13. Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit (SAFETY) und Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich einschließlich deren Finanzierung (SECURITY) (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung des Rates und der Kommission über Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit (SAFETY) und Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich einschließlich deren Finanzierung (SECURITY).
Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Ein wesentlicher Schwerpunkt des Informellen Rates in Bregenz/Österreich lag auf dem Thema Bewusstseinsbildung. In Bregenz hatten wir in sehr kompakter und konzentrierter Form die Möglichkeit, bewusstseinsbildende Aktivitäten der europäischen Kolleginnen und Kollegen zu studieren und auch zu vergleichen. Wie die Evaluierung der einzelnen Aktivitäten von Kampagnen gezeigt hat, kann gezielte Bewusstseinsbildung tatsächlich sehr viel bewirken. Auch wir in Österreich haben diesbezüglich in den letzten Jahren sehr viel unternommen: aufrütteln, nachdenken oder zum Nachdenken anregen und schlussendlich, was das Wichtigste ist, eine Verhaltensänderung herbeiführen in Richtung mehr Verkehrssicherheit, weniger Verkehrstote, weniger Verletzte und Schwerverletzte durch Unfälle auf der Straße.
Wir waren uns auch einig über Synergieeffekte und erhöhte Effizienz, wie sie eine thematisch gemeinsame europäische bewusstseinsbildende Kampagne erzielen könnte. Wir haben nach einer Befragung festgestellt, dass die Themen „Alkohol am Steuer“ und „Müdigkeit am Steuer“ vordringlich behandelt werden sollten. Die Kommission hat dazu dankenswerterweise, natürlich nach den geltenden Regelungen, eine Unterstützung vor allem in organisatorischer Hinsicht zugesagt und in Aussicht gestellt, dass die Hochrangige Gruppe Straßenverkehrssicherheit mit der weiteren Ausarbeitung eines diesbezüglichen Vorschlags beauftragt wird.
Auch die Absicht der Kommission, darüber hinaus einen „Europäischen Tag der Verkehrssicherheit“ einzuführen, liegt ganz im Interesse unserer gemeinsamen Zielsetzungen im Bereich der Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit. Eine derartige Initiative wird sicherlich ebenfalls zur europaweiten Bewusstseinsschärfung beitragen. Gesonderten Dank möchte ich hier für sein besonderes Engagement an Vizepräsident und Kommissar Jacques Barrot richten.
Seit 2001 wurden bedeutende Anstrengungen unternommen, um Europas Straßen sicherer zu machen. Eine Reihe legistischer Maßnahmen im technischen wie auch im ordnungspolitischen Bereich wurde erlassen, z. B. Bestimmungen bezüglich Gurte, der digitale Tachograf, Lenk- und Ruhezeiten, Führerschein oder Bestimmungen für Berufskraftfahrer. Auch Initiativen wie etwa die Initiative CARS 21, oder auch die Europäische Charta für Straßenverkehrssicherheit, die Bewusstsein bei europäischen Kommunen, bei Ländern, Unternehmen, Vereinen etc. schaffen, sind hier zu nennen. Auch die Aktivitäten und Initiativen von Vizepräsident Barrot, die bereits angekündigte Vorschläge zu Licht am Tag, Toter-Winkel-Spiegel sowie im Bereich Infrastruktur beinhalten, werden einen Beitrag leisten, unsere Straßen auf europäischer Ebene sicherer zu machen.
Abschließend sei festgestellt: Wenn in einigen Mitgliedstaaten mit hohem Aufkommen an Transitverkehr die Problematik noch größer ist als im Durchschnitt Europas, dann sollten wir gerade dort ansetzen, wo die Sinkraten gering sind, wo wir zum Teil sogar steigende Tötungsraten verzeichnen müssen. Denn jeder Verkehrstote auf Europas Straßen ist ein Verkehrstoter zu viel.
Ich danke dem Parlament für die heutige Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem wichtigen Thema der Verkehrssicherheit und möchte mich dafür aussprechen, dass wir nicht nachlassen in unseren Bemühungen, Europas Straßen so sicher wie möglich zu machen und dadurch viel Leid und Elend zu verhindern.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, Herr Gorbach, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die auf der Tagesordnung stehende Debatte umfasst zwei Themen: die Straßenverkehrssicherheit und die Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich.
Ich möchte auf den ausgezeichneten Beitrag von Herrn Gorbach eingehen und ihm gleich eingangs für sein persönliches Engagement im Dienste der großen Sache der Straßenverkehrssicherheit danken. Danke, Herr Gorbach, dass Sie dem wichtigen Problem der Straßenverkehrssicherheit hohe Priorität während der österreichischen Präsidentschaft eingeräumt haben.
Wie ich bereits im Rahmen der Berichterstattung fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des Programms, das sich die Europäische Union im Jahr 2000 gegeben hatte, vermerkte, müssen wir feststellen, dass es in den Ländern, die heute zur Europäischen Union gehören, im Jahr 2001 zu 50 000 Toten im Straßenverkehr gekommen ist. Das gemeinsame Ziel, das im Jahr 2001 vorgeschlagen und heute aktualisiert wurde, besagte, dass es im Jahr 2010 nicht mehr als 25 000 Verkehrstote geben soll. Das bedeutet, 25 000 Leben zu retten!
Wie ist der jetzige Stand? Im Jahr 2005 gab es noch 41 600 Verkehrstote. Das entspricht einem Rückgang um 17,5 % in vier Jahren. Beachtliche Fortschritte gab es vor allem in einigen Staaten, aber sie reichen noch nicht aus. Wie Sie sagten, Herr Gorbach, besteht die Gefahr, dass sich die Zahl der Verkehrstoten in der Union im Jahr 2010 auf 32 500 belaufen wird, wenn wir es uns nicht zum Anliegen machen, dieser Politik der Straßenverkehrssicherheit neuen Elan zu verleihen. Es gilt, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen und die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten auszugleichen.
Die österreichische Präsidentschaft hat uns ermöglicht – und ich möchte ihr nochmals dafür danken –, mit einer Einigung über den europäischen Führerschein voranzukommen. Parallel dazu wird es einen Führerschein für Mofas und einen schrittweisen Zugang zur Fahrerlaubnis von hubraumstärkeren Krafträdern geben. Das sollte es uns ermöglichen, die alarmierende Zahl der Toten unter den Zweiradfahrern zu senken.
Neben dieser Bilanz und über die unter dieser Präsidentschaft erreichten Fortschritte hinaus wird die Kommission im Jahr 2006 neue Initiativen vorlegen, die Teil des Aktionsplans sein werden, den ich in dem überarbeiteten Weißbuch vorstellen will.
Zunächst ein Vorschlag für eine Richtlinie für das Management der Straßenverkehrssicherheit im transeuropäischen Netz. Für uns geht es nicht darum, zu erklären, wie man eine Straße sicherer macht, sondern die Europäische Union muss in jedem Mitgliedstaat überprüfen, dass beim Bau von neuen Straßen oder dem Ausbau von bestehenden Straßen der Sicherheit große Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Zweitens ein Vorschlag für eine Richtlinie, die im Falle schwererer Verletzungen der Straßenverkehrsordnung wie Geschwindigkeitsüberschreitung, Trunkenheit am Steuer oder Nichtanlegen des Sicherheitsgurts eine grenzübergreifende Verfolgung möglich machen soll. Es ist nicht normal, dass eine Person, die sich eines schweren Verstoßes schuldig gemacht hat, sich der Strafverfolgung durch bloßen Grenzübertritt entziehen kann.
Schließlich werden wir, wie Sie sagten, Herr Minister, eine Lücke in der derzeitigen Gesetzgebung schließen, was die Tote-Winkel-Spiegel bei den vorhandenen Lastkraftwagen betrifft. Wir bemühen uns auch um Fortschritte bei der Idee eines dritten „Tagfahrlichts“. Einige Mitgliedstaaten möchten bereits jetzt diese Zusatzausrüstung für Kraftfahrzeuge vorschreiben können. Wir werden nun zusammen mit meinem Kollegen Günter Verheugen prüfen, wie wir mit dieser Frage umgehen und wie auf die Empfehlungen der Gruppe CARS 21 reagiert werden sollte, die eine ganze Reihe von Sicherheitsvorrichtungen aufgelistet hat, die von Vorteil für die in Europa verkehrenden Fahrzeuge wären.
Zum Abschluss dieses ersten Punktes möchte ich bestätigen, dass unsere Einschätzung der Fortschritte im Bereich der Straßenverkehrssicherheit künftig jährlich vorgenommen werden wird. Herr Gorbach erwähnte auch die Idee eines Europäischen Tages der Verkehrssicherheit sowie die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, die alle auf europäischer Ebene veranstaltet werden sollten. In all diesen Fragen kann ich dem Parlament bestätigen, dass wir mit der Präsidentschaft zusammenarbeiten werden.
Lassen Sie mich nun etwas zur Frage der Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich sagen, einschließlich der schwierigen Frage ihrer Finanzierung. Ich weiß, dass diese Frage ein Anliegen des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission ist. Nach den Ereignissen vom 11. September 2001 hatte die Kommission eine Rahmenverordnung vorgeschlagen, um gemeinsame Regeln im Bereich der Sicherheit der zivilen Luftfahrt einzuführen. Die Unterstützung des Parlaments und des Rates waren wesentlich, um diesen Gesetzgebungsprozess erfolgreich zu Ende führen zu können. Diese Verordnung war von einer interinstitutionellen Erklärung begleitet, in der unsere drei Institutionen ihre Entschlossenheit bekräftigten, die Qualität der Sicherheitssysteme der Luftfahrt in der Gemeinschaft zu stärken. Des Weiteren war es notwendig, jede interne und externe Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.
Schließlich nahmen die drei Institutionen die Absicht der Kommission zur Kenntnis, eine Studie zur Aufteilung der Finanzierung der Sicherheitsaufwendungen zwischen öffentlicher Hand und Betreibern in Auftrag zu geben. Die Kommission hat sich verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat die Ergebnisse und die in dieser Studie enthaltenen Vorschläge zur Kenntnis zu geben. Eine ähnliche Position wurde bei der Verabschiedung der Verordnung zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen im Jahr 2004 bezogen. In der Verordnung wurde anerkannt, dass die effiziente und einheitliche Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen wichtige Fragen aufwirft, die stets mit der Finanzierung in Zusammenhang stehen. Diesbezüglich sollte die Kommission ebenfalls eine Studie durchführen, um dem Europäischen Parlament Informationen zu übermitteln und eventuell vorzulegende Vorschläge zu prüfen.
Die Kommission hat bereits im Jahr 2004 ein Inspektionssystem eingeführt, das deutlich zur Stärkung der Luftverkehrssicherheit beigetragen hat. Bis heute hat die Kommission 69 Inspektionen in allen Mitgliedstaaten durchgeführt. Im Ergebnis dieser Inspektionen legte die Kommission Ende 2005 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung 2320/2002 vor, der gegenwärtig im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr beraten wird und für den Sie, Herr Costa, den Bericht erstellen. Mit diesem Vorschlag zur Überarbeitung legte die Kommission den ersten Jahresbericht über die Umsetzung der derzeit geltenden Verordnung sowie die wichtigsten Ergebnisse der Inspektionen vor.
Im Übrigen möchte ich unterstreichen, dass der durch die Rahmenverordnung von 2002 eingesetzte Regelungsausschuss beachtliche Arbeit geleistet und die Annahme von acht Durchführungsverordnungen ermöglicht hat. Die Kommission hat gleichzeitig die beiden geforderten Studien durchgeführt, die die Bedeutung der Frage der Finanzierung unterstrichen haben.
Für die Luftfahrt wurde die Studie bereits im Jahr 2004 fertig gestellt. Die Ergebnisse wurden auf der Website der Kommission veröffentlicht. Die Studie zur Finanzierung der Sicherheit des Seeverkehrs soll demnächst fertig gestellt werden. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden sie Ihnen zugeleitet.
Was die Sicherheit der zivilen Luftfahrt betrifft, zeigt die Studie, dass die innerhalb der damals aus 15 Mitgliedstaaten bestehenden Union anfallenden Kosten im Jahr 2002 zwischen 2,5 und 3,6 Milliarden Euro lagen. Dies ist ein beträchtlicher Betrag, wobei hervorzuheben ist, dass im Bereich des innergemeinschaftlichen Verkehrs die Flughafen- und Sicherheitsgebühren zusammengenommen 1 % bis 2 % der durchschnittlichen Preise der Flugtickets ausmachten.
Aus dieser Studie ging auch hervor, dass es gewisse Unterschiede in den Finanzierungsmodalitäten gibt. Große Unterschiede bestehen hinsichtlich der Rolle des Staates. Die Studie zeigte weiterhin, dass es bei den Sicherheitsgebühren an Transparenz fehlt. Hierzu muss ich dem Parlament mitteilen, dass ich beschlossen habe, morgen und übermorgen ein Treffen zwischen allen Luftverkehrsbetreibern zu organisieren. Dabei wird es im Wesentlichen um die Flughafengebühren gehen, aber sicher werden auch diese Sicherheitsprobleme und ihre Kosten zur Sprache kommen.
Was die Sicherheit des Seeverkehrs betrifft, bestätigen die ersten Ergebnisse der Studie ebenfalls, dass die Kosten beträchtlich sind, wenngleich die Ausgaben im Seeverkehr im Verhältnis zu den Gesamtkosten eher begrenzt sind. Die Europäische Union besitzt mehr als 1 200 Seehäfen und etwa 3 700 Hafenanlagen, für die die durchschnittliche Investition für Sicherheit gemäß dieser Studie über 400 000 Euro bei laufenden Kosten in Höhe von über 200 000 Euro jährlich beträgt. Für die Schiffssicherheit beläuft sich die durchschnittliche Investition auf 100 000 Euro bei laufenden Kosten von etwa 25 000 Euro jährlich.
Soweit die Fakten zu diesem komplexen Problem, dessen Bedeutung ich anerkenne, wobei ich allerdings eingestehen muss, dass man heute schwerlich sagen kann, dass sich eine für alle anwendbare Lösung finden lässt. Deshalb müssen wir gemeinsam über diese Probleme der Sicherheit und ihrer Finanzierung nachdenken, und ich freue mich auf Ihre Beiträge zu diesem Thema. Dieses Problem muss in der Zukunft zweifellos sehr konsequent angegangen werden.
Soweit, Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, meine Anmerklungen zu diesem Thema. Ich danke Ihnen sowie der österreichischen Präsidentschaft, dass Sie uns diesen Gedankenaustausch zum Thema Straßenverkehrssicherheit und Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich ermöglicht haben.
Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich teile Ihre Frage, und wir sollten im Präsidium einmal besprechen, wie wir unter Achtung aller verfassungsmäßigen Rechte der Institutionen ein vernünftiges Verfahren hinbekommen. Es kann nicht sein, dass in einer Aussprache, für die eine halbe Stunde vorgesehen ist, Rat und Kommission zusammen 25 Minuten reden. Wann sollen sie da eigentlich mit uns debattieren? Wenn die beiden Institutionen unter sich debattieren wollen, können sie das sicherlich im Rat tun.
Aber ich will auf den Kern zurückkommen. Der Kern ist nicht die Verkehrssicherheit. Herr Vizekanzler, ich bedanke mich für Ihre Ausführungen und teile diese. Der Kern ist die schlichte Frage: Wie finanzieren wir Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr? Denn dieses Problem ist mit dem Bericht Kosta aufgeworfen worden. Diese Frage müssen wir endlich einmal erörtern. Ich darf daran erinnern, dass wir uns als Parlament im Jahr 2002 einig waren, dass die durch den Terrorismus verursachten Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr durch die Mitgliedstaaten getragen werden sollten. Denn die Terrorismusabwehr ist eine öffentliche Aufgabe, somit ist auch die Finanzierung eine öffentliche Aufgabe. Wir haben uns dann, weil wir uns nicht einigen konnten, im Gesetzgebungsverfahren zur Grundverordnung im Jahr 2002 zumindest auf eine interinstitutionelle Vereinbarung verständigt, und zwar darauf, dass die Kommission einen Vorschlag über die öffentliche Finanzierung von derartigen Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr vorlegen sollte.
Herr Vizepräsident, Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, aber ich erwarte von Ihnen nicht die Vorlage von Studien, sondern die Vorlage eines klaren Berichtes mit klaren Gesetzgebungsvorschlägen. Nach vier Jahren müssten Sie in der Lage sein – zumindest könnten Sie so nett sein, vielleicht darauf einzugehen –, zu sagen, wann Sie denn nun mit einem konkreten Vorschlag kommen werden. Es geisterten Gerüchte herum: im April. Jetzt heißt es Ende des Jahres. Also, nach vier Jahren ist das nicht mehr erträglich.
Herr Ratspräsident, ich will auch von Ihnen eine klare Aussage haben: Wenn wir uns einig sind, dass die zusätzlichen Maßnahmen nach 2001 Maßnahmen zur Terrorismusabwehr waren, sind Sie dann auch der Auffassung, dass dies Maßnahmen sind, die der Staat finanzieren muss? Ja oder nein? Wir sind dieser Auffassung.
Saïd El Khadraoui, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich teile die Ansicht von Herrn Jarzembowski, dass das Thema Verkehrssicherheit eine gesonderte Aussprache verdient und wir uns bei anderer Gelegenheit noch eingehend damit befassen wollen.
Ich werde mich auf das Problem der Finanzierung der Sicherheit beschränken. Seit den Anschlägen von 11. September ist die Sicherheit im Verkehrsbereich für Europa ebenso wie für andere Länder zu einem wichtigen Anliegen geworden, und zwar aus gutem Grund. Der Hafensektor wurde unter die Lupe genommen, die Sicherheit an Flughäfen wurde durch die EU-Rechtsvorschriften völlig neu gestaltet, und an weiteren Maßnahmen wird erfreulicherweise bereits gearbeitet.
Soll jedoch eine vernünftige Sicherheitspolitik praktiziert werden, so sind nicht nur gemeinsame, selbstverständlich überall in gleicher Weise anzuwendende Sicherheitsrichtlinien zu erarbeiten, sondern wir müssen uns auch darüber verständigen, wer all dies bezahlen wird. Dazu bedarf es gemeinsamer EU-Vorschriften und mithin auch gleicher Wettbewerbsbedingungen. Es kann nicht angehen, dass in einem Mitgliedstaat die Kosten vollständig auf die Passagiere abgewälzt werden, während in einem anderen Mitgliedstaat der Staat weitgehend die Kosten trägt. Eine diesbezügliche Regelung ist umso dringlicher, als die Kosten im Zusammenhang mit neuen Sicherheitsmaßnahmen inzwischen völlig aus dem Ruder gelaufen sind und weiter steigen. So hat der Flughafen Brüssel beispielsweise den pro Passagier berechneten Sicherheitszuschlag seit 2001 verdoppelt. Mittlerweile haben wir mit der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften begonnen.
Wie schon gesagt wurde, gab es bereits 2002 zu diesem Thema eine interinstitutionelle Erklärung, in der eine baldige Lösung des Finanzierungsproblems zugesagt wurde. Die Kommission versprach, bis Ende 2005 eine Mitteilung über eine Strategie zur Behandlung dieses Problems vorzulegen. Auf diese Mitteilung warten wir heute noch. Vor einiger Zeit kursierten Gerüchte, wonach wir Ende April damit rechnen könnten, was sich indes als unzutreffend herausstellte. Den Kommissar möchte ich fragen, wann wir diese Mitteilung denn nun erwarten dürfen.
Für uns als Mitgesetzgeber ist es unter solchen Umständen nämlich schwierig, ordentliche Arbeit zu leisten. Wir diskutieren über eine Änderung der Verordnung 2320, haben aber keine Ahnung, worauf wir bei einem wichtigen Element des Dossiers zusteuern. Ich räume ein, Herr Kommissar, es ist nicht einfach, doch müssen Sie schnellstmöglich einige Vorschläge unterbreiten, damit wir eine eingehende Aussprache führen können.
Paolo Costa, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! In meiner Muttersprache steht das Wort „sicurezza“ von der Bedeutung her für die beiden englischen Begriffe „safety“ und „security“. Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass das heutige Durcheinander nicht nur auf sprachliche Gründe zurückzuführen ist.
Diese beiden Themen sind zu wichtig, um zusammen behandelt zu werden. Allerdings muss ich zugeben, dass es bei der Sicherheit im Sinne von „safety“ dem Beitrag des Europäischen Parlaments zu verdanken ist, dass grundlegende Fortschritte in Bezug auf die Lenkzeiten und den Führerschein erzielt worden sind.
Ich möchte nur eines hervorheben: Wir könnten am meisten zur Straßenverkehrssicherheit beitragen, wenn wir dafür sorgen würden, dass weniger Menschen die Straße nutzen. Wenn wir härter und schneller am dritten Eisenbahnpaket arbeiten würden, könnten wir es daher vielleicht schaffen, einen bedeutenderen Beitrag zur Sicherheit zu leisten als mit allen anderen heute erläuterten Vorschlägen zusammengenommen.
In Bezug auf die Sicherheit im Sinne des Wortes „security“ und ihre Finanzierung – ein Problem, das mich als Berichterstatter zu diesem Thema direkt betrifft – stelle ich mir jedoch die folgende Frage: Können wir fortfahren mit der Änderung der Verordnung über die Sicherheitsstandards, ohne die Frage unserer Bürger zu beantworten, wer das bezahlen soll? Das ist meines Erachtens die Kernfrage. Es ist ziemlich schwierig, mit Ja zu antworten, auch weil wir erkannt haben, dass es nur eine Sicherheit gibt und nicht 25 verschiedene Arten von Sicherheit, und dass es nicht möglich ist, dass jeder Mitgliedstaat seine eigene Sicherheit schafft.
Wenn es allerdings nur eine einzige Sicherheit gibt, kommen wir nicht umhin, standardisierte, potenziell einheitliche Maßnahmen zu erlassen und klar und deutlich aufzuzeigen, wie wir sie finanzieren wollen. Später kann es dann auch zusätzliche Maßnahmen geben, die strenger sind und nur in bestimmten Ländern gelten. Doch auch in diesem Fall müssen wir uns fragen, wie gewährleistet werden kann, dass diese eigenständigen Maßnahmen nicht negativ in die Sicherheit der anderen Staaten eingreifen und sich auf diese auswirken.
Während wir abwarten, schreitet die Entwicklung voran. Was wir heute haben, ist faktisch eine Grundsicherheit, deren Finanzierung über Tarife und Preisaufschläge auf die Tickets erfolgt und die in Abhängigkeit von dem Sicherheitsniveau, das die einzelnen Mitgliedstaaten anstreben, von diesen mehr oder weniger kofinanziert wird. Dieses System muss völlig anders geregelt werden. Ich meine, dass die Mitgliedstaaten zumindest für die weitergehenden Maßnahmen aufkommen müssten und dass unbedingt Klarheit in Bezug auf das Grundniveau der Kofinanzierung zwischen den Operator- oder besser gesagt User-Mitgliedstaaten geschaffen werden muss. Das sind die Mindestvoraussetzungen, damit wir unsere Arbeit fortführen können.
VORSITZ: SYLVIA-YVONNE KAUFMANN Vizepräsidentin
Eva Lichtenberger, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, werte Anwesende! Die heutige Debatte geht auf eine sehr gravierende Anfrage aus dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr zurück, wie es mit der Finanzierung zukünftiger und jetziger Maßnahmen im Bereich der Sicherheit im Sinne von SECURITY weitergehen soll. Darauf bezieht sich auch meine Stellungnahme. Verkehrssicherheit hätte man beim Bericht Titley auch diskutieren können.
Dies wird also jetzt diskutiert, und vor allem ist nicht nur die Finanzierung der zusätzlichen Maßnahmen in Einzelstaaten, die mehr an Sicherheit auf den Flughäfen verlangen, im Gespräch, sondern auch – und das ist gravierend – das Gesamtsystem. Hier gab es das Versprechen einer Mitteilung, die uns die Basis für diese Debatte hätte liefern sollen. Nun ist das Parlament also gefordert, Vorschläge vorzulegen. Diese wollen wir – darin sind wir uns sicher alle einig – auf der Basis eines gutes Fundaments machen.
Es geht aber nicht nur um den Flugverkehr. Die tragischen Ereignisse in Madrid haben uns dazu veranlasst, darüber nachzudenken, dass auch andere Verkehrswege und Verkehrsmittel unter derselben Herausforderung leiden. Wenn wir aber eine faire Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern wollen, müssen auch faire Spielregeln für die Finanzierung der Sicherheitsmaßnahmen vorhanden sein. Deswegen meine Frage: Wann gibt es die Studie? Ist dieser Aspekt enthalten, und können wir damit rechnen, auf der Basis dieser Studie eine gute weitere Vorgangsweise zu planen?
Reinhard Rack (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist den Menschen hier nur dann positiv vermittelbar, wenn wir mit möglichst vielen spezifischen Beispielen klar machen können, dass europäisches Handeln den Menschen einen konkreten Mehrwert bringt.
Mehr Sicherheit im Verkehrsbereich, insbesondere im Straßenverkehr, bringt hunderten Millionen europäischen Bürgern etwas: mehr Sicherheit, weniger Unfälle, weniger menschliches Leid. Die mehrmals angesprochene Halbzeitbilanz zeigt das. Sie zeigt aber auch, dass wir noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns haben.
So gesehen ist es wichtig, dass erneut Anstrengungen unternommen werden. Besonders wichtig wird es aber auch sein, dass alle Projekte und alle Maßnahmen gut organisiert werden. Der angesprochene policy mix klingt vernünftig, wird aber auch Geld kosten. In diesem Zusammenhang müssen wir Wert darauf legen, dass europäisches Geld vernünftig, zweckmäßig und sparsam eingesetzt wird. Wichtig ist freilich auch, dass diese knappen europäische Mittel letztlich bei den Menschen landen und nicht irgendwo versickern.
Ich denke dabei gar nicht einmal an Veruntreuungen, Betrugsfälle und ähnliches mehr, sondern ich denke daran, dass insbesondere im Flugverkehr die meisten europäischen Flughäfen und Flughafenbetreiber sehr viel Geld kassieren. Wenn wir jetzt, vier Jahre nachdem wir uns seinerzeit in der interinstitutionellen Vereinbarung auf öffentliche Kofinanzierung geeinigt haben, Gelder flüssig machen – das wird auch noch eine Weile dauern –, dann bin ich mir fast sicher, dass diese Gelder nicht bei den Menschen landen werden, sondern dass wir eine neue Gebühr bekommen werden, die dann wahrscheinlich in der Erstattung der anderen Gebühren aufgewogen wird. Wenn wir daher diesen Weg gehen, und öffentliche Gelder einsetzen, dann sollten wir sicherstellen, dass auch die Menschen und die Passagiere im Flugverkehr tatsächlich und konkret etwas davon haben.
Jörg Leichtfried (PSE). – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Vizekanzler, sehr geehrter Herr Kommissionsvizepräsident! Ich bin jetzt etwas verwirrt. Die Kollegin Lichtenberger hat schon ausgeführt, dass das Thema heute – so hat es der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr auch vorgesehen – Verkehrssicherheit und alles, was damit zusammenhängt, sein sollte. Jetzt höre ich dem Herrn Vizekanzler zu, und es kommt kein einziges Wort zum Thema Verkehrssicherheit! Meines Erachtens ist das kein Umgang mit diesem Haus. Zumindest ein Teil Ihrer Wortmeldung hätte sich mit diesem Thema befassen sollen. Schließlich wurde es vom Parlament so gewünscht. Es ist für mich unverständlich, warum dies nicht geschehen ist, denn ich glaube nicht, dass der 11. September unbemerkt an Ihnen vorübergegangen ist. Der einzige Grund ist vielleicht, dass der Rat an diesem Thema kein Interesse hat. Das wäre aber der falsche Zugang.
Inhaltlich teile ich selbstverständlich die Meinung der Kolleginnen und Kollegen, dass Terrorabwehr eindeutig Staatszuständigkeit ist und hier klare Verhältnisse geschaffen werden müssen. Es muss einmal geklärt werden, dass in einigen Ländern der Steuerzahler dafür aufkommt, in anderen Ländern die Fluglinien, in dritten Ländern die Flughäfen und die Flugpassagiere. Deshalb fordere ich, dass relativ bald auch seitens der Kommission endlich Maßnahmen ergriffen werden, damit wir mit diesem Thema konkret umgehen und als Gesetzgeber dafür sorgen können, dass klare Verhältnisse und keine Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich herrschen.
Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich werde mich sehr bemühen, mich kurz zu halten. Die österreichische Ratspräsidentschaft plant, schon in der nächsten Ratsarbeitsgruppe – sie findet morgen, am 6. April statt –, die Frage der Finanzierung der Sicherheitsmaßnahmen zu behandeln und vor allem auch das weitere Procedere in diesem Dossier zu diskutieren, zumal ja nun auch die Kommission angekündigt hat, ihre Studie zu dieser Thematik erst Ende 2006 vorzulegen. Auf jeden Fall ist in dieser Frage enger Kontakt zwischen Ratsvorsitz, Kommission und Parlament unabdingbar – insbesondere auch im Hinblick auf die angestrebte rasche Einigung mit dem Parlament. Ich gehe gerne auch intensiv auf alle Fragen der Finanzierung aus Sicht der Ratspräsidentschaft ein, aber das würde den Rahmen heute sprengen. Ich habe mich bemüht, über die Verkehrssicherheit – die in den letzten Wochen und Monaten im Rat ein Schwerpunkt war – zu referieren, und zwar in engem Kontakt mit der Kommission, die sich mehr auf die Finanzierung der Sicherheit etwa im Luftverkehr konzentriert hat.
Wie schwierig diese Frage der Finanzierung ist, zeigt die Tatsache, dass es auch im Europäischen Parlament unterschiedliche Auffassungen gibt, wie aus dem Bericht Costa und auch aus Ihrer Äußerung, Herr Jarzembowski, hervorgeht. Ich weiß allerdings so gut wie Sie, dass wir schon allein aus Gründen der fairen Wettbewerbsbedingungen und auch aus Transparenzgründen klare Regelungen brauchen. Ich glaube zudem, dass es sich hier in Wahrheit um Terrorbekämpfung handelt, was sehr wohl nationale Aufgabe sein muss, denn wenn ich das auf Fluggesellschaften abwälze, liegt die Verantwortung ja wieder beim Passagier, und dort gehört sie meines Erachtens nicht hin. Der Passagier hat das Recht, in irgendeiner Form ausreichend vor Bedrohungen geschützt zu werden. Deshalb lautet meine klare Haltung: All dies ist nationale Aufgabe, der wir uns auch zu stellen haben.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, Herr Gorbach, meine Damen und Herren Abgeordneten! Entgegen dem, was einer von Ihnen behauptet hat, bin ich mir sehr wohl der Bedeutung sowohl der Straßenverkehrssicherheit als auch der Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich bewusst. Wir arbeiten daran, und ich habe Ihre Redebeiträge sehr aufmerksam verfolgt.
Lasen Sie mich daran erinnern, dass die Kommission bereits in ihrer Mitteilung über die Folgen der Anschläge vom 11. September auf die Luftverkehrsbranche hervorgehoben hat, dass die Verschärfung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen durch staatliche Stellen infolge der Angriffe, die sich gegen die gesamte Gesellschaft und nicht nur gegen die am Luftverkehr Beteiligten richteten, vom Staat übernommen werden müsste. Ich glaube, bei dieser Unterscheidung, die wahrscheinlich eine der Leitlinien einer künftigen Stellungnahme der europäischen Institutionen sein wird, bin ich mir mit Herrn Costa einig.
Wie ich sagte, Frau Präsidentin, wurden Studien zur Luftverkehrssicherheit durchgeführt und die Studien zur Sicherheit des Seeverkehrs werden dem Parlament in Kürze übermittelt. Was diese Studien deutlich gemacht haben – ich habe Zahlen genannt –, ist, dass die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen hoch sein können, selbst wenn sie, gemessen an den gesamten Transportkosten, begrenzt zu sein scheinen. Aber trotz allem handelt es sich in absoluten Werten um Kosten. Und ich habe dem Parlament vorhin mitgeteilt, dass wir morgen und übermorgen bei dem Treffen der europäischen Verkehrsgesellschaften und Flugplatzbetreiber dieses Thema sicher ansprechen werden.
Es stimmt, dass das Konzept zur Finanzierung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, dass es an Transparenz fehlt und dass versucht werden muss, eventuelle Wettbewerbsverzerrungen zu bewerten und zu korrigieren.
Ich kann Ihre Ungeduld verstehen, Herr Jarzembowski, Herr El Khadhraoui und Frau Lichtenberger. Lassen Sie mich präzisieren, dass die Kommission in der Zeit bis zum Vorliegen der endgültigen Ergebnisse der Studie über die Sicherheit des Seeverkehrs einen Bericht vorbereitet, der bis zum Sommer fertig sein wird und der eine Antwort auf die interinstitutionelle Erklärung zur Verordnung zur Einführung gemeinsamer Regeln im Bereich der Sicherheit der Zivilluftfahrt sowie zur Verordnung zur Verbesserung zur Sicherheit der Schiffe und Hafenanlagen darstellen wird. Ich bestätige Ihnen hiermit, dass wir diesen Bericht bis zum Sommer fertig gestellt haben werden.
Ich hoffe, dass ich aus der heutigen Aussprache Nutzen ziehen kann, selbst wenn die Zeit nicht ausreichte, um das Thema erschöpfend zu behandeln. Ich danke dem Parlament für sein Engagement in dieser wichtigen Frage und der Präsidentschaft, dass sie es uns ermöglichte, dieses schwierige, aber wichtige Thema anzusprechen.