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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 5. April 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

14. Fragestunde mit Anfragen an den Rat
Protokoll
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0017/2006).

Wir behandeln die folgenden Anfragen an den Rat.

Erster Teil

Anfrage Nr. 1 von Boguslaw Sonik (H-0213/06)

Betrifft: Verstöße gegen das Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit in China

Der Verfasser ist in Anbetracht der Verfolgung von Christen in China zutiefst beunruhigt. Obwohl die Verfassung der Volksrepublik China das Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit garantiert, werden Christen von den kommunistischen Machthabern verfolgt, gefangen gehalten und gefoltert.

Aus Untersuchungen und Berichten zahlreicher Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass es seit 2001 zu weit verbreiteten und massiven Verfolgungen von Christen kommt. Insbesondere sind folgende Provinzen betroffen: Zhejiang, Jiangsu und Hebei. Am deutlichsten werden die Bedeutung und das Ausmaß dieses Problems durch die Tatsache veranschaulicht, dass in China schätzungsweise 70 Millionen Christen leben. Die Tolerierung dieses Vorgehens der chinesischen Machthaber und die Gleichgültigkeit darüber, dass Menschen im 21. Jahrhundert aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen Unrecht und Leid zugefügt wird, sind nicht hinnehmbar.

Welche Schritte plant der Rat zum Schutz des Grundrechts auf Gewissens- und Glaubensfreiheit in China? Wird das Problem der Verfolgungen von Christen von Vertretern der EU und China auf Ministerebene angesprochen?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Zur Frage des Abgeordneten Sonik möchte ich eingangs feststellen, dass der Rat sehr wohl die Besorgnis des Abgeordneten teilt. Das ist auch der Grund, warum der Rat schon vor einigen Jahren eine Reihe zentraler Themenbereiche umrissen hat, in denen die Europäische Union im Rahmen des Dialogprozesses Fortschritte anstrebt.

Dazu gehört insbesondere auch die ungehinderte Ausübung – sowohl in der Öffentlichkeit als auch privat – der Religions- und der Glaubensfreiheit und die Achtung der kulturellen Rechte und der religiösen Freiheit in Tibet und Xinjang. Die Religionsfreiheit stand daher bei Zusammenkünften zwischen der EU und China deutlich hervorgehoben auf der Tagesordnung, und zwar nicht nur bei Dialogsitzungen, sondern auch auf höherer Ebene.

Ich kann aus eigener Erfahrung sowohl in meiner früheren Funktion als Rechtsberater, der auch für die Menschenrechte zuständig war, als auch in meiner jetzigen Funktion bestätigen, dass diese Themen tatsächlich auf den verschiedensten Ebenen angesprochen werden.

Entsprechend dieser Schlussfolgerung des Rates hat die Europäische Union nicht nur die Verfolgung von Christen, die Einschränkung bei Hauskirchen und die Verteilung von Bibeln in Gefängnissen systematisch zur Sprache gebracht, sondern auch die Verfolgung von Buddhisten, Muslimen und Angehörigen der Bewegung Falun Gong, ein Thema, das die EU bei vielen Gelegenheiten anspricht. Wir haben auch klar zum Ausdruck gebracht, dass diese Praktiken unserer Meinung nach einen Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen Chinas darstellen.

In jüngster Zeit wurde bei den Dialogen im September 2004 und Oktober 2005 die Religionsfreiheit eingehend erörtert, und die EU-Troika hat im Rahmen des Dialogs Tibet und Xinjang besucht. Die EU hat China regelmäßig aufgerufen, den Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters und der UN-Gremien auf dem Gebiet der Religions- und der Glaubensfreiheit nachzukommen. Sie hat auch kontinuierlich konkrete Fälle angesprochen und gefordert, dass die chinesischen Behörden Berichte über Folter untersuchen und Angaben zur Verurteilung machen. Das Ergebnis dieser Gespräche war bislang, dass die EU zwar die Gelegenheit begrüßt hat, eingehende Gespräche mit einschlägigen Ministerien, Behörden usw. zu führen, aber viele ihrer Bedenken bestätigt sah, was Beschränkungen der Religionsfreiheit in China betrifft.

Im Jahre 2005 hat China den UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit offiziell eingeladen, und die EU sieht der Bestätigung eines Besuchstermins erwartungsvoll entgegen. Man muss schon feststellen, dass diese Einladung immerhin ein wesentlicher Fortschritt ist. Die Europäische Union wird sich weiterhin auf allen Ebenen für die Verwirklichung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in China einsetzen, u. a. im Rahmen des Prozesses der Ratifizierung und Durchführung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte.

 
  
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  Filip Andrzej Kaczmarek (PPE-DE), in Vertretung des Verfassers. (PL) Vielen Dank für die hilfreiche Antwort. Herr Sonik wollte jedoch auch wissen, ob der Rat mit der Antwort der chinesischen Seite zufrieden war. Das ist ja schließlich kein neues Problem. Es ist gut, dass es auf der Tagesordnung der Treffen der Troika und Hochrangiger Vertreter steht, aber Herr Sonik hatte offenbar die Hoffnung, man könnte mehr Druck auf die chinesische Seite ausüben, um die Umsetzung dieser Bestimmungen sicherzustellen.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich sage dem verehrten Abgeordneten ganz offen, dass wir niemals zufrieden sein können, solange nicht alle internationalen Verpflichtungen erfüllt sind. Daher ist immer wieder nachzufragen und auch auf Einzelfälle zu verweisen. Die Situation ist noch nicht befriedigend. Das ist auch der Grund, warum wir diese Frage auch weiterhin auf allen Ebenen ansprechen werden.

Wenn Sie fordern, mehr Druck auszuüben, dann muss ich Sie fragen, Herr Abgeordneter, welchen Druck die Europäische Union auf China ausüben soll. Politischer Druck, d. h. Fragen vorbringen und immer wieder daran erinnern? Ja! Andere Möglichkeiten, bei denen die Europäische Union nicht direkt gegenüber China auftritt, sind – und das erscheint mir wichtig – internationale Gremien, die Vereinten Nationen, bisher die Menschenrechtskommission. Das wird sicherlich auch in Zukunft ein Thema beim UN-Menschenrechtsrat sein. Ich habe schon erwähnt, dass der UN-Sonderberichterstatter hier eine besondere Rolle spielt. All das sind Ebenen und Kanäle, über die man diese Frage ansprechen kann. Endgültig zufrieden sein werden wir nur, wenn volle Glaubens- und Religionsfreiheit erzielt ist.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE).(PT) Ich habe Herrn Winklers Antwort sehr aufmerksam zugehört, aber ich möchte zu einem Punkt, den er angesprochen an, etwas sagen, nämlich dazu, dass sich diese Verfolgung nicht nur gegen die Katholiken richtet, sondern auch gegen andere Religionen.

Ich würde gern wissen, ob der Rat Kenntnis vom Falun-Gong-Bericht hat, demzufolge sich im Gebiet Sujiatun in der Provinz Liaoning ein Todeslager befindet, in dem Falun-Gong-Häftlinge hingemordet werden, und ob der Rat beabsichtigt, diesen Bericht auf schwere Menschrechtsverletzungen in China hin zu untersuchen.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich habe nie gesagt – denn das wäre auch falsch –, dass sich unsere Bemühungen nur auf Katholiken oder nur auf Christen beziehen. Die Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das sich auf alle Religionen, die sich innerhalb des demokratischen Rahmens bewegen, bezieht. Falun Gong ist ein Sonderfall, vor allem auch deswegen, weil wir wissen – und Sie haben das angesprochen –, dass hier Praktiken der Erniedrigung, auch der Folter, angewandt werden. Wir verfolgen dies selbstverständlich mit großer Sorge und sprechen dies auch immer wieder an.

Sie haben die Umerziehungslager erwähnt. Auch diese haben wir angesprochen, und zwar nicht nur in Bezug auf Religionsfreiheit, sondern allgemein. Die Umerziehungslager sind – und das ist der chinesischen Seite seit vielen Jahren bekannt – der Europäischen Union seit langem ein Dorn im Auge, weil sie den üblichen internationalen Menschenrechtsstandards sicherlich nicht entsprechen. Sie können daher versichert sein, Herr Abgeordneter, dass wir uns gerade auch gegen die Unterdrückung des Falun-Gong-Glaubens und seiner Anhänger einsetzen.

 
  
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  James Hugh Allister (NI). – (EN) Ich danke dem Ratspräsidenten. Abgesehen von Vorhaltungen, die ständig auf taube Ohren zu stoßen scheinen – kann die EU speziell im Bereich des Handels nicht etwas Tatkräftigeres unternehmen? In Handelsabkommen mit China und anderen Ländern haben wir immer Menschenrechtsklauseln, aber wir sind so zurückhaltend, wenn es um die Durchsetzung geht, dass man sie auch weglassen könnte.

Sie fragen, was wir sonst noch tun können. Ist es jetzt nicht endlich an der Zeit, energischer zu werden und Handelssanktionen in Erwägung zu ziehen, falls es notwendig wird und das einzige Mittel ist, um die Verwirklichung der Menschenrechte zu erreichen? Wozu haben wir denn die Klausel, wenn wir nicht danach handeln?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Ich stimme dem Herrn Abgeordneten nicht zu, dass unsere Appelle auf taube Ohren stoßen. Es gab und gibt Fortschritte, und unserer Meinung nach verbessern die Mittel, die wir einsetzen, die Lage.

Ich spreche ungern von Sanktionen, denn wir müssen die Mittel einsetzen, die den meisten Erfolg versprechen. Aus meiner Sicht ist der Dialog das Mittel der Wahl, denn ich bezweifle sehr, dass wir das gewünschte Ergebnis erzielen, wenn wir Handelssanktionen ins Gespräch bringen. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir machen Fortschritte. Wir sollten auf diesem Weg weitergehen, und am Ende werden wir noch mehr Fortschritte machen.

Glauben Sie mir, wir bringen diese Fragen zur Sprache, nicht nur über die österreichische Präsidentschaft, sondern über alle Mitgliedstaaten bei ihren bilateralen Kontakten, die Europäische Union als Ganzes, den Rat und im Rahmen der Vereinten Nationen. Am Ende ist dies ganz eindeutig der beste Weg für die Zukunft.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 2 von Dimitrios Papadimoulis (H-0223/06)

Betrifft: Illegal abgehörte Telefongespräche

Griechenland wird von einem Skandal um abgehörte Handy-Gespräche erschüttert. Aus Aussagen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ging hervor, dass die Gesellschaft Ericsson, die Vodafone die Software geliefert hatte, zusammen mit dieser Software auch eine nicht aktivierte Abhörsoftware installiert hatte, die möglicherweise auch von anderen Konkurrenzunternehmen an Kundenunternehmen in ganz Europa geliefert wird. Die Software, mit der abgehört wurde, hat die installierte Abhörsoftware aktiviert und könnte in jedem anderen Unternehmen in Europa, das die gleiche Betriebssoftware besitzt, eingerichtet werden.

Angesichts der Bedeutung dieser Affäre für die Sicherheit der Mitgliedstaaten und die Rechte der Bürger wird an den Rat die Frage gerichtet, in welchen Unternehmen der Mitgliedstaaten eine Software für legale Abhörmaßnahmen eingerichtet und aktiviert worden ist? Gedenkt der Rat zu prüfen, ob auch in anderen Mitgliedstaaten Telefone in ähnlicher Weise abgehört werden? Gedenkt er, es den Software-Lieferunternehmen zu untersagen, bei Mobilfunkunternehmen ohne vorherige Genehmigung der staatlichen Behörden und ohne Unterrichtung der Telefonteilnehmer eine Abhörsoftware einzurichten?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Zunächst muss ich zur Anfrage des Abgeordneten Papadimoulis feststellen, dass der Rat die zur Sprache gebrachten Vorkommnisse zu keinem Zeitpunkt erörtert hat. Ich muss auch darauf verweisen, dass die Kommission die Aufgabe hat, für die Einhaltung der Verträge und der von den Organen der Union aufgrund dieser Verträge erlassenen Bestimmungen zu sorgen. Wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein Mitgliedstaat einer Verpflichtung aus dem Gemeinschaftsrecht nicht nachgekommen ist, kann sie die Frage selbstverständlich dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen, und das tut sie auch.

Frau Präsidentin, ich könnte jetzt über die Rechtslage einiges ausführen. Ich gehe davon aus, dass der Abgeordnete diese Rechtslage sehr gut kennt, und möchte daher nicht auf jede einzelne Richtlinie eingehen, sondern nur einige erwähnen, etwa die Datenschutzrichtlinie, die Richtlinie 95/46 sowie eine Reihe von anderen Richtlinien – erwähnt sei hier eine, die Betreiber öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste verpflichtet, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit ihrer Dienste zu gewährleisten. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. Wenn diese gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden, hat die Kommission nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, und sie tut das auch.

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), Verfasser. – (EL) Frau Präsidentin! Das Ping-Pong-Spiel, das Sie mit der Kommission spielen und Ihr Hinweis, diese solle mehr tun, sind interessant.

Der Telefonabhörskandal, der mein Land erschüttert hat, ist ein Skandal, von dem auch die Telefonanschlüsse des Ministerpräsidenten sowie von Ministern und hochrangigen Offizieren der Streitkräfte betroffen waren.

Ich bin erstaunt darüber, dass seine offensichtliche europäische Dimension Sie im Rat nicht beunruhigt. Wie können Sie, Herr Minister, sicher sein, dass ihre Telefongespräche nicht auch abgehört werden?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Ich glaube an den Rechtsstaat. Es gibt eindeutige Vorschriften. Es gibt nationale und europäische Instanzen, die die Einhaltung dieser Vorschriften überwachen.

Natürlich ist niemand von uns gegen die Verletzung von Rechtsvorschriften gefeit. Aber das Wichtige ist doch, dass die zuständigen europäischen Instanzen im Falle der Verletzung von Gemeinschaftsrecht entsprechend agieren. Der Rat hat hier keine Kompetenzen. Wenn die Kommission der Meinung ist, dass die Vorschriften nicht ausreichen, dann hat sie und nur sie das Recht, die Ergänzung dieser Rechtsvorschriften vorzuschlagen.

So funktioniert die Europäische Union, und wir sind gut beraten, wenn wir es auch bei diesen Verfahren, die in den Verträgen festgelegt sind, belassen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE). (LT) Meine Frage ist eher philosophischer Art. Wenn die Gesetze so breit gefasst werden, dass Minister und Präsidenten abgehört werden können, wie dies in Litauen der Fall war, und wenn dadurch eine wirksamere Bekämpfung von Korruption, Kriminalität und Machtmissbrauch ermöglicht wird, wären Sie dann immer noch der Meinung, dass ein derartiger Weg riskant ist und dass wir stärker die Rechte der Bürger berücksichtigen müssen?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich weiß nicht, ob das eine philosophische Frage war. Ich bin kein Philosoph, ich bin Jurist. Die Frage, die Sie mir gestellt haben, würde ich so beantworten: Die Verletzung von Bürgerrechten muss immer eine Sorge von uns sein, nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret, ob es sich nun um das illegale Abhören von Telefongesprächen oder irgendetwas anderes handelt. Die Vorschriften, die wir haben – sowohl die nationalen als auch die europäischen Vorschriften –, sind dazu da, das zu verhindern. Wenn sie das nicht verhindern können, dann sind die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Das erscheint mir die logische Antwort auf Ihre Frage und auf die Frage des verehrten Abgeordneten aus Griechenland zu sein.

Soweit ich informiert bin und entsprechend dem jüngsten Kommissionsbericht aus dem vergangenen Jahr hat Griechenland übrigens noch keine Maßnahmen zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie mitgeteilt und wurde daher von der Kommission auch vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, was nur beweist, dass das System funktioniert. Auch Österreich wird immer wieder einer Vertragsverletzung bezichtigt. Wir haben Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. So funktioniert das System, und so soll es meiner Ansicht nach auch funktionieren.

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich teile mit Ihnen den Glauben an den Rechtsstaat. Aber Sie können sich doch sicher noch an die unschöne Abhöraffäre erinnern, die es im Justus-Lipsius-Gebäude gegeben hat, wo verschiedene Delegationsbüros abgehört wurden, insbesondere auch aus der jetzigen Ratspräsidentschaft. Als man herausgefunden hat, von wo diese Abhöraktion gestartet wurde, ist das Ganze im Sande verlaufen.

Hat es in dieser Angelegenheit einen Abschlussbericht gegeben, und welche Maßnahmen wurden getroffen, um dieses Gebäude abhörsicher zu machen?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, Herr Abgeordneter, dass ich es nicht weiß. Ich habe keine Antwort auf Ihre konkrete Frage, wie das seinerzeit abgeschlossen wurde, aber ich bin trotzdem der Meinung: Unrecht bleibt Unrecht. Der Umstand, dass etwas unrechtmäßig geschehen ist, soll das Rechtssystem an sich nicht in Frage stellen. Ich kann Ihnen keine konkrete Antwort auf den Vorfall geben. Er hat sich auch vor der österreichischen Präsidentschaft ereignet, so dass sich die österreichische Ratspräsidentschaft in keiner Weise gefordert gefühlt hat, hier irgendwelche konkreten Schritte zu setzen. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass entsprechende Maßnahmen getroffen wurden und werden, damit sich solche Fälle nicht wiederholen.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 3 von Panagiotis Beglitis (H-0252/06)

Betrifft: Die neue nationale Sicherheitsdoktrin der Türkei und das Protokoll über die Zollunion EU-Türkei

In einem kürzlich veröffentlichten Interview für das österreichische Nachrichtenmagazin „Profil“ hat der türkische Ministerpräsident Erdogan die Weigerung seiner Regierung bestätigt, das Zusatzprotokoll zur Zollunion zu ratifizieren, wobei er dieses Thema erneut mit der Annahme der Verordnung über den Handel mit der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft verknüpfte. Gleichzeitig hat die Tageszeitung „Huriyet“ die neue Doktrin der nationalen Sicherheit verbreitet, die nach der Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates vom Ministerrat der Türkei verabschiedet worden ist. Wie diese seriöse Zeitung schreibt, nimmt die politische Führung der Türkei es nunmehr als „Kriegsgrund“ an, wenn Griechenland sein völkerrechtlich anerkanntes Recht ausübt, seine Hoheitsgewässer in der Ägäis auf zwölf Meilen auszudehnen, wobei sie sich weiterhin der Wiedereröffnung der theologischen Fakultät von Chalki widersetzt.

Beabsichtigt der Rat angesichts der Tatsache, dass die oben genannten Standpunkte eine flagrante Verletzung der Beschlüsse der EU-Institutionen und der Verpflichtungen des Bewerberlandes Türkei darstellen, und angesichts der anhaltenden Einmischung des Militärs in das politische Leben der Türkei, den notwendigen einstimmigen Beschluss zu fassen und der Kommission den einschlägigen Auftrag zu erteilen, während der österreichischen Präsidentschaft die Beitrittsverhandlungen und die ersten Kapitel des Dossiers aufzuschlagen?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Zur Frage des Herrn Abgeordneten Beglitis kann ich zunächst sagen, dass die angesprochenen Fragen dem Rat natürlich sehr wohl bekannt sind. Die Ratifizierung und anschließende Anwendung des Protokolls zur Anpassung des Abkommens von Ankara zur Berücksichtigung des Beitritts der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten stellt auch eine Priorität dar, und zwar eine Priorität in kurzer Frist im Rahmen der im Jänner 2006 angenommenen überarbeiteten Beitrittspartnerschaft.

Außerdem haben die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten in ihrer Erklärung vom 21. September 2005 festgehalten, dass die Union beobachtet, ob das Zusatzprotokoll uneingeschränkt und ohne Diskriminierungen auf alle EU-Mitgliedstaaten angewendet wird, und im Jahr 2006 eine entsprechende Beurteilung vornehmen wird. Die Anwendung des Protokolls ist bekanntlich Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen über die einschlägigen Kapitel. Wird das Protokoll nicht im vollen Umfang umgesetzt, so wird dies zweifellos den Fortschritt der Verhandlungen insgesamt beeinträchtigen. Der Rat wird die bei diesen Fragen erzielten Fortschritte im laufenden Jahr überprüfen.

Was nun die nicht ausgeräumten Grenzstreitigkeiten anbelangt, so sei auf die entsprechenden Schlussfolgerungen verwiesen, die der Europäische Rat 1999 auf seiner Tagung in Helsinki und im Dezember 2004 auf seiner Tagung in Brüssel angenommen hat. Es kann natürlich keinen Zweifel darüber geben, dass die Türkei als beitrittswilliges Land die in den Verträgen verankerten Werte und Ziele der Europäischen Union teilen muss. Sie muss ein unzweifelhaftes Engagement für gutnachbarliche Beziehungen zeigen und ungelöste Grenzstreitigkeiten in Einklang mit dem in der Satzung der Vereinten Nationen verankerten Grundsatz der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten ausräumen.

Diese Fragen gehören zum Verhandlungsrahmen, stellen kurzfristige Prioritäten der Beitrittspartnerschaft dar und werden bei den Treffen im Rahmen des politischen Dialogs mit der Türkei systematisch zur Sprache gebracht.

Was die Wiedereröffnung der Theologischen Fakultät von Chalki betrifft, so ist dies eine Forderung, die die Union gegenüber der Türkei weiterhin mit Nachdruck erhebt. Die Religionsfreiheit, über die wir heute auch schon gesprochen haben, ist allgemein einer der Bereiche, in denen dringend weitere Fortschritte erzielt werden und nun konkrete Maßnahmen getroffen werden müssen. Der Erlass eines Gesetzes, das alle Schwierigkeiten nicht-moslemischer religiöser Minderheiten und Religionsgemeinschaften entsprechend den geltenden europäischen Standards regelt, ist eine der kurzfristigen Prioritäten der Beitrittspartnerschaft.

Ich bin erst vor zwei Tagen mit der Präsidentin des türkischen Verfassungsgerichtshofes zusammengetroffen und habe dabei diese Frage auch angesprochen. Es wurde mir versichert, dass der Verfassungsgerichtshof Maßnahmen bezüglich der Rechtspersönlichkeit und der Fähigkeit von Religionsgemeinschaften, Grundeigentum zu erwerben, getroffen hat, und dass diese Maßnahmen tatsächlich Rechtskraft erlangt haben oder erlangen werden. Jedenfalls ist das ein Thema, das wir regelmäßig ansprechen.

Vor diesem Hintergrund kann der Rat dem Abgeordneten versichern, dass wir diese Fragen im Rahmen des laufenden Reformprozesses in der Türkei auch weiterhin verfolgen und dabei den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2004, dem Verhandlungsrahmen für die Türkei und der überarbeiteten Beitrittspartnerschaft in vollem Umfang Rechnung tragen werden. Inwieweit bei den Reformen Fortschritte erzielt werden und die Türkei ihre vertraglichen Verpflichtungen einhält, wird selbstverständlich Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess haben.

Den Ergebnissen, zu denen der Rat bei seinen weiteren Beratungen über diese Fragen gelangen wird, kann jedoch beim derzeitigen Stand natürlich nicht vorgegriffen werden.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE), Verfasser. – (EL) Vielen Dank, Herr Minister, für Ihre Antwort, aber wir sollten hier ehrlich sein, denn ich fürchte, die Europäische Union sendet nach wie vor widersprüchliche Botschaften an die Türkei aus.

Auf der einen Seite sagen wir, dass die Umsetzung des Protokolls eine kurzfristige Verpflichtung seitens der Türkei ist, das heißt, dass sie ihr in den nächsten ein oder zwei Jahren nachkommen muss. Auf der anderen Seite sagen wir, dass die Umsetzung des Protokolls eine Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen über die einschlägigen Kapitel der Zollunion darstellt.

Ich frage Sie, Herr Minister: Wenn die Türkei bereit bzw. willens ist, das Kapitel der Verhandlungen über die Zollunion in fünf Jahren aufzuschlagen, was wird die Europäische Union dann tun? Werden wir ihr einen Fluchtweg einräumen?

Außerdem haben Sie meine Frage zur Rolle der Armee im politischen Leben der Türkei nicht beantwortet. Das ist ein politisches Kriterium, und wir sehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass die Armee nach wie vor eine führende Rolle im politischen System der Türkei einnimmt.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich stimme nicht damit überein, dass wir als Rat der Europäischen Union widersprüchliche Signale senden. Es gibt ein klares Verfahren, das seinen Fortschritt nimmt. Es wird alles zu gegebener Zeit geprüft, und die jeweiligen Punkte sind nach der Vorgabe zu erfüllen.

Im Übrigen berät der Rat fortlaufend und muss zu einem Schluss kommen. Dabei gibt es nicht immer Einstimmigkeit. Aber nur dann, wenn es einheitliche Meinungen gibt, gehen die Signale nach draußen. Ich glaube sehr wohl, dass der Rat betreffend den Fortgang der Verhandlungen und die Einforderungen der Verpflichtungen – wie ich sehr deutlich gesagt habe, handelt es sich um Verpflichtungen, die einzuhalten sind – konsequent und logisch vorgeht, und er wird dies auch weiterhin tun.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte Sie fragen, welchen Standpunkt der Ratsvorsitz gegenüber den von der Türkei geäußerten Beschwerden und ihren Bestrebungen, die Vollendung der Zollunion im Zusammenhang mit dem Zypern-Problem zu verhandeln, vertritt? Haben Sie eine eindeutige Antwort gegeben?

Und was die Fakultät von Chalki betrifft, wie lange soll sie noch warten und sich in Geduld üben?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Es geht nicht darum, ob wir mit einer Antwort zufrieden oder unzufrieden sind. Es geht darum, ob Verpflichtungen erfüllt werden. Diese Verpflichtungen müssen erfüllt werden. Wie ich schon in meiner Antwort zur ursprünglichen Frage gesagt habe, wird der Verhandlungsfortschritt sehr wohl davon abhängen, inwieweit diese Verpflichtungen erfüllt wurden, und nicht davon, welcher Art die Erklärungen sind. Ob eine Verpflichtung erfüllt wurde oder nicht, hängt nicht von der gegebenen Antwort ab.

Was die Frage der Fakultät von Chalki betrifft, so ist das eine Forderung, die wir regelmäßig erheben. Auch diese Frage beeinflusst natürlich den Fortgang der Verhandlungen, nämlich dann, wenn es um Grund- und Freiheitsrechte geht, die in einem eigenen Kapitel behandelt werden.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 4 von Paulo Casaca (H-0254/06)

Betrifft: Verfolgung des Menschenrechtlers Dr. Muhammad Mugraby

Am 20. März begann im Militärgericht Libanons die Verhandlung des vom Militärstaatsanwalt angestrengten Prozesses gegen den Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivisten Dr. Muhammad Mugraby wegen dessen Erklärungen vom 4. November 2003 im Europäischen Parlament.

Nach Angaben des früheren Kommissionsmitglieds Chris Patten und der im Europäischen Parlament zuständigen Personen waren die Informationen von Dr. Muhammad Mugraby wichtig, zweckdienlich und keineswegs verleumderisch.

Am selben Tag empfing der Rat den Ministerpräsidenten Libanons, um Fragen zu erörtern, die mit dem Kooperationsabkommen zwischen der EU und Libanon zusammenhingen.

Kann der Rat bestätigen, dass er bei diesem Treffen bekräftigt hat, dass dieses Gerichtsverfahren zu der in dem Abkommen enthaltenen Klausel über die Achtung der Menschenrechte im Widerspruch steht? Welche Garantien kann der Rat geben, dass die Verfolgung dieses Juristen und Vorkämpfers für die Menschenrechte im Libanon eingestellt wird?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Zu dieser Frage kann ich zunächst sagen, dass der Fall von Mohammed Mughrabi während des Treffens der Außenminister mit dem libanesischen Ministerpräsidenten, Fuad Siniora, das im Rahmen der Tagung des Rates am 20. März stattgefunden hat – ich war bei diesem Treffen persönlich anwesend –, nicht angesprochen wurde.

Der – übrigens sehr kurze – Besuch von Herrn Siniora in Brüssel bot eine Gelegenheit, das Eintreten der Europäischen Union für die Unabhängigkeit, Souveränität und Demokratie des Libanon zu einem wichtigen Zeitpunkt in der Geschichte dieses Landes hervorzuheben. Dieses Treffen in einem Gesamtrahmen aller Außenminister war nicht die geeignete Gelegenheit, um den Fall von Doktor Mughrabi anzusprechen.

Das heißt aber nicht, dass der Rat den Fall von Doktor Mughrabi nicht genau verfolgt. Er hat ihn gegenüber der libanesischen Regierung bereits bei mehreren Gelegenheiten angesprochen, u. a. am 22. Dezember in Form einer Demarche bei den libanesischen Behörden, um der Sorge der Europäischen Union hinsichtlich der gegen Herrn Mughrabi erhobenen Vorwürfe Ausdruck zu verleihen.

Ich drücke hier sehr deutlich auch die Überzeugung des Rates aus, dass es nicht hingenommen werden kann, dass eine Person verfolgt wird, weil sie friedlich von ihrem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat, und das noch dazu vor einer Institution der Europäischen Union wie dem Europäischen Parlament. Wir werden daher diesen Fall auch weiterhin intensiv verfolgen.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE), Verfasser. – (PT) Ich bin zutiefst bestürzt, dass dies während des Treffens mit dem Ministerpräsidenten nicht angesprochen wurde, und würde den Rat gern fragen, ob er diesen Prozess vor dem Militärgericht von Beirut für antieuropäisch hält? Die gegen Dr. Mugraby vorgebrachte Anschuldigung, er habe auf eine Frage geantwortet, die ihm vom Europäischen Parlament gestellt worden war, untergräbt die Arbeit der Organe und unsere Möglichkeiten, Menschen Fragen zu stellen, die bereit sind, mit uns zu arbeiten. Deshalb möchte ich den Rat fragen, ob er dies denn nicht als ernst genug ansieht, um die Menschenrechtsklauseln anzuwenden, die ja Teil der Abkommen mit dem Libanon sind.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich bin durchaus der Meinung, dass das ein schwerwiegender Fall ist. Wenn dieser Fall bei einem relativ kurzen Treffen wie einem Mittagessen angesprochen wurde, so kann man daraus nicht schließen, dass wir diesen Fall nicht ernst nehmen. Wie Sie wissen, steht die Europäische Union vor der Aufnahme von Verhandlungen mit der libanesischen Regierung über einen Aktionsplan im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, in dem wir selbstverständlich – wie es bei solchen Aktionsplänen üblich ist – Menschenrechte und Demokratie als Hauptprioritäten ansprechen werden.

In diesem Aktionsplan soll im Übrigen auch die Notwendigkeit angesprochen werden, ein unabhängiges und unparteiisches Justizwesen aufzubauen. Er wird ein nützliches Instrument sein, um die Regierung bei der Inangriffnahme wichtiger und notwendiger Reformen in diesen Bereichen zu unterstützen.

Sie haben das Assoziationsabkommen erwähnt, das am 1. April in Kraft getreten ist, womit nunmehr ein neues zusätzliches Instrument zur Verfügung steht, um den Menschenrechtsdialog mit der Regierung Libanons auszubauen und zu intensivieren.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Ich möchte meinem Kollegen, Herrn Casaca, zu seiner Frage gratulieren, doch gleichzeitig hinzufügen, dass im Verlaufe des letzten Jahres zahlreiche renommierte Journalisten und eine Reihe namhafter Intellektueller, allesamt Vorkämpfer der Linken im Libanon, ermordet wurden.

Es geht hier nicht nur darum, dass wir jetzt als Europäische Union die Zusammenarbeit mit dem Libanon beginnen. Es geht hier nicht nur um die Umsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu Syrien.

Meiner Ansicht nach sollten der Rat und der Ratsvorsitz im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte Druck auf den Libanon und die neue libanesische Regierung ausüben, und ich bin der Meinung, der Ratsvorsitz sollte in dieser Sache eine Stellungnahme abgeben.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Diese Frage kann ich ganz kurz beantworten. Ich stimme völlig mit dem Abgeordneten überein. Es geht nicht nur – es geht auch – um die Frage der Erfüllung von Verpflichtungen im Rahmen der Initiativen und Aktivitäten gegenüber Syrien, wie wir sie innerhalb der Vereinten Nationen kennen. Es geht für die Europäische Union ganz konkret um die Umsetzung von Verpflichtungen im Rahmen der Menschenrechte. Das wird angesprochen, das nehmen wir ernst. Wir haben nunmehr das entsprechende Instrumentarium, um diese Fragen mit allem Ernst und allem Nachdruck ansprechen zu können, und das werden wir auch tun.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 5 von Georgios Toussas (H-0259/06)

Betrifft: Verletzung der Menschenrechte in Guantanamo-Bay

In einem Schreiben an die US-Regierung verurteilten 400 Intellektuelle, darunter sieben Nobelpreisträger, die massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen, die unter dem Vorwand der „Bekämpfung des Terrorismus“ begangen werden. Sie fordern insbesondere die Schließung der Militärbasis von Guantanamo-Bay und anderer Haftanstalten, in denen Personen willkürlich festgehalten werden, sowie die Beendigung der Entführungen und Folter unter Mitwisserschaft von Regierungen von EU-Mitgliedstaaten und anderer Staaten, die geheime Haftanstalten und Flüge der CIA auf ihrem Staatsgebiet zugelassen haben.

Verurteilt der Rat den Versuch der USA, zu verhindern, dass diese Angelegenheit, die massive Verletzungen der menschlichen Würde betrifft, vor den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gebracht wird? Schließt er sich der Forderung an, dass die Militärbasis von Guantanamo-Bay geschlossen werden muss?

Zweiter Teil

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Ich darf vielleicht zuerst damit beginnen – auch weil mir das ein sehr persönliches Anliegen ist –, dass der Rat beständig für die unbedingte Wahrung aller internationalen Standards der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts im Kontext – und gerade im Kontext – mit der Bekämpfung des Terrorismus eintritt. Das hat der Rat auch in Rechtsakten und Programmen wie z. B. dem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und der EU-Strategie gegen den Terrorismus vom 1. Dezember 2005 zum Ausdruck gebracht.

Die Außenminister haben die Frage des Lagers in Guantánamo während ihres Abendessens parallel zum Europäischen Rat am 22./23. März in Brüssel erörtert und unter anderem festgestellt, dass Guantánamo ein Grund zu ernster Besorgnis bleibt. Sie haben zur Kenntnis genommen, dass die Regierungschefs einiger enger Verbündeter der USA die Schließung Guantánamos gefordert haben und dass diese Aufforderungen richtig waren und zur rechten Zeit kamen. Einige EU-Minister haben auch darauf verwiesen, dass sie ihre Besorgnis bereits anlässlich von Treffen mit der US-Außenministerin in Brüssel geäußert hatten. Ich darf auch darauf verweisen, dass die Ratspräsidentin, Außenministerin Plassnik, am 22. März öffentlich erklärt hat, dass die Forderung, Guantánamo zu schließen, bereits mehrfach von EU-Mitgliedstaaten und Verbündeten der Vereinigten Staaten erhoben wurde. Sie hat weiter gesagt: „Diese Aussagen waren gut und wichtig, aber nicht genügend.“

Vom Grundsatz ausgehend, dass niemand im rechtsfreien Raum stehen kann, führt die EU seit geraumer Zeit einen gezielten juristischen Dialog mit den Vereinigten Staaten, der auf die Anwendung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus ausgerichtet ist. Wir gehen davon aus – und ich zitiere weiter –, „dass Guantánamo bald der Vergangenheit angehört“. Dies wurde im Zusammenhang mit der Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, dass es notwendig ist, den Terrorismus glaubwürdig und menschenrechtskonform zu bekämpfen und darauf auch – gerade als Europäische Union, die Offerten aufbaut – zu bestehen.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL), in Vertretung des Verfassers. – (EL) Herr Ratspräsident! Manchmal reden Sie klar und deutlich, wie heute Morgen, als Sie im Namen der Verletzung der Menschenrechte – wie Sie sagten – davon sprachen, Maßnahmen gegen Belarus zu ergreifen, und manchmal sprechen Sie in Rätseln.

Wir haben zwei direkte Fragen an Sie:

Erste Frage: Bemühen sich die Vereinigten Staaten von Amerika darum zu verhindern, dass die Frage der Schließung von Guantanamo vor dem UN-Menschenrechtsrat erörtert wird? Stimmen Sie zu, dass diese Frage behandelt werden sollte oder sind Sie anderer Ansicht?

Zweite Frage, bei der ich Sie um eine klare Antwort bitte, da Sie mir nur indirekt geantwortet haben: Sind Sie jetzt ebenfalls der Meinung, dass die Militärbasis von Guantanamo geschlossen werden muss, und, falls Sie dem zustimmen, welche Maßnahmen werden Sie, als Rat, gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika ergreifen, um diese davon zu überzeugen, den Stützpunkt von Guantanamo zu schließen?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. Ich möchte doch in aller Deutlichkeit feststellen, dass wir im Rat keineswegs mit zweierlei Maß messen. Menschenrechtsverletzungen werden angesprochen, wenn es sie gibt. Die Frage der Vereinbarkeit Guantánamos mit den einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Rechts wurde gegenüber den Vereinigten Staaten angesprochen. Ich habe auch das zitiert, was die Ratsvorsitzende gesagt hat, als sie der Hoffnung Ausdruck gab, dass Guantánamo bald der Vergangenheit angehören wird.

Wir haben als Rat der Europäischen Union auch die Bemühungen des UN-Sonderberichterstatters gegen Folter, Herrn Novak, zur Bekämpfung von willkürlichen Verhaftungen und unmenschlicher Behandlung unterstützt. Wir bringen diese Frage sehr wohl gegenüber Vertretern der Vereinigten Staaten vor, einschließlich und beginnend mit dem Präsidenten, sowie auch gegenüber der Außenministerin. Es trifft keineswegs zu, dass wir versuchen, dieses Thema vom Tisch zu wischen.

 
  
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  Elizabeth Lynne (ALDE). – (EN) In der vergangenen Woche hat der Oberste Gerichtshof der USA zur Prüfung der Angelegenheit ein Verfahren gegen die Tätigkeit der Militärgerichte eingeleitet. Natürlich verstoßen sie gegen internationale Standards für einen fairen Prozess, sind nicht unabhängig von der Exekutive, und der Verteidigung werden Beweise vorenthalten. Sie lassen Aussagen unter Folter zu, und es gibt keine unabhängigen Rechtsmittelverfahren.

Kann der Herr Ratspräsident kategorisch feststellen, dass der Rat diese Militärgerichte ablehnt? Ich bitte erneut darum, dass Sie die Frage, ob Sie bei der US-amerikanischen Regierung die Schließung von Guantánamo Bay fordern werden, ganz konkret beantworten. Das ist die Antwort, die wir brauchen.

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) Zunächst einmal können und sollten wir nicht das nationale Justizsystem kommentieren, wenn im Land Rechtsbehelfe zur Regelung dieser Frage verfügbar sind. Sie erwähnten den Obersten Gerichtshof. Der Oberste Gerichtshof und andere Gerichte in den Vereinigten Staaten haben sich wiederholt mit der Frage der Rechtmäßigkeit einer Reihe von Dingen befasst, die in Verbindung mit dem Lager vorgefallen sind. Ich glaube, das Rechtssystem der Vereinigten Staaten ist recht gut gerüstet, um dieses Thema zu behandeln.

Ich sage mit Entschiedenheit, dass wir hoffen, dass das Lager in Guantánamo bald der Vergangenheit angehört.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Gibt es viele oder überhaupt Mitgliedstaaten, die im Rat sagen würden, dass sie gegen eine härtere Verurteilung des Lagers von Guantánamo sind? Welche Mitgliedstaaten sind dagegen, dass konkretere Maßnahmen in dieser Angelegenheit getroffen werden?

 
  
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  Hans Winkler, amtierender Ratspräsident. (EN) In den Gesprächen, die beim Abendessen der Außenminister anlässlich des Europäischen Rates stattfanden, war niemand gegen irgendetwas. Es war recht deutlich, dass hier alle einer Meinung sind. Deshalb steht nicht die Frage, ob jemand gegen etwas ist, weil das, was ich gesagt habe, eindeutig der Standpunkt aller Mitgliedstaaten ist.

 
  
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  Die Präsidentin. – Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:

Anfrage Nr. 6 von Robert Evans (H-0015/06)

Betrifft: Ausgleichsleistungen für Fluggäste

Kann der Rat unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betreffend Ausgleichsleistungen für Fluggäste vom 10. Januar 2006 mitteilen, was er tun wird um sicherzustellen, dass den Verbrauchern tatsächlich der in dieser Rechtsvorschrift vorgesehene Schutz zugute kommt und sie ihre Rechte ausüben können?

Anfrage Nr. 7 von Eoin Ryan (H-0228/06)

Betrifft: Rechte von Flugreisenden

Kann der Rat angeben, ob er die Absicht hat, neue Maßnahmen zur Stärkung der Rechte von Passagieren vorzuschlagen, die mit europäischen Fluggesellschaften reisen?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Bezüglich dieser Fragen, insbesondere aber bezüglich der Anfrage von Herrn Evans, kann der Rat bestätigen, dass er das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Jänner 2006 in der Rechtssache International Air Transport Association, European Low Fares Airline Association gegen Department for Transport zur Kenntnis genommen hat. Der Rat begrüßt es, dass der Gerichtshof zu dem Schluss gekommen ist, dass die Prüfung der vom nationalen Richter zur Vorentscheidung vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was der Gültigkeit der Artikel 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen zur Aufhebung der Verordnung entgegenstünde.

Es darf auch daran erinnert werden, dass die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates den Fluggästen im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder Verspätung von Flügen bestimmte Rechte einräumt. Gemäß Artikel 16 „Verstöße“ der Verordnung benennt jeder Mitgliedstaat eine Stelle, die für die Durchsetzung dieser Verordnung auf seinem Hoheitsgebiet zuständig ist. Gegebenenfalls ergreift diese Stelle die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Fluggastrechte gewahrt werden.

Es gibt ja auch die Regelung, dass Fluggäste bei einer so benannten Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben können, und schließlich schreibt der Artikel 16 Absatz 3 vor, dass die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Verordnung festzulegenden Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

Es obliegt also demnach in erster Linie den Mitgliedstaaten und den mit der Durchsetzung beauftragten nationalen Stellen, dafür zu sorgen, dass Fluggäste auch auf der Grundlage der von ihnen erhobenen Beschwerden tatsächlich in den Genuss der ihnen mit der Verordnung eingeräumten Rechte kommen.

(Die Präsidentin unterbricht den Redner.)

Des Weiteren ist es nach Artikel 211 des EG-Vertrages Aufgabe der Kommission, für die tatsächliche Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Sorge zu tragen. Die Anwendung der Verordnung wird vom Rat aufmerksam beobachtet. Dieser wird insbesondere den Bericht über die Anwendung und die Ergebnisse dieser Verordnung, den die Kommission nach Artikel 17 der Verordnung bis zum 1. Jänner 2007 vorlegen muss, sorgfältig prüfen.

Speziell im Zusammenhang mit der Frage von Herrn Ryan erinnert der Rat daran, dass er im Jahr 2004 im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens zusammen mit dem Europäischen Parlament die oben genannte Verordnung über Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung erlassen hat.

Ich möchte auch erwähnen, dass in Kürze der Rat ebenfalls im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens zusammen mit dem Parlament eine Verordnung über die Rechte von Flugreisenden mit Behinderungen und mit eingeschränkter Mobilität annehmen wird.

Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission das Initiativrecht für Vorschläge für Rechtsetzungsakte hat, die die Stärkung der Rechte von Flugreisenden betreffen, und dass keine neuen Vorschläge vorgelegt worden sind. Dementsprechend beabsichtigt der Rat nicht, in naher Zukunft weitere Rechtsetzungsakte in diesem Bereich anzunehmen.

 
  
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  Robert Evans (PSE), Verfasser. (EN) Mit dem größten Respekt vor dem Ratspräsidenten muss ich sagen, dass die Antwort sehr unzureichend war, denn er hat doch nur die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wiederholt, die mir gut bekannt ist.

Diese Entscheidung liegt vor, und dennoch umgehen Fluggesellschaften Zahlungen. Ich habe eine Akte voller Fälle zu Fluggesellschaften, die keine Ausgleichsleistungen zahlen, auf die die Menschen eindeutig Anspruch haben. Sie haben gesagt, der Rat schaue da genau hin, aber das hilft nicht. Wie ich in der Anfrage formuliert habe: Was tut der Rat bzw. gedenkt er zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Entscheidung durchgesetzt wird und dass den Verbrauchern geholfen wird und sie die Rechte erhalten, die ihnen eindeutig zustehen, wie die Entscheidung des EuGH belegt?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Ich darf noch einmal darauf verweisen, dass das Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist. Der Rat kann nur im Zuge der Ratssitzungen darauf hinweisen, dass diese Bestimmungen, die ja eindeutig und klar sind, gut beobachtet werden sollen und dass auf deren Einhaltung gepocht werden soll. Mehr können wir nicht tun, und ich bitte Sie da um Verständnis, aber das werden wir auch tun, weil die Rechtslage klar ist. Im konkreten Fall ist einfach das jeweilige Mitgliedsland dafür zuständig und soll seine Zuständigkeit auch wahrnehmen.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, sehr geehrter Minister Gorbach, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle kennen – wir sind ja alle Vielflieger – die Situation auf den Flugplätzen, wo Beschwerden teilweise nur an den Papierkorb weitergeleitet werden, aber die Konsumenten oft vor dem Problem stehen, wie sie sich durchsetzen können. Wäre es möglich, dass man hier eine Schiedsstelle oder einen Ombudsmann einrichtet, der sich derartiger Beschwerden sachgerecht annehmen könnte?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Wenn sich solche Fälle häufen, wäre dies sicherlich eine Möglichkeit, diese Angelegenheit einer aus Sicht der Passagiere bzw. Konsumenten befriedigenden Lösung zuzuführen. Aber ich mache darauf aufmerksam, Herr Abgeordneter, dass auch dies Sache des jeweiligen Mitgliedstaates ist. Ich kann Ihnen nur versprechen, dies im Rat diskutieren zu lassen und auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen, falls derartige Beschwerden ein solches Ausmaß annehmen, dass Handlungsbedarf besteht.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Ratspräsident, ich möchte in ähnlicher Weise wie Kollege Rübig auf etwas hinweisen, was jedem von uns nahezu jeden Tag passiert. Auf einem großen europäischen Flughafen, in Frankfurt, wird einem auf Anfrage ein Merkblatt ausgehändigt, das die Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments erklärt. Wenn Sie diesen Text, der insgesamt etwa 10 oder 15 zu drei Vierteln bedruckten DIN-A4-Seiten umfasst, sorgfältig durchlesen, stellen Sie fest, dass Sie keine Rechte haben.

Ist der Rat bereit und willens, gemeinsam mit dem Parlament an die Kommission heranzutreten und sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie eigentlich für die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften zu sorgen hat?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Die Einhaltung der Rechte von Passagieren ist mir sehr wichtig, und die Zusammenarbeit mit dem Parlament auch. Deshalb beantworte ich Ihre Frage mit einem eindeutigen Ja.

 
  
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  Elizabeth Lynne (ALDE). – (EN) Ich freue mich, dass mein Vorredner Informationen erhalten hat. Als mein Flug am Sonntagabend auf dem Flughafen Gatwick von Air France gestrichen wurde, gab es für uns keinerlei Hinweise, keinerlei Rechte. Soweit ich weiß, ist das eine Frage, die von den Mitgliedstaaten zu klären ist, aber können Sie bitte Ihre guten Verbindungen nutzen und versuchen, die Mitgliedstaaten zu bitten, dass sie sich um die Einhaltung dieser Vorschrift kümmern? Im Moment ist das nicht der Fall. Wenn die Fluggäste nicht einmal Informationen über Ausgleichsleistungen erhalten, was sollen sie dann machen?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Geschätzte Frau Abgeordnete, ich kann nur wiederholen, was ich vorher in der Beantwortung dieser Zusatzfrage schon gesagt habe, nämlich dass ich natürlich bereit bin und – um Ihre Formulierung zu verwenden – die guten Dienste gerne zur Verfügung stelle, um die Mitgliedstaaten aufmerksam zu machen, dass diese Dinge ernst genommen werden müssen und wichtig sind. Ich werde diese Angelegenheit im Rat besprechen.

 
  
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  Die Präsidentin. Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:

Anfrage Nr. 8 von Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (H-0051/06)

Betrifft: Finanzierung der Transeuropäischen Verkehrsnetze

Mit der auf der Tagung des Europäischen Rates vom Dezember 2005 erreichten Einigung zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 hat die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen 20 Mrd. Euro für die Finanzierung der Transeuropäischen Verkehrsnetze auf 7 Mrd. Euro gekürzt.

Glaubt der Rat angesichts der Bedeutung der Transeuropäischen Netze für die Lissabon-Strategie und das Funktionieren des Binnenmarkts, dass mit dem Betrag von 7 Mrd. Euro die 30 prioritären Vorhaben, die für die nahe Zukunft geplant sind, verwirklicht werden können? Teilt er die Auffassung, dass sich diese starke Kürzung um zwei Drittel der ursprünglichen Mittelansätze hemmend auf den Verkehrssektor im weiteren Sinn auswirken wird, vor allem da einige dieser Vorhaben ohnehin Probleme bei der Durchführung aufweisen? Wie gedenkt er dieses Thema im laufenden Halbjahr anzugehen? Beabsichtigt er, die Lösung des Problems in der Überprüfung und/oder dem Aufschub einiger prioritärer Programme zu suchen?

Anfrage Nr. 9 von Bernd Posselt (H-0209/06)

Betrifft: Euromagistrale und Brenner-Basistunnel

Wie beurteilt die Ratspräsidentschaft Entwicklungschancen und Zeitplan der Schnellbahnverbindung „Magistrale für Europa” von Paris über Straßburg nach Budapest, einschließlich ihrer wichtigsten Abzweigung von München durch den Brenner-Basistunnel nach Rom, insbesondere auch, was den deutschen und österreichischen Teil der beiden Streckenführungen betrifft?

Anfrage Nr. 10 von Stanislaw Jalowiecki (H-0237/06)

Betrifft: Realisierung der TEN-V-Vorhaben

Die Ziele der Lissabon-Strategie können ohne effiziente Verkehrsnetze in Europa nicht verwirklicht werden. Der Europäische Rat von Essen 1994, die Entscheidungen der Kommission 1692/96/EG(1) sowie 884/2004/EG(2) und der Bericht der Hochrangigen Gruppe unter demVorsitz von Karel Van Miert haben gemeinschaftliche TEN-V-Leitlinien festgelegt und 30 vorrangige Vorhaben herausgearbeitet.

Der Verfasser zeigt sich besorgt über die Tatsache, dass im Vorschlag der Kommission, die für die Ernennung der Koordinatoren für die 6 der 30 Vorhaben des transeuropäischen Verkehrsnetzes zuständig ist, ein für die sozioökonomische Entwicklung Mitteleuropas strategisch wichtiges Vorhaben, die Achse Nr. 23: Danzig-Warschau-Brno/Bratislava-Wien, nicht berücksichtigt wurde.

Wird beim österreichischen Ratsvorsitz dem Vorhaben, das eine Verbindung der baltischen Staaten mit Mitteleuropa vorsieht, vorrangige Bedeutung beigemessen? Wie weit ist die Umsetzung dieses Vorhabens fortgeschritten und auf welche Weise wird es finanziert?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin! Auf die Fragen zu den TEN, den Transeuropäischen Netzen, darf ich wie folgt antworten:

Was die Finanzierungsforderung betrifft, ist nach der Einigung auf dem Europäischen Rat im Dezember festzustellen, dass die Kommission beginnt, die Möglichkeiten für Gemeinschaftszuschüsse in dem neuen Rahmen zu bewerten. Wenn diese Bewertung abgeschlossen ist, wird der Rat umgehend seine Beratungen wieder aufnehmen, damit so bald wie möglich Einvernehmen über die endgültige Aufnahme des Vorschlags noch vor Jahresende erzielt werden kann.

Zum Bereich Verkehr im Allgemeinen: Es muss betont werden, dass mit den Gemeinschaftszuschüssen im Bereich der transeuropäischen Verkehrsnetze Vorhaben kofinanziert werden sollen, die in den Mitgliedstaaten oft im Rahmen einer Zusammenarbeit nationaler, öffentlicher und auch privater Stellen durchgeführt werden. Die Gemeinschaftszuschüsse können gewissermaßen eine Hebelwirkung für die Finanzierung durch öffentliche und private Stellen auf nationaler Ebene entfalten und die Koordinierung verschiedener einzelstaatlicher Maßnahmen insbesondere in grenzüberschreitenden Abschnitten fördern. Für die Durchführung der Vorhaben sind jedoch nach wie vor die betreffenden Mitgliedstaaten und natürlich auch die daran beteiligten Akteure zuständig.

Wenn sich die Durchführung eines Vorhabens von gemeinsamem Interesse erheblich verzögert, so kann die Kommission gemäß der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes die betreffenden Mitgliedstaaten konsultieren und unter gebührender Berücksichtigung der Zuständigkeitsverteilung geeignete Maßnahmen beschließen. Was eine Überprüfung der in der Entscheidung enthaltenen Liste von prioritären Vorhaben anbelangt, so kann die Kommission aufgrund ihres Initiativrechts im Rahmen des von ihr alle zwei Jahre vorzulegenden Berichts über die Durchführung der Leitlinien Legislativvorschläge vorlegen.

Zur Dotierung der TEN-Haushaltslinie in der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 möchte ich generell, was die Finanzierung von TEN-Vorhaben aus Mitteln für die Transeuropäischen Netze in diesem Zeitraum betrifft, darauf hinweisen, dass ich mich ja bereits bei meinem Präsidentschaftstermin im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments am 25. Januar dafür eingesetzt habe, dass die Mittel für die Transeuropäischen Netze in der Finanziellen Vorausschau möglichst noch höher dotiert sind. Ich habe dementsprechend auch Entscheidungsträger und Verhandler auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass man auf europäischer Ebene nicht Wachstumsstrategien und die Schaffung von Beschäftigung ankündigen und gleichzeitig die Mobilität sowie die Nachhaltigkeit außer Acht lassen kann, wofür der Ausbau der Transeuropäischen Netze jedoch eine wesentliche Voraussetzung ist. Ich habe positiv zur Kenntnis genommen, dass es gestern in den Trilog-Gesprächen zu einem Kompromiss gekommen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausnützung aller möglichen Spielräume nun doch die Kürzung der TEN-Mittel im Zeitraum 2007-2013 zumindest abmildern wird. Als Vorsitzender des Rates Verkehr, Telekommunikation, Energie habe ich selbst stets auf die Bedeutung der Realisierung der festgelegten prioritären TEN-Vorhaben hingewiesen und – wie bereits erwähnt – auch die Verantwortlichen in diesen Verhandlungen entsprechend darauf aufmerksam gemacht und Druck gemacht, soweit das möglich und zielführend war.

Ich freue mich über die – vorläufige – Einigung und hoffe, wie gesagt, dass wir zumindest die wichtigsten Vorhaben in diesem Sinne jetzt angehen können.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE), Verfasserin. – (EL) Frau Präsidentin! Vielen Dank für die Informationen, die Sie uns sowohl heute als auch im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments gegeben haben.

Meine Frage ist eindeutig: Können diese Ziele in Anbetracht der Notwendigkeit, die transeuropäischen Netze zu entwickeln und den Binnenmarkt in Bezug auf die Mobilität und auf alles, das Sie angesprochen haben, zu vollenden, mit 7 Milliarden Euro erreicht werden?

Wenn die Ziele so wichtig sind und eine solche Geldknappheit herrscht, was gedenkt der Rat, neben der dringenden Bitte um Zusammenarbeit des öffentlichen und des privaten Sektors, vorzuschlagen, damit wir diese Kluft überbrücken können?

Und was darüber hinaus die Aufstockung in Höhe von etwa 500 Millionen Euro betrifft, welcher Anteil entfällt dort auf den Energie- und welcher Anteil auf den Verkehrssektor?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Insgesamt sind 7,3 Milliarden Euro für Verkehr vorgesehen. Sie haben sehr richtig erwähnt, dass wir zur Realisierung der prioritären Transeuropäischen Netze auch innovative Finanzierungsmodelle umsetzen und nicht nur andenken müssen. Ich denke dabei an die Beteiligung von privaten Financiers und Investoren. Anders wird das nicht gehen. Darüber hinaus wird man zweifelsohne Prioritäten setzen müssen und nach einigen Jahren feststellen können, dass jene Projekte, die am raschesten baureif sind, wahrscheinlich auch die besten Realisierungsmöglichkeiten haben. Deshalb wird es übergeordnete Aufgabe der entsprechend Verantwortlichen in den Räten sein, dafür Sorge zu tragen, dass die für die Beschäftigung und die Wirtschaftsentwicklung als wichtig erkannten prioritären Transeuropäischen Netze mit den erforderlichen und zugehörigen Bewilligungen entsprechend baureif sind.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE), Verfasser. – Herr Ratspräsident! Ich hatte ja konkret nach den zeitlichen Dimensionen der Magistrale für Europa von Paris über Straßburg und München nach Wien und den Abstecher durch den Brenner-Basistunnel nach Rom gefragt. Ich würde Sie gerne nach dem Gesamtprojekt fragen, aber vor allem auch nach der Verbindung ab München nach Wien bzw. Rom.

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Zur Anfrage des Abgeordneten Posselt: Der Vorsitz des Rates ist der Auffassung, dass der Ausbau der beiden Eisenbahnachsen – der Achse Nr. 17: Paris – Straßburg – Stuttgart – Wien – Bratislava und der Achse Nr. 1: Berlin – München – Verona – Palermo – von zentraler Bedeutung ist, um der Überlastung der Straßen, insbesondere durch Lastkraftwagen, entgegenzuwirken.

Es handelt sich dabei um große Projekte mit dem Ziel, die verschiedenen Verkehrsträger in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und einen Beitrag zu einem nachhaltigen Verkehrssystem in der Europäischen Union zu leisten. Außerdem wird die wirtschaftliche Integration im Binnenmarkt durch diese grenzüberschreitenden Projekte verbessert.

Der Bau der beiden Achsen – da Sie konkret die zeitliche Komponente angefragt haben – wird voraussichtlich im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Die endgültige Entscheidung über diese großen grenzüberschreitenden Projekte und ihre zügige Umsetzung hängt allerdings natürlich von der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 sowie teilweise – wie schon erwähnt – von der Notwendigkeit ab, private Mittel aufzubringen.

Ist erst einmal die Einigung über das erforderliche Budget zustande gekommen, so bedarf es für die Fertigstellung dieser ehrgeizigen Projekte eines langfristigen Umsetzungsplans. Ich darf abschließend festhalten, dass ich persönlich fest davon überzeugt bin, gerade was die Nord-Süd-Transitstrecke der Achse Nr. 1 Berlin – München – Verona – Palermo betrifft, dass heuer noch der Spatenstich erfolgen wird und wir beginnen können. Ich selbst habe den Spatenstich für das Herzstück, den Brenner-Basistunnel, vorgenommen und in den letzten dreieinhalb Jahren gemeinsam mit meinem Kollegen Lunardi alles unternommen, um dieses Projekt so weit zu bringen, wie es heute ist. Ich glaube, gemeinsame Anstrengungen für diese zwei wichtigen Achsen sind hier am Platze und angesagt.

 
  
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  Stanisław Jałowiecki (PPE-DE), Verfasser. (PL) Ich habe keine Antwort auf meine spezielle Frage nach der Achse Danzig-Wien bekommen. Dies ist ein besonders wichtiger Abschnitt, da er für die Verbindungen zwischen den neuen mitteleuropäischen Mitgliedstaaten und den alten Mitgliedstaaten der Union zweifellos eine Schlüsselfunktion für das Verkehrsnetz besitzt. Zwei weitere Verbindungen sind in Planung. Ich spreche von der Strecke Paris-Wien und der vorrangigen Strecke „Rail Baltica“, die von Antwerpen über Warschau nach Helsinki führen wird. Für den wichtigen Abschnitt, nach dem ich gefragt habe, wurden keine Vorkehrungen getroffen, daher meine Frage an den Vizekanzler.

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Gerne gehe ich auch auf die mündliche Anfrage H-0237/06 des Herrn Abgeordneten Jałowiecki ein. Wie dem Herrn Abgeordneten bekannt sein wird, haben das Europäische Parlament und der Rat die Entscheidung über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes verabschiedet. Darin wird von der Fertigstellung der Arbeiten an der Eisenbahnachse Nr. 23 – das ist die besagte Achse Danzig–Warschau–Brünn/Bratislava–Wien – im Zeitraum 2010-2015 ausgegangen. Nach Ansicht des Ratsvorsitzes ist diese Eisenbahnachse von überragender Bedeutung, da sie zur Neuansiedlung von Wirtschaftsunternehmen entlang der Achse beiträgt und eine Verlagerung auf alternative Verkehrsträger im Fernverkehr fördert, zugleich aber auch dem Mobilitätsbedarf der Reisenden im Regionalverkehr Rechnung tragen soll.

Im Juli letzten Jahres, also 2005, wurden sechs europäische Koordinatoren benannt, um die Realisierung von fünf vorrangigen Verkehrsachsen und die Einführung des europäischen Eisenbahnverkehrsmanagementsystems voranzubringen. Die Eisenbahnachse Nr. 23 gehört nicht zu diesen ersten vorrangigen Projekten, doch kann der Vorsitz einer Entscheidung darüber, welche Verkehrsachsen künftig als Priorität eingestuft werden und ob eine zweite Gruppe von europäischen Koordinatoren zum Einsatz kommt, in dieser Phase nicht vorgreifen. Da bitte ich um Verständnis.

Die Verkehrsprojekte der Eisenbahnachse Nr. 23 sind Bestandteil der nationalen Reformprogramme (NRP) der Tschechischen Republik, Polens und der Slowakei; wirtschaftliche Vorstudien sind bereits durchgeführt worden, mit den Studien zur technischen Auslegung und den Umweltverträglichkeitsprüfungen wurde begonnen. Ich darf auch hinzufügen, dass in Österreich große Investitionen in den Verkehrsabschnitt Wien–Venedig, der ebenfalls in dieser Frage erwähnt ist, geplant sind.

Es sei zudem daran erinnert, dass eine endgültige Entscheidung über die Eisenbahnachse Nr. 23 auch von einer Einigung über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013, wie heute schon öfter erwähnt, sowie von einer Mobilisierung von Privatkapital abhängt.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Minister! Die Magistrale für Europa berührt uns alle ganz intensiv, weil sie genau durch Straßburg, die Hauptstadt Europas, führt. Glauben Sie, dass der eingesetzte Koordinator die Möglichkeit haben wird, im Rat „Verkehr“ in regelmäßigen Abständen darüber zu berichten, welche Fortschritte in der Koordination erzielt wurden?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Herr Abgeordneter Rübig! Ich halte es für eine gute Idee, dass der zuständige Koordinator, der natürlich Bescheid wissen muss, auch hier, vor den zuständigen, interessierten und verantwortlichen Abgeordneten, Rede und Antwort steht und Rechenschaft abgibt. Ich werde diese Idee gerne aufgreifen und weiterleiten.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Die Kommission hat die Ernennung von sechs Koordinatoren für sechs der dreißig Vorhaben vorgeschlagen. Es scheint, dass dies wie bei Orwell die gleicheren Tiere unter den TEN-V-Vorhaben sind. Wann wird die Kommission die zweite Phase für die nächsten privilegiertesten vorrangigen Vorhaben vorlegen? Wann werden Sie das im Rat tun?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Es ist so, wie ich schon gesagt habe. Es gibt eine Reihung der insgesamt dreißig prioritären TEN-Projekte. Für die wichtigsten sechs sind Koordinatoren eingesetzt. Die Erfahrung wird aber zeigen, dass es da und dort Verzögerungen gibt, und dann werden Umreihungen vorgenommen werden müssen. Deswegen habe ich betont, dass die Reihung gut und wichtig ist. Hier hat die Hochrangige Gruppe unter Karel van Miert hervorragende Arbeit geleistet.

Aber man wird Flexibilität zeigen müssen. Die Verkehrsstrecken sind ja nicht nur für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung wichtig, sondern auch, um das umzusetzen, was wir in verschiedenen Weiß- und Grünbüchern festgehalten haben, nämlich die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Auch dafür müssen wir intakte Projekte zur Verfügung stellen. Ich bin überzeugt, dass wir hier gar nicht genug gemeinsam kämpfen können, um die entsprechenden Mittel auch über die nächste Periode hinaus sicherzustellen. Ich setze hier sehr auf die schon angesprochenen innovativen Möglichkeiten und Ansätze, auch private Gelder einzusetzen, um Projekte früher als sonst möglich umzusetzen, zum einen im Sinne der Wirtschaft, im Sinne der Beschäftigung, aber vor allem auch im Sinne der Umwelt und der Bevölkerung an vielen Transitrouten.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Vizekanzler! Ich bin sehr dankbar, dass Sie zuerst die Finanzielle Vorausschau angesprochen haben. Heute Nacht haben wir ja 500 Millionen mehr direktes Geld für die TEN-Projekte vereinbart und 500 Millionen zusätzlich zur Lukrierung von EIB-Krediten. Deshalb sind Sie bei 7,3 Milliarden Euro gelandet.

Meine Frage an Sie betrifft eines der zentralen Projekte für Europa und für Österreich, den Brenner-Basistunnel. Können Sie uns den Fortschritt dieses TEN-Projektes aus Ihrer Sicht mitteilen, da es sich um ein so zentrales Projekt für die Europäische Union handelt?

 
  
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  Hubert Gorbach, amtierender Ratspräsident. Herr Abgeordneter Karas! Ich tue das sehr gerne. Die Situation beim Brenner-Basistunnel als Herzstück der Transitroute Berlin-Palermo stellt sich folgendermaßen dar: Es liegt eine Zusage der Kommission für eine Kofinanzierung des Probestollens im Umfang von 50 % vor, also ein hoher Betrag. Das Investitionsvolumen für diesen Probestollen beläuft sich auf etwa 450 Millionen Euro. Wir werden für diesen Probestollen – wir befinden uns jetzt in Phase 2, das heißt in der Vorbereitung – im Sommer dieses Jahres den Stollenanschlag vornehmen und alles daran setzen, die Phase 3 – das ist die Phase des Baubeginns für den eigentlichen Brenner-Basistunnel – in spätestens zweieinhalb bis drei Jahren umzusetzen, sodass die Fertigstellung, wie sie im Staatsvertrag zwischen Italien und Österreich vorgesehen ist, bis spätestens 2015 sichergestellt ist. Ich habe immer gesagt, dass bei einem ehrgeizigen Verfolgen dieser Ziele durchaus auch noch zwei Jahre eingespart werden können, sodass der Brenner-Basistunnel als Herzstück dieser Transitroute im besten Fall 2013 fertig gestellt sein könnte.

Ich darf hier aber auch festhalten, dass man, wenn sich die betroffenen Länder einig sind und die Kommission sie optimal unterstützt – wie das gerade Vizepräsident Barrot getan hat, der sich auch vor Ort über die Situation erkundigt hat –, auch entsprechend weiterkommt. Ich setze auch, was die übrige Kofinanzierung betrifft, sehr auf die Kommission und auf die Europäische Union.

 
  
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  Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Es gab noch eine Anfrage von mir, zu der ich eine Antwort erwartet habe, und ich dachte eigentlich, es wäre genügend Zeit und wir würden noch dazu kommen, doch leider haben sich zahlreiche Kollegen bei einer spezifischen Anfrage zu Wort gemeldet, und so konnte meine nicht behandelt werden.

Wie Sie sehen, warte ich hier seit ein und einer halben Stunde, doch nun wird es leider eine schriftliche Antwort geben.

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Eine Anmerkung zur Geschäftsordnung: Jeden Monat muss ich aufs Neue feststellen, dass ich bei der Fragestunde nicht an die Reihe komme, obwohl ich bei den ersten 12 oder 13 Anfragen dabei bin. Wenn drei Anfragen zusammengenommen, doch nur zehn Anfragen geschafft werden, dann sagt das wirklich etwas über dieses Hohe Haus. Hier muss sich etwas ändern. Ich werde von Menschen hierher entsandt, um Fragen zu stellen. Wir sind 700. Wenn wir nur die paar Anfragen erledigen, wirft das wirklich ein ziemlich unschönes Licht auf dieses Hohe Haus und das System. Ich bitte darum, dass dies dem Präsidium mitgeteilt wird, denn hier muss etwas geschehen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Es tut mir wirklich leid. Ich nehme zur Kenntnis, was Sie gesagt haben, aber allein dadurch, dass sich andere Debatten verzögern, haben wir sehr oft das Problem, dass dann die Zeit der Fragestunde verkürzt wird.

Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

Die Fragestunde ist geschlossen.

(Die Sitzung wird um 20.05 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
  

(1) ABl. L 228 vom 9.9.1996, S. 1.
(2) ABl. L 167 vom 30.4.2004, S. 1.

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