Der Präsident. Wir setzen nun die Aussprache über die Ergebnisse des Europäischen Rates und die Lissabon-Strategie fort.
Wolfgang Schüssel, amtierender Ratspräsident. Hohes Parlament! Ich freue mich sehr, als Vorsitzender des Rates Präsident Josep Borrell, Sie, meine Damen und Herren Parlamentarier, und die Mitglieder der Kommission wieder begrüßen zu können! Ich habe jetzt meinen zweiten Auftritt vor Ihnen, und Sie erinnern sich vielleicht an das, was ich am Anfang der österreichischen Präsidentschaft versprochen habe, nämlich dass wir nicht eine Präsidentschaft mit unseren eigenen Themen, Wünschen und Sehnsüchten machen wollen, sondern eine Teampräsidentschaft anbieten, innerhalb der wir mit Ihnen, dem demokratisch gewählten Europäischen Parlament, mit der Kommission und natürlich auch mit den Mitgliedstaaten sehr gut zusammenarbeiten wollen. Wir können diese gigantische Aufgabe, das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen, nur gemeinsam lösen, und wir müssen die großen Aufgaben, die nur Europa lösen kann, gemeinsam angehen. Wir müssen uns dabei aller Institutionen bedienen. Es hat keinen Sinn, wenn die eine Institution auf die andere zeigt oder sie kritisiert. Wir sitzen in einem Boot und müssen gemeinsam fest rudern, damit wir an Tempo gewinnen und unser Ziel erreichen können.
Ich glaube, dass Sie auch beurteilen können, dass wir uns von Anfang an um dieses Miteinander innerhalb einer Teampräsidentschaft bemüht haben. Ohne große Ankündigungen haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten auch einiges an Lösungen gemeinsam mit Ihnen und der Kommission erreichen können.
Ich möchte Ihnen zunächst kurz über den Europäischen Rat berichten. Wir haben uns vor einem Jahr unter luxemburgischem Vorsitz vorgenommen, einen neuen Impuls für die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung zu setzen. Es genügt nicht, rhetorisch-wolkige Formeln zu finden, sondern wir brauchen Resultate und Aktionen im Sinne von Schuman, der einst gesagt hat: Europa wird nicht an einem Tag gebaut. Europa wird durch die Tat – wahrscheinlich plural: durch die Taten – gebaut. Wir haben auch zum ersten Mal institutionell eine Veränderung vorgenommen: Wir haben die europäischen Sozialpartner in die Beratungen des Europäischen Rats eingebunden. Der Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Cándido Méndez Rodriguez, war dabei. Der Präsident des europäischen Arbeitgeberverbands UNICE, Ernest-Antoine Seillière, hat an den Beratungen teilgenommen, und zum ersten Mal war auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, dabei. Natürlich hat Josep Borrell einen ganz wichtigen Beitrag, die Stimme des Parlaments, in diese Wirtschafts- und Arbeitsplatzdiskussion eingebracht.
Wir haben uns als Präsidentschaft sehr konkrete Ziele gesetzt. Sie konnten selbst vorher in den Medien verfolgen, dass viele dieser Ziele sehr umstritten waren. Wir haben uns dabei nicht entmutigen lassen und einige sehr präzise Themen in den Schlussfolgerungen verankert, vor allem im Bereich Arbeit und Wachstum. Das wichtigste für uns ist die Verbesserung der Beschäftigungslage für die rund 18 Millionen Arbeitslosen in Europa. Konkret wollen wir durch die nationalen Reformprogramme und durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ein Beschäftigungswachstum von 1 % erzielen. Damit lassen sich jährlich etwa 2 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Bis zum Jahre 2010 wären das zusätzlich netto 10 Millionen Arbeitsplätze.
Der zweite Punkt: Wir wollen uns ganz bewusst auf die Ausbildung der Jugendlichen konzentrieren. 85 % der Jugendlichen bis 22 Jahre sollen eine höhere Ausbildung erhalten. Die Zahl der Schulabbrecher soll auf 10 % gesenkt werden, und wir wollen ganz bewusst bereits im nächsten Jahr jedem jungen Menschen anbieten, innerhalb von sechs Monaten entweder einen Job, eine Lehrstelle oder eine Weiterbildungsmöglichkeit zu bekommen. Später soll dieser Zeitraum dann auf vier Monate reduziert werden.
Wir haben einen Gleichstellungspakt zwischen den Geschlechtern in der Arbeitswelt vereinbart. Das Thema „Flexicurity“ wird auf allen Ebenen sehr intensiv erörtert. Mit dem Globalisierungsfonds, den die Kommission vorschlägt, verfügen wir über ein vernünftiges Instrument, um jenen Arbeitnehmern, die durch den Strukturwandel Probleme haben, durch die Umschulung- bzw. Weiterbildung eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Das nächste große Thema ist natürlich die Frage, wie man das erreichen kann. Hier haben wir uns vorgenommen, uns vor allem auf die Klein- und Mittelbetriebe zu konzentrieren, die in der Vergangenheit manchmal eher stiefmütterlich behandelt worden sind. Wir haben uns konkret überlegt, wie wir den rund 23 Millionen Klein- und Mittelbetrieben durch die Verkürzung der Behördenverfahren und durch die Streichung von administrativen Vorschriften das Leben erleichtern können. Die Kommission mit Günter Verheugen und Präsident Barroso liefert hier mit „Besseren Rechtsetzung“, einem ganz intensiven Programm, das der niederländischen Programmatik nachgebildet ist, mit der Reduktion der Verwaltungsarbeit um 25 % einen ganz entscheidenden Impuls. Wir wollen Jungunternehmern die Gründung eines Betriebs erleichtern. Innerhalb einer Woche soll ein solcher neuer Betrieb entstehen können, und eine einzige Anlaufstelle soll sicherstellen, dass die kleinen Betriebe nicht zu 100 Verwaltungsbehörden laufen müssen, sondern so rasch wie möglich etwas unternehmen können.
Ich danke der Kommission sehr – ich weiß, dass es intern nicht ganz einfach war – für die Anhebung der De-Minimis-Schwelle. Die Verdoppelung dieser Schwelle ist ein ganz wichtiger Impuls, der es uns ermöglicht, das Leben und auch die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe wesentlich zu erleichtern und zu fördern. Vergessen Sie auch nicht, dass wir über die Europäische Investitionsbank rund 30 Milliarden Euro zusätzlich über gestützte Kredite, Garantien und Haftungen zur Verfügung stellen, damit gerade die kleinen Betriebe wirklich etwas im Bereich der Schaffung von Arbeitsplätzen zustande bringen.
Drittes Thema: Wissen und Forschung. Wir wissen genau, dass wir mit unserem Lohnniveau in Europa nur dann im Wettbewerb bestehen können, wenn wir mehr für Ausbildung, Forschung und Wissen tun. Natürlich haben wir das Ziel von 3 % schon im Jahr 2000 fixiert. Nur eingehalten haben wir es nicht. Das Neue bei diesen Schlussfolgerungen ist, dass wir jedes Land dazu gebracht haben, in einer Anlage, die Teil der Schlussfolgerungen ist, eine Selbstverpflichtung einzugehen, wie in jedem einzelnen Jahr bis 2010 dieses Ziel von 3 % auch wirklich erreicht werden kann. Das sage ich jetzt auch zur vorherigen Debatte: Wenn uns das gelingt – und das wird natürlich erhebliche Anstrengungen erfordern –, dann bedeutet das, dass pro Jahr 100 Milliarden Euro zusätzlich aus den nationalen Budgets und der Privatwirtschaft in die Forschung investiert werden. Das wäre der gewaltigste Wachstumsschub, den es überhaupt auf diesem Gebiet geben kann.
Wiederum gilt: Die Europäische Investitionsbank hilft uns hier mit 10 Milliarden Euro an zusätzlichem Risikokapital. Wenn man die privaten Beiträge noch dazu rechnet, kommen wir auf rund 30 Milliarden Zusatzimpuls.
Besonders bedeutsam scheint mir, dass der Europäische Rat deine Idee, lieber José Manuel, aufgegriffen hat, ein europäisches Institut für Technologie zu schaffen. Auch diese Idee war zunächst sehr umstritten, weil natürlich manche befürchten, dass da große Parallelbürokratien entstehen. Andere fürchten, dass bestehende Exzellenzeinrichtungen zu kurz kommen könnten. Die Grundidee, die die Kommission hier vorlegt, unterstütze ich vollinhaltlich, nämlich ein Bindeglied zu schaffen zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft, zwischen Forschung und Innovation auf der einen Seite und den Anwendern auf der anderen Seite. Keine Superbehörde, aber ein perfekt ausgebautes Netzwerk, das vor allem auch mit den Institutionen in den Mitgliedstaaten wirklich zusammenarbeitet. Ich gratuliere José Manuel Barroso und der Kommission, dass dieser Vorschlag aufgegriffen und unterstützt wurde, und wir erwarten bis Juni dieses Jahres auch konkrete legistische Vorschläge.
Wichtig ist im Zusammenhang mit dem Budget auch, dass wir uns verpflichtet haben, für Lebenslanges Lernen, für die Studentenprogramme, für die Lehrlingsaustauschprogramme wesentlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Sie haben es gehört: 800 Millionen Euro zusätzlich jetzt im Haushaltskompromiss. Das ist ein ganz interessanter und wichtiger Impuls, um der Jugend eine neue Perspektive zu geben.
Was interessant war: Ich habe einige Studien genau gelesen, die kritisiert haben, warum wir die ambitiösen Ziele unserer Strategie – Lissabon, Arbeitsplätze, Beschäftigung – bisher nicht erreicht haben. Einer der Gründe, die im Bericht Sapir und auch vom European Policy Centre angesprochen werden, war, dass zu wenig national ownership da ist – ein furchtbares Wort. Das heißt sozusagen: Niemand fühlt sich in den nationalen Mitgliedstaaten wirklich dafür verantwortlich.
Ich gehe hier mit gutem Beispiel voran: Ich habe im letzten Ministerrat in Österreich beschlossen, dass wir den Koordinator auf die Ministerebene heben. Unser Wirtschafts- und Arbeitsminister wird ab sofort der politische Koordinator für diesen ganzen Prozess sein. Ich werde jedes Mitgliedsland einladen, diesem Weg zu folgen, sodass wir politische Koordinatoren bekommen, die dann, möglichst im Rat „Wettbewerb“, auf die Umsetzung der selbst gewählten Ziele achten können. Das wäre ein ganz wichtiger Impuls, damit auch glaubhaft wird, was wir uns hier gemeinsam vorgenommen haben.
Ein ganz neues Thema war natürlich die Energiepolitik. Hier hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Anfang gemacht. Ich danke auch Tony Blair, dass er in Hampton Court hierzu eigentlich den Startschuss gegeben hat. Natürlich war vor allem der 1. Jänner dieses Jahres ein wirklicher Weckruf, ein Alarmsignal. Die Russen haben am 1. Jänner, während ich mit Angela Merkel im Neujahrskonzert gesessen bin, in der ersten Nacht die Energielieferungen um 30 % gekürzt, in der zweiten Nacht um 50 %. Wir haben innerhalb von vier Tagen diese Krise mit der Kommission, mit Kommissar Piebalgs und vielen anderen, entschärfen können, aber die Probleme sind natürlich noch immer da.
Fast alle Produzenten leben in politischen Krisengebieten. Fast alle globalen Konflikte haben irgendetwas mit Energie zu tun. Wir haben stark schwankende Rohstoffpreise. Wir haben eine geringe Diversifizierung. Es besteht in Europa nach wie vor in manchen Bereichen zu manchen Zeiten höchste black-out-Gefahr. Der Klimawandel mit allen Folgeerscheinungen ist ein Thema für uns. Die Frage der weltweit steigenden Energienachfrage muss beantwortet werden, und wir haben natürlich auch enorme Sicherheitsrisiken, die wir sehen müssen.
Das schreit geradezu nach einer neuen gemeinsamen europäischen Kraftanstrengung, und die Kommission hat im Grünbuch erstklassige Vorarbeit geliefert. Der Europäische Rat hat dies aufgegriffen, und wir haben drei Ziele definiert: Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Steigerung der Umweltqualität. Konkret wurden 20 % Energieeinsparung vereinbart – und das halte ich für sehr wichtig, denn das ist nicht selbstverständlich. Das heißt in Wahrheit, dass sich die Union zum Ziel setzt, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch nachhaltig zu entkoppeln. Das halte ich für einen der wichtigsten Beschlüsse bei diesem Rat, und es wird enorme Anstrengungen erfordern, dies auch wirklich umzusetzen.
Wir wollen den Anteil der erneuerbaren Energie von heute 7 % auf 15 % anheben. Auch das war sehr umstritten und ist kein automatischer Prozess. Da müssen wir national und gemeinsam sehr viel tun. Der Anteil der Biokraftstoffe – heute 2 % – soll auf 8 % angehoben werden. Das geht nur mit Technik, mit Forschung, das umfasst die Fragen der Biokraftstoffe der zweiten Generation, der Umsetzung von CARS 21, der Kooperation mit der Automobilindustrie. Darin liegt eine enorme Wachstumschance, die wir nutzen wollen.
Grenzüberschreitender Stromhandel: Wir haben 10 % Brücken zwischen den Netzen und dem internationalen Stromhandel fixiert, was eine wesentlich geringere black-out-Gefahr für unsere Konsumenten bedeutet. Vergessen Sie nicht die wirtschaftliche Chance, die bei den Pipelines, bei den Netzwerken, bei den Kraftwerken und in der Netzsicherheit liegt. Darin steckt ein Investitionsvolumen von 800 bis 1 000 Milliarden Euro, meist privates Kapital. Wenn wir das durch eine kluge gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik nutzen, dann ist das ein gewaltiger Jobmotor und macht uns noch dazu sicherer.
Dazu gehört – und auch diese Diskussion haben wir ehrlich geführt, ohne Streit in der Öffentlichkeit: Es darf in einem relativ kleinen Markt wie Europa keinen Protektionismus geben. Ich weiß, wovon ich rede, ich war selbst sechs Jahre lang Wirtschafts- und damit Energieminister. Die Zeiten sind vorbei, wo jeder alleine auf eigene Faust einen national champion kreieren kann oder glaubt, sich über europäische Regelungen hinwegsetzen zu können.
(Beifall)
Wir brauchen hier eine Öffnung der Märkte, und es wurde auch die Öffnung des Strom- und Gasmarktes bis Mitte 2007 vereinbart. Die Instrumente sind da, die Kommission hat sie, und die Kommission soll sie auch ohne weiteres anwenden, denn deswegen ist sie die Hüterin der Verträge, damit sie für die Konsumenten die Versorgungssicherheit gewährleistet.
Bedeutsam bleibt allerdings der Energiemix; die Wahl des jeweiligen Energiemittels bleibt nationale Verantwortung. Das sage ich auch sehr deutlich. Jedes Land muss selbst wissen, ob es Atomkraftwerke haben will oder nicht. Wir Österreicher haben hier unsere ganz klare Position – auch andere, ich weiß das –, und das muss respektiert werden. Dafür garantiere ich, und dafür garantiert natürlich auch das Europäische Parlament.
Ganz wichtig wird sein, dass wir das nicht nur wirtschaftlich sehen, sondern im Kontext mit der Außenpolitik. Es wurde daher vereinbart, dass die Kommission gemeinsam mit dem Hohen Vertreter, Javier Solana, ein Strategiepapier über die außenpolitische Dimension der Energiepolitik vorlegt. Rückblickend wird man diese Diskussion und auch diese Entscheidungen als einen wirklichen Durchbruch zu einer neuen europäischen Energiepolitik sehen. Wir werden auch mit Hilfe von Überprüfungen in jedem Semester der kommenden Präsidentschaft dafür sorgen, dass dieses Thema nicht in Vergessenheit gerät.
Sehr bedeutsam scheint mir aber auch zu sein – und es war nicht einfach, diesen Konsens zu erreichen, ich musste im Vorfeld sehr viel Zeit dafür investieren und habe mit jedem einzelnen Regierungschef gesprochen –, dass ich alle dazu gebracht habe, den demokratischen und mit großer Mehrheit gefassten Beschluss des Europäischen Parlaments hinsichtlich der Dienstleistungsrichtlinie anzunehmen.
(Beifall)
Ich danke auch der Kommission, dass sie bereits heute einen Vorschlag vorgelegt hat, der – soweit ich das bisher gesehen habe – diesem Konsens entspricht. Ich bitte sehr darum, dass wir in einem beschleunigten Verfahren in zweiter Lesung so eng wie nur irgendwie möglich zusammenarbeiten, um rasch zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zu kommen.
Ich möchte auch den Sozialpartnern auf europäischer Ebene danken, dass sie hier mitgezogen haben. Das war für die Arbeitgeber nicht einfach, aber sie haben sehr konstruktiv mitgearbeitet. Nach diesem Durchbruch – als solchen sehe ich die Dienstleistungsrichtlinie – ersuche ich aber auch um ein ähnliches Engagement in einem zweiten wichtigen Bereich, nämlich der Arbeitszeitrichtlinie.
Wir wissen alle, dass es wichtig und gut ist, wenn wir in diesem Bereich weiterkommen. Wir werden aber Fingerspitzengefühl brauchen, um auch nationale Besonderheiten abdecken zu können. Für mich ist das ein klassischer Bereich, wo das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung kommen kann. Es ist besser, einen vernünftigen Kompromiss als gar keine Lösung zu haben. Ich wäre sehr froh, wenn wir auf drei Ebenen – Dienstleistung, Arbeitszeitrichtlinie und Budget – während der österreichischen Präsidentschaft gemeinsam einen wirklichen Fortschritt erzielen könnten.
Damit komme ich zum Budget. Es war eine schwierige Geburt, das weiß ich selbst. Einige von Ihnen schmunzeln, weil Sie natürlich genau wissen, dass drei Präsidentschaften hart an diesem Thema gearbeitet haben – und das ist nicht selbstverständlich – Luxemburg, Großbritannien und jetzt Österreich. Es geht um ein Siebenjahresbudget, es geht um Rechtssicherheit für die Programme, es geht vor allem bei den neuen Mitgliedstaaten darum, dass sie das umsetzen können, worauf sie hoffen. Ich danke wirklich sehr dafür, dass wir – was hier eigentlich alle Redner zum Ausdruck gebracht haben – an das Ganze gedacht haben und nicht an das Einzelinteresse.
Glauben Sie mir, auch ich habe so manche interne Sicherheitslinie überschreiten müssen, damit wir zu diesem gemeinsamen Konsens kommen. Sie wissen, dass dahinter auch sehr viel Engagement des Verhandlungsteams der österreichischen Präsidentschaft – Finanzminister, Außenministerin und natürlich auch ich selber in Kontakten mit José Manuel Barroso und auch dankenswerterweise mit Josep Borrell – steckt.
Wir mussten uns natürlich nahe am Dezember-Kompromiss orientieren, das wissen Sie. Unsere Sicherheitslinie war maximal 3,5 Milliarden. Das Parlament wollte mindestens 4 Milliarden, und es spricht für die Teampräsidentschaft, die wir gemeinsam betrieben haben, dass uns die Kommission dann am Ende geholfen hat, dass sie bei den Verwaltungskosten die noch fehlende halbe Milliarde aufgebracht hat, so dass das Parlament seine Wünsche – mindestens vier Milliarden in den Programmen – erfüllt bekam.
Wenn man das jetzt unter Einbeziehung der Europäischen Investitionsbank analysiert, kommt man zu interessanten Ergebnissen. Da ist eine Milliarde für die Stärkung der Außendimension der Union. Eine klare Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, plus eine Milliarde. Dann kommen 5 Milliarden Euro dazu für die Lissabon-Strategie, zur Hälfte aus dem europäischen Budget und zur anderen Hälfte über die Europäische Investitionsbank, cash. Der Rest sind dann Kredite: Da geht es hinauf bis 10 Milliarden für die Forschung, 20 für transeuropäische Netze, 30 für die Klein- und Mittelbetriebe – in Summe 60 Milliarden Euro.
Da ist viel in Bewegung gekommen, und ich glaube, dass wir diesen Kompromiss aus ehrlichem Herzen zur Annahme empfehlen können. Auch ich muss jetzt natürlich zum COREPER und zu den anderen Mitgliedstaaten gehen, aber ich denke schon, dass wir hier etwas erreicht haben, das wir nach außen absolut vertreten können.
Letzter Punkt: Auch außenpolitisch müssen wir einige Punkte neben dem Krisenmanagement – von der Vogelgrippe bis zum Karikaturenstreit, von der Gaskrise bis zu den großen außenpolitischen Themen – klarstellen; das ist jedoch heute nicht primär ein Thema. Mir ist nur ein Thema wichtig, weil ich oben Alexander Milinkewitsch gesehen habe und das ja auch beim Europäischen Rat ein Thema war.
Die Situation in Weißrussland ist natürlich eine dramatische. Ich möchte das hier auch von mir aus sagen. Ich hatte gestern die Ehre und das Vergnügen, mit Alexander Milinkewitsch ein langes, persönliches Gespräch zu führen. Das ist ein ruhiger, besonnener Mann, und er verdient von uns jede nur denkbare politische, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung, wo immer es notwendig ist, vor allem über die einzelnen Parteienfamilien. Denn die Opposition ist dort ja eine Plattform, gebildet aus den verschiedensten Gruppen. Nach dem brutalen Vorgehen der Staatsmacht gegen die Demonstranten, sind immer noch Hunderte im Gefängnis, haben Tausende Studenten ihren Platz an der Universität verloren, haben Arbeiter ihren Arbeitsplatz verloren, Familien ihr Einkommen. Es haben sich einige Mitgliedstaaten zusammengetan, die Visegrad-Staaten etwa – Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn –, und auch Österreich macht hier mit und bietet Stipendien für weißrussische Studenten an. In diesem Zusammenhang bitte ich auch um die Unterstützung der Kommission, damit wir Weißrussland wirklich helfen. Vor allem müssen wir gemeinsam die Stimme erheben und umgehend die Freilassung der Inhaftierten, vor allem auch des Präsidentschaftskandidaten Alexander Kosulin, verlangen.
(Beifall)
Wir sollten zugleich auch betonen, dass die Union nicht daran interessiert ist, Weißrussland oder gar die weißrussische Bevölkerung zu isolieren. Wir sollten vor allem die belarussische Zivilgesellschaft bei der Verwirklichung ihrer demokratischen Vorstellungen unterstützen. Das Regime wird so lange Ziel unserer restriktiven Maßnahmen, die wir beim Europäischen Rat vereinbart haben, bleiben, als autoritäre Methoden und die systematische Unterdrückung der Zivilgesellschaft fortbestehen.
Wir haben noch drei Monate Präsidentschaft vor uns. Viel Arbeit wartet noch auf uns, das weiß ich. Ich vertraue darauf, dass wir, so wie in der Vergangenheit, in sehr engen und guten Kontakten und in guter Zusammenarbeit die wichtigen Fragen lösen. Ich vertraue sehr darauf, dass Sie sich, so wie bisher, einbringen, durchaus auch kritisch und fordernd, wenn Sie bestimmte Vorstellungen oder Ideen haben. Ich verspreche Ihnen absolute Kooperation, und ich werde auch auf Ratsebene versuchen, möglichst viel weiter voranzubringen, ohne großen Donnerhall und Ankündigungen, sondern eher im Sinne konkreter Resultate. Das ist mein Programm, und diesbezüglich kann ich, glaube ich, auch in der ersten Hälfte einiges vorweisen.
(Beifall)
José Manuel Barroso, Kommissionspräsident. (FR) Herr Präsident, Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren Abgeordneten! Trotz des Skeptizismus, der derzeit in Mode ist, und eines gewissen Zynismus, der sich heute breitmacht, kann man meiner Meinung nach sagen, dass Europa trotz der schwierigen Zeiten, die es durchmacht, vorankommt, und der Europäische Rat vom 23. und 24. März hat deutlich gemacht, dass das erweiterte Europa auch vorankommen kann. Die im letzten Herbst ausgelöste positive Dynamik hat Europa und unsere Institutionen wieder in den Mittelpunkt der Debatte gerückt.
Vom Europäischen Rat geht eine klare Botschaft aus. Wir brauchen eine europäische Antwort auf die wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Eine Woche vor der Frühjahrstagung des Europäischen Rates hatte ich Ihnen hier dargelegt, worum es bei dieser Tagung geht. Sie war deshalb von besonderer Bedeutung, weil es zum ersten Mal um die Umsetzung der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung ging. Ich kann Ihnen heute sagen, dass die von der Kommission festgelegten Ziele erreicht wurden. Dabei denke ich nicht nur an die ausgezeichnete Aufnahme, die unser Grünbuch zur Energie gefunden hat, sondern auch an andere konkrete Vorschläge, insbesondere zum Europäischen Institut für Technologie. Dabei spreche ich nicht nur im Namen der Kommission, sondern mache mich auch zum Fürsprecher des allgemeinen europäischen Interesses: Aus meiner Sicht können wir uns zu den Ergebnissen dieser Frühjahrstagung des Rates ehrlich beglückwünschen.
Dank der ausgezeichneten Arbeit und der Ausdauer der österreichischen Präsidentschaft haben die Staats- und Regierungschefs den Grundsatz der Partnerschaft für die neue Strategie von Lissabon akzeptiert. Sie haben sich bereit erklärt, das Tempo zu beschleunigen, und wichtige Entscheidungen getroffen, die den Weg für die konkrete Umsetzung unserer Verpflichtungen gemäß der neuen Lissabon-Strategie ebenen.
Nunmehr verfügen wir über Überwachungsmechanismen. Wir besitzen 25 einzelstaatliche Reformprogramme. Künftig können das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente, die politischen Kräfte, die Sozialpartner und die Öffentlichkeit ganz allgemein zu einem ergebnisorientierten Ansatz für die Maßnahmen übergehen: Sie können von der Phase der Rhetorik zur Phase der konkreten Überprüfung der Ergebnisse übergehen. Das englische Schlagwort lautete delivery: die konkrete Erzielung von Ergebnissen.
Das vom Europäischen Rat beschlossene Schlüsselbeispiel betrifft die Einführung einer echten Energiepolitik für Europa. Wer in 20 oder 25 Jahren die Geschichte der europäischen Integration schreibt, kann ohne Übertreibung sagen, dass im März 2006 unter österreichischer Präsidentschaft der Grundstein für eine europäische Energiepolitik gelegt wurde. Wir stehen erst am Anfang, und der weitere Weg wird nicht leicht sein. Es wird Widerstände geben, aber Widerstand entsteht, weil es Bewegung gibt. Gäbe es keine Bewegung, gäbe es auch keinen Widerstand! Diesbezüglich kann ich Ihnen im Namen der Kommission die feste Zusage geben, dass sie alles in ihren Kräften Stehende für die Integration tun wird, denn – und das sagen wir mit allem Nachdruck – es gibt keinen Grund dafür, dass in Europa 25 Energiemärkte bestehen. Es gibt keinen Grund, heute in Europa 25 einzelstaatliche Energiepolitiken zu betreiben. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie für Europa in Energiefragen. Für nationalistische Reflexe gibt es keine Daseinsberechtigung. Die Mitgliedstaaten haben erneut ihren Willen bekundet, vereint an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten, und erkennen der Kommission eine zentrale Rolle bei der Schaffung offener und wettbewerbsfähiger Märkte auf der Ebene der Union zu.
Was die Agenda von Lissabon betrifft, so haben wir keine Zeit mehr zu verlieren – jetzt sind Ergebnisse gefragt. In diesem Sinne sind Vizepräsident Verheugen und ich unmittelbar nach der Tagung des Europäischen Rates mit den nationalen Koordinatoren für die Umsetzung der Lissabon-Agenda zusammengetroffen. Wir haben sie davon in Kenntnis gesetzt, dass die Kommission gewillt ist, ihrer Rolle bei der Unterstützung und Begleitung, aber auch der Überwachung der Umsetzung der einzelstaatlichen Reformprogramme voll gerecht zu werden. Lassen Sie mich Bundeskanzler Schüssel beglückwünschen, der seinen Willen bekundet hat, die Repräsentationsebene für die Überwachung des Lissabon-Prozesses in seinem Land, Österreich, zu erhöhen. Wir möchten bei dieser Gelegenheit an alle Mitgliedstaaten appellieren, es ihm gleich zu tun. Natürlich ist eine gute technische Vorbereitung von Bedeutung, und wir sind sehr zufrieden mit dem dabei in den verschiedenen Mitgliedstaaten erreichten technischen Niveau. Doch abgesehen davon glauben wir, dass es für den Erfolg des Programms wichtig ist, die Verantwortung dafür auf einer höheren Ebene der politischen Hierarchie anzusiedeln, wie es Herr Schüssel für Österreich angekündigt hat.
Im Übrigen wird die Kommission auch weiterhin Impulse auf europäischer Ebene geben. Wir haben uns ebenfalls auf die Durchführung eines praktischen Erfahrungsaustauschs geeinigt. Wir halten den Zeitpunkt für gekommen, um in den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechende Zusammenkünfte durchzuführen, und werden im Herbst damit beginnen. Dieser enge Kontakt mit den Mitgliedstaaten ist wesentlich, um unser Programm voranzubringen, aber er ist nicht ausreichend. Gestatten Sie mir hier, mich der klaren Aussage des Parlaments hinsichtlich der Notwendigkeit einer stärkeren und noch breiteren Einbeziehung aller betroffenen Akteure in dieser wichtigen Etappe der Umsetzung anzuschließen.
Wir haben uns bemüht, die Verantwortungs- und Zuständigkeitsebenen der verschiedenen institutionellen, wirtschaftlichen und sozialen Akteure auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene klarzustellen. Nun müssen wir eine wirkliche Eigenverantwortung aller Akteure für die Lissabon-Strategie fördern. Ich fordere Sie auf, all ihre Energien auf die unerlässlichen Reformen zu konzentrieren, um Europa dafür zu rüsten, die Herausforderungen der Globalisierung sowie auch der Alterung bewältigen zu können. Wir können die Globalisierungsschlacht gewinnen.
Um dies zu erreichen, müssen wir uns auch alle an den Kommunikationsbemühungen und an der öffentlichen Debatte beteiligen. Ich begrüße die Partnerschaft zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten. Erst im Januar haben Sie in diesem Rahmen die Strategie von Lissabon erörtert. Ich kann Sie nur ermuntern, diesen Dialog fortzusetzen, und Ihnen die Mitwirkung der Kommission anbieten. Ihr Parlament und die nationalen Parlamente sind die wichtigsten Akteure in dieser Debatte, denn gemeinsam vertreten sie die europäischen Bürger. Ohne die breite Unterstützung durch die Bürger, die letztlich die Nutznießer unserer Anstrengungen sind, können wir die notwendigen Reformen nicht erfolgreich durchführen.
(EN) Auf dieser Tagung des Europäischen Rates wurde über ehrgeizige Ziele für die Zukunft gesprochen, aber es ging auch um ganz praktische Themen. Jeder Teilnehmer hat eine lange Liste von Aufgaben mit nach Hause genommen, die in den kommenden Monaten zu erledigen sind. Nicht zuletzt hat die Kommission ein klares Mandat für die in den nächsten Monaten anstehende Arbeit erhalten, und ich möchte insbesondere Kanzler Schüssel danken für seine Zusammenarbeit, für den Teamgeist, für sein Verständnis und seine Unterstützung der Rolle der Kommission. Er weiß, dass es notwendig ist, die Konsistenz und die Kontinuität der Arbeit sicherzustellen, die unter wechselndem Vorsitz im Europäischen Rat geleistet werden muss. Dieser partnerschaftliche Ansatz zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament ist von entscheidender Bedeutung. Ohne diesen Geist und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit werden wir keine echten Fortschritte erreichen.
Ein Bereich, in dem das Parlament bereits entscheidend dazu beigetragen hat, dass ein Kompromiss zustande gekommen ist, war und ist die Dienstleistungsrichtlinie. Es hat einige Zeit gedauert, die Staats- und Regierungschefs zu überzeugen, aber schließlich hat der Europäische Rat der vom Parlament beschlossenen Regelung zugestimmt, die auch wir unterstützt haben.
Sie erinnern sich sicher daran, dass nicht nur ich selbst, sondern auch die Kommission von Anfang an darauf hingewiesen haben, dass wir bereit sind, gemeinsam mit Ihnen eine Lösung für diese Dienstleistungsrichtlinie zu finden, wenn es einen klaren Konsens vonseiten des Parlaments gibt. Gestern haben wir Ihnen nun unseren geänderten Vorschlag vorgelegt und Sie sehen, dass darin der Kompromiss umfassend berücksichtigt wird, der im Februar von einer großen Mehrheit dieses Hauses unterstützt worden ist. Mit dem überarbeiteten Text wird einerseits der dringenden Notwendigkeit, das Potenzial des Binnenmarkts für Dienstleistungen freizusetzen, und andererseits der Bewahrung unseres Europäischen Sozialmodells Rechnung getragen.
Parallel dazu haben wir die Mitteilung vorgelegt, die klare Leitlinien zur Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern vorgibt. Im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer begrüße ich es, dass einige Mitgliedstaaten im Anschluss an den Bericht der Kommission angekündigt haben, dass sie die im Rahmen der Übergangsregelungen geltenden Beschränkungen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vorzeitig aufheben wollen. Nach Irland, Großbritannien und Schweden haben nun auch Finnland, Spanien, Portugal und kürzlich die Niederlande erklärt, dass sie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer früher als ursprünglich geplant gewähren wollen. Dies ist der richtige Schritt auf dem Weg zu einem erweiterten, funktionierenden Europa.
Wir werden im Anschluss an diese geänderte Fassung der Dienstleistungsrichtlinie eine Mitteilung über soziale Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorlegen. Außerdem befassen wir uns sehr intensiv mit dem Gesundheitswesen. Auf der Grundlage des nun vorgelegten Texts gehe ich davon aus, dass der Rat und das Parlament das Legislativverfahren rasch abschließen werden.
Ich möchte außerdem drei Bereiche nennen, in denen die Entscheidungen des Europäischen Rates meiner Ansicht nach eine spürbare und dauerhafte Wirkung haben werden. Der erste Bereich betrifft die Unternehmen: Wir alle wissen, dass wir uns um die Betriebe und die kleinen und mittleren Unternehmen kümmern müssen, wenn wir die Beschäftigung fördern wollen, weil sie es sind, die die meisten Arbeitsplätze schaffen. Die Entscheidung, bürokratische Hürden bei der Unternehmensgründung zu beseitigen, ist ein Zeichen dafür, dass sich Europa nun für die Unternehmen öffnet. Was die KMU angeht, freue ich mich, dass der Ansatz der Kommission zu den Vorschriften für staatliche Beihilfen und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands unterstützt wird. Wir werden diese Arbeit zügig vorantreiben.
Der zweite Bereich ist das Wissen: Der Vorschlag, ein Europäisches Technologieinstitut einzurichten, hat für einige Diskussionen gesorgt. Das ist gut so. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass das ETI wirklich wichtig ist. Die Idee, sozusagen ein Flagschiff für europäische Spitzenleistungen in Bildung, Forschung und Innovation zu schaffen, ist völlig neu und braucht Phantasie und Engagement, damit sie Erfolg hat. Nachdem der Rat grünes Licht gegeben hat, werden wir versuchen, die Pläne zu konkretisieren und zu zeigen, wie das Europäische Technologieinstitut zu einem wirksamen Katalysator für Wissen und Wachstum in Europa werden kann.
Wie ich in meiner Einführung bereits sagte, wurde dem Energiebereich auf der Tagung des Europäischen Rates besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Rat hat die Union auf den Weg zu einer echten europäischen Energiepolitik gebracht. Er hat die drei Ziele unseres Grünbuchs bekräftigt: nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie. Darüber hinaus hat der Rat die notwendigen praktischen Maßnahmen festgelegt, die einige der 20 spezifischen Vorschläge beinhalten, die im Grünbuch der Kommission erläutert werden: einen echten Energiebinnenmarkt, eine kohärente Energieaußenpolitik, eine wirksame Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien. Im Vorausschätzungsprogramm der Kommission für den Energiebereich laufen die Arbeiten derzeit auf Hochtouren. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass spezifische Maßnahmen eingeleitet werden. Es war sehr wichtig, dass es sich dabei nicht um einmalige Aktionen handelt. Zurzeit ist das Thema Energie in aller Munde und heute, das kann man ruhig offen sagen, akzeptieren die Mitgliedstaaten etwas, wozu sie vor zwei Jahren niemals bereit gewesen wären: die Tatsache, dass wir eine gemeinsame Strategie brauchen.
Wie Kanzler Schüssel bereits sagte, werden die Kommission und der Hohe Vertreter deshalb auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni einige Vorschläge über die außenpolitische Dimension der Energiepolitik vorlegen. Wir haben vereinbart, uns regelmäßig mit diesem Thema zu befassen und es jedes Jahr auf der Frühjahrstagung des Rates zu überprüfen. Das ist im Interesse der Konsistenz wichtig.
Neben all diesen innenpolitischen Themen übermittelte der Europäische Rat im Hinblick auf die Situation in Belarus aber auch eine eindeutige Botschaft seines Engagements. Die Kommission arbeitet sehr intensiv mit dem Rat zusammen, um die Stärkung der Zivilgesellschaft in Belarus voranzutreiben und die unabhängigen Medien zu unterstützen, damit die belarussischen Bürger Zugang zu Informationsquellen haben, die nicht von einer Regierung zensiert und kontrolliert werden, die die Grundsätze eines demokratischen Staates missachtet.
Wir sind nun auf dem richtigen Weg. Wir lassen unseren Worten Taten folgen. Wir wissen, welche Maßnahmen wir ergreifen sollten, wir haben diese Maßnahmen beschlossen und jetzt handeln wir. Wir tun dies gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und den Mitgliedstaaten, arbeiten dabei aber auch mit Unternehmen, Gewerkschaften, Verbrauchern und Bürgern in ganz Europa zusammen. Ich glaube, dass das der einzige Weg ist, um mehr Wachstum zu erreichen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Meiner Ansicht nach ist dies die richtige Vorgehensweise, um aus einer Situation herauszukommen, die für Europa äußerst negativ ist.
Wie ich schon erwähnt habe, ist derzeit eine skeptische, manchmal sogar zynische Stimmung in Europa zu spüren. Dagegen können wir nur etwas tun, wenn wir konkrete Ergebnisse vorweisen, eine Lösung für die Dienstleistungsrichtlinie finden, was wir gerade getan haben, und die Finanzielle Vorausschau unter Dach und Fach bringen, was uns nun hoffentlich gelingen wird. Ich möchte darauf jetzt nicht näher eingehen, weil ich dazu schon zu Beginn meines Redebeitrags etwas gesagt habe. Wenn wir also Ergebnisse erreichen können, werden wir eine gute Atmosphäre schaffen, um nicht nur die institutionellen Probleme, die gelöst werden müssen, zu überwinden, sondern auch eine neue Dynamik in Europa zu erreichen. Das ist unsere Aufgabe. Dafür sollten wir noch mehr tun.
(Beifall)
Hans-Gert Poettering, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Präsident des Europäischen Rates, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Präsident des Europäischen Rates, Wolfgang Schüssel, hat von der gemeinsamen Verantwortung der europäischen Institutionen gesprochen. Und der Kommissionspräsident hat gerade von den Taten gesprochen. Mein Eindruck ist, verehrter Herr Präsident des Europäischen Parlaments, dass wir – auch repräsentiert durch Sie drei und durch das gesamte Europäische Parlament – uns heute in einer Situation befinden, in der dieses Gemeinschaftsgefühl und diese gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Europäischen Union deutlich werden. Ich glaube zutiefst, dass das eine gute Chance ist, auch in anderen Fragen, die wir heute nicht debattieren – wie den Verfassungsvertrag, wo wir eine Lösung finden müssen –, durch konkrete Taten wieder eine Psychologie zu schaffen, die es ermöglicht, diese Europäische Union für die Menschen hier überzeugend zu machen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung.
Herr Präsident des Europäischen Rates, mir gefällt sehr, wie Sie in einer von der europäischen Überzeugung getragenen Weise nicht spektakulär, aber professionell und effizient, mit uns und mit der Kommission tatkräftig an der gemeinsamen Zukunft Europas arbeiten. Für die Menschen ist Brüssel – oft zu Unrecht – ein Symbol der Bürokratie. Wir werden dann erfolgreich sein, wenn wir – und da wende ich mich insbesondere auch an die Kommission – den Lissabon-Prozess dadurch zu einem guten Ergebnis führen, dass wir deutlich machen: Wir wollen weniger Bürokratie, wir wollen mehr Freiheit für den Binnenmarkt. Je stärker dieser Binnenmarkt ist, je mehr es uns gelingt, den Markt in der Europäischen Union zu öffnen – und die Dienstleistungsrichtlinie ist ein wichtiges Instrument dafür; weniger Gesetzgebung, weniger Subvention, mehr Wettbewerb –, umso wettbewerbsfähiger werden wir auf den Weltmärkten sein. Deswegen muss unsere Linie sein: Weniger Gesetze, mehr Freiraum für die Unternehmen, gerade auch für den Mittelstand. Je weniger Bürokratie und Kosten der Mittelstand zu tragen hat, umso mehr wird es möglich sein, auch Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist das Hauptanliegen, denn es geht nicht abstrakt um Wirtschaft, sondern um die Menschen in der Europäischen Union. Deshalb freut es mich auch, Herr Präsident des Europäischen Rates, dass Sie gerade von den jungen Menschen gesprochen haben. Denn wenn junge Menschen keine Perspektive haben, dann ist dies eigentlich das Schlimmste. Wir müssen alles tun, um das zu verhindern!
Zur Energiepolitik: Wir haben von der polnischen Regierung, die sich ja nicht durch allzu großes Europa-Engagement auszeichnet, gehört, dass sie in der Energiepolitik europäische Solidarität erwartet. Ich sage: Sie hat Recht damit; diese Europäische Union gründet sich auf Solidarität. Wir brauchen eine europäische Energiepolitik. Aber ich sage der polnischen Regierung auch: Wenn sie hier Solidarität einfordert, dann erwarten wir von ihr, dass sie, wenn es um die Zukunft der Elemente, der Substanz, der Prinzipien des Verfassungsvertrages geht, ebensolche Solidarität beweist. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir begegnen uns immer wieder. Wir müssen gemeinsam solidarisch für unsere europäische Zukunft sein.
Eine letzte Bemerkung, da die Zeit um ist – wir müssen vielleicht auch einmal darüber nachdenken, wie das Parlament und die Fraktionsvorsitzenden sich hinreichend äußern können. Es muss nicht so lange sein wie der Präsident des Europäischen Rates und der Kommissionspräsident, aber wir müssen zu einer angemesseneren Verteilung der Zeit kommen.
Herr Präsident, wir haben eben Alexander Milinkewitsch hier begrüßt. Meine Fraktion hat ihn ausdrücklich eingeladen, heute hier zu sein. Wir dürfen bei der Debatte über Energie und über Wirtschaft niemals das aus dem Auge verlieren, was unsere Grundlage ist: unsere Werte, die Menschenrechte, die menschliche Würde. Deswegen treten wir für die Demokratie in Weißrussland ein. Und wenn wir das tun, sind wir auch bei der Verteidigung der Menschenrechte in Europa und in der Welt überzeugend.
(Beifall)
Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Wenn wir den Europäischen Rat bewerten, so gibt es positive Anzeichen. Die letzte Ratstagung hat gezeigt, dass auch im Rat der Wille vorhanden ist, das europäische Projekt zu revitalisieren. Das nehmen wir positiv zur Kenntnis. Mein Kollege Poul Nyrup Rasmussen, Vorsitzender der Sozialistischen Partei Europas, hat vor der letzten Ratstagung im Namen unserer Partei einen Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung, den wir mit den sozialistischen Wirtschafts- und Finanzministern erarbeitet hatten, vorgestellt. Staatliche Investitionen und Ausgaben der öffentlichen Hand zur Stimulierung von Privatausgaben, das ist der Geist dieses Aktionsplans. Genau das haben Sie eben zum Ausdruck gebracht, als Sie darauf hinwiesen, dass mit den verfügbaren Mitteln der EIB dieser Weg gegangen wird. Das ist ein guter sozialdemokratischer Weg. Dabei können Sie mit unserer Unterstützung rechnen.
Was die Energiepolitik angeht, auf die ich zurückkommen möchte, weil Sie sie in den Mittelpunkt Ihres Berichts über den Europäischen Rat gestellt haben, stimmt es, dass wir eine gemeinsame europäische Strategie brauchen. Bei dieser Strategie ist zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass die Mitgliedstaaten über ihre Energiepolitik selbst entscheiden. Sie müssen mir erlauben, dass ich auf folgenden Punkt zurückkomme. Sie haben zum wiederholten Male dargestellt, dass Sie zu dem Zeitpunkt, als Russland das Gas abgedreht hat, mit der Bundeskanzlerin beim Neujahrskonzert saßen. Ich weiß nicht, ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Aktionen gibt. Aber lassen wir das beiseite. Sie könnten mir einen Gefallen tun und der Bundeskanzlerin – nicht beim nächsten Neujahrskonzert, sondern wenn Sie sie vorher treffen – sagen: „Angela, lass die Flossen von der Energiepolitik, so wie ich das tue.“ Dann machen Sie, wenn es um die Kernenergie geht, einen richtigen Schritt, und dann werden Sie viel Unterstützung, nicht nur in ihrem Land, sondern auch in Deutschland, bekommen.
Die entscheidende Frage ist: Wie gehen wir in Solidarität mit der Energiepolitik um. Der Rat muss sich entscheiden und kann sich nicht verhalten wie Buridans Esel. Der stand zwischen zwei Heuhaufen und ist am Ende verhungert, weil er nicht wusste, von welchem Heuhaufen er fressen soll. Mir kommt der Europäische Rat in fast allen Bereichen so vor. Wir haben doch immer das gleiche Problem: Wir hören wohlfeile Erklärungen des Rates über die europäischen Notwendigkeiten, und wenn die Ratsmitglieder – Ihre Kollegen Staats- und Regierungschefs – dann nach Hause fahren, haben sie die europäischen Schwüre vergessen und rekurieren ausschließlich auf ihre nationale Öffentlichkeit. Das genau ist die Krise Europas, die wir als Institutionen insgesamt überwinden müssen. Das Europäische Parlament leistet dazu seinen Beitrag. Wir haben eine vernünftige Dienstleistungsrichtlinie auf den Weg gebracht – die Kommission hat gestern erklärt, dass sie sie übernommen hat –, und für mich ist einer der herausragenden Punkte der Ergebnisse der letzten Ratstagung, dass der Rat einstimmig gesagt hat: Ja, wir machen das auch zur Grundlage unseres gemeinsamen Standpunktes. Das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass Europa unter der Führung des Europäischen Parlaments vorankommt. Wir können das bedauerlicherweise nicht dem Rat und der Kommission allein überlassen. Deshalb werden Sie uns auch weiterhin auf den Fersen haben.
Eine letzte Bemerkung, Herr Bundeskanzler: Die Bilanz ist ganz gut zur Mitte, das muss ich bestätigen. Die österreichische Ratspräsidentschaft leistet gute Arbeit. Sie haben, Herr Bundeskanzler, auch heute wieder in einigen Bemerkungen – Sie wissen persönlich sehr genau, was ich meine – verschiedene Aspekte der Notwendigkeiten der nächsten Wochen angedeutet. Sie sind insgesamt ein geschickter Mann. Sie haben Silvio Berlusconi zugesagt, dass Sie ihm helfen wollen, Europa vor dem Kommunismus zu retten, um wenige Stunden später Romano Prodi zu treffen. Sie verstehen, unterschiedliche Interessen so zusammenzubinden, dass es für Wolfgang Schüssel gut ist. Wenn wir das gemeinsam zum Wohle der Europäischen Union ausnutzen können, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
(Beifall)
Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Zyniker in den Reihen der Liberalen und Demokraten würden über die Tagung des Europäischen Rates letzten Monat sagen, es hätte schlimmer kommen können. Ich möchte Österreich dazu gratulieren, dass es einen Streit verhindert hat. Die Zusagen in den Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes, die Wirtschaftsreformen voranzutreiben, stehen, wie so oft, in krassem Gegensatz zu den tatsächlich durchgeführten Reformmaßnahmen im Bereich der Wirtschaft. Die Optimisten unter unseren Fraktionsmitgliedern verweisen allerdings darauf, dass der Ton dieser Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes ein anderer ist. So wie Mark Twain über die Musik von Wagner einmal sagte: „Sie ist nicht so schlecht, wie sie sich anhört.“ Selbst die Staats- und Regierungschefs aus dem sozialistischen Lager haben anerkannt, dass es kein Zurück mehr gibt, dass der Markt geöffnet werden muss, damit er uns Wachstum und Wohlstand bringen kann. Alle Mitglieder des Rates haben anerkannt, dass die Umweltpolitik einen wichtigen Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum leisten kann.
Wir machen Fortschritte und in Verbindung mit der Aussicht auf eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Finanzielle Vorausschau und das nun prognostizierte Wirtschaftswachstum gibt es wieder Hoffnung für unsere Union. Ich begrüße insbesondere die Entscheidung der Kommission von dieser Woche, rechtliche Schritte gegen diejenigen zu unternehmen, die sich nicht an die Liberalisierungsvorschriften halten. Dies sind genau die Maßnahmen, die die Kommission treffen muss, damit wir Fortschritte erreichen können.
Die Europäische Union ist erstaunlich robust. Manchmal sind in einem Bereich keine Fortschritte möglich, doch dann öffnen sich plötzlich Türen in anderen Bereichen: eine Energiepolitik für Europa, was ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, oder mehr Länder als vorgesehen wollen dem Euro-Währungsgebiet beitreten. Heute ist es eher so, dass die Impulse für das gemeinsame Handeln stärker von äußeren Herausforderungen als von der europäischen Vision innerhalb der Union ausgehen. Doch ich hoffe, dass der österreichische Ratsvorsitz und der anschließende finnische Ratsvorsitz diese neuen Impulse verstärken und uns helfen kann, wieder eine konstitutionelle Basis herzustellen, auf der wir unsere zukünftige Union aufbauen können.
Meine Fraktion ist der Ansicht, dass es Zeit ist, den Schwerpunkt von den Wirtschaftsreformen, die im Mittelpunkt der Frühjahrstagung standen, auf andere Themen zu verlagern. Es müssen drei Ratstagungen im Jahr durchgeführt werden. Andere Themen müssen auf der Tagesordnung stehen – wichtige Themen wie zum Beispiel Belarus. Man hätte, wie von einigen Mitgliedstaaten vorgeschlagen, über Guantánamo Bay sprechen können, wo immer noch EU-Bürger festgehalten werden. Doch Sie wollten die Amerikaner nicht verärgern, deshalb haben Sie dieses Thema nicht angesprochen. Auf diesen Tagungen muss der europäische Geist deutlicher zum Vorschein kommen.
Fangen wir damit an, die Union neu zu gestalten und dabei die Mitgliedstaaten aktiv einzubeziehen. In den vergangenen Jahren mussten wir in Rom, Paris, London und sogar in Berlin allzu oft mit ansehen, wie versucht wurde, die Gemeinschaftsmethode zunichte zu machen, um Europa zum Scheitern zu bringen. In diesen Hauptstädten riskiert man eine Ausweitung der globalen Anarchie, um die nationale Souveränität zu retten.
Ich habe mit großem Erstaunen festgestellt, dass Sie, Herr Schüssel, Herr Poettering und all die Größen der Europäischen Volkspartei in Rom waren, um die Kampagne zur Wiederwahl eines Ministerpräsidenten zu unterstützten, der Europas Werte auf Schritt und Tritt untergraben hat, ...
(Beifall)
der Fortschritte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit und sogar Gerichtsverfahren verhindert hat; der sich über die Grenzen des Anstands, freie und unabhängige Medien und sogar über Wahlsysteme hinweggesetzt hat; der den Ratsvorsitz in der EU dazu benutzt hat, um sich ungeachtet des russischen Vorgehens in Tschetschenien mit Vladimir Putin zu verbünden. Die Europäische Volkspartei gibt vor, eine europafreundliche Partei zu sein. Aber so benimmt sich keine Partei, die europafreundlich ist.
(Einwand)
Wenn die italienischen Bürger am Sonntag eine kluge Wahl treffen, wird es in Rom eine europafreundliche Regierung geben, die sich dann vielleicht gemeinsam mit der neuen Regierung in Berlin dafür einsetzen kann, das Gleichgewicht wiederherzustellen, das wir in unserer Union brauchen, und Europa wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.
(Beifall)
Pierre Jonckheer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Barroso, Herr Schüssel, Herr Winkler, Herr Barrot! Ich möchte keine erneute Wortmeldung von Herrn Schulz auslösen, indem ich ihm sage, dass meine Fraktion den letzten Ausführungen von Herrn Watson zur Situation in Italien sicherlich zustimmen könnte.
Herr Barroso hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Bürger Ergebnisse erwarten und dass die Legitimität der Europäischen Union sich auf die Pflicht zur Erbringung von Ergebnissen gründet. Dazu braucht man allerdings Instrumente und Mittel! Gestatten Sie mir, mich hier an Herrn Schüssel und an den Rat zu wenden – denn wir reden ja von den Schlussfolgerungen des Rates –, um ihm drei Vorschläge zu unterbreiten.
Zunächst einen Vorschlag zum Haushalt der Europäischen Union, von dem vorhin die Rede war. Ich glaube, man muss einfach noch einmal sagen, dass dieser Haushalt unzureichend und angesichts der Lissabon-Ziele nicht sachgerecht ist. Die derzeit auf dem Tisch befindlichen Vorschläge liegen um 110 Milliarden Euro unterhalb dessen, was das Parlament vorgeschlagen hat, und um 200 Milliarden unter den Vorschlägen der Kommission. Man muss also, und das ist mein erster Vorschlag, die Arbeiten an den Eigenmitteln der Union zügiger vorantreiben, wie Sie selbst sagten.
Der zweite Vorschlag betrifft die Rolle der Europäischen Investitionsbank. Ich halte die Vorschläge für interessant, Herr Schüssel. Dreißig Milliarden Euro sind gut und schön, aber in Wirklichkeit würden wir nach den Schätzungen der Ökonomen zehn Mal soviel benötigen. Und von diesem Standpunkt aus meine ich, der Rat sollte keine Scheuklappen anlegen, sonder eine Debatte über europäischen Staatsanleihen eröffnen. Es gilt, das Sparaufkommen der Bevölkerung in Europa zu nutzen, um nachhaltige Verkehrsnetze und die Ökoeffizienz zu finanzieren. Und das könnte man zunächst vor allem im Rahmen des Euro-Währungsgebiets tun: Dies klingt in den Schlussfolgerungen des Rates an. Aus meiner Sicht wäre dies ein wichtiger Punkt.
Nun zu meinem dritten Vorschlag. Ich glaube, dass die Debatte innerhalb des Rates über die Entwicklung der Steuersysteme in den europäischen Ländern vorangetrieben werden müsste. Sie wissen sehr wohl, dass wir in den nächsten zwanzig Jahren mit dem Problem der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme in fast allen europäischen Ländern konfrontiert sein werden. Wenn wir weiterhin keine entscheidenden Maßnahmen treffen, um zu ermöglichen, dass die mobilen Grundlagen besteuert werden, auch auf europäischer Ebene – womit wir bei der Frage der Eigenmittel wären –, wird die derzeitige Situation andauern, was zu weiteren Ungleichheiten in der Einkommensverteilung und zum Anwachsen der armen Bevölkerung führt, die von den sozialen Sicherungsnetzen nicht länger aufgefangen werden kann.
Soweit meine drei Anregungen, Herr Schüssel, und ich würde mir wünschen, dass der Rat unter ihrer Präsidentschaft und den nachfolgenden Präsidentschaften sich mit dieser Art von Vorschlägen beschäftigt.
VORSITZ: Edward MCMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Wenn man sich die Schlussfolgerungen des Frühjahrsgipfels ansieht und mit dem vergleicht, was tatsächlich in unseren Volkswirtschaften und Gesellschaften vor sich geht, dann kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die Kluft zwischen Politik und Bürgern immer größer wird.
Wo sind denn die praktischen Maßnahmen für die notwendige Verdoppelung des Wirtschaftswachstums und mit Rechten verbundener Arbeitsplätze, um den Stand von 2000 zu erreichen? Wo sind die Antworten auf die Arbeitslosigkeit, die inzwischen bei jungen Menschen im arbeitsfähigen Alter bis 25 18,5 % und bei Frauen im arbeitsfähigen Alter rund 10 % beträgt? Wo sind die Maßnahmen als Reaktion auf die Zunahme von instabiler, schlecht bezahlter Arbeit in einer Zeit, da 32 % der erwerbstätigen Frauen nur Teilzeit arbeiten und mehr als 43 % der erwerbstätigen jungen Menschen nur befristete Verträge haben, ohne jede Zukunftsaussicht?
In Wahrheit sind doch die einzigen Reaktionen ein paar vage Zusagen im Hinblick auf Arbeitsplätze gewesen, ohne jeden Hinweis auf die Qualität dieser Arbeit oder die praktischen Maßnahmen, um das zu erreichen, und das ist das auffälligste Symptom der wachsenden Spannungen in einer Reihe von EU-Ländern.
Besonders schockierend ist, dass man nichts zur Armut unternommen hat, von der über 15 % der Bevölkerung betroffen sind, und dass Armut nicht als schwere Menschenrechtsverletzung gilt. Deshalb sollte die soziale Eingliederung auf der politischen Tagesordnung der Kommission, des Rates und der Mitgliedstaaten ganz oben stehen, und das ist im Moment schlicht nicht der Fall. Daher möchte ich eine Forderung in den Raum stellen. Was wir brauchen, ist ein Richtungswechsel, mit dem der Akzent auf eine Politik zugunsten wirtschaftlicher und sozialer Kohäsion gelenkt wird.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Ratspräsidenten und Kommissionspräsident Barroso für ihre heutigen Ausführungen danken.
Ich will zu Beginn aber auch in aller Deutlichkeit meinen Unmut über die Art und Weise zum Ausdruck bringen, wie dieses Haus heute Morgen, in dieser Aussprache, für den nationalen Wahlkampf benutzt worden ist. Es wirft ein schlechtes Licht auf dieses Haus, wenn es uns im Parlament an der nötigen Reife mangelt, um uns, statt uns mit parteipolitischem Gezänk zwischen einzelnen Abgeordneten aufzuhalten, mit den wahren Themen des Europäischen Gipfels und des Europäischen Rates zu befassen. Die Tagung des Europäischen Rates hat sogar eine ganze Reihe von positiven Ergebnissen erbracht, die wir mit allem Nachdruck unterstützen sollten. Dazu gehören insbesondere die Verpflichtungen, die Beschäftigungschancen zu verbessern und die Mittel für den Bereich Forschung und Entwicklung aufzustocken; die Ausweitung des lebenslangen Lernens sowie von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen zu unterstützen; die der Europäischen Investitionsbank zur Verfügung stehenden Mittel zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen zu nutzen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, neue Arbeitsplätze und den wirtschaftlichen Wohlstand und das Wachstum zu schaffen, die für die Europäische Union so notwendig sind. Zu der neuen politischen Richtung, die wir einschlagen wollen, gehört ein gemeinsames Energiesystem. Dabei wollen wir natürlich das Recht der Mitgliedstaaten, ihre eigene Energiepolitik zu betreiben, nicht antasten, aber wir wollen prüfen, wo diese einzelnen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten können, um ein Mindestmaß an Sicherheit bei Verbundsystemen zu gewährleisten und die ordnungsgemäße Verwendung von Mitteln für Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere bei Biokraftstoffen, sicherzustellen.
Um die Umwelt zu schützen und gleichzeitig unsere Abhängigkeit von importierten Brennstoffen zu verringern, könnten wir neue Energiepflanzen zur Deckung des Energiebedarfs unseres gesamten öffentlichen Verkehrs in der Europäischen Union nutzen, wenn wir wollten. Wir könnten unsere Häuser mit Solarenergie heizen, wenn wir wollten. Wir könnten Fabriken, Schulen und Krankenhäuser mit Biomasse heizen, wenn wir wollten. Dies erfordert allerdings Investitionen, um sicherzustellen, dass die Technologie allen zur Verfügung steht. Außerdem müssen wir durch unsere Besteuerung die Energien begünstigen, die weniger umweltschädlich sind, wie wir dies bei der Einführung von bleifreiem Kraftstoff vor vielen Jahren getan haben.
Es gibt positive Entwicklungen, und gestern haben wir gesehen, wo das Parlament ansetzen kann. Was die Dienstleistungsrichtlinie und die Finanzielle Vorausschau anbelangt, ist das Parlament bereit, als politisches Organ zu handeln, um sicherzustellen, dass es, gemeinsam mit den anderen Organen, die Interessen der europäischen Bürger vertreten kann.
Doch – und dies ist die Kehrseite der Medaille – wenn wir über kleine und mittlere Unternehmen und die Förderung einer Ausweitung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sprechen, und wenn wir die großartige Idee eines Europäischen Technologieinstituts vorantreiben wollen, müssen wir auch über das Fehlen eines geeigneten EU-Rechtsrahmens zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte sprechen. Die Unternehmen und Betriebe werden nicht in die Forschung und Entwicklung investieren, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, dass ihre Ideen geschützt werden. Wir haben in der Europäischen Union kläglich versagt, was die Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens anbelangt, der neben den vorhandenen öffentlichen Mitteln auch private Investitionen ermöglicht. Wir haben unsere Verpflichtungen erfüllt, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir unsere zukünftigen Versprechen gegenüber zukünftigen Generationen in Europa einhalten können.
Georgios Karatzaferis, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Wir haben bestimmte Dinge vom Kommissionspräsidenten gehört. Ich möchte etwas zu dem Ausdruck anmerken, den er benutzt hat, als er sagte, wir müssten nationalistische Reflexe überwinden; natürlich benutzte er das Wort „nationalistisch“, um die nationalen Reflexe schaurig klingen zu lassen.
Doch haben wir die Völker Europas zu einer Zeit, als der Kommunismus und die Internationalisierung die Oberherrschaft hatten, nicht gelehrt, nationale Reflexe zu haben? Angesichts der Internationalisierung des Kommunismus haben wir die nationalen Reflexe im Volk kultiviert. Wir haben den Völkerbund „Völkerbund“ und nicht „Staatenbund“ genannt; wir haben die Organisation der Vereinten Nationen „Organisation der Vereinten Nationen“ und nicht „Organisation der Vereinten Staaten“ genannt, um eben diese nationalen Reflexe zu pflegen.
Jetzt sagen wir ihnen, sie sollen diese Reflexe ablegen, und wir tun dies, weil wir uns in den Dienst der Globalisierung stellen müssen, die das andere Gesicht der Internationalisierung verkörpert. Das ist die Wahrheit, und wenn Sie von einer gemeinsamen Energiepolitik sprechen, dann bedeutet das, dass Sie die Staaten dazu verpflichten, keine eigene nationale Energiepolitik zu verfolgen. Doch wenn sie keine eigene nationale Energiepolitik haben, dann bedeutet das, dass sie ihre Beziehungen zu den Golf-Staaten nicht verbessern können, die über Öl verfügen, bzw. zu Russland, das über Energie verfügt. Demzufolge legen sie allen Völkern, allen Staaten Fesseln an, und die Menschen begreifen das natürlich und leisten daher Widerstand.
Leopold Józef Rutowicz (NI). – (PL) Herr Präsident! Die Besserung der europäischen Wirtschaft und des Lebensstandards ihrer Bürger hängt davon ab, ob sich alle wirtschaftlichen Akteure auf dem Weltmarkt behaupten können. Dies erfordert, dass alle etwas schwerfälligen europäischen Institutionen effizient arbeiten. Es verlangt auch, dass die verfügbaren Mittel für interne Reformen eingesetzt werden. Rechtsvorschriften und interne Arbeitsabläufe müssen an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden. Daher rufe ich dazu auf, die vom Präsidenten vorgeschlagenen Änderungen im Dringlichkeitsverfahren anzunehmen.
Ich möchte betonen, dass die Finanzielle Vorausschau nicht so gut ist wie sie sein könnte, und dass es beträchtliche Defizite bei verschiedenen Wirtschaftssektoren gibt. Diese Fragen sollten bei nächster Gelegenheit behandelt werden. Fragen, die viele Wirtschaftssektoren betreffen, so wie die Landwirtschaft, sollten einfach nach dem Dringlichkeitsverfahren behandelt werden, wie dies unter anderem bei der Energie der Fall ist. Dann könnte sich die Wirtschaft Europas in Zukunft befriedigend entwickeln.
Othmar Karas (PPE-DE). – Meine Herren Präsidenten, meine Damen und Herren! Wir spüren es alle: Es sind gute Tage für die Europäische Union! Die Dienstleistungsrichtlinie und die Finanzielle Vorausschau sind in der Zielgeraden, die Bilanz der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr ist erfolgreich, die KMU, die Jugend, die Forschung, die TEN-Projekte und vieles mehr gehören zu den Gewinnern.
Erinnern wir uns: Vor einem Jahr scheiterte der Gipfel, Schuldzuweisungen dominierten die Debatte, jeder definierte die EU in der Krise. Vor einem halben Jahr wurde der Gipfel abgesagt, die EU schien gelähmt, die Ergebnisse waren dürftig, das Ergebnis des Dezember-Gipfels wurde vom Parlament mit großer Mehrheit abgelehnt. Und was haben wir heute? Ein Parlament, das sich als Motor profiliert hat, drei Institutionen, die die Flinte nicht ins Korn geworfen haben, und einen Rat, der wieder verhandlungsfähig, ergebnisorientiert und arbeitsfähig ist. Wir haben die EU gemeinsam wieder auf Kurs gebracht. Jeder von uns spürt es: Diesen Erfolg können wir nicht loslösen – und ich will es auch gar nicht – von der Ratspräsidentschaft und von Ratspräsident Wolfgang Schüssel. Seine Erfahrung, seine Professionalität, sein Arbeitsstil, sein Tatensetzen statt große Reden zu halten, hat uns alle zusammengeführt und die heutige Bilanz möglich gemacht. Wir danken dafür und sind als Österreicher stolz darauf.
Die Finanzielle Vorausschau hat insgesamt 7,9 Milliarden Euro in Bewegung gebracht. Zusammen mit dem Ergebnis des Gipfels, mit der Dienstleistungsrichtlinie haben wir das stärkste Wachstums- und Beschäftigungsprogramm der EU seit Jahren. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die Ziele, die wir uns setzen, auch mit Taten erfüllt werden.
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich werde versuchen, mich an die Fakten zu halten. Faktum ist, dass es auf dem Gebiet der Energiepolitik sicherlich einige Fortschritte gegeben hat, gerade auch was den letzten Rat betrifft. Nur, Herr Ratspräsident, jetzt geht es um die Umsetzung. Ich würde mir wünschen, dass man viel mehr darüber nachdenkt, was die Umsetzung betrifft, was die Infrastruktur betrifft. Poul Rasmussen und seine Initiative wurden schon erwähnt.
Wir haben am Montag die Richtlinien über die Transeuropäischen Energienetze beschlossen. Jetzt geht es aber darum, die Finanzierung aufzubringen. Wir haben zu wenig dazu im europäischen Budget, daher muss es nationale Budgets geben, die das ihre dazu beitragen. Sie haben gesagt, wir sitzen alle in einem Boot, alle müssen rudern. Ich sehe noch nicht, dass alle rudern, aber ich hoffe, es kommt.
Was die außenpolitische Komponente betrifft – das möchte ich jetzt an die Kommission richten – so haben wir das seit Anbeginn, seit dem Amtsantritt der Kommission gefordert. Es kommt spät, aber es kommt, und ich hoffe, dass wir in diesem Frühjahr noch einige Aussagen erhalten.
Unsere Atomenergiepolitik – Herr Ratspräsident, Sie haben Recht – ist eine nationale Angelegenheit. Ich unterstütze natürlich die österreichische Linie, aber die Frage der Sicherheit, auch der Weiterverbreitung, wird im Zusammenhang mit einer Erstarkung der Atomenergie eine große Rolle spielen, und da wünsche ich mir mehr Aktivitäten.
Wissenschaft und Forschung: Wenn ich mir hier die Liste anschaue, die im Ratsergebnis enthalten ist, dann ist es eigentlich eine traurige Liste. Es sind zwei Länder, nämlich Schweden und Finnland, die weit vorne liegen, damit wir überhaupt auf 3 % kommen. Auch in Österreich sind wir leider noch nicht so weit, dass wir die 3 % auch wirklich erreichen können. Auch da gilt es, dass alle rudern und dass vor allem die, die mehr Einkommen und eine höhere Wirtschaftskraft haben, mehr rudern, um überhaupt auf die 3 % zu kommen, die unsere Zielsetzung ist.
Letzte Bemerkung zur Dienstleistungsrichtlinie: Ich danke für die Unterstützung. Das ist ein wesentliches Element des sozialen Europas, wenn wir das so durchbekommen und wenn Sie das im Rat so durchbekommen. Das ist ganz entscheidend. Sie haben die Arbeitgeber erwähnt. Nicht erwähnt haben Sie die Arbeitgeber im gemeinwirtschaftlichen Sektor – auch das ist ganz wichtig –, aber vor allem auch die Arbeitnehmervertretungen, die viel zu einem sozialen Europa beigetragen haben.
Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, dieser Frühjahrsgipfel ist nicht gescheitert. Dennoch wurden einige Fehler aus der Vergangenheit wiederholt, die in meinen Augen kritikwürdig sind.
Zu versprechen, man würde 10 Millionen Arbeitsplätze schaffen, erinnert doch stark an die Rhetorik des ersten Lissabon-Gipfels. Der Fokus auf die Jugend ist auch eher rhetorisch. Wenn man sich die Jugend in Frankreich ansieht, scheint sie nicht viel davon zu merken. Der Globalisierungsfonds ist in meinen Augen eine Belohnung für Reformverweigerer, wir haben Struktur- und Kohäsionspolitik für die Begleitung des Strukturwandels.
Martin Schulz hat auch Recht, wenn er sagt, die Mitgliedstaaten würden sich nicht entsprechend einbringen. Gestern fand in Berlin ein Energiegipfel statt, auf dem über alles geredet wurde, nur nicht über die Öffnung der Strom- und Gasmärkte. Von den Mitgliedstaaten ist hier nicht viel zu erwarten. Umso ermutigender ist, dass die Kommission jetzt endlich wieder tätig wird und Verfahren gegen die Mitgliedstaaten auf den Energiemärkten einleitet, auch gegen den Protektionismus in Frankreich.
Die Antwort muss also lauten, nicht wie in der Vergangenheit Versprechungen zu machen, sondern mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Die Kommission tut hierfür endlich wieder etwas, das gibt Hoffnung. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir diese Debatte in Brüssel führen sollten und nicht in Straßburg.
Claude Turmes (Verts/ALE). – Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Europa braucht eine neue Energie- und Transportpolitik. Herr Schüssel, ob die Entscheidung für 20 % mehr Energieeffizienz und 15 % erneuerbare Energien wirklich einen Durchbruch darstellt, muss sich jetzt erst zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass das Wichtigste dabei ist: Wir brauchen eine andere Transport- und Energiekultur. Was meine ich damit?
Wenn wir wirklich Effizienz haben wollen, dann brauchen wir eine Allianz mit dem Handwerk und den Banken, um beim Gebäudebestand endlich voranzukommen. Wir brauchen eine Allianz mit den Großstädten, um unsere Städte wieder lebensfreundlicher zu machen, und wir brauchen weniger Verkehr, weniger Ölverbrauch für unsere Mobilität. Dies finde ich in diesem Ansatz nicht ausreichend wieder, weil die Kommission weiterhin zu stark auf Großkonzerne setzt und eben nicht auf die Allianz mit den Mittelständlern und auf die Allianz mit den Bürgern.
Ich habe drei konkrete Fragen an Sie, Herr Schüssel. Erstens im Forschungsbereich Energie: Wie wollen Sie den österreichischen Bürgern und dem österreichischen Mittelstand erklären, dass wir im Forschungsrahmenprogramm fünfmal mehr Geld für Atomenergie ausgeben werden oder wollen als für erneuerbare Energien? Und wie wollen Sie in Österreich und in Europa eine Atomdebatte führen, wenn Herr Barroso aus dem Grünbuch in Sachen Atom das Wort „Risiko“ gestrichen hat? Eine ideologiefreie Debatte, Herr Barroso, ist eine Debatte, bei der wir in Sachen Atom auch das Risiko diskutieren!
Herr Schüssel, Sie tragen Verantwortung dafür, dass wir eine objektive Debatte haben, und Sie können sich nicht einfach nur auf die nationalstaatliche Unabhängigkeit zurückziehen.
Helmuth Markov (GUE/NGL). – Herr Präsident! Wenn wir die Lissabon-Strategie in einem zweigleisigen Verfahren betrachten – einerseits durch den europäischen Haushalt, andererseits durch die nationalen Rahmenpläne –, dann stellt sich mir sehr wohl die Frage, ob der jetzt angestrebte Kompromiss im Zuge des europäischen Haushalts wirklich ausreicht, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich sage: nein! Genauso wenig wie wenn Sie sich die nationalen Haushalte anschauen: Die notwendigen Mittel für Forschung und Entwicklung, für Ausbildung und Bildung werden einfach nicht entsprechend angehoben.
Sie haben auf Ihrem Gipfel gesagt, dass für den Klein- und Mittelstand mehr getan werden muss. Richtig! Wenn ich aber etwas für den Klein- und Mittelstand tun und Arbeitsplätze schaffen will, dann muss ich etwas unternehmen, damit die öffentlichen Investitionen nach oben gehen. Diese gehen leider nicht nach oben, nicht in den Mitgliedstaaten. Ich muss etwas unternehmen, damit die Binnennachfrage gestärkt wird. Die Binnennachfrage stärken Sie doch nicht, indem Sie die Einkommen kürzen, indem Sie die Lebensarbeitszeit verlängern wollen, indem Sie Sozialversicherungssysteme, die auf solidarischem Prinzip gegründet sind, durch Privatsysteme ersetzen. Das ist genau der falsche Weg.
Wir müssen die Lissabon-Strategie vielmehr durch eine Strategie der europäischen Solidarität und der Nachhaltigkeit ersetzen. Schauen Sie sich die Resultate an: Die Armutsgefährdungsgrenze hat sich nicht verändert. Sie ist von 2000 bis heute bei 16 % geblieben. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist in diesem Zeitraum von 3,9 auf 4,1 % gestiegen. Die Beschäftigungsquote hat sich von 63 auf 64 % geringfügig verbessert. Wir liegen weitab von dem, was wir uns vorgenommen haben, und das, weil die Strategie falsch ist. Diese Lissabon-Strategie wird uns, so wie sie ausgerichtet ist, nichts bringen.
Johannes Blokland (IND/DEM). – (NL) Herr Präsident! Wir halten heute Rückschau auf die Ergebnisse des Frühjahrsgipfels – eines weiteren ergebnislos verlaufenen Treffens der Staats- und Regierungschefs. Die Niederlande haben bereits angeregt, zwei EU-Gipfel pro Jahr, um Beschlüsse zu fassen, seien völlig ausreichend; ich plädiere für die Abschaffung dieser Gesprächsgipfel, denn die von den Teilnehmern gemachten Versprechungen stellen sich nach ihrer Rückkehr ins eigene Land als unerfüllbar heraus. Als Beleg für meine Behauptung brauche ich nur auf Frankreich zu verweisen. Französische Energieunternehmen übernehmen zwar Firmen im Ausland, für ausländische Unternehmen, die an der Übernahme französischer Firmen interessiert sind, bleiben die Grenzen indessen geschlossen, und da die Dienstleistungsrichtlinie blockiert ist, bleibt auch ausländischen Arbeitnehmern der Weg versperrt. Damit gehen wir einen Schritt nach vorn und zwei Schritte zurück.
In diesem Zusammenhang sind die Krawalle in Frankreich ein Beweis dafür, wie schwierig es ist, das Sozialsystem zu reformieren. Der Lissabon-Prozess scheitert am Protest der Wähler und Wählerinnen. Am Protektionismus der Franzosen ist jedoch auch festzumachen, dass das soziale System ohne Reformen unhaltbar ist. Die EU darf nicht länger zulassen, dass Frankreich als Bremsklotz wirkt. Sollten die Staats- und Regierungschefs auf ihren Gipfeltreffen zu einem Beschluss in diesem Sinne gelangen und ihn umsetzen, dann wäre ihre Zusammenkunft vollkommen gerechtfertigt.
Jana Bobošíková (NI). – (CS) Herr Präsident! Ich habe mir die Schlussfolgerungen der März-Tagung des Europäischen Rates genau durchgelesen, und ich muss sagen, dass ich sehr enttäuscht bin. Sie sind durchweg oberflächlich und vor allem heuchlerisch.
Der Europäische Rat erkennt in seinen Schlussfolgerungen an, wie außerordentlich wichtig es ist, ein günstigeres Wirtschaftsumfeld zu schaffen, und preist die kleinen und mittleren Unternehmen als Rückgrat der europäischen Wirtschaft, wobei er davon spricht, dass sie und das Unternehmertum allgemein unterstützt werden müssen, aber leider findet das nur auf dem Papier statt. Der Europäische Rat hat eine einmalige Gelegenheit versäumt, Worten echte Taten folgen zu lassen. Ich hatte erwartet, dass die Politiker den Mut aufbringen, die ursprünglichen Vorschläge der Kommission zu den Dienstleistungen im Binnenmarkt zu unterstützen, insbesondere das Herkunftslandprinzip, und dass der Rat uns deshalb eindeutige Signale geben würde, dass er wirklich ernsthaft über die Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds nachdenkt. Doch das ist nicht geschehen. Der Rat hat sich für die abgeschwächten und populistischen Vorschläge dieses Parlaments entschieden und am Ende – abgesehen von aufmunternden Reden – überhaupt nichts für kleine und mittlere Unternehmen getan. Das ist für mich nicht der Weg zur Verwirklichung der Lissabon-Strategie und größerer Wettbewerbsfähigkeit.
João de Deus Pinheiro (PPE-DE). – (PT) Aus meiner Sicht wurden die Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, vom Europäischen Rat korrekt benannt: die Globalisierung, die demografische Frage, die Schlüsselsektoren der europäischen Wirtschaft wie Energie und Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung, Innovation, Bildung, Arbeitsplätze und Wachstum.
Doch welchen Eindruck hat man gewonnen? Während einerseits auf dem Gebiet der Energie merkliche Fortschritte erzielt wurden – Fortschritte, die vor sechs Monaten noch undenkbar schienen –, gibt es andererseits Bereiche, in denen wir leider nicht so weit gegangen sind. Warum nicht? Weil die Lissabon-Strategie den Kardinalfehler beging, der Kommission nicht die Verantwortung für die Umsetzung dieser Strategie zu übertragen und deren Mittelpunkt zu sein.
Jetzt hat sich die Kommission bemüht, und darum ist man vorangekommen. Aber es muss noch viel mehr getan werden. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission diese Verantwortung übertragen und die Mittel an die Hand geben, um diese dringend notwendigen Fortschritte zu erreichen. In dieser Hinsicht muss ich sagen, dass wir die Unterstützung für das Europäische Technologieinstitut von ganzem Herzen begrüßen. Es hat doch wirklich keinen Sinn, wenn man 25 Forschungsstrategien hat, die nicht auf das Hauptziel der wissensbasierten Wirtschaft ausgerichtet sind und denen nach wie vor die Ressourcen und die kritische Masse fehlen, um mit anderen, weiter entwickelten Volkswirtschaften mithalten zu können.
Wenn wir also heute ein klares Signal aussenden wollen, dass die Lissabon-Strategie lebt, und wenn wir sie schnell umsetzen wollen, dann müssen wir der Kommission die Ressourcen geben, die sie braucht, um das Europäische Technologieinstitut einzurichten und arbeitsfähig zu machen, was meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Schritt wäre.
Bernard Poignant (PSE). – (FR) Herr Präsident, das französische Volk wird von der Ratstagung zwei Dinge im Gedächtnis behalten. Erstens, wenn ein Franzose Englisch spricht, verlässt der Präsident den Saal. Zweitens, wenn ein Journalist ihn fragt, ob ein verabschiedetes Gesetz auch eingehalten werden muss, lautet die Antwort in Brüssel „Ja“ und in Paris „Nein“!
‚Damit muss man sich abfinden, da kann man machen, was man will’ – das ist es, was dem französischen Volk in Erinnerung bleibt. In diesem Land brodelt es; innerhalb von zehn Monaten erlebte es drei Revolten: Die erste manifestierte sich an den Wahlurnen und war Ausdruck einer Art von Kapitalismusfeindlichkeit; die zweite äußerste sich in den Unruhen in unseren Vorstädten und war Ausdruck einer Art Revolte gegen die Diskriminierung; die dritte war gekennzeichnet durch Streiks und Kundgebungen und bestand in einer Art Revolte gegen die Unsicherheit der Arbeitsplätze. Daraus leite ich ab − entschuldigen Sie, dass ich etwas mehr von meinem Land spreche −, dass es für Ihre nächste Ratstagung mehr noch als für die vergangene, unabhängig davon, was Sie da getan haben, ein Verlangen gibt, das erfüllt werden muss, nämlich das nach gegenseitigem Vertrauen.
Unsere Mitbürger haben gespürt, dass in dieser Zeit jeder verstärkt nur an sich gedacht hat. Frankreich muss seinen Teil der Verantwortung dafür übernehmen, denn es trägt eine Mitschuld daran, allerdings nicht allein. Wir brauchen also Vertrauen zueinander gemäß unseren lateinischen Wurzeln. Diesen Weg müssen die Kommission wie auch der Rat beschreiten. Ein anderer Aspekt betrifft den Schutz der Bürger, denn in gewisser Weise fürchten unsere Mitbürger, dass Europa ihnen nicht genug Schutz bietet. Viel Glück!
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Sie feiern sich und klopfen sich selbst auf die Schulter. Sie sind mit den Ergebnissen des Frühjahrsgipfels sehr zufrieden. Glauben Sie, dass die europäischen Bürger derselben Meinung sind?
Ich glaube nicht, denn die Reform der Lissabon-Strategie, die Sie vorantreiben, opfert den Zusammenhalt und die Umwelt der neoliberalen Version der Wettbewerbsfähigkeit. Das ist genau das, was der berühmt-berüchtigte Ausdruck „flexicurity“ beschreibt.
Nach fünf Jahren des Misserfolgs legen Sie ambitionierte Ziele mit verbindlichen Zeitplänen für Arbeitsplätze, Forschung, Energie und Wachstum fest; zugleich ist der Haushalt jedoch geprägt von extremer Pfennigfuchserei und mangelndem Ehrgeiz.
Mit welchen Mitteln und welchen Politiken wollen Sie diese Ziele erreichen, wenn entscheidende Bereiche, wie die Strukturfonds, die transeuropäischen Netze, die Verbraucher- und Gesundheitspolitik sowie Forschung und Bildung unter drastischen Mittelkürzungen leiden?
Glauben Sie, dass Sie die Ziele, die Sie gesetzt haben, erreichen werden? Meine Fraktion glaubt nicht daran und lehnt ihre Politik deshalb ab.
Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Das europäische Establishment hat die empörende Angewohnheit, Terrorangriffe, Naturkatastrophen, politische Krisen und wirtschaftliche Erschütterungen für seine politischen Ziele auszunutzen. Der berechtigte Zorn der Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Ängste und ihr politisches Engagement werden für den Kampf um einen europäischen Superstaat missbraucht. Darum waren wir in diesem Hause oft gezwungen, endlose Reden anzuhören, die sich auf die Terroranschläge von Madrid und London, die Tsunamikatastrophe im Indischen Ozean oder die Kriegsgefahr im Nahen Osten bezogen. Die Redner, darunter auch der Präsident selbst, haben diese tragischen und verhängnisvollen Ereignisse oft in schamloser Weise zur Beförderung einer verborgenen Agenda – des Kampfes für einen europäischen Superstaat – genutzt.
Jetzt bewegt sich die Energieversorgung in Europa auf eine Krise zu, und es hat sich nichts verändert. Die 25 Damen und Herren des Europäischen Rates haben keine Ahnung, wie die Energietechnik und –politik in zehn Jahren aussehen wird. Darum sollten sie auch keine prozentualen Anteile für Biokraftstoffe und erneuerbare Energiequellen festlegen. Die einzelnen Länder müssen auf einem freien Energiemarkt selbst experimentieren und nach Lösungen suchen. Aufgabe der EU ist die Aufrechterhaltung des freien Energiemarktes und die Koordinierung der Infrastrukturinvestitionen.
Philip Claeys (NI). – (NL) Herr Präsident! Kommissionspräsident Barroso hat die Überalterung und Globalisierung als unsere beiden zentralen Herausforderungen bezeichnet. Erstere müssen wir unbedingt ganz oben auf die politische Agenda setzen. Das Altern der Bevölkerung in Europa ist in Wirklichkeit nicht so sehr eine Herausforderung als vielmehr ein lebensbedrohendes Problem, nicht nur im Sinne der Aufrechterhaltung unserer Sozialversicherungssysteme und mithin unserer Volkswirtschaften, sondern auch aus der Sicht der Sicherstellung des Fortbestands der europäischen Völker schlechthin.
Darüber hinaus werden gelegentlich Lösungen vorgeschlagen, die die Sache eigentlich nur noch schlimmer machen. Man denke bloß an das Plädoyer für eine neue, massive Einwanderung. Die Kommission hat ein Grünbuch veröffentlicht, um diesen Weg zu sondieren. Damit mag zwar kurzfristigen Interessen einiger Unternehmen oder Wirtschaftszweige gedient sein, mit dem Zuspruch der Bevölkerung kann aber sicherlich nicht gerechnet werden. Die Probleme sind ohnehin schon unermesslich. Wenn sich die EU noch mehr von der Bevölkerung entfremden möchte, braucht sie nur so weiterzumachen. Die wirkliche Lösung besteht darin, junge Familien zu ermutigen, mehr Kinder zu haben, und günstige Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Geschieht dies nicht, bleiben die Lissabon-Ziele nichts als leeres Gerede.
Alejo Vidal-Quadras Roca (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Angesichts der großen Erwartungen, die wir in den Wochen vor der Frühjahrstagung des Rates in Bezug auf die Möglichkeit der Errichtung einer gemeinsamen Energiepolitik gehegt hatten, sind die Schlussfolgerungen des Rates zum einen hoffnungsvoll, zum anderen jedoch enttäuschend.
Sie stimmen zuversichtlich, weil sich in einem Text des Rates zum ersten Mal eine Passage aufnimmt, in der es ausschließlich um die Ingangsetzung einer gemeinsamen Energiepolitik geht, denn es werden Fragen angesprochen, auf die das Europäische Parlament schon seit langem nachdrücklich hinweist, wie die richtige Umsetzung der bestehenden Richtlinien, die Notwendigkeit der Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Netzzusammenschaltung, die fehlenden Investitionen im Infrastrukturbereich und für Forschung und Entwicklung und die Forderung nach Vollendung des Energiebinnenmarktes – eine Reihe von Vorschlägen also, die, wie wir hoffen, die Mitgliedstaaten so bald wie möglich in die Praxis umsetzen werden.
Doch sehen wir den Tatsachen ins Auge. Wieder einmal hat es dem Rat an Vision und Ambition in dieser grundlegenden Frage, der Energie, gemangelt. Mit Ausnahme einiger weniger Aspekte, wie dem Erfordernis, auf der Weltbühne mit einer Stimme zu sprechen und der möglichen Schaffung eines Solidaritätsinstruments zur Bewältigung von Krisen, sind die übrigen Maßnahmen bereits in mehreren bestehenden Richtlinien und Vereinbarungen vorangegangener Gipfel enthalten.
Zudem brauchen wir eine offene Diskussion unter den Staats- und Regierungschefs über die politischen Hindernisse, die einige Regierungen dem reibungslosen Funktionieren des Energiebinnenmarkts in den Weg legen. Es können keine Schlussfolgerungen unterzeichnet werden, in denen zur Schaffung eines Binnenmarkts aufgerufen wird, wenn gleichzeitig nationale Champions proklamiert werden und eine Form des Protektionismus praktiziert wird, die dem Integrationsprozess ernsthaft schadet.
Abschließend, Herr Präsident, möchte ich dem Rat erklären, dass wir seinen Vorschlag, wonach die bereits bestehenden Verpflichtungen erfüllt werden müssen, mit Genugtuung aufnehmen, dass wir jedoch enttäuscht sind angesichts seines mangelnden politischen Mutes, eine wirkliche gemeinsame Energiepolitik in Angriff zu nehmen, die dieses Haus und die Europäische Kommission fordern und die unsere Union dringend benötigt, da ihre Zukunft davon abhängt.
Enrique Barón Crespo (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Herr Präsident der Kommission, meine Damen und Herren! Ich habe drei Botschaften an Sie. Zunächst möchte ich dem Europäischen Rat und insbesondere Bundeskanzler Schüssel meinen Dank für die Unterstützung der spanischen Regierung am Beginn des langen Prozesses der Bewältigung des Terrorismus nach der von der Terrorgruppe ETA verkündeten Waffenruhe aussprechen. Vielen Dank.
Zweitens, ich begrüße die Tatsache, dass der Europäische Rat die spanisch-schwedische Initiative eines Pakts für die Gleichstellung der Geschlechter, einem der wichtigsten Fortschrittsbereiche in Europa, akzeptiert hat.
Drittens möchte ich die Energiepolitik ansprechen. Endlich beginnen wir, über Energiepolitik zu reden, aber anstatt den Protektionismus anzugreifen, müssen wir eine Energiepolitik ins Leben rufen und mit der Errichtung dessen beginnen, was im Englischen „level playing field“ genannt wird. Derzeit existieren in Europa zwei liberalisierte Märkte, das Vereinigte Königreich und Spanien. Was wir tun müssen, ist, die Festungsmauern einzureißen und eine europäische Politik in Gang zu setzen.
Die Kommission darf nicht nur anderen predigen, sondern muss auch ihre Pflicht tun. Es wäre beispielsweise interessant zu wissen, was die Kommission aus europäischer Sicht über die Ostsee-Gasleitung und die europäische Solidarität denkt. Ferner müsste uns die Kommission, nachdem sie die Meinungen des Parlaments zur Richtlinie über die Liberalisierung der Dienstleistungen akzeptiert hat, eine Richtlinie über die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse anbieten. Denn wir sprechen jetzt nicht über den Markt, sondern über Versorger und öffentliche Dienstleistungsunternehmen, und die Kommission muss ihre Pflicht erfüllen.
Sergej Kozlík (NI). – (SK) Ich möchte zwei Punkte ansprechen: Europa hat auch künftig einen akuten Energiebedarf. Dennoch muss die Slowakei aufgrund des von der Europäischen Union ausgeübten Drucks und wegen seiner schwachen Regierung bis 2008 zwei Blöcke des Kernkraftwerks in Jaslovské Bohunice abschalten. Wenn man bedenkt, wie sicher diese Blöcke sind, könnten sie mindestens bis 2015 in Betrieb bleiben.
Die Slowakei wird aus EU-Mitteln nur einen Bruchteil der Gelder erhalten, die für die Stilllegung dieser Blöcke erforderlich sind. In diesem Jahr sollen in der Slowakei zwei neue Automobilwerke von europäischer Bedeutung in Betrieb gehen. Das Verkehrswesen wird große Mühe haben, den Anforderungen gerecht zu werden, die sich aus der Anlieferung des Materials und dem Versand der Fertigprodukte ergeben. Nach der langfristigen finanziellen Vorausschau kürzt die Europäische Union aber die für transeuropäische Netze vorgesehenen Mittel um 20 Milliarden Euro. Dies ist kaum geeignet, das Vertrauen der slowakischen Bürger in die EU-Politik zu fördern.
Timothy Kirkhope (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte zu Beginn sagen, dass ich die klare Position des Rates zur Lage in Belarus und die beschlossenen Sanktionen begrüße.
Was die Lissabon-Agenda angeht, kann ich viele der Schlussfolgerungen des Vorsitzes befürworten, aber Europa hat leider immer noch keine Antwort auf seine eigentlichen wirtschaftlichen Probleme gefunden. Absichtserklärungen zu unterzeichnen fällt den Regierungen leicht, viel schwerer tun sie sich allerdings damit, ihre Versprechen dann auch in die Tat umzusetzen.
Bei der Dienstleistungsrichtlinie bin ich offen gesagt nicht glücklich über den im Rat erreichten Kompromiss. Ich habe die britische Regierung und den Rat immer gedrängt, bei der Liberalisierung noch weiter zu gehen, aber meine Worte haben kein Gehör gefunden. Herr Blair redet viel und tut wenig. Er sagt, er will mit gutem Beispiel vorangehen und die anderen europäischen Länder werden folgen, aber ich glaube, dass er sich etwas vormacht. Das wäre nicht das erste Mal. Eine Richtlinie, die eine echte Liberalisierung von Dienstleistungen bewirkt, wäre das beste Zeichen dafür, dass Europa die anstehenden Reformen anpackt, die jetzt so dringend umgesetzt werden müssen und nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen.
Der enttäuschendste Aspekt der Tagung des Rates war jedoch, dass die Staats- und Regierungschefs kein klares Zeichen gegen den aufkommenden Protektionismus gesetzt haben. Wir haben eine Reaktion erwartet – zumindest eine Stellungnahme – von Herrn Berlusconi, der in letzter Zeit doch zu jedem Thema etwas zu sagen hatte, und von Herrn Blair. Aber kein Sterbenswörtchen war zu vernehmen. Der Rat hätte auf seiner Tagung klar zum Ausdruck bringen können, dass er entschlossen gegen den Protektionismus vorgehen wird, der Europas Wohlstand und das Funktionieren des Binnenmarktes gefährdet. Es war ein idealer Zeitpunkt, um dieses Thema auf höchster Ebene zur Sprache zu bringen, aber der Rat hat das nicht getan.
Wieder einmal bleibt es Präsident Barroso überlassen, hier klare Worte zu sprechen. Ich gratuliere ihm zu seiner unverändert entschlossenen Haltung zu diesem Thema. Vergangene Woche in Florenz sagte er, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten sich zu populistischen Äußerungen verleiten lassen. Ich teile diese Ansicht. Es ist an der Zeit zu prüfen, welche Maßnahmen gegen diejenigen ergriffen werden sollten, die gegen die grundlegenden Regeln des Binnenmarkts verstoßen.
Ich gratuliere Herrn Barroso außerdem zu dem gestern angekündigten Schritt, strenger gegen die großen Energiekonzerne in Europa vorzugehen, die ihre wirtschaftliche Stärke nutzen, um den Wettbewerb zu behindern und den Markt zu verzerren. Die rechtlichen Schritte gegen diejenigen, die versuchen, einen offenen Energiemarkt in Europa einzuschränken, werden von all denen aus unseren Reihen unterstützt werden, die an den freien Markt und die Vollendung des Binnenmarktes glauben.
Der Präsident. – Ich möchte eine Delegation der Weihnachtsmänner auf der Besuchertribüne willkommen heißen. Das ist nicht unbedingt die richtige Jahreszeit für Weihnachtsmänner – ich hoffe, dass Sie sich gut benehmen werden! Wenigstens tragen Sie die Farben, die heute Morgen angebracht sind – rot und weiß, so wie ich.
Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Wir haben bei der Lissabon-Strategie die Halbzeit erreicht, bislang mit auffallend wenig Erfolg. Vorrang für die Union muss nun Innovation im weitesten Sinne haben, zusammen mit Investitionen im Bildungswesen. Dies wird zu Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung führen. Deshalb überrascht es, dass nun ein anderer Rat die Ausgaben für Forschungs- und Bildungsprogramme kürzt. In einigen Fällen liegen die Kürzungen im zweistelligen Bereich. Wie können derartige Beschlüsse gerechtfertigt werden? Wie soll die Union wettbewerbsfähig sein, wenn ihr Wirtschaftswachstum bei kaum 2 % liegt und die durchschnittliche Arbeitslosenquote 9 % erreicht hat?
Der Haushalt der Europäischen Union ist auf eine strenge Diät gesetzt worden, aber wenn er immer schlanker wird, kann er den Bedürfnissen einer sich ausdehnenden Union nicht gerecht werden. Außerdem ist ein abgemagertes Europa nicht imstande, mit den Vereinigten Staaten, China und Indien zu konkurrieren, deren Wirtschaften stark sind.
Der Kompromiss, der gestern bei den Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau erreicht wurde, ist sicherlich zu begrüßen und weckt die leise Hoffnung, dass die Lissabon-Strategie nicht nur auf dem Papier steht, sondern ein vorrangiges Ziel wird. Paradoxerweise steht sie jedoch weiterhin am Ende der Ausgabenliste, und in dieser Phase sind die Mittel normalerweise erschöpft.
Jacek Emil Saryusz-Wolski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich begrüße nachdrücklich die entschlossene Haltung des Rates in seiner Erklärung zu Belarus und auch den Standpunkt, den Bundeskanzler Schüssel dem Hohen Haus dargelegt hat. Besonders bedeutsam ist die Unterscheidung, die der Rat zwischen den belarussischen Behörden und der belarussischen Gesellschaft vornimmt. Diese wichtige Unterscheidung hatte das Europäische Parlament als Grundlage für die Strategie der Union gegenüber Belarus vorgeschlagen. Aber es genügt nicht, lediglich die gefälschten Wahlen und den Einsatz von Gewalt zu verurteilen und zur Freilassung der Verhafteten aufzurufen. Es sind zunehmend zielgerichtete Sanktionen notwendig. Die Liste der Personen, denen die Einreise in die Union verboten ist, sollte erweitert und Bankkonten sollten eingefroren werden.
Die Europäische Union und insbesondere die Europäische Kommission tun nicht genügend für Belarus, und sie reagieren zu langsam. Die Union sollte die Zivilgesellschaft in Belarus viel stärker und zielgerichteter unterstützen. Belarus sollte in der gleichen Weise wie seinerzeit die Ukraine behandelt werden. Erstens sollten wir fordern, dass die gefälschten Wahlen wiederholt werden. Zweitens sollte ein beträchtlicher, von Nichtregierungsorganisationen verwalteter Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Belarus eingerichtet werden. Drittens sollten wir zu mehr als den bisherigen symbolischen Bemühungen aufrufen, um sicherzustellen, dass in Belarus unabhängige Fernseh- und Radioprogramme empfangen werden können. Belarussen sollten eingestellt werden, um die Informationssendungen zu übernehmen. Viertens sollte der Geltungsbereich einiger EU-Programme wie das Studentenaustausch-Programm Erasmus auf Belarus und seine Zivilgesellschaft erweitert werden. Fünftens, und das ist mein letzter Punkt, sollten die Union und ihre Mitgliedstaaten eine stärkere diplomatische Vertretung in Minsk einrichten.
Markus Ferber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur zwei kurze Bemerkungen. Erstens: Ich bin sehr froh, dass es gestern Abend gelungen ist, diese Einigung über den Finanzrahmen zu erzielen, jetzt haben wir noch genug Zeit, damit es 2007 wirklich losgehen kann und alle Programme implementiert sind. Herr Kommissionspräsident, wir haben großes Vertrauen, dass Sie dann sehr zeitnah auch das, was von den Mitgliedstaaten in der Strukturpolitik geliefert wird, genehmigen und prüfen, damit wir keine Zeit verlieren.
Zweite Bemerkung, da wir ja auch über den Gipfel reden. Ich glaube nicht, dass man Wettbewerbsfähigkeit von oben her verordnen kann. So etwas muss von unten her wachsen. Ich wünsche mir natürlich, Herr Ratspräsident, dass all das, was Sie heute früh Richtiges dargestellt haben, auch vor Ort zum Leben erweckt und umgesetzt wird. Wenn ich sehe, dass es in Deutschland heute noch sieben bis acht Wochen dauert, bis man ein Unternehmen gründen kann, weil wir die Leute von Pontius zu Pilatus schicken, dann muss etwas vor Ort geschehen. Ich hoffe, dass die Impulse, die Sie gesetzt haben, auch einen Beitrag dazu leisten. Lieber Kollege Schulz, gerade im grenznahen Bereich in Aachen weiß man, wie wenig wettbewerbsfähig die deutsche Gesetzgebung auch in Nordrheinwestfalen ist.
Wolfgang Schüssel, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, hohes Parlament! Ich darf Dankeschön sagen für einige ermutigende Worte zur Halbzeit der österreichischen Präsidentschaft, aber wir ruhen uns nicht auf den Lorbeeren aus – die gibt es ohnehin nicht –, sondern wir wollen mit Ihnen hart weiterarbeiten.
Einige kurze Anmerkungen. Erstens, zu den Zielen: Wie hätten wir es gerne? Sollen wir uns Ziele setzen? Dann kommt natürlich die Kritik: Und wo ist die Umsetzung? Oder sollen wir keine Ziele setzen? Ich bin eher der Meinung: Ja, wir sollen uns trauen, konkrete Ziele zu setzen, die überprüfbar sind, mit dem Risiko, dass vielleicht das eine oder andere Land, dass vielleicht die ganze Europäische Union nicht alles hundertprozentig so erreicht, wie wir es uns vorgenommen haben. Nur: Die zehn Millionen Jobs – 2 Millionen pro Jahr – sind realistisch!
Wir konnten im Jahr 2005 in der Europäischen Union 2 Millionen Jobs zusätzlich schaffen, und wir haben – darauf sollten wir stolz sein – jetzt mit der relativ guten Konjunkturlage, mit dem beginnenden Aufschwung in vielen europäischen Ländern, eine wirkliche Chance, die wir nicht zerreden sollten. Natürlich gehört dazu nationales Engagement und Finanzierung der Infrastruktur. Wir machen das zum Bespiel in Österreich sehr gut, und andere Länder werden das genauso machen. Aber die Ziele sind notwendig!
Zu einigen, die gesagt haben, wir sollten den Europäischen Rat überhaupt abschaffen: Ich halte das wirklich für falsch. Wir müssen noch mehr Zeit und Energie investieren. Wir müssen uns vielleicht sogar häufiger treffen – vielleicht mit etwas weniger Donnerhall und Medieninteresse rings herum. Aber konkrete, harte Arbeit ist notwendig, wenn wir überhaupt etwas weiterbringen wollen.
Ein zweites Thema: Einige Redner haben gesagt, sie seien mit der Finanzvorschau nicht ganz zufrieden und haben vor allem alles am ursprünglichen Vorschlag der Prodi-Kommission gemessen. Sie sind alle Profis, Sie wissen ganz genau, dass dieser Vorschlag nicht realistisch war. Man kann jetzt nicht sagen, wir haben um 200 Milliarden Euro weniger als damals vorgeschlagen. Wenn man es mit dem vergleicht, was wir in den letzten sieben Jahren hatten, dann liegen wir um über 100 Milliarden höher.
Wir haben vor allem bei den Programmen, die Ihnen, verehrte Parlamentarier, wichtig sind, enorme Zuwächse. Nehmen Sie nur etwa den Fall Forschung und Entwicklung: Innerhalb der nächsten 7-Jahres-Periode sind über 75 % Zuwachs im Haushalt vorgesehen. Transeuropäische Netze: verdoppelt. Lebenslanges Lernen: um 50 % erhöht. Da werden jetzt 30 000 bis 40 000 zusätzliche junge Leute quasi in ganz Europa die Chance haben, zu lernen. Die Nachbarschaftspolitik: plus 40 %. Das außenpolitische Budget: um 250 % gesteigert.
Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir geben nach draußen die Botschaft, dass das alles viel zu wenig ist. Dann werden die Menschen draußen das auch glauben, denn Sie, die Parlamentarier, haben in Ihren Wahlkreisen eine ganz hohe Glaubwürdigkeit. Oder wir sagen: Das ist ein großer Schritt nach vorne auf die Ziele zu, die wir uns vorgenommen haben. Dann werden die Menschen das auch ernst nehmen und sagen: Das ist jetzt ein wichtiger Schritt nach vorne. Ich wiederhole, jeder von Ihnen weiß das, und jeder kennt auch meine Situation: den Spagat zwischen denen, die das zahlen müssen, und denen, die Empfänger sind. Das muss alles aus den nationalen Haushalten herausoperiert werden. Sie wissen das. Die einzige Lösung ist eine Neudefinition der Eigenmittel. Das ist die einzige Lösung.
Dass wir diese Finanzielle Vorschau überhaupt zustande gebracht haben, ist ein großer Erfolg. Ich danke ausdrücklich José Manuel Barroso, ich danke allen Fraktionen, ich danke dem Parlamentspräsidenten, den Verhandlern. Es war nicht leicht; aber wir haben jetzt die Chance, sofort an die Arbeit zu gehen. Ich bitte auch wirklich um breite Unterstützung, denn irgendwo wollen die Menschen ja auch hören, dass wir etwas weiterbringen, und nicht nur, dass wir zwischen den Fraktionen, zwischen den Institutionen miteinander streiten. Die Frage, ob jetzt noch 500 Millionen Euro mehr herauszuholen gewesen wären oder ob der Rat nicht schon 500 Millionen zu viel angeboten hat, interessiert draußen keinen Menschen.
Wichtig ist die Frage: Können wir jetzt für die nächsten sieben Jahre im Interesse der Bevölkerung und im Interesse Europas an die Arbeit gehen? Ich bin dazu bereit und hoffe auch sehr, dass wir in der Verfassungsfrage genauso gut zusammenarbeiten, damit wir im Juni zwar noch nicht die Lösung haben, aber einen Weg skizzieren, wie wir zu einer solchen besseren Rechtsbasis kommen, die wir alle brauchen.
(Beifall)
José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, die wichtigsten Punkte sind bereits genannt worden, aber ich würde Ihnen gern eine Zusammenfassung meiner Analyse dieser Aussprache geben, die, wie ich feststelle, die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates weitgehend bejaht. Eine ehrliche Einschätzung würde sicher an den Tag bringen, dass diese Resultate insgesamt begrüßt wurden.
Offensichtlich sind nicht alle Abgeordneten mit allem zufrieden, denn es gibt natürlich Meinungsunterschiede. Man kann aber nicht leugnen, dass wir im Energiesektor, bei den KMU, in der Forschung, bei den Beschäftigungszielen und allgemein im neuen System der Verwaltung der Lissabon-Strategie Ergebnisse vorweisen können. Zudem wurde auf der Ebene des Europäischen Rates auch Einigkeit über die Dienstleistungsrichtlinie erzielt.
Zum Thema Energie möchte ich hervorheben, dass unsere Arbeit im Europäischen Rat keineswegs beendet ist und dass die Resultate der gestrigen Sitzung der Kommission Ihnen zeigen werden, dass die Kommission entschlossen ist, dafür zu sorgen, dass sämtliche Grundsätze des Gemeinschaftsrechts eingehalten werden, beispielsweise die Grundsätze des Binnenmarktes und die Wettbewerbsregeln. Das ist eine unerlässliche Voraussetzung, wenn wir weiter glaubwürdig sein wollen, inner- wie außerhalb der EU.
Im Bereich KMU war ein besonders wichtiger Schritt die Initiative der österreichischen Präsidentschaft und der Kommission, die Bürokratie zu verringern, mit der die Unternehmen bislang an vielen potenziell Arbeitsplätze schaffenden Initiativen gehindert wurden.
Bei der Forschung konnten erstmals alle Mitgliedstaaten realisierbare Forschungs- und Innovationsziele annehmen, und das ist enorm wichtig. Ebenso wichtig war die breite Unterstützung für das Konzept eines Europäischen Technologieinstituts und für die Kommission, die jetzt den Auftrag hat, einen Vorschlag zu unterbreiten. Die Tatsache, dass Beschäftigungsziele gesetzt wurden, ist ebenfalls sehr positiv.
Ich möchte besonders auf einen neuen Aspekt hinweisen, der sich bei diesem Europäischen Rat ergab, auf den Bundeskanzler Schüssel nicht eingegangen ist, den ich aber für erwähnenswert halte. In gewissem Umfang arbeiten wir ja bereits in Team-Präsidentschaften. Herr Bundeskanzler Schüssel hat als Ratspräsident jede Gelegenheit genutzt, um die Themen in der Kommission und den kommenden Präsidentschaften, die Finnland, Deutschland, Portugal und danach Slowenien innehaben werden, zur Sprache zu bringen.
Ich halte das für wichtig, wenn es darum geht, die Kontinuität und Nachhaltigkeit der Bemühungen der Kommission zu gewährleisten. Die Kommission kann diese Kontinuität und Beständigkeit auch über längere Zeit bewahren, denn so gut der Ratsvorsitz auch jeweils sein mag, er wechselt alle sechs Monate. Es muss kontinuierliche Bemühungen geben, was nur möglich ist, wenn die Kommission zum größten Teil die Initiative ergreift und wenn das Parlament konstant Rückhalt gibt.
Diese Punkte waren positiv. Ebenso begrüßenswert waren die prinzipielle Bestätigung der Einigung zur Dienstleistungsrichtlinie und die Nachrichten, die uns gestern Nacht, oder besser gesagt heute Morgen, zur Finanziellen Vorausschau erreichten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir, wenn wir praktische Ergebnisse erzielen, wenn es uns gelingt, Probleme nicht nur hin und wieder zu lösen, dieses Europa der Projekte voranbringen können, das Vertrauen unserer Bürger zurückgewinnen werden und bessere Rahmenbedingungen zur Lösung bestimmter institutioneller Fragen finden werden, die geklärt werden müssen. Deshalb glaube ich, dass wir der Tagung des Europäischen Rates im Juni positiver entgegensehen können, die natürlich nicht die Verfassungsfrage lösen können wird, aber auf jeden Fall den Weg zur Bestimmung der Zukunft Europas weisen kann. Die Kommission arbeitet dafür aktiv mit dem Rat zusammen, und wir hoffen, einen nützlichen Beitrag leisten zu können.
Mit diesem Teamgeist, diesem Geist der Partnerschaft, kann und muss Europa voranschreiten!
(Beifall)
Martin Schulz (PSE). – Herr Präsident! Ich habe eine Frage zur Geschäftsordnung. Ich sehe den Kollegen Farage nicht im Saal. Könnte es vielleicht sein, dass die United Kingdom Independence Party sich oben auf die Tribüne gesetzt hat?
(Heiterkeit)
Der Präsident. – Die Weihnachtsmänner kommen, soviel ich weiß, aus Dänemark.
Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Man erwartet viel, zuweilen zu viel, von den Tagungen des Europäischen Rates. Die Tagung Ende März war im Wesentlichen den wirtschaftlichen Aspekten der europäischen Einigung gewidmet.
Europa sieht sich einem riesigen Problem gegenüber, dessen Ausmaß und Dringlichkeit durch die russisch-ukrainische Krise im Januar verdeutlicht wurde: dem Fehlen einer gemeinsamen Energiepolitik. Mehrere Länder waren in dieser für die Unabhängigkeit unserer Länder so wichtigen Frage besonders aktiv, darunter Frankreich, das ein Memorandum vorgeschlagen hat, zu dem es einen breiten Konsens gab.
Der Europäische Rat gab den Startschuss für eine ehrgeizige Strategie zugunsten einer sicheren, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Energieversorgung für Europa. Das ist ein wichtiger Schritt voran, den es nunmehr zu konkretisieren gilt.
Der Europäische Rat hat auf seiner Frühjahrstagung ferner beschlossen, die europäischen Haushaltsaufwendungen für Forschung und Innovation im Zeitraum 2007/2013 zu verdoppeln. Das ist von herausragender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaften und damit für den Platz Europas in der Welt gegenüber den Schwellenländern.
Parallel dazu hat der Europäische Rat offiziell die Schaffung eines Fonds zur Anpassung an die Globalisierung beschlossen, der von unseren Mitbürgern gefordert worden war.
Europa durchlebt zweifellos eine schwierige Zeit, aber das darf uns nicht die positiven Signale übersehen lassen, die von der Einführung von Instrumenten des wirtschaftlichen Fortschritts und der Solidarität ausgehen.
Dominique Vlasto (PPE-DE). – (FR) Um die Europäische Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, müssen aus meiner Sicht zwei Prioritäten gesetzt werden: massive Investitionen in Forschung und Entwicklung und Beseitigung der Belastungen für die Unternehmen, vor allem die kleinsten unter ihnen.
Der europäische Haushalt wird trotz der vom Europäischen Parlament erreichten Verbesserungen diese massiven Investitionen nicht zulassen. Der Appell des Europäischen Rates an die EIB, verstärkt im F&E-Bereich tätig zu werden, ist in diesem Zusammenhang eine innovative und pragmatische Lösung, wenn auf diese Weise 30 Milliarden Euro mobilisiert werden können.
Diese Maßnahme wird möglicherweise nicht ausreichen, um das chronische Defizit der europäischen F&E-Ausgaben zu beseitigen, und es sind noch große Anstrengungen erforderlich, um das Ziel, 3 % des BIP dafür aufzuwenden, zu erreichen.
Es ist unerlässlich, den Privatsektor in diese Anstrengungen einzubinden, denn ganz offenkundig reichen die öffentlichen Haushaltsmittel nicht aus. Man muss also steuerpolitisch weiter gehen, um den Unternehmen einen stärkeren Anreiz für Investitionen im F&E-Bereich zu geben.
Diese zielgerichtete Politik erwarten wir von der überarbeiteten Lissabon-Strategie, die einen stimulierenden, effizienten und vor allem vereinfachten europäischen ordnungspolitischen Rahmen für die europäischen Unternehmen bieten muss.
(Die Sitzung wird um 11.30 Uhr vor der Abstimmungsstunde unterbrochen und um 11.35 Uhr wieder aufgenommen.)