Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Thomas Mann im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens (2006/2002(INI)) (A6-0248/2006).
Thomas Mann (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar Figel', liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Europäischen Union können wir mit den niedrigen Löhnen und den geringen sozialen Standards von Schwellenländern nicht mithalten. Vielmehr müssen wir unser Potenzial an hochwertiger Arbeit konsequent weiterentwickeln. Dafür sind qualifizierte Bildung und Weiterbildung wesentliche Voraussetzungen. Im März 2005 erklärten sich die Bildungsminister der 25 EU-Mitgliedstaaten bereit, ihre nationalen Systeme zu modernisieren. Der Einzelne soll befähigt werden, sich den immer höheren Anforderungen der heimischen und internationalen Arbeitsmärkte anzupassen.
Noch sind die Barrieren beim Zugang zu Bildung und Ausbildung zwischen Institutionen und Mitgliedstaaten hoch. Weder können die Kenntnisse und Kompetenzen effektiv genutzt werden, noch sind die Qualifikationen transparent. Die Folge: Außerhalb des eigenen Heimatlandes werden erworbene Abschlüsse noch nicht ausreichend anerkannt. Je durchschaubarer aber die Systeme der Schulen, der beruflichen Bildung und der Universitäten sind, desto eher ist es möglich, Urteile über die spezifischen Modelle in den Mitgliedstaaten abzugeben, etwa in meinem Land – Deutschland – über die Qualität des dualen Systems und den Wert eines Meisterbriefes.
Der Europäische Qualifikationsrahmen ist ein Metarahmen, der drei Aufgaben hat. Erstens: Er soll die nationalen und internationalen Qualifikationen miteinander verbinden. Zweitens: Er soll dafür sorgen, dass die Eignungen anerkannt werden, vergleichbar und übertragbar sind. Und drittens: Er soll für mehr Transparenz, Durchlässigkeit und Mobilität sorgen. Grundlagen des EQR sind acht Referenzstufen, mit denen die Lernergebnisse beschrieben werden. Sie beginnen bei grundlegenden Fertigkeiten für einfache Aufgaben und reichen bis zu ausgeprägten Kompetenzen für eine akademische Ausbildung. Auf jeder dieser acht Stufen muss der Erwerb von beruflicher Kompetenz ermöglicht werden, ganz gleich, welcher Bildungsweg beschritten wird. Es gab breite Zustimmung bei den Sozialpartnern, bei den Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern, bei Bildungsträgern, Berufsschullehrern, bei den Auszubildenden und bei den Ausbildern, bei den SchülerInnen und Studenten, denn alle wissen, dass hier die Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ersetzt, sondern fachkundig ergänzt werden, und die Umsetzung soll auf freiwilliger Basis beruhen.
Als Berichterstatter des Europäischen Parlaments habe ich einige Punkte im Vorschlag der Kommission kritisiert, in denen zu starkes Gewicht auf die akademische Bildung gelegt und die berufliche Bildung nicht angemessen berücksichtigt wird. Mir fehlt auch ein noch eindeutigerer Bezug zum Arbeitsmarkt. Der EQR muss sich an den Zielen von Lissabon-II, etwa Wachstum und Beschäftigung, und damit verbunden einerseits der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie auf der anderen Seite der Arbeitsfähigkeit des Einzelnen, also der employability orientieren. Meine Einwände wurden im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten geteilt, und über die Vorschläge meiner Kolleginnen und Kollegen – viele sind ja hier anwesend – sowie die einstimmige Annahme bei drei Enthaltungen habe ich mich sehr gefreut.
Unter anderem unterstützen wir die Neuausrichtung des Qualifikationsrahmens auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Lernprozessen. Sie ist ein deutlicher Unterschied zu vielen bisherigen Bewertungen, die sich nur an der Dauer des Lernens und an der Art der Abschlüsse orientiert haben. Am wichtigsten ist es uns, dass die berufliche und die akademische Bildung gleichwertig sind, sie sind zwei Seiten derselben Medaille: der Bologna-Prozess mit dem Ziel eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes und der Kopenhagen-Prozess zur Stärkung der europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung. Der Europäische Qualifikationsrahmen ist erst dann erfolgreich, wenn in allen Mitgliedstaaten nationale Qualifikationsrahmen entstehen, wenn sie danach weiterentwickelt werden können und dann bis zum Jahre 2009 vernünftigerweise an den EQR gekoppelt werden. Ich hoffe, dass seine Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – wir im Europäischen Parlament werden bestimmt dazu beitragen –, und dass die Sozialpartner, die Bildungsanbieter und die Institutionen vertrauensvoll kooperieren. Erst dann haben wir ein richtiges Werkzeug für die Bildungsstätten und für das Arbeitsleben in der Europäischen Union.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Hier handelt es sich um ein Paket von Themen, das zeigt, dass allgemeine und berufliche Ausbildung an Bedeutung gewinnen. Ich bin mir sicher, dass der EQR eines der wichtigsten Instrumente der kommenden Jahre sein wird. Als mir die Frage zu den wichtigsten Themen in meinem Portfolio für die nächsten fünf Jahre gestellt wurde, habe ich geantwortet, dass der EQR dazu gehört, und deshalb denke ich, dass wir ihn jetzt verwirklichen und nicht nur darüber reden.
Vor allem möchte ich dem Berichterstatter und dem Ausschuss für Beschäftigung für den ausgezeichneten Bericht, der in Absprache mit anderen Ausschüssen und auf der Grundlage des Arbeitspapiers der Kommission vom letzten Jahr erarbeitet wurde, meinen Dank aussprechen. Er gibt uns die Möglichkeit, den in diesem Monat angenommenen offiziellen Vorschlag aufzunehmen, denn ich bin mir sicher, dass lebenslanges Lernen und Mobilität für unsere Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union ausschlaggebend sind.
Die Kommission hat seit jeher positive Maßnahmen ergriffen, um auf diesen Gebieten voranzukommen. In der Praxis sehen sich die Menschen allerdings noch zu oft Hindernissen gegenüber, wenn sie versuchen, in ein anderes Land zwecks Studium oder Arbeit zu gehen und um eher Bürger der Union zu werden als Touristen zu sein. Sie haben auch Schwierigkeiten, wenn sie auf einer bereits erhaltenen allgemeinen oder beruflichen Ausbildung aufbauen wollen und beispielsweise von einer Berufsausbildung zu einer Hochschulausbildung übergehen wollen. Der EQR wird zur Lösung dieses Problems beitragen. Er wird die Transparenz verbessern und die unterschiedlichen nationalen Qualifikationssysteme oder Qualifikationsrahmen innerhalb Europas verständlicher machen. Indem er dazu beiträgt, dass die verschiedenen Systeme einander vergleichbarer werden, erleichtert er den Zugang zu allgemeiner und beruflicher Ausbildung und erhöht die Mobilität für Lernzwecke oder Arbeitsaufnahme. Er könnte auch außerhalb Europas hilfreich sein, denn als ich in Moskau oder im Juni in Kanada war, erklärten beide Länder – sowohl Russland als auch Kanada –, dass sie interessiert daran seien, mehr über dieses Instrument zu erfahren, denn sie möchten sich daran ein Beispiel für ihre Politik nehmen.
Wir verfügen bereits über Rechtsinstrumente wie die Richtlinien über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Die Europass-Initiative wurde heute schon erwähnt, und sie verfolgt ähnliche Ziele. Diese Instrumente allein reichen allerdings nicht aus, und deshalb ist der EQR ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situation.
Unser Vorschlag umfasst viele Anmerkungen und Empfehlungen, die im Bericht von Herrn Mann enthalten sind. Ich bin mir sicher, dass wir hier Einigung erzielen können. Meiner Ansicht nach sind Parlament und Kommission bei dieser Thematik im Wesentlichen auf einer Wellenlänge. Das Dokument, zu dem Sie sich geäußert haben, war ein Arbeitspapier, das im Juli des letzten Jahres verabschiedet wurde. Seither sind wir auf dem Weg zu einem praktischeren und nutzerfreundlicheren Instrument weiter vorangekommen.
Herr Mann hat zu Recht erklärt, dass bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung mehr getan werden muss. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sie mit dem Vertrag von Rom 1957 vertraglich verankert wurde, die Hochschulbildung jedoch erst mit dem Vertrag von Maastricht. 1999 nahmen wir den Bologna-Prozess in Angriff und erst später den Kopenhagen-Prozess. Wir haben nunmehr zwei parallel laufende Prozesse, die sich gut in den Europäischen Qualifikationsrahmen einfügen, aber wir brauchen ihn, um mit der tatsächlichen Umsetzung wichtiger Klauseln in unseren Verträgen beginnen zu können. Und das tun wir jetzt: Im Bologna-Prozess sind es 45 Länder, im Kopenhagen-Prozess 32. Vor zwei Wochen war ich in der Schweiz. Sie will sich dem Kopenhagen-Prozess anschließen. Das sind gute Nachrichten für unsere Arbeit.
Der EQR wird nur dann den vollen Nutzen bringen, wenn er von den Mitgliedstaaten auch richtig umgesetzt wird. Sie müssen ihre Qualifikationssysteme mit dem EQR verknüpfen. Ich bin überzeugt, dass unser Vorschlag die richtigen Voraussetzungen und die Möglichkeiten bietet, das erforderliche gegenseitige Vertrauen zu schaffen, das die Grundlage für die ordnungsgemäße Umsetzung eines solchen Instruments bietet. Diese Strategie hilft außerdem Arbeitgebern und Einzelpersonen beim Vergleich von Qualifikationen innerhalb der Union und zwischen den verschiedenen Systemen der allgemeinen und beruflichen Ausbildung.
Ich bin mir sicher, dass diese wichtige Initiative den Bürgern Europas hilft, die Herausforderungen zu bewältigen und die Vorteile einer wissensbasierten Gesellschaft zu nutzen. Wir freuen uns nicht nur auf weitere Diskussionen, sondern auch auf die weitere Zusammenarbeit nach der Annahme des Vorschlags.
(Beifall)
Stefano Zappalà (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ziel der Lissabon-Strategie ist es, den Prozess zur Modernisierung der europäischen Bildungs- und Ausbildungssysteme zu beschleunigen, um die europäische Wirtschaft bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft in der Welt zu machen.
Wesentliche Grundbedingungen hierfür sind eine größere Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und ein effizientes System des lebenslangen Lernens. Mangelnde Kommunikation und Kooperation zwischen den einzelstaatlichen Behörden und den Bildungssystemen auf verschiedenen Ebenen stehen einer effektiven Nutzung bereits erworbener Kompetenzen und Kenntnisse im Wege. Deshalb muss ein gewisses Zusammenspiel zwischen den Bildungs- und Weiterbildungssystemen der einzelnen Mitgliedstaaten gefördert werden.
Wie der Herr Kommissar erwähnte, wurde durch die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, deren Berichterstatter ich war, zu bestimmten Aspekten bereits mit der Arbeit begonnen, die in der Schaffung eines Europäischen Qualifikationsrahmens ihre natürliche Fortsetzung und Ergänzung findet. Diese Arbeit wird ein Weg sein, um das gegenseitige Vertrauen zwischen den verschiedenen Systemen zu erhöhen und zu festigen, und sie wird die Mobilität und das lebenslange Lernen fördern. Sie muss eine flexible Struktur schaffen, die problemlos durch die entsprechenden nationalen Strukturen ergänzt werden kann und dabei gleichzeitig deren verschiedene Besonderheiten respektiert. Sie muss die Anerkennung, Vereinbarkeit und Übertragbarkeit von Qualifikationen zwischen den verschiedenen Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung gewährleisten, wie Herr Mann ganz richtig ausgeführt hat.
Das bedeutet, dass der Informationsaustausch über in den Mitgliedstaaten anerkannte Titel, Qualifikationen, Zeugnisse und Berufserfahrungen verstärkt und verbessert werden muss.
Nach jetzigem Stand ist der Europäische Qualifikationsrahmen, so wie er in dem Vorschlag der Kommission konzipiert wird, jedoch offenbar nicht ganz klar; er muss verständlicher gestaltet werden, und einige zusammenhanglos erscheinende Aspekte müssen korrigiert werden. Deshalb empfehlen wir der Kommission, den Vorschlag zu überarbeiten und neu zu formulieren, dabei jedoch seine Ziele beizubehalten.
Milan Gaľa (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. – (SK) Mit Freude stelle ich fest, dass der gesamte Bereich der lebenslangen Bildung und Ausbildung seit kurzem von einer Randposition in eine zentrale Stellung gerückt ist. Ein wichtiger Impuls war die Überprüfung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und die Notwendigkeit, ihre Ziele zu erfüllen. Schon 2000 wurde ein bedeutender Schritt vollzogen, als das Arbeitsprogramm „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“ angenommen wurde, das nicht nur auf die Verbesserung der Qualität und Effektivität von Bildungs- und Ausbildungssystemen, sondern auch darauf abzielt, diese problemlos und allgemein zugänglich zu machen.
Das vorgeschlagene Konzept des Europäischen Qualifikationsrahmens, das wir heute diskutieren, ist eine konkrete Initiative, die sich aus dem Arbeitsprogramm ergibt. Ich halte dieses Konzept für einen konstruktiven Anreiz, der spürbar zur Transparenz bei der Übertragbarkeit und Anerkennung von Qualifikationen auf europäischer Ebene beitragen wird. Außerdem soll es nationale und sektorale Reformen der lebenslangen Bildung voranbringen und zugleich eine wesentliche Rolle bei der Förderung der Mobilität von Studierenden und Beschäftigten spielen. In der heutigen Aussprache möchte ich das neue Element hervorheben, das mit dem EQR eingeführt wird, nämlich die Anerkennung der nicht formalen und informellen Bildung. Damit wird sich die Vorgehensweise bei der Bewertung ändern, die herkömmlich auf der Dauer der Bildung bzw. der Art der Einrichtung basierte, während jetzt stattdessen Leistung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten stärker im Vordergrund stehen.
Ich danke meinem Kollegen, Herrn Mann, dem Berichterstatter für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, für seine Arbeit am Bericht über die Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens, sowie dem anwesenden, für Bildung, Kultur und Mehrsprachigkeit zuständigen Kommissionsmitglied, Herrn Figeľ, und ebenso seinem Team, das das Arbeitspapier verfasst hat. Es ist eine gute Nachricht, dass die Europäische Kommission den Entwurf der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schaffung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen auf ihrer Zusammenkunft am 5. September gebilligt hat. Ich vertraue darauf, dass das Europäische Parlament den Bericht von Herrn Mann auf dieser Plenarsitzung annimmt und uns damit in die Lage versetzt, ein neues Kommissionspapier zum Europäischen Qualifikationsrahmen zu beraten.
Zita Pleštinská, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SK) Ich halte es für eine sehr wichtige Aufgabe der EU, eine europäische Rechtsvorschrift in Kraft zu setzen, die formell und informell die Bestimmungen zur Regulierung des Unternehmensumfelds verbessert. Humankapital stellt eine Schlüsselkomponente dieses Umfelds dar. Deshalb nennen Unternehmensverbände die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsabschlüssen die positivste Maßnahme, die von der Europäischen Union in dieser Amtszeit getroffen wurde.
Ein anderer wichtiger Schritt, der besondere Beachtung verdient, ist die Schaffung des Europäischen Qualifikationsrahmens, der den transparenten Umgang mit Bildung unabhängig von der Art und Weise sichern soll, wie die zu Grunde liegenden Qualifikationen erworben wurden. Ich möchte außerdem das neue Element loben, also die Anerkennung der formellen und informellen Bildung, eingeschlossen den Erwerb von Berufserfahrung. In diesem Zusammenhang möchte ich meinen Kollegen, den Berichterstattern Herrn Mann, Herrn Gaľa und Herrn Zappalà, für die Formulierung eines schlüssigen Berichts danken. Ich stimme der Empfehlung der Berichterstatter zu, die acht Referenzniveaus zu vereinfachen und transparenter zu gestalten, die das Grundelement des Berichts darstellen.
Meiner Meinung nach wird mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen, obwohl er freiwillig ist, in Verbindung mit nationalen Qualifikationsrahmen ein System eingeführt, das mithelfen wird, Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt der Europäischen Union zu überwinden. Ich bin überzeugt, dass auch die Unternehmen diese Initiative der Europäischen Kommission schätzen werden, da mit ihr die verschiedenen nationalen Qualifikationszertifikate besser verständlich werden und Arbeitgeber den Europäischen Qualifikationsrahmen dann als Referenzinstrument für die Auswahl hoch qualifizierter Mitarbeiter auf der Basis von Bildung, Fertigkeiten und Kompetenz nutzen können.
Françoise Castex, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen gibt sich die EU ein gewiss verbesserungswürdiges, aber für die Entwicklung der Mobilität in der Europäischen Union wesentliches Instrument in die Hand.
Die Mobilität der Unternehmen und der Bürger Europas lässt auf Gemeinschaftsebene tatsächlich einen neuen Arbeitsmarkt entstehen. Für alle europäischen Arbeitnehmer - Ingenieure, Techniker oder Handarbeiter – ist die berufliche Qualifikation das einzige und wirkliche Unterpfand für ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt, sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene.
So wie wir eine einheitliche Währung, den Euro, benötigen, der gemeinschaftsweit die Flexibilität und Integration der Wirtschaft gewährleistet, brauchen wir einen gemeinsamen, auf dem europäischen Arbeitsmarkt anerkannten Wert für berufliche Qualifikationen. Die Anerkennung des gemeinsamen Wertes der beruflichen Qualifikationen ist sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer erforderlich. Den Unternehmen sichern Qualifikationen die fachliche Kompetenz der Arbeitnehmer sowie ihre Eignung für einen Arbeitsplatz; den Arbeitnehmern sichern sie diese Kompetenz überall in der Europäischen Union und steigert deren Wert. Unabhängig von unseren nationalen Traditionen bestätigt ein Abschlusszeugnis stets die Fähigkeit einer Person zur Ausübung einer Arbeitstätigkeit und zum Einsatz der dafür erforderlichen Fertigkeiten. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis von entweder durch Ausbildung oder durch Berufserfahrung erworbenem Wissen.
Ich möchte auf den Fortschritt verweisen, den die Validierung erworbener Berufserfahrungen in einigen unserer Mitgliedstaaten bedeutet, die, wie bereits gesagt wurde, die Ausbildung ergänzen. Längerfristig wird dieser Prozess Bestandteil des Europäischen Qualifikationsrahmens werden müssen, der für alle Formen der Anerkennung der Abschlüsse offen sein muss. Der nächste Schritt sollte dann darin bestehen, den Sozialpartnern diesen Prozesses bewusst zu machen und sie schon jetzt darin einzubeziehen, um sicherzustellen, dass der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) in den Abkommen und den Tarifvereinbarungen berücksichtigt wird, sodass die Flexibilität des Arbeitsmarktes mit echten sozialen Garantien einhergeht.
Die wirkliche Wertsteigerung der Arbeit, Herr Präsident, zeigt sich im Arbeitsvertrag und auf dem Lohnschein.
Anne E. Jensen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wie bereits mehrfach an diesem Abend gesagt, ist die Bildungspolitik eine auf nationaler Ebene zu entscheidende Frage. Und so sollte es auch bleiben. Wie die heutige Aussprache aber auch zeigt, gibt es zahlreiche Gemeinschaftsinitiativen zur Entwicklung von allgemeiner und beruflicher Bildung in Europa durch Austausch und Zusammenarbeit. Dies sind vernünftige Initiativen, über die die Öffentlichkeit auf breiter Front informiert werden muss.
Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa kann von ganzem Herzen die Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens befürworten, der allgemein auch als EQF bezeichnet wird. Dieser Rahmen soll die Anerkennung und Nutzung erworbener Qualifikationen und Kompetenzen fördern und so den Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zum lebenslangen Lernen erleichtern. Die Teilnahme von 32 Staaten an dieser Form der Zusammenarbeit ermöglicht eine Entwicklung von Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten auf breiter Basis in Europa. Schon die Konzentration auf erworbene Qualifikationen ist bereits ein wichtiger Durchbruch. Der Schwerpunkt liegt auf den Ergebnissen und den tatsächlichen Fertigkeiten und nicht nur darauf, wie diese erworben wurden. Damit wird den in Europa vorhandenen sehr unterschiedlichen Strukturen, insbesondere in der beruflichen Bildung, Rechnung getragen und gleichzeitig werden gemeinsame Ziele gesetzt. In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufforderung des Kollegen Mann unterstreichen, uns stärker auf die berufliche Bildung, darunter auch die Weiterbildung, zu konzentrieren und das Gewicht nicht nur auf die akademische Bildung zu legen.
Darüber hinaus ist es wichtig, ein nicht allzu kompliziertes System zu schaffen. Es muss einfacher und klarer als das im Arbeitspapier vorgeschlagene sein. Wenn der EQF ein Erfolg werden soll, ist es darüber hinaus auch wichtig, wie der Herr Kommissar bereits betont hat, dass alle Mitgliedstaaten sich freiwillig daran beteiligen und ihre eigenen nationalen, bzw. auch regionalen, Rahmensysteme zur Bewertung von Qualifikationen einbringen. Wir müssen auf der bereits geleisteten Arbeit bei der Qualitätsbewertung der Ausbildung aufbauen und die Schaffung unnötiger Bürokratie vermeiden. Das wird nicht leicht, aber wir setzen uns heute Abend ehrgeizige Ziele.
Sepp Kusstatscher, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Das Anliegen, das von Rat und Kommission verfolgt wird, nämlich die in der Schule, im Berufsleben und in der Freizeit erworbenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen weitestgehend gegenseitig anzuerkennen, ist sicher sehr positiv. Auch die Vorschläge des Berichterstatters Thomas Mann, dem ich hiermit Anerkennung zollen will, sind zu befürworten, vor allem der Vorschlag, dass die Berufsbildung neben der akademischen Ausbildung viel stärker zu berücksichtigen ist.
In der einen Minute, die mir zur Verfügung steht, nur ein kurzes Wort zu den Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Qualifikationen. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass Wissen und Können als nicht materielle Güter sehr schwer standardisierbar und messbar sind. Sehr gute Schüler beispielsweise versagen oft im Berufsalltag, weil die in der Schule gemessenen und benoteten Qualitäten oft ganz andere sind. Damit jemand im Berufsleben erfolgreich ist, braucht er vor allem emotionale, kreative und soziale Kompetenzen, Mut, Begeisterung, praktische Intelligenz, Durchhaltevermögen, Belastbarkeit — Qualitäten, die in der Schule leider nicht besonders gefordert und gefördert werden bzw. werden können.
Guntars Krasts, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Zunächst einmal möchte ich dem Berichterstatter für seinen sehr gut formulierten und ausgewogenen Bericht danken. Ich zweifle nicht daran, dass ein gut funktionierender Arbeitsmarkt der Europäischen Union nur noch eine Frage der Zeit ist. Der europäische Qualifikationsrahmen, mit dem die Vorbedingungen für die Bildung eines einheitlichen Arbeitsmarktes und eines einheitlichen Ausbildungsumfelds geschaffen werden, wird ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. Ich bezweifle nicht, dass die Vergleichbarkeit der Qualifikationen nicht nur die Mobilität der Arbeitnehmer fördern, sondern auch eine andere Qualität des Arbeitsmarktes ermöglichen wird, indem die Arbeitskräfte effizient aufgeteilt werden. Der Qualifikationsrahmen wird eine viel engere Verbindung zwischen den nationalen Bildungssystemen der Mitgliedstaaten und den Anforderungen des Arbeitsmarktes der Europäischen Union befördern. Diese Schritte sind eng mit der Strategie und den Zielen von Lissabon verbunden. Die jüngste Erweiterung hat zu einer beispiellosen Zunahme der Mobilität der Erwerbspersonen innerhalb der Europäischen Union geführt. Arbeitsuchende sind aus vielen neuen Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa in das Vereinigte Königreich und Irland gereist – ältere Mitgliedstaaten, die als einzige ihre Arbeitsmärkte ohne Beschränkungen geöffnet haben. Die derzeitige Lage ist einzigartig, betrachtet man den Bedarf an einer Vergleichbarkeit der europäischen Qualifikationen. Die beträchtlichen Einkommensunterschiede haben Tausende hochqualifizierter Arbeitsuchender aus Mittel- und Osteuropa dazu bewogen, eine einfache Arbeit anzunehmen, für die nur geringe Qualifikationen erforderlich sind. Eine Studie, die das irische Ministerium für Unternehmen, Handel und Beschäftigung kürzlich durchgeführt hat, zeigt, dass die meisten Arbeitnehmer eine geringer qualifizierte Beschäftigung ausüben als ihre berufliche Ausbildung es ihnen ermöglichen würde. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss haben Arbeitsstellen, für die lediglich eine Grundausbildung von nur ein paar Stunden erforderlich ist. Hier liegen die Schwierigkeiten beim Vergleich von Bildungssystemen, die völlig verschieden sind. Dies sind Ressourcen, die den Staaten, aus denen die Arbeitsuchenden kommen, verloren gehen, und vergeudete Ressourcen in den Staaten, in denen sie ihre Berufsausbildung nicht nutzen können. Ich hoffe, der europäische Qualifikationsrahmen wird die Mitgliedstaaten, zwischen denen es eine aktive Bewegung der Arbeitnehmer gibt, ermutigen, Vorreiter bei der praktischen Umsetzung des Rahmens und beim Vergleich der Qualifikationen zu werden, und dass diese Mitgliedstaaten nicht die einzigen bleiben werden. Vielen Dank.
Jan Tadeusz Masiel (NI). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Thomas Mann meinen Glückwunsch zu seinem interessanten Bericht aussprechen. Mobilität ist ein Grundprinzip eines gemeinsamen Europas. Studierende und Arbeitnehmer können jedoch nur dann mobil werden, wenn die Frage der Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen endgültig geklärt ist. Dazu muss die Europäische Union europäische Qualifikationsrahmen schaffen. Die in Bologna, Barcelona, Kopenhagen und Maastricht begonnene Arbeit muss fortgesetzt werden. Wir müssen unverzüglich dafür sorgen, dass die örtlichen Verwaltungseinheiten Arbeitnehmern aus anderen EU-Staaten nicht einerseits mitteilen, es gäbe Arbeit, aber andererseits ihre Qualifikationen nicht anerkennen.
Durch die Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) steigt die Ausbildungsqualität in allen Mitgliedstaaten der EU. Diese Rahmen tragen dazu bei, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern und die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Dabei spielt auch die psychologische Dimension eine wichtige Rolle. Die Anerkennung der Qualifikationen einer Person in Form eines Berufsausbildungszeugnisses oder eines Hochschulabschlusses bedeutet auch die Anerkennung der Anstrengungen des Einzelnen, Bildung zu erwerben. Umgekehrt steckt in der Nichtanerkennung von Qualifikationen in einem anderen Mitgliedstaat ein Element der Diskriminierung und Diskreditierung.
Doch geben wir uns keiner Täuschung hin: Europäische Qualifikationsrahmen lassen sich nicht so einfach durchsetzen. Schon innerhalb eines Landes haben höhere Bildungseinrichtungen und Ausbildungsstätten oft Schwierigkeiten, Einigkeit zu erzielen. Daher überrascht es kaum, wenn ähnliche Probleme auf EU-Ebene auftreten. Deshalb sollte die Entscheidung auf Unionsebene eher politischer als akademischer Natur sein. So sollte beispielsweise ein polnisches Maurerzeugnis in Deutschland anerkannt werden und umgekehrt. Ein Psychologieabschluss aus Oxford sollte in allen anderen EU-Ländern anerkannt werden, ebenso wie ein Abschluss im Fach Psychologie einer weniger renommierten Universität eines kleineren Landes. Örtliche Berufsverbände sollten keine Möglichkeit haben, Einwände zu erheben. So gibt es jedoch zum Beispiel in Belgien nicht einmal eine zuständige Stelle, die die Gültigkeit der Qualifikationen eines selbständigen polnischen Malers oder Maurers bewertet. Folglich können bestimmte Personen bestimmte Arbeiten nicht ausführen.
Die Frage der EQR hat besondere Bedeutung für die Bürger der neuen Mitgliedstaaten. Denn sie sind es, die anderen EU-Ländern in der näheren Zukunft statt Kapitalinvestitionen eher ihre beruflichen Qualifikationen zu bieten haben werden. Für Kapitalinvestitionen gibt es bereits einen gemeinsamen Nenner – den Euro.
Maria Matsouka (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Es ist wahr, dass Europa im Laufe seiner Geschichte mit zahlreichen Problemen und ernsten Bedrohungen wie etwa Arbeitslosigkeit, Armut und Arbeitsplatzunsicherheit konfrontiert war. Dennoch stellen diese beunruhigenden Tendenzen eines sozialen Zusammenbruchs keine Prophezeiung dar, die sich ohne unser Zutun erfüllt und die wir fatalistisch hinnehmen sollten. Die Lösungen sind weit entfernt von der Auffassung zu suchen, Wettbewerbsfähigkeit sei durch Missachtung von Beschäftigung zu erreichen.
Wenn wir europäische Werte und unsere sozialen Sensibilitäten achten und Wissen in den Mittelpunkt stellen, dann können wir einen Kurs einschlagen, der uns voran bringt, wobei wir berücksichtigen sollten, dass die Globalisierung von wirtschaftlicher Aktivität, sozialer Fortschritt und Umweltschutz auf der ständigen Entwicklung neuer Fähigkeiten und der Nutzung neuer Technologien basieren.
Wenn wir Forschungseinrichtungen zu Säulen der Innovation und des Erwerbs beruflicher Erfahrungen aufwerten, wird lebenslanges Lernen effektiv sein, was dem Einzelnen wie auch der Gesamtheit zugute kommt. Die neuen Fähigkeiten der Arbeitnehmer müssen gemeinsamen europäischen Evaluierungskriterien genügen, wodurch sich ihr Entwicklungspotenzial vergrößert.
Vor diesem Hintergrund sowie unter Beachtung der Besonderheiten der verschiedenen Berufszweige und der Besonderheiten der einzelnen Regionen müssen wir in klarer, eindeutiger und integrierter Weise die Achsen und Perspektiven des Europäischen Qualitätsrahmens festlegen, bei dem Wissen als gesellschaftliches und nicht als kommerzielles Gut im Mittelpunkt steht.
Abschließend möchte ich Herrn Mann gratulieren.
Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (SK) Es ist nicht nur die Aussprache, sondern auch der Bericht selbst und das Klima für Qualifikationen in Europa, die für uns eine große Herausforderung darstellen, bei der Schaffung eines Raumes mit einem stärkeren europäischen Inhalt. Das bedeutet Regeln und Normen, die eine gewisse Qualität, und damit Mobilität, für die Bürger etablieren.
Deshalb möchte ich mehrere Aspekte hervorheben, die für die gesamte Thematik von Bedeutung sind. Einer betrifft die Schaffung eines Raums, was nicht nur Verfügbarkeit und Qualität von Primarbildung, höherer Bildung und Ausbildung bedeutet, sondern auch einen Raum für weiterführende Bildung, kontinuierliches oder lebenslanges Lernen sowie für die Anerkennung von nicht formaler und informeller Schulbildung. Der Europäische Qualifikationsrahmen geht genau in diese Richtung. Zweitens ist dies ein Folgebeitrag zu dem, was wir bereits getan haben: Der Europass, der in diesem Parlament angenommen wurde, hilft, Qualifikationen transparenter zu machen, aber mit dem Qualifikationsrahmen werden sie kompatibel und vergleichbar und damit übertragbar. Das ist eine sehr wichtige Veränderung.
Wenn wir es schaffen, ihn endgültig anzunehmen, dann wird er einen guten Rahmen nicht nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bieten, sondern auch für Anbieter von Bildung und Ausbildung, da er diesen Raum öffnen und im Ergebnis Druck in Richtung auf Qualitätsverbesserungen ausüben wird. Bei Offenheit geht es darum, eine qualitativ bessere Bildung und Ausbildung zu fördern. Frau Jensen hat 32 Länder genannt. Ich glaube, diese Zahl wird schrittweise in dem Maße wachsen, wie wir den Kopenhagen-Prozess und den Bologna-Prozess voranbringen und Glaubwürdigkeit, hohe Standards und garantierte Qualitätskennziffern bieten. Außerdem bin ich überzeugt, dass dies der EU insgesamt und ebenso ihren Bürgern und Institutionen zugute kommen wird. Nach meiner Auffassung wird man auf diese Weise gewährleisten können, dass beispielsweise ein Klempner, ob er nun aus Polen oder aus einem anderen Land kommt, nicht als Bedrohung angesehen wird, sondern als jemand, der einen wichtigen Beitrag zur Mobilität und Wettbewerbsfähigkeit in einem gemeinsamen Europa leistet. Setzen wir die gute Arbeit zu diesem Qualifikationsrahmen fort.