Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Gyula Hegyi im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die thematische Strategie für die städtische Umwelt. [2006/2061(INI)] (A6-0233/2006).
Gyula Hegyi (PSE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Etwa 80 % unserer Bürger leben in städtischen Gebieten, jedoch wird ihren Bedürfnissen und Interessen bei den Fonds, Vorhaben und Initiativen der Union bei weitem nicht in angemessenem Maße Rechnung getragen. Diese Stadtbewohner sind, was den Umfang der EU-Finanzierung betrifft, zweitrangige Bürger der Europäischen Union. Die thematische Strategie zur städtischen Umwelt sollte nicht nur aufgewärmte Empfehlungen und Wunschdenken enthalten, sondern auf ehrgeizige und fortschrittliche Ziele ausgerichtet sein. Leider ist jedoch das Kommissionsdokument zu diesem Thema wenig ambitioniert. Im sechsten Umweltaktionsplan sind durchaus begrüßenswerte Ziele enthalten, doch dieses Mal mangelt es im Kommissionsvorschlag an rechtsverbindlichen Maßnahmen und Fristen. Die Kommission versucht nicht, für eine ausgewogene europäische Politik zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu sorgen, und sie hat auch keine Konzepte für eine sauberere städtische Umwelt vorgelegt. Ich kann der Kommission hier nicht alle Arbeit abnehmen, aber ich kann zumindest versuchen, einige nützliche Maßnahmen vorzuschlagen.
Erstens empfehle ich, dass Ballungsräume mit mehr als 100 000 Einwohnern gesetzlich verpflichtet werden, einen Plan für nachhaltiges Stadtmanagement und einen Plan für nachhaltigen städtischen Verkehr aufzustellen, so wie dies bereits von der Kommission im Jahre 2004 vorgeschlagen wurde. Mein Vorschlag wurde von Vertretern verschiedener europäischer Städte äußerst positiv aufgenommen. Denn durch solche verbindlichen Maßnahmen könnte auch umweltbewussten Stadträten das Leben erleichtert werden, die dann über eine solide gesetzliche Grundlage für Umweltmaßnahmen verfügen würden.
Was den Verkehr betrifft, sollte dem nichtmotorisierten Verkehr Vorrang gegenüber allen anderen Verkehrsarten eingeräumt werden, dem öffentlichen Verkehr gegenüber privaten Pkws sowie kleinen und schadstoffärmeren privaten Pkws gegenüber anderen Fahrzeugen. In London und Stockholm werden Verkehrsüberlastungsgebühren bereits erfolgreich praktiziert, und sie stellen für europäische Großstädte die einzige Möglichkeit für die Zukunft dar. Das vor einigen Tagen in Stockholm durchgeführte Referendum hat gezeigt, dass die Bürger dieses Konzept durchaus befürworten und nur einige wenige Lobbyisten dagegen sind. Des Weiteren schlage ich eine Verlagerung des Verkehrsaufkommens, gemessen in Passagierkilometern, in einem Umfang von 5 % vom Individualverkehr – also Pkw – auf den öffentlichen Verkehr und das Radfahren vor. Durch Höchstgeschwindigkeiten in Stadtzentren – wie in der österreichischen Stadt Graz – können außerdem die Zahl der Verkehrsunfälle verringert, Menschenleben gerettet und die Luftverschmutzung und Lärmbelästigung reduziert werden. Auch Niedrigemissionsgebiete sind ein nützliches Instrument zur Bekämpfung der Luftverschmutzung.
Wenn wir wirklich etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollen, dann sollten wir auch in unseren Städten aktiv werden. Wie heißt es doch so schön: Man sollte erst einmal vor der eigenen Tür kehren. Das sollte auch für die nachhaltige Entwicklung gelten. Als Folge des Klimawandels machen sommerliche Hitzewellen das Leben in vielen Städten und Gemeinden am Tage wie in der Nacht unerträglich. Bei solchen Hitzeperioden kommen Tausende von europäischen Bürgern ums Leben, die einen qualvollen und entwürdigenden Tod sterben. Notfallpläne für Hitzewellen sind für die meisten europäischen Städte, mit Ausnahme einiger nordischer Städte, von größter Bedeutung. Die grundlegenden Maßnahmen für Hitzewellen sind einfach: mehr Wasser, begrünte Dächer und Fassaden, Wasserkühlungssysteme und natürliche Kühlungssysteme sowie weniger Pkw-Verkehr. Es stehen heiße Sommer bevor, und wir sollten das Leben unserer Stadtbewohner schützen. Wir brauchen in unseren Städten mehr Grünflächen. Selbst ein paar Dutzend Quadratmeter Grünfläche können, neben größeren Parks und Gärten in der unmittelbaren Umgebung, die Atmosphäre eines Stadtzentrums verbessern.
Städtische Badestrände in der Sommerzeit – wie es sie in Paris, Brüssel und Budapest gibt – sind ebenfalls sinnvolle Projekte für all jene, die keinen langen Urlaub anderswo verbringen können. Sowohl in den alten als auch in den neuen Mitgliedstaaten leben Millionen und Abermillionen Menschen in aus Fertigteilen errichteten und in großer Stückzahl gebauten Wohnblöcken. In vielen westlichen Städten sind diese Wohnsiedlungen zu ethnischen und sozialen Ghettos geworden. Es sind umfassende soziale, kulturelle, bildungspolitische und ökologische Programme für die Sanierung dieser Vorstädte erforderlich. In Mitteleuropa – wie beispielsweise in Ungarn – sind die meisten dieser Wohnsiedlungen noch nicht zu Ghettos geworden; die Mehrheit ihrer Bewohner gehört nach wie vor der unteren Mittelschicht an. Der bauliche Zustand der Gebäude ist hier jedoch Besorgnis erregend. In den Ländern der EU-10 ist die Instandsetzung und Sanierung der Wohnsiedlungen ein ganz entscheidender Schritt, um den sozialen Frieden zu wahren und die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.
In meiner Eigenschaft als Berichterstatter habe ich in der Hoffnung auf gute Zusammenarbeit viele Änderungsanträge meiner Kolleginnen und Kollegen von der PPE-DE-Fraktion angenommen. Daher war ich etwas erstaunt, als die PPE-DE-Fraktion dann im Ausschuss versuchte, meinem Bericht den Garaus zu machen, indem sie alle wichtigen Ziele und Maßnahmen streichen wollte.
Ich rufe alle Abgeordneten auf, sich für verbindliche Ziele und Maßnahmen auszusprechen, denn diese sind das A und O. Ansonsten besteht unsere Arbeit nur aus Worten, Worten, Worten. Mein Bericht lässt sich in einem Satz zusammenfassen: weniger Pkw, mehr Grünflächen und mehr Wasser. Das ist die einzige Überlebensstrategie für unsere Städte.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Herr Präsident! Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit geben, heute Abend an der Aussprache über die thematische Strategie für die städtische Umwelt teilzunehmen, die die Kommission ausgearbeitet hat und auf die das Europäische Parlament mit besonderem Interesse gewartet hat.
Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Hegyi, sowie dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit für den umfassenden und ambitionierten Bericht, der heute erörtert wird, danken und ihnen dazu gratulieren.
Ich begrüße ebenfalls den Beitrag, den Herr Ó Neachtain und der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr sowie Frau Kallenbach und der Ausschuss für regionale Entwicklung geleistet haben.
Bevor ich fortfahre, möchte ich Ihnen die erfreuliche Nachricht übermitteln, dass die Kommissare am Freitag vergangener Woche die siebente und letzte thematische Strategie für den Bodenschutz angenommen haben. Die Ausarbeitung dieser Strategien war schwierig und zeitaufwändig. Nun ist jedoch ein klarer Kurs für aktuelle Umweltfragen festgelegt worden, wozu auch die Politik zur städtischen Umwelt gehört.
Die städtische Umwelt ist ein wichtiges Thema, das uns alle angeht. Mit dem Sechsten Umweltaktionsprogramm hat die Kommission die Rolle anerkannt, die die städtische Umwelt im Leben so vieler Bürger spielt, und sich verpflichtet, in diesem Bereich aktiv zu werden.
Die städtische Umwelt hat unmittelbaren Einfluss auf die Lebensweise von Millionen europäischer Bürger und zugleich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt generell. Europäische Städte müssen lebensfähig und nachhaltig sein und sie müssen eine hohe Lebensqualität bieten, damit die Bürger dort leben und arbeiten wollen und die Unternehmen dort investieren.
Dennoch ist in dieser Hinsicht noch eine Menge zu tun. Städtische Gebiete fördern natürlich Wirtschaftswachstum, verfügen über ein hohes Versorgungsniveau und bieten umfassenden Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit und Verkehr.
Die andere Seite der Medaille ist jedoch die Vielzahl von Problemen, die mit dem Leben in der Stadt verbunden sind, wie die Verschlechterung der Umwelt, Verkehrsstaus, wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung, Kriminalität und Entfremdung. Ziel der vorliegenden Strategie ist es, das nachhaltige städtische Wachstum zu unterstützen und zu fördern. Dabei konzentriert sie sich auf Umweltthemen wie Luftverschmutzung, Umgebungslärm, hohes Verkehrsaufkommen, Treibhausgasemissionen, unkontrollierte Bautätigkeit, Wasserverbrauch und Abfallerzeugung.
Die Lokalisierung dieser Probleme war einfach, Lösungen zu finden dagegen sehr schwierig. Das gilt hauptsächlich dann, wenn das Ziel darin besteht, bewährte und nachhaltige Lösungen zu finden, die für die Vielzahl und die Vielfalt der Bedingungen und Probleme in den verschiedenen Städten der Europäischen Union geeignet sind. Das ist der Grund, weshalb die Europäische Kommission und der Umweltausschuss zwar in der Sache einer Meinung sind, aber unterschiedliche Auffassungen über das weitere Vorgehen haben.
Einige haben mehr Rechtsvorschriften und Zielsetzungen gefordert, die zu Verbesserungen führen werden. Theoretisch kann ich das verstehen und stimme im Prinzip zu. Ich wünschte, wir könnten tatsächlich in dieser Weise weiter verfahren.
Leider ist dies jedoch weder sinnvoll noch machbar, und es gibt triftige Gründe dafür, warum in der Strategie die Einführung neuer Rechtsvorschriften nicht befürwortet wird. Konkret liegt das daran, dass die Lösungen dem Subsidiaritätsprinzip genügen müssen und sich unsere Städte so sehr voneinander unterscheiden, dass es keine gemeinsame Lösung für alle gibt.
Wir verfügen ja bereits über solche Rechtsakte, die positive Ergebnisse für die städtische Umwelt bringen könnten, wenn sie ordnungsgemäß umgesetzt würden. Wir verfügen bereits über Rechtsvorschriften, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt und die Lebensqualität in den Städten haben. Denken Sie nur etwa an all die Rechtsvorschriften, die wir in den Bereichen Luftqualität, Lärm, Abfall und Wasser haben, um nur einige der bereits abgedeckten Themen zu nennen.
Doch diese Rechtsvorschriften müssen besser umgesetzt werden. Anstelle legislativer Lösungen wird in der Strategie eine Anleitung dazu vorgeschlagen, wie man die Verwaltung der städtischen Gebiete in integrierter Weise verbessern und die Nachhaltigkeit im Verkehr erhöhen kann, um die es auch im Grünbuch über den städtischen Verkehr gehen wird, das voraussichtlich 2007 angenommen wird.
Das wird zu einer besseren Einhaltung geltender Umweltrechtsvorschriften und einem besseren Zusammenhalt zwischen den verschiedenen politischen und administrativen Ebenen beitragen. Dieses Konzept haben alle Interessengruppen, die wir konsultiert haben, immer wieder als das bessere bezeichnet, dem sie den Vorzug geben würden. Dieses Konzept wird durch andere unterstützende Maßnahmen, wie die Schaffung geeigneter Strukturen, den Austausch bewährter Praktiken und die Schaffung von Anreizen durch die gemeinschaftlichen Strukturfonds, ergänzt werden.
Die Mitgliedstaaten sollten die Themen der städtischen Umwelt in ihre nationalen Finanzierungsprogramme aufnehmen, die sie im Rahmen der Kohäsionspolitik der Gemeinschaft ausarbeiten, damit die regionalen und lokalen Behörden die verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten nutzen können.
Seán Ó Neachtain (UEN), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. – (EN) Herr Präsident! Als Verfasser dieser Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr vertrete ich die Auffassung, dass die politischen Initiativen aus dem Grünbuch über die Energieversorgungssicherheit der Europäischen Kommission auch Eingang in die Pläne für einen nachhaltigen städtischen Nahverkehr finden sollten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Förderung von Biokraftstoffen. Der Ausbau des mit nachhaltigen Energiequellen betriebenen öffentlichen Verkehrs muss stärker vorangetrieben werden. Allein in Irland stellt der Verkehrssektor die drittgrößte Quelle für CO2-Emissionen dar.
Im Jahre 2010 sollten wir unseren Energiebedarf zu 5,75 % aus Biokraftstoffen decken. Das bedeutet in konkreten Zahlen, dass – um hier wieder mein Heimatland Irland als Beispiel anzuführen – 70 000 Pkw, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, aus dem Verkehr gezogen würden. Hier bietet sich Großstädten, die ihre öffentlichen Nahverkehrsmittel mit Biokraftstoffen betreiben, die Möglichkeit, die einfache Verwendung dieser Kraftstoffe zu demonstrieren, was wiederum die Nachfrage seitens privater Unternehmen wie Taxiunternehmen ankurbeln und den Einsatz in privaten Haushalten steigern wird.
Ich bin fest davon überzeugt, dass realistische Zielvorgaben für Ballungsräume nur mit einem übergreifenden Politikansatz für die Bereiche Energieeffizienz und Umweltschutz erreicht werden können.
Gisela Kallenbach (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – Herr Präsident! Ich danke dem Kollegen Hegyi für den sehr ambitionierten Bericht und die sehr gute und fruchtbare Zusammenarbeit. Für den Regionalausschuss begrüße ich insbesondere und ausdrücklich die besondere Beachtung, die einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsplanung gewidmet wurde. Die Stadtplanung der Zukunft muss selbstverständlich die ökologischen mit den ökonomischen und den sozialen Aspekten verbinden; sie muss die Förderung von Arbeitsplatzangeboten sowie von Bildung, Kultur und Sport für junge wie für alte Menschen beinhalten. Wir müssen endlich den Flächenverbrauch reduzieren und industrielle Brachflächen wieder nutzen.
Wir fordern die Mitgliedstaaten und die Regionen auf, diesen Aspekt bei der Erstellung der operationellen Programme, die jetzt gerade im Gange ist, zu berücksichtigen. Das wird nicht nur der örtlichen Umwelt gut tun, sondern ist zugleich auch ein ausgezeichnetes Mittel, um den Bürgern und Bürgerinnen vor Ort die Ziele europäischer Politik zu kommunizieren. Dafür ist es jetzt höchste Zeit.
Renate Sommer, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Als erstes möchte ich dem Berichterstatter danken, insbesondere für seine Diskussionsbereitschaft.
Herr Kollege, ich weiß: Im Grunde genommen wollen wir beide das gleiche, nämlich eine lebenswerte Umwelt in den großen Städten und Ballungsräumen der Europäischen Union. Nur sind wir ganz offensichtlich unterschiedlicher Meinung darüber, wie man dieses Ziel erreichen sollte. Ich selbst finde den Ansatz der Kommission richtig. Eine thematische Strategie, nicht mehr. Keine legislativen Vorschläge. Dafür haben wir nämlich keine Zuständigkeit. Leitlinien kann man veröffentlichen und darin natürlich Bezug nehmen auf bereits existierende Vorschriften, z.B. zur Luft, zum Lärm, zum Abfall usw. Man kann zum Erfahrungsaustausch anregen und diesen unterstützen, auch finanziell. Denn wir wissen: Nicht jeder muss das Rad immer wieder neu erfinden.
Der Berichterstatter versucht, seine Heimatstadt Budapest zu retten. Das ist ehrenwert. Aber er versucht auch, das Subsidiaritätsprinzip zu umgehen. Er will rechtsverbindliche Maßnahmen. Er will die Planungshoheit der Kommunen und der Regionen antasten, er will dort eingreifen. Herr Kollege, das ist falsch! So schürt man die Unzufriedenheit des Bürgers mit der Europäischen Union.
Daher will ich zusammen mit meiner Fraktion an Ihrem Bericht noch einiges ändern. Zum Beispiel: Umweltschutz ist wichtig. Er darf aber nicht dazu führen, dass das Wirtschaften unmöglich gemacht wird. Die Lebensqualität in den Städten hängt von der Umweltqualität und von der wirtschaftlichen Vitalität ab.
Citymaut ist nach meiner Auffassung auch keine Lösung. Natürlich brauchen wir umweltfreundliche Verkehrsträger, Busse, Bahnen, Fahrräder usw. Aber es ist falsch, den Individualverkehr, das Auto, aus den Städten zu verbannen. Das fördert nur die Einkaufszentren auf der grünen Wiese, die Zersiedelung der Landschaft. Menschen wandern aus den Städten ab, Innenstädte veröden. Die Lebensqualität in der Stadt sinkt.
Und es ist unsinnig, von den Städten Dinge zu verlangen, die sie einfach nicht leisten können. Dazu gehört die Erfassung von Daten bis hin zur lokalen Verwendung von Bioziden. Herr Kollege, dazu gehört auch das Flohpulver, das ich auf meinen Hund streue! Mit so etwas machen wir uns doch lächerlich. Wir müssen für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sorgen. Ich finde, das ist unsere Aufgabe, und in diese Richtung gehen unsere Änderungsanträge.
Anne Laperrouze, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte unseren Berichterstatter, Herrn Hegyi, zu der Arbeit beglückwünschen, die er geleistet hat. Uns liegt nunmehr ein Bericht vor, in dem die richtigen Fragen gestellt und einige richtige Antworten geboten werden.
In diesem Bericht wird die Notwendigkeit der Kohärenz und der Kooperation betont, was von manchen als „integrierter Ansatz“ bezeichnet wird, der sich auch in der Mitteilung der Europäischen Kommission widerspiegelt. Man muss das Ganze im Blick haben, um das Problem der städtischen Umwelt, insbesondere im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich, besser zu begreifen.
Ich befürworte, dass in diesem Bericht nachdrücklich auf einige grundsätzliche Aspekte verwiesen wird: Austausch bewährter Verfahren und Förderung der Schulung der Akteure vor Ort, Bewältigung des steigenden Verkehrsaufkommens und Abkoppelung der Frage des zunehmenden Verkehrsvolumens vom Anstieg des BIP, Förderung von Energieeinsparungen und Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden, Durchsetzung von Plänen für nachhaltiges Stadtmanagement und für nachhaltigen städtischen Verkehr in allen Ballungsräumen mit mehr als 100 000 Einwohnern und schließlich Zielvorgaben bei neuen Städtebauprojekten, was die Grünflächen pro Einwohner betrifft.
Meiner Ansicht nach müssen wir jedoch die richtige Balance finden zwischen den Vorgaben, die an die Mitgliedstaaten ergehen, und der Initiativbefugnis, die den lokalen Akteuren eingeräumt wird, denn sie bieten einen Fundus an Innovationen, da sie aus erster Hand Erfahrungen über die Realitäten städtischen Lebens besitzen. Unser Ziel muss es praktisch sein, einen Rahmen zur Anregung lokaler Initiativen zu schaffen, wobei die Wahl der Ziele und Lösungen den örtlichen Entscheidungsträgern überlassen werden soll.
Claude Turmes, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Vielen Dank an den Berichterstatter für diesen vorzüglichen Bericht. Ich danke ihm auch, dass er eine Idee aufgegriffen hat, die mir eigentlich sehr am Herzen liegt. Es ist die Idee von einem neuen Pakt, einer neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen der europäischen Ebene auf der einen Seite und den großen Städten in Europa auf der anderen.
In Europa leben 80 % der Menschen in Städten. Wenn wir in den Bereichen Ressourcenschonung, Energiepolitik, Luftqualität usw. weiterkommen wollen, so braucht es dafür unbedingt eine engere Verzahnung zwischen der Politik, die in den Großstädten gemacht wird, und jener auf europäischer Ebene. Deshalb brauchen wir eine bessere Nutzung der Finanzinstrumente der Europäischen Union, zum Beispiel auch der Kredite der Europäischen Investitionsbank.
Ein letztes Wort an Frau Sommer: Herr Schwarzenegger mit seinen Konservativen in Kalifornien ist schon weiter als Sie. Er hat die Automobilindustrie, so wie sie heute funktioniert, klar als das entlarvt, was sie ist: Es handelt sich um Kriminelle, die vor Gericht gehören! Dass Sie sich hier permanent als Lobbyistin der deutschen Automobilindustrie aufspielen, finde ich schon fast beschämend für jemanden, der die Schöpfung erhalten will.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Früher waren die Länder überwiegend ländlich geprägt, Städte bildeten die Ausnahme. Drastisch geändert hat sich dies durch das Bevölkerungswachstum und das Aufkommen städtischer Berufe im vergangenen Jahrhundert, so dass die große Mehrheit der Europäer in echten Städten, in Vororten und im ländlichen Raum lebt, der in starkem Maße durch Industrie, Häfen oder Bergbau urbanisiert wurde.
In den Entwicklungsländern, aber auch in Teilen Europas, stellen wir fest, dass derartige städtische Gebiete aufgrund von Verkehrschaos, Slums, Verschmutzung und Grundstücksspekulationen völlig unlebbar werden können. Wo sauberes Trinkwasser, ein dichtes öffentliches Verkehrsnetz mit großer Abfahrtsdichte, eine einwandfreie Abfallbeseitigung und bezahlbare, gute Wohnungen fehlen oder die Gesundheitsversorgung, Sozialfürsorge und Bildung inakzeptabel sind, werden diese Städte zur Hölle. Sobald es mit den Städten bergab geht, können gut ausgebildete Menschen mit hohen Einkommen aus der Gegend fortziehen, Arbeiter und Migranten hingegen haben keine andere Wahl, als zu bleiben. Nach wie vor basiert die nationale und europäische Politik auf einer Zunahme der Zahl der Autos und Einsparungen bei den öffentlichen Dienstleistungen. Dadurch gerät die Zukunft unserer Städte in Gefahr. Zu Recht hat sich das Augenmerk der EU, das ursprünglich vor allem der landwirtschaftlichen Erzeugung und dem ländlichen Raum galt, in den letzten Jahren ein wenig mehr in Richtung der Städte verschoben. Das geschah leider auch im negativen Sinn. Wäre der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2000 zur Ausschreibungspflicht für den städtischen Nahverkehr ohne Änderungen angenommen worden, hätte das die Ausweitung der Straßenbahnnetze und des kostenlosen öffentlichen Personenverkehrs sowie die Schaffung eines dichten Verkehrsnetzes mit großer Abfahrtsdichte gebremst. Die Städte und Regionen selbst sollten so weit als möglich für die Regelung des städtischen Verkehrs, der Raumplanung, des Städtebaus, der Grünordnung und der Radwege sein. Allerdings kann die Europäische Union bei der Forschung, dem Austausch und dem Transfer von Wissen von zusätzlichem Nutzen sein. Auf diese Weise können wir Gefahren und Missstände bekämpfen, Initiativen zur Verbesserung fördern und die Entwicklung und Einhaltung von besseren Umweltnormen stärken. Speziell in den künftigen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien ist auf diesem Gebiet noch eine Menge zu tun.
Ich unterstütze Herrn Hegyi in seinem Bemühen um umweltfreundlichen Verkehr, den Schutz der historischen Stadtkerne, eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung, sparsamen Energieverbrauch und den Schutz von Naturschutzgebieten.
John Bowis (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Hegyi für seinen Bericht danken und freue mich, dass etliche meiner Abänderungen berücksichtigt wurden. Ich hoffe, dass er auch die Abänderungen meiner Kollegin – Frau Sommer – aufgreifen wird, die darauf hinweisen möchte, dass Europas größte Stärke im Austausch bewährter Konzepte liegt. Die EU ist darauf ausgelegt, dass zwischen den Mitgliedstaaten bzw. Kommunen nachahmenswerte Methoden ausgetauscht werden. Sinn und Zweck dieser Änderungsanträge ist es, auch die Mitgliedstaaten und Kommunen in die Pflicht zu nehmen, damit nicht immer der Kommission die gesamte Arbeit überlassen bleibt. Wenn dieser Punkt noch einmal richtig gestellt wird, können wir auch all die ausgezeichneten Ideen in diesem Bericht unterstützen.
Unsere Wähler sind zu Recht über viele Aspekte unserer städtischen Umwelt besorgt. Wir haben gerade erst eine Aussprache über die Luftqualität geführt. Diese spielt bei der ganzen Problematik eine äußerst wichtige Rolle. Hinzu kommen aber noch andere Faktoren. So muss in Ballungszentren auch etwas gegen die Lärmbelästigung unternommen werden, die von Nachbarn, Fahrzeugen, Ghettoblastern und so weiter ausgeht. Dies wird zwar nicht in EU-Richtlinien geregelt, aber es können erfolgreiche Rezepte ausgetauscht werden, um diese Probleme anzugehen. Auch die Straßenreinigung und die starke Verschmutzung unserer Städte sind wichtige Aspekte für die Volksgesundheit und sollten in unserem Themenkatalog nicht fehlen. Wir können viel voneinander lernen. So wie jetzt in Paris die Rinnsteine nachts mit Wasser gereinigt werden, gibt es überall in Europa neue Ideen. Im Rahmen unserer Strategie für die städtische Umwelt sollte auch der schrittweise Abbau der Kriminalität angegangen werden. Dabei sollte der Schwerpunkt auf der Planung des öffentlichen Raums liegen, damit nicht Bürger an bestimmten Stellen zur leichten Beute von Kriminellen werden. Ein Beispiel hierfür ist die Schaffung sicherer Zugänge zu den Bahnhöfen der Stadtbahnen. Des Weiteren müssen wir für eine vernünftige Bautätigkeit entlang unserer Flüsse sorgen und sicherstellen, dass in Flussniederungen keine Gebäude mehr errichtet und daraus resultierende Katastrophen vermieden werden.
In diesem Bericht gibt es viele gute Ideen, die Möglichkeiten zum Austausch bewährter Konzepte bieten, und genau das sollte dieser Bericht auch bewirken. Ich hoffe, dass der Kommissar das Dossier unterstützen und diesem Geiste folgen wird.
Gyula Hegyi (PSE). – (HU) Herr Präsident! Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen danken, die in der Hoffnung, der Bericht möge angenommen werden, an ihm mitgewirkt haben. Mein Dank gilt selbstverständlich besonders jenen, deren Vorstellungen sich im Großen und Ganzen mit meinen deckten.
Was Subsidiarität betrifft, weichen meine Ansichten, wie ich meine, ein wenig ab. Wir sprechen hier nicht von einer Richtlinie als vielmehr von einem strategischen Vorschlag. Daher sollten wir unsere Forderungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht herunterschrauben. Wenn die Zeit für die Erarbeitung von Richtlinien gekommen ist, steht uns auf jeden Fall ein langer Verhandlungsprozess bevor.
Übrigens bin ich mit Vertretern europäischer Städte und Gemeinden sowie Mitarbeitern von Eurocity zusammengekommen, die mir einen Besuch im Parlamentsgebäude abgestattet haben. Sie erwarteten von mir, dass so weit als möglich verbindliche Maßnahmen aufgenommen werden, damit sie ihre umweltfreundlichen Vorstellungen mit Unterstützung seitens der Europäischen Union besser verwirklichen können, da in den Städten offensichtlich anderen Interessen Rechnung getragen werden muss.
Zudem kommt es darauf an, dass dieser strategische Vorschlag in dem Durcheinander nicht untergeht. Deshalb habe ich in einem der Abschnitte ein Follow-up zu diesem Bericht im Rahmen der interinstitutionellen Konsultation vorgeschlagen. Erfreulicherweise hat dieser Vorschlag bei allen Parteien in diesem Hause Anklang gefunden.
Ich bitte Kommissar Dimas daher, mir in der nächsten Woche oder zu einem anderen Zeitpunkt Gelegenheit zu geben, darüber zu diskutieren, wie mit dem Follow-up zu diesem Bericht über seine Verabschiedung durch das Europäische Parlament hinaus zu verfahren ist.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen Rednern für ihre positiven und konstruktiven Wortmeldungen danken. Diese Strategie ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung. Sie fällt unter das sechste Umweltaktionsprogramm und ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürger.
Erfreulicherweise wird das Parlament bald eine Entschließung verabschieden, in der hervorgehoben wird, wie wichtig Fragen der Stadtentwicklung für die Bürger der Europäischen Union sind. Obwohl es einige Meinungsverschiedenheiten über die Herangehensweise an diese wichtige Aufgabe gibt, besteht meines Erachtens zwischen der Kommission und dem Parlament trotzdem Einvernehmen in den wichtigsten Punkten, nämlich dem Inhalt und den Auswirkungen.
Nach Meinung der Kommission sieht die richtige Vorgehensweise so aus, dass Beratungen durchgeführt, Anreize geboten und bewährte Konzepte ausgetauscht werden. Aber wir werden auch die Wirksamkeit der Strategie überwachen und regelmäßige Überprüfungen durchführen, um festzustellen, inwieweit die Strategie zur Bewältigung dieser wichtigen Aufgabe beiträgt.
Die Kommission wird dem Parlament über die Ergebnisse dieser Überwachung Bericht erstatten. Ich hoffe, dass das Parlament eine Entschließung verabschieden kann, in der die Ziele dieser Strategie unterstützt werden.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 11.30 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Zita Gurmai (PSE). – (EN) Den Städten kommt bei der Schaffung von Wohlstand eine Schlüsselrolle zu: Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung ist die Triebkraft für Wachstum und Beschäftigung.
Effiziente städtebauliche Planung, pragmatische Entwicklung von Modellen und Instrumenten für die städtische Umwelt unter Heranziehung eines integrierten Ansatzes und der Austausch bewährter Konzepte helfen den Städten, eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen, die wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Herausforderungen miteinander in Einklang zu bringen sowie zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der EU-Bürger beizutragen.
Diese Maßnahmen, die auf umfassenden Politiken mit klaren, konkreten, messbaren Zielsetzungen und Konzepten beruhen, müssen nachhaltig, zukunftsorientiert und mit angemessenen EU-Mitteln ausgestattet sein. Die städtische Umweltpolitik – ein weites, komplexes und sich ständig wandelndes Feld – bedarf eines flexiblen Ansatzes, weshalb der Schwerpunkt auf der Forschung liegen sollte, die in das 7. Forschungsrahmenprogramm aufgenommen werden könnte.
Unter den breit gefächerten vorrangigen Zielen finden sich einige der größten Herausforderungen wie Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. In den Stadtentwicklungsprogrammen gilt es, insbesondere die Entwicklung bepflanzter Flächen zu begrenzen und die Entwicklung aufgegebener Flächen verstärkt zu betreiben sowie bestehende Grünflächen zu schützen. Der nachhaltige städtische Verkehr; die zunehmende Einführung umweltfreundlicher Verkehrsträger und Technologien, die Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln und nichtmotorisiertem Verkehr gegenüber privaten Pkws stehen nur beispielhaft für die wesentlichen Prioritäten.
Kathy Sinnott (IND/DEM). – (EN) Die Europäische Kommission erarbeitet zusammen mit dem Parlament und dem Rat etliche Strategien, die Orientierung bieten und den Austausch erfolgreicher Rezepte fördern sollen.
Dafür zu sorgen, dass eine europäische Strategie zur städtischen Umwelt auch ernst genommen wird, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Bereiche Stadtplanung und Stadtentwicklung werden von starken finanziellen Interessen dominiert, sodass wir mehr benötigen als Empfehlungen, damit Maßnahmen, die wir heute ergreifen, in Zukunft zu sicheren Städten mit hoher Lebensqualität führen.
Anstatt in die Strategie eine Erklärung einzubauen, wonach Grünflächen ein wichtiger Aspekt der Stadtplanung sind, wäre meiner Meinung nach die Aufnahme einer Zielvorgabe wesentlich sinnvoller. So könnte zum Beispiel ein Anteil von 15 % Grünflächen in städtischen Gebieten oder eine bestimmte Zahl an Quadratmetern pro 1000 Einwohner festgelegt werden. Nur mit einer eindeutigen und festen Zielvorgabe kann man unersättlichen Immobilieninvestoren Einhalt gebieten.
In meinem Wahlbezirk gibt es ein Wohngebiet mit Sozialwohnungen, das vor 30 Jahren gebaut wurde. Dieses Wohngebiet wurde genau so angelegt, wie man das jetzt in der vorliegenden Strategie fordert, nämlich mit großen Grünflächen, breiten und leicht befahrbaren Straßen und einer guten Infrastruktur. Es wird höchsten Maßstäben gerecht und hat der entsprechenden Kommune gute Dienste geleistet.
Dieses Wohngebiet ist jedoch in das Visier von Stadtplanern geraten, die auf der Suche nach Bauland sind. Nur wenn in einer Strategie zur städtischen Umwelt konkrete Prozentangaben vorgesehen sind, werden auch genügend neue Grünflächen in den Städten geschaffen und bestehende Grünflächen, die sich großer Beliebtheit erfreuen, erhalten bleiben.