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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 5. September 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

16. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
Protokoll
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0325/2006).

Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.

Erster Teil

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 39 von Manuel Medina Ortega (H-0601/06)

Betrifft: Erweiterung und illegale Einwanderung

Welche Maßnahmen schlägt die Kommission im Hinblick auf die Erweiterung der EU um neue mittel- und osteuropäische Länder mit schwer kontrollierbaren Grenzen vor, um zu verhindern, dass durch die neuen Erweiterungen illegale Einwanderer aus Drittstaaten leichter in die Europäische Union gelangen?

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Bekanntlich ist von den neuen Mitgliedstaaten bei Beitritt ein Grenzkontrollregime auf hohem Niveau zu gewährleisten. Was die Aufhebung der Binnengrenzkontrolle angeht, so beurteilen Experten aus den Mitgliedstaaten und der Kommission, ob die neuen Mitgliedstaaten u. a. die strengen Schengener Auflagen für die Außengrenzkontrolle erfüllen.

Im Januar 2006 ist die Evaluierung des SIS-unabhängigen Besitzstandes der neuen Mitgliedstaaten angelaufen, und eine erste Bewertung des Standes der Vorbereitung wird dem Rat im Dezember vorliegen. Ich werde den Ministern Bericht erstatten.

Hinsichtlich der illegalen Einwanderung hat die Kommission in einer Mitteilung, die, wie Ihnen bekannt ist, am 19. Juli angenommen wurde, die Bereiche dargelegt, die ihrer Ansicht nach künftig Vorrang haben sollten. In der Mitteilung wird vor allem untersucht, wie die Außengrenzen noch besser gesichert werden können, z. B. mit Hilfe einer intelligence-gestützten Grenzverwaltung („e-borders management“). Ferner werden Möglichkeiten für ein automatisiertes Ein- und Ausreisesystem, die Regularisierungsproblematik und das Problem der Beschäftigung von illegal in der EU aufhältigen Drittstaatsangehörigen geprüft.

Ferner möchte ich unterstreichen, dass die Kommission im Juli einen Vorschlag für einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams an den Grenzen beschlossen hat. Dieser Mechanismus, der die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft stärken wird, wird Mitgliedstaaten, die bei der Kontrolle ihrer Außengrenzen auf außerordentliche Hindernisse stoßen, die Möglichkeit geben, zeitweilig Know-how und personelle Ressourcen von Grenzkontrollbehörden anderer Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Präsident! Die Ereignisse der letzten Tage scheinen ein Beweis dafür zu sein, dass die Europäische Union nicht auf die Wellen von Einwanderern aus Gebieten nahe der Union vorbereitet ist. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass wir mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien im kommenden Jahr eine neue Seegrenze der Europäischen Union am Schwarzen Meer haben werden, dass dort am Schwarzen Meer Länder wie die Ukraine, die Republik Moldau, Russland, Georgien, Armenien und die Türkei liegen und dass dieses Meer für uns eine Öffnung nach ganz Asien bedeutet.

Plant die Europäische Kommission, für das Schwarze Meer ein ähnliches System zu errichten, wie sie es gegenwärtig im Atlantik aufzubauen beginnt, um eine Lawine von Einwanderern aus dem asiatischen Kontinent in die Europäische Union zu verhindern?

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann dem Fragesteller mitteilen, dass eine der Prioritäten, mit der wir uns gegenwärtig gemeinsam mit dem finnischen Vorsitz befassen, eben die Vorlage eines europäischen Modells zur integrierten Überwachung der Seegrenzen bis Dezember betrifft, wobei wir im Oktober eine erste Einschätzung vornehmen wollen.

Wir sind uns bewusst, dass eine Seegrenze etwas ganz anderes als eine Landgrenze oder eine Flughafengrenze ist, und selbstverständlich wird auch das Schwarze Meer zu den Gebieten gehören, denen unsere Aufmerksamkeit gilt.

Ich kann dem Fragesteller nur berichten, dass ich erst gestern wieder eine Begegnung mit dem bulgarischen Innenminister hatte und ihn erneut auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, dass sich Bulgarien und Rumänien angemessen darauf vorbereiten müssen, einen starken europäischen Beitrag zur Kontrolle einer äußerst sensiblen Grenze zu leisten.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Die illegale Einwanderung gehört eingedämmt, das ist keine Frage. Gerade das Beispiel des Kollegen Medina Ortega zeigt jedoch Praktiken — in seinem Heimatland — auf, durch die nationale Regierungen mit der so genannten Legalisierung von illegal Eingewanderten eigentlich das falsche Signal setzen. Sieht die Kommission hier Möglichkeiten und gedenkt sie auch hier Signale zu setzen, um derartige Maßnahmen abzustellen? Am Ende gelangen diese illegalen Einwanderer nämlich in alle anderen Mitgliedsländer innerhalb der Union.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (FR) Sie haben ein Thema angesprochen, das wirklich Priorität genießt. Ich habe bei mehreren Gelegenheiten erklärt, dass durch das enorme Problem der massenhaften Legalisierung von Einwanderern die Gefahr besteht, dass der Grundsatz der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ausgehöhlt wird. Wir haben dieses Thema im Rat zum ersten Mal vor etwa 14 Monaten beraten.

Damals haben wir beschlossen, dass jeder nationalen Maßnahme zur Legalisierung von illegalen Einwanderern eine europäische Konsultation vorausgehen sollte, die es dem rotierenden Ratsvorsitz und der Europäischen Kommission erlaubt, zu den Folgen dieser Maßnahme auf die übrigen Mitgliedstaaten Stellung zu nehmen. Auch da haben wir vom Solidaritätsgrundsatz gesprochen, und wir haben ein Dokument angenommen, das zwar formell noch nicht in Kraft getreten ist, jedoch den Rang einer politischen Entscheidung hat. Deshalb fordere ich jeden EU-Mitgliedstaat auf, der Legalisierungsmaßnahmen in Betracht zieht, dieser Pflicht der vorherigen Konsultation nachzukommen, damit andere Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, Maßnahmen zu treffen, mit denen die Folgen von solchen massenhaften Legalisierungen berücksichtigt werden können.

 
  
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  James Hugh Allister (NI). – (EN) Herr Kommissar! Ausgehend davon, dass Bulgarien in den letzten Jahren in großem Maßstab Einwanderer aus der Republik Moldau, der Ukraine, Russland und aus anderen Ländern eingebürgert hat, würde mich interessieren, welche realistischen Schritte eingeleitet werden, um dieser verdeckten Einwanderung über Bulgarien und Rumänien zu begegnen.

Würden sich Länder wie mein Heimatland, das Vereinigte Königreich, in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten anderen Mitgliedstaaten nach der Erweiterung von 2004 keinen angemessenen Anteil an Zuwanderern aufgenommen haben, nicht vollkommen zu Recht weigern, ihre derzeitige Politik der offenen Tür auf Rumänien und Bulgarien auszudehnen?

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Das ist gewiss ein sehr heikles Thema, und ich kann nur bekräftigen, dass ich diese Frage persönlich in meinen, auch jüngsten, Gesprächen sowohl mit den bulgarischen als auch den rumänischen Regierungsbehörden angeschnitten habe.

Die Antworten sind insofern ermutigend, als sich diese zwei kurz vor ihrem Beitritt stehenden Bewerberländer über die möglichen Auswirkungen der doppelten Staatsbürgerschaft auf die anderen Mitgliedstaaten der Union im Klaren sind. Sie haben uns jedoch mit einem Problem konfrontiert, mit dem sich die Europäische Union befassen muss. Es geht darum, dass Länder wie die Ukraine und die Republik Moldau nachdrücklich eine neue Regelung für Visumerleichterungen für den befristeten Aufenthalt im Gebiet der Europäischen Union verlangt haben. Wenn wir diese energischen Forderungen nach einem System zur Visumerteilung für die Ukraine und die Republik Moldau nicht ernsthaft in Betracht ziehen, werden die Bürgerinnen und Bürger dieser Staaten zweifellos versuchen, gefährliche Hintertüren zu nutzen.

Was die Freizügigkeit von Arbeitnehmern anbelangt, so enthalten die Beitrittsverträge mit Rumänien und Bulgarien selbstverständlich Hinweise auf die Möglichkeit, während einer Übergangszeit die Freiheit von Arbeitnehmern, in andere Länder der Europäischen Union zu reisen, zu verlängern.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission besteht in Bezug auf die zehn neuen, der Union bereits seit 2004 angehörenden Mitgliedstaaten nicht mehr die Gefahr, dass ihre Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt überschwemmen, wozu wir auch eine Mitteilung veröffentlicht haben.

Wenn die beiden neuen Mitgliedstaaten, wie ich persönlich hoffe, Anfang nächsten Jahres beitreten, werden sie selbstverständlich Beschränkungen unterliegen, weil es sich um neue Mitgliedstaaten in der zweiten Erweiterungsphase handelt.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 40 von Johan Van Hecke (H-0613/06)

Betrifft: Amerikanische Rohölvorräte

Die amerikanischen Rohölvorräte stiegen in der am 16. Juni endenden Woche um 1,4 Millionen Barrel auf 347,1 Millionen Barrel. Die amerikanischen Erdölreserven sind nun auf dem höchsten Stand seit Mai 1998.

Wurde diese Frage auffallend hoher Erdölreserven der USA auf dem jährlichen Gipfel EU-USA in Wien besprochen? Könnte es sein, dass die USA die großen Reserven horten, um so den Preis für Erdöl – mit allen negativen Folgen für die europäische Wirtschaft – künstlich hoch zu halten? Wie hoch sind die Einfuhren amerikanischen Rohöls in die EU?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Es stimmt, dass die amerikanischen Reserven an Rohöl und Erdölprodukten derzeit einen Höchststand erreicht haben. Doch wachsende Reserven an Rohöl und Erdölprodukten gleich in welchem Verbraucherland dürften normalerweise keinen Anstieg des Ölpreises auf dem Weltmarkt auslösen.

Zahlreiche Experten vertreten die wohl dokumentierte statistische Annahme, dass sich der Preis für Öl und Ölprodukte mit wachsenden Reserven in den großen Verbraucherländern zunehmend entspannt. Das hängt damit zusammen, dass der Risikozuschlag ein wichtiges Element des Ölpreises auf dem Weltmarkt darstellt und von den Marktakteuren auf der Grundlage von Evaluierungen verschiedener Risikofaktoren in den Preis eingerechnet wird. Neben politischen Überlegungen stellt die Wahrscheinlichkeit einer Versorgungsunterbrechung aufgrund unzureichender zusätzlicher Kapazitäten und Reserven einen der wichtigsten Risikofaktoren dar. Folglich erzeugen beruhigend große oder gar einen Höchststand erreichende Vorräte an Rohöl oder Erdölprodukten in wichtigen Verbraucherländern wie den USA bei der großen Mehrzahl von Akteuren auf den globalen Ölmärkten den Eindruck, dass das Risiko sinkt.

Ausgehend davon war es nicht notwendig, die Frage der amerikanischen Vorräte an Rohöl und Erdölprodukten auf dem jährlichen Gipfel EU-USA zu diskutieren.

Was die Rohöleinfuhren der Europäischen Union aus den USA betrifft, so ist festzustellen, dass die USA in den letzten drei Jahren verschwindend geringe Mengen an die EU geliefert haben – weniger als eine Million Tonnen pro Jahr. Das sind weniger als 0,2 % der gesamten Rohöleinfuhren der EU. Es ist sogar so, dass die USA selbst zunehmend auf Rohöleinfuhren angewiesen sind.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Pläne für wasserstoffbetriebene, preisgünstige Autos liegen ja seit Jahren in den Schubladen. Einige Hersteller sind nun auch in der Lage, Hybrid-Pkws zum selben Preis wie herkömmliche Autos anzubieten. Mit welchen konkreten Maßnahmen werden derartige Alternativen seitens der EU gefördert, um von der US-amerikanischen Erdölpolitik, aber auch von den Erdöl erzeugenden Ländern unabhängiger zu sein?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Es stimmt, dass angesichts der Ölpreissituation seit September 2005 eine Reihe von Initiativen geprüft wurde, die auch Eingang in den von Kommissar Piebalgs vorgelegten Fünf-Punkte-Plan gefunden hatten. Im Grünbuch über eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie wurden sie weiterentwickelt.

Ziel der Kommission ist es, die Abhängigkeit der EU von Öleinfuhren schrittweise durch Erhöhung der Energieeffizienz einerseits und die Ablösung von Öl durch andere Energiequellen einschließlich Biomasse und anderer erneuerbarer Energiequellen andererseits zu senken. Sie strebt ferner den Ausbau des Dialogs zwischen Produzenten und Verbrauchern mit den Erdöl produzierenden Ländern an, um die Erkundung und Erschließung zur Abdeckung der wachsenden globalen Nachfrage zu fördern. Sie setzt sich für Transparenz und Berechenbarkeit am Ölmarkt sowie eine entsprechende Planung für Krisenfälle ein. Zu diesem Zweck hält sie die Mitgliedstaaten an, ihre Vorräte auf dem in der entsprechenden EU-Gesetzgebung vorgeschriebenen Niveau zu halten.

Dabei ist zu bedenken, dass sich all diese Maßnahmen – sowohl was den Kraftstoffeinsatz für PKW als auch Biomasse und die anderen eben erwähnten Maßnahmen betrifft – vor allem mittel- bis langfristig positiv auswirken werden und nicht für die unmittelbare Zukunft gedacht sind.

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE). – Eines unserer Ziele besteht ja darin, die Unabhängigkeit der Europäischen Union in der Energieversorgung etwas zu erhöhen. Eine wichtige Maßnahme ist dabei zweifelsohne ein Ausweichen in alternative, erneuerbare Energieformen.

Welche besonderen Formen erneuerbarer Energie werden Sie in nächster Zeit durch Maßnahmen gezielt fördern und in welcher Größenordnung? Können Sie das auch beziffern?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Der Plan von Herrn Piebalgs enthält diesbezüglich eine ganze Reihe. Deshalb möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Energieformen schwerpunktmäßig herausgreifen. Biokraftstoffe zählen zu den Prioritäten in der Europäischen Union. Darüber wie auch über andere Formen wie Wind- und Sonnenenergie wurde im Kollegium der Kommissare sowie im Rat diskutiert. Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, kann aber dafür sorgen, dass Sie von meinem Kollegen eine ausführliche schriftliche Antwort auf Ihre Frage erhalten.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 41 von Karl-Heinz Florenz (H-0639/06)

Betrifft: Klassifizierung des Passivrauchens als Humankanzerogen

In seiner Entschließung zum Europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit 2004-2010 vom 23. Februar 2006 ermutigt das Parlament die Kommission, Tabakrauch in der Umwelt so schnell wie möglich als krebserzeugenden Stoff der Kategorie I einzustufen. In der informellen Konsultation zu im Hinblick auf rauchfreie Zonen verfolgte Politiken auf EU-Ebene, die durch die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz durchgeführt wurde (Frist 14. Juni), wird hierauf jedoch kein Bezug genommen.

Hat die Kommission bzgl. der Kennzeichnung des Passivrauchens als Humankanzerogen Maßnahmen ergriffen? Falls nein, warum nicht?

Beabsichtigt die Kommission, der Empfehlung des ASPECT Berichtes zu folgen und Passivrauchen als krebserregenden Arbeitsstoff zu klassifizieren? Wenn nein, warum nicht?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte Herrn Florenz danken, denn jedes Mal, wenn er Fragen zu diesem Thema stellt, bringt das unsere Politik voran.

Es stimmt, dass Schätzungen zufolge 25 % aller Krebserkrankungen in der Europäischen Union auf das Rauchen zurückzuführen sein könnten. Die Weltgesundheitsorganisation, die finnische und die deutsche Regierung sowie amerikanische Agenturen haben Tabakrauch in der Umwelt bereits als Humankanzerogen eingestuft. Wie ich bereits bei zahlreichen Gelegenheiten in diesem Haus erklärt habe, zählen Maßnahmen für ein rauchfreies Europa zu meinen wichtigsten Prioritäten. Die Kommission beabsichtigt, noch in diesem Jahr ein Dokument über rauchfreie Zonen vorzulegen, das Maßnahmen zur Bekämpfung des Passivrauchens in Europa vorsehen wird.

Es ist richtig, dass die Klassifizierung von Tabakrauch in der Umwelt in der informellen Konsultation der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz nicht erwähnt wird. Das hängt mit ihrem vorläufigen und informellen Charakter und damit zusammen, dass es dabei darum ging, die Ansichten ausgewählter Akteure einzuholen. Wir messen der Ansicht des Parlaments, dass eine Einstufung von Tabakrauch als Kanzerogen ratsam wäre, jedoch große Bedeutung bei.

Das Problem ist rechtlicher und nicht politischer Natur, denn wir sind einer Meinung. Es gibt eine Lücke in der europäischen Gesetzgebung. Deshalb schlage ich vor, in zwei Richtungen tätig zu werden. Erstens haben wir das Problem, dass sich die in der Europäischen Union für gefährliche Produkte und Stoffe geltenden Rechtsvorschriften nicht auf Rauch als solchen erstrecken, sondern lediglich auf Erzeugnisse, die in den Verkehr gebracht werden. Folglich weist die Gesetzgebung eine Lücke auf.

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass bei der Gesetzgebung zum Schutz vor krebserzeugenden Stoffen am Arbeitsplatz ein ähnlicher Ansatz verfolgt wurde. Bedauerlicherweise erstrecken sich diese beiden Rechtsakte lediglich auf gefährliche Stoffe und Zubereitungen, die in den Verkehr gebracht werden. Für die Zwecke dieser beiden Rechtsakte gilt Tabakrauch als solcher nicht als ein Produkt.

Wir verfolgen zwei Ansätze. Einerseits werden wir dafür sorgen, dass wir im Konsultationsdokument, das wir über die rauchfreie Umwelt herausgeben werden, Tabakrauch in der Umwelt analog zur Einstufung durch die WHO, die USA, Deutschland und Finnland als Kanzerogen einstufen und damit also die richtigen Informationen bereitstellen werden. In Anbetracht dessen, dass die Bestandteile und Inhaltsstoffe von Rauch durch die Gemeinschaftsgesetzgebung bereits als krebserregende Substanzen – wie Arsen, Butadien, Benzol, Stickstoffoxide und andere Oxide – eingestuft werden, werden wir gleichzeitig für einen entsprechenden Verweis sorgen. Folglich können wir Tabakrauch in der Umwelt noch nicht per Gesetz als Kanzerogen einstufen, aber wir können feststellen, dass Tabakrauch Bestandteile und Inhaltsstoffe enthält, die krebserregend sind. Ich denke, das ist eine sehr deutliche Aussage. Das ist etwas, das wir in der unmittelbaren Zukunft tun können.

Langfristig hoffen wir jedoch, Möglichkeiten zu prüfen und Wege zu finden, um die europäische Gesetzgebung so zu nutzen oder abzuändern, dass es uns gelingt, Tabakrauch in der Umwelt an sich als Kanzerogen einzustufen. Dazu könnte u. a. eine Abänderung unserer Rechtsvorschriften geprüft werden. Außerdem dauert die Diskussion der Überprüfung der Rechtsvorschriften über krebserregende Stoffe am Arbeitsplatz noch an, und vielleicht sollten wir prüfen, ob wir das ebenfalls aufnehmen sollten. Das würde für den Arbeitsplatz gelten, aber es wäre ein erster Schritt.

Abschließend kann ich feststellen, dass wir in dem schon bald – noch in diesem Jahr – erscheinenden Dokument alle nur denkbaren Aspekte erfassen werden. Doch vorläufig gilt es, unsere geltenden Gesetze zu verbessern, um sicherzustellen, dass wir auch über die gesetzliche Kompetenz zur Einstufung von Tabakrauch in der Umwelt als krebserregenden Stoff verfügen.

 
  
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  Karl-Heinz Florenz (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Sie werden verstehen, dass ich im Angesicht der Tatsache, dass in Europa durch Passivrauchen 10.000 Menschen im Jahre ihr Leben verlieren, dass ich nicht besonders glücklich bin mit Ihrer Erklärung.

Gleichwohl verstehe ich natürlich, dass es im Gesetz Lücken gibt. Aber wenn ich das richtig verstehe, dann sind Sie doch dafür da, diese Lücken zu schließen. Wenn ich mir überlege, wie wir bei der BSE-Krise, bei vagem Verdacht von Gefährdung, die gesamte Lebensmittelpolitik Europas in ein bis zwei Jahren auf den Kopf gestellt haben, dann sollten wir in dieser Frage, wo tatsächlich Fakten vorliegen, nämlich etwa 10.000 Opfer im Jahr, wirklich aktiver werden.

Wir dürfen Sie darüber informieren, dass meine Fraktion hier sicherlich versuchen wird einen Initiativbericht in diese Richtung auf den Weg zu bringen, um Sie zu unterstützen.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Ich könnte auch auf die Probleme für Atemwege und Lungen verweisen, die heute in einem Bericht erwähnt werden, der meines Wissens in der britischen Presse veröffentlicht wurde, und die durch passives Rauchen verursacht werden. Wir wissen auch, dass es Herzerkrankungen verursachen kann.

Wie Sie dem demnächst erscheinenden Dokument entnehmen werden können, besteht unser Ziel in der Schaffung einer rauchfreien Umwelt in der Europäischen Union. All diese Argumente ebnen uns den Weg dorthin. Wir werden dieses Ziel weiter verfolgen, aber vorläufig werden wir prüfen, welche Änderungen an unseren existierenden Rechtsvorschriften erforderlich sind, damit auch wir eine entsprechende Einstufung vornehmen können. Wenn das die Mitgliedstaaten und andere internationale Organisationen können, dann sehe ich nicht ein, wieso die Europäische Union dazu nicht auch in der Lage sein sollte.

 
  
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  David Martin (PSE). – (EN) Herr Kommissar! Haben Sie diese Woche Presseberichte gelesen, die zumindest in der britischen Presse zu finden waren, denen zufolge ein deutscher Unternehmer plant, auf der Strecke Europa Asien Raucherflüge anzubieten?

Erstens, verurteilt der Kommissar dies, und hat die Kommission zweitens irgendwelche rechtlichen Möglichkeiten, um dieses Vorhaben zu unterbinden?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Ich fürchte nicht. Ich weiß nicht, wer unter solchen Bedingungen fliegen möchte. Ich habe selbst eine kleine Umfrage durchgeführt und Raucher gefragt, ob sie mit einem Rauch gefüllten Flugzeug fliegen würden, und sie sagten „Nein“.

Bekanntlich gibt es keine Gemeinschaftsvorschriften, die Rauch in Flugzeugen verbieten. Die Entscheidung liegt bei den Mitgliedstaaten. Folglich sind dafür auch künftig die Mitgliedstaaten verantwortlich. Angesichts jüngster Informationen, denen zufolge sich Deutschland für eine rauchfreie Umwelt einsetzt, hoffe ich, dass man dies dort prüfen wird und dass 2007 entsprechende Rechtsvorschriften in Kraft treten werden.

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Wir wollen alle nicht in einer Welt leben, wo alles verboten ist, aber ich glaube, beim Rauchen, insbesondere beim Passivrauchen, haben wir es mit einem Phänomen zu tun, wo wir andere durch aktives eigenes Tun schädigen. Die europäischen Gaststätten und Restaurants haben sich ja selbst verpflichtet, gewisse Teile ihrer Fläche als rauchfrei auszuweisen. Aber dies ist nur eine Selbstverpflichtung. Können Sie sich vorstellen, eine europäische Regelung zu erlassen, der zufolge bestimmte Teile auch rauchfrei sein müssen und dies auch kontrolliert wird, denn die Kontrolle funktioniert in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gut?

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Ich bin sicher, Sie wissen, dass ich dazu ganz konkrete Ansichten vertrete, aber ich möchte nicht das Ergebnis des Konsultationsprozesses über rauchfreie Zonen vorwegnehmen, der in Kürze anlaufen wird. Ausgehend davon werden wir sehen, welche Schritte als Nächstes auf europäischer Ebene eingeleitet werden können.

Ich freue mich sehr, dass ein Mitgliedstaat nach dem anderen ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen einführt. Litauen und Slowenien haben kürzlich ähnliche Beschlüsse gefasst, und Deutschland wird sich demnächst anschließen. Doch im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft insgesamt wird die Kommission das Ergebnis des Konsultationsprozesses abwarten, bevor sie über die nächsten Schritte entscheidet. Wie ich in meinen Anhörungen vor den Ausschüssen des Parlaments sagte, strebe ich ein rauchfreies Europa und den Schutz aller Bürger – nicht nur der Bürger in einigen Mitgliedstaaten – vor passivem Rauchen an.

Meiner Ansicht nach reicht eine Trennung der Raucher von den Nichtrauchern nicht aus und bietet keinen ausreichenden Schutz. Wenn wir eine Lösung erreichen wollen, die allen zugute kommt, dann müssen wir ein totales Rauchverbot anstreben. Dennoch freue ich mich auf den Beitrag des Parlaments zum Konsultationsprozess.

 
  
  

Zweiter Teil

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 42 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0599/06)

Betrifft: Maßnahmen zur Steigerung der Lebensfähigkeit von KMU

Im Jahr 2005 waren 140 000 Firmenbankrotte in der EU-15 zu verzeichnen, 1,5 Millionen Arbeitsplätze waren gefährdet. Im selben Jahr kam es in Griechenland im Vergleich zum Jahr 2004 zu einem bedeutenden Anstieg (54,55 %) der Zahl der griechischen KMU, die einen Konkurs anmeldeten. Welche Maßnahmen wird die Kommission angesichts dieser Situation unmittelbar zur Rettung der KMU treffen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss zunächst feststellen, dass die Kommission keine direkte Zuständigkeit im Bereich der Konkursgesetzgebung hat. Dennoch ist dieser Bereich besonders wichtig für kleinere und mittlere Unternehmen und darum bemüht sich die Kommission, hier eine Vermittlerrolle zu spielen.

Wir haben dafür gesorgt, dass bewährte Verfahren bekannt gemacht werden, und haben die Mitgliedstaaten ermutigt, bewährte Verfahren auch einzuführen. Die Kommission sieht den Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, Insolvenzen zu verhindern, Umstrukturierungen zu fördern und nicht darin, Unternehmen abzuwickeln. Wir bemühen uns um unternehmensfreundlichere Bestimmungen bei nichtbetrügerischen Insolvenzen, und schließlich beschäftigen wir uns mit der Frage der Unterstützung bei einem Neubeginn, also der Frage der zweiten Chance.

In der europäischen Charta für Kleinunternehmen wird darauf hingewiesen, dass manche Insolvenzfälle auch bei verantwortungsvoller Initiative und dem Eingehen von unternehmerischen Risiken auftreten können. Dementsprechend wird eine Überprüfung der nationalen Insolvenzgesetze unter Berücksichtigung bewährter Verfahren gefordert. In dieser Hinsicht sind verschiedene Schritte unternommen worden. Im Frühjahr 2001 gab es ein Seminar über das Scheitern von Unternehmen in Noordwijk. Wichtigste Themen dabei waren die Verbesserung der Konkursgesetze und die Verhinderung von Insolvenzen. Mitte 2002 ist die Studie „Bankruptcy and a Fresh Start“ mit einer Sammlung von Daten zu rechtlichen und sozialen Konsequenzen von Unternehmensinsolvenzen veröffentlicht worden.

Diese Untersuchung bildet die Grundlage für das Best-Projekt der Kommission „Umstrukturierung, Konkurs und Neubeginn“ aus dem Jahre 2003, in dessen Mittelpunkt zwei zentrale Fragen standen: Wie weit steht das nationale Insolvenzrecht dem Weiterbestand eines Unternehmens und einem Neubeginn entgegen? Wie wirkt sich der Makel des Scheiterns auf die Erfolgsaussichten beim Neubeginn gescheiterter Unternehmen und auf den Unternehmergeist im Allgemeinen aus?

Die Ergebnisse dieses Projekts wurden in einem Bericht vorgestellt, mit dem der Trend in der europäischen Politik unterstützt werden sollte, den rechtlichen Rahmen der Konkursgesetze zu ändern. Die wichtigsten Empfehlungen und Benchmarks reichten von der Betonung der Nützlichkeit externer Beratung bei der Verhinderung von Insolvenzen über die Bedeutung aktueller und verlässlicher Insolvenzgesetze für die Förderung von Schlichtungen und Umstrukturierungen bis hin zur Bedeutung einer klaren Unterscheidung zwischen betrügerischem und nichtbetrügerischem Konkurs, sowie einer entsprechenden Zuordnung unterschiedlicher rechtlicher Konsequenzen. Der Bericht hat in der Tat zu einer Verstärkung der europaweiten Bemühungen um eine Reform des Insolvenzrechts beigetragen.

Als Antwort auf einige Stellungnahmen zu dem Grünbuch „Unternehmergeist in Europa“ erweiterte die Kommission 2004 den Aktionsplan für unternehmerische Initiative um eine Schwerpunktmaßnahme zu Unternehmensinsolvenzen mit drei spezifischen Zielen.

Erstens, Anhalten der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Empfehlungen des Abschlussberichts der Sachverständigengruppe „Umstrukturierung, Konkurs und Neubeginn“. Zweitens, besseres Verständnis unternehmerischen Scheiterns, drittens, Förderung präventiver Maßnahmen für Unternehmen in der Gefahrenzone.

In Bezug auf die Ziele 2 und 3 entwickelt die Kommission gegenwärtig im Rahmen des mehrjährigen Projekts „Stigma des Scheiterns und Frühwarninstrumente“ ein Informations-Kit, sowie Selbstbewertungstests für Unternehmer zur Früherkennung unternehmerischer Risikofaktoren, wenn die Aussichten auf Abhilfe noch gut sind.

Am 28. März 2006 hat die Kommission in Brüssel eine Konferenz zum Thema „Insolvenz und Neubeginn“ veranstaltet. Diese Konferenz befasste sich mit Methoden zur Verhinderung von Insolvenzen, mit der Bekämpfung des Stigmas eines gescheiterten Unternehmens sowie der Förderung eines Neubeginns nach nichtbetrügerischen Unternehmensinsolvenzen.

Es gibt positive Anzeichen für die Umsetzung dieser Schwerpunkte auf nationaler Ebene. So enthielten die von zirka einem Drittel der Mitgliedstaaten vorgelegten nationalen Reformprogramme im Rahmen der Lissabon-Strategie — dazu gehört übrigens auch Griechenland — für das Jahr 2005 auch Pläne zur Reform des nationalen Konkursrechts.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Vielen Dank für die umfassende Antwort und die detaillierten Informationen zu den Maßnahmen der Kommission und des Rates.

Ich möchte Sie fragen, ob die internationalen Verpflichtungen der Europäischen Union zu Firmenbankrotten sowie zu unvorhergesehenen Firmenpleiten beitragen.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Wie ich schon sagte: Wir haben auf europäischer Ebene keine Kompetenz für diese Frage. Wir können also nicht gesetzgeberisch tätig werden und wir können auch nicht in internationalen Zusammenhängen tätig werden. Das Einzige, was wir tun können, ist das, was ich Ihnen geschildert habe: mit Hilfe von Zusammenarbeit, Koordinierung und Erfahrungsaustausch in den Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass bessere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wie ich Ihnen gesagt habe: In einigen Ländern ist dies bereits geschehen, einige Länder sind noch im Prozess begriffen, und bei einigen ist die Situation noch unbefriedigend.

Ich kann Ihnen heute sagen, dass wir uns in der Vorbereitung des nächsten Jahresberichts über die Umsetzung der Lissabon-Strategie mit diesem Thema besonders beschäftigen werden, unter besonderer Berücksichtigung jener Länder, in denen das Insolvenzrecht immer noch ein Hindernis für Wachstum und Beschäftigung darstellt.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Zunächst möchte ich meine Bewunderung dafür zum Ausdruck bringen, dass die Kommission in der Lage ist, detaillierte und schwierige Fragen zu KMU in Griechenland zu beantworten.

Das Beste, was wir in Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen tun können, ist die Fortsetzung der Liberalisierung der Märkte und vor allem der Umsetzung der vier bereits existierenden Grundfreiheiten. Ich habe folgende Frage. Können Sie uns heute bitte garantieren, dass Sie dem von zahlreichen vor allem deutschen Gewerkschaften ausgehenden Druck zur Verwässerung der Dienstleistungsrichtlinie, zu der ein so erfreulicher Kompromiss zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament erzielt wurde, widerstehen werden?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Abgeordneter, es fällt mir zwar schwer, den Zusammenhang zwischen Ihrer Frage und dem Problem des Insolvenzrechts zu erkennen, das hier diskutiert wird. Gleichwohl bin ich in der Lage, Ihre Antwort zu beantworten. Die Kommission ist ganz fest entschlossen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit die Dienstleistungsrichtlinie so verabschiedet wird, wie es dem im Europäischen Parlament erreichten Kompromiss entspricht.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kommissar! Wenn Großbetriebe in Konkurs gehen, bekommen viele kleine Betriebe oftmals ihre Rechnungen nicht bezahlt. Könnten Sie sich in so einem Fall vorstellen, dass der Europäische Investitionsfonds — zumindest für eine gewisse Zeit — eine Ausfallgarantie oder ein Eigenkapitalersatzdarlehen zur Verfügung stellen könnte?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Sie werden verstehen, dass diese Frage geprüft werden muss, denn ich würde mit dieser Antwort Institutionen binden, für die ich nicht direkt verantwortlich bin. Lassen Sie es mich etwas allgemeiner sagen: Ich glaube in der Tat, dass die Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, um Folgen plötzlichen Strukturwandels abzumildern, auch in solchen Fällen eingesetzt werden können. Ich könnte mir also in Einzelfällen durchaus auch kreative Finanzinstrumente vorstellen; das muss aber wirklich von Fall zu Fall geprüft werden.

Auch hier haben wir das Problem, dass eine europäische Gesetzgebung in dem Rahmen, den wir heute haben, zu diesem Thema jedenfalls nicht möglich ist.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 43 von Jan Andersson (H-0626/06)

Betrifft: Industriepolitik

Eine integrierte europäische Industriepolitik ist zu begrüßen. So wie sie sich darstellt, ist sie jedoch allzu einseitig auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet. Die Wettbewerbsfähigkeit ist natürlich wichtig, damit sich die Industrie entwickeln kann, doch wäre es wünschenswert gewesen, wenn man die beschäftigungspolitischen Aspekte mehr beachtet hätte.

In welcher Weise wird die Kommission die Beschäftigungspolitik in die integrierte Industriepolitik einbeziehen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Die Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes in Europa ist in einer globalisierten Welt die entscheidende Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung. Die Vorschläge für eine moderne Industriepolitik, die die Kommission vorgelegt hat, dienen genau dem Ziel, das Beschäftigungspotenzial, das in der europäischen Industrie liegt, nicht nur vollständig auszuschöpfen, sondern noch stärker auszuweiten.

Es besteht also eine ganz direkte Beziehung zwischen Beschäftigungspolitik und Industriepolitik. Ich bin dankbar für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, etwas klarzustellen: Die Industriepolitik, für die ich stehe, und die Kommission mit mir, ist keine Industriepolitik, die die Interessen des shareholder value vertritt, sondern sie ist eine Industriepolitik, der es darum geht, hochwertige industrielle Arbeitsplätze in Europa auf Dauer zu sichern.

Hauptziel der Politik, die ich vertrete, ist es, den Menschen Arbeitsplätze in ausreichender Zahl und in guter Qualität zur Verfügung zu stellen. Entgegen einer Meinung, die es früher in Europa gab, sind wir heute mehr denn je davon überzeugt, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden, ohne eine starke industrielle Basis in Europa, also ohne ein starkes, leistungsfähiges, wettbewerbsfähiges verarbeitendes Gewerbe.

Ich will Sie dann noch auf einige Teilaspekte unserer Politik aufmerksam machen, die sich ganz spezifisch mit der Frage der Verbindung von Industriepolitik und Beschäftigungspolitik befassen. Ich erwähne hier insbesondere den von der Kommission vorgeschlagenen und inzwischen eingerichteten Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung. Die dort vorgesehenen Mittel sind ja in erster Linie dafür gedacht, Arbeitnehmern zu helfen, sich im Falle eines rapide eintretenden Strukturwandels weiter zu qualifizieren oder einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Ich will Sie darauf hinweisen, dass die Kommission derzeit an einer Politik arbeitet, bei der es darum geht, Qualifikationsdefizite in Europa zu beseitigen, Arbeitsinhalte aufzuwerten und die Beschäftigungsmöglichkeiten in einer Vielzahl von Branchen zu verbessern. Ich nenne namentlich die Informations- und Kommunikationstechnologie, Maschinenbau, Textil- und Lederindustrie und verschiedene Branchen des Grundstoff- und des Produktionsgütergewerbes.

Des Weiteren leistet die Europäische Union einen Beitrag zu besser funktionierenden Arbeitsbeziehungen und sie fördert mit großem Nachdruck die soziale Verantwortung der Unternehmen. Und wiederum gibt mir Ihre Frage die Möglichkeit, an die Adresse der europäischen Unternehmen ganz klar zu sagen: Es kann niemals das einzige Unternehmensziel sein, hohe Gewinne zu erzielen, sondern es ist immer so, dass ein europäisches Unternehmen eine soziale Funktion hat. Es hat eine Verantwortung in der Gesellschaft und diese Verantwortung bezieht sich vor allen Dingen auf die Arbeitsplätze.

Sie sehen also, dass es eine ganz künstliche Trennung wäre, die Industriepolitik, die wir betreiben, separat von der Beschäftigungspolitik zu betrachten. Man kann es vielleicht in einem einzigen Satz zusammenfassen: Moderne Industriepolitik in Europa ist ein ganz wesentlicher und unverzichtbarer Beitrag zur Verbesserung der Beschäftigungschancen.

 
  
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  Jan Andersson (PSE). – (SV) Vielen Dank für Ihre Antwort, die ich für gut halte. Ich sehe ebenfalls keinen Widerspruch zwischen Wettbewerbspolitik und Beschäftigungspolitik. Meiner Meinung nach sollte man künftig vielleicht die Beschäftigungspolitik stärker betonen. Eine starke Industriepolitik in Europa ist wichtig, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist es jedoch auch von Bedeutung, dass wir in diesem Sektor Arbeitsplätze von hoher Qualität haben und uns auf Bereiche wie die Kompetenzentwicklung usw. konzentrieren, damit der Industriesektor für die Jugendlichen attraktiv wird. Angesichts des Wettbewerbs sollte es nicht schwer sein, neue Arbeitskräfte anzuwerben. Damit haben wir eine äußerst wichtige Aufgabe zu lösen, wenn man sich die demografische Entwicklung ansieht.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Ich kann nur sagen, Herr Abgeordneter, wir stimmen vollkommen überein. Das ist genau das, was die Kommission zu tun versucht. Ich entnehme Ihrer Frage, dass ein erhöhter Informations- und Kommunikationsbedarf besteht.

Mir scheint, dass vielleicht doch noch nicht überall in Europa bekannt ist, was eigentlich der wesentliche Inhalt unserer Strategie ist. Ich sage es noch einmal: Die grundlegende Strategie, die diese Kommission betreibt, ist eine Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Das ist der Obertitel, das ist das grundlegende Ziel. Industriepolitik ist neben vielen anderen Maßnahmen ein Instrument, das wir benutzen, um dieses Ziel – Wachstum und Beschäftigung – zu erreichen.

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Ich begrüße die Antworten des Herrn Kommissars, aber könnte ich ihn auch fragen, ob er nicht auch der Ansicht ist, dass mehr Flexibilität – vor allem bei der Überprüfung der Arbeitszeitrichtlinie – sowohl der Beschäftigung als auch der Wettbewerbsfähigkeit zugute käme, und würde er sich persönlich federführend dafür einsetzen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Ich bin nicht federführend, wie Sie wissen, und respektiere voll die Zuständigkeit meiner Kollegen, und die Kollegen respektieren meine. Deshalb kann ich hier nur mit aller Vorsicht antworten und sagen, dass in allen Dokumenten der Kommission, die sich mit der Notwendigkeit von Reformen in Europa beschäftigen, immer darauf hingewiesen wird, dass zumindest in einigen Bereichen und in einigen Mitgliedsländern die Arbeitsmärkte zu rigide sind, zu wenig flexibel, und dass mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten – allerdings von Fall zu Fall immer sehr genau zu beschreiben – in der Tat zu mehr unternehmerischer Initiative, zu mehr Risikobereitschaft und im Ergebnis zu mehr Beschäftigung führen würde.

Grundsätzlich kann ich Ihre Frage also mit Ja beantworten. Flexiblere Arbeitsmärkte sind im 21. Jahrhundert ein notwendiger Teil der Antwort auf die Strukturprobleme, die wir haben.

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Wenn man derzeit die Beschäftigungstatistiken betrachtet, so ist eindeutig festzustellen, dass eigentlich in allen entwickelten Industriestaaten der erste und zweite Sektor, also Landwirtschaft und Industrie, und auch der Dienstleistungssektor massiv zurückgehen.

Wenn die Kommission behauptet, sie fahre eine Strategie für Beschäftigung und Wachstum, wäre es dann nicht sinnvoller, wenn man verstärkt auf den Dienstleistungssektor setzen würde, der meiner Ansicht nach die Zukunft darstellt?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Das ist eine hoch- interessante Debatte, die wir jetzt führen könnten, und meine Antwort ist ein klares Nein. Sie werden überrascht sein, dass ich das so klar beantworten kann. Es ist ein grundlegender Irrtum zu glauben, dass man eine Politik betreiben könnte, in der der Sektor Dienstleistungen gegenüber dem Sektor des verarbeitenden Gewerbes privilegiert wird. Der Dienstleistungssektor kann in Wahrheit überhaupt nicht entwickelt werden kann, wenn nicht ein starkes verarbeitendes Gewerbe, wenn nicht eine starke Industrie da ist, die diese Dienstleistungen abnimmt.

Wenn Sie sich die ökonomische Realität gerade in den Mitgliedsstaaten mit einem besonders hohen Dienstleistungsanteil ansehen, dann fällt Ihnen auf, dass es sich hierbei zu einem ganz großen Teil um Aktivitäten handelt, die aus der Industrie in den Dienstleistungssektor ausgelagert wurden, jedoch präzise das beinhalten, was sie auch vorher schon beinhaltet haben. Die These, die wir vertreten, heißt also, dass es ohne eine starke und leistungsfähige industrielle Basis auch nicht möglich sein wird, den Dienstleistungssektor so auszubauen, wie dies notwendig wäre, um das Arbeitsplatzproblem allein auf diese Weise zu lösen. Ich denke, wir müssen beides in einem engem Zusammenhang sehen.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 44 von Seán Ó Neachtain (H-0638/06)

Betrifft: Verringerung der Bürokratie für kleine Unternehmen in Europa

Kann die Kommission in einer Erklärung die verschiedenen Maßnahmen auflisten, die sie in den Jahren 2005 und 2006 bisher ergriffen hat, um das Ausmaß an bürokratischem Aufwand zu senken, den kleine Unternehmen innerhalb der Europäischen Union treiben müssen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Ich muss zugeben, Frau Präsidentin, dass ich mit dieser Frage deshalb ein Problem habe, weil die Fülle der Aktivitäten und Initiativen, die die Kommission zu diesem Thema gerade in der jüngsten Zeit ergriffen hat, so dicht ist, dass ich viel Zeit brauchen würde, um Ihnen alles zu sagen, was wir im Augenblick machen. Deshalb gebe ich Ihnen jetzt eine Kurzfassung, auch im Interesse der Ökonomie der Präsidentin.

Abbau von Bürokratie, Reduzierung von administrativen Kosten für kleinere und mittlere Unternehmen, u. a. durch eine Erhöhung der Qualität unserer Gesetzgebung, ist eines der großen politischen Projekte dieser Kommission. Dafür steht diese Kommission.

Wir haben einen wirklichen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Das gesamte europäische Recht – und zwar wirklich Gesetz für Gesetz, Vorschrift für Vorschrift – wird zurzeit von uns systematisch daraufhin überprüft, ob es vereinfacht werden kann, speziell für kleine und mittlere Unternehmen, ob es Erfordernisse enthält, die kleine und mittlere Unternehmen behindern.

Die Kommission hat die Politik für kleine und mittlere Unternehmen – wie Sie wissen – da hingestellt, wo sie hingehört, nämlich in den Mittelpunkt unseres ökonomischen Denkens, denn Europa ist nicht von Großunternehmen bestimmt. Europa ist bestimmt von kleinen und mittleren Unternehmen, und was die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen, ist mehr Freiheit, mehr Selbstverantwortung. Sie brauchen ein Umfeld, in dem sie sich entwickeln können.

Wir sind fest davon überzeugt, dass das Projekt „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ eine Querschnittsaufgabe in der gesamten Kommission ist, an der alle Generaldirektionen beteiligt sind und die einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leisten wird, die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken und mehr Menschen in Europa zu ermutigen, selbst ein Unternehmen zu gründen, selbst ein Risiko einzugehen und damit anderen Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.

Frau Präsidentin, ich möchte im Interesse der Zeit vielleicht vorschlagen, dass ich die ausführliche Fassung meiner Antwort, in der alle diese Initiativen im Einzelnen dargestellt sind, dem Herrn Abgeordneten zur Verfügung stelle, und ich bin auch bereit, jede weitere Information zu geben.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN). – (EN) Ich danke dem Kommissar für seine Antwort, auch wenn er sagte, dass eine ausführliche Darstellung der Maßnahmen länger dauern würde, finde ich seine Erwiderung ermutigend.

Herr Kommissar, ist es nicht so, dass wir noch weit davon entfernt sind, die Ziele der Lissabon-Agenda zu erreichen, und dass wir in Bezug auf Maßnahmen, die zur Koordinierung und für Fortschritte der KMU im Rahmen der von uns ursprünglich aufgestellten Ziele der Lissabon-Agenda erforderlich sind, noch große Rückstände aufweisen?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Ich würde das heute nicht mehr in dieser Schärfe behaupten. Im vergangenen Jahr hätte ich das genauso gesagt wie Sie. Aber Sie wissen, dass in der Zwischenzeit eine Totalrevision der Lissabon-Strategie — der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie, über die ich eben gesprochen habe — stattgefunden hat, die im Frühjahr des vergangenen Jahres beschlossen wurde. Ohne jetzt dem Bericht, den die Kommission am Ende dieses Jahres vorlegen wird, vorgreifen zu wollen, glaube ich eines sagen zu können: Wir sehen in der Tat erste positive Wirkungen. Wir sehen sie in der Politik der Mitgliedsstaaten, wir sehen sie aber auch in der europäischen Wirtschaft.

Ich weiß nicht, ob Sie heute beim Lesen der Zeitungen dasselbe Gefühl hatten wie ich. Zum ersten Mal, seit langer Zeit konnten wir lesen, dass das Wachstum der Produktion in Europa und das Wirtschaftswachstum insgesamt das japanische und das amerikanische Wachstumstempo überholt hat. Wir wachsen jetzt wieder schneller als unsere amerikanischen und japanischen Konkurrenten. Das heißt, die Kluft beginnt sich zu schließen und ich hoffe, dass dieser Trend anhält.

Es ist ein erster Indikator, aber er stimmt mich hoffnungsvoll und zeigt mir, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

 
  
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  James Hugh Allister (NI). – (EN) Herr Kommissar! Ich möchte nicht unfreundlich sein, aber ist es nicht so, dass die Kommission in Bezug auf den Bürokratieabbau zwar viel versprochen, aber nur sehr wenig gehalten hat? Es ist recht bemerkenswert, dass Sie uns zwar versprochen haben, entsprechende Beispiele schriftlich nachzureichen, aber Sie waren in Ihrer umfangreichen Antwort nicht in der Lage, auch nur ein einziges Beispiel für tatsächlichen Bürokratieabbau anzuführen. Die Unternehmen in meinem Wahlkreis haben davon noch nichts zu spüren bekommen. Nach ihren Erfahrungen nimmt der Aufwand ständig weiter zu und beeinträchtigt inzwischen ernsthaft ihre Wettbewerbsfähigkeit.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Abgeordneter, es tut mir Leid, aber ich muss Ihnen vollständig widersprechen. Das genaue Gegenteil ist richtig.

Wir haben in der relativ kurzen Zeit, seitdem es diese Initiative gibt, mehr erreicht, als ich mir jemals vorgestellt hatte. Erstens: Wir haben in einem ersten Schritt, wie Sie wissen, ein Drittel der gesamten anhängigen Gesetzgebung ersatzlos zurückgezogen. Zweitens: Wir haben die Methoden der Gesetzgebung vollständig verändert, das obligatorische vollständige impact assessment eingeführt, und das verändert ja die Qualität der laufenden Gesetzgebung bereits erheblich. Das spüren Sie doch hier in diesem Parlament, wenn Sie die Vorschläge beraten, die die Kommission vorlegt!

Drittens ist das Vereinfachungsprogramm in vollem Gange. Ich muss leider sagen, dass die Kommission hier etwas schneller ist als die anderen Institutionen. Ich bin für Kritik immer dankbar, aber ich würde diese Kritik noch leichter ertragen, wenn die Vereinfachungsvorschläge, die die Kommission den anderen Institutionen bereits vorgelegt hat, von Rat und Parlament in dem Tempo entschieden würden, wie die Kommission sie vorlegt.

 
  
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  David Martin (PSE). – (EN) Würde der Kommissar akzeptieren, dass seine warmherzigen Worte in Bezug auf den Mittelstand glaubwürdiger wären, wenn wir nicht mit unseren eigenen Forschungsmitteln die Kleinbetriebe diskriminieren würden? Ich kenne einen Fall, bei dem sich zwei Unternehmen – ein Groß- und ein Kleinbetrieb – am gleichen Programm beteiligt haben. Während das Großunternehmen bei Abschluss des Programms geprüft wird und seine Zuschüsse im Voraus erhält, muss sich der Kleinbetrieb einer jährlichen Prüfung unterziehen, und zwar auf eigene Kosten, und erhält die Mittel im Nachhinein. Ist der Kommissar nicht auch der Meinung, dass sich hier Prioritäten ins Gegenteil verkehrt haben?

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Ich kann diese Frage nicht beantworten, ohne den Fall zu kennen. Ich bitte Sie, entweder mir oder dem zuständigen Kollegen – ich weiß ja nicht, in welchem Zuständigkeitsbereich das passiert sein soll – die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung zu stellen, und dann wird das geprüft. Jedenfalls gibt es keine Politik der Kommission, die kleinere Unternehmen gegenüber großen diskriminiert. Das genaue Gegenteil ist richtig.

Die Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen bei der Bewerbung um Aufträge und Projekte sind deutlich geringer als die Anforderungen an Großunternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen können auch mit höheren Prozentsätzen gefördert werden als große Unternehmen. Das, was Sie als ein Beispiel aus der Praxis erwähnen, überrascht mich. Es kann sich nicht um die Regel handeln, sondern um einen Einzelfall, den ich gerne bereit bin zu prüfen. Bitte stellen Sie uns die entsprechenden Informationen zur Verfügung.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage 45 wird schriftlich beantwortet.

Anfrage Nr. 46 von Paulo Casaca (H-0597/06)

Betrifft: Zahlen betreffend die Frühjahrsjagd in Malta

Seit Maltas Beitritt zur EU im Jahr 2004 haben Tausende europäische Bürger ihre Empörung über die Entscheidung der maltesischen Regierung, die Jagd im Frühjahr zu gestatten, zum Ausdruck gebracht. MdEP haben seither die Kommission gedrängt, die Frühjahrsjagd in Malta zu untersagen, da die Ausnahmeregelung im Widerspruch zur Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG(1)) steht. Die Kommission erklärte in ihrer Antwort auf Anfrage E-1318/06 im Juni 2006, dass sie schwerwiegende Zweifel an der Behauptung Maltas hege, die Jagdmöglichkeiten im Herbst seien minimal und die Ausnahmeregelung für die Frühjahrsjagd daher gerechtfertigt. Die Kommission forderte die Behörden Maltas aber dringend auf, zusätzliche statistische Daten vorzulegen, um diese Behauptung zu untermauern.

Kann die Kommission mitteilen, ob sie bisher irgendwelche (zufrieden stellenden) zusätzlichen Zahlen erhalten hat und, wenn nicht, wann sie – endlich – zu einer Entscheidung über die Vereinbarkeit der Ausnahmeregelung betreffend die Frühjahrsjagd in Malta gelangen wird, um diesen Fall aufzunehmen oder endgültig abzuschließen?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Die Vogelschutzrichtlinie untersagt generell die Frühjahrsjagd. Diese ist nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, und zwar hauptsächlich dann, wenn es keine anderen zufriedenstellenden Lösungen gibt.

Bislang konnten die Mitgliedstaaten, die um eine solche Ausnahmeregelung ersucht haben, nicht nachweisen, dass es keine zufriedenstellenden Alternativen für die Jagd, beispielsweise im Herbst, gab.

Der Grund, warum die Jagd im Frühjahr untersagt ist, besteht darin, dass wildlebende Vögel zu ihren Brutplätzen ziehen. Es handelt sich um Vögel, die den Winter und andere Härten überstanden haben und die nun ihre Nistplätze aufsuchen. Es liegt demzufolge ein elementarer Grund vor, die Jagd auf wildlebende Vögel in dieser Zeit nicht zu gestatten.

Was insbesondere Malta betrifft, so haben wir die maltesische Regierung bereits im Herbst 2004 aufgefordert, Daten zu den während der Jagdsaison 2004 gejagten Vögeln vorzulegen. Die maltesischen Behörden übermittelten uns die betreffenden Daten für die Frühjahrsjagd 2004.

Wir sind nach Auswertung dieser Daten, die die Kommission sorgfältig geprüft hat, um herauszufinden, ob tatsächlich Gründe für eine Ausnahmeregelung vorlagen – das heißt, ob es keine zufriedenstellenden Jagdalternativen zu anderen Zeiten gab –, zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Voraussetzungen nicht bestanden. Angesichts der Tatsache, dass es in der Herbstsaison eine beträchtliche Zahl von Wachteln und Turteltauben gibt, die sich nur unwesentlich von der Zahl der Vögel, die während der Frühjahrssaison gejagt werden, unterscheidet, und in Anbetracht der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, gelangten wir zu dem Schluss, dass eine zufriedenstellende Alternative besteht und die Ausnahmeregelung deshalb nicht zulässig ist.

Nachdem dies festgestellt wurde, hat die Kommission im Juli 2006 gegen Malta ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Vogelschutzrichtlinie eingeleitet, da es die Frühjahrsjagd auf diese beiden Vogelarten gestattet hatte.

Ich muss sagen, dass wir auch gegen andere Mitgliedstaaten ähnliche Verstoßverfahren wegen erwünschter Ausnahmeregelungen, für die die notwendigen Voraussetzungen nicht vorlagen, eingeleitet haben, und dass speziell aus diesen Gründen entsprechende Gerichtsurteile, beispielsweise kürzlich gegen Spanien und Finnland, gefällt wurden.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE).(PT) Frau Präsidentin! Die Frage, die ich nach der Antwort des Herrn Kommissars stellen möchte, lautet, ob er nicht auch der Auffassung ist, dass es ein gravierender Fehler wäre, eine solche Entscheidung lediglich ausgehend von Statistiken zu treffen, die von den Jägern selbst erstellt worden sind. Wäre es nicht besser, wenn die Kommission ein realistischeres Bild von der Wirklichkeit hätte, das berücksichtigen würde, was die maltesische Presse und die Gemeinschaft der Vogelbeobachter sagen?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Ich weiß, dass es Zweifel hinsichtlich der uns von den maltesischen Behörden vorgelegten Angaben gibt, aber selbst diese Angaben haben uns zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass keine Gründe für eine Ausnahmeregelung vom Verbot der Frühjahrsjagd vorliegen, und wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta eingeleitet. Was können wir sonst noch tun? Wir möchten gegenüber jedermann deutlich machen, dass es uns mit der Anwendung und Durchsetzung der Vogelschutzrichtlinie, die diese Bestimmung enthält, ernst ist. Wenn wir andere Signale aussenden, dann könnte das andere Länder zu der Annahme veranlassen, dass wir die Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie verwässert haben, und sie könnten ebenfalls eine Ausnahmeregelung beantragen. Deshalb haben wir ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, und es bleibt abzuwarten, ob die maltesischen Behörden sich an die Vorschriften halten und die Jagd während des Frühjahrs verbieten werden.

 
  
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  Bart Staes (Verts/ALE).(NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Wir sprechen jetzt über 2004, wie ich jedoch der maltesischen Presse entnehme, wurden auch im Frühjahr 2005 und 2006 ziemlich viele Zugvögel gejagt und nicht eben wenige von ihnen abgeschossen.

Können Sie mir mitteilen, ob die maltesischen Behörden der Kommission bereits einen Bericht über die Ausnahmeregelung für die Frühjahrsjagd im Jahr 2005 übermittelt haben und wie es um ihre diesbezüglichen Pflichten bestellt ist? Meiner Meinung nach hätte dies bis Juni dieses Jahres geschehen müssen. Ist es geschehen? Wenn ja, können Sie uns informieren, was in etwa in diesem Bericht steht und wie die Ausnahmeregelung begründet wird? Wenn nein, wann erwarten Sie diesen Bericht?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) In diesem Monat wird ein Treffen zwischen den maltesischen Behörden und Vertretern der GD Umwelt stattfinden. Dabei wird man verschiedene Fragen diskutieren, einschließlich der Tatsache, dass die maltesischen Behörden im Frühjahr nach wie vor die Jagd auf Turteltauben und Wachteln gestatten. Man wird prüfen, wie für die Einhaltung der Vogelschutzrichtlinie gesorgt werden kann.

Was den Bericht und die Zahlen für 2005 angeht, so werden diese voraussichtlich bis Jahresende vorliegen.

 
  
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  Die Präsidentin. Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:

Anfrage Nr. 47 von Caroline Lucas (H-0604/06)

Betrifft: Studie zum Erhaltungsaspekt des Einfuhrverbots für Wildvögel in die EU

Im Oktober des vergangenen Jahres leitete die Kommission ein Einfuhrverbot für gefangene Wildvögel in die EU ein. Dieser Beschluss wurde aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit gefasst.

Jedoch sollte dieser Handel auch verboten werden, weil er die Nachhaltigkeit schwer schädigt und bei vielen wildlebenden Vögeln zu Zusammenbrüchen in den Populationen führt. Da in die EU jährlich schätzungsweise zwei Millionen Vögel eingeführt werden, kann die Kommission nur dazu beglückwünscht werden, mit ihrem Beschluss dazu beigetragen zu haben, dass seit Oktober mehr als eine Million Vögel gerettet wurden.

Zu den Auswirkungen dieses Handels auf die Erhaltung befragt, versicherte Kommissionsmitglied Dimas den Umweltministern gegenüber im Dezember 2005, dass die Kommission die Auswirkungen dieses Handels unter dem Aspekt der Erhaltung prüfen werde.

Offenbar hat die Kommission jedoch eine solche Studie nicht eingeleitet. Kann die Kommission darlegen, warum dies nicht geschehen ist und wann die Kommission ihr Versprechen zu erfüllen gedenkt?

Anfrage Nr. 48 von John Bowis (H-0674/06)

Betrifft: Einfuhrverbot für Wildvögel

Kann die Kommission eine gründliche Untersuchung über die Auswirkungen eines befristeten Einfuhrverbots für Wildvögel mit Daten aus allen Mitgliedstaaten durchführen? Der illegale Handel ist schwer zu erfassen, es wurde jedoch geschätzt, dass es dabei um gewaltige Zahlen geschützter wild gefangener Vögel geht, und das Argument, wonach ein völliges Einfuhrverbot für Wildvögel zu Schwarzhandel und zu einer Zunahme illegal eingeführter Vögel führen würde, wurde von den Gegnern eines Handelsverbots immer wieder angeführt. Erste Analysen von Daten, die seit Oktober 2005 (als das befristete Verbot verhängt wurde) erhoben und in einem neuen Bericht der Königlichen Gesellschaft für Tierschutz/Eurogruppe für Tierschutz veröffentlicht wurden, zeigen, dass der illegale Handel zurückgegangen ist und dass die Befürchtungen nicht begründet sind.

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Ich werde mich bemühen, die beiden zusammenhängenden Anfragen, die zum einen die Studie und zum anderen das Einfuhrverbot für Vögel und die Angaben der Königlichen Gesellschaft zur Verhinderung von Tierquälerei betreffen, gemeinsam zu beantworten. Was die veterinärmedizinischen Bestimmungen und die Hygienevorschriften betrifft, so hat die Kommission auf der Grundlage der geltenden veterinärmedizinischen Rechtsvorschriften im Oktober 2005 unverzügliche und effektive Präventivmaßnahmen ergriffen.

Zunächst hatten wir das Einfuhrverbot für alle Vogelarten bis zum 31. Mai 2006 verlängert; dann genehmigten wir eine erneute Verlängerung bis zum 31. Dezember 2006 und angesichts der Entwicklungen hinsichtlich der Ausbreitung der Vogelgrippe wird es höchstwahrscheinlich eine weitere Verlängerung geben.

Die Kommission hat zudem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit um ein Sachverständigengutachten zu Fragen der Gesundheit und der Überlebensbedingungen von Tieren gebeten, die im Zusammenhang mit der Einfuhr von Vögeln stehen, die nicht zu den Hausgeflügelrassen gehören. Das Sachverständigengutachten wird zum Oktober 2006 erwartet.

Was den Schutz der biologischen Vielfalt und der wildlebenden Vogelarten betrifft, so hat die Kommission im Anschluss an den Rat vom Dezember letzten Jahres im Januar eine Studie zur Bewertung der Effektivität der Gemeinschaftsvorschriften für den Handel mit freilebenden Tieren und Pflanzen in Auftrag gegeben.

Den grundlegenden Rahmen für das Ergreifen von Schutz- sowie handelspolitischen Maßnahmen bildet das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES), das in den Verordnungen über den Handel mit freilebenden Tieren und Pflanzen in die Gesetzgebung der Europäischen Union überführt wurde. Derzeit ist gemäß diesen Verordnungen die Einfuhr gestattet, vorausgesetzt, das Artenschutzsystem wird dadurch nicht gefährdet.

Der zuständige wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Union, mit dem alle Wissenschaftsbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, ist für die Kontrolle der Einfuhr freilebender Tiere und Pflanzen verantwortlich. Dort werden, sobald ein Problem festgestellt wird, die notwendigen Maßnahmen für die Einfuhr von Tier- und Pflanzenarten ergriffen; das gilt nicht nur für Vögel, sondern für alle Arten.

Die von uns in Auftrag gegebene Studie wird die Frage der Effektivität dieser Verordnungen zum Schutz wildlebender Pflanzen und Tiere umfassend behandeln, wobei das Hauptaugenmerk auf den wildlebenden Vogelarten liegt. Die Ergebnisse dieser Studie werden voraussichtlich Mitte 2007 zur Verfügung stehen.

Selbstverständlich werden bei der Ausarbeitung dieser Studie die Schlussfolgerungen des Berichts der Königlichen Gesellschaft zur Verhinderung von Tierquälerei und der Eurogruppe für Tierschutz Berücksichtigung finden.

 
  
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  Caroline Lucas (Verts/ALE). – (EN) Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Kommissar. Ich freue mich, dass die Studie wenigstens angelaufen ist, auch wenn wir bis Mitte 2007 warten müssen, obwohl sie erstmals im Dezember 2005 gefordert wurde. Der Termin liegt also noch in weiter Ferner, doch wollen wir hoffen, dass sich das Warten lohnt.

Können Sie erläutern, wieso die EU derartige Vögel einführt, obwohl andere Länder wie die USA die Ansicht vertreten, dass dieselben Vögel nicht nachhaltig gefangen werden? Die USA haben 1992 ein Moratorium für alle im Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) genannten Vögel eingeführt, für die nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, dass sie nachhaltig gefangen werden. Seit 1992 konnte eine solche Nachhaltigkeit nicht für eine einzige Vogelart nachgewiesen werden. Auch zahlreiche Entwicklungsländer haben ein Ausfuhrverbot für diese Vögel verhängt. Wie kommt es also, dass die USA die Frage, ob diese Vögel nachhaltig gefangen werden oder nicht, ganz anders einschätzen als die EU?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Erstens kann ich Ihnen sagen, dass die USA das Artenschutz-Übereinkommen nicht unterzeichnet haben. Es sieht andere Regeln vor; es sieht ein allgemeines Verbot, aber auch Ausnahmen vor. Wir kommen mit einer separaten Berücksichtigung der einzelnen Arten mehr oder weniger zum gleichen Ergebnis. Die Ergebnisse sind jedoch mehr oder weniger gleich, weil der illegale Handel in den USA stark ausgeprägt ist und auch in der EU eine Rolle spielt. Die Kommission wird das Vorgehen der USA und die entsprechenden Ergebnisse prüfen. Während die USA die Einfuhr völlig verbieten, müssen wir dies prüfen und untersuchen, ob ein allgemeines Verbot zu einer Zunahme des illegalen Handels führt. Das wissen wir nicht. Aus der Studie geht hervor, dass der illegale Handel möglicherweise zurückgegangen ist, aber wir wissen nicht, was die Zukunft diesbezüglich bringt. Wenn wir ein dauerhaftes Einfuhrverbot für Vögel verhängen, müssen wir überlegen, inwiefern und weshalb sie anders behandelt werden als andere Arten wie beispielsweise Korallen und Reptilien, denn wir verfolgen eine umfassende Politik. Die USA verfolgen diesbezüglich einen anderen Ansatz.

Ferner möchten wir prüfen, ob ein unbegrenztes Handelsverbot seitens der USA durch exportierende Länder beispielsweise im Rahmen der Welthandelsorganisation angefochten werden kann. Das könnte sich auch auf unsere derzeitigen sehr differenzierten restriktiven Maßnahmen auswirken, die es der Europäischen Union ermöglichen, auf der Grundlage von Konsultationen mit den Exportländern befristete Maßnahmen zu ergreifen. Im Rahmen unserer Studie werden wir jedoch ein Verbot mit Ausnahmen prüfen.

 
  
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  John Bowis (PPE-DE). – (EN) Unabhängig davon, wie die USA mit Ausnahmeregelungen verfahren, verfügen wir über ein befristetes Verbot, mit dem der illegale Handel nachweislich eingedämmt werden konnte, aber wir haben kein dauerhaftes Verbot. Dabei sind wir Europäer mit 93 % die Hauptimporteure von Wildvögeln, von denen bis 2003 jährlich fast eine Million eingeführt wurde. Zwischen 40 % und 70 % dieser Vögel sterben noch vor der eigentlichen Ausfuhr, und viele sterben während des Transports nach Europa. Es ist zweifellos an der Zeit, dass wir ein unbefristetes Verbot verhängen und gegenüber Staaten wie den USA und Australien sowie der ganzen Welt mit gutem Beispiel vorangehen.

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Diese Studie hat gezeigt, dass die Zahl der konfiszierten Vögel seit Einführung des Verbots aus Gründen der Gesundheit zurückgegangen ist. Es ist schwierig, die genaue Zahl der illegal gehandelten Tiere zu erfassen, da diese naturgemäß nicht bekannt ist.

Die Zahl der in der Europäischen Union beschlagnahmten Vögel ist in letzter Zeit möglicherweise aufgrund des derzeitigen befristeten Verbots für sämtliche Einfuhren zurückgegangen. Es werden keinerlei Einfuhrverfahren für Vögel beantragt, da diese automatisch und unverzüglich abgelehnt werden würden. Sehr bedenklich ist allerdings die Tatsache, dass Vögel in einigen Mitgliedstaaten noch immer illegal gehandelt und beschlagnahmt werden. Sie werden ohne jegliche veterinärmedizinische Kontrollen eingeführt und angeboten. Auch hier müssen wir das Ergebnis der Studie abwarten und prüfen, ob ein Verbot mit Ausnahmen eine bessere Lösung wäre als das derzeitige System, bei dem jede Art einzeln geprüft wird. Wir gestatten nur die Einfuhr von Vögeln, die nicht vom Aussterben bedroht sind.

 
  
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  John Purvis (PPE-DE). – (EN) Der Kommissar erwähnte, dass ihm die vom Aussterben bedrohten Vogelarten Sorge bereiten. Sicher weiß er jedoch, dass ich und meine Wähler uns mehrfach schriftlich in der Angelegenheit eines Importeurs an ihn gewandt haben, der rechtmäßig Vögel, die entsprechend den geltenden Gesetzen in den USA gefangen wurden, aus den USA einführt und wegen dieses Verbots gezwungen ist, sein Geschäft aufzugeben, obwohl es sich um ein aus gesundheitlichen Gründen erlassenes Verbot für die Einfuhr von Hühnern handelt und nicht für diese bestimmten Vogelarten aus den USA gilt. Ihr Fang und ihre Einfuhr verstoßen weder gegen Gesetze noch stellen sie eine Gefahr für die Gesundheit dar.

Weshalb verhängt der Kommissar diese drakonische Maßnahme gegen kleine Unternehmen in Europa?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Das ist eine Frage für meinen Kollegen Herrn Kyprianou. Die offensichtliche Antwort darauf sind die Vogelgrippe und das Verbot, das wir aus Gründen der Gesundheit verhängt haben. Dieses Verbot ist befristeter Natur. Es muss bis Ende Dezember verlängert werden und wird je nachdem, wie sich die Lage in Bezug auf die Vogelgrippe entwickelt, vielleicht auch nächstes Jahr noch in Kraft bleiben.

In diesem speziellen Fall verfolgen die USA eine andere Politik, möglicherweise allerdings mit demselben Ergebnis. Sie verfügen über ein Verbot, das Ausnahmen zulässt, während wir von Fall zu Fall Einfuhren gestatten.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE). – (EN) Ich frage mich, Herr Kommissar, ob Sie je die Möglichkeit der Umkehr der Beweislast in Betracht gezogen haben. Und zwar betrifft meine Frage die Tatsache, dass nach unserem derzeitigen System zur Regelung des Handels mit Wildvögeln nachgewiesen werden muss, dass dieser für wild lebende Bestände schädlich ist, bevor er ausgesetzt werden kann. Wieso können wir die Nachhaltigkeit einer Wildvogel- oder anderen Art nicht ermitteln, bevor der Handel beginnt? Das sollte für alle Arten und nicht nur für Wildvögel gelten. Hinzu kommt, dass die EU im Rahmen der Vogel- und der Habitat-Richtlinie den Handel mit eigenen Wildvögeln verbietet. Gleichzeitig gehen wir bei unserem Handel nach wie vor recht leichtfertig mit der biologischen Vielfalt in weniger entwickelten Ländern um, obwohl ein Verbot besteht. Ist ein solches Vorgehen wirklich vertretbar?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Der internationale Handel beeinträchtigt weltweit die Erhaltung bestimmter Vogelarten. Derartige Arten könnten unter Berücksichtigung der einzelnen Anhänge in das CITES-Übereinkommen aufgenommen werden. Damit wird der Handel für gewerbliche Zwecke verboten oder mittels Genehmigung und Überwachungssystem geregelt. Das CITES-Übereinkommen sieht dafür bestimmte Möglichkeiten vor.

Eine Art wird nur dann aufgenommen, wenn bestimmte Kriterien für die Erhaltung und den Handel erfüllt sind. Werden derartige Kriterien erfüllt, würde die Kommission eine solche Aufnahme befürworten. Derartige Aufnahmen unterliegen der Abstimmung durch die CITES-Mitglieder, und nicht immer kann die erforderliche Mehrheit erzielt werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns an das geltende Recht halten und unseren Verpflichtungen im Rahmen des CITES-Übereinkommens nachkommen müssen. Abstimmungsergebnisse sind verbindlich. Auch die Exportländer wirken mit, und wenn wir uns bei bestimmten Arten nicht an das geltende Recht halten, könnten wir bei anderen Arten wie Reptilien, Korallen oder anderen Tieren auf Probleme stoßen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Anfrage Nr. 49 von Carlos Carnero González (H-0620/06)

Betrifft: Mahnschreiben an die Stadtverwaltung und die Autonome Gemeinschaft Madrid Strafverfahren im Zusammenhang mit den Bauarbeiten zur unterirdischen Verlegung der M-30

Im April dieses Jahres sandte die Europäische Kommission im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Nichteinhaltung der Richtlinie 85/337/EWG(2) bei den Bauarbeiten zur unterirdischen Verlegung der M-30 auf der Grundlage des Dossiers, das von der Kommission als Reaktion auf die Anfrage P-0494/04(3) von Februar 2004 eröffnet wurde, ein Mahnschreiben an die Stadtverwaltung von Madrid und die Autonome Gemeinschaft Madrid. Die zweimonatige Frist, innerhalb deren die Stadtverwaltung und die Autonome Gemeinschaft Madrid der Kommission die ihnen angemessen erscheinenden Erklärungen übermitteln sollten, ist nun abgelaufen. Wurden der Kommission diese Erklärungen vorgelegt? Wenn nicht, welche Schritte gedenkt die Kommission zu unternehmen? Wenn ja, welchen Inhalts sind diese Erklärungen? Welche Haltung nimmt die Kommission dazu ein?

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Meines Erachtens ist die Antwort sehr einfach. Ich könnte vielleicht mit einem Satz sagen, dass die Kommission ein Mahnschreiben an die spanischen Behörden gesandt hat, in dem es um die, wie vermutet, mangelhafte Umsetzung der geänderten Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten im Falle des Baus der Ringstraße M-30 in Madrid ging.

Die Kommission hat dieses Schreiben am 10. April 2006 gemäß Artikel 226 des Vertrags an Spanien gesandt, das am 13. Juli 2006 antwortete. Im Moment prüfen wir die Antwort der spanischen Behörden und in Kürze werden wir diese Prüfung abgeschlossen haben.

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE).(ES) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Angesichts der Antwort seitens der zuständigen spanischen Behörden hoffe ich, dass die Europäische Kommission eine schnelle Entscheidung trifft.

Ich möchte Folgendes sagen: Das Mahnschreiben der Kommission stellte eindeutig klar, dass nach Ansicht der Kommission der Inhalt der Richtlinie 85/337, die für diese Art von öffentlichen Bauten Umweltverträglichkeitsprüfungen verbindlich macht, nicht eingehalten wurde. Da sie von den Ausführenden dieser öffentlichen Arbeiten missachtet wurde, sind die legitimen Rechte und Interessen der Bürger von Madrid, das heißt, der europäischen Bürger von Madrid, verletzt worden.

Dennoch, und trotz der Mahnung der Europäischen Kommission, setzt die Stadtverwaltung von Madrid die Arbeiten Tag und Nacht fort. Angesichts des Antwortschreibens ist deshalb unverzüglich eine Entscheidung zu treffen, weil andernfalls die Rechte fast irreversiblen Schaden erleiden, und das müssen wir versuchen zu verhindern.

 
  
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  Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Ich möchte feststellen, dass die Kommission diese Untersuchung nach Ihrer Anfrage in dieser Angelegenheit eingeleitet hat. Aufgrund des Ausmaßes und der Komplexität des Projekts waren mehrere Informationsaustausche zwischen der Kommission und den spanischen Behörden erforderlich, um alle für eine ordnungsgemäße Untersuchung des Falls durch die Kommission erforderlichen Informationen in Sach- und Rechtsfragen einzuholen. Wir müssen jetzt möglicherweise weitere Informationen bezüglich der Eröffnung der Verfahren einholen.

Wir kamen zu dem Schluss, dass für das Projekt zum Bau der Ringstraße M-30 keine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie 85/337/EWG des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten durchgeführt worden war. Das gilt insbesondere für einige Teilvorhaben, in die das Projekt zum Bau der Ringstraße M-30 unterteilt ist. Es wurde zudem versäumt, eine Einschätzung der kumulativen Auswirkungen dieser Vorhaben vorzulegen. Darin besteht das Hauptproblem. Das Projekt besteht aus 19 Teilvorhaben. Für einige Teilvorhaben wurden Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt, jedoch nicht für alle, und es gibt keine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gesamtprojekt. Das stellt unserer Ansicht nach einen Verstoß gegen die Richtlinie dar.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Anfragen 50 und 51 werden schriftlich beantwortet. Die Anfragen 52 und 53 werden nicht behandelt, da die betreffenden Themen bereits Tagesordnungspunkte dieser Tagung sind. Die Anfragen 54 bis 58 werden schriftlich beantwortet.

 
  
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  Die Präsidentin.

Anfrage Nr. 59 von Bernd Posselt (H-0609/06)

Betrifft: Christen in der Türkei

Wie ist der aktuelle Stand der Rechtsstellung nicht-islamischer Religionsgemeinschaften, insbesondere der Christen, in der Türkei, vor allem was die Religionsfreiheit, das Recht zur Bildung von handlungsfähigen Körperschaften, den Bau von Gotteshäusern und Gemeindezentren sowie die Ausbildung von Priesternachwuchs betrifft? Ist das Kommissionsmitglied der Meinung, dass die Türkei auf den Gebieten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesem Zusammenhang die Kopenhagener Kriterien bereits vollständig erfüllt?

 
  
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  Olli Rehn , Mitglied der Kommission. (EN) Am 20. Juni 2006 hatte ich einen Meinungsaustausch mit dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Ich habe den Ausschuss über die Sorge der Kommission bezüglich des schleppenden Verlaufs der politischen Reformen in der Türkei informiert, von dem auch die von Herrn Posselt angesprochene Problematik betroffen ist. Die Kommission hatte gehofft, dass die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen dem Reformprozess spürbarere Impulse verleihen würde. Gerade in Bezug auf nicht-muslimische und muslimische Minderheiten sind die erhofften Fortschritte bisher ausgeblieben.

In der Praxis stoßen nicht-muslimische Religionsgemeinschaften nach wie vor auf beträchtliche Probleme. So haben sie keine Rechtspersönlichkeit, ihre Eigentumsrechte sind eingeschränkt, man mischt sich in die Leitung ihrer Stiftungen ein, und sie dürfen keinen Priesternachwuchs ausbilden. Ferner möchte die Kommission auf die Schwierigkeiten verweisen, die die alevitische Gemeinschaft im Hinblick auf die Anerkennung ihrer Andachtsstätten, die Vertretung in entsprechenden staatlichen Gremien sowie in Bezug auf den obligatorischen Religionsunterricht hat.

Hinzu kommt, dass der schon viel zu lange im türkischen Parlament anhängige Entwurf über das Stiftungsgesetz nur einige dieser Probleme aufgreift, und zwar die Eigentumsrechte einiger, aber nicht aller Gemeinschaften. Die Kommission hat die türkischen Behörden und die Türkische Große Nationalversammlung wiederholt aufgefordert, den Entwurf über das Stiftungsgesetz so abzuändern, dass es den entsprechenden europäischen Normen entspricht.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Vielen Dank, Herr Kommissar, für Ihre gute Antwort! Ich möchte nur noch einmal konkret nachfragen: Antwortet Ihnen die türkische Seite auch und hat sie irgendwelche Aussagen darüber gemacht, in welchem Zeitraum sie plant, eine angemessene rechtliche Regelung zu treffen? Oder ist dies auf die Zeit nach den türkischen Wahlen verschoben, oder gar auf niemals?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Wir haben über die entsprechenden Verfahren gesprochen. So fand im Rahmen meines Besuches vor fast einem Jahr nach Aufnahme der Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober 2005 ein ausführlicher Meinungsaustausch mit dem zuständigen Ausschuss der Türkischen Großen Nationalversammlung zu dieser Thematik statt. Wir haben diese Problematik seither mehrfach angesprochen, so im Rahmen des Assoziierungsrates im Frühjahr. Dabei kamen wir mit den türkischen Behörden überein, dass dies Teil des so genannten neunten Reformpaketes bilden sollte, zu dem als Gesamtpaket noch immer kein Beschluss vorliegt und das ohne weitere ungerechtfertigte Verzögerung von der Türkischen Großen Nationalversammlung und in Teilen auch von der türkischen Regierung angenommen werden sollte.

Das ist auf jeden Fall eine entscheidende Voraussetzung für den Beitritt zur Europäischen Union, und wir haben sehr deutlich gemacht, dass die Türkei der Europäischen Union nur dann beitreten kann, wenn sie dieses sehr wichtige Grundprinzip respektiert.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Glauben Sie, dass es möglich wäre, über die Beobachtungsstelle der Kommission in Wien eine regelmäßige Beobachtung der Situation der Minderheiten im religiösen Bereich stattfinden und Studien darüber erstellen zu lassen?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Rübig hat einen sehr guten Gedanken geäußert. Wir arbeiten mit allen Daten und Analysen von Agenturen wie der von ihm erwähnten Agentur in Wien. Wir verwenden auch die Daten verschiedener Menschenrechtsorganisationen. Ich werde das prüfen, aber soweit ich weiß, arbeiten wir bereits mit Analysen dieser Agentur.

Wir verwenden sehr viele Analysen und Daten, die uns von Gremien wie dem Europarat und der OSZE sowie von Agenturen und sonstigen Think-Tanks bereitgestellt werden.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Kommissar! Bekanntlich ist die Fakultät von Chalki vor einigen Jahren geschlossen worden. Haben Sie in dieser Hinsicht irgendetwas unternommen, damit die Fakultät von Chalki wiedereröffnet wird? Denn es besteht die Gefahr, dass beim ökumenischen Patriarchensitz in Zukunft niemand mehr für die Wahl des nachfolgenden Patriarchen zur Verfügung steht.

Können Sie uns dazu etwas sagen?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Die freie Religionsausübung ist ein weiteres Schlüsselproblem, das wir mehrfach bei der türkischen Regierung angesprochen haben. Wir erwarten, dass nicht nur darüber nachgedacht, sondern gehandelt wird, damit das Seminar von Chalki geöffnet werden kann, das für diese Religionsgemeinschaft von besonderer Bedeutung ist.

 
  
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  Die Präsidentin. Anfrage Nr. 60 von Sajjad Karim (H-0624/06)

Betrifft: Isolierung von Nordzypern

Im Jahr 2004 verpflichtete sich die EU zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung und europäischen Integration von Nordzypern. Die Verringerung des wirtschaftlichen Gefälles zwischen den beiden Seiten würde auch die Kosten der Wiedervereinigung für griechische Zyprioten und die Abhängigkeit der türkischen Zyprioten von der Türkei reduzieren.

Der Beitritt der Türkei und der UN-Prozess zur Überwindung der Teilung sollen sich ergänzen und keinen Gegensatz darstellen. Könnte die Kommission deshalb erläutern, was die EU unternimmt, um sich zu verpflichten, mit der Verordnung betreffend den Handel gemäß einem spezifischen Zeitrahmen fortzufahren und die in der Verordnung betreffend die Hilfe für Nordzypern vorgesehenen Mittel zur Verwendung für die Besitzstand-Harmonisierung, die Reform des öffentlichen Dienstes, die Sanierung des Hafens von Famagusta und die Finanzierung einer Volkszählung im Norden freizugeben; ein neues Finanzierungsinstrument für Nordzypern einzuführen und eine Zweigstelle der Kommissionsdelegation im Norden einzurichten, um die Zuteilung von Mitteln für technische Hilfe und Besitzstand-Harmonisierung zu überwachen; derzeitige Vorschläge für einen direkten Handel dahingehend zu revidieren, dass sie die Einbeziehung von Nordzypern in die Zollunion der EU mit der Türkei, eine Änderung der Regelung betreffend die „Grüne Linie“ und eine Verwaltung des Hafens von Famagusta gemeinsam mit den türkischen Zyprioten umfassen, sowie sicherzustellen, dass die türkischen Zyprioten angemessen in den EU-Institutionen vertreten sind?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Hinsichtlich der Maßnahmen, die die Kommission zur Erleichterung der Wiedervereinigung der Insel und damit der Beendigung der Isolierung der türkisch-zyprischen Volksgruppe ergriffen hat, wurden vor allem folgende Aktivitäten durchgeführt.

Erstens hat die Kommission mit der Umsetzung der Ratsverordnung begonnen, mit der ein Instrument der finanziellen Hilfe zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkisch-zyprischen Volksgruppe eingerichtet wird. Angenommen wurde diese Verordnung am 27. Februar 2006 während der österreichischen Präsidentschaft. Unser für die Umsetzung der Verordnung zuständiges Programmteam dürfte ab diesem Monat einsatzbereit sein. Es wird ein für die Programmunterstützung in Nordzypern eingerichtetes Büro der EU nutzen. Zu den Vorhaben, die als erste umgesetzt werden sollen, zählen Maßnahmen im Bereich Siedlungsabfälle, Energie, lokale Infrastruktur, Wirtschaftsförderung sowie weitere sehr konkrete Maßnahmen.

In diesem Zusammenhang implementiert die Kommission über das Amt für den Informationsaustausch über technische Hilfe (TAIEX) auch ein Programm zum Verwaltungsaufbau, um die türkisch-zyprische Volksgruppe bei der Vorbereitung auf die Anwendung des gemeinsamen Besitzstandes in diesem Teil der Insel zu unterstützen.

Über die dem Rat im Juli 2004 – also vor über zwei Jahren – von der Kommission vorgelegte Verordnung über direkten Handel hat der Rat noch immer nicht entschieden. Die Kommission unterstützt die Bemühungen des finnischen Ratsvorsitzes um eine baldige Verabschiedung dieser Handelsverordnung, damit die von der EU im April 2004 eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden können. Wir haben nicht die Absicht, den Vorschlag zurückzuziehen und eine überarbeitete Fassung vorzulegen. Wir waren und sind bereit, flankierende Maßnahmen zu akzeptieren und zu fördern, die der Wiedervereinigung und der wirtschaftlichen Entwicklung dienen und die für beide Volksgruppen sowie alle Beteiligten annehmbar sind, um das bedauerliche derzeitige Patt zu überwinden.

Es ist wohl kaum ein Geheimnis, dass sich die flankierenden Maßnahmen im Wesentlichen auf den Hafen von Famagusta konzentrieren. In Erwiderung auf die Frage von Herrn Matsis ist festzustellen, dass die Rückgabe von Varosha in der Vergangenheit an unter Leitung der UNO geführte Gespräche über eine umfassende Lösung der Zypernfrage gebunden war. Folglich müssen die Beteiligten entscheiden, ob diese Frage Teil der umfassenden Lösung bleiben oder gesondert diskutiert werden soll oder ob ein Weg gefunden werden soll, der beiden Möglichkeiten gerecht wird. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir erwarten von beiden Gemeinschaften, dass sie sich weniger auf die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit konzentrieren als vielmehr auf die Suche nach Lösungen für die Zukunft. Wir erwarten von allen Beteiligten eine konstruktive Haltung. Es ist höchste Zeit für eine Überwindung der Teilung und die Wiedervereinigung von Zypern.

 
  
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  Sajjad Karim (ALDE). – (EN) Gestern Abend hat der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Parlaments einen kritischen Bericht angenommen, in dem die Türkei dringend aufgefordert wird, „konkrete Schritte zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen“ zum EU-Mitgliedstaat Zypern zu unternehmen. Der Bericht warnt, dass unzureichende Fortschritte „ernste Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess haben werden und diesen sogar zum Stillstand bringen könnten“. Wie steht der Kommissar zu diesem Bericht und der Wahrscheinlichkeit, dass mangelnde Fortschritte die Gespräche zum Erliegen bringen könnten? Teilt der Kommissar die Ansicht, dass es im Parlament noch immer schädliche Vorurteile über die Türkei gibt und türkeifeindliche Elemente nichts unversucht lassen, um den Beitrittsprozess zu hintertreiben?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Ich wurde über die Ergebnisse der Abstimmung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Türkei-Bericht von Herrn Eurlings informiert. Ich werde im Rahmen der Aussprache während der nächsten Plenartagung zu diesem Bericht Stellung nahmen. Ich werde mich erst äußern, nachdem ich mich umfassend vorbereitet und den Bericht Zeile für Zeile und Absatz für Absatz studiert habe.

Sollte die Türkei versäumen, ihren Verpflichtungen zur Umsetzung des Zusatzprotokolls zum Abkommen von Ankara nachzukommen, so hätte das natürlich Konsequenzen für den Verhandlungsprozess insgesamt. Das entspricht fast wortwörtlich dem, was der Rat und die Mitgliedstaaten im September 2005 in der bekannten gemeinschaftlichen Erklärung im Vorfeld der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen beschlossen haben.

Unser Ziel besteht darin, einen potenziellen Zusammenstoß zu verhindern, denn eine ernsthafte Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei ist in niemandes Interesse. Am besten kann die Türkei eine solche Entwicklung verhindern, indem sie die Verpflichtungen erfüllt, die sie vor Aufnahme der Beitrittsverhandlungen eingegangen ist.

 
  
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  Ioannis Kasoulides (PPE-DE). – (EN) Ich möchte den Kommissar fragen, ob er weiß, dass sich seit Öffnung der Grenzübergänge zwischen dem Norden und dem Süden von Zypern das Pro-Kopf-Einkommen der türkisch-zyprischen Volksgruppe aufgrund von Kontakten mit dem Süden trotz ihrer angeblichen Isolierung fast verdreifacht hat.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Vielen Dank für diese ausführlichen Informationen zum Wirtschaftswachstum der türkisch-zyprischen Volksgruppe.

Ich freue mich, dass die Verordnung über die „grüne Linie“ und die damit verbundenen Möglichkeiten für den Handel zwischen dem Nord- und dem Südteil der Insel zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der türkisch-zyprischen Volksgruppe beitragen. Wir wollen, dass die Verordnung über die „grüne Linie“ in der Praxis besser funktioniert. Gleichzeitig bemühen wir uns intensiv um die Beseitigung der Hindernisse für den direkten Handel und versuchen, alle Parteien für die Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine umfassende Lösung für die Wiedervereinigung von Zypern zu gewinnen.

 
  
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  Robert Evans (PSE). – (EN) Herr Kommissar! Sie haben vorhin gesagt, dass die Verhandlungen in einer Sackgasse stecken. Dem stimme ich im Wesentlichen zu, und vielleicht gibt es gewisse Parallelen zur Situation zwischen Transnistrien und der Republik Moldau, die wir gestern im Parlament angesprochen haben.

Ich war vor kurzem erstmals in Nordzypern und war mehr als angetan. Könnte die EU angesichts der Tatsache, dass die Bürger von Nordzypern für den EU-Beitritt gestimmt haben, unabhängig von allen anderen Fragen nicht zumindest die Aufnahme von Direktflügen nach Nordzypern in Betracht ziehen?

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Vielen Dank für Ihre Frage, Herr Evans. Unser Standpunkt in Bezug auf die Überwindung der Isolierung der türkisch-zyprischen Volksgruppe ist eindeutig: Wir wollen jetzt das Programm über finanzielle Hilfe durchführen, und wir wollen die Suche nach einer Lösung für den direkten Handel unterstützen, und zwar gegebenenfalls mit flankierenden Maßnahmen. Wir gehen davon aus, dass dies Vertrauen schafft, so dass wir zu gegebener Zeit – hoffentlich schon bald – unter der Schirmherrschaft der UNO die Gespräche über eine umfassende Lösung, die in die Wiedervereinigung Zyperns mündet, wieder aufnehmen können.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

Die Fragestunde ist geschlossen.

(Die Sitzung wird um 19.30 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: ANTONIOS TRAKATELLIS
Vizepräsident

 
  

(1) ABl. L 103 vom 25.4.1979, S.1.
(2) ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40.
(3) ABl. C 84 E vom 3.4.2004, S. 415.

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