Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 5. April 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

10. Lage im Nahen Osten nach den Wahlen in Israel (Aussprache)
Protokoll
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärung des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Erklärung der Kommission zur Lage im Nahen Osten nach den Wahlen in Israel.

 
  
MPphoto
 
 

  Javier Solana, Hoher Vertreter für die GASP. (ES) Herr Präsident! Ich spreche zu Ihnen hier im Europäischen Parlament in einer, wie ich meine, kritischen Zeit für den künftigen Frieden im Nahen Osten, unmittelbar nach der Bildung einer neuen palästinensischen Regierung und den Wahlen in Israel.

Ich möchte kurz auf die derzeitige Situation eingehen und einige Schlussfolgerungen zu der Verantwortung ziehen, der sich die Europäische Union jetzt stellen muss, denn dies ist ein Moment, der ganz entscheidend für die Zukunft des Friedens im Nahen Osten sein könnte.

Gestatten Sie mir, mit der Lage in den besetzten Gebieten zu beginnen. Wie Sie wissen, hat die Hamas die Regierungskontrolle übernommen; es handelt sich nicht um eine Regierungskoalition, sondern um eine Hamas-Regierung, und leider ist das von ihrem Premierminister, Ismail Haniya, vorgelegte Programm für die internationale Gemeinschaft nicht akzeptabel. Es enthält keinen klaren Hinweis darauf, dass die Hamas-Regierung bereit ist, die Prinzipien zu respektieren, die von der Europäischen Union, und nicht nur von uns, sondern auch vom Quartett und der internationalen Gemeinschaft festgelegt wurden und die in sehr großen Zügen lauten: Verzicht auf Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten – und insbesondere dieses Konflikts –, Anerkennung des Staates Israel und Respektierung der in den vorangegangenen Jahren zwischen den Palästinensern und Israel unterzeichneten Abkommen.

Herr Präsident, ich glaube, dass diese Prinzipien Mindestforderungen sind, wenn das politische Ideal, für das sich die Europäische Union stets eingesetzt hat, verwirklicht werden soll. Das Ideal ist nicht weniger als eine Lösung auf dem Verhandlungsweg, die zur Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates führt, der friedlich an der Seite von Israel existiert, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts. Es ist klar, Herr Präsident, dass es keine Verhandlungen geben kann, wenn sich die Seiten gegenseitig nicht anerkennen, eine friedliche Einigung ist nicht möglich, wenn die Seiten glauben, dass der Konflikt durch Waffen gelöst werden kann, und es kann keine Lösung auf der Grundlage der Prinzipien des Völkerrechts gefunden werden, wenn die Seiten das Grundprinzip, dass Abkommen eingehalten werden müssen, missachten.

Wir sind der Auffassung, dass dies alles unvermeidliche Konsequenzen hat, soweit es die Europäische Union betrifft. Wir müssen warten und sehen, was in Zukunft geschieht, doch im Moment ist es unmöglich, die Hamas als zulässigen Gesprächspartner anzusehen, solange sie ihre Ansichten nicht ändert.

Herr Präsident, bitte gestatten Sie mir einige Worte zum Ergebnis der Wahlen in Israel. Ohne Zweifel kann dieses Resultat ganz unterschiedlich interpretiert werden. Es wäre nicht sinnvoll, eine detaillierte Bewertung dieser Wahlergebnisse zu geben, aber einige Kommentare können uns allen sicherlich helfen, nach Formeln zu suchen, die uns eine Analyse ermöglichen, auf deren Grundlage wir dann verschiedene Wege für unsere Arbeit finden können. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass, auch wenn es mit der Kadima-Partei einen klaren Sieger gab, diese nicht das von ihr gewünschten Resultat erzielt hat, und das kann einen gewissen Einfluss auf die Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition haben, die sehr wichtig ist, obwohl Herr Olmert bereits die Arbeitspartei als Partner für seine Koalition gewählt hat.

Zweitens, und das halte ich für wichtig, glaube ich, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Wahlergebnis eine Schwerpunktverlagerung vom strikt politischen Aspekt hin zu wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zeigt. Diese Analyse kann nach meiner Auffassung eine Erklärung geben für die Ergebnisse der Arbeitspartei und der Seniorenpartei oder aller Parteien mit einer spezifischen sozialen oder sprachlichen Grundlage, sei es die Schas-Partei oder die Partei Israel Beitenu, die sich auf die russischsprachige Gemeinschaft stützt.

Drittens, und das ist nach meiner Meinung vielleicht der Besorgnis erregendste Aspekt für uns alle und für den Friedensprozess, haben die Wahlen den verstärkten Wunsch nach Abtrennung, wie ich es nennen würde, offenbart, zum Ausdruck gebracht vielleicht in der Vollendung der Mauer und im Fehlen eines Dialogs zwischen den beiden Völkern über die Festlegung der Grenzen Israels. Das ist für uns ein unhaltbarer Zustand. Wir sind stets dafür eingetreten, dass die endgültigen Grenzen nur im beiderseitigen Einverständnis festgelegt werden können. Deshalb sind wir für Verhandlungen, und waren es immer, um diese Probleme zu lösen.

Der nach innen gerichtete Blick der israelischen Wähler hat eine Parallele in dem Wunsch der Hamas, sich auf die palästinensischen Themen zu konzentrieren und Israel zu ignorieren, dessen Existenzrecht sie noch immer nicht anerkennt. Und wir dürfen die Tatsache nicht ignorieren, dass dies alles Auswirkungen auf die Möglichkeiten zur Umsetzung des Plans hat, den wir als Roadmap bezeichnen. Obgleich dies schwierige Zeiten für diese Roadmap sind, muss sie weiterhin den Bezugspunkt für die Suche nach einer definitiven Lösung des Prozesses bilden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Neben den Aspekten im Zusammenhang mit dem Nahost-Friedensprozess stellt der Sieg einer Bewegung wie der mit den Moslem-Brüdern verbundenen Hamas in Palästina durch, wie die Wahlbeobachter der Union anerkannt haben, freie und demokratische Wahlen ein völliges Novum dar. Die Europäische Union möchte nicht, dass die Hamas-Regierung scheitert, und darf es im Prinzip nicht wollen. Was wir wünschen, ist, dass diese Regierung, sowohl die ihr gut bekannten Prinzipien, die von der internationalen Gemeinschaft vertreten werden, als auch die Rechtsgrundsätze, die Rechtsstaatlichkeit und den demokratischen Wechsel respektiert und den pluralistischen Charakter der palästinensischen Gesellschaft bewahrt. Wenn sie dies tut, können wir die Hamas als vollkommen legitime politische Körperschaft betrachten.

Welche Position sollte in diesem Kontext meiner Auffassung nach Europa einnehmen? Ich möchte nochmals auf eine Frage hinweisen, die völlig klar ist: Eine zufriedenstellende Lösung des Konflikts war, ist und bleibt eine grundlegende Priorität für uns Europäer. Jetzt müssen wir mehr Nachdruck denn je darauf legen, dass nur eine Lösung auf dem Verhandlungsweg stabil und von Dauer sein kann. Deshalb gilt es, weiterhin Druck auf beide Seiten auszuüben, um sie zu bewegen, einer Lösung auf dem Verhandlungsweg zuzustimmen, die auf der Existenz von zwei Staaten beruht. Ich glaube, wir sollten heute auch wiederholen, dass die Europäische Union den Standpunkt vertritt, dass der Frieden auf der Achtung der Grenzen von 1967 basieren muss und dass nur territoriale Veränderungen akzeptiert werden können, die beide Seiten vereinbart haben.

Wie Sie wissen, hat die Rolle der Europäischen Union in den letzten Monaten erheblich an Gewicht gewonnen; wir haben heute zwei Missionen vor Ort: eine Polizeioperation und die wichtige Aktion am Grenzübergang von Rafah, die noch in vollem Gange ist. Mehr als 200 000 Personen sind von Ägypten nach Gaza und von Gaza nach Ägypten gereist, seit der Übergang im November dank der Anwesenheit selbstloser Menschen der Europäischen Union eröffnet wurde.

Herr Präsident, unser Hauptziel besteht darin, diesen vor uns liegenden Zeitraum, der eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen wird, so zu nutzen, dass die Europäische Union, wenn sich die Bedingungen für einen Frieden auf dem Verhandlungsweg verbessern – und ich hoffe, das wird bald sein –, weiterhin das Vertrauen beider Seiten haben wird und einen aktiven Beitrag zur Errichtung des Friedens leisten kann, wenn die Zeit gekommen ist.

Was die Hauptseiten im Konflikt angeht, so sind unsere Prinzipien zurzeit eindeutig und sehen wie folgt aus: In Palästina wird die Europäische Union Präsident Abbas und das Friedensprogramm weiter unterstützen, mit dem er von einer sehr großen, ja überwältigenden Mehrheit palästinensischer Wähler gewählt wurde, das dürfen wir nicht vergessen. Im Einklang mit der Erklärung des Quartetts vom 30. März prüft die Europäische Union derzeit ihre Hilfsprogramme für die palästinensischen Behörden. Solange die Hamas nicht eindeutig erklärt, dass sie die Absicht hat, die Prinzipien der Völkergemeinschaft zu respektieren, werden wir natürlich nicht in der Lage sein, über „business as usual“ zu reden. Doch ich möchte auch ganz klar zum Ausdruck bringen, dass die Europäische Union die Hilfe für das palästinensische Volk aufrechterhalten wird, und sie muss das aus mindestens zwei Gründen tun: erstens, weil es ein moralisches Gebot ist, dem sich die Europäische Union niemals entziehen darf – sie hat es in der Vergangenheit nicht getan, sie tut es in der Gegenwart nicht und wird es auch in Zukunft nicht tun –, und zweitens, weil die humanitäre Krise und Instabilität in den besetzten Gebieten niemandem nützt, auch Israel nicht.

Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Ziel der Europäischen Union besteht in der Aufrechterhaltung der institutionellen Struktur der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Europäische Union hat viel investiert, hat Kraft und Mittel in den Aufbau dieser Behörde gesteckt und glaubt, dass sie erhalten bleiben muss, damit eines Tages ein lebensfähiger und demokratischer palästinensischer Staat entstehen kann.

Was Israel betrifft, Herr Präsident, so muss die Europäische Union auch weiterhin alle einseitigen Maßnahmen ablehnen, die die Zwei-Staaten-Lösung gefährden können. Insbesondere wird die Union die Entwicklung der Lage in Ost-Jerusalem, im Jordan-Tal, wo Israel Aktionen durchführt, die den Palästinensern besonders schaden, sowie den Bau der Trennmauer beobachten. In Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht hat Israel eine Reihe von Pflichten als Besatzungsmacht. Humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung passieren zu lassen, ist von grundlegender Bedeutung, doch über eine strikte Interpretation dieser Pflicht hinaus müsste Israel auch, ohne seine Sicherheit zu gefährden, was niemand will, die Bewegungsfreiheit in den besetzten Gebieten zulassen, damit dort wirtschaftliche Nachhaltigkeit möglich wird. Daher halte ich es für dringlich, dass die Seiten das Abkommen über Bewegungsfreiheit und Zugang umsetzen, das im November 2005 in Jerusalem unterzeichnet wurde. Ich war bei seiner Unterzeichnung anwesend. Dieses Abkommen führte zur Öffnung des Grenzpostens von Rafah – wo die Union eine Rolle spielt, wie ich sagte – und anderen Transitmechanismen zwischen Israel und den besetzten Gebieten.

Israel – und gestatten Sie mir, dies so nachdrücklich wie möglich zu sagen, und ich hoffe, es wird von allen verstanden, auch von unserem guten Freund, dem künftigen Premierminister, Herrn Olmert –, muss das Geld, das es durch Gebühren und Steuern im Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde einnimmt – und das ihm nicht gehört – an diese Behörde überweisen.

(Beifall)

Israel kann und darf dieses Geld nicht zurückhalten. Ich möchte so laut und klar wie möglich feststellen, dass wir bereit sind, mit beiden Seiten zu arbeiten, um zu gewährleisten, dass diese Mittel für einen guten Zweck verwendet werden, und ich glaube, dass dies möglich sein wird, wenn beide Seiten ausreichenden guten Willen zeigen.

Drittens, ich möchte kurz auf den internationalen Rahmen und die Ziele der Union eingehen. Wir müssen unsere Arbeit im Quartett fortsetzen. Die Verteidigung der internationalen Legalität macht eine entschlossene Unterstützung durch die gesamte Staatengemeinschaft erforderlich, die jetzt mehr oder weniger im Quartett vertreten sind. Wir müssen auch die arabischen Staaten einbeziehen, die in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht viel mehr tun können und heute auch müssen. Hier möchte ich die Initiative des Beiruter Friedensplans nennen, der auch die Hamas diesem Plan näher bringen soll, einem Plan, der bei anderen Gelegenheiten als der „arabische Friedensplan“ bezeichnet wurde, denn meiner Ansicht nach kann er bestimmte Möglichkeiten für Fortschritte in diese Richtung eröffnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich glaube, an dieser Stelle dürfen wir nicht vergessen, das der israelisch-palästinensische Konflikt in den Kontext einer ernsten Krise fällt, von der die gesamte Nahostregion betroffen ist. Wir müssen bei unserer Arbeit am Friedensprozess die positive Rolle im Auge behalten, die die Staaten der Region spielen können, wir dürfen aber auch die negative Rolle einiger Staaten der Region, und einige negative Einflüsse und negative Rückwirkungen, wie die Lage im Irak oder im Iran, nicht vergessen.

Herr Präsident, ich werde hier schließen, damit Sie mich nicht ermahnen müssen, zum Ende zu kommen. Die Wahlergebnisse in den besetzten Gebieten und in Israel haben zweifellos eine neue Situation geschaffen. Die Europäische Union muss meines Erachtens unter Zugrundelegung von zwei Prinzipien an sie herangehen, die anscheinend, aber nur anscheinend widersprüchlich sind: Festigkeit und Flexibilität.

Warum Festigkeit? Um die Grundsätze aufrechtzuerhalten, von denen die europäische Position seit dem Europäischen Rat von Venedig 1980 geleitet wird, das heißt, Achtung der Rechte des israelischen und des palästinensischen Volkes, die durch eine Lösung auf dem Verhandlungsweg konsolidiert werden müssen, die – wie ich so oft gesagt habe, und Sie alle haben es wiederholt – zur Bildung eines unabhängigen, souveränen und demokratischen palästinensischen Staates führt, der friedlich Seite an Seite mit Israel lebt.

Und Flexibilität, um sich der Entwicklung einer Realität vor Ort anzupassen, die sich ändern wird, die wechselhaft sein kann, und um alle Lösungen zu unterstützen, die Fortschritte in Richtung Frieden möglich machen.

Ich möchte mich von diesem Parlament aus, dem Herzen der Europäischen Union, auch ganz direkt an die palästinensische Regierung wenden. Die Hamas kann ihre Vergangenheit nicht ändern, aber sie kann und muss ihre Zukunft anders gestalten.

(Beifall)

Ich möchte den Führern der Hamas sagen, dass, wenn sie entscheiden, dass in dieser Zukunft kein Platz mehr für Terror, Gewalt und die Verleugnung der Existenz des Staates Israel ist, die Union entsprechend reagieren wird, wie sie es immer getan hat.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich glaube zwar, Herr Solana hat schon fast alles gesagt, doch würde ich gern noch ein paar Bemerkungen hinzufügen, denn die Kommission steht vor einer sehr schwierigen Zeit des tief greifenden und rasanten Wandels im Nahen Osten. Wie wir reagieren und welche Positionen die Parteien beziehen, wird maßgeblich darüber entscheiden, wie die Aussichten für eine Entwicklung zu einer hoffentlich friedlichen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts sind.

Wir haben dem amtierenden Premierminister Olmert zum Wahlsieg von Kadima gratuliert. Dies bedeutet ohne Zweifel eine gewisse Umstellung in der israelischen Politik, und wir sehen mit Interesse dem Ausgang der derzeit stattfindenden Koalitionsverhandlungen entgegen. Das wird einige Zeit dauern.

Ich möchte betonen, dass wir als Europäische Union bereit sind, mit der nächsten israelischen Regierung zusammenzuarbeiten, um Frieden und Sicherheit zu fördern, aber für Israelis und Palästinenser gleichermaßen. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in beiden Ländern von ganzem Herzen eine friedliche und zukunftsfähige Lösung des Konflikts herbeisehnt. Hinsichtlich der bilateralen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel ist es unser aufrichtiger Wunsch, ein starkes und ausgewogenes Verhältnis zu festigen, das sich in unserem Assoziationsabkommen und in unserem ENP-Aktionsplan widerspiegelt. Wir wollen an die Erfolge anknüpfen, die bei der Umsetzung des Aktionsplans in Bereichen wie den Menschenrechten, dem Schutz von Minderheiten, Forschung und Entwicklung sowie der wirtschaftlichen Integration bereits erreicht wurden.

Es ist viel spekuliert worden, wie sich diese Wahlen auf die Chancen für Frieden auswirken, wie Herr Solana ja gerade versucht hat zu erläutern. Man mag versucht sein zu glauben, dass das Wahlergebnis für eine breite Zustimmung zur erklärten Absicht des amtierenden Ministerpräsidenten Olmert steht, bis 2010 dauerhafte Grenzen für Israel festzulegen, und zwar nach einem weiteren Rückzug aus dem besetzten Westjordanland. Die Frage für uns ist, wie dies ablaufen wird. Wir sind der festen Überzeugung – und ich möchte das im Namen der Kommission bekräftigen –, dass Israels rechtmäßigen Sicherheitsbedenken nicht durch einseitiges Handeln oder gewaltsam aufgezwungene Entscheidungen Genüge getan werden kann. Nur eine ausgehandelte Einigung wird tragfähig sein.

Die Europäische Union würde nur Veränderungen an den Grenzen von vor 1967 unterstützen, die einvernehmlich zwischen den Parteien vereinbart werden. Wir befürworten eine Zweistaatenlösung, die zu einer endgültigen und umfassenden Beilegung des Konflikts führt und bei der Israel und ein palästinensischer Staat Seite an Seite mit sicheren und beiderseitig anerkannten Grenzen bestehen.

Ich halte es für wichtig, immer wieder zu sagen, dass wir gegenüber unseren israelischen Partnern betonen sollten, dass sie unbedingt alle Maßnahmen vermeiden sollten, die Verhandlungen über den endgültigen Status gefährden könnten. Die Kommission erwartet, dass die nächste israelische Regierung ihr Engagement für eine Verhandlungslösung durch eine vollständige Umsetzung der „Roadmap“ des Nahost-Quartetts bekräftigt, und zwar in Wort und Tat. Aber wie immer müssen wir mit beiden Seiten arbeiten. Wir müssen das nicht nur deutlich gegenüber der neuen israelischen Seite zum Ausdruck bringen, sondern müssen auch sehr nachdrücklich gegenüber der neuen palästinensischen Regierung auftreten. Bei den Grundsätzen des Quartetts darf es keinen Kompromiss geben – Herr Solana hat sie gerade erläutert, wir haben sie in der Erklärung des Rates erwähnt, wir haben sie auch im Quartett zur Sprache gebracht.

Wir erwarten von der neuen palästinensischen Regierung, die letzte Woche vereidigt wurde, sich zu den Grundsätzen der Gewaltlosigkeit, Anerkennung Israels und Anerkennung früherer Vereinbarungen und Verpflichtungen, einschließlich der Roadmap, zu bekennen, die dann die palästinensische Behörde an die grundlegenden Prinzipien Frieden, Demokratie, Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte binden. Natürlich sind uns nicht wenige Äußerungen zu Ohren gekommen, von denen manche noch weiter gehen; aber wir haben auch einige ganz leichte Anzeichen für mögliche Lösungen, mögliche Veränderungen gesehen.

Wir sind uns voll und ganz bewusst, welche erheblichen wirtschaftlichen und humanitären Bedürfnisse die Palästinenser haben – und wir wollen sie auch wirklich nicht im Stich lassen – und dass der Teufelskreis von Armut und Extremismus durchbrochen werden muss. Deshalb hat die Kommission bereits mehr als 120 Millionen Euro aufgebracht, um die Grundbedürfnisse der Palästinenser abzudecken und die Finanzen der geschäftsführenden Regierung zu stabilisieren, die gerade aus dem Amt geschieden ist. Deshalb beabsichtigen wir, auch weiterhin humanitäre Nothilfe zu leisten und Hilfestellung für menschliche Grundbedürfnisse zu geben.

Aber, und das muss ich wiederholen, weil das die Basis dafür sein wird, was man tun kann, wenn die neue Regierung nicht die Bedingungen des Quartetts erfüllt, kann es nicht einfach so weitergehen wie bisher. Wenn sich die Umstände nicht ändern, wird sich das unweigerlich auf die Hilfe für die palästinensische Regierung auswirken, die die Kommission jetzt entsprechend der Erklärung des Quartetts gerade überprüft. In diesem Zusammenhang bereiten wir erst den nächsten Rat vor, wo wir versuchen werden, Vorgehensweisen zu finden; wir werden keine vollständigen Lösungen haben, aber wir werden versuchen, in die richtige Richtung zu gehen.

Jetzt ist es also eindeutig an der palästinensischen Seite und der neuen israelischen Regierung, verantwortungsvoll ihren Verpflichtungen nachzukommen. Ich glaube fest daran, dass beide Seiten und vor allem die Bevölkerung des Konflikts müde sind und sich nach Frieden sehnen, aber es liegt bei den jeweiligen Führungen, Verantwortungsbewusstsein und staatsmännische Fähigkeiten zu zeigen, wenn wir voranschreiten. Es liegt in ihrer Hand, und nicht nur in ihrer, Gewalt und Verzweiflung ein Ende zu bereiten, die das Leben so vieler Generationen zerstört haben. Wir sind bereit, mit beiden im Rahmen der europäischen Organe und der internationalen Gemeinschaft zu arbeiten, um dies möglich zu machen, auch unter den schwierigsten Umständen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Nachdem ich die Erklärungen des Hohen Vertreters und der Kommissarin Ferrero-Waldner gehört habe, bin ich der Ansicht, dass die Glieder der stets komplizierten Gleichung von Krieg und Frieden im Nahen Osten ziemlich deutlich zu erkennen sind: eine Koalitionsregierung in Israel nach den Wahlen vom 28. März – die Kommissarin hat erklärt, dass wir die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Israel weiterentwickeln müssen – und eine einfarbige Regierung der Hamas in den besetzten Gebieten.

Und wie Herr Solana sagte, vollzieht sich dies alles in einem Rahmen von positiven und negativen Aspekten. Positiv: das Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens Europäische Union-Libanon am 1. April – die nächste Tagung des Assoziationsrates wird in den kommenden Tagen stattfinden. Negativ: die Lage im Irak und im Iran. Hier müssen wir wirklich die Frist von 30 Tagen abwarten, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dem Iran gesetzt hat, damit er den Forderungen der Internationalen Atomenergiebehörde nachkommt.

Ich glaube, dass unsere Fraktion keine andere Wahl hat, als entschlossen die Entscheidung des Quartetts zu unterstützen, mit der die Hamas-Regierung aufgefordert wird, auf Gewalt zu verzichten und den Staat Israel sowie die von der Palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichneten Abkommen anzuerkennen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Solana und Frau Ferrero-Waldner drei Fragen stellen.

Die erste ist, ob sie während der Beratung des Quartetts am 30. März einen Dissens mit Russland im Zusammenhang mit dem Besuch der Hamas in Moskau und der Position der Europäischen Union zu den Wahlen in Belarus festgestellt haben.

Zweitens, Frau Ferrero-Waldner, es ist klar, dass die Europäische Union ihre humanitäre Hilfe fortsetzen muss, denn die Lage im Gazastreifen ist furchtbar und die Zahl der Menschen, die in Armut leben, ist in die Höhe geschnellt. Doch was gedenkt die Europäische Union zu tun, damit die humanitäre Hilfe nicht für terroristische Aktivitäten genutzt wird?

Schließlich, Herr Solana, wir alle verstehen die Notwendigkeit, die Palästinensische Autonomiebehörde zu unterstützen, aber ist die Palästinensische Autonomiebehörde noch relevant in einem Kontext wie diesem, wenn sie mit einer Regierung zusammenarbeit, die die zuvor von dieser Behörde unterzeichneten Abkommen nicht anerkennt?

Herr Präsident, abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Präsident von Malta heute Vormittag sagte, die Stimme der Europäischen Union müsse eine Stimme der Vernunft sein, und ich glaube, dass Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner ganz deutlich gezeigt haben, dass sie die Stimme der Vernunft für die Europäische Union sind, die sich in diesem nichts als Schaden anrichtenden Nahost-Konflikt auch weiter für die Sache der Gewaltfreiheit, der Demokratie, des Friedens, der Eintracht und der Versöhnung einsetzen muss.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Véronique De Keyser, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Die Erregung, die vor den palästinensischen und den israelischen Wahlen geherrscht hatte, klingt ab, und man sieht jetzt klarer.

Wir haben es mit neuen Parteien, neuen Akteuren, neuen Schwierigkeiten zu tun, vielleicht jedoch auch mit neuer Hoffnung. Von palästinensischer wie von israelischer Seite will man die Beendigung des Konflikts und verspürt die Dringlichkeit der Bekämpfung der Armut. Diese Gleichung ist letztlich gar nicht schlecht, und wenn die Europäische Union dabei eine Rolle spielen will, muss sie drei Probleme in Angriff nehmen.

Erstens muss sie Palästina finanzielle Unterstützung gewähren, und zwar nicht nur für die Grundbedürfnisse, sondern auch für die öffentlichen Behörden, die kurz vor dem Zusammenbruch stehen. In Gaza, wo 35 % der Arbeitnehmer bei der Palästinensischen Autonomiebehörde angestellt sind und wo 75 % der Palästinenser unterhalb der Armutsschwelle leben, beginnt sich eine Hungersnot auszubreiten, die Angestellten werden nicht mehr bezahlt, und nach zuverlässigen Quellen könnte die Vogelgrippe sich mit der menschlichen Grippe verbinden und die befürchtete Pandemie auslösen. Aber diese Unterstützung für die Behörden darf sich nicht in einer Unterstützung für eine parallele Präsidialmacht äußern, die als eine Art Gegenmacht agiert.

Zweitens, die Europäische Union muss in einen Dialog mit der Hamas eintreten, zwar unter bestimmten Bedingungen, aber sie muss den Dialog führen. Carter hatte das bereits im Januar angedeutet. Clinton hat es nun bestätigt. Für alle diejenigen, die sich der zahlreichen Terrorbewegungen erinnern, aus denen respektable politische Parteien geworden sind, aber auch für alle diejenigen, die den Frieden wollen und die Wahlentscheidung von fast der Hälfte des palästinensischen Volkes respektieren, muss man den Dialog eröffnen, muss man Verhandlungen eröffnen. Die Hamas hält ihren Waffenstillstand aufrecht, und ihr Außenminister hat gerade zur allgemeinen Überraschung, wie ich zugeben muss, die Tür ein wenig geöffnet und eine Zwei-Staaten-Lösung nicht mehr ausgeschlossen. Nutzen wir diese Gelegenheit. Die Rückkehr zu früheren Positionen und die Anerkennung des israelischen Staates auf der Grundlage der Grenzen von 1967 ist an sich schon gleichbedeutend mit einer Verhandlung, denn das bedeutet, dass Israel selbst diese Grenzziehung von 1967 anerkennt.

Drittens muss die Europäische Union bei der israelischen Regierung erwirken, dass der einseitige Abzugsplan nur als ein Plan B und nicht als ein Plan A anzusehen ist. Es ist zwar schwieriger, den Frieden auszuhandeln, als einseitig und durch Gewalt ein akzeptables Sicherheitsniveau zu erreichen. Wenn jedoch der einseitige Konvergenzplan zum Geheimprogramm Israels wird, so wäre das nicht nur das Ende der Roadmap oder jeder bilateralen Initiative, sondern es wäre auch das Ende der Friedenshoffnungen, und Europa würde jeden glaubwürdigen Einfluss in diesem Teil der Welt verlieren.

Diese drei Probleme gilt es zu lösen, aber wie ich gesehen habe, hatten Sie bereits die Hauptansatzpunkte vor Augen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die palästinensischen und israelischen Wähler haben uns in der Tat ein kompliziertes Blatt in die Hand gegeben. Beide Wählerschaften scheinen jeweils eine Partei zu bevorzugen, die entschlossen ist, einseitig zu handeln, und erklärt, dass sie die jeweils andere Seite nicht anerkennt oder mit ihr verhandeln wird. Mir ist natürlich bewusst, dass ein ganz erheblicher Unterschied besteht zwischen der Ablehnung des Existenzrechts eines Staates und der Weigerung, die Rechtmäßigkeit einer Partei anzuerkennen, die bis jetzt nicht offiziell auf Gewalt verzichtet hat. So sieht die Lage also ziemlich trostlos aus.

Aber könnte es sein, dass jede Wählerschaft interne Belange in den Vordergrund gestellt hat, Dinge, die Auswirkungen auf ihren Alltag haben? Könnte es sein, dass die Palästinenser ein Ende der Korruption, der internen Streitereien und von inkompetenter Verwaltung wollen? Könnte es sein, dass die Israelis bessere Wirtschaftsaussichten, soziale Sicherheit und ein gerechteres System wollen? Könnte es sein, dass jede Wählerschaft dafür gestimmt hat, was sie als in ihrem besten Interesse liegend ansah, und nicht gegen das jeweils andere Volk?

Wenn das zutrifft, dann besteht vielleicht Hoffnung. Wenn die Hamas Israel anerkennt, den Waffenstillstand weiter einhält und nicht zur Gewalt zurückkehrt, und wenn Israel daran geht, die vielen Beschränkungen zu lockern, den Hunderten Palästinensern in Verwaltungshaft ein echtes Recht auf Verteidigung gewährt und Menschen nicht mehr auf unbestimmte Zeit in einer solchen Haft gefangen hält, dann könnten es sowohl die neue palästinensische Regierung als auch die künftige israelische Regierung irgendwie schaffen zusammenzuarbeiten, wenn auch nur, damit das Leben weitergeht.

Ich weiß, das hat wenig mit der Forderung nach einer Wiederbelebung des Friedensprozesses zu tun, aber möglicherweise können wir kurzfristig nur darauf hoffen, dass kleine Schritte in die richtige Richtung getan werden. Wir senden beiden Seiten unsere besten Wünsche.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Daniel Marc Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Ferrero-Waldner, Herr Solana, meine Damen und Herren! Es ist schwierig, intelligent zu handeln und gleichzeitig einer Leitlinie zu folgen, und es ist gleichfalls schwierig, sich Gesprächspartnern gegenüber zu sehen, die auf der einen wie der anderen Seite nur die halbe Wahrheit hören wollen. Es gibt also eine palästinensische Regierung, die einseitig definieren will, was Palästina ist und was nicht Israel sein darf, und eine israelische Regierung, die einseitig definieren will, was Israel ist und nicht der palästinensische Staat sein darf.

In dieser Situation muss man sich, wie ich glaube, an konkrete Beispiele halten. Nehmen wir beispielsweise das Problem des Trinkwassers in dieser Region − Frau de Keyser hat von der Vogelgrippe gesprochen −, Sie können das Problem des Trinkwassers oder der Vogelgrippe nicht lösen, ohne dass Verhandlungen zwischen der palästinensischen Regierung und der israelischen Regierung geführt werden, denn das Trinkwasser kommt aus dem Westjordangebiet und fließt nach Israel. Es ist dasselbe Wasser. Wenn die 230 Millionen Dollar von der Europäischen Union nicht gezahlt werden, wird es weder in Israel noch im Westjordangebiet Trinkwasser geben. Wer gewinnt dabei? Niemand!

Nehmen wir ein anderes Beispiel: die Vogelgrippe. Wenn sie in Gaza ausbricht, bricht sie auch in Israel aus. Man kann sie nicht aufhalten, und auch der einseitige Rückzug Israels könnte dies nicht! Es ist nicht möglich. Selbst Israel vermag dies nicht. Es gibt also Umstände, unter denen die Europäische Union die Regierungen zwingen kann, miteinander zu verhandeln, weil ihre lebenswichtigen Interessen dies erfordern, und die Umwelt gehört zu diesen Beispielen.

Zweitens, was die Roadmap betrifft, warum sollte man aus einem Quartett nicht ein Quintett machen? Beziehen wir doch die Arabische Liga ein, nehmen wir die vier plus die Arabische Liga und führen wir Verhandlungen nach dem Motto: „Die Arabische Liga ist dabei, also müssen Herr Abbas und Israel gleichzeitig mit dem Quartett plus der Arabischen Liga verhandeln“. Und vielleicht gibt es ein par intelligente Wesen, die in der Delegation der Arabischen Liga einigen Vertretern der Palästinenser die Teilnahme verwehren, was gar nicht so dumm wäre. Man kann und man muss also erfinderisch sein, man muss intelligent sein, und man muss die Dinge klar beim Namen nennen. Die Mauer bedeutet nicht nur Sicherheit, sie bedeutet eine territoriale Eroberung, sie ist einseitig, sie widerspricht allen Prinzipien der Europäischen Union, ebenso wie die Nichtanerkennung Israels den Prinzipien der Europäischen Union widerspricht. Beides widerspricht den Prinzipien der Europäischen Union, und das gilt es zu deutlich zu machen. Eine Mauer innerhalb der Grenzen von 1967 ist eine Sache, eine Mauer, wie sie heute steht, stellt eine territoriale Eroberung dar, und das können wir nicht akzeptieren.

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Wir müssen gegenüber beiden Seiten eine ganz klare Sprache sprechen und ihnen begreiflich machen, dass unsere Prinzipien unsere Prinzipien sind. Auf diese Weise können wir sie zwingen, miteinander zu verhandeln.

Eine letzte Bemerkung zu Herrn Abbas: Es stimmt, dass er gewählt wurde, aber ich komme aus einem Land, wo ein gewisser Jacques Chirac mit 82 % der Stimmen gewählt wurde, heute jedoch nur noch von recht wenigen Franzosen unterstützt wird.

 
  
MPphoto
 
 

  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Ferrero-Waldner, Herr Solana! Gute Kenner der israelischen Gesellschaft versichern uns nach den Wahlen, dass die Mehrheit der Bevölkerung des Landes heute bereit ist, wohl oder übel die Idee zu akzeptieren, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete in jeder Hinsicht eine Sackgasse ist, aus der man herauskommen muss.

Leider setzt der neue Premierminister die Strategie seines Vorgängers fort, nämlich erstens die einseitige Trennung auf der Grundlage vollendeter Tatsachen, die den Aufbau eines lebensfähigen palästinensischen Staates unmöglich machen, und zweitens der Versuch, das palästinensische Volk über kurz oder lang zu strangulieren, um es zur Kapitulation zu zwingen. Diese Politik ist unverantwortlich.

Gestern titelte die große israelische Tageszeitung Haaretz, indem sie die Vereinten Nationen zitierte, „Gaza steht am Rand des Abgrunds“. In Nablus im Westjordanland haben junge Menschen unter 30 Jahre nicht mehr das Recht, ihre Stadt zu verlassen! Kalandia, inmitten der palästinensischen Gebiete gelegen, wurde in einen Grenzort verwandelt! Ost-Jerusalem ist eingekreist! Was bedeutet dann der Vorschlag, mit dem Chef der Palästinenser-Behörde zu verhandeln, den man im Übrigen ständig diskreditiert, wie bei dem jüngsten Gewaltakt in Jericho?

In diesem Zusammenhang ist es schon bewegend, wenn man sieht, wie neue Friedensinitiativen in der palästinensischen und der israelischen Gesellschaft entstehen, wie die der Kämpfer für den Frieden, die am kommenden Montag öffentlich vorgestellt werden soll. Es handelt sich um ehemalige Offiziere der israelischen Armee, die sich mit ehemaligen bewaffneten palästinensischen Kämpfern zusammengeschlossen haben und die aus ihren Erfahrungen die gemeinsame Überzeugung gewonnen haben, dass die Lösung für die Probleme der Region nur politischer Art sein kann und sich auf die entsprechenden UN-Resolutionen seit 1967 gründen muss.

Wir begrüßen alle die Klarsicht und den Mut solcher Frauen und Männer! Aber was erwarten sie von der Europäischen Union? Hilfe allein reicht nicht aus: Jedes Volk braucht ebenso Freiheit wie Brot. Hinzu kommt, dass die Einstellung der Hilfe, sei sie teilweise oder zeitweise, zum Zusammenbruch der letzten Reste der palästinensischen sozialen, administrativen und sicherheitspolitischen Strukturen führen und damit auf lange Zeit jede Hoffnung auf einen gerechten Frieden zunichte machen würde.

Welche politische Rolle müsste Europa heute ganz allgemein spielen? Herr Solana erwähnte gerade die Tagung des Europäischen Rates in Venedig im Jahre 1980, das ist ein guter Hinweis. Vor einem Vierteljahrhundert haben wir es in einem anderen entscheidenden Moment der Geschichte des Nahen Ostens verstanden, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Wir haben damals die PLO offiziell anerkannt und uns das Prinzip „Zwei Völker, zwei Staaten“ zu eigen gemacht. Heute ist aus meiner Sicht wiederum ein starkes Signal seitens Europas gefragt. Es muss darauf gerichtet sein, klare Zeichen zu setzen, um eine auf dem Recht basierende Perspektive zu eröffnen und den Friedenskräften in der gesamten Region neue Hoffnung zu geben. In diesem Geiste habe ich angeregt, dass unsere eigene Institution als Impulsgeber auftritt: Sie könnte beschließen, ihre Konferenz der Präsidenten in Ost-Jerusalem abzuhalten, um von dort aus eine echte Friedensbotschaft an alle Protagonisten auszusenden.

 
  
MPphoto
 
 

  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Der Machtkampf zwischen Hamas und Fatah in den Palästinensergebieten spitzt sich zu. Die Gewaltzwischenfälle in Gaza am vergangenen Wochenende sprechen in dieser Hinsicht für sich, und die gleichzeitigen Besetzungen verschiedener palästinensischer Ministerien im Westjordanland lassen nicht gerade auf das Vorhandensein von staatlicher Autorität oder öffentlicher Ordnung schließen.

Wie stellen sich Rat und Kommission einen möglichen Rückzug aus ihrem Engagement vor, durch das die Schaffung dieser tiefen internen Spaltung der Palästinenser gefördert wird? Auf palästinensischer Seite gibt es eigentlich keinen ernst zu nehmenden Gesprächspartner, der es unter diesen Umständen mit Herrn Olmert, dem Sieger der israelischen Parlamentswahl, aufnehmen könnte. Dass sich Hamas, eine Terrorbewegung, selbst disqualifiziert hat, sollte für uns jedenfalls völlig außer Zweifel stehen.

Angesichts der zunehmenden terroristischen Bedrohung infolge der Infiltration von Al-Qaida-Zellen im Gazastreifen und iranischer Aktivitäten in enger Zusammenarbeit mit der Hisbollah im Südlibanon verspricht dies nichts Gutes für die Sicherheit Israels. Für wie gefährlich halten Rat und Kommission diese Bedrohungen und welche Schritte müssen ihrer Ansicht nach gegen Ägypten und den Libanon unternommen werden, die schließlich beide Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union geschlossen haben?

 
  
MPphoto
 
 

  Philip Claeys (NI). – (NL) Herr Präsident! Nach dem durchschlagenden Erfolg der Terrorbewegung Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen bestand die Gefahr, dass die israelischen Wähler extrem reagieren würden, was sie aber eindeutig nicht taten, da ja die neue Kadima-Partei die Wahlen gewonnen hat. Nachdem sich nun die Wähler in Israel überwiegend für die Fortsetzung des Friedensprozesses entschieden haben, stellt sich natürlich die Frage: „Wie weiter?“. Unabhängig von der Zusammensetzung der neuen israelischen Regierung bleibt das Problem der Hamas bestehen.

Herr Solana erklärt, das Ziel dürfe nicht sein, dass die neue Palästinensische Autonomiebehörde scheitert. In gewissem Maße stimmt dies selbstverständlich, denn die Wahlen in Palästina sind fair und demokratisch verlaufen. Es ist jedoch offenkundig, dass die neue Palästinensische Autonomiebehörde das Existenzrecht Israels anerkennen, alle bestehenden Abkommen einhalten und sich jeglicher Gewaltanwendung enthalten muss. Das ist der offizielle Standpunkt der EU , und ich kann nur hoffen, dass wir von dieser Position nicht abrücken werden. Die Europäische Union ist nämlich für den Wahlsieg der Hamas teilweise mitverantwortlich.

Wir waren zu lasch, was unsere Unterstützung für diese Palästinensische Autonomiebehörde anbelangt, die wir gleichsam in unbegrenztem Umfang fortgesetzt haben, obwohl wir uns des Problems der flächendeckenden Korruption voll bewusst waren, obwohl wir wussten, dass in einigen palästinensischen Büchern Hass geschürt wird, und obwohl wir die Zweifel, dass europäische Steuergelder zur Finanzierung von Terroraktionen verwendet wurden, nie ganz auszuräumen vermochten. Daher bietet diese völlig neue Situation der Europäischen Union zugleich Gelegenheit zur Wiederherstellung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit.

 
  
MPphoto
 
 

  Elmar Brok (PPE-DE), Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Hoher Beauftragter! Bei den Wahlen sowohl in Palästina als auch in Israel ist trotz des unterschiedlichen Ausgangs für mich nach wie vor klar, dass die große Mehrheit der Bürger auf beiden Seiten gemäßigt ist, dass sie den Frieden will und dafür eintritt, dass der Gewalt ein Ende gesetzt wird.

Es ist wichtig, dass es zu einer Einigung kommt, die tragfähig ist. Deswegen muss dies eine ausgehandelte Einigung sein, denn nur ausgehandelte und von beiden Seiten akzeptierte Einigungen sind tragfähig. Es ist wichtig, dass wir unseren Beitrag dazu leisten und dass insbesondere das Quartett vor Ort in größerem Umfang als bisher durch seine Spitzenleute auch präsent ist, um entsprechende Sicherheitsgarantien und Förderungen zu bieten.

Dabei ist mir klar, dass Palästina ein lebensfähiger Staat sein muss, und dass wir daher auch in Zukunft humanitäre Hilfe leisten müssen. Wie weit das gegenüber der Autonomiebehörde gehen kann, wird sich zeigen. Wenn ich bei Xinhua lese, dass der neue Außenminister Palästinas gesagt hat: „I hope that our dream of having an independent state on the entire territory of historical Palestine will be realized one day, and I am sure that there is no room for the State of Israel on this land“, dann ist das in diesen Tagen keine gute Aussage. Vielleicht ist das ja auch ein falsches Zitat. Jedenfalls aber sollte es dann richtig gestellt werden, damit die Dinge in eine vernünftige Richtung weitergehen können.

Es ist völlig klar: Gewaltverzicht und die Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel gehören auch in Zukunft zu den wesentlichen Bedingungen für das gute Verhältnis zu einer palästinensischen Regierung, die Unterstützung – insbesondere auch finanzielle – haben will. Wir müssen sehen, dass diese Aufgabe dort wichtig ist. Es gibt eine Korrelation zwischen dem regionalen Frieden und dem Frieden in der Welt.

Aus diesem Grund sollten wir unseren Beitrag dazu leisten, dass in der neuen Situation nach den Wahlen der neu aufgestellten Mannschaft der Durchbruch gelingt.

 
  
MPphoto
 
 

  Emilio Menéndez del Valle (PSE).(ES) Herr Präsident, Herr Solana, Frau Ferrero-Waldner! Für uns ist jetzt wichtig, den Frieden herzustellen, einen gerechten Frieden und zwei lebensfähige Staaten. Die Hamas gibt zurzeit einige friedfertige Erklärungen ab, in denen sie andeutet, dass sie den Prozess akzeptieren und – meiner Meinung nach noch indirekter –, dass sie Israel anerkennen will.

Wie Sie wissen, richtete der Hamas-Außenminister in einer Anspielung auf einen möglichen Frieden auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung gestern folgende Worte an Kofi Annan: „Wir erwarten, in Frieden und Sicherheit zu leben […], Seite an Seite mit unseren Nachbarn in diesem heiligen Teil der Welt“.

Der Finanzminister sagte, die Absicht der Hamas sei es, die Beziehungen mit dem Westen zu verstärken und auch mit Israel zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Und ich glaube, dass der Premierminister nunmehr das Quartett anerkennt, wenn er sagt: „Unsere Regierung wird zu einem Dialog mit dem internationalen Quartett über die Wege zur Beilegung des Konflikts und zur Herstellung von Ruhe in der Region bereit sein. Unsere Regierung wird keine Mühe scheuen, um einen gerechten Frieden in der Region zu erreichen“.

Nach meiner Auffassung ist die Union verpflichtet, diese neue Realität in Betracht zu ziehen und eine Strategie anzuführen, die dem derzeitigen Stillstand ein Ende setzt, zum Wohle von zwei Völkern, zwei lebensfähigen Staaten und einem gerechten Frieden.

 
  
MPphoto
 
 

  Hannu Takkula (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Das Ergebnis der israelischen Wahlen ist die Antwort der Menschen in Israel. Alle Knesset-Parteien bekennen sich zum Friedensprozess, und die Mehrheit sagt Ja zu dem von Herrn Olmert vorgeschlagenen Konvergenzplan, der eine Zweistaatenlösung vorsieht.

Zum Nahost-Friedensprozess möchte ich sagen, dass wir, wenn wir uns die palästinensischen Wahlen ansehen, daran denken müssen, dass es bei Demokratie nicht nur um eine freie Stimmabgabe und nicht nur um das Verfahren geht. Wir können „Demokratie“ nicht als „terroristische Regierung, die demokratisch gewählt wurde“ – wie im palästinensischen Fall – definieren und anerkennen. Bei Demokratie geht um die EU-Werte von Frieden und Achtung, nicht darum, dass man will, dass der Nachbar von der Weltkarte verschwindet, wie Herr Al-Zahar, der neue palästinensische Außenminister, diese Woche formuliert hat. Er sagte: „Ich träume davon, eine große Weltkarte aufhängen zu können, auf der es Israel nicht gibt“.

Die EU muss verlangen, dass die Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde auf Gewalt verzichtet, den Staat Israel und die entsprechenden Abkommen anerkennt und sich zur „Roadmap“ bekennt. Andernfalls sollte die EU die Hamas in keiner Weise legitimieren. Da Israel jetzt keinen Partner auf der palästinensischen Seite hat, braucht es unsere ganze Unterstützung, um sein Engagement für den Friedensprozess fortzusetzen.

 
  
MPphoto
 
 

  Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EN) Herr Präsident! Vor ein paar Tagen wurde es US-amerikanischen Diplomaten untersagt, mit Vertretern palästinensischer Regierungsstellen in Kontakt zu treten, die unter der Kontrolle der Hamas stehen. Zur gleichen Zeit hat Kanada seine Hilfen für die palästinensische Autonomiebehörde ausgesetzt, und Präsident Bush erklärte, er werde Hilfen für eine Hamas-geführte Regierung nicht zustimmen. Doch man muss begreifen, dass die Hamas in freien und fairen Wahlen gewählt wurde.

Ich begrüße die jüngsten Erklärungen von Herrn Haniyeh, seine Regierung werde mit Herrn Abbas kooperieren, was die Hamas in einem milderen Licht erscheinen lässt. Gestern gab das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten die gleiche Erklärung ab.

Wir müssen weiter die Erklärungen des Nahost-Quartetts unterstützen, dass sich die neue palästinensische Regierung zu den Grundsätzen der Gewaltfreiheit, der Anerkennung Israels und der Akzeptanz bestehender Abkommen und Verpflichtungen, einschließlich der „Roadmap“, bekennen muss. Wir dürfen niemals vergessen, dass ein Aussetzen der Hilfen für die Palästinenser den Eindruck erwecken könnte, wir würden das palästinensische Volk direkt für seine Entscheidung bestrafen, und in der Folgezeit würden wir sein Leiden noch verschlimmern. Das Europäische Parlament muss sich an allen nur erdenklichen Bemühungen zur Wiederherstellung des Friedens beteiligen, des Friedens nicht nur zwischen Israel und Palästina, sondern in der Region des Nahen Ostens allgemein.

 
  
MPphoto
 
 

  Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Sie haben Herrn Solana als den Hohen Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union vorgestellt. Welche Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik denn? Vielleicht die, die im Entwurf der europäischen Verfassung enthalten ist, der von den Franzosen und Niederländern bei den Volksabstimmungen im vergangenen Jahr so rundweg abgelehnt wurde und den die Briten ablehnen würden, wenn sie die Gelegenheit erhielten.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union hat keine Legitimität. Herr Solana hat keine Legitimität als De-facto-Außenminister der EU. Herr Solana redet, als ob die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union eine vollendete Tatsache wäre. Immer wieder übernimmt die EU unrechtmäßigerweise die Rolle und Attribute eines politischen Staates. In dieser Aussprache geht es nicht darum, wie die Probleme im Nahen Osten zu lösen sind. In dieser Aussprache geht es darum, wie illegitime Vereinigte Staaten von Europa weiter vorangebracht werden können.

 
  
MPphoto
 
 

  Jan Tadeusz Masiel (NI).(PL) Herr Präsident, Herr Solana! Zufälligerweise haben vor kurzem in mehreren unruhigen Regionen der Welt, wie Belarus, die Ukraine, Palästina und Israel, Wahlen stattgefunden. Die Europäische Union spielt in allen diesen Gebieten eine Schlüsselrolle. Dies ist zu begrüßen, da die Vereinigten Staaten beim israelisch-palästinensischen Konflikt kein objektiver Akteur mehr sind.

Herr Solana, ich glaube, Sie sind damit beauftragt, die Wünsche der Union als Ganzes und die aller Fraktionen in diesem Hohen Haus zum Ausdruck zu bringen. Israel hat selbst erfahren, was es bedeutet, eine staatenlose Nation zu sein. Es hat seinen Staat mit Gewalt geschaffen und sollte daher mit gutem Beispiel vorangehen, in dem es der Gründung eines palästinensischen Staates zustimmt. Erst dann sollte es fordern, dass die Hamas den Staat Israel anerkennt.

 
  
MPphoto
 
 

  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Ich bin sehr froh über die Stellungnahme des Hohen Beauftragten und der Frau Kommissarin. Im Übrigen: Sie sprechen für die Mehrheit in diesem Haus und für die Mehrheit in Europa, und das sollten andere auch akzeptieren.

Sehr froh bin ich auch über die Notwendigkeit einer Verhandlungslösung, wie dies unterstrichen worden ist. Ja, wir müssen verhandeln! Das heißt aber, dass die Hamas und auch Israel bereit sein müssen zu verhandeln. Wenn ich an Gaza denke, dann hat Israel nicht verhandelt. Natürlich müssen wir auch die Ursachen ergründen, warum die Hamas gewählt wurde. Es ist ja über Jahre eine andere Führung, nämlich die Führung der Fatah, unterminiert worden, einerseits durch eigene Schuld – denken wir an Korruption und andere Fälle –, aber auch durch die Nichtakzeptanz als Verhandlungspartner seitens Israels. Und selbst als Arafat nicht mehr lebte und Abbas ihr Präsident war – und das war während des Abzugs aus Gaza – ist das nicht akzeptiert worden. Daher braucht es zum Verhandeln zwei und die Bereitschaft von beiden Seiten.

Zweitens: Selbstverständlich muss das Existenzrecht Israels anerkannt werden, und zwar in friedlichen Situationen und in vernünftigen Grenzen. Aber Israel muss auch zumindest vom Grundsatz her anerkennen, dass das, was die UNO hinsichtlich der Grenzen beschlossen hat, richtig ist. Dass es dort noch Korrekturen geben wird, ist klar. Jeder von uns weiß das, wenn er realistisch denkt. Aber wenn das nicht einmal vom Grundsatz her anerkannt wird, wird es Schwierigkeiten geben.

Dritter Punkt: Bitte versuchen wir alles zu tun, damit die Situation in Gaza sich auch wirtschaftlich verbessert, damit Gaza überlebensfähig ist. Der Abzug der Truppen allein ist noch keine Sicherheit dafür.

Und der letzte Punkt: Mit Sorge sehen wir die Entwicklung in Ostjerusalem. So sehr wir uns über Kadima und die vernünftigen Leute in Kadima freuen – was Ostjerusalem betrifft, ist noch nicht jene Vernunft eingekehrt, die anerkennt, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist, die aber auch anerkennt, dass es palästinensische Rechte an Ostjerusalem gibt. Das sollte eine klare Politik der Europäischen Union bleiben.

 
  
  

VORSITZ: JACEK SARYUSZ-WOLSKI
Vizepräsident

 
  
MPphoto
 
 

  Sajjad Karim (ALDE). – (EN) Herr Präsident! In Verbindung mit der Wahl von Hamas wird die Abstimmung in Israel einen maßgeblichen Einfluss auf die Friedenschancen im Nahen Osten haben. Die israelische Wahl wurde allgemein als Referendum zu einseitigen Maßnahmen für die Festlegung dauerhafter Grenzen angesehen. Doch mit 25 % der Stimmen hat Kadima eindeutig kein Mandat dafür, und auch wenn sie zusätzliche Unterstützung in der Knesset gewinnen könnte, kann ein einseitiger Rückzug aus dem Westjordanland und die einseitige Festlegung von Grenzen, die nicht den Grenzen von 1967 entsprechen, nicht die Lösung sein.

Nur eine friedliche, auf dem Verhandlungswege erreichte Lösung kann den rechtmäßigen und langjährigen Anliegen des Roadmap-Prozesses gerecht werden. Alle Parteien müssen positives Engagement beweisen, wie es vom Quartett vorgegeben wurde, und dazu gehören auch Gespräche mit der neuen palästinensischen Autonomiebehörde.

Es ist keine leichte Sache, von der internationalen Gemeinschaft zu erwarten, dass sie sich mit denen einlässt, die noch nicht auf Gewalt verzichtet haben, aber bis dahin haben wir keine andere Wahl, wenn wir vorankommen wollen. Geben wir ihnen eine Alternative zur hoffnungslosen Gewalt und einen Grund, sich der Herausforderung zu stellen. Die andere Möglichkeit wäre, ihre Lage zu verschlimmern, und sie werden sich nur noch mehr widersetzen.

Wenn eine konstruktive Beziehung mit der EU und internationaler Druck Ariel Sharon von seiner früheren politischen Laufbahn zu dem Erbe bringen kann, das er Kadima hinterlassen hat, dann beweist das doch wohl, dass positives Engagement offenbar Nullsummen-Einstellungen verändern kann.

 
  
MPphoto
 
 

  Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem es drei Tage lang in den besetzten Gebieten geregnet hatte, riss das Wasser, das sich an der von Ihnen allen als illegal bezeichneten Mauer staute, in Bi'ilin die Körper zweier toter Brüder mit sich fort. Israelische Soldaten haben Baggerarbeiten zwecks Ableitung des Wassers verhindert; durch die Bombardierungen in Nordgaza wurden Agrarflächen zerstört und Zivilisten getötet. Nablus und Hebron sind eingekreist und es finden Übergriffe statt.

Auf uns lastet eine große Verantwortung, und wir können nicht immer nur das Klischee der zwei Völker und zwei Staaten wiederholen. Es gibt keine zwei Völker und keine zwei Staaten: es gibt nur einen Staat und etwas, was im Entstehen begriffen ist, ein Gebiet, das ständig auseinander gerissen wird, durch diese illegale Mauer und durch Gewalt. Kadima und die Arbeiterpartei können eine Chance sein. Ich bin dafür, alle Gelegenheiten zu nutzen, doch nicht in aller Stille: Wir müssen Forderungen stellen, und das mit Nachdruck.

Vor zwei Jahren hat Hamas den Waffenstillstand erklärt und sich daran gehalten, sie hat ihre Aktivitäten eingestellt. Lassen Sie uns Klartext reden: in den letzten zwei Jahren hat Hamas keine Aktionen mehr durchgeführt, und sie darf dies nie wieder tun. Doch wir können nicht einfach – wie wir es seit 1980 tun – gebetsmühlenartig von zwei Völkern und zwei Staaten sprechen und jedes Mal einfach zusehen, wie Palästinenserland geraubt wird.

Wir müssen auf Hamas einwirken, doch wir müssen auch auf Israel Einfluss nehmen, damit es begreift, dass die internationale Gemeinschaft von Bedeutung ist.

 
  
MPphoto
 
 

  Mario Borghezio (IND/DEM).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamas mag sich wohl den Schafspelz umgehängt haben, doch unter diesem Schafspelz ist bisweilen noch der Wolf zu erkennen, wenn es wirklich wahr ist, dass in den letzten Tagen Innenminister Said Siam, indem er zum ersten Mal von einer von Präsident Arafat eingeführten Praxis zur Säkularisierung des Landes abrückte, ein sichtbares Zeichen für die Talibanisierung Palästinas nach der Hamas-Strategie setzte, da er den palästinensischen Polizisten gestattete, sich einen Vollbart wachsen zu lassen. Das steht im Gegensatz zur ehemaligen Politik der palästinensischen Polizei und ist ein Mittel, um zu zeigen, dass die Mohammed zugeschriebene Regel, sich zur Abgrenzung von den Ungläubigen einen Vollbart wachsen zu lassen und den Schnurrbart abzurasieren, vollständig geachtet wird.

Es findet also ein Talibanisierungsprozess statt, der sehr beunruhigend ist zu einem Zeitpunkt, da nach der Identifizierung eines saudischen Kandidaten für ein Selbstmordattentat entdeckt wurde, dass Al Qaida tatsächlich innerhalb der Grenzen des Staates Israel präsent ist. Die Situation ist insgesamt äußerst Besorgnis erregend. Und auch die von der internationalen Presse ausführlich veröffentlichten Erklärungen von Außenminister Al-Zahar, in denen er Hoffnung auf eine offenere Haltung zur Anerkennung Israels und somit auf die Zwei-Staaten-Politik machte, sind nicht besonders ermutigend oder beruhigend, denn nur wenige Tage zuvor hat derselbe Mann eine unglaubliche Erklärung abgegeben, wonach er davon träumt, in seinem Haus eine schöne Landkarte aufzuhängen, auf welcher der Staat Israel nicht erscheint.

Die Talibanisierung Palästinas ist ein Grund zur Besorgnis. Europa muss die Augen öffnen angesichts dieser realen Gefahr.

 
  
MPphoto
 
 

  James Hugh Allister (NI).(EN) Herr Präsident! Angesichts einer palästinensischen Regierung in der Hand der terroristischen Gruppe Hamas und deren Weigerung, der Gewalt zu entsagen und Israel anzuerkennen, scheint es mir richtig und notwendig zu sein, wenn Israel einseitig Vorkehrungen trifft, seine Grenzen festzulegen und zu verteidigen. Dies nicht zu tun würde bedeuten, dass es nicht für die Sicherheit seiner Bürger sorgt, doch das muss das oberste Anliegen jeder Regierung sein.

Deshalb ermutige ich Israel, sich keinem internationalen Druck zu beugen und in dieser Hinsicht entschlossen und beharrlich zu handeln. Es zahlt sich niemals aus, Terroristen oder deren politischen Fürsprechern nachzugeben, und ich hoffe, dass Israel, die EU und Herr Solana dieser Linie unbeirrt folgen werden und unbeirrt an ihrer Überzeugung festhalten, dass es nur vorangehen kann, wenn die Hamas auf Gewalt verzichtet und Israel anerkennt.

 
  
MPphoto
 
 

  Monika Beňová (PSE). (SK) Herr Solana, Frau Kommissarin, von all den hier erörterten Themen möchte ich den Beitrag von Herrn Solana hervorheben, in dem er die Lage in den palästinensischen Gebieten und in Israel beschreibt. Dieser Beschreibung können wir zwei Fakten entnehmen. Während die Palästinenser von der Hamas regiert werden, einer Organisation, die nicht zur Anerkennung völkerrechtlicher Grundsätze bereit ist, besteht in Israel eine andere Situation. Die dortigen Wahlen können eine Regierung hervorbringen, die sich vor allem den sozialen und ökonomischen Fragen zuwenden will, die von allen Menschen in demokratischen Gesellschaften als die wichtigsten von der Regierung zu lösenden Probleme angesehen werden.

Dennoch steht die Europäische Union vor einer schwierigen Herausforderung. Sie als oberste Sachwalterin unserer Außenpolitik müssen unabhängig davon, wie wir die Hamas bewerten – und sicher betrachten die meisten von uns sie als terroristische Organisation –, Mittel und Wege finden, mit der Hamas-Regierung zusammenzuarbeiten.

Wenn wir diesen Weg beschreiten, möchte ich nur darum bitten, niemals zu vergessen, dass jegliche Gewährung von EU-Mitteln an die Palästinenser von der Anerkennung des Existenzrechts Israels durch die palästinensische Regierung abhängig gemacht werden muss. Auch würde ich gern wissen, ob Sie bei Herrn Kofi Annan in Erfahrung bringen konnten, was in dem Schreiben, das er vom palästinensischen Außenminister erhielt, über das Existenzrecht Israels gesagt wird.

 
  
MPphoto
 
 

  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen in Israel haben im Grunde die Strategie legitimiert, die Bedingungen jeglicher Lösung für das Palästina-Problem in einseitiger Weise vorzuschreiben. Es ist kein Zufall, dass die politische Führung in Israel häufiger das Wort „Sicherheit“ und sehr viel seltener das Wort „Frieden“ benutzt, denn Frieden erfordert Verhandlungen und schmerzhafte Kompromisse.

Sicherheit hingegen ist verbunden mit einer einseitigen Festlegung des endgültigen Status von Grenzen, mit der Aufrechterhaltung der Besetzung Ost-Jerusalems, mit der Besiedelung des Westjordanlandes sowie mit der Mauer der Schande.

Meines Erachtens schafft der strategische Plan Israels, der durch die neue politische Lage in den palästinensischen Gebieten gestärkt wird, keine Voraussetzungen für den Frieden. Er schafft keinen lebensfähigen palästinensischen Staat. Im Gegenteil, er trägt dazu bei, einen Scheinstaat mit nicht zusammenhängenden Gebieten und ohne stabile Grenzen zu errichten.

Die Europäische Union legt zu Recht Bedingungen für die Hamas fest. Wir sehen jedoch nicht, dass die Europäische Union Bedingungen für Israel festgelegt hat, zumal auch Israel das Osloer Abkommen missachtet und sich nicht an die Prämissen des Fahrplans hält.

Herr Solana und Frau Ferrero-Waldner haben heute die Frage des größeren Realismus der Europäischen Union angesprochen. Wenn wir eine effektive Europäische Union sein wollen, dann müssen wir in der derselben zuverlässigen Art und Weise fortfahren.

 
  
MPphoto
 
 

  Richard Howitt (PSE). – (EN) Herr Präsident! Zuerst möchte ich der israelischen Arbeitspartei zur Regierungsbeteiligung gratulieren. Sie sind Sozialisten, sie sind unsere Schwesterpartei, und ich begrüße ihr erklärtes Bekenntnis, dass die „Besatzung die moralische Gesinnung der israelischen Gesellschaft aushöhlt“, sowie die Herzliya-Rede von Amir Peretz, in der er sich für die Achtung internationaler Grenzen ausspricht. Beides sind äußerst wichtige Aussagen für den Weg nach vorn.

Ich danke sowohl der Kommissarin als auch dem Hohen Vertreter, dass sie heute Nachmittag das Engagement Europas für eine nicht einseitige, sondern auf dem Verhandlungswege erzielte Lösung erneuert haben. Ich möchte an unser persönliches Gespräch anknüpfen, Frau Kommissarin, dass es für Sie zwar vollkommen rechtens ist, die europäische Hilfe für die palästinensische Autonomiebehörde mit Auflagen zu verknüpfen, aber ich bitte Sie, Pläne zu entwickeln, um eine humanitäre Katastrophe in den palästinensischen Gebieten zu vermeiden, falls die Hamas sich nicht so schnell bewegt wie von uns allen erhofft.

Herrn Solana bitte ich, sich durch den Kopf gehen zu lassen, wie einfach es war, den – angeblich von der EU garantierten – Grenzübergang von Rafah während der jüngsten israelischen Aktionen zu schließen, und dass es in Verbindung damit zulässig war, dass Israel die Zolleinnahmen an die palästinensische Autonomiebehörde, die durch das Pariser Abkommen garantiert sind, einzubehalten. Das sind rechtliche Verpflichtungen, auf deren Einhaltung die Europäische Union und das Quartett zu achten haben.

 
  
MPphoto
 
 

  Edith Mastenbroek (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte einige kurze Bemerkungen machen. Erstens, zu den drei Forderungen, die Herr Solana dargelegt hat: Ich unterstütze alle drei, aber ich fürchte, sie sind nicht vollständig. Meines Erachtens sollten wir von der Hamas nicht nur die Einhaltung bestehender Abkommen, einschließlich der Anerkennung des Staates Israel, fordern; wir sollten von der Hamas auch die uneingeschränkte Achtung der demokratischen Entscheidungsfindung in der palästinensischen Politik verlangen, die dieses Ergebnis hervorgebracht hat. Wir müssen verlangen, dass die Hamas die Menschenrechte der Palästinenser nicht antastet. Unsere volle Unterstützung sollte den palästinensischen Frauen gelten, die kürzlich am Internationalen Frauentag für ihre Rechte demonstriert haben.

Herr Solana hat gesagt, dass die Hamas die Vergangenheit nicht ändern kann, aber sie kann die Zukunft ändern. Ariel Sharon selbst hat ja einmal gesagt, dass sich die Sicht auf die Welt dramatisch ändert, sobald man an der Macht ist, und einige führende Köpfe der Welt haben sich hingestellt und ihn als Mann des Friedens bezeichnet. Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Hamas über sich hinauswächst. Aber ich würde nicht meinen letzten Cent darauf verwetten. Deshalb brauchen wir eine Langzeitstrategie.

Ich habe die Hoffnung, dass bei den nächsten Wahlen in Palästina das palästinensische Volk die Hamas abwählt, und die einzige Partei, die in der Lage ist, die Hamas zu schlagen, ist die Fatah. Die junge Fatah-Generation, also eben alle unter 50, fordert eine interne Reform, und das halte ich für richtig. Bei dieser Generation besteht die Möglichkeit, dass sie die Fatah wieder zu den Menschen auf der Straße führt. Ihre Ziele haben meinen vollen Rückhalt, und ich fordere alle meine Kollegen auf, Wege zu suchen, um in diese Reformbewegung zu investieren.

 
  
MPphoto
 
 

  Pierre Schapira (PSE). – (FR) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst einige Feststellungen treffen. Erstens stand das demografische Problem im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung; zweitens ist die Utopie von einem Groß-Israel tot; drittens stand die soziale Frage im Vordergrund der Debatte in Israel, und viertens hat die Hamas die Wahlen in Israel nicht beeinflusst.

Bei den Israelis hat sich unbewusst die endgültige Anerkennung der Existenz von zwei Staaten durchgesetzt. Jetzt ist die Zeit für Verhandlungen gekommen, aber man muss auf die Hamas einwirken, dass sie ihre Charta außer Kraft setzt und endlich Israel anerkennt, um zu einem ernst zu nehmenden Gesprächspartner zu werden. Sonst, werte Kolleginnen und Kollegen, wird es auf beiden Seiten eine einseitige Politik geben.

Die Öffentlichkeit beider Länder will den Frieden. Europa muss diese Situation nutzen, denn es spielt künftig eine vorrangige Rolle. Man wartet auf Europa, und was die Hilfe für die Palästinenser betrifft, möchte ich erneut unterstreichen, dass Europa weiter Hilfe leisten muss, sonst kommt es zur Katastrophe in Palästina.

 
  
MPphoto
 
 

  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Zunächst einmal möchte ich allen Rednern hier für ihre vorbehaltlose Unterstützung unserer Bemühungen um eine Fortführung des Friedensprozesses danken. Auch in dieser schwierigen Zeit müssen wir versuchen, alles in unserer Macht Stehende zu tun. Die eigentliche Verantwortung liegt jedoch bei den beiden Seiten, und wir – die internationale Gemeinschaft – müssen sie auf diesem Weg unterstützen. Ich wiederhole, dass es eine Lösung im Ergebnis von Verhandlungen sein muss – keine einseitige –, und ich denke, das ist sehr deutlich gemacht worden.

Wir sind uns alle einig, dass es wichtig ist, dass die Hamas die drei Bedingungen einhält; sie muss auf Gewalt verzichten, das Existenzrecht des Staates Israel anerkennen und sich an bestehende Abkommen halten, die von früheren Regierungen geschlossen wurden. Außerdem ist es überaus wichtig, dass sich das internationale Nahost-Quartett weiter einig ist. Das wird nicht immer leicht sein, aber wir werden versuchen, einig zu bleiben, so gut wir können.

Zweitens, humanitäre Hilfe ist auf jeden Fall notwendig. Bei bisherigen Analysen haben wir festgestellt, dass mehr oder weniger die Hälfte unsere Hilfe in die verschiedenen Möglichkeiten für humanitäre Hilfe geflossen ist, nicht über die Palästinensische Autonomiebehörde. Darum wird diese Hilfe weiterhin über die UNO-Organisationen und internationale Organisationen gehen. Wir werden Wege finden, dies über die NRO zu tun, aber wir werden auch unsere Position überprüfen und einige alternative Mechanismen finden müssen. Wir arbeiten daran. Aber das ist eine sehr schwierige Sache, wir werden sehen müssen, was genau wir tun können.

Außerdem muss unbedingt sichergestellt sein – und das müssen wir herausfinden –, dass unsere Hilfen nicht an die Terroristen gehen. Deshalb müssen wir das richtige Gleichgewicht finden, was nicht einfach ist.

Natürlich müssen wir Mahmoud Abbas unterstützen. Zurzeit ist er der Gesprächspartner. Die Möglichkeit besteht, wir müssen also versuchen, sein Amt so gut wir können zu stärken, aber auch hier bitte ich um Geduld, da wir noch an den Einzelheiten arbeiten.

Russland hat ganz klar erklärt, dass es sich bei seinen Treffen mit der Hamas an den Rahmen der Erklärung unseres Quartetts vom 30. Juni gehalten hat. Die Russen haben gesagt, dass es wichtig sei, mit der Hamas zu reden, um sie in die richtige Spur zu bringen, bevor die Regierung gebildet wird. Leider haben wir gehört, dass die Hamas nicht alle Bedingungen erfüllt hat, auch wenn hier und da ein paar erste Schritte gegangen wurden.

Lassen Sie mich auch noch kurz etwas zu Ostjerusalem sagen. Große Sorgen bereiten uns die Siedlungsaktivitäten und der Bau der Trennmauer in und um Ostjerusalem, die die nachbarschaftliche Existenz eines künftigen palästinensischen Staates gefährdet und auch droht, die Verhandlungen über den endgültigen Status erheblich zu erschweren. Jegliche Vereinbarung über den Status der Stadt muss von beiden Seiten verhandelt werden und sollte nicht durch neue Faktoren vor Ort vorweggenommen werden, wie ich ja schon gesagt habe. Das ist in Erklärungen des Rates und des Quartetts mehr als deutlich gemacht worden.

Wenn es verlangt wird, dann sind wir bereit, den Parteien angemessen beizustehen. Der erste Schritt Israels sollte darin bestehen, die Diskriminierung von Palästinensern in den Städten zu beenden. Es gibt etliche dieser Faktoren.

Was nun den Trennwall anbelangt, so hat die Europäische Union bei zahlreichen Anlässen erklärt, dass sie zwar voll und ganz das Recht Israels anerkennt, seine Bürger gegen terroristische Anschläge zu schützen, aber vor allem wegen des Verlaufs besorgt ist, der für den Trennwall im besetzten Westjordanland markiert wurde und der deutlich von der Grünen Linie abweicht, unrechtmäßig palästinensisches Land konfisziert und Bewegung und Zugang stark einschränkt.

Wir rufen Israel erneut auf, den Bau der Trennmauer innerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete einzustellen und rückgängig zu machen, einschließlich in und um Ostjerusalem.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Javier Solana, Hoher Vertreter für die GASP. (EN) Herr Präsident! Ich möchte die Damen und Herrn Abgeordneten daran erinnern, dass bei diesen Wahlen etwas sehr Wichtiges geschehen ist. Durch die Wahlen sowohl in Palästina als auch in Israel ist eine neue politische Klasse entstanden. Die politischen Parteien, die das Leben in Israel und Palästina in den letzten zwanzig Jahren beherrscht haben, sind verschwunden oder haben sehr niedrige Wahlergebnisse erzielt. Neue Parteien sind auf den Plan getreten, die erst vor Monaten gegründet wurden. Neue Personen sind als Wortführer auf den Plan getreten. Was bedeutet das? Es bedeutet wohl Vieles, aber zumindest für uns sollte es etwas Neues bedeuten, soweit es die Führung betrifft. Wir müssen Hoffnung in diese Bewegung setzen und sehen, ob wir diese Situation ausnutzen können, um den Prozess voranzubringen.

Ich habe den Eindruck und bin fest davon überzeugt, dass das Ergebnis dieser Wahlen einen tief greifenden Wandel in der sozialen Struktur beider Gesellschaften bedeutet. Aufseiten der Palästinenser besteht wahrscheinlich nicht der Wunsch nach einer nicht säkularen Regierung. Davon möchte ich mich nicht abbringen lassen. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Menschen in Palästina für die Hamas gestimmt hat, weil sie eine religiöse Regierung an der Spitze der Palästinensischen Autonomiebehörde wollen. Meiner Meinung nach haben sie gegen andere Dinge gestimmt, die eher mit der Willkür zu tun haben, dass nicht ordnungsgemäß gehandelt wurde, mit Korruption, dem Fehlen einer richtigen Organisation.

Wir müssen uns jetzt nach besten Kräften bemühen, dafür Sorge zu tragen, dass Palästina, der wahrscheinlich weltlichste Teil des Nahen Ostens, nicht in etwas umschlägt, was die Mehrheit des palästinensischen Volkes vermutlich nicht will. Gleichzeitig müssen jedoch Personen in der Regierung sein, die in der Lage sind, das zu schaffen, was die Menschen mehrheitlich wollen: Sozialleistungen, keine Korruption, Demokratie usw. Hier müssen wir unseren Einfluss am stärksten zur Geltung bringen.

Das Gleiche gilt für Jerusalem, für Israel. Wenn voraussichtlich Ehud Olmert und nicht Herr Sharon Ministerpräsident werden wird, dann ist das wirklich beeindruckend: Welch ein tief greifender Wandel hat sich da in so kurzer Zeit vollzogen. Der Mann, der Kadima und Likud geführt hat, die Partei, die in Jerusalem über zwanzig Jahre die Geschicke gelenkt hat, liegt jetzt schwerkrank im Krankenhaus. Es gibt eine neue Partei mit einem neuen Mann an der Spitze, von dem niemand erwartet hätte, dass er heute der Parteichef sein würde.

Eröffnen sich nun damit Möglichkeiten? Ich möchte gern glauben, dass sich damit Möglichkeiten bieten. Werden wir diese Möglichkeiten nutzen? Ich denke schon, ja, wir werden diese Möglichkeiten nutzen. Wenn ich mit Herrn Olmert spreche, was ich regelmäßig tue, dann sage ich ihm immer, dass Einseitigkeit nicht möglich ist. Das haben wir ja schon gesehen. Es war nicht möglich, einseitig aus Gaza abzuziehen. Am Ende mussten sie zuerst die internationale Gemeinschaft anrufen, und dann mussten sie die palästinensische Seite anrufen, weil es unmöglich ist, eine Situation zu entwirren, bei der so viele Dinge zusammentreffen, und das auch noch einseitig zu tun.

Herr Cohn-Bendit hat gesagt, es sei schrecklich, dass sich die Vogelgrippe von Israel nach Palästina ausbreiten kann. Es gab heute eine Erklärung, in der es hieß, dass wir sicherstellen müssten, dass sich die Vogelgrippe nicht von einem Ort zum anderen ausbreitet. Dieselbe Person hat nicht gesagt, dass sich Armut nicht von einem Ort zum anderen ausbreiten darf, dass sich Leid nicht von einem zum anderen ausbreiten darf. Manchmal scheint es, dass wir uns mehr Sorgen über die Ausbreitung der Vogelgrippe machen und nicht wirklich über das Leid, das Elend und die Tragödie, die dort seit Jahren herrschen. Die Menschen sind durch eine Barriere getrennt, die vielleicht die Vogelgrippe nicht aufhält, aber Menschen daran hindern kann, von einem Ort zum anderen zu gelangen.

(Beifall)

Das ist wirklich traurig. Wir müssen es schaffen, beides zu tun: zusammenzuarbeiten, damit sich die Vogelgrippe nicht ausbreitet, und zu gewährleisten, dass sich die Menschen bewegen können, dass sich Arbeitskräfte bewegen können und Fortschritte gemacht werden können, und ich denke, das ist sehr viel wichtiger.

Im Jahre 1980 haben wir etwas sehr Bedeutendes gesagt, an das man sich gehalten hat. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir gesagt, dass unserer Meinung nach die Grenzen von 1967 der Ausgangspunkt für Verhandlungen sind. Ich möchte das heute vor diesem Parlament wiederholen. Wir sind bereit, das zu vertreten; wir sind bereit, Änderungen an den Grenzen zu akzeptieren, denen die meisten Menschen zustimmen – von beiden Seiten. Aber wir können uns keine andere Lösung vorstellen, die nicht von der Prämisse ausgeht, dass die Verhandlungen bei den Grenzen von 1967 ansetzen müssen.

Außerdem möchte ich noch sagen, dass jeder die Chance erhalten muss, sich zu ändern. Herr Cohn-Bendit hat sich geändert. Ich habe mich geändert. Haben sich nicht viele in diesem Parlament verändert? Und ich glaube, wir haben uns alle zum Besseren geändert. Warum glauben wir nicht, dass sich Menschen zum Besseren ändern können?

Diese Chance müssen wir ihnen jetzt einräumen, aber wir müssen wirklich unnachgiebig sein, bis sie sich ändern. Wir müssen ihnen sagen, dass sie zum Team gehören können, wenn sie sich ändern. Aber wenn sie sich nicht ändern, werden sie leider nicht dazugehören. Wie ich bereits sagte, ist es sehr schwierig, die Vergangenheit zu ändern. Niemand kann seine Vergangenheit ändern, kann sie nur in seiner Erinnerung schöner erscheinen lassen, was ja viele Menschen tun. In der Zukunft, ja, da können wir uns ändern. Wir müssen handeln und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Menschen künftig anders verhalten können.

Ich würde es gern sehen, dass die Hamas sich ändert und Israel anerkennt. Man kann doch nicht verhandeln, wenn man nicht anerkennt, dass der andere ein Existenzrecht hat. Das beruht auch auf Gegenseitigkeit. Man kann nicht verhandeln, wenn man nicht verhandeln will und man gleichzeitig eine Pistole in der Hosentasche haben will. Das ist kein Verhandeln. Diese Botschaft müssen wir herüberbringen.

Außerdem müssen wir auf Pluralität in der palästinensischen Gesellschaft drängen. Sie ist die weltlichste Gesellschaft und wird weiterhin weltlich sein, nicht einer aufgezwungenen religiösen Gesellschaft unterworfen, wie in einigen Hamas-Erklärungen dargestellt wurde. Das ist ein sehr wichtiger Punkt und wir müssen erstmals darüber nachdenken. Eine Gruppierung, die zu den „Muslimbrüdern“ gehört, ist auf demokratischem Wege an die Macht gelangt. Wir müssen darüber nachdenken, denn es ist in Palästina geschehen. Es kann auch an anderen Orten geschehen, und wir müssen darüber nachdenken, wie wir damit umgehen. Meines Erachtens wäre es wirklich gut, wenn diese Faktoren nicht nur von „Denkfabriken“ untersucht würden, sondern auch von politischen Akteuren in der Europäischen Union.

Ich trage Hoffnung im Herzen, und ich möchte, dass auch Sie Hoffnung im Herzen tragen. Lassen Sie uns gemeinsam sehen, ob wir diese Hoffnungen erfüllen können, die Sie gewiss in Ihren Herzen tragen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

(EN) Ich begrüße auf unserer Besuchergalerie Herrn Milinkewitsch, einen Kandidaten der jüngsten Präsidentschaftswahlen in Belarus, und Herrn Viacorka, Vorsitzender der belarussischen Nationalen Front.

(Beifall)

Sie weilen hier auf Einladung des Präsidenten des Europäischen Parlaments als Zeichen der Unterstützung des Europäischen Parlaments für die Demokratie und Freiheit in Belarus. Herr Milinkewitsch hat unter repressiven Bedingungen einer diktatorischen Regierung in Belarus mutig den Präsidentschaftswahlkampf geführt und sich für Menschenrechte, Demokratie und Zivilgesellschaft eingesetzt und für Werte gekämpft, die auch unsere sind.

(Beifall)

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
MPphoto
 
 

  Alexandra Dobolyi (PSE).(HU) Was ist eigentlich bei den Wahlen geschehen? Was meiner Meinung nach eigentlich geschehen ist, ist doch, dass sie den Plan von Sharon und seines Nachfolgers Olmert in die Wahlen hinein getragen haben, und zwar im Interesse eines weiteren Rückzugs aus dem Westjordanland und dadurch der Wahrung der religiösen Identität Israels.

Sharons Erbe beinhaltet drei Aufgaben:

- Die palästinensische Seite will keinen dauerhaften Vertrag mit Israel schließen. Abu Mazen wäre bereit dazu, kann aber nicht; die Hamas könnte es tun, will aber nicht.

- Israel sollte seine Grenzen einseitig festlegen.

- Die Grenze sollte entlang des Trennwalls festgelegt werden, einschließlich der großen jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Das würde einen schmerzlichen und radikalen Auszug von ungefähr 70 000 Siedlern bedeuten.

Falls man diesen Schritt geht, würden drei getrennte Bezirke eingerichtet, und wir können sicher sein, dass dieses „Etwas“ zu einem Staat führen würde, der sich nicht halten kann.

An dieser Stelle müssen wir, die EU, dann unseren israelischen Freunden gegenüber deutlich machen, dass dieses Vorgehen nicht mehr in ihrem Interesse ist, weil es ganz sicher zu einem neuen palästinensischen Aufstand führen wird, und jeder weiß ja, was das heißt.

Die Arabische Liga vertritt einen interessanten Standpunkt in dieser Angelegenheit: Sie könnte sich einen Frieden auf der Basis der Grenzen Israels von 1967 vorstellen. Vielleicht sollten wir ebenfalls die Verhandlungen auf dieser Grundlage prüfen und sehen, ob das der Weg zu einem sicheren Frieden in der Zukunft ist.

Ich bin zunehmend überzeugt davon, dass die Sicherheit Israels nicht davon abhängt, ob die Siedlungen gehalten werden, sondern dass der Konflikt gelöst wird.

 
  
MPphoto
 
 

  Cristiana Muscardini (UEN). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der letzten israelischen Wahlen bestätigen, dass der von Premierminister Scharon eingeschlagene Weg in Richtung einer für Palästinenser wie Israelis gleichermaßen akzeptablen Form des Friedens im Nahen Osten der einzig richtige ist, vielleicht auch, weil er der einzig mögliche ist. Nun muss jedoch abgewartet werden, ob die neue palästinensische Regierung fähig sein wird, diesen Weg trotz des Sieges der Hamas bei den letzten Parlamentswahlen fortzusetzen.

Die Europäische Union muss alles daran setzen, Hauptakteur eines Friedensprozesses zu werden, bei dem sie wiederholt die nicht gerade aktive Rolle des Vermittlers übernahm, die ihr durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zugewiesen wurde.

Wirklicher Frieden in einer der instabilsten Regionen des gesamten geopolitischen Systems kann nur mit Hilfe echter Sicherheitsgarantien für beide Länder und demzufolge durch eine europäische politische Aktion geschaffen werden, die nicht nur Entwicklung und Dialog zu gewährleisten vermag, sondern auch resoluter ist, wenn es um die Verurteilung von Terrorismus und Gewalt derjenigen geht, die heute noch den Staat Israel von der Landkarte streichen wollen.

Die Befugnisse der Gemeinschaftsinstitutionen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik müssen im Einklang mit den tatsächlichen Hoffnungen auf energischere Verhandlungen stehen, die gewährleisten sollen, dass der Dialog ordnungsgemäß durchgeführt wird und die politischen und sozialen Rechte beider Völker richtig geschützt werden.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen