle der einzelnen Folgenabschätzungen betrifft, so teile ich die Ansicht, dass die Dienste, die Rechtsakte vorschlagen, einer unabhängigen Kontrolle unterzogen werden sollten. Die beste Garantie für ein unparteiisches Vorgehen wäre meines Erachtens die Durchführung derartiger Kontrollen unter der Aufsicht des Kommissionspräsidenten. Ich habe den Generalsekretär der Kommission gebeten zu prüfen, wie Qualitätssicherung und -kontrolle weiter verbessert werden können.
Aber ich möchte unterstreichen, dass wir in Bezug auf Folgenabschätzungen wesentlich enger mit Ihnen zusammenarbeiten müssen. Ich begrüße die jüngste Vereinbarung über einen gemeinsamen Ansatz bei Folgenabschätzungen. Dieses Paket von Vorschriften für Folgenabschätzungen in allen drei Institutionen ist ein wichtiger Schritt nach vorn: es wird unsere Zusammenarbeit erleichtern und zur Vermeidung von Überschneidungen beitragen.
Ich komme jetzt zur Vereinfachung. Dabei haben wir gute Fortschritte erzielt. Das von uns im vergangenen Jahr angenommene Aktionsprogramm sieht die Aufhebung, Kodifizierung, Neufassung oder Modifizierung von etwa 220 Rechtsakten vor, die sich auf eine Vielfalt von Politiken erstrecken. Das Programm, das in der Automobilbranche, der Abfallwirtschaft und im Bauwesen bereits angelaufen ist, wird in Konsultation mit den Betroffenen überprüft und aktualisiert. Weitere Sektoren wie Lebensmittel, Kosmetik, Pharmaka und Dienstleistungen werden folgen. Wir sind auf Ihre Zuarbeit angewiesen, damit wir die richtigen Ziele festlegen und die besten Ergebnisse sichern können.
Wichtig ist, dass Rat und Parlament bei der Annahme von Vereinfachungsvorschlägen an Tempo zulegen. Wenn ich Ihre Berichte recht verstehe, dann sind wir uns im Wesentlichen darüber einig, was wir erreichen wollen. Jetzt gilt es, die Ärmel hochzukrempeln, uns einen Überblick zu verschaffen und ergebnisorientierte Arbeit zu leisten.
Den Verwaltungsaufwand haben wir ebenfalls ins Visier genommen. Er stellt gerade für den Mittelstand eine große Belastung dar. Hier gilt es, Formulare zu vereinfachen und den Zollkodex zu modernisieren, um den elektronischen Informationsaustausch zu erleichtern. Wir nehmen die Messung von Verwaltungskosten in unsere Folgenabschätzungen auf. Rat und Parlament müssen bei der Vorlage von Änderungsanträgen stets den Verwaltungsaufwand im Auge behalten.
Wir müssen ferner neue Ansätze bei der Regulierungstätigkeit erproben und die Möglichkeit der Ko-Regulierung und der Selbstverwaltung in Betracht ziehen. Wir können beispielsweise enger mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und darauf hinwirken, dass bestimmte Ergebnisse auf freiwilliger Grundlage erzielt werden.
Ich verstehe Ihre Bedenken in Bezug darauf, dass Sie nicht genug in die Erarbeitung von nichtlegislativen Ansätzen einbezogen sind, sehr gut. Ich akzeptiere voll und ganz, dass in Fällen, in denen derartige Ansätze die beste Lösung zu sein scheinen, Wege gefunden werden sollten, um das Parlament in deren Erarbeitung und Umsetzung zu integrieren.
Abschließend möchte ich auf die Anwendung des Gemeinschaftsrechts eingehen, die für die Kommission eine wichtige Priorität darstellt. Ich möchte Sie bitten, einen Blick auf die Schlussfolgerungen unserer heutigen Kollegiumstagung zu werfen. Wir haben 2055 Fälle von Vertragsverletzungen analysiert. So hat die Kommission heute entschieden. Manchmal sind die Entscheidungen sehr schwierig, und wir erwarten, dass einige Mitgliedstaaten reagieren. Ich hoffe, Sie unterstützen das Engagement dieser Kommission für Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.
Unsere Gesetze müssen ordnungsgemäß angewendet und umgesetzt werden, andernfalls sind unsere Anstrengungen als Gesetzgeber und Politiker vergeblich. In dem Maße, in dem sich immer mehr Politikbereiche etablieren, sollten wir eine Verlagerung des politischen Interesses und der Ressourcen in Richtung Umsetzung feststellen. Auch darin sieht diese Kommission ein vorrangige Aufgabe. Dieses gesamte Programm der besseren Rechtsetzung einschließlich der Umsetzung hat sich für diese Kommission zu einem Flaggschiff entwickelt, das mir wie auch Vizepräsident Verheugen sowie dem gesamten Kollegium stark am Herzen liegt. In unserer Eigenschaft als Kommission müssen wir für eine effiziente Durchführung von Vertragsverletzungsverfahren sorgen. Ich bin mir bewusst, dass die Durchführung einzelner Vertragsverletzungsverfahren beschleunigt werden muss. Wir müssen Wege finden, um rascher auf die Probleme zu reagieren, denen sich unsere Bürger im Geschäftsleben gegenübersehen. Wir sollten uns gemeinsam mit diesen allgemeinen Fragen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts befassen und nach konstruktiven Antworten suchen. Ich gehe davon aus, dass die Kommission Ihnen noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge unterbreiten wird.
Meines Erachtens kommen die heute zur Diskussion stehenden Berichte bezüglich dessen, was getan werden muss, zum gleichen Ergebnis. Wir haben den Grundstein gelegt, und jetzt geht es darum, unsere Verpflichtung einzulösen. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit den Beweis dafür antreten können, dass Europa kein Synonym ist für Bürokratie und unnötige Belastungen, sondern für die Vertretung der Interessen unserer Bürger. Ich glaube, dass es uns durch unsere Zusammenarbeit gelingen kann, eine auf den Grundsätzen des Rechts basierende Gemeinschaft zu stärken.
(Beifall)
Ieke van den Burg (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (NL) Ich kann mich Herrn Barrosos Ausführungen im letzten Teil seiner Rede voll und ganz anschließen. Im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung habe ich eine Stellungnahme zu Herrn Doorns Bericht verfasst. Ich möchte ihn zu seinem Bericht beglückwünschen und ihm auch dafür danken, dass er die einzelnen Passagen, die wir im Ausschuss für Wirtschaft und Währung aufgrund unserer Erfahrungen in die Stellungnahme hatten einfließen lassen, fast zur Gänze übernommen hat.
Zugleich möchte ich Herrn Winkler beipflichten und leicht abgewandelt darauf antworten: bessere Rechtsetzung bedeutet nicht immer weniger Rechtsetzung oder Deregulierung, sondern eine effektivere Rechtsetzung, die speziell auf das Ergebnis und Endergebnis ausgerichtet ist. Dieser Zyklus der Vorbereitung, Beratung, Formulierung von Rechtsvorschriften, Folgenabschätzung und anschließenden Durchführung und Umsetzung wurde mehrfach erwähnt. In unserer Stellungnahme habe ich den Standpunkt vertreten, wir sollten im Grunde hinten beginnen und den Prozess aus dieser Perspektive betrachten. Wie können wir dem Prozess zu mehr Effektivität verhelfen, und welche Vorschriften müssen wir darauf aufbauend festlegen?
Als schlechtes Beispiel dafür, wie dies versäumt wurde, wie nicht darüber nachgedacht wurde und wie die Beteiligten nicht in die Vorbereitungsphase einbezogen wurden, gilt die Dienstleistungsrichtlinie, die wir gerade eben in ihrer ursprünglichen Fassung diskutiert haben. Erfreulicherweise wurde diese Richtlinie jetzt durch das Parlament geändert.
Ich möchte auch positive Beispiele aus eben dieser Generaldirektion Binnenmarkt anführen. Insbesondere auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen wurde dort von dem Ausschuss der Weisen, der Lamfalussy-Gruppe, eine Praxis entwickelt und vorgeschlagen, die wir als Lamfalussy-Verfahren bezeichnen. In diesem Rahmen sollte tatsächlich denjenigen, die die Rechtsetzung in der Praxis anwenden, nämlich den Aufsichtsbehörden, den Marktteilnehmern, den Verbrauchern und den Anwendern, die an diesem Verfahren beteiligt sind, ein weitaus größeres Mitspracherecht in Bezug auf den Inhalt der Rechtsvorschriften eingeräumt werden. Dieses Beispiel haben wir auch dazu genutzt, es anderen zu demonstrieren, und eben das möchten wir in dieser Diskussion noch einmal klar und deutlich sagen. Probleme bereiten uns zwar das Rückrufrecht und die Verantwortlichkeit des Parlaments als Mitgesetzgeber, das überwachen zu können, was letztendlich herauskommt, aber das Verfahren an sich befürworten wir uneingeschränkt.
Pervenche Berès (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (FR) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratsvorsitzender, meine Herren Kommissare! Diese Aussprache ist von grundlegender Bedeutung. Letztlich geht es darin um das Monopol der Kommission für legislative Initiativen. Denn ob es sich um better regulation oder law making handelt, ausschlaggebend ist die Art und Weise, in der die Gesetzesinitiative ergriffen wird. Und wenn der Kommission durch die Verträge das Initiativmonopol übertragen worden ist, dann weil sie das Allgemeininteresse vertreten soll. Sie muss jene Fähigkeit aufweisen, nicht nur einfach das Sprachrohr der einzelnen betroffenen Wirtschaftszweige zu sein, sondern alle diejenigen zu vertreten, die sich nicht unbedingt selbst organisieren können. In diesem Sinne sind wir meiner Meinung nach alle überzeugt, dass eine bessere Rechtsetzung zwar wichtig für die Wirtschaft ist, doch dass sie sich zuweilen auch in mehr Rechtsvorschriften äußern muss. Und dies hat Ihnen das Parlament ganz klar zu verstehen gegeben, Herr Barroso, als Ihre Kommission vorschlug, 68 Textvorlagen zurückzuziehen, und wir, beispielsweise im Falle der Gegenseitigkeitsgesellschaften, ganz eindeutig unterstrichen haben, wie notwendig eine gesetzgeberische Maßnahme ist.
Im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung habe ich eine Stellungnahme zum Bericht von Herrn Gargani verfasst, der sich mit der Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds befasst, und in diesem Zusammenhang möchte ich drei Anmerkungen machen.
Erstens müssen wir darauf achten, dass sich in diesem Bereich hinter jeder technischen Frage natürlich eine politische Frage des Inhalts verbirgt: Was vereinfacht man? Welcher gemeinschaftliche Besitzstand wird hinter der Vereinfachung geschaffen?
Zweitens, einige sind zuweilen der Auffassung, dass bessere Rechtsetzung gleichbedeutend mit Selbstregulierung ist. Im Rahmen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung haben wir mit den Rechnungslegungsstandards das Musterbeispiel einer Situation, in der aufgrund des Fehlens einer genauen demokratischen Kontrolle zuweilen gefährliche Fehlentwicklungen auftreten können.
Drittens und letztens muss das Streben nach Vereinfachung auch zur Einführung einer besser konzipierten Rechtsetzung führen, bei der das Parlament die Grundsätze festlegt und der Rest der Komitologie überlassen bleibt. Wie Sie wissen, befürworten wir ein solches Konzept voll und ganz, wenn es auf einer Komitologievereinbarung beruht, in der die diesbezüglichen Rechte des Mitgesetzgebers, d. h. des Europäischen Parlaments, umfassend anerkannt werden.
Eoin Ryan (UEN), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (EN) Frau Präsidentin! Mitgliedstaaten, die den Protektionismus als positive politische Option anpreisen, geben den Protektionismus als Patriotismus aus oder fürchten sich nicht etwa davor, was einmal aus Europa werden könnte, sondern was es bereits ist: eine Wirtschaft auf der Grundlage des freien Handels und des Wettbewerbs. Als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung und als Verfasser einer Stellungnahme zur besseren Rechtsetzung bin ich der festen Überzeugung, dass die Ankurbelung des Wettbewerbs durch eine Reform der Rechtsvorschriften jenen Anreiz darstellt, den Europa zur Steigerung seiner Produktivität braucht.
Meiner Ansicht nach ist es dringend erforderlich, dass bei künftigen Prüfungen der Auswirkungen von Rechtsvorschriften der sich ständig verschärfende globale Wettbewerb in Betracht gezogen werden muss. Ich schlage der Kommission vor, in sämtliche neuen Rechtsvorschriften eine Revisionsklausel aufzunehmen, um zu gewährleisten, dass die Europäische Union flexibler auf den globalen Trend der sich wandelnden Märkte reagieren kann. Außerdem sollten nach Maßgabe der Vereinbarung über bessere Rechtsetzung Alternativen für die Einführung von Rechtsvorschriften geprüft werden. Zudem sollten Maßnahmen wie etwa eine stärkere Konsultation und Verfahren zur beschleunigten Beilegung von Rechtsstreitigkeiten in Betracht gezogen werden.
Das Hauptziel sämtlicher Rechtsvorschriften sollte darin bestehen, dass der Binnenmarkt ohne grenzüberschreitende Behinderungen funktionieren und zum Wachstum der Industrie beitragen kann. Deshalb müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die aus umfangreichen Einsparungen im Zuge von Zusammenschlüssen und Übernahmen resultieren. Meines Erachtens sollte die Kommission dringend konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Kosten zu senken, die den Unternehmen dadurch entstehen, dass sie die Anforderungen von 25 verschiedenen nationalen Systemen erfüllen müssen. Ich begrüße die Einführung eines Aktionsplans für Finanzdienstleistungen. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser 42 Richtlinien nachlassen. Mangelt es am erforderlichen Engagement, so sind Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen zu beschließen.
Nur wenn die Kohärenz und die Umsetzungsquote verbessert werden, besteht die realistische Chance, dass die Ziele von Lissabon erreicht und die mit der Globalisierung verbundenen Herausforderungen bewältigt werden können. Jeder muss erkennen, dass die Globalisierung eine feste Größe ist, vor der keiner davonlaufen kann. Es ist politisch und wirtschaftlich völlig inakzeptabel, dass einige Mitgliedstaaten versuchen, zu protektionistischen Maßnahmen zu greifen. Irische wie auch andere europäische Unternehmen bemühen sich, den Binnenmarkt Realität werden zu lassen und sich den mit der Globalisierung verbundenen Herausforderungen zu stellen. Sie sollten dabei nicht von Regierungen behindert werden, die sich den Protektionismus auf die Fahnen geschrieben haben.
Mihael Brejc (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. – (SL) Ich unterstütze die Bemühungen der Kommission und aller anderen für eine bessere Rechtsetzung und für eine bessere Formulierung europäischer Rechtstexte, und trotzdem bedauere ich zugleich, dass der Verfassungsvertrag nicht angenommen worden ist. Ich bedauere dies besonders deshalb, weil wir mit dem Verfassungsvertrag einen sehr guten transparenten Rechtsrahmen erarbeitet hatten, der uns eine weitere Möglichkeit zur Beschleunigung des Prozesses der Ratifizierung des Verfassungsvertrags eröffnet.
Heute erwähnte Herr Barroso die Bereiche, die einer weiteren Überprüfung bedürfen. Er sollte auf diese Liste auch den Terrorismus setzen. Auf dem Gebiet des Terrorismus haben wir bereits 58 Verordnungen, Richtlinien und so weiter verabschiedet – davon befinden sich 27 in der Phase des Entwurfs, und etwa 15 sollen noch folgen. Kurz gesagt, unser Rechtsrahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ist überaus intransparent. Ich finde mich dort nicht zurecht, und ich hoffe, Terroristen können sich bei diesem Durcheinander ebenso wenig orientieren.
Europa leidet unter mindestens zwei Formen des Idealismus. Der erste ist normativer Idealismus: wenn ein bestimmter Bereich nicht reguliert ist, meinen wir, mehr Regulierung werde das Problem lösen. In der Folge darf diese Regulierung über jedes Maß hinaus ausgedehnt werden. Der zweite ist organisatorischer Idealismus: wenn wir denken, ein Gebiet müsse besser reguliert werden, schaffen wir eine Institution. Letztens wurde eine Institution für Chancengleichheit eingerichtet, zuvor war es eine für die Menschenrechte. Als böten sie eine Garantie für mehr und bessere Regulierung.
Das sind Illusionen, die niemals Realität werden. Die Kommission täte also besser daran zu prüfen, wie diese Bereiche reguliert sind, und selbstverständlich, wie sie sich auf die Menschen auswirken. Die Leute fragen sich, ob wir wirklich diese Fülle von Rechtsvorschriften, Institutionen usw. haben müssen. Außerdem bin ich nicht der Ansicht, dass die Kommission neue Einrichtungen zur Überwachung von Rechtsakten und zur Revision ihrer Entwürfe braucht, denn wir haben ein Parlament, das diese Rolle wirklich gut ausfüllen kann.
Zum Schluss möchte ich anmerken, dass die Organe der EU im Ansehen der Bevölkerung nicht durch eine Vielzahl von Verordnungen, Richtlinien usw. steigen, sondern durch transparentes Handeln zugunsten der Menschen und zur Stärkung des europäischen Gedankens.
Marie-Line Reynaud (PSE), Berichterstatterin des mitberatenden Ausschusses für konstitutionelle Fragen. – (FR) Frau Präsidentin, ich möchte Herrn Gargani für die Eindeutigkeit und die Bestimmtheit seines Berichts danken. Ich bin erfreut darüber, dass ein großer Teil meiner Stellungnahme aufgenommen worden ist und sein Bericht die beiden Ziele enthält, die ich befürwortet hatte, d. h. erstens die Betonung der Tatsache, dass die Vereinfachung zwar notwendig ist, doch nicht auf beliebige Art und Weise durchgeführt werden darf, und zweitens die Bekräftigung des Willens des Parlaments, sich voll an der Vereinfachungsstrategie zu beteiligen. Wir können jede Initiative, die das ordnungspolitische Umfeld verständlicher und kohärenter macht, nur begrüßen.
Es ist in der Tat unmöglich, weiterhin mit einem Besitzstand von über 80 000 Seiten zu arbeiten. Wie will man unter diesen Bedingungen zu den Bürgern noch glaubwürdig von Zugänglichkeit und Transparenz sprechen? Daher ist die Vereinfachungsstrategie prinzipiell zu unterstützen. Sie muss dazu führen, dass wir künftig über leichter anzuwendende und weniger kostenaufwändige gemeinschaftliche wie einzelstaatliche Normen verfügen. Allerdings weist diese Vereinfachung auch eine Reihe von Grenzen und sogar Gefahren auf, weswegen Wachsamkeit geboten ist. In diesem Bericht wird insbesondere darauf verwiesen, dass die Vereinfachung nicht zu einer Absenkung der Standards führen darf, dass es Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung der Interinstitutionellen Vereinbarung über die Neufassung gibt und daher die geltenden Regeln klarer gefasst werden müssen, um Kompetenzstreitigkeiten und verfahrenstechnische Blockaden zu vermeiden. In dem Bericht wird ebenfalls der Willen des Parlaments klar bekräftigt, sich voll und ganz an der Vereinfachungsstrategie zu beteiligen, und die Notwendigkeit der Wahrung der Rechte des Parlaments ebenso wie die Frage der Anpassung seiner Geschäftsordnung hervorgehoben, denn die Vereinfachung kann nicht ohne jegliche demokratische Kontrolle, insbesondere nicht ohne die Kontrolle durch das Parlament, stattfinden.
Weiterhin muss das Parlament im Rahmen der Vereinfachung über die Verbesserung seiner internen und legislativen Verfahren nachdenken. Diese Frage wird Gegenstand eines besonderen Berichts sein, dessen Erarbeitung mir übertragen wurde. Was schließlich die alternativen Regulierungsverfahren betrifft, bin ich sehr erfreut darüber, dass in diesem Bericht eine genaue Festlegung ihrer Grenzen und Bedingungen gefordert wird, denn es ist von großer Wichtigkeit, in diesem Bereich Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Diana Wallis (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Petitionsausschusses. – (EN) Frau Präsidentin! Die Rechtsvorschriften bestehen aus Richtlinien und Verordnungen, und vor allem sie sind es, die unsere Bürger als das Ergebnis unserer Tätigkeit wahrnehmen. Die Rechtsvorschriften sind sozusagen unser wichtigstes Produkt. Doch die Rechtsetzung, vor allem auf europäischer Ebene, ist ein Prozess – ein langwieriger Prozesse – und kein Endpunkt. Die verschiedenen Berichte, über die wir heute diskutieren sind Ausdruck dieses Kontinuums. Da sind der Bericht Doorn und der Bericht Frassoni, wobei sich der erstgenannte Bericht auf die Rechtsetzung und die Subsidiarität konzentriert und der zweite auf die Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Doch unsere Bürger sollten von Anfang bis Ende in diesen Prozess einbezogen werden. Sie sollten uns helfen, den Themenkatalog auszuwählen, ihre Interessen bekunden und uns im Verlaufe des Entscheidungsprozesses informieren, und sie sollten das Endprodukt auf Herz und Nieren prüfen.
Im Mittelpunkt des Berichts Doorn steht der Einsatz von Folgenabschätzungen. Das ist wirklich zu begrüßen. Aber dabei müssen wir vorsichtig vorgehen. Folgenabschätzungen können nicht die politische Entscheidungsfindung ersetzen. Wir brauchen natürlich umfassende Informationen von allen Seiten und zu allen Aspekten, nicht nur zu den Auswirkungen auf die Privatwirtschaft. Dann können wir als Mitgesetzgeber entscheiden, aber es muss unsere Entscheidung sein und nicht die von Experten, Technokraten, Betroffenen oder Lobbyisten. Gebt uns alle Informationen in möglichst ausgewogener Form, dann können wir in völlig transparenter Weise eine politische Entscheidung treffen, für die wir die Verantwortung übernehmen. Keine noch so vielen Folgenabschätzungen und erneuten Folgenabschätzungen sollten die Demokratie ersetzen.
Ich komme jetzt zu einem der Hauptanliegen des Petitionsausschusses. Das ist vielleicht der Ausschuss in diesem Haus, der den Bürgern am nächsten ist. Sie wenden sich an uns, wenn das Gemeinschaftsrecht nicht funktioniert. Es ist die Aufgabe des Petitionsausschusses, den Bürgern zu helfen, auf Probleme bei der Umsetzung und Kontrolle des Gemeinschaftsrechts hinzuweisen. Dieser Tätigkeit sollte vor allem im Jahresbericht der Kommission wesentlich mehr Bedeutung beigemessen werden, und sie sollte mehr Anerkennung finden. Zum x-ten Mal sei festgestellt, dass der Petitionsausschuss die Kommission aufgefordert hat, im Falle von Vertragsverletzungsverfahren energischer vorzugehen, und wir begrüßen daher die diesbezüglichen Vorschläge von Frau Frassoni. Ich habe mich über Präsident Barrosos Ausführungen bezüglich der Umsetzung gefreut.
Wir haben auch auf die Rolle unserer Bürger im Rechtsetzungsprozess verwiesen. Viele von uns sähen es gern, wenn sie einen Beitrag zur Initiierung von Rechtsvorschriften leisten würden, wie dies von der EU-Bürgerinitiative im Rahmen des Verfassungsvertragsentwurfs vorgesehen ist, aber das muss wohl leider auf später vertagt werden. Doch wir könnten zumindest dafür sorgen, dass unsere Bürger verstehen, was wir in ihrem Namen tun. Der Vorschlag, jeder Richtlinie oder Verordnung eine rechtlich nicht verbindliche Zusammenfassung für die Bürger voranzustellen, scheint allgemeine Unterstützung zu finden. Kurz gesagt, wir sollten Gesetze erlassen, die in ihrer Form und in der Weise, in der wir sie erarbeiten und durchsetzen, zugänglich sind.
Malcolm Harbour, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte betonen, dass ich alle Berichte begrüße. Als Koordinator des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz möchte ich vor allem Frau McCarthy meine Anerkennung für die ausgezeichnete Arbeit aussprechen, die sie geleistet hat. Meine Anerkennung gilt auch unserem Ausschuss, der eine Anhörung in dieser Angelegenheit durchgeführt hat.
Eine der Lehren, die wir aus diesem Prozess ziehen sollten – und ich sage das vor diesem erlesenen Kreis von hier anwesenden Kollegen –, ist die, dass bessere Rechtsetzung eine Aufgabe ist, die jeden einzelnen Abgeordneten dieses Parlaments etwas angeht, ganz gleich welchem Ausschuss er angehört. Gut ist, dass wir die Diskussion ausweiten, aber die Beteiligung lässt zu wünschen übrig.
Der wichtigste Punkt, auf den ich heute Abend verweisen möchte und der auch in den Änderungsanträgen zum Ausdruck kommt, die ich zu Frau McCarthys Bericht unterbreitet habe und die vom Ausschuss angenommen wurden, ist die Tatsache, dass die bessere Rechtsetzung ein Prozess ist. Ich stimme Frau Wallis in vielem zu. Das Problem besteht darin, dass dieser Prozess schwierig und komplex ist und nur von wenigen Personen verstanden wird. Wir müssen versuchen, ihn zu erläutern und zu vereinfachen, aber wir müssen ihn sowohl unseren Wählern als auch allen Außenstehenden erläutern. Wie viele Personen in diesem Parlament können von sich behaupten, dass sie die Verfahren, die von der Kommission zur Verbesserung der Qualität der Gesetzgebung eingeführt wurden, wirklich verstehen? Wie viele von Ihnen wissen, welche Pflichten sie im Rahmen der berühmten Interinstitutionellen Vereinbarung haben, die vor zwei Jahren von Pat Cox, unserem damaligen Präsidenten, in diesem Saal unterzeichnet wurde? Ich vermute, dass die meisten von Ihnen keine Ahnung hätten, worin diese Pflichten bestehen, wenn wir dazu einen Fragebogen ausfüllen müssten.
Als Erstes, liebe Kollegen, sollten wir doch wohl unser eigenes Haus in Ordnung bringen; jeder von uns sollte diese vereinfachte Checkliste haben. Wir sollten darauf bestehen, dass allen Vorschlägen – und auch das ist eine Empfehlung – eine Checkliste beigegeben wird, auf der die Verfahren vermerkt sind, die die Kommission bereits durchgeführt hat und die sie künftig noch durchführen wird. Sofern einschlägige andere Dokumente oder Folgenabschätzungen vorliegen, sind diese beizufügen.
Das ist die Art von praktischer Definition und Präzisierung des Prozesses, die wir brauchen. Wenn wir das nicht tun, dann werden die Menschen da draußen ihren Glauben an den Prozess verlieren. Der Prozess der besseren Rechtsetzung ist für die Zukunft unserer gesamten Tätigkeit hier von grundlegender Bedeutung.
Maria Berger, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte österreichische Ratspräsidentschaft! Ich darf mich bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern und bei den Verfasserinnen und Verfassern der Stellungnahmen sehr herzlich bedanken, auch dafür, dass Sie alle einverstanden waren, heute eine gemeinsame Debatte dazu zu führen.
Diese gemeinsame Debatte erlaubt es uns, alle Aspekte zu sehen, die wir heute unter dem Stichwort better regulation bzw. better lawmaking zu debattieren haben. Ich muss eingestehen, dass diese Debatte für mich immer unübersichtlicher wird. Hinter den gut gemeinten Formeln, die wir hier hören und schon oft gehört haben, ist häufig kein konkretes Substrat mehr erkennbar. Manchmal habe ich auch den Verdacht, dass uns diese Debatte über die bessere Rechtsetzung von den tatsächlichen Aufgaben als Gesetzgeber ablenken soll und als Vorwand für ein Nichthandeln des Gemeinschaftsgesetzgebers dient bzw. dafür, dass bessere Regulierung zur Deregulierung wird.
Die Lage ist mittlerweile so unübersichtlich, dass man versucht ist, nach einem Prozess zu rufen, der die better regulation of the better regulation process vorsieht bzw. eine Folgenabschätzung der Folgenabschätzung. Ich bin den Berichterstattern dankbar, dass sie – allerdings innerhalb all dieses Nebels – einige sehr konkrete Maßnahmen herausgearbeitet haben. Das gilt insbesondere für den Bericht der Kollegin Frassoni und die konkreten Vorschläge für eine verbesserte Kontrolle der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, schnellere Vertragsverletzungsverfahren und eine größere Transparenz für den beschwerdeführenden Bürger.
Es kann ja nicht sein, dass Bürger eine Beschwerde einleiten, die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet, das Verfahren dann plötzlich gestoppt wird und die Bürger nicht wirklich darüber informiert werden, warum das Verfahren gestoppt wurde. Das verschlechtert oft ihre Rechtsposition bei anhängigen nationalen Verfahren. Hier ist einiges im Sinne der Transparenz notwendig.
Ich begrüße vor allem die Vorschläge, die der Herr Kollege Doorn ausgearbeitet hat, insbesondere zur Folgenabschätzung. Wir teilen seine Meinung, dass auch Akte der Komitologie der Folgenabschätzung unterliegen sollten. Wir teilen auch die Idee, dass die Folgenabschätzung einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden sollte, die zwar unabhängig von der jeweils federführenden Generaldirektion sein sollte, aber nicht notwendigerweise außerhalb der Kommission erfolgen muss. Die Kommission hat ihre politische Verantwortung. Sie soll sie hier nicht abgeben, und im konkreten Fall will sie sie ja auch nicht wirklich abgeben.
Wo wir mit dem Herrn Kollegen Doorn nicht übereinstimmen, ist in der Frage der verpflichtenden Folgenabschätzung für Änderungsanträge im Parlament und im Rat. Ich denke, wir dürfen uns als Gesetzgeber hier nicht selbst Fesseln anlegen und uns entmündigen. Eine gute Folgenabschätzung durch die Kommission wird es auch erlauben, Auswirkungen von Änderungen abschätzen zu können. Es gibt zudem das Instrument der freiwilligen Anwendung der Folgenabschätzung, das – wie wir gehört haben – schon vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz eingesetzt wird. Das ist eine Sache, über die wir auch in anderen Ausschüssen reden sollten.
Für die bessere Rechtsetzung gilt das gleiche wie für alle anderen guten Vorsätze und schönen Dinge im Leben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – und redet nicht nur darüber.
Elizabeth Lynne, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich setze mich seit vielen Jahren für eine bessere Rechtsetzung ein, und zwar vor allem in meinem Ausschuss, dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Wir brauchen bessere und umfassendere Folgenabschätzungen, und wir müssen überlegen, ob die jeweiligen Regelungen überhaupt auf EU-Ebene gebraucht werden oder in vielen Fällen nicht besser den Mitgliedstaaten überlassen werden sollten. Wird eine solche Regelung gebraucht, dann sollte eine ordnungsgemäße Kosten-Nutzen-Analyse im Hinblick auf Unternehmen einschließlich von Kleinbetrieben und die Arbeitnehmer durchgeführt werden. Meines Erachtens sollten Folgenabschätzungen von wirklich unabhängiger Seite durchgeführt werden und nicht, wie es derzeit so häufig der Fall ist, eine Rechtfertigung für die Existenz der Vorschriften darstellen.
Wurde eine Regelung verabschiedet, dann muss sie auch, wie wir alle sagen, in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt werden. Wird sie nicht umgesetzt, dann ist sie möglicherweise nicht durchführbar. Ist sie nicht durchführbar, dann sollte sie, wie die Kommission sagt, aufgehoben werden.
Ich möchte abschließend feststellen, dass wir für die Einhaltung der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung sorgen müssen. In einer Antwort räumte die Kommission unlängst ein, dass kaum Fortschritte erzielt wurden.
Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich Herrn Barroso sagen, dass die heutigen Beschlüsse zur Energiepolitik beweisen, dass dort, wo ein Wille ist, auch ein Weg ist, und demzufolge ist es unser „Wille“, dass Sie öfter einen „Weg“ finden mögen, insbesondere in den Bereichen Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitspolitik. Das ist jedoch eine offenkundige Botschaft.
Herr Winkler, ich habe mit Bedauern festgestellt, dass Sie nichts zur Rechtsumsetzung gesagt haben, obwohl dieses Thema vor allem die Mitgliedstaaten betrifft. Außerdem wäre es meines Erachtens interessant, die Meinung des Rates zur möglichen Wiederaufnahme der – damals kläglich gescheiterten – Gespräche über jenen Teil der Vereinbarung über bessere Rechtsetzung zu erfahren, der sich auf die Anwendung des Rechts bezieht.
Was ferner die Frage der Folgenabschätzung anbelangt, so verhehle ich nicht meine Sorge, denn dieses Thema scheint zu einer Art Mythos zu werden, einem Zauberwort, das an sich schon die Rechtsetzung besser machen soll, weil sie auf wissenschaftliche und neutrale Grundlagen gestützt wird. Ich persönlich bin da skeptisch. Ja ich bin sogar besorgt, dass dieses Thema zu große Bedeutung erlangt, vor allem, weil einige der Vorschläge, die in den Berichten enthalten sind – insbesondere in dem von Frau McCarthy, aber nicht nur dort –, bürokratische Aufgaben einführen, die wirklich schwer zu bewältigen sein werden, vor allem für die Kommission. Das lässt Bedenken aufkommen, weshalb meine Fraktion wirklich froh darüber ist, dass wir die Abstimmung vertagt haben, denn somit haben wir die Möglichkeit, die Situation noch einmal zu prüfen, um zu einer Einigung zu gelangen.
Darüber hinaus stellen jene Elemente, von denen alle gesprochen haben und die als entscheidend für eine Folgenabschätzung betrachtet wurden, darunter die Verwaltungskosten, der übermäßige bürokratische Aufwand, die überhöhten tatsächlichen und vermeintlichen Kosten für die Unternehmen, an sich eine politische Weichenstellung dar. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, Herr Barroso und Herr Verheugen: ein Schreiben der UNICE hat genügt, um die Strategie zur Luftqualität drastisch einzuschränken, und zwar trotz einer Folgenabschätzung, die zwei Millionen Euro gekostet hat und in der es hieß, dass als Kosten nicht nur die für die Unternehmen, sondern auch die für die menschliche Gesundheit berücksichtigt werden müssen. Daher sind letztendlich auch Folgenabschätzungen politische Entscheidungen, weshalb ich Sie auffordern möchte, sie nicht so in den Vordergrund zu rücken und im Vergleich zu den anderen Aspekten des Gemeinschaftsrechts so überzubewerten.
Gestatten Sie mir noch ein letztes Wort zur Frage der Koregulierung und Selbstregulierung. Ich würde mir wünschen, dass die Kommission eine Überprüfung vornimmt, um festzustellen, wie diese Verfahren funktioniert haben, denn unseren Untersuchungen nach haben sie nicht funktioniert. Die Fähigkeiten der Unternehmen und Gesellschaften, diesen Selbstregulierungsvereinbarungen nachzukommen, wurden von den Unternehmen selbst als unzureichend eingeschätzt.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Es ist überaus beklagenswert, dass es in dieser Diskussion über Subsidiarität und bessere Rechtsetzung offensichtlich nur ein Leitmotiv gibt, nämlich mehr Wirtschaftwachstum und Wettbewerb durch weniger Regulierung. Dadurch wird die Illusion geweckt, dass insbesondere bei der Rechtsetzung auf Gebieten wie dem sozialen Schutz, der Umwelt und dem Verbraucherschutz der Subsidiarität mehr Beachtung geschenkt werden sollte. All das passt zu der neoliberalen Denkweise, weniger Rechtsetzung sei per definitionem gut.
Die Realität zeigt uns jedoch, dass gerade diese europäischen Rechtsvorschriften über den als heilig verehrten Binnenmarkt das Leben der Bürger Europas erschweren. Diese Rechtsvorschriften verlangen beispielsweise, dass eine kleine Gemeinde im Norden der Niederlande die Europäische Kommission um Erlaubnis fragen muss, bevor sie für ihre eigenen Bürger ein Glasfaserkabelnetz anlegen kann, oder dass staatliche Beihilfen der Stadt Amsterdam für den örtlichen Zoo als Wettbewerbsverzerrung angesehen werden. Kein Wunder, dass die niederländischen Bürger jegliches Vertrauen in eine weitere Ausdehnung der Brüsseler Befugnisse und in die vorgeschlagene Verfassung, die dieses Prozedere billigte und unterstützte, verloren haben. Sie haben dieses Dokument mit überwältigender Mehrheit in den Papierkorb verwiesen.
Die Realität sieht so aus, dass Subsidiarität seit langem zu einem nichtssagenden Begriff verkommen ist. Die europäischen Organe, allen voran dieses Parlament, stellen sich selten, wenn überhaupt, die Frage, ob ein Eingreifen vonseiten Europas in einem bestimmten Bereich dem Wohl von Mensch und Umwelt tatsächlich förderlich ist. Im Gegenteil, eine nicht versiegen wollende Flut europäischer Rechtsetzung untergräbt nach wie vor das Weisungsrecht nationaler und regionaler Stellen. Als Beispiel dafür möchte ich die Europäische Dienstleistungsrichtlinie anführen, die selbst in geänderter Fassung die Autonomie von Kommunalbehörden auf dem Gebiet der Genehmigungen oder lokalen Dienstleistungen stark aushöhlen wird.
Kurz gesagt, eine Diskussion über die Qualität und Subsidiarität der europäischen Rechtsetzung ist zwar begrüßenswert, jedoch ist es völlig naiv anzunehmen, mit dem Streichen einer Hand voll Rechtsvorschriften oder der Durchführung von Folgenabschätzungen ließen sich die grundlegenden Probleme des Eingreifens von Brüssel lösen. Hierzu müssten zunächst die Binnenmarktvorschriften komplett revidiert werden.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte dem Kommissionspräsidenten und dem amtierenden Ratspräsidenten sowie unseren Berichterstattern dafür danken, dass sie in Bezug auf die heutige Aussprache für die richtige Atmosphäre gesorgt haben.
Unser Rechtsetzungsverfahren weist ganz offensichtlich Probleme auf; wir alle stoßen bei unserer täglichen Arbeit auf klar erkennbare Schwierigkeiten. Klar ist vor allem, dass das bestehende Regelwerk – der gemeinsame Besitzstand – dringend kodifiziert und vereinfacht werden muss, und zwar nicht nur damit Unternehmen ungehinderter und problemloser auf dem Binnenmarkt agieren können, sondern auch, um sicherzustellen, dass die Bürger erkennen, wo ihre Rechte geschützt sind. Es muss klar definierte Vorschriften geben, um zu verhindern, dass große Unternehmen die Rechte der Arbeitnehmer ignorieren, dass Finanzinstitutionen und andere Einrichtungen mit ihren Entscheidungen die Rechte von Verbrauchern mit Füßen treten. Deshalb bemühen wir uns im Parlament seit vielen Jahren um die Einführung von Folgenabschätzungen für alle Regelungen, um sie zu testen, bevor sie Gesetzeskraft erlangen, um festzustellen, ob sie erforderlich sind, und um wirklich zu verstehen, welche Auswirkungen sie haben werden, wenn sie schließlich in das jeweilige Recht umgesetzt werden.
Wenn man sich aber die ganze Problematik der Rechtsetzung genauer anschaut, so stellt man fest, dass die größten Schwierigkeiten und Versäumnisse bei der Umsetzung der vereinbarten europäischen Rechtsvorschriften auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu finden sind. Nachdem die Regierungen bereits an der Entscheidungsfindung beteiligt waren und Parlament und Kommission ihren jeweiligen Beitrag geleistet haben, kommt es dann bei der Umsetzung zu Schwierigkeiten, weil vielleicht auf lokaler Ebene ein innerstaatlicher Disput ausgetragen wird oder man eine Gegenreaktion im politischen Bereich befürchtet.
Meines Erachtens wäre es falsch, wenn sich die Kommission lediglich als der schreckliche Durchpeitscher gegenüber den Mitgliedstaaten darstellen würde, denn bisweilen weist die Gesetzgebung Fehler und Irrtümer auf, die korrigiert werden müssen, und dazu ist Flexibilität erforderlich.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass bei der Bildung von Arbeits- oder Expertengruppen unbedingt an mit der Praxis vertraute Politiker gedacht werden sollte. Es sollten nicht nur Technokraten oder Verfasser parlamentarischer Dokumente einbezogen werden, sondern die Politiker selbst, die verstehen, wie man öffentliche Überzeugungsarbeit leistet und die Regelungen auf lokaler Ebene durchgesetzt werden.
Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Frau Präsidentin! Heute sind doch nur einige wenige Spezialisten in der Lage, EU-Gesetze zu lesen und den Stand der Rechtsetzung in einem bestimmten Bereich zu beurteilen. Jeder Schafhirte muss alle Schafe im Blick behalten, aber kein EU-Organ kennt die genaue Anzahl unserer Gesetze. Wir haben ungefähr 20 000 Rechtsvorschriften erarbeitet, die mehr als 100 000 Seiten füllen. So wird beispielsweise das Recht im Bereich der Fischerei in über 70 verschiedenen Verordnungen geregelt. Warum können denn nicht alle ein und dasselbe Thema betreffenden Vorschriften in einem einfachen Rechtsakt zusammengefasst werden? Dieses Gesetz ist dann für die Bürger greifbar und lesbar, die erste Voraussetzung dafür, dass sie Einfluss nehmen können.
Geplante Änderungen können in Fettdruck kenntlich gemacht werden, und Wörter, die gestrichen werden sollen, können kursiv gesetzt werden. Auf diese Weise kann jeder erkennen, worauf der Vorschlag abzielt. Wir müssen auch das demokratische Prinzip aus unseren eigenen Verfassungen übernehmen, dem zufolge künftig kein EU-Gesetz mehr verabschiedet werden kann, über das nicht hier im Europäischen Parlament entschieden wurde. Unter diesen Voraussetzungen könnte in EU-Gesetzen das Thema Mitteilungen geregelt werden, wobei allerdings alle derartigen Instrumente auf der Grundlage nach einfacher Mehrheit im Rat und im Parlament überprüft werden könnten.
Zudem sollten sämtliche Ausschussverfahren, bei denen sich eine Minderheit mit der Kommission zusammentut, um Gesetze gegen den Willen der Mehrheit in den nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament durchzusetzen, abgeschafft werden. Es spottet doch jeder Beschreibung, dass die Kommission genetisch veränderte Cornflakes genehmigen konnte, obwohl 14 von 15 Ländern, deren Bürger mitbekommen hatten, was tatsächlich hinter verschlossenen Türen beschlossen wurde, gegen eine solche Genehmigung waren und das fünfzehnte Land sich letztlich auch dagegen aussprach. Wenn die Gesetzgebung in ihrer Gesamtheit gegenüber den Bürgern offen gelegt wird, werden wir auch bessere Gesetze haben.
Marek Aleksander Czarnecki (NI). – (PL) Frau Präsidentin! Einmal im Jahr kontrolliert die Europäische Kommission die Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Jetzt erörtern wir den 21. und 22. Jahresbericht der Kommission zu diesem Thema. Um das Ausmaß des Problems zu verdeutlichen, muss darauf hingewiesen werden, dass es um über viertausend Vertragsverletzungsverfahren geht. Eine so genannte mit Gründen versehene Stellungnahme ist in fast eintausend dieser Fälle ergangen, und mehr als 400 Fälle wurden an den Gerichtshof verwiesen.
Leider hat die Kommission den 22. Jahresbericht verspätet vorgelegt. Erst im Januar 2006 war er fertig gestellt, so dass das Parlament in seiner Entschließung nur einen Teil der Informationen für 2004 berücksichtigen konnte. Paradoxerweise könnte man sagen: Je mehr Beschwerden umso besser, denn dies zeigt, dass die Bürger der Mitgliedstaaten im Überwachungsprozess und damit auch im Rechtsetzungsverfahren der Union eine wichtige Rolle spielen. Die Beschwerden der Bürger haben keineswegs nur Symbolcharakter. Sie sind ein Bestandteil des Prozesses der Schaffung eines Europas der Bürger und im weiteren Sinne ein wirksames Instrument, mit dem die Anwendung des Gemeinschaftsrechts kontrolliert werden kann.
Die Ausschüsse des Europäischen Parlaments sollten die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts engmaschig überwachen, insbesondere dann, wenn sich der jeweilige Berichterstatter aktiv an der Kontrolle der Anwendung einer bestimmten Rechtsvorschrift in einem einzelnen Mitgliedstaat beteiligen muss, und selbstverständlich auch dann, wenn im Falle von festgestellten Verstößen sofortiges Handeln angezeigt ist.
Die Effizienz des Prozesses sollte durch Abkürzung des internen Verfahrens verbessert werden; diese Forderung wurde zu Recht in den Entschließungsentwurf des Europäischen Parlaments aufgenommen. Es wäre auch angebracht, einzelne Kommissionsmitglieder zu ermächtigen, die fristgerechte Umsetzung von Gemeinschaftsvorschriften in nationales Recht direkt zu kontrollieren. Erreicht werden könnte dies, indem den Kommissaren die Befugnis erteilt wird, Auskunftsersuchen im Zusammenhang mit Vertragsverletzungen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich direkt an die Mitgliedstaaten zu richten.
Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Dass Sie mir helfen, ganz praktisch zur besseren Rechtsetzung beizutragen, indem ich das Privileg habe, mich mit der Konferenz der Ausschussvorsitzenden zu treffen und dort sehr intensiv über Rechtsakte zu sprechen, hat durchaus mit dieser Debatte zu tun. Ich danke jedenfalls für Ihr Verständnis.
Ich möchte ganz kurz zu ein oder zwei Themen, die hier in der Debatte angeklungen sind, Stellung nehmen. Es wurde von sehr vielen Rednern über die Frage der Komitologie gesprochen. Im Österreichischen sagt man: „Man soll nicht über Eier, die noch nicht gelegt sind, gackern.“ Aber wir haben gerade unter dem österreichischen Vorsitz das Thema Komitologie mit großem Engagement wieder aufgenommen. Wir haben mit den dazu befugten Vertretern des Europäischen Parlaments bereits zwei sehr intensive Verhandlungsrunden geführt, die letzte erst vor ungefähr zwei Stunden. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, nach einigen Jahren jetzt doch noch zu einer Lösung zu kommen, die für das Parlament und für den Rat befriedigend ist.
In jedem Fall wird es zu einer Verbesserung der derzeitigen Situation kommen, weil selbstverständlich auch das Parlament in jene Rechtsetzungsakte eingebunden werden soll, die im Einvernehmen von Rat und Parlament im Mitentscheidungsverfahren erlassen werden. Wir sind hier relativ nahe an einer Lösung, und ich hoffe, dass wir noch in diesem Halbjahr zu einer endgültigen Lösung kommen können. Damit tragen wir auch zu einer besseren Gesetzgebung bei.
Frau Frassoni hat selbstverständlich völlig zu Recht auf die Bedeutung der Rechtsdurchsetzung hingewiesen. Das betrifft die Mitgliedstaaten, also nicht den Rat als solchen – und ich spreche hier natürlich im Namen des Rates –, aber die einzelnen Mitgliedstaaten sind in der Diskussion mit der Kommission selbstverständlich bemüht, bessere Methoden zu finden, um der Rechtsanwendung zum Durchbruch zu verhelfen. Auch wir – das sage ich jetzt als Österreicher – sind natürlich davon betroffen, so wie alle anderen Mitgliedstaaten, auch wir sind so wie viele Mitgliedstaaten von den Vertragsverletzungsverfahren betroffen. Als Jurist sage ich, dass jedes Recht selbstverständlich auch einen Durchsetzungsmechanismus braucht; das ist wichtig, und wir bemühen uns auch, besser auf die Kommission zu hören und bessere Methoden der Rechtsdurchsetzung und der Rechtsanwendung zu finden.
Ich wollte damit, dass ich darüber nicht im Namen des Rates gesprochen habe, selbstverständlich nicht sagen, dass die Rechtsanwendung und die Rechtsdurchsetzung nicht von ebenso großer Bedeutung ist wie die Rechtsetzung.
Was den Rat betrifft, steht natürlich die Frage der Rechtsetzung und die Überprüfung bereits beschlossener Rechtsakte im Vordergrund der Überlegungen.
Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, ich kann mir nicht helfen, aber immer wenn ich den Namen Winkler da oben sehe, muss ich an Henry Winkler denken. Können Sie sich noch an Fonzie in „Happy Days“ erinnern? Es ist gut, einen österreichischen Minister als Fonzie zu haben, der grünes Licht für bessere Rechtsetzung gibt.
Wir beschäftigen uns während dieser Plenartagung mit drei Fragen, zwischen denen ein Zusammenhang besteht. Bei der ersten Frage mit der wir uns gestern befassten, ging es um Transparenz und Offenheit des Rates; die zweite betrifft diese Debatte über bessere Rechtsetzung, und bei der letzten, mit der wir uns heute Abend beschäftigen werden, wird es um die Bürgerschaft gehen. Ich unterstütze alle diese Initiativen; sie sind meines Erachtens ganz großartig; ich denke, dass der Generalsekretär in der Kommission unter Leitung von Herrn Ponzano ausgezeichnete Arbeit leistet, und ich möchte alle vier Berichte, die heute vorgelegt wurden, dem Haus empfehlen.
Trotzdem muss ich gerade in Anbetracht der Tatsache, dass wir über bessere Rechtsetzung sprechen, feststellen, dass mir etwas mulmig wurde, als ich begann, die Berichte zu studieren. Ich lese Ihnen einfach mal daraus vor; achten Sie auf die Sprache. Ich glaube, wir haben hier ein Kommunikationsproblem. Frau Frassoni hat einen hervorragenden Bericht erarbeitet, aber Ziffer 18 „stellt fest, dass das SOLVIT-Netz im Binnenmarkt seinen Nutzen als ergänzender außergerichtlicher Mechanismus unter Beweis gestellt und die freiwillige Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gefördert hat…“. Das stimmt alles, aber wenn Sie da oben sitzen und versuchen zuzuhören, dann werden Sie nicht notwendigerweise verstehen, was das bedeutet. Herr Doorn ist in seinem Bericht über bessere Rechtsetzung in Ziffer 5 „der Auffassung, dass das Lamfalussy-Verfahren ein nützlicher Mechanismus ist; erachtet die Konvergenz der Beraterpraktiken als von entscheidender Bedeutung; begrüßt in diesem Zusammenhang die Arbeit der Ausschüsse der Ebene 3 und unterstützt die Forderung nach angemessenen Instrumenten“ – prima. Im Bericht McCarthy– den ich für den verständlichsten halte – heißt es in Ziffer 6: „fordert, dass die Kommission sowohl Ex-ante- als auch Ex-post-Folgenabschätzungen zu Rechtsvorschriften vornimmt, um Hilfestellung bei der Prüfung der Frage zu geben, ob politische Schlüsselziele verwirklicht worden sind“, und der Bericht Gargani enthält dieselben Formulierungen. Damit versuche ich zu sagen, dass wir bessere Rechtsetzung brauchen, aber das hat etwas mit Vereinfachung zu tun, damit, dass wir verstehen, worüber wir entscheiden, und die Bürger, worüber wir versuchen zu entscheiden. Genau darum geht es bei der besseren Rechtsetzung; deshalb müssen wir uns klarer ausdrücken. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ins Finnische gedolmetscht klang.
(Heiterkeit und Beifall)
Béatrice Patrie (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hinter einer scheinbar technischen Debatte verbirgt sich hier eine Auseinandersetzung von großer politischer Bedeutung. Natürlich brauchen wir eine bessere Rechtsetzung, doch ohne Deregulierung und ohne den Gesetzgeber selbst ins Abseits zu drängen. Daher möchte ich meine größten Vorbehalte gegenüber bestimmten alternativen Regelungsverfahren wie der Regulierung und der Selbstregulierung zum Ausdruck bringen. Sie haben zwar ihren Platz, doch im Interesse der Bürger und der Verbraucher dürfen sie auf keinen Fall an die Stelle von Gesetzen treten, die Rechte, aber auch Pflichten beinhalten und daher das legitimste demokratische Instrument bleiben müssen.
Was die Konsultationen vor dem legislativen Prozess betrifft, so fordere ich die drei Organe auf, neben den Wirtschaftsteilnehmern die effektive Teilnahme der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft in all ihrer Unterschiedlichkeit zu ermöglichen. Es gehört in der Tat zu den Verantwortlichkeiten der öffentlichen Behörden, die Organisation dieser Akteure – d. h. von Verbraucherverbänden, Nutzern öffentlicher Dienstleistungen, Verbänden zur Bekämpfung der Ausgrenzung oder Volksbildungsvereinen – europaweit zu unterstützen.
Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zu dem fortlaufenden Vereinfachungsprogramm machen, das die Lissabon-Strategie fördern soll. Ich bin erstaunt darüber, dass es an vorderster Stelle die Neuformulierung der Verordnung über den ökologischen Landbau enthält, obwohl die Erzeuger dieses Sektors dies gar nicht fordern, und gleichzeitig so wichtige Vorschläge wie die zur Rechtsstellung der Gegenseitigkeitsgesellschaften und des Europäischen Vereins aus dem Gesetzgebungsprogramm gestrichen wurden.
Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin! Ich stimme hier mit denen voll überein, die der Meinung sind, dass eine Schlankheitskur dem Europa der Regulierung gut tun würde, einem Europa, das äußerst pedantisch ist, wenn es um die Prinzipien geht, aber leider viel laxer bei der Kontrolle der Umsetzung und der ordnungsgemäßen Anwendung unserer Gesetzgebung.
Eines steht fest: Zehn Jahre nach dem Beginn des Programms SLIM und trotz des Abschlusses der Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ vor zwei Jahren sind wir heute noch weit vom Ziel entfernt. Wir haben den Gesetzgebungsdrang der Union noch immer nicht gestoppt. Daher bin ich höchst erfreut darüber, dass die Kommission uns heute diese ausgewogene Diät vorschlägt: drei Voraussetzungen, damit diese Agenda funktioniert, die Union stärkt und sie bürgernäher macht. Es ist gesagt worden, dass Europa nur dann gesetzgeberisch tätig werden darf, wenn es bessere Ergebnisse erbringt als die anderen Machtebenen. Von den Kanarischen Inseln über Brüssel bis nach Skandinavien – wir haben soeben Herrn Stubb gehört – müssen wir ein für alle Mal Schluss machen mit dem europäischen Jargon und in der Sprache sprechen und Gesetze schreiben, die von denen am besten verstanden wird, für die sie bestimmt sind. Es gäbe viele Beispiele anzuführen.
Drittens, die Schlankheitskur, die wir wollen und die insbesondere auch die KMU wollen, ist nicht gleichbedeutend mit Laissez-faire, mit Nichtintervention. Es ist zu unterstreichen – und damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin –, dass bessere Rechtsetzung nicht mit fehlender Ambition gleichzusetzen ist. Ich stimme mit Frau Frassoni überein, denn wenn ich diesen letzten Punkt hervorhebe, denke ich beispielsweise an REACH.
Alyn Smith (Verts/ALE). – (EN) Frau Präsidentin! Ich beglückwünsche alle Berichterstatter zu dieser enormen Anstrengung, die sie heute unternehmen, und möchte kurz auf zwei Punkte eingehen: die Transparenz des Rates und Herrn Doorns Bericht zur Subsidiarität.
Wie wir gestern hörten, stellt der Mangel an Transparenz im Rat das größte unausgesprochene Problem dar; er ist nach wie vor die Hauptursache eines Großteils der Unzufriedenheit mit der EU-Rechtsetzung generell. Es muss dem Rat doch möglich sein, mehr zu tun, um seine Beratungen in angemessener Weise öffentlich durchzuführen. Derzeit regiert man nur in Havanna und Pjöngjang auf derart undurchsichtige Art und Weise. Das sollten wir im 21. Jahrhundert wirklich besser können.
Ich komme jetzt zur Subsidiarität und konkret zu den Ziffern 25 bis 29 des Berichts Doorn, und ich möchte mein Heimatland Schottland als Beispiel für die verpasste Gelegenheit anführen, die die Subsidiarität gegenwärtig darstellt. Schottland ist derzeit Teil eines Mitgliedstaates, der nicht für sein begeistertes Engagement für die EU bekannt ist. Dabei würde unser Parlament in Edinburgh einen enthusiastischen Beitrag zur besseren Rechtsetzung in der EU leisten. Unser Parlament ist voll verantwortlich für die Bereiche Gesundheit, Umwelt, Justiz, Bildung, Fischerei, Landwirtschaft und viele andere Bereiche. Dennoch endet die Subsidiarität nach Ansicht der EU nur zu oft auf der Ebene der Mitgliedstaaten, obwohl der geeignetere Partner möglicherweise auf lokaler Ebene zu finden ist.
Ich unterstütze sämtliche Empfehlungen, die Herr Doorn zu den Folgenabschätzungen gibt, wobei ich mich den Bemerkungen von Frau Wallis über das politische Engagement anschließe und betone, dass dieses Engagement so lokal wie möglich erfolgen sollte. Vielleicht kann die Subsidiarität dann einen Beitrag zur besseren Rechtsetzung in der EU leisten.
Jonas Sjöstedt (GUE/NGL). – (SV) Frau Präsidentin! Meines Erachtens kann diese Aussprache nicht auf eine Diskussion über die Qualität der Gesetzgebung reduziert werden. Wir müssen auch über die Menge der EU-Rechtsvorschriften reden. Fakt ist, dass sich die Anzahl der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in den letzten Jahren dramatisch erhöht hat und die EU jetzt Gesetzgebungsfunktionen in einer Vielzahl neuer Bereiche wahrnimmt. Gleichzeitig ist es äußerst selten, dass die EU ihre Entscheidungsbefugnis wieder an die Mitgliedstaaten zurück überträgt oder Rechtsvorschriften aufhebt. Die Kombination von einer großen Menge an Rechtsvorschriften und deren mangelhafter Qualität macht das Ganze unübersichtlich und erschwert die Umsetzung der Vorschriften in die Praxis.
Was die Qualität betrifft, kann bereits jetzt viel getan werden. In den Berichten werden dazu auch Vorschläge unterbreitet. Veraltete Vorschriften können aufgehoben, andere können vereinfacht oder zusammengefasst und konsolidiert werden. Das ist alles schön und gut, aber wir brauchen auch eine andere Herangehensweise an die legislative Arbeit. In der Festlegung der Ausrichtung der Rechtvorschriften müssen wir uns mehr auf die Ziele statt auf die Details konzentrieren und den Mitgliedstaaten größere Freiheit beim Erreichen der gesteckten Ziele geben.
Folgeabschätzungen sind eine gute Sache, aber es ist nicht immer so einfach, das zu messen, was man messen will. Oftmals lassen sich offensichtliche Wirtschaftsfaktoren leichter messen als beispielsweise Umweltfaktoren. Diese Diskussion hatten wir ja schon einmal im Zusammenhang mit der Aussprache zur Chemikalienpolitik REACH. Es war einfach, die Kosten der Unternehmen zu messen, aber schwer, die enormen positiven Auswirkungen auf die Volksgesundheit oder die Verringerung des menschlichen Leidens durch weniger Krankheiten zu erfassen. Deshalb sollte man auf diesem Gebiet etwas vorsichtig sein.
Um eine wirkliche Vereinfachung zu erreichen, muss die Anzahl der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften verringert werden, und der Bereich, der am meisten überreguliert ist, ist die Agrarpolitik. Hier könnten die meisten Angelegenheiten auf die Ebene der Mitgliedstaaten zurück übertragen werden und Tausende Vorschriften verschwinden. Einige Redner haben auf die Europäische Verfassung verwiesen, die aber das Problem vergrößern würde, indem sie die Macht der EU erhöht und es der Union erleichtert, sich neue legislative Befugnisse anzueignen, und zwar auf Gebieten, auf denen sie eigentlich nichts zu suchen hat. Daher sollten wir heute auch den niederländischen und französischen Wählern danken.
Konrad Szymański (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Ob ein Gesetzgeber wirklich etwas von seinem Fach versteht, merkt man nicht nur daran, dass er in der Lage ist, vernünftige Gesetze zu machen, sondern auch daran, dass er dort, wo keine Regulierung erforderlich ist, darauf verzichtet. Daher verdienen die Aussagen in dem Bericht über die Erweiterung und Straffung der Grundsätze für die Abschätzung der Kosten und der Folgen von Gesetzen jedwede Unterstützung.
Im Bericht ist von der negativen Wirkung politischer Kompromisse auf die Entwicklung des europäischen Rechts die Rede. Ein gutes Beispiel dafür ist die Dienstleistungsrichtlinie. Jede der beiden an der Debatte beteiligten Seiten nimmt für sich in Anspruch, einen Sieg errungen zu haben. Für die Sozialisten erklärt Frau Gebhardt, dass sie die Richtlinie vollkommen umgekrempelt habe, und Herr Harbour stellt im Namen der Konservativen erfreut fest, dass ein ausgezeichneter Kompromiss erzielt wurde.
Wer liegt nun falsch? Möglicherweise keiner von beiden? Es ist durchaus vorstellbar, dass wir jetzt ein Dokument mit dutzenden von widersprüchlichen Bestimmungen haben, das hoffentlich für jeden etwas enthält. Das Ganze läuft auf eine dem allgemeinen Wohlbefinden der Mitgliedstaaten, der Union insgesamt und auch dieses Hohen Hauses dienende Therapie hinaus. Wir beruhigen jedoch unser Gewissen auf Kosten der Bürger, der Unternehmer und der Qualität unserer Gesetze.
Johannes Blokland (IND/DEM). – (NL) Frau Präsidentin! Gestatten Sie mir anlässlich der Berichte über bessere Rechtsetzung, die heute erörtert werden, einige Bemerkungen zu der Rolle von Folgenabschätzungen. Dem Vernehmen nach strebt Herr Doorn eine stichprobenartige Kontrolle durch eine Gruppe führender Sachverständiger an. Den Gedanken, der dahinter steckt, unterstütze ich uneingeschränkt. Ebenso wie er plädiere ich für einen wirklich unabhängigen Ausschuss, der sich also nicht aus Vertretern der drei Organe zusammensetzt.
Beispiele dafür kennen wir in den Niederlanden in Form des Ausschusses, der Umweltverträglichkeitsstudien überwacht. Wenn man sich bei einer solchen Gruppe mehrmals eine blaue Nase geholt hat, dann ist man das nächste Mal bestimmt bestrebt, seinen Rechtsakt in Ordnung zu bringen. Ich möchte hinzufügen, dass Rechtsetzung zwar stets ein Lernprozess ist, aber die explizite Beschreibung in Erwägung J des Berichts Doorn erscheint mir doch viel zu negativ. Wir tun unser Möglichstes, um wirksame Rechtsvorschriften zu verabschieden. Das geht bestimmt einmal schief, aber meines Erachtens führt es zu weit, dies von Beginn an als Ziel anzusehen.
Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Frau Präsidentin! Sie sind eine eminente Spezialistin des Altjapanischen der Tokugawa-Epoche, in der man das Volk bewusst in Unkenntnis der als Staatsgeheimnis geltenden Gesetze hielt, deren Kenntnis nur einer Handvoll hoher Herren vorbehalten war, denn man dachte, dass das Volk Gesetzesnormen, die es überhaupt nicht kannte, viel größere Achtung entgegenbringen würde. Manchmal frage ich mich, ob wir uns nicht in der Tat von dieser altjapanischen Gesetzgebung leiten lassen.
In Wirklichkeit, so denke ich, meine Damen und Herren, ist die Komplexität des Europarechts die widersinnige Auswirkung einer Gruppendynamik, an der wir voll und ganz beteiligt sind. Worum handelt es sich? Erstens, das Initiativrecht liegt bei der Kommission, doch hinter jedem Kommissar steht natürlich die entsprechende Generaldirektion mit den dazugehörigen Beamten. Dann kommt die Vorlage zum Rat. Theoretisch besteht der Rat aus Ministern. Diese einigen sich auf einen Text unter der Voraussetzung, dass jede der entsprechenden Bürokratien darin sämtliche Vorschriften findet, die in dem gemeinsamen Entwurf enthalten sein sollen. Dann wird der Text dem Parlament übermittelt, und dieses ernennt einen Berichterstatter. Und natürlich will der Berichterstatter – das ist ganz verständlich –, dass sein Name in die Geschichte eingeht. Das wird allerdings eher der Fall sein, wenn er Vorschriften hinzufügt, als wenn er welche streicht, ganz zu schweigen von den Abgeordneten, die Änderungsanträge einbringen, von der bedeutenden Rolle der Lobbygruppen usw. Und so, meine Damen und Herren, kommen wir zu einem wahrhaften Regelwust.
Ich bin seit 17 Jahren in diesem Parlament, und bereits im ersten Jahr, in dem ich hier saß, fand schon eine Aussprache über die Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts statt. Ich habe den Eindruck, dass wir in diesen 17 Jahren keinen Schritt vorwärts gekommen sind, sondern dass sich die Lage im Gegenteil noch verschlimmert hat.
Was ist angesichts dessen zu tun? Es ist erforderlich, sich über die Bedeutung der verwendeten Begriffe zu einigen. Wir brauchten ein wirkliches Lexikon des Gemeinschaftsrechts, ein Gesetzbuch wie das Zivilgesetzbuch, das Handelsgesetzbuch oder das Strafgesetzbuch, das rationell aufgebaut ist, in Teile, Unterteile, Kapitel, Abschnitte und Artikel unterteilt ist, so dass wir, wenn wir an einem Text arbeiten, im Voraus wissen, dass wir den und den Artikel ändern. Kurz, wir brauchen umfassende Vereinfachungsbestrebungen. Ich befürchte jedoch, dass wir trotz aller von den Berichterstattern zum Ausdruck gebrachten guten Vorsätze noch weit davon entfernt sind. Ich danke Ihnen.
Andreas Schwab (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar Verheugen! Ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, allen vier Berichterstattern für ihre wertvolle Arbeit zu diesem Thema, das nicht nur die Stammtische bewegt, sondern immer mehr auch die Politik, zu danken.
Erfrischend an dieser Debatte fand ich vor allem den Beitrag des Kollegen Gollnisch, der ein wirklich lebhaftes Plädoyer für die Einführung der Europäischen Verfassung gehalten hat, was uns offenbar – was ich bisher nicht wusste – verbindet. Ich glaube in der Tat auch, dass wir mit der Europäischen Verfassung im Bereich der normativen Rechtsetzung sehr viel besser dastünden, als dies heutzutage der Fall ist. Ich freue mich, dass wir da an einem Strang ziehen.
Diese ganzen Berichte zur besseren Rechtsetzung – und ich finde, das muss man sich immer klar machen, wenn es um die Sache geht – zielen ja nicht darauf ab, den einzelnen Bürger mit den Rechtstexten besser vertraut zu machen, sondern darauf, den Mitgliedstaaten einen einfachen Text für die Umsetzung an die Hand zu geben. Deswegen müssen wir uns bei den Herausforderungen, mit denen wir hier konfrontiert sind, das Ziel klar vor Augen führen.
Natürlich beklagen wir gerade in diesem Zusammenhang – und ich meine es gar nicht ironisch, dass ich gerade in diesem Punkt meinem Vorredner ausnahmsweise einmal ausdrücklich zustimmen muss –, dass wir im Bereich der Komitologie einen sehr intransparenten Rechtsetzungsprozess haben, der hier gelegentlich kritisiert wurde.
Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir eine externe Prüfung europäischer Rechtsetzung brauchen und diese externe Prüfung nicht nur durch die Kommission selbst erfolgen kann. Es stellt sich die Frage, ob dies durch eine Agentur – Sie kennen alle unsere Vorbehalte gegen die Schaffung weiterer Agenturen, frei nach dem Motto: kein Bürokratieaufbau zum Bürokratieabbau – oder durch andere externe Stellen geschehen kann. In jedem Fall sollten wir als Parlament bei der Auswahl dieser externen Stellen beteiligt sein.
Deswegen bieten diese vier Berichte, über die wir heute diskutieren, eine hervorragende Ausgangsgrundlage auch dafür, in dieser Frage zwischen Parlament und Kommission und möglicherweise auch dem Rat zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Bessere Rechtsetzung in der Europäischen Union erfordert transparenter formulierte, vernünftige Regelungen, aber auch eine schnellere und wirksamere Umsetzung und Anwendung dieser Regelungen. Noch viel zu oft wird das Gemeinschaftsrecht falsch angewendet. Teilweise liegt das an der schlechten Qualität der Vorschriften, teilweise aber auch daran, dass die Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen aus politischen, wirtschaftlichen oder verwaltungstechnischen Gründen absichtlich unterlaufen.
Hinzu kommt, dass die Gerichte in vielen Mitgliedstaaten den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nach wie vor nur zögerlich durchsetzen. Wenn die EU-Rechtsvorschriften nicht für allgemein verbindlich erachtet werden, wenn ihre Umsetzung und Durchführung vom guten Willen einer Regierung abhängen, haben wir es bald mit einer objektiven Renationalisierung von Politikfeldern der EU zu tun, wie Frau Frassoni in ihrem Bericht zutreffend feststellt. Dies hätte sehr nachteilige Folgen für den Binnenmarkt und den gesamten „acquis communautaire“.
Die uneinheitliche Umsetzung kann auch dazu führen, dass gemeinschaftsrechtliche Vorschriften aufgrund der Anwendung unterschiedlicher Bestimmungen in verschiedenen Ländern falsch angewendet werden; wodurch die Glaubwürdigkeit der Union untergraben wird. Wenn es uns nicht gelingt, unsere Forderung nach korrekter Umsetzung des EU-Rechts gegenüber den Regierungen der Mitgliedstaaten durchzusetzen, können wir doch von den Menschen nicht den Glauben erwarten, dass Organe der Union wie die Kommission, der Rat oder das Europäische Parlament die aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte der Bürger wirksam verteidigen werden.
Karin Riis-Jørgensen (ALDE). – (DA) Frau Präsidentin! Das Europäische Parlament muss sich an die Spitze derjenigen setzen, die eine bessere Rechtsetzung wollen. Die Tätigkeit des Europäischen Parlaments muss transparent und verständlich formuliert sein, und wir müssen insbesondere die verwaltungstechnischen Hürden in der europäischen Gesetzgebung beseitigen. Daher fordere ich die Parlamentsführung auf, für eine bessere Koordinierung unserer gesetzgeberischen Tätigkeit Sorge zu tragen, damit wir nicht noch einmal in die Lage geraten, dass Ausschüsse einander widersprechende Änderungen vorschlagen. Gleichzeitig müssen wir der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für unsere Bürger Vorrang einräumen und den Behörden bzw. dem Europäischen Gerichtshof nicht zuviel Spielraum für Ermessensentscheidungen lassen.
Der Präsident des Europäischen Rates, der österreichische Bundeskanzler, hat dem Europäischen Gerichtshof vorgeworfen, dass er zu viele Befugnisse an sich zieht. Eigentlich macht der Gerichtshof aber nur seine Arbeit, weil wir als Gesetzgeber unsere nicht gut genug tun.
Leider befürchte ich, dass uns bei der Dienstleistungsrichtlinie die gleichen Fehler unterlaufen werden wie in der Vergangenheit und dass wir dem Europäischen Gerichtshof zu viel Ermessensspielraum für die Auslegung lassen. In diesem Bereich müssen wir alle in der zweiten Lesung wirklich besser sein.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Bei meinen Gesprächen mit Interessengruppen des Binnenmarkts wurde ich oft mit Kritik an den geltenden EU-Rechtsvorschriften konfrontiert. Schlecht abgefasste Rechtsakte erschweren häufig die Umsetzung der Entwürfe in die Rechtssysteme der betreffenden Staaten. Teilnehmer der öffentlichen Anhörung zu diesem Thema, unter ihnen auch Kommissar Verheugen, bestätigten, dass mehrdeutige Formulierungen nicht selten für Rechtsunsicherheit sorgen oder den Wettbewerb verzerren und den Binnenmarkt fragmentieren, wodurch die Fähigkeit der Verbraucher und Unternehmen, von seinen Vorzügen uneingeschränkt Gebrauch zu machen, geschwächt wird.
Deshalb begrüße ich die Empfehlungen der Berichterstatterin, Frau McCarthy, an die Kommission zur weiteren Konsolidierung, Vereinfachung und Kodifizierung des Gemeinschaftsrechts, damit es verständlicher wird. Selbstverständlich sollten wir es uns zur Regel machen, dass eine bessere Rechtsetzung die Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards nicht aushöhlen darf. Aufgrund meiner Erfahrungen, die ich beim Verfassen des Berichts über die Finanzierung der europäischen Normung gesammelt habe, teile ich uneingeschränkt die Meinung der Berichterstatterin, dass nur gute, klare und vor allem einfache Binnenmarktvorschriften den Bürgern, Verbrauchern und Unternehmen zugute kommen und mithelfen, die Position der Europäischen Union gegenüber den Wettbewerbern in der Weltwirtschaft zu stärken.
Meine Damen und Herren, meiner Überzeugung nach liefert bessere Rechtsetzung eine Grundlage für Bemühungen der europäischen Institutionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Generierung von Wachstum in der Europäischen Union unter der geänderten Lissabon-Strategie. Zum Schluss möchte ich den vier Berichterstattern dafür danken, dass sie eine neue Architektur für bessere Rechtsetzung in einem Europa mit größerer Bürgernähe errichtet haben.
Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Frau Präsidentin! Es gab eine Zeit, als die Gesetze von den Göttern gemacht wurden; sie schufen vollkommene Gesetze. Dann ermüdeten die Götter, und die Menschen begannen, die Gesetze zu erarbeiten, und nun sind die Gesetze unvollkommen. Deshalb entscheiden nunmehr nur wir selbst, ob ein Gesetz gut oder schlecht ist. Das einzige Kriterium, um zu beurteilen, ob ein Gesetz etwas taugt oder nicht, ist die Demokratie, das Kriterium der Mehrheit, denn, wie Rousseau sagte, ist es vernünftig, dass die Mehrheit entscheidet, und nicht die Minderheit.
Nach Einführung dieses Grundsatzes in den modernen Demokratien ist die Demokratie repräsentativ, und es sind die Parlamentarier, die Rechtsvorschriften erlassen; sie können Fehler begehen, aber das einzige Kriterium für die Legitimität ist die parlamentarische Mehrheit. Davon ausgehend glaube ich, dass die größte Gefahr für die Demokratie zurzeit die Technokratie in Verbindung mit wirtschaftlichen Interessen ist – bekannt als Selbstregulierung oder Koregulierung –, die einen Weg darstellt, um allgemeine Interessen in die Hände individueller Interessen einiger weniger zu legen, und daran sollten wir denken.
Ich persönlich wurde für viele Wahlperioden gewählt, aber ich wäre nicht bereit, auf meine legislative Verantwortung zugunsten von Nebenabreden und zugunsten technokratischer Interessen zu verzichten.
Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Meine Damen und Herren! Mir ist klar, dass der neue Ansatz in der europäischen Gesetzgebung ein Umdenken und möglicherweise sogar Vertragsänderungen erfordert. Wenn wir aber erreichen wollen, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in den Binnenmarkt nicht verliert, müssen wir gegen das Abfließen von Investitionen und den Verlust von Arbeitsplätzen vorgehen. Es geht also nicht nur um eine geringere Anzahl von Gesetzen und die Vereinfachung der Gesetzgebung. Meiner Meinung nach müssen wir auch die ursprünglichen Ziele europäischer und nationaler Rechtsvorschriften auf den Prüfstand stellen. Damit stehen wir vor einer schweren politischen Aufgabe. Wir, meine Damen und Herren, sind diejenigen, die fordern müssen, dass jede einzelne Maßnahme unabhängig davon, ob sie zum Beispiel den Gesundheits- oder Umweltschutz oder andere Bereiche betrifft, einer Folgenabschätzung unterzogen wird. Dies legt Frau McCarthy im Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dar. Ich möchte hinzufügen, dass klar sein muss, welche Kosten auf europäische Erzeuger zukommen, in welchem Umfang die öffentlichen Finanzen aufgestockt oder gekürzt werden und welche Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit in unseren Regionen zu erwarten sind. Insbesondere sollten wir im Voraus wissen, wie sich auf eine Verbesserung der Standards abzielende Rechtsvorschriften auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Erzeugnisse gegenüber Produkten aus Drittstaaten auswirken, um sicherzustellen, dass am Ende nicht noch mehr Fertigungskapazitäten aus Europa verlagert werden und weiteres Kapital abfließt.
Bessere Rechtsetzung bedeutet aus Kostensicht auch, dass wir genau prüfen werden, ob die neuen Maßnahmen tatsächlich Verbesserungen im Hinblick auf die gesundheitlichen oder sozialen Bedingungen für unsere Bürger bewirken werden oder ob dies nur eine unbegründete Annahme ist. Mir als Ärztin und Politikerin gefällt es gar nicht, dass so viele europäische und nationale Rechtsvorschriften schlichtweg nur populistische Gesten sind. Dennoch habe ich keine klaren Vorstellungen, wie der Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder gefälschten Erzeugnissen aus Drittländern geschützt werden kann, die europäische Qualitätsprodukte verdrängen. Als Beispiel kann ich Kinderschuhe aus Asien anführen, die aus orthopädischer Sicht Mängel aufweisen. Als einzige Lösung wäre hier eine neue obligatorische Bescheinigung über die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Kinderschuhwerk denkbar, wobei im Übrigen auch die Allgemeinheit mit einer solchen Regelung besser zurechtkommen würde.
Zu meinem Bedauern kommt die Kommission beim Verbraucherschutzrecht und bei den rechtlichen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums viel zu langsam voran. Noch nie war die Qualität der europäischen Gesetzgebung so wichtig wie heute, da die Union sich mit ernst zu nehmender Konkurrenz aus Drittstaaten konfrontiert sieht. Das politische Ziel der heutigen Rechtsetzung besteht darin, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und den europäischen Verbraucher zu schützen – und zwar gleichermaßen innerhalb wie außerhalb Europas. Zugleich wird damit das Anliegen verfolgt, die Kreativität unserer Bürger zu fördern, sie aber auch mit unwirksamen rechtlichen Regelungen zu verschonen.
Maria Matsouka (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine bessere Rechtsetzung in der Gemeinschaft bedeutet, das jeweilige Projekt in technischer Hinsicht zu beurteilen und zu definieren.
Dazu kommt, dass die Komplexität der nationalen Verwaltungen, die begrenzten Umsetzungskapazitäten und die häufig mangelnde Bereitschaft das Ganze noch zusätzlich erschweren. Sanktionen, die von der Union selbst verhängt werden, scheinen hier das effektivste Mittel zu sein. Der Einsatz, der für die ordnungsgemäße Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften geleistet werden muss, besteht darin, einen politischen und vor allem einen gesellschaftlichen Willen auszubilden. Die ordnungsgemäße Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften ist ein Prozess, durch den Europa mittelfristig seine Trägheit abbauen und im internationalen globalisierten Umfeld wettbewerbsfähiger werden könnte, was wiederum den Bürgern, den Verbrauchern und den Unternehmen zugute käme.
Wir benötigen Vorschriften, die eindeutig, umfassend und verständlich sind. Solche Texte setzen selbstverständlich voraus, dass ihre Verfasser sich besser abstimmen. Die Vereinfachung und Rationalisierung des legislativen Corpus sind von großer Bedeutung. Noch besser wäre es, wenn die Gesetze unter Achtung der Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und der Folgerichtigkeit die grundlegenden Elemente eines Sektors regulieren und Umsetzungsmaßnahmen festlegen würden, die sich auch auf technische Einzelheiten beziehen.
Was die Effektivität der Regelungen betrifft, so ist es unbedingt erforderlich, eine Einschätzung der Kosten und des Nutzens der Umsetzung vorzunehmen. Die beteiligten Akteure, die sich somit in der Position gemeinsamer Gesetzgeber befinden, sind daher aufgerufen, einen sozialen Dialog zu führen.
Denn nur auf diese Weise können wir, was insbesondere die grundlegenden politischen Vorschläge angeht, das Vertrauen der Bürger gewinnen. Ein gutes Gesetz ist kein verschlungenes Gesetz mit strengen Verfahren, sondern es ist ein Gesetz, mit dem die Bürger leicht umgehen können und das ihnen gleichzeitig die gemeinsame Verantwortung für seine Umsetzung überträgt.
Klaus-Heiner Lehne (PPE-DE). – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass in dieser Debatte doch klar geworden ist, dass das zentrale Problem, über das wir hier diskutieren, das der Gesetzesfolgenabschätzung ist. Meines Erachtens hat das überhaupt nichts damit zu tun, dass Technokratie Demokratie ersetzt. Darum geht es nicht. Selbstverständlich sind die demokratischen Institutionen weiter verantwortlich. Die Kommission entscheidet über Vorschläge in eigener Verantwortlichkeit, das Parlament und der Rat natürlich ebenso.
Es geht um einen entscheidenden Punkt, nämlich dass wir die Verfahren im Hinblick auf unsere Unterstützung verändern. Zurzeit machen wir in der Europäischen Union Gesetzgebung durch learning by doing. Wir beschließen etwas, und am Ende kommt dann irgendetwas raus, das irgendeine Wirkung hat. Wenn wir dann feststellen, dass es eine Wirkung hat, die wir nicht wünschen, haben wir das Problem, dass aufgrund der komplexen Verfahren, die wir in der Europäischen Union haben, wir nicht, wie in nationalen Parlamenten, die Gesetze mal eben schnell ändern können, sondern dass wir dann ein komplexes Verfahren brauchen, das sich über viele Jahre erstreckt, um Richtlinien zu bearbeiten und Verordnungen zu ändern. Deswegen brauchen wir ein anderes Instrumentarium, als es oftmals auf nationaler Ebene existiert.
Wir müssen wissen, was wir tun. Es geht bei der Gesetzesfolgenabschätzung darum, dass wir Hilfestellung bekommen, dass uns auch Leute, die unabhängig sind, sagen, welche Konsequenzen unser Tun hat. Die politische Entscheidung bleibt letztendlich unsere. Aber wir brauchen diese Hilfestellung. Das ist ganz entscheidend bei einem so großen Wirtschaftsraum von 470 Millionen Menschen, für die die Kommission, der Rat und das Parlament Entscheidungen zu treffen haben. Von daher ist es auch entscheidend, dass es das unabhängige Element gibt.
Ich appelliere noch einmal ganz deutlich an die Kommission, sich auch innerhalb ihrer eigenen Strukturen dafür einzusetzen, dass dieses unabhängige Element eingeführt wird. Geschieht dies nicht, hätte das zur Konsequenz, dass das Parlament gezwungen wäre – wenn wir uns selbst ernst nehmen –, selbst überall ein unabhängiges impact assessment durchzuführen. Das ist nicht der Sinn der interinstitutionellen Vereinbarung von 2003. Wir möchten, dass die Kommission dies von sich aus veranlasst, damit wir vernünftige Entscheidungsgrundlagen bekommen.
Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte noch einmal versuchen zu erklären, worum es geht und worum es nicht geht. Es geht nicht um weniger Gesetzgebung. Es geht nicht um schlechtere Gesetzgebung, es geht nicht um Deregulierung, es geht nicht um neoliberalen Marktradikalismus. Es geht schlicht und einfach darum, das europäische Rechtssystem so zu gestalten, dass die Bürgerinnen und Bürger es verstehen können, und es so zu gestalten, dass die europäische Wirtschaft es benutzen kann, um zu wachsen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist wirklich das Einfachste von der Welt, und ich bin immer wieder erstaunt, was für Motive hinter einem so eindeutigen und klaren Konzept auch vermutet werden können.
Ob wir glauben oder nicht, dass wir zu viele europäische Gesetze haben und dass sie vielleicht auch nicht immer gut genug sind, spielt überhaupt keine Rolle. Es ist keine Glaubensfrage, über die wir hier sprechen, sondern wir sprechen darüber, dass ein erschreckend hoher Anteil der Bürgerinnen und Bürger Europas davon überzeugt ist, dass es so ist. Wir sprechen davon, dass die europäischen Unternehmerinnen und Unternehmer und die europäischen Gewerkschaften übereinstimmend davon sprechen, dass es so ist. Zu viel Bürokratie, zu viele Gesetze, zu komplizierte Gesetze, zu viele unnötige Einschränkungen. Es kommt nicht darauf an, ob es wirklich so ist, es kommt darauf an, dass diejenigen, für die wir die Gesetze machen, davon überzeugt sind, dass es so ist. Deshalb war es notwendig, etwas zu tun.
Das von der Kommission vorgeschlagene Projekt „Bessere Rechtsetzung“ arbeitet mit all den Instrumenten, die hier genannt worden sind – verschiedene Formen, in denen man das Recht vereinfachen und modernisieren kann, ohne es in seinem Gehalt zu verändern. Ich muss es noch einmal sagen: Es geht nicht darum, die Substanz von Regelungen zu verändern, sondern es geht darum, sie benutzerfreundlich und transparent zu machen.
Ich werbe noch einmal um die Unterstützung des Europäischen Parlaments. Es sind in Wahrheit ja zwei große, zwei verschiedene Projekte. Das eine Projekt ist die rückwirkende Überprüfung des gesamten Rechtsbestandes.
Machen wir uns doch nichts vor! Als die europäische Integration noch jung war, wurden Gesetze unter anderen Gesichtspunkten gemacht als heute, und wenn wir etwas weiter zurückgehen, finden wir in den Annalen unserer Gesetzesbücher schon sehr erstaunliche Dinge. Kein Mensch bestreitet, dass das modernisiert werden muss. Die Überprüfung des gesamten Bestandes ist keine einfache Sache, und ich wäre sehr dafür, dass wir uns auch hier auf gemeinsame Verfahren einigen und nicht nur bei der Kodifizierung, wo wir das bereits getan haben.
Davon zu unterscheiden ist die Frage: Wie wollen wir in Zukunft Regelungen treffen? Wie wollen wir in Zukunft Gesetze machen? In diesem Zusammenhang spielt die Frage der Folgenabschätzung eine ganz zentrale Rolle. Ich unterstütze all diejenigen hier, die sagen: Es ist in einer Demokratie zwingend, dass der Gesetzgeber weiß, welche Folgen sein Handeln für die Betroffenen hat. Das bedeutet ja nicht, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet, etwas zu tun, wenn er das weiß. Es wird immer eine Frage der Abwägung sein.
Wenn die Kommission Ihnen sagt, eine Gesetzgebung verursacht für die Wirtschaft Kosten von x Milliarden Euro, Ihnen auf der anderen Seite aber sagt, dass es notwendig sei, diese Gesetzgebung vorzulegen, um den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger nach Schutz ihrer Gesundheit nachzukommen, fällt die Abwägung nicht schwer. Die Kommission wird dann sagen: Der Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger geht vor, auch wenn es etwas kostet.
Ich möchte hier klar machen, dass Folgenabschätzung nicht automatisch bedeutet, dass wir dann, wenn sich herausstellt, dass wir etwas tun, was auch Kosten verursacht, einfach sagen: Wir tun es nicht. Es geht darum, dass wir ganz genau wissen, was wir tun.
Hier sind wichtige Gedanken zu der Frage geäußert worden, wie eine solche Folgenabschätzung am besten organisiert wird, und ich sage Ihnen in aller Offenheit: Wir sind, was diese Frage betrifft, in der Kommission mitten in einem Diskussionsprozess, und sowohl Präsident Barroso als auch ich sind wirklich der Meinung, dass wir das jetzige System verändern müssen.
Ich teile voll und ganz die Auffassung derjenigen, die hier gesagt haben: Es kann die endgültige Entscheidung über die Gültigkeit einer Folgenabschätzung nicht bei denjenigen liegen, die sie gemacht haben, und es können nicht ausschließlich diejenigen mit einer Folgenabschätzung befasst sein, die das dazugehörige Gesetz machen. Das sehen Präsident Barroso und ich ganz genau so. Wir diskutieren über die bestmögliche Lösung. Der Präsident hat in seinem einführenden Statement ja gesagt, dass er daran denkt, eine unabhängige Stelle unter seiner eigenen Verantwortung einzurichten, die die Folgenabschätzung überprüft. Wir sind also gerne bereit, mit dem Parlament weiter zu reden. Dasselbe gilt für das Komitologieverfahren, wo wir ja die Anliegen des Parlaments weitgehend unterstützen, und auch für alle anderen Anregungen, die hier eingebracht worden sind.
Ich möchte Ihnen nur noch einmal nahe bringen, dass es sich hier um ein Projekt handelt, das wir nicht technisch oder bürokratisch oder formalistisch behandeln dürfen. Es ist ein hochpolitisches Projekt, hochpolitisch! Es soll dazu beitragen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Gesamtsystem der europäischen Integration zu stärken, und es soll dazu beitragen, unserer Wirtschaft stabile und verlässliche Rahmenbedingungen zu geben, damit die große soziale Frage unserer Zeit gelöst wird, nämlich die Frage nach der Zukunft unserer Arbeitsplätze.
VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag, dem 16. Mai, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Edit Herczog (PSE). – (HU) Der Berichterstatter hat in ausgezeichneter Weise die Hindernisse in den Gesetzen der EU und der Mitgliedstaaten aufgezeigt, die das Funktionieren des Binnenmarktes erschweren. Die Lösung besteht in der Überprüfung der bestehenden Rechtsvorschriften und einer umsichtigeren Erarbeitung neuer Rechtsakte. Das ist die Aufgabe des Rechtsetzungsprozesses selbst. Weder die Kommission, die die Gesetze macht und verabschiedet, noch der mit legislativen Aufgaben betraute Rat und das Parlament übertragen diese Verantwortung Dritten, vor allem nicht externen Gremien.
Das Parlament ist im Rahmen seiner legislativen Zuständigkeiten auch für die Prüfung geltender Rechtsvorschriften verantwortlich. Ich möchte die Kommission im Geiste der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung höflich auffordern, eng mit dem Parlament zusammenzuarbeiten.
Bei der Erarbeitung künftiger Verordnungen macht es keinen Sinn, die langen, bürokratischen Verfahren weiter zu verkomplizieren. Würden wir heute ein unabhängiges externes Prüforgan einrichten, um die Qualität von Folgenabschätzungen zu untersuchen, warum sollten wir dann nicht morgen eine unabhängige, externe Inspektionsstelle ins Leben rufen, um die Unabhängigkeit des Prüforgans zu prüfen? Statt die Zahl der Organe zu vervielfachen, die Verfahren prüfen, die sich als falsch erwiesen haben, sollten wir neue, effizientere Arbeitsmethoden entwickeln, um die Regulierung des Binnenmarktes zu verbessern. Neben der Prüfung der Rechtsakte müssen Kommission, Rat und Parlament auch ihre eigenen Verfahren kritisch unter die Lupe nehmen und diese gegebenenfalls in verantwortungsbewusster Weise anpassen.
Abschließend möchte ich alle drei Organe darauf aufmerksam machen, dass die Gesellschaft dem europäischen Recht nur dann vertraut und es respektiert, wenn wir volle Öffentlichkeit und gesellschaftliche Kontrolle gewährleisten.
Véronique Mathieu (PPE-DE). – (FR) Die europäische Gesetzgebung ist zu kompliziert und teilweise überflüssig. Daher muss es eine intelligente Überarbeitung uns ermöglichen, gegen diesen ungesunden und schädlichen Mangel an Klarheit zu kämpfen!
Einerseits müssen wir die bestehende Gesetzgebung durch Reduzierung und Vereinfachung verbessern. Bei diesem Vereinfachungsvorhaben müssen wie bei jeder anzunehmenden neuen Maßnahme die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität beachtet werden: die Europäische Union, wo dies notwendig ist, wenn dies effektiver ist als das getrennte Handeln der Mitgliedstaaten, so viel wie erforderlich, aber nicht mehr als erforderlich.
Die Anwendung dieser als technisch erscheinenden Grundsätze beinhaltet die Beurteilung der sozialen, kulturellen und sonstigen Angemessenheit, obwohl kein Instrument zur effektiven Kontrolle ihrer Anwendung vorhanden ist! Diese Lücke war durch die Verfassung geschlossen worden. Bis zu ihrer Ratifizierung müssen wir uns Fragen zur ordnungsgemäßen Anwendung dieser Grundsätze stellen.
Andererseits muss die Kontrolle der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts verbessert werden, denn Rechtsunsicherheit beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Die Einführung von nationalen Korrespondenzstellen ist eine positive Maßnahme, wenn die Kontrollen eine quantitative und eine qualitative Analyse sowie eine Abschätzung der Folgen auf das soziale, wirtschaftliche und ökologische Umfeld einschließen. Diese Folgenabschätzungen müssen vergleichbar sein und daher vereinheitlicht werden. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss das Europäische Parlament seine Rechte auf diesem Gebiet stärken.