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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0400/2006

Aussprachen :

PV 06/07/2006 - 13.1
CRE 06/07/2006 - 13.1

Abstimmungen :

PV 06/07/2006 - 14.1
CRE 06/07/2006 - 14.1

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 6. Juli 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

13.1. Somalia (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zu Somalia(1).

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! Ich freue mich, die Aussprache einleiten zu dürfen, die wie üblich, da bin ich sicher, großen Zuspruch von allen Seiten dieses Hauses finden wird. Ich wage zu sagen, dass wir auch großen Zuspruch seitens des Herrn Kommissar haben werden, wenngleich ich darauf hinweisen möchte, dass die Kommission gewöhnlich einer Meinung mit uns ist, und das ist ermutigend.

Als Landsmann von den britischen Inseln – obwohl ich eher der schottisch-europäischen als der angelsächsischen politischen Tradition entstamme – möchte ich Herrn Kommissar Mandelson bitten, sich heute im Unterschied zu seinen Kommissionskollegen auf eine Diskussion mit uns einzulassen. Insbesondere würde ich ihn bitten darzulegen, wie die Kommission über die Ziffern 8 und 6 dieses Entschließungsantrags denkt und, das halte ich für entscheidend, was die Kommission hier zu tun gedenkt.

Es ist schwer, an Somalia zu denken und etwas anderes als Trauer und Frustration zu empfinden. Wir stehen hier vor einem grundsätzlichen Dilemma. Wenn die Einheimischen sich selbst überlassen bleiben und es falsch anpacken, zumindest in unseren Augen, was können wir, wenn wir nicht einmarschieren und ihr Land regieren wollen, eigentlich tun?

Ein Militärengagement ist nicht unser Ding. Wir haben weder den Mut, noch gelüstet es uns danach, und wir haben auch nicht das nötige Kleingeld für eine solche Aktion. Was können wir also tun? Als Schotte schaue ich mit Bewunderung auf die Rolle, die Schweden und Norwegen, kleine unabhängige nordeuropäische Länder, bei der Förderung des Dialogs in Somalia und zwischen den dortigen Parteien gespielt haben. Als Humanist sehe ich mit Stolz die von uns geleistete humanitäre Hilfe. Die Diskussionen in der neu gebildeten internationalen Kontaktgruppe für Somalia werden entscheidend sein für die in diesem Antrag dargelegte Strategie. Die Diskussionen in dieser Gruppe bilden den einzigen Weg auf der Suche nach einer Lösung. Fortgesetztes Engagement für den Dialog, versüßt durch Hilfe für die Bedürftigsten – das ist der europäische Weg, und langfristig wird er der bei weitem erfolgreichste sein.

Gerade jetzt hat sich die Lage in Somalia zum Schlechten gewendet. Hoffentlich gelingt es dem Parlament, gemeinsam mit der Kommission und dem Rat, das Land wieder auf den richtigen Pfad zurückzuführen. Ich bin gespannt darauf, von unserem Herrn Kommissar zu hören, wie die Kommission diese Bemühungen lenken wird, und ich versichere ihn der Unterstützung dieses Hohen Hauses.

 
  
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  Tobias Pflüger (GUE/NGL), Verfasser. – Herr Präsident! Ich glaube es lohnt sich, im Fall Somalias etwas in die Geschichte zurückzublicken. Der Westen hat sich in Bezug auf Somalia alle möglichen schlimmen Politiken geleistet. Wir erinnern uns an die Intervention von 1993, die in einem Fiasko endete. Deutschland hatte dort Truppen stationiert, die Unterstützungstruppen für indische Truppen sein sollten, die aber nie eintrafen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass, sobald das Militär abgezogen wurde, kaum mehr Interesse an Somalia vorhanden war.

Jetzt gibt es in Somalia eine neue Konstellation. Die Koalition, deren Mitglieder als Islamisten bezeichnet werden, hat sich Stück für Stück militärisch durchgesetzt, und diejenigen Truppen, die laut Presseberichten von den USA unterstützt wurden, nämlich die Allianz der Warlords, wurden immer weiter zurückgedrängt. Offensichtlich ist es so, dass insbesondere die US-Regierung hier auf das falsche Pferd gesetzt hat und jetzt quasi vor den Scherben ihrer eigenen Politik steht. Jetzt stellt sich die Frage: Was kann die Europäische Union in dieser Konstellation tun? Es wäre völlig falsch, jetzt einen der Konfliktgegner vor Ort zu unterstützen. Vor allem muss man darauf hinweisen, dass im Moment besonders Äthiopien und Eritrea offensichtlich ein enormes Interesse daran haben, ihren Konflikt auf dem Gebiet von Somalia auszufechten. Daher ist es sehr wichtig, dass die Europäische Union Eritrea und Äthiopien diplomatisch ganz klar zu verstehen gibt: Das darf nicht der Fall sein.

Ich sehe im Moment überhaupt keinen Sinn darin, dass dort ausländische Militärinterventionen stattfinden. Es gibt bestimmte Regionen innerhalb von Somalia, die stabil sind, wie z. B. Somaliland. Deshalb: keine Truppenentsendung und keine Unterstützung von Truppenentsendungen, sonst haben wir wieder das Phänomen, das es ja schon häufig gegeben hat, nämlich das Frankenstein-Prinzip. Man hat irgendeine Gruppe unterstützt, die dann genau das getan hat, was man vermeiden wollte. Insofern der Appell an die Europäische Union, hier diplomatisch tätig zu werden.

 
  
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  Simon Coveney (PPE-DE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! Somalia hat jetzt seit über fünfzehn Jahren keine wirkliche Regierung. Stattdessen waren wir Zeugen eines erbitterten, tragischen Bürgerkriegs zwischen kriegerischen Gruppierungen, der islamischen Miliz und Splittergruppen, die von rivalisierenden Warlords kontrolliert werden.

Am 4. Juni 2006 übernahmen zur Überraschung vieler Beobachter die Milizen islamischer Gerichte die Kontrolle über einen großen Teil des südlichen Somalias, darunter auch über die – inzwischen teilweise zerstörte – Hauptstadt Mogadischu, nachdem sie die Führer der Splittergruppen vertrieben hatten, die Mogadischu seit 1991, als die Zentralregierung gestürzt wurde, kontrolliert hatten. Das hat die politische Landschaft in der Region dramatisch verändert, und seit dem Machtwechsel ist sich die Welt unsicher, mit wem sie verhandeln und zu wem sie Beziehungen aufnehmen sollte oder könnte.

Die EU ist aufgefordert anzuerkennen, was geschehen ist, und beispielsweise die bisherige Arbeit der Arabischen Liga zu unterstützen, die am 22. Juni in Khartum einen Dialog zwischen den föderalen Übergangsinstitutionen und der Union der Islamischen Gerichte, die den Süden kontrolliert, eingeleitet hat. Sie sind übereingekommen, sich nicht gegenseitig zu bekämpfen, sondern einen Dialog für Frieden und Aussöhnung zu führen.

Wir müssen auch die Bemühungen der Afrikanischen Union zur Überwachung unterstützen und gegebenenfalls den Frieden erzwingen, um Zivilpersonen zu schützen.

In Wahrheit bestehen ernsthafte Sorgen auf mehreren Ebenen. Die erste Sorge ist, was mit der Union der Islamischen Gerichte geschehen soll. Ist sie ein Gremium, dem man Vertrauen kann, und ist sie ein Partner in Friedensgesprächen? Ich weiß, die USA haben kürzlich einen Dialog mit mehreren Parteien über die Aussichten für vertrauensbildende Maßnahmen eröffnet. Die andere, realere Sorge ist die, dass zur Erreichung von Stabilität und zur Beendigung der Gewalt großen Teilen der Bevölkerung ein strenges, fundamentalistisches islamisches Recht aufgezwungen wird. Das ist sehr beunruhigend, und die Sorge ist wohlbegründet.

Die Berichte der gestrigen Medien über das scharfe Vorgehen auf ein Kino in der somalischen Region Galgadud, bei dem zwei Menschen nach Protesten gegen die Schließung eines dortigen Kinos erschossen wurden, sind sehr beunruhigend. Ebenfalls gestern schworen die islamischen Gerichte, im gesamten Land und insbesondere in Mogadischu die Scharia zu praktizieren.

Scheich Abdullah, ein Mitbegründer der Union, sagte gestern: ‚Wer nicht sein Gebet verrichtet, wird als Ungläubiger betrachtet, und unser Scharia-Recht fordert, dass diese Person zu töten ist.’ Eine solche Sprache ist hetzerisch und gefährlich. Die EU muss die Geschehnisse aufmerksam verfolgen und aufpassen, welche Seite sie unterstützt.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE), Verfasser.(EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Seit vielen Jahren wird jetzt das Volk von Somalia von Bürgerkrieg geplagt, und dieses Hohe Haus, das vor allem über die Verletzung von Menschenrechten zutiefst beunruhigt ist, hat in der Vergangenheit eine Reihe von Entschließungen zu diesem Land verabschiedet.

Das lange Fehlen einer eigentlichen Regierung in diesem Land hat, was die Zentralgewalt angeht, zu einem anarchistischen Vakuum geführt. Als Folge davon kämpfen Milizen der islamischen Gerichte und mehrere radikale Gruppierungen um die Kontrolle von Teilen Somalias zu Lasten, wie es unter solchen Umständen unvermeidlich ist, der Sicherheit und des Wohlergehens unschuldiger Zivilpersonen.

Besonders beunruhigend und verdammenswert waren die jüngsten Kämpfe in und um Mogadischu und in der Region Jowhar. Der vorliegende gemeinsame Entschließungsantrag, der sich für die Unterstützung der Initiativen der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der IGAD zur Herbeiführung von Frieden und Aussöhnung in Somalia ausspricht, appelliert an alle Beteiligten des sich in der Nation wie ein Krebsgeschwür ausweitenden internen Kriegs, den Weg des Dialogs und des Friedens zu beschreiten und die notwendige Zusammenarbeit mit der föderalen Übergangsregierung und dem föderalen Übergangsparlament zu leisten, die die rechtmäßige zentrale Regierungsgewalt in Somalia darstellen und der Föderalen Übergangscharta unterliegen. Gleichzeitig werden die internationale Gemeinschaft und die EU aufgefordert, ihre Hilfe für Somalia zu verstärken, vor allem durch Aufstockung der humanitären Hilfe.

Es ist zu hoffen, dass dieses arme Entwicklungsland am Ende allmählich einen entschiedenen Weg zu dem so bitter nötigen Frieden und zum Wohlstand findet, zum Nutzen aller seiner Bürgerinnen und Bürger.

 
  
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  Ana Maria Gomes (PSE), Verfasserin. – (EN) Herr Präsident! Das Horn von Afrika ist von katastrophalen politischen Misserfolgen geplagt, verursacht nicht nur durch einheimische Mächte, sondern verschlimmert auch durch eine Reihe fehlgeleiteter internationaler Aktionen und zumeist Nicht-Aktionen.

Der gescheiterte Staat Somalia ist lediglich das augenfälligste Beispiel. Das Zögern des äthiopischen Regimes, das Grenzproblem mit Eritrea zu lösen, und das erschreckende Register der Regime in Asmara und Addis Abeba im Bereich der Menschenrechte, der Demokratie und der Entwicklung sind ein weiteres trauriges Beispiel für die internationale Vernachlässigung der Region. Kein Wunder, dass internationale Terroristen aus so viel Konfliktstoff in einer solchen gesetzlosen Region ihren Nutzen ziehen. Es sieht aus, als bekämen sie mehr, als sie für ihre mörderischen Zwecke wünschen.

Gerüchten zufolge manövriert die Regierung von Ministerpräsident Meles Zenawi die IGAD in eine Verletzung des vom UNO-Sicherheitsrat in Somalia verhängten Waffenembargos hinein. Er sendet Hunderttausende Soldaten nach Baidoa. In der vergangenen Woche war ich in Washington und New York, wo mir von wichtigen Quellen in der US-Regierung und in den Vereinten Nationen bestätigt wurde, dass die äthiopische Armee Vorbereitungen treffe, um noch weiter auf Mogadischu vorzurücken. Dabei findet sie die Unterstützung und den Segen der USA im Rahmen einer völlig fehlgeleiteten Politik. Es ist, als habe man nicht die Lehren aus dem jüngsten Fiasko gezogen, durch das in Mogadischu die islamischen Gerichte an die Macht gelangten.

Das wird noch mehr Gründe für terroristische Aktionen von Al Qaida liefern. Der eritreisch-äthiopische Grenzkonflikt könnte wieder aufbrechen, mit Auswirkungen nicht nur für Somalia, sondern für die gesamte Region. In Äthiopien könnte es weitere Aufstände geben, was zu einem Zerfall führen könnte. Die EU muss dazu Position beziehen, und ich möchte den Rat und die Kommission auffordern, vor einer Einmischung zu warnen und sicherzustellen, dass die Kontaktgruppe für Somalia alle erforderliche Unterstützung erhält, damit sie für eine politische Lösung wirken kann, die nicht wie die vorangegangenen vierzehn Versuche zum Scheitern verurteilt ist.

 
  
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  Cristiana Muscardini (UEN), Verfasserin. (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Europa hat sich nicht genügend engagiert, um die Anstrengungen zur Wiederherstellung von Frieden und Demokratie innerhalb des institutionellen Rahmens zu unterstützen, der im September 2003 in Nairobi von der Konferenz zur nationalen Versöhnung geschaffen wurde. Auf dieser Konferenz wurde auch die Übergangs-Bundescharta verabschiedet.

Die Gründung des Bundesparlaments, die Wahl des Parlamentspräsidenten und seiner Vizepräsidenten, die Ernennung von Abdullah Yusuf Ahmed zum Präsidenten der Republik durch das Parlament am 10. Oktober 2004 und die Ernennung des Ministerpräsidenten der Bundesregierung – all das waren zwar wichtige Schritte, doch hat die Union ansonsten nur halbherzig Hilfe und Unterstützung geleistet. Und da keine Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Bevölkerung getroffen wurden, konnte der radikale Fundamentalismus wieder Fuß fassen. Dieser stellt eine zunehmende Gefahr da, weil Verbindungen zum Terrorismus bestehen.

Seit dem Jahre 1991 hat der Bürgerkrieg zu immer neuem Blutvergießen in Mogadischu und den Nachbarregionen geführt, was katastrophale Auswirkungen auf die Bevölkerung hat. In der Vergangenheit waren weltweite und regionale Terrorvereinigungen, die Ausbildungslager in Somalia unterhalten, verantwortlich für die Anschläge in Nairobi, Dar es Salaam und Mombasa. Und vor wenigen Tagen erst hat die Union der Islamischen Gerichte mindestens 350 Zivilisten in Mogadischu hingerichtet.

Wir hier im Parlament haben über viele Jahre hinweg immer wieder darauf hingewiesen, dass Europa den Problemen in Somalia und den Bemühungen dieses Landes, wieder zu einer demokratischen Ordnung zurückzufinden, mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. In den vergangenen Tagen hat sich die große Mehrheit der Abgeordneten des Bundesparlaments für den Einsatz internationaler Friedenstruppen in Somalia ausgesprochen, die einen Bestandteil des nationalen Sicherheitsplanes bilden sollen. Damit wird zum Rückschlag gegen die Islamischen Gerichte ausgeholt.

Wir müssen wachsam gegen die Gefahr sein, die von dem politischen Destabilisierungsplan ausgeht, den internationale Extremisten mithilfe ihres riesigen Netzwerks in ganz Afrika umzusetzen versuchen. Gefährlich ist aber auch die Botschaft Osama Bin Ladens, weil er sich darin für den Hohen Rat der Islamischen Gerichte in Somalia ausspricht und gegen den rechtmäßigen Präsidenten der Republik wettert. Die Union und die internationale Gemeinschaft müssen die Position von Präsident Abdullah Yusuf Ahmed stärken und schützen, der in seinem Land einen kontinuierlichen Dialog zwischen den Institutionen und der Zivilgesellschaft fördert. Sein Ziel besteht im Aufbau eines föderalen Systems in Somalia, wobei die Identität und die Rechte der Minderheiten geachtet werden sollen.

Wir fordern den Sicherheitsrat auf, das Waffenembargo innerhalb Somalias teilweise aufzuheben, damit die nationalen Sicherheitskräfte rechtmäßig gestärkt werden können. Außerdem rufen wir die internationale Gemeinschaft auf, die Anti-Terror-Initiative der ostafrikanischen Präsidenten zu unterstützen, die im Jahre 2003 ins Leben gerufen wurde. Zudem müssen effektive Anti-Terror-Maßnahmen ergriffen werden, um dem gefährlichen Dominoeffekt im gesamten Horn von Afrika entgegenzuwirken.

Des Weiteren sollte die Union einen Sondergesandten für das Horn von Afrika ernennen und in Brüssel eine offizielle diplomatische Vertretung Somalias einrichten. Es ist dringend erforderlich, dass wir unsere Anstrengungen schnellstens verstärken, um den Präsidenten, das Parlament, die Regierung, das Justizwesen und die Sicherheitskräfte zu unterstützen und die Gesundheit und das Leben der somalischen Bevölkerung zu schützen.

 
  
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  Józef Pinior, im Namen der PSE-Fraktion. (PL) Herr Präsident! In Südsomalia hat die Union der Islamischen Gerichte die Macht übernommen. Seit Anfang Juli dieses Jahres gewinnen radikale Kräfte in dem von der Union kontrollierten Gebiet zunehmend an Einfluss. Der neue Mann an der Spitze des Islamischen Gerichtsrates ist Scheich Hassan Dahir Aweys, ein 60-jähriger radikaler muslimischer Kleriker. Scheich Aweys wird die Zusammenarbeit mit Al Qaida nachgesagt. Nach dem 11. September 2001 setzten die Vereinigten Staaten Scheich Aweys auf die Schwarze Liste der internationalen Terroristen.

Scheich Aweys erkennt die UN-gestützte somalische Regierung nicht an, mit der Scheich Sharif Ahmed, der als relativ gemäßigt geltende erste Führer des Islamischen Gerichtsrates, nach der Machtübernahme in Mogadischu einen Friedensvertrag unterzeichnet hatte. Islamistische Gruppierungen bekundeten ihre Absicht, in ganz Somalia die Macht zu übernehmen, und es besteht die reale Gefahr, dass die Union der Islamischen Gerichte den Norden des Landes angreift, der bislang als relativ friedliche Region galt. Die dortigen Provinzen sind in zwei autonome Regionen – Somaliland und Puntland – mit strategisch wichtigen Häfen entlang der Küste untergliedert. Träfe das ein, so würde sich Somalia zu einem zweiten, von den Taliban beherrschten Afghanistan entwickeln.

Die Menschenrechtslage in dem von der Union der Islamischen Gerichte kontrollierten Gebiet hat sich dramatisch verschlechtert. Letzte Woche wurde Martin Adler, ein unabhängiger schwedischer Journalist, auf einer Kundgebung der Anhänger von Scheich Aweys ermordet. Eine der ersten Anordnungen, die die Radikalislamisten in Mogadischu erließen, betraf die Schließung der Kinos und öffentlichen Säle, in denen die Fußballweltmeisterschaft übertragen werden sollte. Wie Presseagenturen berichteten, erschoss die islamische Militärpolizei während des Spiels Deutschland – Italien zwei Menschen und verletzte vier weitere. Der Besitzer des Kinos und eine junge Frau wurden getötet, als das Kino, in dem das Spiel gezeigt wurde, unter Beschuss geriet.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn eine Zuspitzung des Konflikts in Somalia verhindert werden soll, dann wäre es zweckdienlich, die Islamischen Gerichte in die föderale Übergangsstruktur des Landes einzubinden. Die somalischen Institutionen müssen unbedingt gestärkt werden, indem der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die Gerichte – zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt – das System mit vor dem Zusammenbruch bewahrt haben. Ansonsten wäre das Land schon längst unter den so genannten Kriegsfürsten aufgeteilt worden, die von den verschiedenen US-Regierungen toleriert und nachher sogar unterstützt wurden.

Die Europäische Union sollte wieder eine führende Rolle in Afrika übernehmen. Gleiches gilt für Italien, das sich aufgrund seiner historischen Bande wieder stärker in Somalia und dem gesamten Horn von Afrika engagieren müsste. So sollte Italien beispielsweise sein Einwanderungsverbot für somalische Flüchtlinge wieder aufheben, was eine der Forderungen von Herrn Dini gewesen ist. Das Verbot hat doch lediglich dazu geführt, dass die guten Beziehungen zwischen Italien und Somalia beeinträchtigt wurden und sich die somalischen Zuwanderer auf ganz Europa verteilt haben außer auf Italien, wohin sie eigentlich aufgrund der historischen Bande und Verantwortung am ehesten hätten gehen müssen. Italien nimmt Zuwanderer aus vielen Ländern auf, mit denen es weder eine historische Verantwortung aus der Kolonialzeit noch kulturelle Gemeinsamkeiten verbindet. Gleichzeitig aber lässt es die Somalier links liegen.

Es wäre wesentlich sinnvoller, wenn sich jeder EU-Staat jeweils um die Belange seiner ehemaligen Kolonien kümmern würde, und natürlich müsste jeder Staat auch ein Mandat für ein internationales Protektorat über die entsprechenden Länder erhalten.

 
  
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  Marek Aleksander Czarnecki (NI). – (PL) Herr Präsident! Angesichts des fortdauernden Bürgerkriegs in Somalia möchte ich meiner tiefen Besorgnis Ausdruck verleihen.

Seit über 15 Jahren hat Somalia keine funktionierende nationale Regierung. Dies stellt eine ernste Bedrohung für den Frieden und den Aussöhnungsprozess in diesem Land dar und gefährdet auch die Sicherheit und Stabilität auf der gesamten somalischen Halbinsel. Wir müssen die jüngsten Kämpfe in Mogadischu sowie die Ereignisse in Jowhar und andernorts im Land, die vielen Somali das Leben gekostet haben, entschieden verurteilen. Gleichzeitig müssen wir an alle Beteiligten appellieren, von Aktionen abzusehen, die zu einer Eskalation der Spannungen beitragen könnten, und den Dialog fortzuführen. Außerdem müssen die föderale Übergangsregierung und das föderale Übergangsparlament, die auf der Grundlage der Föderalen Übergangscharta die zentrale Regierungsgewalt in Somalia darstellen, in die Kooperationsbemühungen einbezogen werden

Wir müssen der somalischen Bevölkerung humanitäre Hilfe leisten und die Binnenvertriebenen und die Not leidenden Gemeinschaften unterstützen. Wir sollten deshalb alle Maßnahmen unterstützen, die gewährleisten, dass das internationale humanitäre Recht geachtet wird, und die dazu beitragen, den Hilfsorganisationen Zugang zur Not leidenden Bevölkerung zu gewähren und den Schutz der Mitarbeiter humanitärer Organisationen sicherzustellen.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Dieses Parlament und die Kommission sind sich völlig einig im Bestreben, für das Volk von Somalia eine friedliche und demokratische Existenz zu schaffen. Das kam in der Aussprache am heutigen Nachmittag nach den einleitenden Bemerkungen von Herrn Smith zu diesem Thema zum Ausdruck. Ich hoffe, in der Lage zu sein, insbesondere auf die Ziffern 6 und 8 bezüglich der Regierungstätigkeit und des Aufbaus von Institutionen in Somalia sowie des Schutzes der humanitären Hilfslieferungen und der Hilfeleistenden eine Antwort zu geben, um die Herr Smith mich gebeten hat.

Die heutige Aussprache zu Somalia findet zum rechten Zeitpunkt statt, da die Lage im Lande und in der Region insgesamt nach wie vor sehr bedrohlich ist. Die Kommission ist äußerst beunruhigt über die Gefahr, dass in Somalia erneut Krieg und Chaos herrschen könnten.

Seit der Errichtung der Übergangsinstitutionen im Jahr 2004 steht die Kommission an der Spitze der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um die Unterstützung der föderalen Übergangsinstitutionen in Somalia. Mein Kollege Michel verfolgt die Lage sehr aufmerksam und steht in regelmäßigem Kontakt mit Präsident Yusuf und Ministerpräsident Ghedi von Somalia sowie mit führenden Persönlichkeiten der Region.

Ich möchte mich in meiner Rede auf drei Hauptaspekte konzentrieren: erstens, auf den derzeitigen Stand des Dialogs zwischen den föderalen Übergangsinstitutionen und dem Rat Islamischer Gerichte; zweitens, auf die regionale Dimension der Krise in Somalia; und drittens, auf den Umfang der Unterstützung der Kommission für den Friedensprozess als wertvollsten Weg zur Förderung der Achtung demokratischer Prinzipien, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.

Zum ersten Aspekt, dem derzeitigen Stand des Dialogs zwischen den Institutionen und den islamischen Gerichten: Am 22. Juni trafen sich die föderale Übergangsregierung und Vertreter der Union islamischer Gerichte in Khartum und einigten sich grundsätzlich auf einen Dialog, auf eine gegenseitige Anerkennung und auf die Einberufung weiterer substanzieller Gespräche am 15. Juli, wiederum in Khartum. Diese Einigung wurde vom Hohen Vertreter Solana und von der Kommission begrüßt. Nach Auffassung der Kommission besteht damit die Chance für einen innersomalischen politischen Dialog, und es ist von entscheidender Bedeutung, die islamischen Gerichte einzubinden, um im Rahmen der föderalen Übergangsinstitutionen eine politische Lösung zu erreichen.

Die Lösung besteht nicht in einer Konfrontation mit den islamischen Gerichten: Diese würde nicht nur die Positionen aller Beteiligten radikalisieren, sondern auch den Extremisten Tür und Tor öffnen, um ihre Agenda zur Errichtung eines islamischen Staates, zur Einführung der Scharia und zur Schaffung eines sicheren Hafens für Al-Qaida-Zellen voranzutreiben.

Zweitens ist die regionale Dimension der Krise in Somalia von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig, dass alle regionalen Partner ein Zweckbündnis schließen und sich konstruktiv für den somalischen Friedensprozess engagieren. Destabilisierende Einmischungen anderer Länder der Region in die somalischen Angelegenheiten müssen zurückgewiesen und verurteilt werden.

Wir fühlen uns zu einer engen Zusammenarbeit mit der IGAD, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga auf der Suche nach einer politischen Lösung der Krise und zur Unterstützung ihrer Initiativen verpflichtet, wozu Herr Coveney uns aufgefordert hat. Die Kommission beabsichtigt, Somalia in einer umfassenderen regionalen Strategie für Frieden, Sicherheit und Entwicklung für das Horn von Afrika zu verankern. Diese Strategie wurde im Februar dieses Jahres den Staatschefs der IGAD von Kommissionsmitglied Michel vorgestellt.

Abschließend sei gesagt, dass die Kommission für Somalia der Hauptgeber ist; das derzeitige Hilfsprogramm beläuft sich auf insgesamt 300 Millionen Euro. Wir haben die somalische nationale Versöhnungskonferenz und die Einrichtung der föderalen Übergangsinstitutionen unterstützt und engagieren uns nunmehr für die weitere Verbesserung der Funktionsweise der Übergangsinstitutionen.

Am 28. Mai 2006 unterzeichneten Präsident Barroso und Kommissionsmitglied Michel mit der föderalen Übergangsregierung eine Absichtserklärung. Ich kann bestätigen, dass die Kommission plant, umgehend 22 Millionen Euro für die von der föderalen Übergangsregierung gesetzten Prioritäten der kurzfristigen Unterstützung der Regierungstätigkeit und des Aufbaus von Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.

Wir bleiben unverrückbar der Unterstützung des Friedenprozesses verpflichtet. ECHO, der humanitäre Arm der Kommission, wird ebenfalls direkte Nothilfe für die von den Kämpfen und auch von den Folgen der Dürre betroffene Zivilbevölkerung leisten. Jeder trägt eine Verantwortung dafür, dass die humanitäre Hilfe sicher an ihr Ziel gelangt und dass die Unversehrtheit und Sicherheit der Hilfeleistenden, die in diese äußerst wertvolle Arbeit eingebunden sind, gewahrt bleibt.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache von heute Nachmittag statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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