Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Helmuth Markov im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über Handel und Armut: Konzipierung handelspolitischer Maßnahmen für eine möglichst erfolgreiche Bekämpfung der Armut [2006/2031(INI)] (A6-0179/2006).
Helmuth Markov (GUE/NGL), Berichterstatter. – Frau Präsidentin! Natürlich möchte ich mich zuallererst bei all den Mitarbeitern ganz herzlich bedanken, die mir bei der Erstellung meines Berichts geholfen haben – insbesondere ist hier Frau Donatella Pribaz zu erwähnen; ich danke natürlich auch den Kollegen aus meinem Ausschuss, aus dem Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und aus dem Entwicklungsausschuss, die mit sehr konstruktiven Änderungsanträgen dazu beigetragen haben, diesen Bericht anzureichern.
Der Bericht enthält auch erste Vorschläge, wie Handelspolitik ausgerichtet werden kann und sollte, um einen Beitrag zur Lösung des Problems Armut zu leisten. Ich freue mich, dass der vorliegende Text recht deutlich feststellt, dass Handeln nach bestimmten Regeln ablaufen muss, um als ein sinnvolles Instrument zur Armutsbekämpfung und Wohlstandsentwicklung wirksam werden zu können. Denn Handel, ob nun auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene, ist kein Ziel, kein Wert an sich, sondern eben ein Instrument zur Sicherstellung der Versorgung der Menschen mit Waren zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse.
In der heutigen Welt ist weder die Versorgung für alle Menschen sichergestellt, noch sind die Chancen, die Handel bietet, gerecht verteilt – nicht geografisch zwischen den Staaten oder Regionen und auch nicht zwischen den individuellen Akteuren auf dem Markt. Unter anderem aus dieser Ungleichverteilung resultiert und reproduziert sich Armut. Dies ist ein Problem, das vor allem, aber nicht nur in den Entwicklungsländern existiert. Die sprichwörtliche unsichtbare Hand des Marktes kann dieses Problem offensichtlich nicht einmal innerhalb eines entwickelten Wirtschaftsraumes wie der Europäischen Union lösen.
Je weiter sich die Politik aus der Gestaltung der Wirtschaftsordnung davonstiehlt und sie marktliberalen Kräften nach Belieben überlässt, desto weiter weg rücken die Kohäsionsziele, umso mehr als dabei gleichzeitig die sozialen Rechte, demokratische Teilhabe und der Schutz unserer Umwelt außer Acht gelassen und regionale wie lokale Bedingungen und Besonderheiten nicht ausreichend in Betracht gezogen werden. Auf globaler Ebene, wo die gegebenen Entwicklungs- und Verteilungsunterschiede noch weit gravierender und grundlegender sind, stellt sich dies noch um ein Vielfaches verschärft dar. Wird die gegenwärtige Politik der unbedingten schnellen Liberalisierung unter Druck fortgesetzt, lässt sich das Millenniumsziel, die Zahl der hungernden Menschen bis 2015 zu halbieren, nicht erreichen.
Politik hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die friedliche, Ausgrenzung vermeidende, Wohlstand fördernde Entwicklung von Gesellschaft zu ermöglichen. Eine Politik, die Grenzen für den internationalen Markt öffnet, kann Teil davon sein. Bislang hat sie sich dort als erfolgreich erwiesen, wo sich Industrialisierung zunächst geschützt durch staatliche Maßnahmen vollziehen konnte, wo bereits ein institutioneller Rahmen bestand, der die Umverteilung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reichtums regelt, wo ein ausreichend robuster Wirtschaftssektor bestand, der flexibles Handeln erlaubt, und wo der Staat selbständig in der Lage war, bestimmte Wirtschaftssektoren vor der Marktöffnung zu unterstützen.
Eine hohe Auslandsverschuldung und Abhängigkeit von Krediten schränkt diese Leistungsfähigkeit beträchtlich ein. In Ländern, wo diese Bedingungen nicht gegeben waren, hat die beschleunigte Liberalisierung dagegen zu Deindustrialisierung, Umweltzerstörung und wachsender Abhängigkeit geführt und die Armut der Bevölkerung verschlimmert.
Ich kann nur auf einige wenige Aspekte des Berichts verweisen. Die Chance auf eine eigenständige Entwicklung, auf Industrialisierung muss allen Ländern ebenso zugestanden werden, wie es den heutigen Industrieländern vorher zugestanden worden ist. Dazu gehört auch das Recht, selbst zu entscheiden, wann, wie weit und ob überhaupt ein Land seine Märkte für Waren und Dienstleistungen öffnen will. So ist es im Übrigen auch in den WTO-Regeln vorgesehen.
Seit der Unterzeichnung der WTO-Übereinkommen sind die Gewinne für die Erzeuger von Roh- und Grundstoffpreisen kontinuierlich so weit gesunken, dass sowohl im Süden als auch im Norden immer mehr kleine und mittlere Betriebe aufgegeben werden müssen. Gleichzeitig bewirken dieselben Regeln, dass in der Landwirtschaft Monokultur gefördert wird, die zwar riesige Profite für die Agrarindustrie, aber verheerende Folgen für Umwelt und Beschäftigung mit sich bringt. Das ist eine Landwirtschaft, die letztlich ihre eigene Lebensgrundlage zerstört. Stattdessen müsste Politik sowohl mit Regeln als auch mit finanzieller Unterstützung darauf hinwirken, dass die biologische Vielfalt durch nachhaltige Wirtschaftsformen erhalten bleibt.
Weiterhin ist es mehr als fraglich, ob Dienstleistungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge auf der Basis von rein marktwirtschaftlichen Strukturen so umfassend erbracht werden können, dass man von der Erfüllung des Grundrechts auf ein würdevolles Leben sprechen kann. Es geht hier um so einfache, aber notwendige Dinge wie den Zugang zu qualitativ hochwertiger Wasserversorgung, Gesundheit, Pflege, Bildung, Ausbildung. In den Bereichen, wo die Bedingungen für Liberalisierung von Marktsektoren gegeben sind, ist schließlich darauf zu achten, dass dabei internationale Normen zum Sozial-, Arbeits- und Umweltschutz verbindlich zum Tragen kommen.
Diese und viele weitere wichtige Punkte sind in den Ihnen vorliegenden Bericht eingeflossen. Kommission und Rat sind aufgefordert, sich die Vorschläge des Parlaments anzusehen und bei ihrer Politikgestaltung zu berücksichtigen.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich freue mich über die Möglichkeit, den Dialog über Handelsfragen mit dem Europäischen Parlament fortführen zu können. Der Beitrag von Herrn Markov enthält eine Vielfalt an Informationen und politischen Rezepten, wie das äußerst wichtige Verhältnis zwischen Handel und Armut sowohl in unseren bilateralen Abkommen als auch in multilateralen Verhandlungen angegangen werden kann.
Ich teile im Wesentlichen die generelle Aussage des Berichts. Wie ich wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, will ich den Handel in den Dienst der Entwicklung stellen. Handel ist die Triebkraft des Wirtschaftswachstums und kann unter den richtigen Bedingungen Wohlstand verbreiten; allerdings ist er kein Allheilmittel und führt nicht automatisch zu einer Verringerung der Armut. Die Liberalisierung des Handels muss allmählich erfolgen. Sie sollte in einem stabilen und förderlichen innenpolitischen Rahmen stattfinden und erfordert in einigen Fällen flankierende Maßnahmen, damit der Anpassungsprozess erfolgen kann.
Wir tun bereits viel von dem, was im Bericht empfohlen wird. Ich möchte einige konkrete Beispiele nennen. Erstens respektiert die EU in Handelsgesprächen einschließlich der Doha-Entwicklungsagenda und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen – wie es im Bericht empfohlen wird – das Recht der Entwicklungsländer auf eine schrittweise Liberalisierung und die Erhaltung der Flexibilität ihrer empfindlichen Sektoren. Bei der Entwicklungsagenda von Doha achtet die EU besonders darauf, dass diese Länder einen Beitrag entsprechend ihrer Kapazität und ihrem Entwicklungsstand leisten. Darauf gründet sich das Konzept der besonderen und differenzierten Behandlung. Wir reagieren positiv auf das Interesse der LDC und der Entwicklungsländer an Dienstleistungen, darunter bei den Modus-4-Verhandlungen und bezüglich der von ihnen gewünschten Sektoren. Auch im Rahmen des GATT respektieren wir das Recht der Länder, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Maße sie ihren Dienstleistungssektor öffnen möchten. An die LDC haben wir keinerlei Anforderungen in Bezug auf Dienstleistungen gestellt. Wir haben eine Regelung getroffen, um die Zuckerproduzenten der AKP-Länder bei der Anpassung an die nach unserer Zuckerreform erfolgenden Veränderungen zu unterstützen. Außerdem ist uns klar, dass wir das Problem der Aushöhlung von Präferenzen angehen müssen. Wir fördern aktiv die regionale Integration und den Süd-Süd-Handel, der im Bericht zu Recht als Schlüsselfaktor für die Entwicklung vor allem für marginalisierte Länder genannt wurde.
Neben den Handelsverhandlungen gewährt die EU – das heißt die Kommission und die Mitgliedstaaten zusammengenommen – für den Kapazitätenaufbau mehr als 50 % der weltweit insgesamt finanzierten handelsbezogenen Unterstützung. Die von der Kommission verwaltete handelsbezogene Unterstützung betrug im Zeitraum 2001-2004 etwa 850 Millionen Euro jährlich und wird entsprechend der von Präsident Barroso auf dem letzten G8-Gipfel eingegangenen Verpflichtung auf 1 Milliarde Euro im Jahr 2007 ansteigen. Wir beteiligen uns aktiv an der in der WTO stattfindenden Debatte über die Handelsförderung.
Die Kommission geht ferner bei handelsbezogenen Nachhaltigkeitsprüfungen mit gutem Beispiel voran. Dabei werden die potenziellen Auswirkungen der Handelsliberalisierung auf alle drei Pfeiler der nachhaltigen Entwicklung eingeschätzt. Wir führen diese Prüfungen seit 1999 bei allen wichtigen Handelsverhandlungen der EU durch, um Bereiche zu ermitteln, in denen flankierende Maßnahmen eventuell erforderlich sind.
Was die im Bericht formulierten Empfehlungen zu Arbeitsbedingungen und sozialen Rechten anbelangt möchte ich Folgendes erklären: Obwohl die Erwerbstätigkeit leider kein Bestandteil der Doha-Entwicklungsagenda ist, werden die sozialen Rechte in allen unseren in letzter Zeit abgeschlossenen bilateralen und regionalen Handelsabkommen anerkannt und gefördert; dazu gehören die Gleichstellung der Geschlechter, die Frage der Kinderarbeit, der Zwangsarbeit und der Versammlungsfreiheit. Weiterhin gewähren wir über das APS+ Entwicklungsländern, die grundlegende Arbeitsrechte respektieren, konkrete Anreize. Ferner finanziert die GD Handel ein Pilotprojekt der IAO zu Indikatoren für menschenwürdige Arbeit, um die Auswirkungen des Handels auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen vorherzusagen und zu überwachen.
Mit Freude konnte ich außerdem feststellen, dass der Bericht eine Reihe von Empfehlungen an andere Akteure enthält. Im Bericht werden andere Industrieländer und fortgeschrittene Entwicklungsländer aufgefordert, für LDC Regelungen einzuführen, die einen zoll- und quotenfreien Marktzugang vorsehen und mit unserer Initiative „Alles außer Waffen“ abgestimmt sind. Nachdem wir in Hongkong einen Konsens für 97 % der Industriegüter erzielt haben, würde ich dennoch sagen, dass sich die Vereinigten Staaten nachdrücklich für die Einhaltung dieser Verpflichtung einsetzen müssen.
Außerdem fordert der Bericht andere WTO-Mitglieder auf, sich dem Vorgehen der EU in Hongkong zur Frage von Ausfuhrsubventionen anzuschließen und alle Formen von Ausfuhrunterstützung einschließlich Ausfuhrkredite und Nahrungsmittelhilfe abzuschaffen. Im Bericht wird ferner eine wesentliche Verringerung der Stützungsmaßnahmen durch Industrieländer und eine Lösung für Baumwolle gefordert – wiederum wichtige Bereiche, in denen wir von den Vereinigten Staaten Maßnahmen erwarten.
Da es sich um einen freimütigen Dialog zwischen uns handelt, möchte ich einige Punkte ansprechen, in denen sich die Auffassung der Kommission von der Aussage des Berichts unterscheidet. Handelshilfe ist eine wesentliche Ergänzung, jedoch keinesfalls ein Ersatz für ein die Entwicklung förderndes Ergebnis in den hauptsächlichen Verhandlungsbereichen der Doha-Runde. Die wichtigsten Vorteile für die Entwicklungsländer liegen im Marktzugang und vor allem in der Süd-Süd-Dimension.
Was die Risiken der betrügerischen Nutzung der Initiative „Alles außer Waffen“ betrifft, müssen wir selbstverständlich beim Dreieckshandel wachsam sein, doch soweit uns bekannt ist, wurde lediglich über einen Fall von Missbrauch berichtet.
Zur Empfehlung, die öffentlichen Dienste aus den Verhandlungen herauszuhalten, möchte ich sagen, dass wir es nicht für nötig erachten, das GATT neu zu verhandeln, um öffentliche Dienstleistungen auszuschließen. Es ist einzig und allein Sache der WTO-Mitglieder zu entscheiden, welche Sektoren sie öffnen wollen. Wir haben beispielsweise eindeutig erklärt, dass wir keine zusätzlichen Verpflichtungen im Bereich der Gesundheit, der Bildung und der audiovisuellen Dienstleistungen eingehen wollen.
Ich möchte nochmals allen, die zu diesem Bericht beigetragen haben, für ihre politische Unterstützung und Beratung sowie für die konstruktive Kritik und die konkreten Vorschläge für Maßnahmen, die darin enthalten sind und anderweitig geäußert wurden, danken. Ich werde auch in Zukunft das Parlament regelmäßig informieren und Ihren Ansichten zu wichtigen Fragen des Handels und der Entwicklung mein Gehör schenken, wie ich es soeben getan habe und auch in Zukunft tun werde.
Danutė Budreikaitė (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. – (LT) Es ist allseits bekannt, dass der faire Handel als wirksames Instrument zur Verringerung der Armut dienen kann. In den letzten Jahren ist jedoch der Anteil der ärmsten Länder, die zumeist mit Produkten von geringem Mehrwert handeln – landwirtschaftliche Rohstoffe und natürliche Ressourcen –, am Welthandel zurückgegangen.
Der Kampf gegen die Armut erfordert sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern in erster Linie einen drastischen politischen Kurswechsel, damit die strukturellen Ursachen der Armut angegangen werden.
Dafür reicht es jedoch nicht aus, Regeln für fairen Handel sowie bilaterale und multilaterale Handelsbeziehungen in die Praxis umzusetzen und WTO-Regeln zu verbessern. Vielmehr müssen wir auch die Handelsbeziehungen zwischen den Entwicklungsländern, die Süd-Süd-Dimension, ausbauen.
In der Zukunft wird die wirtschaftliche Entwicklung einen entscheidenden Einfluss auf die Reduzierung der Armut haben. Das gilt insbesondere für Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen für den lokalen Markt in den Entwicklungsländern bereitstellen, einen höheren Mehrwert erwirtschaften und den Einstieg in den Welthandel schaffen könnten.
Zbigniew Zaleski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Die Geschichte des Warenhandels – ob in primitiven oder in entwickelten Gesellschaften – zeigt, dass dieser Handel, sofern er auf fairen Regeln basiert, diesen Gesellschaften hilft, zu überleben und sich weiterzuentwickeln. Daran besteht kein Zweifel.
Nach Ansicht unserer Fraktion trägt der freie und faire Handel, für den sich die EU einsetzt, heute auch dazu bei, die Armut in vielen Regionen der Welt zu mindern. Selbstverständlich gibt es Misserfolge, die jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen sind, dass es nicht gelungen ist, faire Regeln durchzusetzen, nicht aber auf den Handel selbst.
Anfänglich hat unserer Meinung nach im Bericht Markov die Auffassung mitgeschwungen, dass der freie Handel die Armut verschlimmert statt sie zu mindern. Unsere Fraktion lehnte diese Auffassung ab. Nach einigen Diskussionen und Änderungsvorschlägen klingt der Bericht nun besser, und unsere Fraktion kann ihn – zusammen mit den vorgeschlagenen Änderungen, die, wie ich meine, morgen angenommen werden – akzeptieren. Auch wenn der Handel zweifellos nicht der einzige Weg zur Minderung der Armut ist, kann er doch einen wesentlichen Beitrag leisten.
Abschließend schlage ich vor, dem freien – ich wiederhole: dem freien – Handel eine Chance zu geben, damit er seinen Beitrag zur Minderung der Armut leisten kann.
(EN) Das bedeutet auf Englisch: „Let us establish free and fair trade to make poverty history“.
Panagiotis Beglitis, im Namen der PSE-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Auch ich möchte meinerseits Herrn Markov zu seinem wichtigen Bericht und Kommissar Mandelson zu seiner bedeutenden Rede gratulieren, die er eben gehalten hat.
Zweifellos haben die Entwicklung und die Liberalisierung des internationalen Handels einen entscheidenden Beitrag zur Armutsminderung und zum Abbau der Ungleichheiten zwischen den entwickelten und den Entwicklungsländern geleistet. Das ist jedoch, wie Herr Mandelson ganz richtig gesagt hat, kein Allheilmittel. Wie die Statistiken internationaler Verbände zeigen, ist es notwendig, dass die Liberalisierung des internationalen Handels organisiert und auf der Grundlage einschlägiger Vorschriften und regulativer Mechanismen erfolgt.
Der jüngsten Weltbank-Studie zufolge hat die zügellose Liberalisierung des internationalen Handels zu einem Anstieg der Armut und zur Zerstörung des produktiven Geflechts in den ärmsten Ländern Afrikas geführt. Das Gleiche passiert auch innerhalb der Europäischen Union: da gibt es Regionen, die von Arbeitslosigkeit, Deindustrialisierung und Armut betroffen sind.
Die Europäische Union sollte meines Erachtens durch die Reformierung der Welthandelsorganisation einen Beitrag zur Demokratisierung und Stärkung des multilateralen Handelssystems leisten, was den ärmsten Ländern zugute kommen würde. Zudem sollte sie das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele bis zum Jahre 2015 konsequent unterstützen und sich dafür einsetzen, dass die Verhandlungen der Doha-Runde im Rahmen eines ausgewogenen und gegenseitig nutzbringenden Kompromisses erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.
Auch darf die Europäische Union nicht von der wichtigen Initiative „Alles außer Waffen“ abgehen.
Sajjad Karim, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts besteht darin, dass Millionen von Menschen von Armut befreit wurden. Von immenser Bedeutung war dabei, dass China und Indien in den weltweiten Handel einstiegen, und sie gehen den Entwicklungsländern auch weiterhin mit gutem Beispiel voran. Doch die Bewährungsprobe ist noch lange nicht vorüber. Auch heute noch müssen 49 % der Menschen in den LDC mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Bis 2015 werden 471 Millionen von ihnen in größter Armut leben. Die Liberalisierung des Handels ist unabdingbar, wenn wir diese Menschen aus ihrer furchtbaren Armut befreien wollen.
Doch Handel ist keine Wunderwaffe. Die kritische Aufgabe besteht darin, wie man die Armutsminderung in einer erst vor kurzem liberalisierten freien Wirtschaft voranbringen kann. Die Mehrzahl der LDC tappen in dieser Hinsicht noch immer im Dunkeln. Freier Handel ist nicht gleichbedeutend mit laissez-faire. Die vordringlichste Priorität für die Regierungen muss in der Umsetzung makroökonomischer Strategien bestehen, die den Handel so integrieren, dass die Armutsminderung dadurch wirksam unterstützt wird. Wir müssen ihnen dabei mit verstärkter und effektiverer Hilfe unter die Arme greifen. Hier geht es nicht um grundlegende Hilfe, durch die die Entwicklungsländer noch weiter in die Schuldenfalle geraten: Hier geht es um Investitionen – Investitionen in Infrastruktur, Technologie, Humankapitel und das globale Handelssystem selbst.
Im Gegenzug werden wir mehr Offenheit und Wettbewerbsfähigkeit erreichen, und die LDC werden von größerer Kapitalbildung und technischem Fortschritt profitieren. Das wird den Wachstumsmotor bilden. Der internationale Handel wird der Treibstoff für diesen Motor sein, und gemeinsam können wir mit schnelleren Schritten auf die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele zugehen.
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich kann meinen Vorrednern in dieser kurzen, jedoch sehr wichtigen Aussprache nur voll und ganz zustimmen. Hier ging es um freien und fairen Handel. Das sind die zwei Säulen, die unsere politischen Ziele stützen. Wenngleich bilaterale Handelsabkommen ihre Berechtigung haben, sind es multilaterale Handelsverhandlungen in einem multilateralen Rahmen für das internationale Handelssystem, die unserer Meinung nach am besten geeignet sind, Gerechtigkeit und Ausgewogenheit in das internationale Handelssystem zu bringen.
Deshalb ist die Doha-Entwicklungsagenda so wichtig. Ihr Kernstück ist das Ideal des freien Handels, das zur Armutsminderung in der Welt beiträgt. Wie einmal gesagt wurde, muss der Sieg der Ideale organisiert werden, und wie einer der Redner heute ausführte, wollen wir eine organisierte Liberalisierung des Handels. Wir wollen keinen Dschungel, in dem das Gesetz des Dschungels zum Nachteil der Entwicklungsländer und der Armen in der Welt herrscht. Darum bemüht sich die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten, und ich bin der festen Überzeugung, dass uns dieser Bericht in unserem anhaltenden Bemühen um Handelsgerechtigkeit in der Welt Orientierungshilfe geben wird, und deshalb begrüße ich ihn von ganzem Herzen.
Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag, um 11.00 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Der Handel ist ein wichtiges Instrument im gegenwärtigen internationalen Kontext. Handelsabkommen zwischen Staaten können politische Stabilität gewährleisten und eine solide Grundlage für mehr oder weniger dauerhafte politische Beziehungen schaffen. Deshalb spielen sie eine immer entscheidendere Rolle in einer im Wesentlichen auf wirtschaftliche Grundsätze gegründeten Welt. Der Handel ist daher ein äußerst wichtiger Träger und eine Chance für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, aber außerdem eine Waffe – hauptsächlich in Händen der entwickelten Länder –, die mit Bedacht eingesetzt werden muss, da sie unwiderruflich über die Zukunft eines Landes oder eines geografischen Gebiets entscheiden kann.
Demzufolge kommt es für die westlichen Länder wirklich darauf an, bewusste Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass die üblichen Handelspraktiken und die neuen Abkommen dazu beitragen, die Kluft zwischen Nord und Süd zu verringern, anstatt sie durch Verfahren, die die nationalen Besonderheiten außer Acht lassen, zu vergrößern. Obgleich die Liberalisierung ein globaler, inzwischen unumkehrbar gewordener Prozess ist, der Wohlstand und Reichtum bringen kann, indem er neue Chancen in den Entwicklungsländern eröffnet, muss sie entsprechend den unterschiedlichen Gegebenheiten, unter denen sie durchgeführt werden soll, reguliert und durch spezifische Maßnahmen flankiert werden, damit die wirtschaftliche Entwicklung mit der entsprechenden notwendigen Entwicklung in anderen wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sozialpolitik Schritt hält und sie nicht überflügelt.