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Verfahren : 2006/2101(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A6-0275/2006

Eingereichte Texte :

A6-0275/2006

Aussprachen :

PV 26/09/2006 - 3
CRE 26/09/2006 - 3

Abstimmungen :

PV 27/09/2006 - 5.10
CRE 27/09/2006 - 5.10
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2006)0380

Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 26. September 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

3. Weißbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Aussprache)
Protokoll
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Bernhard Rapkay im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über das Weißbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (2006/2101(INI)) (A6-0275/2006).

 
  
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  Bernhard Rapkay (PSE), Berichterstatter. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissionspräsident! Es ist nicht alltäglich, dass sich der Kommissionspräsident an einer Diskussion über einen Initiativbericht beteiligt. Ein Initiativbericht ist ja nicht unbedingt ein herausragendes Ereignis. Unsere eigentliche Aufgabe ist die Gesetzgebung. Darauf komme ich noch zu sprechen. Dass Sie jetzt hier sind, zeigt, dass die Kommission sich selbst darüber im Klaren ist, wie wichtig dieses Thema für die Bürgerinnen und Bürger und damit natürlich auch für uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die die Bürgerinnen und Bürger in Europa vertreten, ist.

Deswegen möchte ich an einen der Vorgänger von Herrn Kommissionspräsident Barroso anknüpfen, nicht irgendeinen Vorgänger, sondern Jaques Delors, der vor einigen Monaten vor einem Gremium des Ausschusses der Regionen versucht hat, die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in den Kontext des Europäischen Aufbauwerkes zu stellen. Er hat vor dem Ausschuss der Regionen gesagt, dass das Europäische Aufbauwerk drei Grundsätze als Bezugsrahmen habe: die Solidarität, die zusammenführt und auf den Zielen des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts beruht, die Zusammenarbeit, die die Umsetzung der transnationalen und europäischen Bestrebungen der EU-Verträge und -Programme ermöglichen soll, und den Wettbewerb, der die Vollendung des Binnenmarktes und die Grundlage der Regeln der sozialen Marktwirtschaft ermöglichen soll und durch ein Wettbewerbsrecht geregelt wird, das ein demokratisches Recht darstellt, vor allem um wirtschaftlichen Machtmissbrauch zu beschränken und verbraucherrechtlichen Schutz zu gewährleisten.

Die Dienstleistungen von allgemeinem und von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse spiegeln sich in diesen drei Grundsätzen wider. Beziehungen zwischen Eckpunkten eines solchen Dreiecks bergen aber auch immer Spannungsverhältnisse in sich. In diesem Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem und allgemeinem wirtschaftlichem Interesse liegen sie auf der Hand.

Öffentliche Dienstleistungen sind ein wesentliches Element der Lebensqualität der einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Sie haben auch eine Schlüsselrolle in der Lissabon-Strategie der Europäischen Union zu übernehmen. Gute öffentliche Dienstleistungen können dazu beitragen, wirtschaftliche Stagnation, soziale Ausgrenzung und Isolation zu überwinden, den sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken und die Funktionsweise des europäischen Binnenmarktes und seine Wettbewerbsfähigkeit nach innen und nach außen zu verbessern. Trotzdem habe ich mich immer, wenn ich in meiner Heimatregion und auch in anderen Regionen mit Kommunalpolitikern und denen, die diese Leistungen der Daseinsvorsorge bereitstellen, diskutiere, mit ihren Klagen auseinanderzusetzen, dass wir in ihre Kompetenz eingreifen, dass wir ihre Aufgaben erschweren, dass wir nicht klar machen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten können. Sie sagen, sie hätten eigentlich keine rechtliche Sicherheit.

Deswegen wäre es wichtig, dass angemessene gesetzliche Initiativen ergriffen werden, um diese Rechtssicherheit herzustellen. Allen denjenigen, die in der Diskussion fragen, was wir eigentlich wollten, wir hätten doch die Kommission, die Mitteilungen macht und Leitlinien erlässt, und wir hätten den Europäischen Gerichtshof, der Recht spricht, muss ich sagen, dass das offensichtlich nicht ausreicht. Nicht nur das, es trägt zum Teil sogar zu dieser Rechtsunsicherheit bei. Denn die Kommission schafft mit Mitteilungen und Leitlinien keine Rechtssicherheit. Sie suggeriert vielleicht, dass sie Rechtssicherheit schafft, aber eine Mitteilung ist eben kein verbrieftes Recht, auf das man sich fest verlassen kann.

Wir müssen wirklich gesetzliche Initiativen ergreifen, und wir machen hierzu auch Vorschläge, die ich nicht alle aufführen möchte. Aber ich sage Ihnen, Herr Kommissionspräsident: Machen Sie von Ihrem Initiativrecht, das auch eine Initiativpflicht ist, Gebrauch! Bausteine für diese gesetzlichen Initiativen liegen in der Entschließung, über die wir morgen abstimmen. Sie liegen auch in den Entschließungen, die wir schon beschlossen haben, etwa dem Bericht Langen oder dem Bericht Herzog. Wir geben kein konkretes Instrument vor. Es ist Ihre Aufgabe, dieses Instrument vorzugeben. Wir selbst müssen das, was die Kommission an gesetzlichen Vorstellungen vorlegt, für uns bewerten, jede Fraktion für sich. Wir werden das an dem machen, was wir als Fraktion vorgeschlagen haben — einem Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie. Darüber werden wir weiter diskutieren. Andere müssen dies mit ihren Vorschlägen machen. Gemeinsam im Parlament müssen wir dann eine Gesetzgebung vorantreiben. Das kann nur im Mitentscheidungsverfahren funktionieren. Wir brauchen gesetzliche Initiativen im Mitentscheidungsverfahren, denn nicht Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Kommission und die hoch qualifizierten und gut motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kommission, auch nicht die nationalen Regierungen, sondern wir, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind die unmittelbar durch Wahlen Legitimierten. Wir müssen vor Ort mit den Kommunalpolitikern und mit anderen diskutieren und vor ihnen Rechenschaft ablegen. Wir werden für das Handeln verantwortlich gemacht. Deswegen muss das Mitentscheidungsverfahren zur Anwendung kommen, deswegen müssen die vollen parlamentarischen Rechte gewahrt werden.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bilden das Herzstück des europäischen Gesellschaftsmodells, das wir vertreten. Sie decken eine breite Palette von Tätigkeiten ab, von den großen Netzindustrien – Energie, Telekommunikation, Verkehr und Postdienste – bis zu den Sozial- und Gesundheitsdiensten, der Wasser- und Abfallwirtschaft.

Die so genannten Netzdienste wie Verkehr, Energie, Telekommunikations- und Postdienste machen etwa 7 % unseres gemeinschaftlichen Bruttoinlandsprodukts und 5 % der Gesamtbeschäftigung in der Europäischen Union aus. Sie stellen also ein wesentliches Element des Alltags aller Bürger, aber auch der Unternehmen der Union dar. Der Erfolg der europäischen Strategie für Wachstum und Beschäftigung, der Lissabonner Strategie, die von herausragender Bedeutung für unseren Wohlstand ist, hängt auch von der Qualität und der Effizienz dieser Dienstleistungen ab.

Seitdem die Kommission ihr Weißbuch über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse veröffentlicht hat, entwickelte sich eine intensive Debatte über die Rolle, die die Europäische Union gegebenenfalls hinsichtlich dieser Dienstleistungen spielen sollte. Ich freue mich über diese Debatte. Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Rapkay, und seinen Kollegen in den Ausschüssen danken, die mit diesem ausgezeichneten Bericht diese Debatte vorangebracht haben.

Die Realität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ist vielfältig. Sie ist zugleich in ständiger Entwicklung begriffen. Technischer Fortschritt, die neuen Erwartungen der Gesellschaft und der Verbraucher, der finanzielle Druck, die Modernisierung der staatlichen Verwaltungen, all das hat die Art und Weise der Erbringung dieser Dienstleistungen grundlegend verändert. In diesen Zeiten des raschen wirtschaftlichen und technologischen Wandels brauchen die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einen sachgerechten und effizienten Rechtsrahmen, der es ihnen ermöglicht, die ihnen gesetzten Ziele zu erreichen und sich ständig einem wechselnden Umfeld anzupassen.

Die Kommission ist bereit, an der Schaffung eines solchen Rechtsrahmens unter Zugrundelegung von vier wesentlichen Prinzipien mitzuwirken. Erstens, für den Rahmen der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene erbracht werden, müssen weiterhin die Mitgliedstaaten zuständig bleiben, wodurch es möglich ist, das wichtige Subsidiaritätsprinzip zu wahren. Es gibt einfach keine andere Möglichkeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Europäische Union die Vielfalt der in den Mitgliedstaaten herrschenden Situationen und Praktiken respektieren muss. Diese Vielfalt widerspiegelt die Unterschiedlichkeit der Geschichte und der Kulturen hinsichtlich der staatlichen Intervention. Ich schließe mich dem in Ihrem Bericht geäußerten Standpunkt an, dass es absolut nicht angebracht ist, einheitliche Definitionen auf Gemeinschaftsebene festzulegen. Die Mitgliedstaten müssen weiterhin ihre Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, Strukturen und Traditionen frei festlegen können.

Das zweite Prinzip besteht darin, dass die Förderung und der Schutz von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die durch einen allgemeinen Zugang und ein gutes Qualitäts-Leistungsverhältnis gekennzeichnet sind, mit offenen und wettbewerbsfähigen Märkten vereinbar sind. Um sich hiervon zu überzeugen, betrachte man nur Bereiche wie den Telekommunikations- oder den Luftverkehrssektor, wo es gelungen ist, gemeinwohlorientierte Tätigkeiten unter voller Achtung der Verbraucherinteressen erfolgreich privaten Betreibern zu übertragen. Es sei jedoch darauf verwiesen, dass im Falle eines unlösbaren Konflikts zwischen den Binnenmarkts- oder Wettbewerbsregeln und einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse, letztere Vorrang haben muss. Das ist im Vertrag vorgesehen und wurde durch den Gerichtshof bestätigt. Die Kommission ist bereit, hierzu alle notwendigen Ratschläge oder Informationen zu erteilen.

Das dritte Prinzip: Jeder für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf der Ebene der Europäischen Union geltende Rahmen muss für die Unterschiede offen und die Modernisierung förderlich sein. Er muss sich auf Ziele gründen, die von hoher Qualität, einem guten Preis-Leistungsverhältnis und allgemeinem Zugang gekennzeichnet sind. Es geht darum, den Erwartungen der Bürger und der Unternehmen gerecht zu werden, zugleich aber den sozialen und territorialen Zusammenhalt zu gewährleisten.

Das vierte Prinzip: Wie ich bereits sagte, ist die Rechtssicherheit wesentlich sowohl für die Verbraucher und die Anbieter als auch für die staatlichen Stellen. Die staatlichen Stellen auf allen Ebenen müssen die für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geltenden Regeln festlegen. Auf europäischer Ebene muss angesichts der Verschiedenartigkeit der Situationen und der Sektoren noch bestimmt werden, ob der beste Weg, um dies zu erreichen, in einem einheitlichen Legislativtext oder in einem spezifischen sektorbezogenen Ansatz besteht. Diese Fragestellung ist auch in Ihrem Bericht enthalten.

Die vier genannten Prinzipien dienen als Richtschnur für das Handeln auf Gemeinschaftsebene. Dieses Handeln ist im Wesentlichen pragmatischer Art. Wir sind dabei, sektorale Politiken auf der Ebene der Europäischen Union für die Sektoren auszuarbeiten, wo der Bedarf deutlich spürbar ist und wo sie einen realen Mehrwert bringen können. Die Probleme eher horizontaler Art werden erörtert, sobald sie auftauchen.

Die Kommission war in diesem Bereich zusammen mit Ihrem Hause sowie mit dem Rat sehr aktiv, und ich glaube sagen zu können, dass wir auf mehreren Gebieten gut vorangekommen sind. Wir haben die Regeln für staatliche Beihilfen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit Hilfe des Altmark-Pakets vereinfacht. Derzeit kontrollieren wir die Umsetzung der neuen Regeln im öffentlichen Auftragswesen, die im Januar in Kraft getreten sind. Wir haben umfassende Konsultationen zur Frage der öffentlich-privaten Partnerschaften durchgeführt und für 2007 neue Initiativen angekündigt. Zu den öffentlichen Verkehrsdienstleistungen konnten wir eine Einigung erzielen. Ferner haben wir eine Mitteilung über Sozialdienstleistungen verabschiedet, und beginnen derzeit mit Konsultationen zu den Gesundheitsdienstleistungen. Im Energiesektor haben wir mit umfassenden Konsultationen begonnen und werden weitere Vorschläge vorlegen, und zwar nicht nur Mitteilungen, sondern auch – das möchte ich unterstreichen - Legislativvorschläge. Gegenwärtig sind wir dabei, den Regelungsrahmen für elektronische Mitteilungen zu überarbeiten, und wollen bis Ende des Jahres eine neue Richtlinie zum Thema Postdienstleistungen vorschlagen.

Diese in jüngster Zeit erzielten Fortschritte belegen, dass die Europäische Union an die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit Initiativgeist und Ambitionen herangeht. Sie verdeutlichen zugleich, welch wichtige Rolle das Parlament und der Rat spielen. Nach der Annahme des Berichts Rapkay, den wir gründlich prüfen werden, ist die Kommission entschlossen, weitere Schritte zu unternehmen. Wir werden bis Ende des Jahres eine Mitteilung zu diesem Thema vorlegen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die wichtigste Botschaft, die ich Ihrem Bericht entnommen habe, ist ein zweifacher Aufruf zum Handeln, einerseits für mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geltenden Regeln der Union und andererseits für die Achtung der großen Vielfalt der Sektoren und der Situationen in ganz Europa. Ich halte die Zeit für gekommen, um den für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union geltenden Regelungsrahmen zu konsolidieren. Das erwarten unsere Mitbürger. Die Kommission wird bei der Prüfung dieser Frage bis Ende des Jahres Ihren Bericht voll berücksichtigen.

 
  
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  Gunnar Hökmark, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! In dieser Debatte gilt es vor allen Dingen, eine Tatsache festzuhalten: Es gibt keinen besseren Weg zu hoher Qualität, optimalen Zugangsmöglichkeiten und niedrigen Preisen als ein breites Spektrum an Wettbewerb und Unternehmertum am Wirtschaftsstandort Europa. Wir kennen alle die Ergebnisse und Erfolge in vielen Bereichen, die noch vor 10 oder 20 Jahren als natürliche Monopole im Bereich der Leistungen von allgemeinem Interesse galten. Es gab Fortschritte in der Telekommunikation und im Flugverkehr, und wir werden Fortschritte in neuen Bereichen sehen, da wir von Dienstleistungen reden, die ihrem Wesen nach dynamisch und konvergent sind. Sie sind ein großer und wichtiger Teil der künftigen Wissensökonomie. Wir müssen uns öffnen und gleichzeitig die konkreten Lösungen respektieren, die jeder Mitgliedstaat für die Leistungen benötigt, die er der Daseinsvorsorge zuordnet.

Ich möchte in dieser Aussprache hervorheben, dass der Bericht weder eine Rahmenrichtlinie noch einen sonstigen horizontalen Rahmen, sondern vielmehr Rechtsklarheit auf der Grundlage eines sektorbezogenen Konzepts sowie sektorspezifische Richtlinien einfordert, soweit sie vonnöten sind.

Herr Barroso, Sie haben das Gesundheitswesen angesprochen. Rückblickend können wir feststellen, dass der sektorspezifische Ansatz in den vergangenen Jahren recht erfolgreich war. Daher fordern wir Rechtsklarheit auf der Grundlage eines sektorspezifischen Ansatzes, und wir sehen künftigen sektorspezifischen Richtlinien erwartungsvoll entgegen. Wir verweisen darauf, dass die Verträge keine Rechtsgrundlage für einen Vorschlag bieten, der in den Binnenmarkt, die Wettbewerbsvorschriften oder das öffentliche Auftragswesen eingreift. Wir möchten betonen, dass in diesem Bereich die Mitgliedstaaten und der Grundsatz der Subsidiarität respektiert werden müssen.

In den kommenden Jahrzehnten werden sich Perspektiven für immer mehr grenzüberschreitende Aktivitäten in neuen Bereichen eröffnen. Meiner Meinung nach wird es phantastische Möglichkeiten für Patienten geben, in anderen Ländern eine bessere Gesundheitsversorgung zu erhalten, was auch der europäischen Wirtschaft neue Impulse verleihen wird. Wir stimmen jedoch darin überein, dass der Binnenmarkt genau wie die Subsidiarität respektiert werden muss.

Ich hoffe, dass Sie, Herr Barroso, diesen Bericht lesen werden und die Notwendigkeit erkennen, dass wir mit sektorspezifischen Richtlinien fortfahren sollten, um für Rechtsklarheit zu sorgen, die auch dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung trägt.

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Fraktion hat den Bericht meines Kollegen Rapkay und die Frage der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu einem Kernstück ihrer Arbeit in dieser Wahlperiode gemacht. Wir haben eine außerordentliche Leistung gewagt, als wir einen eigenen Richtlinienentwurf formuliert haben, der im Wesentlichen die Elemente beinhaltete, die Bernhard Rapkay in seinen Bericht eingeführt hat. Ich hatte die Ehre, sie Ihnen, Herr Kommissionspräsident, und dem damaligen Ratspräsidenten, Herrn Schüssel, zu übergeben. Für uns ist in der Debatte um die Dienstleistungen — ich komme gleich auf einige wesentliche, einzelne Elemente dieser Debatte — wichtig, dass wir eine Ausgleichsstrategie zwischen den Notwendigkeiten des Binnenmarkts, die wir als Sozialdemokraten sehen und anerkennen, aber auch dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger durch Stärkung lokaler und regionaler Institutionen bewerkstelligen, die im Rahmen der Dienstleistungserbringung immer noch die Besten sind, um das Subsidiaritätsprinzip aufrechtzuerhalten.

Flexibilität, wo nötig, Schutz, wo möglich — das ist eine wesentliche Botschaft, die von dieser Debatte ausgehen muss. Dass nach all den Räten von Barcelona, von Laeken, von Nizza, nach all den Debatten, die wir hatten, Sie Herr Kommissionspräsident heute hierher gekommen sind, um Ihre Meinung vorzutragen, werten wir als ein Unterstreichen der Wichtigkeit dieser Debatte durch die Kommission. Wir sind Ihnen dafür dankbar. Das ist auch der Grund, warum ich als Vorsitzender unserer Fraktion in dieser Diskussion das Wort ergreife.

Ich habe im Wesentlichen für unsere Fraktion zu unterstreichen, was Bernhard Rapkay als Berichterstatter zu diesem Bericht gesagt hat. Lassen Sie mich aber zwei zusätzliche Bemerkungen machen: Ich habe ganz aufmerksam dem Kollegen Hökmark zugehört. Es ist interessant, wenn ein überzeugter Liberaler versucht, in dieser Frage die Kurve zu bekommen. Ja klar, wir alle sind für diesen Binnenmarkt, und wir alle wollen, dass er die ökonomische Dynamik entfacht, die er entfachen kann. Hier teilen wir Ihre Auffassung. Aber es wird schon schwierig beim Subsidiaritätsprinzip, das die Liberalen sonst immer vom Grundsatz her fordern. Wenn es aber dazu kommt, dass bestimmte soziale Standards, die unverzichtbar sind, durch das Subsidiaritätsprinzip gewährleistet werden können, dann ist dieses plötzlich ein Hindernis. Das geht nicht!

Ich weiß nicht, ob es erstrebenswert ist, dass alle Gesundheitsdienstleistungen tatsächlich dem freien Markt unterworfen werden müssen. Ich weiß auch nicht, ob wir in aller Ruhe zusehen müssen, bis der letzte Kommunalfriedhof nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben wird. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll. Wir brauchen durchaus nach wie vor im Rahmen der Subsidiarität durch die Stärkung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit, Dienstleistungen von hoher Qualität, aber mit unmittelbarem Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Anforderungen sicherzustellen. Das ist ein Kernstück sozialdemokratischer Politik, das wir nicht aufgeben werden. Aber die Chance, dass durch Flexibilisierung und Öffnung gute Qualität hereinkommen kann, dass lokale und regionale Behörden sich des Binnenmarkts bedienen können, um in eigener, freier Entscheidung Flexibilität durchsetzen zu können und gute und bezahlbare Dienstleistungen zu ermöglichen — das wollen wir genauso. Beides ist möglich.

Wir haben sehr aufmerksam zugehört, Herr Präsident, als Sie gesagt haben, Sie wollten den Rechtsrahmen insgesamt konsolidieren. Dass Sie die Notwendigkeit eines Rechtsrahmens anerkannt haben, ist ein großer Fortschritt. Und dass Sie jetzt konsolidieren wollen, spricht dafür, dass Sie es in der Breite machen wollen und nicht sektoral. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns auf dieser Ebene relativ schnell treffen können.

Ich möchte für unsere Fraktion sagen, dass das, was wir hier unternommen haben — einen eigenen Richtlinienentwurf zu schreiben — in der Kombination mit dem, was Bernhard Rapkay gesagt hat, und den Ausführungen des Präsidenten auch Sie, Frau Vizepräsidentin, davon überzeugen wird, dass wir auf einem guten Weg sind.

(Beifall)

 
  
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  Sophia in ‘t Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter für seine hervorragende Arbeit danken. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, zeigte er sehr viel Geduld und war sehr kooperativ, wofür ich sehr dankbar bin.

Wir müssen unseren Standpunkt unbedingt ein für alle Mal deutlich machen. Ich finde es bedenklich, dass der Bericht, den wir im Ausschuss angenommen haben, so unterschiedlich ausgelegt wird. Einerseits gab es jubelnde Pressemitteilungen, wonach das Europäische Parlament endlich eine Rahmenrichtlinie verlange, während andererseits vermeldet wurde, dass das Europäische Parlament die Rahmenrichtlinie ein für alle Mal abgelehnt habe. Wir sollten uns abgewöhnen, schwammige Kompromisse zu schließen, die sich unterschiedlich auslegen lassen.

Im Namen meiner Fraktion kann ich sagen, dass wir keine Rahmenrichtlinie wollen. Wir wollen keine Standardlösung für Europa, weil wir nämlich für Subsidiarität sind. Was ist denn Subsidiarität? Subsidiarität heißt, dass die einzelstaatlichen und lokalen Behörden ihre jeweiligen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festlegen sowie darüber entscheiden können, wie sie zu gestalten und zu finanzieren sind. Subsidiarität heißt nicht, die Marktgesetze automatisch außer Kraft zu setzen. Daher reden wir hier von zwei Formen von Subsidiarität.

Die Äußerungen von Herrn Barroso, denen ich sehr genau zugehört habe, lassen wieder einmal einigen Interpretationsspielraum zu. Ich möchte seine Worte dahingehend interpretieren, dass auch er für zielgerichtete und konkrete Lösungen realer Probleme plädiert. Ich möchte dem Hohen Hause nämlich auch einen anderen Tipp geben: Was nicht kaputt ist, sollte man auch nicht reparieren! In diesem Fall benötigen wir keine Rechtsvorschriften, sondern Lösungen für reale Probleme. Da ich selbst für eine Kommune tätig war, sind mir die realen Probleme bekannt. Kommunen haben sehr legitime Anliegen. Trotzdem müssen wir auch das Vorhandensein protektionistischer Tendenzen zur Kenntnis nehmen. Wir müssen hier das richtige Verhältnis finden.

Außerdem sollten wir die Debatte entideologisieren oder zumindest ehrlich sein und zugeben, dass es hier auch um Ideologie geht. So mancher vertritt den begründeten Standpunkt, dass die staatlichen Behörden auch Dienstleister sein sollten. Ich stimme meinem Kollegen, Herrn Hökmark, zu, dass der Markt hervorragende Dienstleistungen hervorbringen kann. Einige Sektoren wurden liberalisiert, was jedoch nicht dazu führte, dass mehr Menschen vom Zugang zu solchen Dienstleistungen ausgeschlossen waren, sondern das genaue Gegenteil bewirkte: viele Dienstleistungen sind jetzt für viel mehr Menschen erschwinglich, was ausgesprochen sozial ist.

Ein Markt ist kein Dschungel, er funktioniert nach Regeln, denn ohne Regeln gibt es keinen Markt. Jeder Markt – selbst der kleinste Markt auf dem Marktplatz – verfügt über Regeln, und dies gilt auch für die soziale Marktwirtschaft, die wir hier in Europa haben. Wir müssen die Verschiedenartigkeit der Mitgliedstaaten respektieren und ihnen die Entscheidung selbst überlassen, was sie unter „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ verstehen.

Abschließend sollten wir nicht versuchen festzuschreiben, welche Dienstleistungen von allgemeinem oder von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind, da das Wort „wirtschaftlich“ sich nicht auf die Art der eigentlichen Dienstleistung bezieht, sondern auf die Art und Weise, wie sie erbracht wird. Ein Beispiel: Jeder weiß, dass Wasser von allgemeinem Interesse ist, aber es kann nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zur Verfügung gestellt werden. Daher dürfen wir uns nicht in einer überflüssigen Debatte darüber verlieren, was nun „von allgemeinem Interesse“ und was von „allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ ist. Unser alleiniges Interesse sollte hier unseren Bürgern und Verbrauchern gelten.

 
  
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  Alain Lipietz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Redebeitrag von Kommissionspräsident Barroso hat mir sehr gut gefallen. Ich schätzte seine Absichtserklärung zur Vorlage eines oder mehrerer Legislativtexte – auf die Frage, ob es sich um einen oder mehrere handeln soll, werden wir gleich zurückkommen – zur Annahme im Mitentscheidungsverfahren sowie die vier von ihm genannten Prinzipien. Nach meinem Dafürhalten war es wichtig, an diese Prinzipien zu erinnern.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat unseren Vorschlag eines einfachen Verweises auf den Wortlaut von Artikel 122 des Verfassungsvertrags und – was schlimmer ist – auch eines Verweises auf den Wortlaut von Artikel 86 des aktuellen Vertrags abgelehnt. Dieser Artikel besagt, wie Sie in Erinnerung gerufen haben, dass im Falle eines Konflikts zwischen dem Markt und den Erfordernissen des öffentlichen Dienstes letztere rechtlich und tatsächlich Vorrang haben müssen. Aus meiner Sicht ist es unbedingt erforderlich, dass der Text des Parlaments erneut bekräftigt, was wir bereits im Zusammenhang mit dem Verfassungsvertrag unterstrichen haben, nämlich den Wortlaut von Artikel 122, und zumindest bestätigt, dass wir immer noch an Artikel 86 des aktuellen Vertrags glauben.

Wir möchten noch viel weiter gehen bei der Präzisierung dessen, was die bevorstehende Abstimmung beinhaltet. In einem Punkt stimme ich mit Frau in't Veld überein, dass man nämlich den sehr genau kalkulierten diplomatischen Satz von Herrn Rapkay über die Notwendigkeit gesetzlicher Vorschriften sowohl in dem einen wie in dem anderen Sinne interpretieren kann. Wir fordern Sie daher sowohl gemäß dem Vertrag von Amsterdam wie auch der interinstitutionellen Vereinbarung auf, uns im Namen des diesem Parlament zuerkannten legislativen Initiativrechts einen Richtlinienentwurf vorzulegen. Mit den vier von Ihnen genannten Prinzipien sind wir ebenfalls voll einverstanden.

Wir teilen nicht die Auffassung von Frau in't Veld in der Frage der Subsidiarität. Ich halte es für ausgesprochen unangebracht, von strikter Subsidiarität zu sprechen, während doch in Ermangelung einer speziellen Richtlinie zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse die Dienstleistungsrichtlinie gelten muss. Wir haben erlebt, wie sich der Inhalt und der Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie Tag für Tag, Woche für Woche ständig änderten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt war der soziale Wohnungsbau einbezogen, dann wurde er ausgeklammert, um schließlich wieder aufgenommen zu werden, allerdings nur teilweise. Man braucht nur den Text unseres Parlaments mit dem Ihrer Kommission und dem des Rates zu vergleichen, um festzustellen, dass keine Einigung zu den Dienstleistungen besteht, die von der Dienstleistungsrichtlinie abgedeckt werden. Wir brauchen heute eine gesetzliche Regelung, um die Dinge klarzustellen.

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident! Das allgemeine Interesse, das öffentliche Wohl, das Gemeinwohl, die öffentlichen Dienstleistungen sind die wesentlichen Bezugspunkte, die - wie Sie, Herr Kommissionspräsident, ausführten -, das Herzstück der Debatte über den Begriff des europäischen Sozialmodells bilden.

Wir berühren hier den Alltag der Menschen, ihre Wahrnehmung der Zukunft und unsere Auffassung von der Gesellschaft. Es geht um Grundwerte wie Gleichheit, Solidarität, Demokratie. Es geht um zu wichtige Herausforderungen, als dass man sich mit unscharfen Definitionen und faulen Kompromissen begnügen könnte.

Meine Fraktion legt besonderes Gewicht auf drei Aspekte, die es klarzustellen gilt. Erstens, das Verhältnis zwischen den öffentlichen Dienstleistungen und den Regeln des Binnenmarktes, d. h. der Vorschriften zu Wettbewerb, öffentlichem Auftragswesen, staatlichen Beihilfen, nicht zu vergessen die Vollmachten der Kommission und des Gerichtshofs hinsichtlich der Überwachung und der Sanktionierung angeblicher Verstöße.

Aus unserer Sicht brauchen wir eine vollkommen neue Rechtsgrundlage, die es den öffentlichen Dienstleistungen ermöglicht, in Europa außerhalb der marktbestimmten Logik zu existieren. Gewiss besagt, wie Herr Barroso und Herr Lipietz in Erinnerung gerufen haben, der Vertrag, dass im Falle eines Konflikts zwischen den Wettbewerbsregeln und den öffentlichen Vorsorgungsaufgaben letztere Vorrang haben. Er erkennt auch an, dass die Staaten das Recht haben, das allgemeine Interesse zu definieren, dass aber die Kommission und in letzter Instanz der Gerichtshof über die Grenzen einer solchen Ausnahme entscheidet. So sah sich ein Land, das nicht gerade als antiliberal gilt – die Niederlande – dem Vorwurf ausgesetzt, einen eindeutigen Fehler bei der öffentlichen Daseinsvorsorge begangen zu haben, weil sich unter den Mietern der subventionierten Genossenschaften des sozialen Wohnungsbaus Haushalte befanden, die nicht zu den sozial Benachteiligten gehörten. In Wahrheit führt der Ausnahmestatus faktisch zu öffentlichen Dienstleistungen, die immer weiter schrumpfen.

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt, den es zu präzisieren gilt: Welche Ambition verfolgen wir im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen? Unserer Auffassung nach müssen diese Dienstleistungen ganz einfach die Grundrechte gewährleisten, auf die jeder in diesem 21. Jahrhunderts gleichermaßen Anspruch hat: Bildung, Gesundheitsfürsorge, Wohnen, Kinderbetreuung, Information, Kultur, Verkehr, Telekommunikation, Postdienste, Energie, Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung sowie weitere unabdingbare Bedürfnisse wie der Zugang zu Krediten. Diese Sektoren müssen also Regeln der sozialen Effizienz unterliegen, ohne dem Druck des Wettbewerbs ausgesetzt zu sein.

Schließlich verdient noch ein dritter Aspekt Erwähnung: der Zusammenhang zwischen Subsidiarität und dem europäischen Einigungsprojekt. Wie hier gesagt wurde, gibt es von Land zu Land unterschiedliche Erfahrungen hinsichtlich der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen, der Eigentumsstruktur und der Finanzierungsart. Diese Entscheidungen müssen mit all ihren Auswirkungen in der souveränen Entscheidung jedes Landes liegen.

Bedarf es also einer Rahmenrichtlinie oder nicht? In meiner Fraktion ist die Debatte hierüber im Gange, und ich würde sagen: Gehen wir es an! Die Kommission soll ein solches Instrument auf der Grundlage der genannten Prinzipien vorbereiten. Man wird mir vorwerfen, das sei nicht vereinbar mit den Regeln des Vertrags. Genau deshalb wollen wir sie ja ändern.

Ich schlage vor, Frau Präsidentin, diese Frage ganz oben auf die Tagesordnung der angekündigten großen Debatte über die Zukunft Europas zu setzen, und dann werden wir sehen, was die Europäer wirklich darüber denken.

 
  
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  John Whittaker, im Namen der IND/DEM-Fraktion.(EN) Frau Präsidentin! Der Wunsch, den Grad der EU-Einmischung in die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen festlegen zu wollen, ist nachvollziehbar. Für die Führung eines Unternehmens oder einer öffentlichen Behörde ist es hilfreich, die Regeln zu kennen, doch entsetzt es mich, dass dafür die Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem Interesse maßgeblich sein soll. Natürlich sind alle Dienstleistungen im eigentlichen Sinne wirtschaftlich, da sie einen wirtschaftlichen Wert haben, sonst würde man wahrscheinlich von deren Erbringung absehen. Ich befürchte, dass eine solche Definition lediglich noch mehr Verwirrung stiften und zu weniger Effizienz und größerem Spielraum für unterschiedlich auslegbare Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs führen wird.

Grundsätzlich geht es darum, dass die einzelstaatlichen und lokalen Behörden die Verwaltungshoheit über öffentliche Dienstleistungen haben müssen, da sie von ihrem jeweiligen Staat bzw. von ihren Wählern finanziert werden. Doch wir streben hier einheitliche EU-Vorschriften für öffentliche Dienstleistungen an. Hat hier jemand den immanenten Widerspruch erkannt? Herr Barroso hat ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm für die Kommission dargelegt. Meine Meinung: Bitte rühren Sie nicht daran. Überlassen Sie das Ganze den Regierungen der Mitgliedstaaten.

 
  
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  Françoise Castex (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. (FR) Frau Präsidentin, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben daran erinnert, Herr Präsident, dass jedes Land der Union seine eigene Geschichte und sein eigenes Verständnis von den öffentlichen Dienstleistungen hat. Das europäische Aufbauwerk muss unter Achtung dieser Vielfalt fortgeführt werden, sich dabei jedoch auf gemeinsame Werte der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Solidarität stützen. Wir können einen gemeinsamen Rahmen für europäische öffentliche Dienstleistungen abstecken. Dieser darf nicht unter dem Blickwinkel des Wettbewerbs festgelegt werden, denn wir wissen, dass der Nutzen, den die Gesellschaft aus den öffentlichen Dienstleistungen zieht, in Form von Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Bürgern gemessen wird.

Wir werden, wie hier schon erwähnt wurde, in Kürze eine Richtlinie verabschieden, die den Dienstleistungsmarkt auf Gemeinschaftsebene öffnen soll. Wir wissen, welchen Stellenwert dieser Dienstleistungsmarkt in den WTO-Verhandlungen einnimmt. Auf Gemeinschaftsebene wie auf globaler Ebene ist es dringend erforderlich, in der Lage zu sein, zwischen marktbestimmten und nicht marktbestimmten Dienstleistungen zu unterschieden und für die Freiheit zur Erbringung der einen und für die Regulierung der anderen zu sorgen. Dürfen denn Gesundheit, Bildung, sozialer Wohnungsbau, aber auch die Wasserversorgung allein durch das Gesetz des Profits gesteuert werden? Natürlich nicht! Hier zählt nur ein Erfordernis: das allgemeine Interesse und der soziale Fortschritt für alle. Und der einzige Garant für dieses allgemeine Interesse ist der Staat, ganz gleich auf welcher Ebene.

Unsere Mitbürger fürchten zu Recht, dass das europäische Projekt durch die Liberalisierung und die Globalisierung verwässert wird. Wir müssen ihren Forderungen nach Qualität, Zugänglichkeit, sozialer Verantwortung und Achtung der Umwelt gerecht werden. Welch bessere Garantie können wir unseren besorgten Mitbürgern bieten, Herr Kommissar, als einen europäischen Rechtsrahmen für die öffentlichen Dienstleistungen?

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.(EN) Frau Präsidentin! Ich möchte Herrn Rapkay für den riesigen Arbeitsaufwand danken, den er in diesen Bericht gesteckt hat. Besonders begrüße ich, dass Präsident Barroso am heutigen Vormittag bei diesem wichtigen Thema zugegen ist. Es ist ein Zeichen dafür, welche Bedeutung die Kommission diesem Thema beimisst.

Im Parlament besteht ein breiter Konsens über die Rolle der Dienstleistungen von allgemeinem und von wirtschaftlichem Interesse sowie deren Bedeutung. Teilweise besteht besonderes Interesse an Strategie- und in einigen Fällen Taktikfragen. Man engagiert sich – auch auf Seiten der Kommission –, um sicherzustellen, dass jegliche Rechtsvorschriften oder Schritte in dieser Richtung per Mitentscheidung erfolgen. Das ist für die Glaubwürdigkeit dessen, was wir auf diesem Gebiet unternehmen, sowie in gleicher Weise für unsere Legitimität bei den Bürgern außerordentlich wichtig.

Ich befürworte eine Rahmenrichtlinie. Dafür entschied sich der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten in seiner Stellungnahme zum Bericht. Vor zwei Wochen hat das Parlament jedoch eine Rahmenrichtlinie abgelehnt. Ich hielte es für falsch, nochmals zu versuchen, sie durchzubringen.

Wir müssen einen gangbaren Weg finden, um weiter voranzukommen und zu gewährleisten, dass wir zu Klarheit und zur Bekräftigung des Grundsatzes gelangen, den Sie hier heute dargelegt haben: Wenn es nämlich zu einem Konflikt zwischen dem Bürgerrecht auf öffentliche Leistungen und dem Markt kommt, sollte dies in den Rechtsvorschriften geregelt sein. Wir sollten diese Frage nicht der fallweisen Entscheidung von Gerichten überlassen, da es sonst zu ganz widersprüchlichen Ergebnissen kommen wird. Deshalb befürworte ich in diesem Zusammenhang eine Rahmenrichtlinie. Vielleicht lässt sie sich auf anderem Wege finden. Wir müssen danach suchen.

Ich begrüße Ihre Zusage, im Bereich der Sozialleistungen und des Gesundheitswesens tätig zu werden. Das sind ebenfalls dringliche Aufgaben.

 
  
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  Werner Langen (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – Frau Präsidentin! Ich möchte den Beschluss des Ausschusses und nicht meine eigene Meinung darstellen, obwohl beide in weiten Teilen übereinstimmen.

Der Ausschuss hat insgesamt mit großer Mehrheit 18 Punkte beschlossen, die im Wesentlichen auch in den Bericht des Kollegen Rapkay eingegangen sind. In diesem Beschluss haben wir deshalb eine breite Mehrheit gefunden, weil wir in der Lage waren, auf der Grundlage bisheriger Entschließungen des Europäischen Parlaments eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.

Ich freue mich sehr, dass der Kommissionspräsident hier anwesend ist. Aber die Tatsache, dass gegen Jahresende wieder eine neue Mitteilung kommt, befriedigt mich überhaupt nicht. Denn seit dem Jahr 2000 schlängeln wir uns von Mitteilung zu Mitteilung, von Interpretation zu Gipfeldokument, ohne dass die notwendige Klärung der rechtlichen Unsicherheiten vollzogen wurde. Da muss die Kommission über ihren Schatten springen, den Unwillen des Wettbewerbskommissars überwinden und endlich einige Dinge klären, die sonst vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden müssen.

Das heißt nicht – und der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie hat das auch so gesagt –, dass wir für eine Rahmenrichtlinie sind. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, auch nicht im Verfassungsentwurf. Dass wir uns das Mitentscheidungsverfahren in möglichst vielen Bereichen wünschen, ist selbstverständlich. Aber wenn wir Beschlüsse fassen sollen, die über unsere Kompetenzen hinausgehen, dann ist das nicht richtig.

Wir haben mehrere Grundsätze beschlossen, die mit dem übereinstimmen, was hier auch vom Kommissionspräsidenten gesagt wurde: den Grundsatz der Subsidiarität, dass jede Ebene selbst entscheiden muss, dass sie sich aber an Wettbewerbsregeln halten muss, dass Beihilfen transparent gestaltet werden müssen und dass die Kommission eine Missbrauchsaufsicht hat.

In diesem Rahmen können wir heute auf der Grundlage des Berichts Rapkay eine gute Stellungnahme mit einer Handlungsanweisung für die Kommission verabschieden. Jetzt muss nur noch die Kommission etwas tun.

 
  
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  József Szájer (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. (HU) Frau Präsidentin, Herr Schulz hat sehr gute Augen, denn er sieht Dinge in dieser Entschließung, die dort gar nicht stehen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dem Weißbuch, das die Kommission dem Parlament vorgelegt hat, größtenteils zugestimmt hat. Wir haben in diesem Zusammenhang auch dem Punkt zugestimmt, dass es keinen Bedarf an einer Rahmenrichtlinie auf Gemeinschaftsebene gibt. Gleichzeitig sind bei diesen Fragen meines Erachtens drei wesentliche grundlegende Prinzipien zu beachten.

Das erste und wichtigste Prinzip ist das der Subsidiarität. Wir haben in Europa eine große Vielfalt an Systemen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. Aus dieser Vielfalt darf keine Uniformität werden. Folglich darf Europa, wenn es nicht die Zuständigkeit für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen übernehmen will, diese auch nicht vereinheitlichen. Das heißt, diese Fragen müssen im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Behörden bleiben.

Das zweite Prinzip ist die Frage eines schrittweisen Vorgehens. Die Europäische Union und die Europäische Kommission bewegen sich in die richtige Richtung, wenn sie sich für eine stufenweise Regulierung entscheiden, und damit komme ich zum dritten Punkt, der Frage eines sektorbezogenen Vorgehens. Wir hatten bereits großen Erfolg mit der Regulierung verschiedener Sektoren, u. a. auf dem Gebiet der Telekommunikation. Wir sollten uns bemühen, diesem Beispiel zu folgen und es kontinuierlich zu überwachen.

Ich teile, ebenso wie unser Ausschuss, die Ansicht, dass natürlich eine größere Rechtssicherheit notwendig ist. Und als Vertreter eines neuen Mitgliedstaats möchte ich ebenfalls sagen, dass die Europäische Union angesichts des Grundsatzes des gleichen Zugangs mit Hilfe der Harmonisierung und des Kohäsionsfonds eine gemeinsame Grundlage gewährleisten muss. Die Instrumente für die Durchsetzung des Wettbewerbs und des Verbraucherschutzes sind in den neuen Mitgliedstaaten in vielen Fällen unzureichend. Sie müssen dringend gestärkt werden, um in diesen Regionen für gleichen Zugang und Wettbewerb zu sorgen.

Meines Erachtens ist der Bericht über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ein guter Bericht, und ich glaube, dass Herr Rapkay und seine Kollegen ausgezeichnete Arbeit geleistet haben. Ich möchte jedoch alle bitten, ihn nicht misszuverstehen und Dinge in diesem Bericht zu sehen, die es dort nicht gibt. Das heißt, wir können in diesem Zusammenhang nicht von einer Rahmenrichtlinie oder einer Mitteilung zu einer Rahmenrichtlinie sprechen.

Es ist auch sehr wichtig, dass die Frage einer allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie eng mit dieser Frage verknüpft wird. Auch hier müssen wir die Dinge klar sehen. Die Dienstleistungsrichtlinie hat in vielen Punkten den Rahmen festgelegt, innerhalb dessen wir in dieser Hinsicht arbeiten können.

 
  
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  Emanuel Jardim Fernandes (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. – (PT) Herr Barroso, meine Damen und Herren! Als Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zum Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bin ich wie auch der Ausschuss dafür, dass die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt vollkommen ausgeschlossen werden, um die ausschließliche Zuständigkeit jedes Mitgliedstaates bei der Festlegung, Finanzierung, Bewertung und Kontrolle dieser Dienstleistungen zu wahren, wie dies vom Parlament bestätigt wurde. Das fördert das Funktionieren des Binnenmarkts, die Solidarität mit den Bürgern und die Achtung der Zuständigkeit der nationalen, regionalen und lokalen Behörden.

Zweitens sind wir der Auffassung, dass die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse beschrieben und bestimmt werden müssen und mit Blick auf die Rechtssicherheit eine klare Unterscheidung zwischen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem nichtwirtschaftlichem Interesse zu treffen ist. Drittens sollten für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und die Dienstleistungen von allgemeinem nichtwirtschaftlichem Interesse Rahmenvorschriften beschlossen werden, ein allgemeiner Rechtsrahmen, wie Herr Barroso sagte, oder eine Rahmenrichtlinie, je nach dem, was man vorzieht. Notwendig ist die Festlegung von Mindestanforderungen, die von diesen Tätigkeiten zu erfüllen sind, sowie von allgemeinen Kriterien für die Arbeitsweise, Organisation, Bewertung und Kontrolle durch die Mitgliedstaaten und die nationalen, regionalen und lokalen Behörden.

Die Tatsache, dass diese Rechtsvorschriften die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einbeziehen, schließt nicht aus, dass es besondere Vorschriften zu bestimmten Sektoren wie dem Verkehrssektor geben kann. Im Großen und Ganzen enthält der Bericht Rapkay die von uns vertretenen Vorstellungen und deshalb unterstütze ich ihn und stimme ihm zu, auch wenn ich für einige notwendige Änderungsanträge stimmen könnte.

Abschließend, Frau Präsidentin, muss ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es keinen Hinweis auf die Regionen in äußerster Randlage gibt, denn Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die es dort heute nicht gibt und dies es vielleicht niemals geben wird, sind in diesen Regionen einfach unabdingbar. Ich hoffe, dass die Kommission und ihr Präsident nicht nur dem Bericht, sondern auch den von mir hier genannten Punkten Beachtung schenken.

 
  
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  Markus Pieper (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, liebe Kollegen! Öffentlicher Personennahverkehr, Abfallwirtschaft, soziale Dienste, Wasserversorgung – wir sind uns alle einig, dass das in der Kompetenz der Regionen liegt. Ich begrüße, dass der Bericht Rapkay dies vom Grundsatz her ähnlich sieht; der Bericht hat die Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung in vielen Punkten berücksichtigt.

Wir fordern ein Bekenntnis zur Subsidiarität, wir fordern aber auch mehr Rechtssicherheit, da, wo Konflikte der Daseinsvorsorge mit dem europäischen Wettbewerbsrecht bestehen: im Beihilferecht, beim Thema PPP, bei sozialen Diensten, auch bei der Definition von Begriffen.

Unter Daseinsvorsorge versteht ein Franzose etwas anderes als ein Pole, ein Schwede oder ein Deutscher. Deshalb darf es auch keine einheitliche europäische Rahmenrichtlinie für Dienste von öffentlichem Interesse geben, so wie die Sozialisten das wollen. Wir wollen keine einheitlichen EU-Standards. Es macht keinen Sinn, etwa den Regionen Griechenlands oder Tschechiens vorzuschreiben, was sie unter Dienstleistungen von öffentlichem Interesse zu verstehen haben. Leider hat die Linke im Parlament mehrere Textstellen im Bericht durchgesetzt, die indirekt auf eine solche Rahmenrichtlinie hinzielen könnten. Da frage ich mich schon, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie durch eine übergeordnete Rahmenrichtlinie die schon bestehenden Rechtsunsicherheiten noch weiter komplizieren? Oder wollen Sie durch die Hintertür das europäische Wettbewerbsrecht aushebeln und so den Regionen Europas Ihre sozialistischen Vorstellungen der öffentlichen Daseinsvorsorge aufzwingen? In beiden Fällen sagen wir ganz klar Nein. Dort, wo Rechtsunsicherheiten bestehen, müssen wir sie Thema für Thema und Branche für Branche ausräumen.

Das bedeutet auch weiter viel Arbeit. Ich bin mir aber sicher, dass nur der sektorbezogene Ansatz dem europäischen Gedanken der Subsidiarität im gemeinsamen Binnenmarkt auch gerecht werden kann. Europa darf hier keine Qualitäts- und Kostenkriterien vorschreiben. Die Definition, die Finanzierung und die Organisation der Daseinsvorsorge müssen in der Verantwortung der Regionen bleiben, denn die Regionen tragen dafür auch die politische Verantwortung.

 
  
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  Robert Goebbels (PSE). – Frau Präsidentin! Ich wollte fragen, ob der Ausschuss für regionale Entwicklung fest in EVP-Hand ist, denn das, was wir von Herrn Pieper gehört haben, war ein reiner EVP-Standpunkt und nicht der Standpunkt des Ausschusses für regionale Entwicklung.

 
  
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  Die Präsidentin. Sicherlich werden wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode noch einmal darüber nachdenken müssen, dass die Berichterstatter für federführende Ausschüsse und auch die Berichterstatter für die Ausschüsse, die eine Stellungnahme abgeben, das tun, was Herr Langen gerade gesagt hat: Egal aus welcher Fraktion sie kommen, sie geben die Meinung und die Abstimmung des Ausschusses wieder. Ich bin davon überzeugt, dass das heute alle getan haben. Wer das anzweifelt, kann ja die Berichte noch einmal durchlesen. Ich als Außenstehende, die nicht so eng mit der Materie vertraut ist, habe mich zwar bei einigen Beiträgen auch gewundert, aber wir werden uns das sicherlich in der nächsten Legislaturperiode — vielleicht im Rahmen einer Parlamentsreform — noch einmal ansehen können.

Als Letzte hat jetzt Frau Stauner die Möglichkeit, den Standpunkt des Ausschusses darzustellen.

 
  
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  Gabriele Stauner (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl seit Maastricht im EG-Vertrag verankert, führt das Subsidiaritätsprinzip gleichwohl ein Schattendasein. Subsidiarität hat aber immer zu gelten, es sei denn, die ausschließliche Zuständigkeit liegt auf der europäischen Ebene.

Bei den Dienstleistungen, von denen heute die Rede ist, ist dies unstreitig nicht der Fall. Also wäre jede europäische Regelung in diesem Bereich eindeutig ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Es wäre ferner ein Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, wenn in gewachsene und funktionierende Strukturen in den Mitgliedstaaten eingegriffen würde.

Wenn es aber schon keine Zuständigkeiten für die EU gibt, kann es auch keine Definition dieser Dienstleistungen durch Europa geben. Definieren kann hier also allein der nationale bzw. regionale Gesetzgeber. Abgesehen davon enthüllen allein schon die im Weißbuch angestellten Definitionsversuche – meines Erachtens allesamt gekünstelt und krampfig – das Defizit an Praktikabilität und Bürgernähe.

Keine Lissabon- oder sonstige Strategie vermag eine Rechtsgrundlage zu ersetzen. Das gilt genauso für Handlungsmaximen und Ziele wie Wettbewerb sowie wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt.

Deshalb kann das Ergebnis unserer Diskussion nur lauten: Hände weg von einer europäischen Regelung für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, weil es eben keine europäische Rechtsgrundlage dafür gibt! Ich bitte, der Stellungnahme des Rechtsausschusses für ein bürgernahes, verständliches und nachvollziehbares Europa zu folgen.

 
  
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  Marianne Thyssen (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident! Bekanntlich gelangen wir in diesem Haus, wenn wir Entscheidungen treffen, die eine Marktkorrektur zum Ziel haben oder eine solche Wirkung entfalten, unweigerlich in politisch sensibles Fahrwasser. Und wenn wir in konkreten Situationen die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit anwenden wollen, dann tritt nicht selten eben diese Sensibilität ein, und ideologische Voreingenommenheit ist nie weit davon entfernt. Trotz allem hat es Herr Rapkay vermocht, einen ausgewogenen Bericht zu verfassen, zu dem ich ihn aufrichtig beglückwünschen möchte.

Es stimmt mich froh zu wissen, dass zuallererst herausgestellt wird, wie wichtig die Verfügbarkeit von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ist und dass zweitens der Gemeinsame Standpunkt zur Dienstleistungsrichtlinie insofern bestätigt wird, als es nämlich den Mitgliedstaaten obliegt zu bestimmen, was Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind. Drittens begrüße ich, dass die Frage der Rechtssicherheit an zentraler Stelle steht.

Mir bereiten die zweideutigen Formulierungen des Berichterstatters, wie es einige hier nennen, keine Probleme. Ich würde den Ansatz eher als klug, wenn nicht gar diplomatisch, bezeichnen, aber auf jeden Fall kann er uns auf unserer Suche nach Lösungen weiterhelfen. Eine Rahmenrichtlinie fordern wir nicht ausdrücklich. Die sektoralen Unterschiede werden in diesem Bericht anerkannt. Wenn dieser Bericht angenommen wird, demonstrieren wir klar und deutlich, dass wir dem Inhalt mehr Bedeutung beimessen als der Diskussion über die Form. Und eben darum sollte es uns doch schließlich gehen.

Lassen Sie uns daher nah an Herrn Rapkays Bericht bleiben, denn die Kommission weiß dann, wo eine breite Parlamentsmehrheit liegt und wo es noch Unterschiede gibt. Dann können wir in Erwartung dessen, was sich aus der Mitteilung der Kommission ergibt, Schritte in Richtung eines ausgewogenen Ansatzes setzen, den die Bürger von uns erwarten dürfen.

 
  
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  Harlem Désir (PSE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissionspräsident! Ich halte die Zeit für eine rechtliche und politische Klarstellung in dieser Frage der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für gekommen.

In politischer Hinsicht, weil die Debatte über die öffentlichen Dienstleistungen die europäische Debatte beherrschte, die Debatte über den Verfassungsvertrag vergiftete und durch den ursprünglichen Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt negativ beeinflusst wurde, da dieser eine breite Palette von sozialen Dienstleistungen und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit einbezog.

Das Misstrauen, das durch das Risiko einer Infragestellung der öffentlichen Dienstleistungen aufgrund des Handelns der Kommission oder des Eingreifens der Europäischen Union geweckt wurde, sitzt tief. Es ist in vielerlei Hinsicht begründet – u. a. durch das gestörte Gleichgewicht zwischen den Regeln des Binnenmarktes und der Wahrung des allgemeinen Interesses, sowie durch die Auswirkungen bestimmter sektorbezogener Richtlinien, die nicht die versprochenen oder erwarteten Ergebnisse erbracht haben. Ich denke da beispielsweise an die Entwicklung der Preise im Energiesektor oder an einige begründete Befürchtungen im Postsektor.

Auch in rechtlicher Hinsicht ist eine Klarstellung erforderlich. Sie haben das ja vorhin selbst unterstrichen, Herr Kommissionspräsident, als sie die Liste der Gesetzesinitiativen nannten, die in jüngster Zeit von der Kommission ergriffen wurden, um die Auslegung des Rechts und der Verträge im Hinblick auf öffentliche Beihilfen, die Regelung der staatlichen Beihilfen, des Personenreiseverkehrs, der Finanzierung und der Ausgleichszahlungen usw. zu stabilisieren.

Ich glaube daher, dass man heute keinen Gegensatz zwischen der Notwendigkeit sektorbezogener Initiativen auf der einen und eines horizontalen Rahmens auf der anderen Seite konstruieren darf. Wir brauchen sektorbezogene Initiativen – das haben Sie auch gesagt – beispielsweise im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen oder der sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, und wir brauchen ebenfalls sektorübergreifende Initiativen. Warum? Weil, wie Sie ausführten, eines unserer Grundprinzipien in der Achtung des Rechts jedes Mitgliedstaates und seiner lokalen Körperschaften besteht, selbst zu definieren, was sie unter Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bzw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verstehen. Diese Begriffe sind ja von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich. Die Organisations- und Finanzierungsmodalitäten, aber auch die Konturen, die Abgrenzung der öffentlichen Dienstleistungen sind von Land zu Land, manchmal sogar von Region zu Region und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.

In Ermangelung gesetzlicher Vorschriften fällt es dem Gerichtshof und manchmal der Kommission zu, die Verträge zu interpretieren. Diese Interpretation führte zu einer inkonstanten und fluktuierenden Rechtsprechung, die Rechtsunsicherheit für die lokalen Körperschaften, für die Erbringer und die Nutzer zur Folge hatte. Sie löste auch die Furcht aus, dass die Aufgaben von allgemeinem Interesse durch eine Art Vorherrschaft der Interessen des Binnenmarktes, des Wettbewerbs oder privater Betreiber in Frage gestellt werden könnten. Aus diesem Grunde haben wir diesen für eine Fraktion des Europäischen Parlaments etwas ungewöhnlichen Schritt unternommen, symbolisch, aber auch in politischer Absicht eine Initiative für die Abfassung einer sektorübergreifenden Rahmenrichtlinie vorzuschlagen, die die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse aufrechterhalten soll.

Wir wollten deutlich machen, dass, wenn der politische Wille vorhanden ist, eine Grundlage in den Verträgen gefunden und eine Richtlinie erarbeiten werden kann, die den Fragen, mit denen wir konfrontiert sind, gerecht wird. Von diesem Standpunkt aus möchte ich Frau in't Veld Folgendes antworten: Ich glaube, dass wir, um die Subsidiarität zu schützen, genau diesen Rechtsrahmen brauchen, und das haben wir mit diesem Entwurf für eine Rahmenrichtlinie deutlich gemacht. Ich ersuche Frau in't Veld, sich mit dieser Initiative vertraut zu machen, die darauf abzielt, die öffentlichen Dienstleistungen und die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu definieren und abzusichern und ihre Nachhaltigkeit zu garantieren.

Ich glaube, jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, die Regeln festzulegen. Es ist normal, dass das Europäische Parlament als Vertreter der Bürger und die nationalen Regierungen als Vertreter der Mitgliedstaaten in einer öffentlichen Debatte offen feststellen können müssen, wie Artikel 86 auszulegen ist, wo der Binnenmarkt und der Wettbewerb ihre Grenzen haben, um das allgemeine Interesse zu wahren. Die öffentlichen Dienstleistungen bilden, wie Sie, Herr Kommissionspräsident, sagten, das Herzstück des europäischen Sozialmodells. Die Bürger legen Wert auf diese Leistungen, weil sie nicht nur zur Lebensqualität, zum Zugang zu den Grundrechten, zur wirtschaftlichen und sozialen und territorialen Kohäsion, sondern auch zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents und seiner Territorien beitragen.

Es ist daher heute ein rechtliches, aber auch ein politisches Gebot, unter Beweis zu stellen, dass die Union nicht der Feind der öffentlichen Dienstleistungen ist, sie sie nicht behindern will, sondern dass sie im Gegenteil bemüht ist, sie zu bewahren, zu fördern und weiterzuentwickeln.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
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  Bernard Lehideux (ALDE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! In der Aussprache über das Sozialmodell habe ich unterstrichen, dass unsere Mitbürger sich ein Europa wünschen, das ihren dringenden und konkreten Anliegen gerecht wird. Zu diesen Anliegen gehört die Garantie des Fortbestehens und der Qualität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Heute ist der Rechtsstatus dieser Dienstleistungen in Europa viel zu unsicher. Es ist doch nicht gesund, dass die vorrangigen Dienstleistungen für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaften ausschließlich von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abhängen. Die Richter haben, wie jeder von uns weiß, niemals so viel Macht wie im Falle des Versagens der Politik. Wir müssen also auf Gemeinschaftsebene einen Rechtsrahmen erarbeiten, der die Modalitäten und die Ziele für die Organisation der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festlegt.

Herr Kommissionspräsident, wenn nicht alle überzeugt sind, so spricht das doch nicht dagegen, die Dinge zu präzisieren. Ich gehöre zu denen, die an die Kommission appellieren, so bald wie möglich eine Rahmenrichtlinie über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorzuschlagen. Und gestatten Sie mir, denen, die dagegen sind und die die Lösung des sektoralen Ansatzes vertreten, offen und ehrlich zu antworten. Das ist keine Alternative. Das ist ein Täuschungsmanöver. Unsere Mitbürger sind doch nicht blind. Sie begreifen sehr wohl, dass die Bevorzugung dieses Ansatzes in Wahrheit darauf hinausliefe, die Herstellung der Rechtssicherheit, die sie sich für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und besonders die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wünschen, hinauszuzögern.

Zudem ist doch klar, dass ein Rahmeninstrument nicht ausschließt, den Besonderheiten bestimmter Sektoren Rechnung zu tragen, ganz im Gegenteil. Einen Rahmen festzulegen, bedeutet doch keinesfalls Uniformisierung. Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen uns unserer Verantwortung nicht entziehen. Uns erwartet ein Gesetzgebungsprojekt, das beweisen wird, dass die Union der beste Garant für ein hohes Niveau der Solidarität und des sozialen Zusammenhalts ist.

(Beifall)

 
  
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  Pierre Jonckheer (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Lassen Sie mich meiner Freude und meiner Dankbarkeit darüber Ausdruck geben, dass Sie, Herr Barroso, bei dieser Sitzung zugegen sind.

Seit Jahren diskutieren wir über europäische sektorübergreifende Rechtsvorschriften im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Das Europäische Parlament hat sich in den Jahren 2001 und 2004 für derartige Rechtsvorschriften ausgesprochen, und die Europäische Kommission – es handelte sich im Übrigen um die Kommission Prodi – kam dem nicht nach, wobei sie das juristische Argument anführte, es fehle eine Rechtsgrundlage, und das politische Argument, es gebe im Rat nicht die erforderliche politische Mehrheit, um voranzukommen. Zu diesem letzten Punkt deutet die Bezugnahme auf Artikel 322 des Entwurfs des Verfassungsvertrags zumindest unbestreitbar darauf hin, dass innerhalb des Europäischen Rates politische Einmütigkeit darüber bestand, voranzukommen.

Heute liegt uns ein Vorschlag für eine Richtlinie über den Dienstleistungsbinnenmarkt vor, der teilweise die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse abdeckt. Zahlreiche Experten sagen voraus, dass diese Richtlinie nicht verhindern wird, dass unzählige Klagen beim Gerichtshof eingehen werden und dass sie die Realisierung des Ziels einer größeren Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Dienstleistungsbinnenmarktes behindern wird.

Heute liegt uns, wie andere Kollegen bereits sagten, auch eine Entschließung des Europäischen Parlaments vor, über die morgen abgestimmt werden soll, die jedoch einen Rückzieher im Vergleich zu den Entschließungen von 2001 und 2004 darstellt. Aus diesem Grunde haben wir einige Änderungsanträge eingebracht, die die Dinge klarstellen sollen.

Die wahre politische Neuerung besteht jedoch, wie mir scheint, darin, dass außer der sozialdemokratischen Fraktion, die einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie bei Rechtsexperten in Auftrag gegeben hat, auch der Europäische Gewerkschaftsbund einen Textvorschlag eingereicht hat. Verschiedene Verbände – ich denke dabei insbesondere an das Europäische Verbindungskomitee „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, dem diese Fragen vom Inhalt her vertraut sind – haben ebenfalls Vorschläge mit rechtlichem Charakter ausgearbeitet, die Folgendes aussagen: Ja, ein Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie ist denkbar, der im Übrigen mit den vier Grundsätzen im Einklang stehen muss, die Sie in Ihrem einführenden Beitrag genannt haben.

Deshalb fordern wir Sie, Herr Kommissionspräsident, auf der Grundlage von Artikel 192 des derzeitigen Vertrages unumwunden auf, voranzugehen und sich nicht damit zu begnügen, uns in einigen Monaten in Form eines neuen Konsultationspapiers oder eines neuen Weißbuchs eine Antwort zu geben.

Abschließend möchte ich mich auf eine eher politische Ebene begeben. Ich meine, wir sollten nicht die reale oder virtuelle Sorge einer Reihe unserer Bürger unterschätzen, die das Gefühl haben, dass ein krasses Missverhältnis zwischen der Umsetzung des Wettbewerbsrechts, das in seinen allgemeinen Bestimmungen ein horizontales Recht ist, und dem Schutz der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse besteht. Und, wie einige Kolleginnen und Kollegen feststellten, Herr Präsident, besteht die Bedeutung einer Rahmenrichtlinie für den Rat und für das Europäische Parlament darin, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, der Kommission und letztlich dem Gerichtshof zu sagen, welche allgemeinen Bestimmungen sie sich für die europäischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wünschen. Darin sehe ich übrigens den politischen Sinn dieser ganzen Debatte. Ich würde mir andere politische Mehrheiten wünschen, aber sie sind augenblicklich eben nicht anders.

 
  
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  Sahra Wagenknecht (GUE/NGL). – Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Seit über einem Jahrzehnt wird in Europa rüde und rücksichtslos liberalisiert. Elementare Leistungen, wie die Versorgung mit Energie, weite Teile des Verkehrs, aber auch Bildung, Gesundheit, Wohnungen und Krankenhäuser werden den Spielregeln von Markt und Profit überantwortet, teils direkt unter der Ägide von Brüsseler Liberalisierungsvorschriften, teils unter dem Druck des Europäischen Gerichtshofs, teils auch aus Eigeninitiative neoliberaler Regierungen – angeblich, weil dadurch Arbeitsplätze entstehen, angeblich, weil mehr Wettbewerb den Konsumenten niedrigere Preise bringen würde, angeblich, weil private Investoren effizienter wirtschaften würden. Die Liberalisierungsbilanz des vergangenen Jahrzehnts ist eine klare Widerlegung dieser neoliberalen Lügen. Hunderttausende Arbeitsplätze sind allein im Bereich Energie und Post vernichtet worden. Wer noch Arbeit hat, arbeitet überwiegend zu schlechteren Konditionen. Das kann man als Steigerung von Effizienz preisen. Man kann es allerdings auch als forcierte Ausbeutung beim Namen nennen. Die Konsumenten haben von den sinkenden Kosten selten profitiert. In Deutschland etwa war Strom noch nie so teuer wie heute.

Dass der Bericht des Sozialdemokraten Rapkay diese Bilanz zum Erfolg verklärt und nach weiteren sektoralen Liberalisierungen ruft, ist ignorant gegenüber den gemachten Erfahrungen und rücksichtslos gegenüber jenen, die die Folgen auszubaden haben.

Wer fordert, Daseinsvorsorge den Regeln des Binnenmarktes zu unterwerfen, der will Gesundheit, Bildung und Mobilität zu einer käuflichen Ware machen, die sich nur noch Gutbetuchte leisten können, denn kapitalistische Märkte decken nicht Bedarf. Sie orientieren sich immer nur an jenem Bereich der Nachfrage, der zahlungskräftig ist, denn nur damit lassen sich Profite machen. Von einem solchen Europa mögen die Reichen und die Konzerne träumen. Die Linke hat andere Träume! Wir werden nicht aufhören, gemeinsam mit den sozialen Bewegungen in Europa diesem entfesselten Kapitalismus unseren Widerstand entgegenzusetzen.

 
  
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  Jens-Peter Bonde (IND/DEM).(DA) Herr Präsident! Wir hatten in meiner Kindheit keine gelehrten Bücher zuhause. Ich komme aus einer Familie von Bauern und Handwerkern. Dank kompetenter Lehrer an meiner staatlichen Schule und der kostenlosen Ausleihe von Büchern aus einer gut ausgestatteten öffentlichen Bücherei konnte ich mir die Welt der Bücher erschließen. In diesem Bericht werden die Buchausleihe, Bildung, Fürsorge, Pflege, Wasser, Sicherheit, Krankenhausbehandlung und die Sozialfürsorge als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bezeichnet, und zwar im Gegensatz zu den spezifischeren Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wie der Friseurbesuch oder der Kauf eines Hauses. Zähne, Brillen und Körperpflege nehmen eine Zwischenstellung ein. Der Gerichtshof hat mit zahlreichen Urteilen für viele Dienstleistungen einen Binnenmarkt geschaffen. Den Kern der repräsentativen Regierungsform bildet der Gedanke, dass die Bürger nicht nur – wie auf einem Markt - mit ihrem Geldbeutel abstimmen, sondern mit ihrer Stimme auch entscheiden, über welche Art von Einrichtungen eine Gesellschaft verfügen soll. Wollen wir private Krankenhäuser und teure Arztrechnungen; wollen wir für das Ausleihen von Büchern bezahlen; sollten die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel gesenkt werden; sollten alte Damen im Pflegeheim Anspruch auf eine Waschung pro Tag haben; sollten unsere Kinder billige Vorschulen besuchen oder Anspruch auf die Erziehung durch ausgebildete Lehrer haben? Die Junibewegung unterstützt den Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, wir lehnen eine nationale Diskriminierung ab, aber wir wollen den Wählern in jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit geben, die Grenzen zwischen Markt und Gesellschaft zu definieren und über Qualität und Leistungen sowie Verbraucherrechte selbst zu bestimmen.

Außerdem wollen wir das dänische Zustimmungsmodell schützen, bei dem Löhne und Arbeitsbedingungen vertraglich vereinbart und dann respektiert werden, wie auch unser Sozialmodell, bei dem wir hohe Steuern zahlen, um soziale Bürgerrechte für alle zu gewährleisten. Das ist ein Fall, bei dem die repräsentative Regierungsform in der Lage sein sollte, den Markt so zu kontrollieren, so dass auch jene, die nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren werden, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Anspruch nehmen können. Wir möchten auch künftig mit Grundtvig singen, dass wir in einem Land, in dem „wenige zuviel und noch weniger zu wenig“ haben, viel erreicht haben.

 
  
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  Leopold Józef Rutowicz (NI). – (PL) Herr Präsident! Das Weißbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ist für die Schaffung eines gemeinsamen Marktes auf jeden Fall erforderlich. Diese Dienstleistungen und die Art ihrer Erbringung sollten künftig genauer definiert werden. Wir sollten bedenken, dass die Erbringung dieser Dienstleistungen derzeit zu einem großen Teil auf Lösungen beruht, die in einzelnen Mitgliedstaaten und durch einzelstaatliche Gesetzgeber erarbeitet wurden. Wir können diese Dienstleistungen erst dann in gemeinsame europäische Regelungen aufnehmen, wenn wir das Dienstleistungssystem in der Europäischen Union verbessert haben. Im Rahmen weiterer Maßnahmen ist der Rechtsstatus von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und von Maßnahmen zum Schutz der Verbraucherinteressen zu präzisieren.

Herr Rapkay beschreibt in seinem Bericht, für den ich ihm danken möchte, sehr klar die aktuelle rechtliche Lage und die noch bestehenden Reserven. Wir müssen diesen Bericht nutzen.

 
  
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  Alexander Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident! Wir diskutieren heute über einen Bereich mit einem breiten Spektrum. Herr Schulz hat den kommunalen Friedhof wieder angedacht und angeregt. Kommunale Strukturen können aber auch Konzerngröße erreichen; dies ist die gesamte Bandbreite. Ob diese großen Strukturen immer richtig sind, ist fraglich.

Warum diskutieren wir eigentlich wirklich? Weil wir auf der einen Seite das Thema der Marktregeln haben und auf der anderen die Frage der Subsidiarität. Das kann sich durchaus beißen, und was am Ende herauskommt, ist nicht immer stringent. Ich bin ein starker Anhänger der Subsidiarität, der Regeln vor Ort. Die einheitliche Definition in einem Europa der möglicherweise 27 — wenn wir die heutige Entscheidung vorwegnehmen — ergibt einen Einheitsbrei, den ich ablehne. Aber Europa muss sich immer fragen: Was bringt das europäische Handeln mehr, was nützt dem Bürger in diesem Bereich? Warum diskutieren wir heute so eingehend die Rahmenrichtlinie, wo der Berichterstatter selber sagt, dass sein Bericht keine Rahmenrichtlinie in diesem Bereich fordert. Bei manchen Rednern habe ich den Eindruck, sie unternehmen schlicht und ergreifend den Versuch, über diese Diskussion und in Kombination mit der Dienstleistungsrichtlinie wettbewerbsfreie Regionen zu schaffen, die davon ausgenommen werden. Die Gefahr ist neben der Abschaffung der Marktregeln, dass wir zu einem europäischen Daseinsvorsorgebegriff kommen, zu einem Einheitsbrei für Europa. Das kann nicht das Ziel sein, weil Europa dafür zu heterogen ist.

Was aber die Bürger, die Kommunen und die Kommunalpolitiker zu Recht einfordern, ist Rechtssicherheit. Sie wollen wissen, was möglich ist und was nicht. Da herrscht große Konfusion. Ich nehme meine Geburtsstadt München als Beispiel. Da werden zurzeit in eine Gesellschaft vier große Krankenhäuser eingebracht, und man weiß nicht, was man der Kommission vorlegen muss und was nicht. Hier ist die Kommission gefordert, gemeinsam mit dem Parlament — weil das, was auch unsere Fraktion sehr stört, ist, dass die Kommission sich ein Stück weit „Willkür“ behält, nach dem Motto, man entscheidet immer gerade wie man es für richtig hält, und spricht es nicht mit den legitimierten Beauftragten, den legitimierten Wählern ab. Entscheidend im letzten Punkt ist — und da sind diese Diskussionen hier eigentlich überfällig —: Der Bürger muss verstehen, warum das, was wir tun, gut für ihn ist. Das ist nicht immer der Fall, gerade in diesem Bereich. Da kommt das, was wir hier machen, zu Hause ganz anders an. Das wäre eine Aufgabe für die Kommunikationsstrategie.

 
  
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  Robert Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Artikel 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft besagt, ich zitiere: „Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags erforderliche Maß hinaus“. Das nennt man Subsidiaritätsprinzip, dessen Bedeutung gerade von Kommissionspräsident Barroso unterstrichen wurde.

Ohne jeden Zweifel erfordert jedoch das gemeinsame Ziel des sozialen Zusammenhalts ein konsequentes politisches Handeln, um allen Bürgern öffentliche Dienstleistungen von hoher Qualität anzubieten. Die Gemeinden, die Gebietskörperschaften stehen den Bürgern am nächsten. Die Kommunalpolitiker sind am besten in der Lage einzuschätzen, welche Dienstleistungen für das Wohlergehen ihrer Bürger und vor allem der Schwächsten unter ihnen erforderlich sind.

Logischerweise hat sich die Union jahrzehntelang nicht mit diesen öffentlichen Dienstleistungen befasst. Aber mit der Umsetzung des großen Binnenmarktes klagten immer mehr private Wettbewerber gegen die Städte und Gemeinden. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs brachte nicht immer eine glückliche Lösung, sie war manchmal sogar widersprüchlich. Zur Entlastung des Gerichtshofs muss allerdings gesagt werden, dass der Begriff der öffentlichen Dienstleistung nicht leicht abzugrenzen ist.

Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den nationalen Praktiken in den 25 Mitgliedstaaten. Kommissionspräsident Barroso hat gerade die Notwendigkeit unterstrichen, die Verschiedenartigkeit der nationalen, regionalen und lokalen Situationen zu respektieren. Aus diesem Grunde kämpft die Sozialdemokratische Fraktion seit Jahren für einen klaren Rechtsrahmen, der die Entfaltung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ermöglicht.

Das ist alles, was die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament will. Wir wollen die größtmögliche Sicherheit für alle Erbringer universeller öffentlicher Dienstleistungen. Die Luxemburger Richter dürfen nicht zu Schiedsrichtern über die Qualität der anzubietenden öffentlichen Dienstleistungen werden. Nach den Worten von Kommissionspräsident Barroso machen diese 7 % des europäischen BIP und 5 % der Arbeitsplätze aus, wodurch ihre Effizienz unterstrichen wird. Es ist an den Wählern, an den Bürgern, darüber zu entscheiden, welche universellen Dienstleistungen sie wollen. Der ehemalige Kommissar Lord Cockfield, der zusammen mit Kommissionspräsident Jacques Delors zu den Schöpfern des Binnenmarktes gehörte, pflegte zu sagen:

(EN) „Die Kommission muss die Regierungen dabei unterstützen, Steuergelder zu sparen.“

(FR) Er hatte Unrecht. Nicht die Kommission hat über die Verwendung der öffentlichen Gelder zu entscheiden, sondern letztlich der Steuerzahler selbst. Der souveräne Wähler muss entscheiden, ob seine Gemeinde oder seine Region sein Geld gut anlegt oder nicht. Das nennt man Demokratie.

Diejenigen, die den ungezügelten freien Markt befürworten, werden mir entgegenhalten, dass die Verträge die Kommission verpflichten, gegen staatliche Beihilfen vorzugehen, die den Wettbewerb verfälschen, doch Artikel 87 des Vertrags besagt eindeutig, dass diese Beihilfen nur verboten sind, ich zitiere, „soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Nun kann man aber schwerlich behaupten, dass lokal durch öffentliche Körperschaften erbrachte öffentliche Dienstleistungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Herr Präsident, Sie haben uns gerade die Vorlage einer Mitteilung bis zum Jahresende angekündigt. Ich teile die Auffassung meines Kollegen von der EVP, Werner Langen, dass wir allzu viele Texte erlebt haben, die zwar gut gemacht waren, aber keine realen politischen Folgen hatten. Ich bitte Sie, Herr Kommissionspräsident, legen Sie uns einen oder so viele Legislativvorschläge vor, wie Sie wollen, aber gestatten Sie endlich dem Parlament, seine Arbeit als Mitgesetzgeber in einem Bereich zu tun, der nach Ihren eigenen Worten das Herzstück des europäischen Sozialmodells bildet.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE).(LT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über das Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, das die Europäische Kommission vor über zwei Jahren veröffentlicht hat. Es ist bedauerlich, dass die Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes bisher wirklich zu wünschen übrig ließ. Das Weißbuch bietet lediglich eine sehr abstrakte Definition der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Der Begriff der öffentlichen Dienstleistungen wird überhaupt nicht definiert und folglich im Weißbuch auch nicht verwendet, das stattdessen von „Gemeinwohlverpflichtungen“ spricht, die sich auf Luft-, Schienen- und Straßenverkehr sowie den Energiesektor erstrecken, welche auch als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ausgewiesen werden. Daher ist es schwierig zu verstehen, worüber wir eigentlich sprechen, während man sich vom Weißbuch in erster Linie den Entwurf eines Rechtsaktes versprach, der die Durchsetzung einer der wichtigsten Freiheiten des europäischen Binnenmarktes, des freien Dienstleistungsverkehrs, regulieren und ermöglichen sollte.

Die Situation in Bezug auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ähnelt der der Dienstleistungsrichtlinie, die sich ursprünglich auf Dienstleistungen von wirtschaftlichem und allgemeinem Interesse erstrecken sollte und von der derzeit – unter Berücksichtigung einer Reihe von Ausnahmen - Verkehrs- und Postdienstleistungen ausgeschlossen sind und wobei die Strom-, Gas- und Wasserversorgung vom Ursprungsprinzip ausgenommen sind. Folglich kann man bei den meisten Dienstleistungen in der EU kaum davon sprechen, dass sie sich im Einklang mit den Binnenmarktgrundsätzen Wettbewerbsfähigkeit, Vertretung der Verbraucherinteressen und freier Dienstleistungsverkehr befinden. Der Marktprotektionismus schränkt die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur ein, sondern verhindert jetzt und in Zukunft, dass die Verbraucher zum rechten Zeitpunkt Zugang zu Dienstleistungen in angemessener Qualität haben. Das wird deutlich, wenn man die verschiedenen Länder der Europäischen Union bereist.

Was die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betrifft, so sollten sie in erster Linie eindeutig definiert werden, um jegliche „freie Interpretationen“ einzelner Mitgliedstaaten zum Schutz der Märkte zu verhindern. Es ist notwendig, einen Rechtsakt zur Regelung derartiger Dienstleistungen zu erarbeiten, der den Grundsatz der Subsidiarität berücksichtigt und die Dienstleistungsmärkte für den Wettbewerb zum Wohle der Bürger eines jeden Landes und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU öffnet. Ich gebe zu, dass die regionale und lokale Ordnungspolitik bei der Erbringung von Dienstleistungen eine wichtige Rolle spielt; doch viel zu oft dient sie lediglich als Vorwand für Marktprotektionismus. Dabei sind Dienstleistungen im Grunde das „große Geschäft“.

 
  
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  Elisabeth Schroedter (Verts/ALE). – Herr Präsident! Die Leistungen der Daseinsvorsorge sind das Herzstück des Sozialmodells Europa. Das haben Sie als ersten Satz gesagt, Herr Barroso. Im gleichen Zuge preisen Sie jedoch die Effizienz des Marktes und nicht die Solidarität, den allgemeinen Zugang und das Grundrecht als Primat für solche Leistungen.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jedoch von der Europäischen Union Klarheit, dass ihnen die für ihr Leben notwendigen Dienstleistungen als Grundversorgung garantiert sind, und zwar universell, d. h. unabhängig von ihrem sozialen Status und ihrem Wohnort. Wir können das Vertrauen der Menschen nur gewinnen, wenn die Leistungen der Daseinsvorsorge einen grundsätzlichen Schutz vor den Marktinteressen genießen und nicht mit ihnen verbunden werden. Wenn Sie die Daseinsvorsorge mit der Effizienz des Marktes verbinden, Herr Barroso, wollen Sie das Herzstück des europäischen Sozialmodells auflösen. Sie frohlocken über die Forderungen in diesem Haus nach dem sektoriellen Ansatz, der Ihnen alle Macht zu einer Liberalisierung der Grundversorgung gibt. Die jüngsten Beispiele in Ihrer Mitteilung zu sozialen Diensten sind hier sehr deutlich. Dort werden soziale Grundleistungen als Wirtschaftstätigkeit umdefiniert. Sie interpretieren die Definition von europäischen Gerichtsurteilen um.

Auch Ihre Vorschläge zu den Gesundheitsdiensten, wo die Patientenmobilität gegenüber der Grundversorgung Vorrang haben soll, sprechen eine eigene Sprache. Es zeigt sich darin, dass es eine Illusion ist zu glauben, dass der Markt die Grundrechte garantieren kann. Der Schutz für diese Leistungen der Daseinsvorsorge kann nur durch eine klare Rahmenrichtlinie gewährleistet werden, welche die Leistungen, die der Grundversorgung dienen sollen, nicht unter die Regeln des europäischen Wettbewerbsrechts stellt. Es handelt sich dabei um Leistungen, die selbstverständlich staatliche Zuschüsse garantiert bekommen dürfen und deren Aufgabe es ist, Grundversorgung zu garantieren und nicht, Marktinteressen als Priorität zu haben. Die Leistungen der Daseinsvorsorge, welche wirtschaftlichen Charakter haben, können ebenfalls der Grundversorgung dienen. Auch dort muss der universelle Zugang zu ihnen vor den Marktinteressen stehen.

Insofern muss eine solche Rahmenrichtlinie ein Pendant zur Dienstleistungsrichtlinie darstellen, um eben diesen Schutz zu garantieren. Das ist unter den derzeitigen Gesichtspunkten der einzige Weg, eine Lösung zu finden, denn wir haben die Dienstleistungen ja bereits durch die Dienstleistungsrichtlinie auf dem Markt. Insofern ist dies eine Scheindiskussion von der rechten Seite, die glaubt, dass man einfach nur zurückblicken kann und dass der sektorielle Ansatz oder die Nichtdefinition auf europäischer Ebene eine Lösung ist.

 
  
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  Kartika Tamara Liotard (GUE/NGL). – (NL) Herr Präsident! Als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse von dem Geltungsbereich der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen wurden, witterten wir den Sieg. Der öffentliche Sektor sollte von Bolkestein verschont bleiben, aber möglicherweise war das nur ein Pyrrhussieg. Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse werden schließlich erst jetzt definiert. In der Auseinandersetzung um eine Richtlinie für derartige Dienstleistungen muss geklärt werden, was zu dem Bereich des Marktes gehört und vor allem auch, wer am besten darüber entscheiden kann.

Unsere Auslegung von allgemeinem Interesse werden wir mit allen Mitteln gegen Liberalisierung und die Kräfte des Marktes auf solchen Gebieten wie Bildung, Gesundheitswesen und Kultur verteidigen: wir haben Erfahrung damit und reichlich genug davon! Wenn Bereiche liberalisiert werden, die genau genommen nicht zum Markt, sondern zur Gesellschaft gehören, wirkt Europa auf uns wie eine Raupe Nimmersatt, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit beiden Händen zugreift.

Letzteres ist bereits in dem neuerlichen Angriff der Kommission auf die Pflege zu sehen. Unserer Auffassung nach wird diese Richtlinie vor allem zu einem Instrument, mit dem sich Bürger, Schüler, Patienten und Verbraucher gegen diese Raupe Nimmersatt der dauernd liberalisierenden Union wehren können. Die Richtlinie muss verdeutlichen, dass die Mitgliedstaaten und ihre Bürger darüber befinden, was Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind, und dabei rückt die Politik wieder näher an den Bürger, wo sie auch hingehört.

 
  
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  Johannes Blokland (IND/DEM).(NL) Herr Präsident! Im 19. Jahrhundert übernahm der Staat zahlreiche Aufgaben wie Bildung, Zugang zur Gesundheitsfürsorge und Regulierung der Arbeitszeiten, die ursprünglich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Das war als Reaktion auf das Scheitern des Marktes notwendig und ist es immer noch, sobald der Markt versagt.

Der Unterschied zwischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist theoretischer Natur. Diese Unterscheidung dient daher dazu, Dienstleistungen freizugeben und ein Eingreifen des Staates zu begrenzen. Die Einmischung des Staates zu zügeln, ist in Bereichen ein lobenswertes Ziel, in denen von den Bürgern Selbstständigkeit und Verantwortung erwartet werden darf. Diese Unterscheidung sollte jedoch nicht darauf hinauslaufen, dass der Zugang für die Bürger eingeschränkt wird.

Ich plädiere daher für Zurückhaltung bei der Öffnung des Marktes für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Der Gesellschaft ist mit einem Staat gedient, der den Schwachen Gerechtigkeit widerfahren lässt und Zugang zu den Dienstleistungen gewährleistet, die im Alltag unerlässlich sind.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass wir in dieser Debatte zu viel Schatten boxen und zu wenig Respekt vor dem Recht und dem Bürger haben.

Nehmen wir unser eigenes Recht ernst! Wir schreiben im Verfassungsvertrag, dass die Europäische Union in Vielfalt geeint ist. Ausdruck dieser Vielfalt ist auch die vielfältige Gestaltung der Daseinsvorsorge. Geeint sind wir im Binnenmarkt. Konstituieren wir nicht zwischen der Vielfalt und dem Binnenmarkt einen zwingenden Widerspruch!

Zweitens: Wir sind für die soziale Marktwirtschaft, für uns ist der Markt nicht Selbstzweck. Der Markt hat soziale Verantwortung, Nachhaltigkeit. Es ist eine Frage der politischen Verantwortung, wo die Grenzen des Marktes jeweils liegen. Wo der Markt nicht alle Gemeinwohlaufgaben erfüllen bzw. garantieren kann, dort muss die Daseinsvorsorge ihre Aufgabe erfüllen dürfen. Sie steht nicht im Widerspruch zum Markt. Auch viele Einrichtungen der Daseinsvorsorge stehen im Wettbewerb zueinander und erfüllen die Marktkriterien.

Drittens: Wir bekennen uns zur Subsidiarität. Die Subsidiarität steht nicht im Widerspruch zur Europäischen Union. Sie ist ein Wesenselement des Ordnungsmodells in der Europäischen Union. Wir haben in der Dienstleistungsrichtlinie die Dienste im allgemeinen Interesse ausgenommen, weil wir sie subsidiär definieren. Und jetzt debattieren wir, ob diese Frage nur lösbar ist durch die Entscheidung: Rahmenrichtlinie Ja oder Nein. Wir sind dafür, dass die soziale Sicherheit, die Versorgungssicherheit und Qualität zu erschwinglichen Preisen für die Bürger gewährleistet werden können. Und dafür, dass die Politik Verantwortung trägt zwischen Markt und privat. Wir brauchen eine neue Partnerschaft zwischen Staat und privat; sie drückt sich in der Daseinsvorsorge aus.

 
  
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  Bernadette Vergnaud (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich unseren Berichterstatter, Bernard Rapkay, der dazu beigetragen hat, diese Debatte über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wieder in Gang zu setzen, zu seiner Arbeit beglückwünschen. Ich pflichte ihm voll und ganz bei, wenn er vorschlägt, mehr Rechtssicherheit für die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu schaffen. Dies gilt auch für die Vorschläge zur Bereitstellung von preisgünstigen Dienstleistungen hoher Qualität auf dem gesamten Territorium unter Achtung des sozialen Gleichgewichts und bei nachhaltiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit.

Sehr viel skeptischer bin ich hingegen, wenn es darum geht, die Kommission um Erläuterungen zur Anwendung der Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln auf die öffentlichen Dienstleistungen zu ersuchen. Herr Barroso, dessen Anwesenheit in diesem Saal ich begrüßen möchte, hat uns gerade den angeblichen Nutzen dieses Wettbewerbs für die Verbraucher bestätigt.

Wie der Berichterstatter Ihnen in Erinnerung gerufen hat, ist die Finanzierung und die Verwaltung der öffentlichen Dienstsleistungen, wenn sie keinen exakten Rechtsrahmen besitzen, abhängig von den ungewissen Umständen, die der Rolle der Kommission und des Gerichtshofs geschuldet sind, welche nach eignem Gutdünken den Hut des Richters, des Gesetzgebers oder der Exekutive aufsetzen.

Seit mindestens 15 Jahren fordert das Parlament die Kommission auf, gesetzgeberisch tätig zu werden. Was haben wir erreicht? Die Kommission schlägt uns eine Alternative zwischen einer einfachen Mitteilung zur Stärkung der Rechtssicherheit dieser Dienstleistungen und einer Vielzahl sektorbezogener Richtlinien vor.

Was mich betrifft, so würde ich eine Rahmenrichtlinie wünschen. Einen Rechtsrahmen, der ein positives Statut für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse schafft und nicht nur Ausnahmeregelungen. Ein Statut, das von den Regeln des Wettbewerbsmarktes eingehalten werden müsste. Die wesentlichen Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Wasser dürfen nicht liberalisiert werden, und man muss den gemischten Situationen, wo Soziales, Wirtschaft und Ökologie sich überschneiden, Rechnung tragen.

Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stärken die Bindungen der Bürger an Europa. Sie sind ein wesentliches Element der Solidarität und tragen zur Verwirklichung sozialer Rechte bei. Ich will kein Europa, wo das europäische Modell nur auf steuerlicher und sozialer Konkurrenz zwischen den Territorien beruht. Mit dieser Rahmenrichtlinie wünsche ich, dass Europa mehr wird als nur ein Markt, eine Gesellschaft, in der alle öffentlichen Dienstleistungen als wesentlicher Faktor des sozialen und territorialen Zusammenhalts garantiert sind.

 
  
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  Ian Hudghton (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident, vor meiner Wahl in dieses Parlament stand ich einer schottischen Kommunalbehörde vor, die – wie ich wohl feststellen darf – im Hinblick auf das Preis-Leistungsverhältnis und die Erfüllung lokaler Anforderungen an die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen im County Angus äußerst erfolgreich war.

Damals wie heute bestand das vornehmste Anliegen der lokalen Behörden darin, das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu verteidigen. Es ist daher unbedingt notwendig, bei neuen EU-Initiativen keinen Raum für Unklarheit zu lassen. Wenn es um wichtige Leistungen der Daseinsvorsorge geht, dürfen wir uns nicht mit verschwommenen Formulierungen zufriedengeben. Der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung darf nicht angetastet werden. Lassen Sie uns klar unterscheiden zwischen Privatunternehmen, die dem EU-Wettbewerbsrecht unterstehen, und dem öffentlichen Dienst. Kommunale Dienstleistungen, die gemeinnütziger Art sind und keine oder nur geringe grenzüberschreitende Wirkung haben, sollten unbelastet von EU-Wettbewerbsvorschriften zur Verfügung gestellt werden.

Die Festlegung von Normen für Leistungen der Daseinsvorsorge sollte ebenfalls auf lokaler Ebene erfolgen. Einige kommunale Behörden stehen der Notwendigkeit neuer EU-Rechtsvorschriften skeptisch gegenüber. Wenn wir eine Rahmenrichtlinie haben wollen, sollte diese meiner Ansicht nach den kommunalen Behörden hieb- und stichfeste Garantien bieten, dass sie ihre öffentlichen Dienstleistungen nach ihren Vorstellungen gestalten, organisieren und finanzieren können.

Mir ist klar, dass die freie Wirtschaft aus dem Wegfall von Hemmnissen für die kommerzielle Erbringung von Dienstleistungen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen ziehen würde, doch sollten wir die öffentliche Meinung nicht noch stärker gegen uns aufbringen, indem wir die Bereitstellung wichtiger lokaler öffentlicher Dienstleistungen behindern oder gar untergraben.

 
  
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  Roberto Musacchio (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn etwas für die Existenz eines europäischen Sozialmodells kennzeichnend ist, dann sind das die Dienstleistungen, die gewährleistet werden müssen, weil sie Elemente des Bürgerrechts sind. Wir sind aufgefordert, uns dazu zu äußern, ob und inwiefern es Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geben muss, die allen Bürgern zustehen.

Nach der Bolkestein-Richtlinie entstand eine gewisse Verwirrung in Bezug auf den Unterschied zwischen kommerziellen und allgemeinen Dienstleistungen. Deshalb müssen wir nun klären, was einerseits in den Bereich des Marktes und was andererseits unter die Rechte fällt. Zu diesem Zweck haben wir in zahlreichen Änderungsanträgen Vorschläge des EGB übernommen, denen zufolge alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einschließlich derjenigen wirtschaftlicher Art, d. h. jener, für die die europäischen Bürger direkt oder indirekt bezahlen – folglich nahezu alle Dienstleistungen –, in die öffentliche, die staatliche Hand gehören und auf den Grundsätzen der Universalität, der Zugänglichkeit, der Einklagbarkeit und der Qualität beruhen müssen. Anders formuliert, sie müssen Dienstleistungen und keine Ware sein, d. h. sie müssen Europa und nicht Nordamerika verkörpern.

Wir fordern Sie alle dazu auf, diesen Änderungsanträgen, die den Standpunkt der Gewerkschaften aufgreifen, Ihre Zustimmung zu geben. Wir bitten Sie auch, ihnen zuzustimmen, um zu klären, worin das Ziel einer eventuellen Rahmenrichtlinie besteht, bzw. zu begreifen, was Europa über sein Sozialmodell denkt und was es seinen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur vorzuschlagen hat.

 
  
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  Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Herr Kommissionspräsident Barroso, Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht beruft sich zu Recht auf das Subsidiaritätsprinzip als Rechtsgrundlage für die Fragen im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Die Definition dieses Prinzips ist allerdings verschwommen. Wir sind von einem Unterstützungsprinzip zu einem Delegationsprinzip übergegangen. Demzufolge kann die Definition der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nur auf Kosten der nationalen Besonderheiten und Erfordernisse erfolgen.

Es sei nochmals gesagt, wir können nur bedauern, dass die unmissverständliche Warnung, die Sie seitens des französischen und des niederländischen Volkes erhalten haben, auf soviel Missachtung gestoßen ist. Ich möchte daran erinnern, dass die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse die Europäische Union nur unter dem sehr umstrittenen Blickwinkel des Wettbewerbs betreffen. Hier wird die Freiheit der Staaten gröblichst verletzt, die Aufgaben zu definieren, die sie gemäß den Wünschen ihrer Völker im Rahmen von öffentlichen Dienstleistungen durchführen wollen.

Nein, es ist nicht Sache von Ländern, die historisch gesehen keine Kultur der öffentlichen Dienstleistungen besitzen, jene, die eine solche Kultur haben, daran zu hindern, über solche Dienstleistungen zu verfügen, wenn sie dies für gerechtfertigt halten. Wenn Sie das Subsidiaritätsprinzip im eigentlichen Sinne respektieren würden, dann würden Sie zugeben, dass die öffentlichen Dienstleistungen, die für das Leben unserer Gesellschaften wesentlich sind, so bürgernah wie möglich im nationalen Rahmen definiert, organisiert und verwaltet werden müssen.

Aus unserer Sicht ist nur eine starke öffentliche Macht in der Lage, eine Zukunft zu sichern, die nicht allein an der Dreimonatsrentabilität der Aktien gemessen wird, sondern in jahrzehntelangen Leistungen auf dem Gebiet der Bildung, der Gesundheit, des Verkehrs, der Energie, des Umweltschutzes.

(Der Präsident fordert den Redner auf, zum Schluss zu kommen.)

Die einzige Regel, die wir brauchen, ist die der Souveränität, was bedeutet, dass jeder Staat frei über seine öffentlichen Dienstleistungen entscheiden können muss und dass gemeinwirtschaftliche Aufgabenstellungen Vorrang vor dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht haben.

 
  
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  Malcolm Harbour (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte, um mich meinem Kollegen Othmar Karas anzuschließen, diese Debatte wieder auf den eigentlichen Ausgangspunkt zurückführen, nämlich unsere Bürger, die die öffentlichen Dienstleistungen nutzen. Wir wissen, dass diese öffentlichen Dienste oftmals nicht gut und effektiv genug sind und zu deutlich überhöhten Kosten bereitgestellt werden.

Herr Barroso, über dessen heutige Anwesenheit wir uns sehr freuen, hat in seinen Grundsätzen zur Förderung eines hochwertigen öffentlichen Dienstes auf etwas sehr Wichtiges verwiesen. Er erwähnte einen entscheidenden Faktor, nämlich die neuen technischen Möglichkeiten zur Umgestaltung des Leistungsangebots und zur Gestaltung neuer Modelle für die Organisation und Leistungserbringung. Genau darüber sollten wir uns unterhalten. Wir sollten über die Vielfalt nachdenken, die die besten Köpfe, die beste Technik, die besten Leute und die besten Manager bei der Erbringung dieser Dienstleistungen vereint.

Jedoch drehte sich unsere Aussprache, vor allem auf einer Seite des Hauses, vornehmlich um Organisationsmodelle und Protektionismus. Da die Dienstleistungsrichtlinie nun dank unserer Bemühungen unter Dach und Fach ist, können wir uns verstärkt mit der Erbringung von Dienstleistungen beschäftigen. Im Bereich öffentliches Auftragswesen haben wir nach den jüngsten Anhörungen in unserem Ausschuss einiges zu tun. Gleiches gilt für das Wettbewerbsrecht. Wenn beides in Herrn Barrosos Konsolidierungskonzept einbezogen wird, dann geht das in Ordnung. Was wir nicht wollen ist eine Richtlinie, wie sie uns jetzt präsentiert wird, denn sie ist rein politischer Natur. Die Redebeiträge sprachen Bände. Frau Schroedter sagte, dass sie vor Liberalisierung schützen würde. Genau darum geht es, Herr Barroso! Halten Sie sich da heraus und sagen Sie uns heute, dass Sie sie von Ihrer Agenda streichen. Ich habe meinen Ausschuss befragt, welche Probleme unserer Bürger mit dieser Richtlinie gelöst werden sollen, und keine Antwort erhalten. Wenn jene Linken uns eine umfassende Analyse dieser Probleme präsentieren, dann könnten wir uns damit auseinandersetzen, aber wir haben heute weitaus Wichtigeres zu tun, als über ihre politische Erklärung zu debattieren.

(Beifall)

 
  
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  Ieke van den Burg (PSE).(EN) Herr Präsident! Als Koordinator der PSE-Abgeordneten im Ausschuss für Wirtschaft und Währung habe ich darum gebeten, als Letzter von der PSE-Fraktion sprechen zu dürfen, speziell um mit einigen Vorurteilen und Missverständnissen im Zusammenhang mit dieser Aussprache aufräumen zu können.

Zunächst möchte ich Herrn Barroso für seine Rede danken und betonen, dass wir in der PSE-Fraktion seine vier Grundsätze absolut verstehen sowie auch seine Meinung, dass es notwendig ist, größere Rechtssicherheit für die Dienstleister zu schaffen, ob sie nun öffentlich oder privat oder irgendwo dazwischen tätig sind, für die Mitgliedstaaten und die dezentralen Staatsorgane sowie für die Bürger. Wie Herr Harbour zu Recht bemerkte, ist dies der Dreh- und Angelpunkt.

Meiner Meinung nach hat Herr Barroso den von Herrn Rapkay im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung erstellten Bericht, der im Ausschuss mit großer Mehrheit angenommen wurde, richtig verstanden. Wir haben keinem bestimmten Rechtsinstrument den Vorzug gegeben, sondern klargestellt, dass legislative Initiativen vonnöten sind und ein umfassender politischer Entscheidungsprozess stattfinden muss, an dem sich das Parlament und der Rat in vollem Umfang beteiligen. Der richtige Weg zur Behandlung dieser politischen Fragen heißt Mitentscheidung, und das ist die Botschaft dieses Berichts. Im Bericht wird nicht ausschließlich horizontalen oder sektorspezifischen Instrumenten das Wort geredet, vielmehr wird diese Frage offengelassen, sodass beide Ansätze parallel zur Anwendung kommen können.

Aus den Aussprachen ist klar ersichtlich, dass es unterschiedliche Präferenzen gibt, dass jedoch auch zahlreiche Vorurteile über die von uns favorisierten Lösungsansätze bestehen. In meiner Fraktion stand ich einer Gruppe von Rechtsexperten vor, die einen Text abfasste. Ich habe leider den Eindruck, dass viele diesen Text nicht gelesen haben, denn hätte Herr Harbour ihn gelesen, wäre ihm bewusst geworden, dass es sich nicht um ein politisches Programm handelt, sondern eindeutig um einen Versuch, im Interesse der Bürger Europas die Markt- und Wettbewerbsregeln, das Subsidiaritätsprinzip, das wir für die lokalen Behörden sichern wollen, die Qualitätsaspekte und die Bedeutung des öffentlichen Dienstes, die Leistungen der Daseinsvorsorge und die Leistungen von wirtschaftlichem Interesse unter einen Hut zu bringen. Dabei geht es nicht um Ideologie, sondern um einen konkreten Versuch, diese Faktoren miteinander in Einklang zu bringen. Der Entwurf steht nun zur Diskussion, und wir hoffen auf rege Beteiligung. Jedoch ist nun die Kommission an der Reihe, konkrete Vorschläge vorzulegen. Dann können wir uns den Fragen des legislativen Verfahrens und den Formulierungen zuwenden.

Mit Blick auf die Abstimmung über diesen Bericht möchte ich nochmals sagen, dass in der Frage über die bevorzugten Instrumente noch immer keine Einigkeit herrscht. Es liegen nunmehr Änderungsanträge von beiden Seiten vor, also von der ALDE-Fraktion und der VERTS/ALE-Fraktion, um darüber erneut eine Entscheidung zu erzwingen. Das halte ich für unklug. Ich schließe mich vollständig der Auffassung Frau Thyssens an, dass es sinnvoller wäre, uns an die bereits geschlossene Vereinbarung zu halten und diese Frage offenzulassen. Die Entscheidung trifft die Kommission, und wenn einer dieser Änderungsanträge durchkommt, dann wird das lediglich dazu führen, dass der ganze Bericht zu Fall kommt. Das wäre äußerst schade, denn wir sind uns alle darüber einig, dass Herr Rapkay und der Ausschuss für Wirtschaft und Währung einen guten Bericht vorgelegt haben.

 
  
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  Jiří Maštálka (GUE/NGL).(CS) Ich möchte Herrn Rapkay für seinen Bericht danken. Ich muss sagen, dass ich, nachdem ich mich eingehend mit dieser Thematik befasst und die ausführliche Debatte dazu verfolgt habe, den Gedanken der Erarbeitung einer allgemeinen Richtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nachdrücklich befürworte. Ich begrüße die Vorlage dieser Richtlinie, die die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse als eine der Grundsäulen des europäischen Sozialmodells garantieren wird. Die Richtlinie dürfte mit einer Rechtsgrundlage, die auf allgemeinen Grundsätzen wie gleichen Zugangsmöglichkeiten, einer hohen Qualität der Leistungen, erschwinglichen Preisen, Universalität und Sicherheit beruht, auch Rechtssicherheit schaffen. Es muss das richtige Maß gefunden werden zwischen dem Markt auf der einen Seite und den für öffentliche Dienstleistungen zuständigen öffentlichen Behörden auf der anderen. Der Bericht wirft allerdings auch neue Fragen auf: Wird es uns wirklich gelingen, die Rahmenrichtlinie mit genügend Substanz auszustatten, um die vorstehend erwähnten Grundsätze aufrechtzuerhalten? Wird die Richtlinie Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirklich schützen?

 
  
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  Karsten Friedrich Hoppenstedt (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst mein Dank an den Berichterstatter für die gute Zusammenarbeit im Wirtschaftsausschuss. Ich hoffe, dass diese gute Zusammenarbeit auch bis zum morgigen Tag anhält. Ich habe auch dafür zu danken, dass die Bedeutung dieses Berichts als Weichenstellung für die Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge oder, anders gesagt, für die Zukunft der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse dargestellt wird. Die Länge der Debatte macht dies auch klar.

Wer viele Jahre im kommunalen und regionalen Politikfeld tätig war, weiß, dass die Politik für die Bürger vor der eigenen Haustür beginnt und das kommunale Selbstverwaltungsrecht und damit die Zuständigkeit der lokalen Behörden trotz vielfältiger europäischer Strukturen auch unter dem Aspekt der Subsidiarität unangetastet bleiben muss. Daraus ergibt sich, dass Kommunen einen wichtigen Beitrag zur Definition und zur Organisation der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse leisten müssen. Dazu gehört essenziell, alle guten Wege einzuschlagen, um diese Dienste möglichst kostengünstig für den Bürger anzubieten. Das bedeutet natürlich auch, dass öffentliche und private Anbieter gemeinsam als Partner einbezogen werden müssen.

Wir sollten weiterhin alle Beteiligten aufrufen, einen Weg zu beschreiten, bei dem das begrenzte Markthandeln im kommunalen Umfeld nicht zwingend der Prozedur aller europäischen Regeln unterworfen wird, um die Kommunen nicht von diesem für Bürger positiven Weg der öffentlich-privaten Partnerschaften abzubringen. Was wir brauchen, ist Rechtssicherheit, die die Kreativität der Kommunen bei der Erfüllung ihrer Dienste fördert, sie nicht bürokratisch überfrachtet und langfristige Planung erlaubt. Kreativität und ein auf Rechtssicherheit basierendes, garantiertes kommunales Selbstverwaltungsrecht können entscheidende Impulse für den kommunalen Beitrag zum europäischen Wirtschaftswachstum liefern.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool (PPE-DE).(NL) Herr Präsident! In dem Text des Entschließungsantrags wird die rechte Balance in Bezug auf die Freiheit gefunden, die die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Organisation und Definition ihrer öffentlichen Funktionen einerseits und die Einhaltung der Binnenmarktregeln andererseits auch künftig behalten sollten. Europa muss sein Augenmerk – und auch daran lässt der Text des Entschließungsantrags keinen Zweifel zu – auf die rechtliche Klärung und einen sektoralen Ansatz richten, wo Doppeldeutigkeit Probleme schafft.

Wir fordern Rechtssicherheit, Rechtssicherheit bedeutet jedoch nicht Einschränkung des Wettbewerbs und Protektionismus. Wir fordern auch deshalb Rechtssicherheit, um lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu helfen. Gleichwohl sollten wir uns wohl bewusst sein, dass eben diese lokalen Gebietskörperschaften ihre Entscheidungsfreiheit behalten wollen und keine zusätzlich von oben auferlegten Vorschriften wünschen.

Vor allem müssen wir der Vielfalt Raum bieten und dürfen wir diese Vielfalt nicht in einen horizontalen Rechtsrahmen zwängen. Die Dynamik muss für ein schlagkräftiges Europa erhalten bleiben. Präsident Barroso, ich weiß Ihr persönliches Erscheinen anlässlich dieser Aussprache sehr zu schätzen. Wir fordern von Ihnen Klarheit. Selbige können Sie jedoch auch von uns erwarten. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten wird den Änderungsantrag der Sozialdemokraten, in dem ein Rahmengesetz gefordert wird, daher nicht befürworten.

Frau van den Burg erwähnte die Vorurteile und Missverständnisse im Zusammenhang mit den Absichten der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Schulz, gibt diesen Vorurteilen jedoch selbst Nahrung, indem er erklärt, die sozialen Standards, Qualitätsstandards und die Qualität der Dienstleistungen müssten auf der Ebene der Gemeinschaft gewährleistet werden. Das führt zu weit, und deshalb werde ich gegen ein Rahmengesetz und damit gegen einen horizontalen Rechtsrahmen stimmen.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter zu seinem ausgezeichneten Bericht gratulieren und ihm für seine große Verhandlungs- und Diskussionsbereitschaft danken. Es ist dem Herangehen des Berichterstatters zu danken, dass dieser Bericht einen ausgewogenen Kompromiss verschiedener politischer Alternativen darstellt. Der Bericht ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Definition des Rechtsstatus von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

Es sollte unterstrichen werden, dass unter dem Gesichtspunkt der EU-Gesetzgebung eine Rahmenrichtlinie für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht notwendig ist. Diese Dienstleistungen sollten im Zusammenhang mit den jeweiligen Sektoren und nicht auf allgemeiner Grundlage behandelt werden. Wir sollten den Mitgliedstaaten gestatten, im Einklang mit ihren regionalen Merkmalen zu definieren, was ihrer Ansicht nach Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind. Dieses Recht darf von den Mitgliedstaaten jedoch nicht zur Verletzung des Vertrags missbraucht werden, und zwar vor allem im Hinblick auf den freien Wettbewerb, staatliche Beihilfen oder das öffentliche Auftragswesen.

Folglich sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse auf ihrem jeweiligen Territorium zu definieren, sie sollten jedoch nicht in der Lage sein, dieses Recht zu missbrauchen, was häufig zu passieren scheint. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse werden oftmals als Argument benutzt, um öffentliche Interessen vor den Binnenmarktprinzipien zu schützen. Meines Erachtens würde eine Rahmenrichtlinie weder eine zufrieden stellende Lösung für die europäische Wirtschaft noch für die Verbraucher, also die Bürger Europas, darstellen. Wir sollten zur Lösung des Problems einen sektoralen Ansatz wählen.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE).(SK) Die Globalisierung konfrontiert uns mit offeneren Märkten, mehr Wettbewerb und einem noch größeren Innovationstempo. All das erfordert mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Als Teil des Sozialmodells bedürfen auch die öffentlichen Dienstleistungen der ständigen Anpassung an neue Entwicklungen im Bereich der Globalisierung, an demokratische Veränderungen und an den wissenschaftlichen Fortschritt.

Das Europäische Parlament hat die Dienstleistungsrichtlinie in erster Lesung angenommen und ihren Geltungsbereich definiert. Die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wurden in den Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie aufgenommen. Der gebilligte Verordnungsentwurf gilt nicht für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Gesundheitsdienstleistungen und Verkehrsdienste. In den 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich die dem Gemeinwohl dienenden Dienstleistungen in einer Weise entwickelt, die die ganz unterschiedlichen regionalen Traditionen widerspiegeln. Daher möchte ich betonen, dass das Subsidiaritätsprinzip unbedingt eingehalten werden muss. In Übereinstimmung mit diesem Prinzip entscheidet jeder einzelne Mitgliedstaat selbst, welche Dienstleistungen durch öffentliche Einrichtungen erbracht und welche liberalisiert werden sollen.

In der Slowakei haben die von der Öffentlichkeit gewählten und kontrollierten lokalen und regionalen Behörden bezüglich der Erbringung von Leistungen für das Gemeinwohl gute Arbeit geleistet und sind auch weiterhin in der Lage, bei solchen Dienstleistungen Mitentscheidungsrechte, Verbraucherschutz und Gemeinwohl zu gewährleisten. Die zuständigen öffentlichen Behörden sollten mit geeigneten Instrumenten ausgestattet werden, mit denen sie in der Lage sind, den Wettbewerb anzukurbeln und den Schutz der Verbraucher zu sichern. Die Befugnisse der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Überwachung der effizienten Erfüllung der öffentlichen Politikziele wie Erschwinglichkeit der Preise und hohe Qualitätsstandards müssen gestärkt werden.

Ausgehend davon bin ich überzeugt, dass es nicht notwendig ist, der Europäischen Union zusätzliche Befugnisse im Bereich der für das Gemeinwohl erbrachten Dienstleistungen zu erteilen. Mein Standpunkt ist klar: Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Abschließend möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Rapkay, für seine Arbeit danken.

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich den Kolleginnen und Kollegen, die an der Erarbeitung dieses Themas maßgeblich mitgewirkt haben, herzlich danken. Das ist zum einen der Kollege Szájer aus dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, der Kollege Rapkay als Hauptberichterstatter des Parlaments und unser Schattenberichterstatter Hökmark.

Herr Kommissionspräsident, was Sie heute Morgen hier gesagt haben, empfand ich als eine sehr adäquate Antwort auf das Anliegen, das die PSE-Fraktion mit ihrem Entwurf für eine Rahmenrichtlinie ins Parlament eingebracht hat. Wir sind zwar der Auffassung und bleiben dies auch, dass wir diese Rahmenrichtlinie nicht brauchen, aber in dieser Rahmenrichtlinie sind drei Bereiche angesprochen, in denen es einen Widerspruch gibt zwischen den Interessen der unteren, der kommunalen Ebene auf der einen Seite und den Interessen eines effektiven europäischen Binnenmarktes auf der anderen Seite. Da muss man bei aller Geradlinigkeit, die im Europäischen Parlament für den Binnenmarkt verlangt werden kann, doch darauf hinweisen, dass bestimmte Belange, sei es im Bereich des Vergaberechts, sei es im Bereich des Wettbewerbs- oder Beihilferechts für die Kommunen nicht unbedingt per se schlecht sind. Man muss vielmehr die Notwendigkeit sehen, in diesen Bereichen mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Ob dies in der Form einer Mitteilung, die Sie in Aussicht gestellt haben, ausreichend gelöst werden kann, muss abgewartet werden. In jedem Fall aber glaube ich, dass eine Mitteilung die adäquatere Herangehensweise an das Problem ist als das, was eine Rahmenrichtlinie gebracht hätte.

Denn – Kollege Radwan hat es bereits angesprochen – das Dilemma zwischen Markt und Subsidiarität müssen wir viel stärker aus der Sicht des Bürgers betrachten. Auch das europäische Sozialmodell – ich frage mich immer, wie man sich ständig auf das europäische Sozialmodell berufen kann, ohne irgendetwas Konkretes dazu zu sagen – möchte einen Bürger, einen Verbraucher, der überall in Europa eine möglichst günstige Leistung angeboten bekommt. Da hat Kollege Hudghton durchaus Recht, wenn er die schottischen Kommunen lobt, die zu sehr günstigen, marktgerechten Preisen ihre Leistungen anbieten konnten. Wenn sie das auch in Zukunft tun sollen, muss man ihnen dafür entsprechende Rechtssicherheit geben. Doch das bedeutet eben nicht, dass der Markt an dieser Stelle ausgehebelt werden darf.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte auf drei Punkte eingehen.

Erstens denke ich, dass sich die Dienstleistungen dem Wettbewerb öffnen sollten. Deshalb sind wir hier, und deshalb gibt es europäische Integration. Es ist offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten ihre sozialen Sicherungssysteme ohne Unterstützung von Seiten des Privatsektors nicht aufrechterhalten können. Die ganze Debatte dreht sich um konkrete öffentliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Das gab es in einem Nachbarland meines Heimatlandes Finnland, nämlich der früheren Sowjetunion. Die Vorstellung, dass Dienstleistungen der Daseinsvorsorge ausschließlich vom öffentlichen Sektor erbracht werden können, ist absurd. Daher bin ich für die Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften, denn wir sollten aus der Diskussion über die Dienstleistungsrichtlinie etwas gelernt haben.

Mein zweiter Punkt lautet denn also: keine Rahmenrichtlinie! Dafür gibt es keine Grundlage. Ich möchte nicht, dass die Kommission irgendetwas vorlegt, auch keinen konsolidierten Text. Diese Angelegenheit ist Sache der Mitgliedstaaten. Das Ganze bringt überhaupt nichts. Sehen Sie sich die Fakten an: In der Studie der Kommission wird klar herausgearbeitet, dass es immense Unterschiede gibt zwischen dem, was beispielsweise wir in Finnland unter einer Leistung von allgemeinem Interesse verstehen und dem, was man in Frankreich darunter versteht. Diese Aussprache dient lediglich der Verschleierung von Monopolen und Protektionismus. Für mich ist das absolut europafeindlich.

Abschließend möchte ich unterstützen, was mein polnischer Kollege, Herr Handzlik, zum Ausdruck gebracht hat. Worin besteht die richtige Lösung? Klar ist, dass wir einen sektorspezifischen Ansatz brauchen. Wir müssen uns jeden einzelnen Sektor anschauen, auf Zusammenarbeit setzen und klare Prioritäten festlegen: Gesundheitswesen, Postdienste, Wasser- und Gasversorgung usw., aber ohne Richtlinie. Davon sollten wir die Finger lassen.

 
  
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  Roselyne Bachelot-Narquin (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie, Herr Kommissionspräsident, haben zur Recht an die vier grundlegenden Prinzipien erinnert, von denen wir uns bei unseren Überlegungen über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse leiten lassen sollten. Paradoxerweise könnte man meinen, Sie hätten die Debatte darüber neu eröffnet, ob wir eine Rahmenrichtlinie zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse brauchen oder ob Entscheidung über sektorale Initiativen für Dienstleistungen im Sozial- oder Gesundheitsbereich angebracht wären.

Die Abstimmung über die Dienstleistungsrichtlinie hatte die Linien zugunsten der zweiten Lösung verschoben, denn die wahre Grenze verläuft nicht zwischen den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem und nichtwirtschaftlichem Interesse, sondern - innerhalb der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse - zwischen den Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen und den übrigen Dienstleistungen. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch die gründliche und juristisch sorgfältige Arbeit des Berichterstatters Rapkay und unseres Kollegen Gunnar Hökmark, die eine rechtliche Brücke zwischen der Dienstleistungsrichtlinie und den sektoralen Instrumenten geschlagen haben.

Eine Rahmenrichtlinie über die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bringt drei Schwierigkeiten mit sich. Erstens bietet der EG-Vertrag keine Rechtsgrundlage, wie vielfach gesagt wurde. Zweitens wäre diese Richtlinie unvereinbar mit dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie, wie er in erster Lesung am 29. Mai beschlossen wurde. Schließlich wird sie in keiner Weise dem von den Akteuren geforderten Bedürfnis nach Rechtssicherheit gerecht und gefährdet zugleich die von den Staaten und den Gebietskörperschaften geforderte Subsidiarität.

Unabhängig von dem gewählten Instrument und den ideologischen Kriterien, von denen wir uns leiten lassen, liegt das Wesentliche woanders. Es kommt darauf an, die Arbeit der rechtlichen Klarstellung im Bereich der sozialen und Gesundheitsdienstleistungen von allgemeinem Interesse fortzusetzen. Das ist, Herr Kommissionspräsident, das Problem, das sich den Akteuren vor Ort konkret stellt.

 
  
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  Eoin Ryan (UEN).(EN) Herr Präsident! Diese Aussprache ist höchst aufschlussreich. Wie Sie wissen, hat die Kommission ein Weißbuch zu dieser Frage veröffentlicht mit der Empfehlung, eine Rahmenrichtlinie für die Leistungen der Daseinsvorsorge zu erstellen. Allerdings gehe ich mit diesem Ansatz nicht konform, ich wäre für Vorschriften, die konkrete Wirtschaftssektoren regeln. Gewiss würde ich die Idee grundsätzlich befürworten, doch denke ich, dass eine allumfassende Richtlinie große Verwirrung in der Debatte stiften würde, insbesondere in den Mitgliedstaaten. Es könnte zu hysterischen Reaktionen kommen, wenn die Bevölkerung nicht genau versteht, worum es geht. Daher denke ich, dass wir viel konkreter verfahren, uns die Richtlinie Sektor für Sektor ansehen und die einzelnen Dienstleister durchgehen sollten. Wir versuchen hier, die Dienstleistungen für die europäischen Bürger zu verbessern, damit sie die Vorschläge genau verstehen. Dann brauchen die Verbraucher keine Angst zu haben, dass eine europäische Richtlinie daherkommt und die bestehenden Dienste in ihrem Land privatisiert oder aushöhlt. Es ist sehr wichtig, hier für Klarheit zu sorgen, damit die Bürger die Vorschläge von Kommission oder Parlament problemlos nachvollziehen können.

Die EU ist zuständig für Bereiche wie Telekommunikation, Transport und Energie, doch ist sie nach den EU-Verträgen nicht dazu befugt, allgemeine Rechtsvorschriften zur Erbringung von Sozialleistungen, zum Gesundheits- und Bildungswesen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu erlassen. Die Debatte läuft darauf hinaus, welche Befugnisse den EU-Institutionen zukommen und welche den Mitgliedstaaten. Wir sollten in dieser Frage sehr vorsichtig sein.

Es verwundert mich, dass manche Abgeordnete dagegen sind und gleichzeitig eine Steuerharmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten befürworten. Meines Erachtens steht dies im Widerspruch zu dem, was sie im Verlauf dieser Aussprache geäußert haben. Ich halte nichts von Steuerharmonisierung. Ich meine, dass die Mitgliedstaaten selbst über ihr Steuersystem entscheiden sollten. Das würde den Wettbewerb in der Union fördern.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident Barroso, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schule, Gesundheit, Postdienste, Wasser, Verkehrswesen sind das Herzstück des Lebens in der Gesellschaft. Was für die Erbringung der für die Allgemeinheit bestimmten Dienstleistungen erforderlich ist, ist ein öffentlich-rechtliches System.

In Europa haben Länder wie Frankreich diese solidarische Form der Verwaltung der gemeinsamen Teile des gesamtgesellschaftlichen Eigentums entwickelt. Und gerade zu dem Zeitpunkt, da diese intelligente Technik, Dienstleistungen generell, ja universell verfügbar zu machen, kühne Lösungen für die globalen Probleme des Wassers, der Grundarzneimittel, der Bildung und aller gemeinsamen Dimensionen des weltweiten Miteigentums inspirieren könnte, gerade zu diesem Zeitpunkt beschränkt die Kommission dieses Instrument für die Lenkung der menschlichen Gesellschaft oder zerstört es gar.

Diese Unsinnigkeit, die darin besteht, etwas zu zerstören, was seit einem Jahrhundert funktionierte, hat ihre Ursache in dem Glauben, der Markt sei groß, das Wissen sei sein Prophet und man müsse alle Dienstleistungen privatisieren, wie es die WTO will, einschließlich des Hilfsdienstes für die Sitzungen in diesem Hause, den wir im Europäischen Parlament in Form eines sozialen Squats organisiert haben, wo 300 Personen ohne Sozialversicherungspapiere arbeiten.

Herr Barroso, abgesehen von den technischen Problemen, die unsere Kollegen ausgeführt haben, wie beispielsweise vorhin Harlem Désir, geht es um ein kulturelles Problem, ein Problem der Entscheidung. Entweder organisieren wir die menschlichen Gesellschaften nach dem Gesetz des Marktes, dem Gesetz des Dschungels, oder wir organisieren sie nach dem Gesetz der Vernunft.

Herr Barroso, wollen Sie weiterhin mit dem Schrei „Markt, Markt“ von Liane zu Liane, vom IWF zur WTO, springen oder wollen Sie sich lieber in Ruhe hinsetzen und die der Vernunft zugänglichen Probleme auf vernünftige Weise klären?

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Lassen Sie mich Ihnen zunächst sagen, Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, dass ich diese Debatte sehr geschätzt habe. Ich fand sie wirklich sehr interessant und glaube, dass sie von großem Nutzen sein wird. Wir haben unsere Zeit nicht verschwendet, und ich habe mir auf diese Weise eine konkretere Vorstellung von Ihren Gefühlen, aber auch von den Schwierigkeiten bei der weiteren Bearbeitung dieser Frage machen können.

Die Debatte hat bestätigt, wie viel Widersprüchlichkeiten noch bestehen, die einige von Ihnen angesprochen haben. Der Bericht Rapkay ist zweifellos ein kluger und intelligenter Bericht, der versucht, ein Gleichgewicht herzustellen. Aber wahr ist auch, dass er gewisse Fragen nicht vollständig beantwortet. Daran können Sie ersehen, welche Schwierigkeiten die Kommission über Jahre damit hatte, das Thema abzugrenzen und präzisere Definitionen zu finden. Die Materie ist nun einmal kompliziert. Das müssen wir anerkennen. Selbst wenn man sie in einem gegebenen zeitlich-örtlichen Rahmen betrachtet, ist die Frage höchst schwierig, denn es geht darum, Prinzipien miteinander zu vereinbaren, die vielfach gegensätzlich erscheinen. Das gilt für die Grundsätze des Binnenmarktes und des Wettbewerbs, die für unsere Gemeinschaft wesentlich sind, die in den Verträgen verankert sind und die die Kommission – wie ich ganz klar sagen möchte - unbedingt respektieren muss, ebenso wie die Grundsätze der Intervention des Staates und des allgemeinen Interesses.

Wenn die Frage an sich bereits schwierig ist, so erweist sie sich als noch komplizierter, wenn man sie in den sich ständig wandelnden Kontext von Raum und Zeit einordnet. Die Zeit ist – wie einige von Ihnen unterstrichen haben – in ständigem Wandel begriffen, was sich in strukturellen Veränderungen in unseren Märkten, zunehmendem Druck der internationalen Konkurrenz und bedeutenden technologischen Veränderungen zeigt. Aber auch räumlich gesehen gibt es in unseren Mitgliedstaaten eine große Vielfalt; so können große Unterschiede in den Interventionsebenen, seien sie nationaler, regionaler oder auch lokaler Art, auftreten. Die Frage ist also äußerst komplex und daraus erklärt sich, dass es so schwierig, ja unmöglich ist, eine einheitliche Antwort nach dem Grundsatz „One size fits all“ zu geben.

Heißt das, dass auf europäischer Ebene nichts zu tun ist? Damit wäre ich nicht einverstanden. Im Gegenteil; aber wie müssen wir da vorgehen? Zunächst einmal müssen wir betrachten, was nicht getan werden darf. Ich glaube, hier gibt es zwei extreme Ansätze, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Der erste besteht darin zu sagen: „Europa hat nichts mit den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu tun. Das geht euch nichts an“. Das ist falsch, denn Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betreffen auch uns, weil sie das Herzstück unseres Gesellschaftsmodells bilden und weil wir sie bewahren wollen. Europa hat daher also ein Wort mitzureden.

Der andere radikale Ansatz besteht darin zu sagen: „Reglementiert ruhig, denn das gibt uns die Möglichkeit – und das wurde in aller Offenheit gesagt –, uns gegen den Inhalt der Verträge zu wenden“, weil man meint, die Sicht der Verträge gehe eher in Richtung Liberalisierung, doch jetzt sei es an der Zeit, diese in Frage zu stellen, indem man Vorschriften gegen die Regeln des Binnenmarktes, gegen die Wettbewerbsregeln erlässt. Das können wir nicht akzeptieren. Der Binnenmarkt ist unsere Stärke. Er gehört zu den großen Errungenschaften der europäischen Einigung.

Wenn wir nun diese beiden extremen Positionen ausklammern, das heißt die des absoluten Minimums an europäischem Eingreifen und die eines möglichst hohen Maßes an Intervention, um die Marktauswirkungen auszugleichen, was können wir dann tun? Mir scheint, nachdem ich diese Debatte verfolgt habe, dass die von mir eingangs genannten Prinzipien, die übrigens auch im Bericht Rapkay genannt werden, uns die Lösung aufzeigen. Ich mache Ihnen also folgenden Vorschlag, meine Damen und Herren. Anstatt uns in einer theologischen Debatte über den Nutzen oder Unsinn einer Rahmenrichtlinie zu verlieren, zu der es – wie die Diskussion gezeigt hat – keinen Konsens gibt, sollten wir uns lieber auf die Substanz konzentrieren, was dem Wunsch der Mehrheit des Parlaments zu entsprechen scheint. Worin besteht Einigkeit? In der Frage der Subsidiarität, die wir alle für wünschenswert halten. Ich glaube, hier muss man die nationale und die lokale Ebene respektieren. In allen Fragen, bei denen ein offensichtlicher Widerspruch festzustellen ist, muss die Vereinbarkeit zwischen dem Binnenmarkt und dem öffentlichen Interesse gesichert werden.

Im Übrigen – und das ist meiner Meinung nach vielleicht der wichtigste Punkt -, besteht noch die Frage, welches die wesentlichen Merkmale der öffentlichen Dienstleistungen sind. Wir wollen alle, dass sie eine hohe Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen und dass sie für jedermann zugänglich sind. Man kann also den Grundsatz der Modernisierung der öffentlichen Dienstleistungen akzeptieren, ohne jedoch diese wesentlichen Faktoren zu vergessen. Schließlich sei noch die Notwendigkeit einer höheren Rechtssicherheit genannt.

Nachdem ich mit verschiedenen Gruppen zusammengetroffen bin und die Redebeiträge von Herrn Rapkay und Frau Thyssen sowie vielen anderen gehört habe, glaube ich sagen zu können, wenn wir uns in diesen vier Punkten einig sind, dann besteht ein grundlegender Konsens in dieser Frage und die Möglichkeit eines Kompromisses zeichnet sich ab. Aus meiner Sicht ist es möglich, bei gleichzeitiger Wahrung unserer Prinzipien, die unser europäisches Modell ausmachen, nämlich die des Binnenmarktes, der Achtung der Wettbewerbsregeln und der Verteidigung des Allgemeinwohls, in dieser Angelegenheit voranzukommen. Die Mitteilung, die wir vorlegen wollen, wird in diese Richtung gehen, und ich glaube, dass die heutige Debatte und meine Präsenz in diesem Haus uns dabei helfen werden, unsere Gedanken weiter zu präzisieren. Wir werden etwas vorschlagen, das den Beweis liefert, dass wir in unseren Überlegungen und, wie ich hoffe, auch in unseren Entscheidungen auf einem so wichtigen Gebiet, das ein zentrales Anliegen Europas und unserer Mitbürger ist, vorangekommen sind.

(Beifall)

 
  
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  Robert Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident, ich glaube, wir sind alle mehr oder weniger einverstanden mit den Worten von Kommissionspräsident Barroso. Er kündigt uns eine Mitteilung an. Wir erwarten diese voller Ungeduld. Kann der Kommissionspräsident uns aber sagen, ob er seine Dienststellen auffordern wird, auch Legislativtexte vorzuschlagen, damit das Parlament endlich als Mitgesetzgeber darüber beraten kann?

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (FR) Herr Präsident! Was ich im derzeitigen Stadium, nachdem ich die Meinungen aller Seiten gehört habe, sagen kann, ist Folgendes.

Wir werden, wie ich angekündigt habe, bis Ende des Jahres eine Mitteilung vorlegen, die weiter als die vorangegangenen Überlegungen gehen wird.

Was die Legislativtexte betrifft, so hat die Debatte meiner Meinung nach deutlich gemacht, dass wir von einem Konsens über eine Rahmenrichtlinie noch weit entfernt sind. Allerdings wird es für verschiedene Sektoren natürlich Gesetzesinitiativen geben. Ich meine auch, dass wir darüber nachdenken müssen, und ich werde auch zusammen mit meinen Dienststellen darüber nachdenken – die Kommission ist ja nicht einfach nur eine Ansammlung von Dienststellen, das Kollegium und der Präsident haben auch Ideen –, was man auf allgemeinerer Ebene tun kann. Ich kann derzeit unserem Vorschlag nicht vorgreifen, aber – und da antizipiere ich, ohne die Kommission zu binden, denn dies ist eine Frage, die ich selbst dem Kollegium vorlegen muss – ich habe nach der Debatte den Eindruck dass es möglich sein könnte, einen Ansatz zu wählen, der auf den hier genannten Grundsätze basiert und gleichzeitig die von Ihnen vielfach angesprochenen Notwendigkeit berücksichtigt, jetzt eine Spaltung dieses Hauses und Europas in der Frage zu vermeiden, ob Rechtsvorschriften sinnvoll sind oder nicht, vor allem wenn es um das Subsidiaritätsprinzip geht.

Das halte ich für möglich, und ich möchte mit einer politischen Bemerkung schließen. Ich wende mich an Sie als überzeugte Europäer. Wenn wir in dieser Frage vorankommen wollen, müssen wir unbedingt eine Polarisierung vermeiden, wie wir sie zur Dienstleistungsrichtlinie erlebt haben. Ich meine, wir brauchen einen ähnlichen Ansatz in dieser Frage, wie ihn das Parlament und den Institutionen in Form eines positiven politischen Ausgleichs zu jener Richtlinie zu finden vermocht haben. Wenn wir in eine Spaltung zwischen zwei extremen Positionen geraten – Ja oder Nein zu globalen Rechtsvorschriften in dieser Frage –, dann werden wir meiner Meinung nach auf eine Konfrontation zusteuern, die nicht im Gesamtinteresse Europas wäre, wie wir es verstehen.

Konzentrieren wir uns daher auf die Substanz. Im Übrigen enthält der Bericht Rapkay genügend Stoff, zu dem Einmütigkeit besteht. Dann werden wir eine Lösung bezüglich des Entscheidungsinstrumentariums finden.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 
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