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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 11. Oktober 2006 - Brüssel Ausgabe im ABl.

14. Vorbereitung des informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs (Lahti, 20. Oktober 2006) (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. Wir kommen nun zum nächsten Tagesordnungspunkt, den Erklärungen des Rates und der Kommission zur Vorbereitung des informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Lahti und, gemäß dem Beschluss des Hauses, den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland nach der Ermordung von Anna Politkowskaja.

 
  
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  Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. - (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen herzlich für die Gelegenheit bedanken, an dieser Sitzung teilnehmen und mit Ihnen das informelle Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs von Lahti erörtern zu können, das am 20. Oktober stattfinden wird.

Wir haben uns zur Durchführung des Gipfeltreffens in Lahti entschlossen, weil wir den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten Gelegenheit zu einer offenen und informellen Debatte zu zwei Themen geben möchten, die für die Zukunft der Union und für den wirtschaftlichen Erfolg von großer Wichtigkeit sind: Innovationen und die Außenbeziehungen im Energiebereich.

Wir brauchen eine konsequente und einheitliche Politik, um ein günstiges Innovationsumfeld zu schaffen und energiepolitische Fragen zu lösen. Auf diese Weise wird es uns gelingen, die Bedingungen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in der Union zu verbessern. Wenn die Union spürbar etwas unternimmt, um Wohlfahrt und Wohlstand zu fördern, dann können wir auch erwarten, dass die Union in den Augen der Menschen mehr Anerkennung erfährt. Eine einheitliche gemeinsame Energiepolitik verstärkt zudem auch die Glaubwürdigkeit der Union als internationaler Akteur.

Um die Gespräche beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zu lenken, wird die Kommission zwei Mitteilungen einbringen, nämlich eine zu den Außenbeziehungen im Energiebereich und eine andere zur Innovationspolitik. Die Mitteilungen sollen morgen, also am 12. Oktober, veröffentlicht werden. Es ist nicht vorgesehen, diese bei der Tagung anzunehmen, sie sollen vielmehr jene Fragen aufzeigen, die wir in Lahti ansprechen möchten.

Vor dem informellen Gipfel von Lahti wird es am Freitagmorgen noch einen informellen Dreier-Sozialgipfel geben. Die Frage, wie ein europäischer Arbeitsmarkt mit 200 Millionen Beschäftigten funktioniert und auf Veränderungen reagiert, ist enorm wichtig für die Zukunft Europas. Aus diesem Grunde nehmen die Sozialpartner bei der Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit eine entscheidende Rolle ein.

Russlands Präsident, Wladimir Putin, ist zum Abendessen nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs eingeladen. Die Gespräche mit dem Präsidenten zielen auf eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland einschließlich der Zusammenarbeit im Energiebereich ab.

Die immensen Herausforderungen, vor denen die Union im Energiebereich steht – die Sicherung der Energieversorgung, der Klimawandel, die anhaltenden Preissteigerungen und die jüngsten Krisen –, haben die Entwicklung einer gemeinsamen Energiepolitik der EU in Gang gebracht.

Was die Gewährleistung der Energieversorgung angeht, so stellt die ständig zunehmende Abhängigkeit von Energieimporten für die EU ein besonderes Problem dar. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, dann wird diese Abhängigkeit, so Schätzungen, innerhalb der nächsten 20 Jahre von derzeit 50 % auf 70 % anwachsen.

Vor Beginn der finnischen Ratspräsidentschaft war die Entwicklung einer gemeinsamen Energiepolitik auf zwei Tagungen des Europäischen Rates zu Beginn dieses Jahres Gegenstand der Erörterung. Im Verlaufe des finnischen Vorsitzes werden wir uns insbesondere auf die Außenbeziehungen im Energiebereich konzentrieren. Diese Gespräche werden den Boden für eine umfassende Energiedebatte bereiten, die im Frühjahr des kommenden Jahres stattfinden und zur Annahme eines Aktionsplanes zur Energiepolitik führen soll.

Auch wenn sich die Gespräche in Lahti auf die Außenbeziehungen im Energiebereich konzentrieren werden, können unsere Ziele in diesem Bereich selbstverständlich nicht als isolierte Fragestellung betrachtet werden. Zwischen allen im Grünbuch Energiepolitik aufgeführten Schwerpunktthemen fällt ein enger Zusammenhang auf. Weitere Themen sind der Binnenmarkt für Energie, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, die Diversifikation der Energiequellen, die Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien sowie Innovationen im Energiebereich.

In punkto energiepolitische Außenbeziehungen müssen die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Auffassung und einem gemeinsamen Standpunkt darüber gelangen, was für eine Strategie ergriffen werden soll, um in den Beziehungen zu Drittstaaten Fortschritte zu erreichen, und wie die gemeinsamen außenpolitischen Ziele der EU aussehen sollen. Das heißt, die Mitgliedstaaten müssen sich auf einen gemeinsamen Weg verständigen, der auch die bilateralen Beziehungen mit einschließt, und sie sollten insofern mit einer Stimme sprechen. Durch die Festlegung gemeinsamer Ziele wird die Union zudem besser darauf vorbereitet sein, auf Veränderungen auf den weltweiten Energiemärkten zu reagieren.

Bei den Energiegesprächen in Lahti werden wir uns darüber austauschen, wie die Außenbeziehungen im Energiebereich in nächster Zukunft weiterentwickelt werden können. Die Gespräche sollen sich hauptsächlich auf drei Themen konzentrieren: Das sind, erstens, die grundlegenden Prinzipien, auf denen die energiepolitischen Beziehungen zwischen der EU und Russland basieren, und wie diese Prinzipien umgesetzt werden sollen. Das zweite sind engere Beziehungen zu strategisch wichtigen Drittstaaten. Drittens geht es um die effizientere Datenerhebung als Grundlage für Beschlussfassungen im Bereich der gemeinsamen Energiepolitik.

Mit einem Anteil von 25 % an den Importen sowohl bei Öl als auch bei Gas ist Russland aus strategischer Sicht der wichtigste Energiepartner der Union. Bei allen strategischen Partnerschaften einschließlich der mit Russland ist es wichtig, etwas zu finden, was im Interesse beider Parteien liegt, um die Partnerschaft weiter zu entwickeln. Das gemeinsame Interesse an energiepolitischen Beziehungen zwischen der EU und Russland liegt auf der Hand. Die EU ist von den Energieimporten aus Russland abhängig, und Russland braucht neben langfristigen Verträgen für Energieexporte zu Marktpreisen auch westliche Investitionen in die Grundlagenproduktion im Bereich der Energieerzeugung. Die Öffnung der Märkte auf beiden Seiten ist dabei ein Schlüsselfaktor.

Die Beratungen der europäischen Staats- und Regierungschefs bereiten auch den Boden für die später am Abend stattfindenden Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, bei denen Fragen der Energiepolitik ein zentrales Thema sein werden.

Wir wollen Russland darüber informieren, dass die EU ein verbindliches Rahmenabkommen über Energie anstrebt, das die Interessen beider Seiten, den Grundsatz der Gegenseitigkeit und Handlungsfreiheit bei den Betriebsabläufen berücksichtigt. In den Gesprächen wird es zweifellos auch um die Herausforderungen gehen, vor denen die EU und Russland gleichermaßen stehen, wie beispielsweise die Energieeffizienz, bei der beide Seiten gewinnen können.

Die Ausweitung der auf dem Binnenmarkt geltenden energiepolitischen Prinzipien auf die Nachbarregionen der EU und die strategische Entwicklung der Beziehungen zu wichtigen Drittstaaten sind Ziele, die wir anstreben müssen, wenn wir die Energieversorgung sicherstellen wollen. 80 % der Ölvorkommen der Welt lagern in Regionen rund um die Union. Wir verfügen über eine Vielzahl von Instrumenten, die geeignet sind, die Beziehungen zu Drittstaaten zu verbessern, darunter die Aktionsprogramme im Rahmen der Nachbarschaftspolitik, das Abkommen über die Zusammenarbeit im Energiebereich, bilaterale Vereinbarungen und regionale …

(Der Präsident unterbricht die Rednerin aufgrund technischer Probleme.)

Die Energiepolitik muss eines der Schlüsselelemente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union sein. Die Europäische Union benötigt ausreichende Informationen, um eine besser abgestimmte Energiepolitik verfolgen zu können. Darüber hinaus muss sie in der Lage sein, auf externe Problemsituationen und -krisen auf dem Energiesektor reagieren zu können. Die Union sollte Verfahren entwickeln, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Institutionen zu fördern und die Solidarität im Energiebereich zu stärken.

Das zweite Hauptthema des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs wird die Entwicklung einer Innovationspolitik sein. Es muss doch möglich sein, die Art und Weise zu verbessern, in der europäische Forschungsarbeit in Form von kommerziell verwertbaren Waren und Dienstleistungen nutzbar gemacht wird. Außerdem muss es der Union gelingen, neue Technologien so effizient umzusetzen, wie dies bei unseren Wettbewerbern der Fall ist. Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann wird die Innovationslücke zwischen uns und unseren Haupthandelspartnern immer größer werden.

Insbesondere die aufstrebenden Volkswirtschaften stehen in immer größerer Konkurrenz zu Europa, nicht nur im Bereich der Industrie, sondern auch auf dem Dienstleistungssektor. In China und Indien werden weit mehr hoch qualifizierte Arbeitskräfte ausgebildet als in der EU. Die Märkte in den wachsenden Volkswirtschaften bergen aber auch ein immenses Potenzial für Exporte aus der Union. Erfolg kann gerade aus der Fähigkeit erwachsen, Neues zu schaffen – also aus Innovationen.

Auf einem freien Markt setzen sich die besten Gebrauchsgüter durch. An der Spitze zu stehen, ohne ständig in Forschung und Produktentwicklung zu investieren, ist unmöglich. Die Mitgliedstaaten der Union haben sich bereits durch frühere Beschlüsse verpflichtet, künftig mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Allerdings muss auch unbedingt gewährleistet sein, dass Europa seine Investitionen optimal einsetzen kann, so dass die Forschung zu neuen, besseren und kommerziell verwertbaren Waren und Dienstleistungen führt.

Auf dem Gipfel von Lahti sollen Themen und Herausforderungen angesprochen werden, die nach einem gemeinsamen Handeln der Union verlangen. Das Ziel besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem Innovationen gedeihen und effektiv umgesetzt werden können. In seiner Stellungnahme zur Lissabon-Strategie hat das Europäische Parlament ebenfalls die Bedeutung einer gemeinsamen Innovationspolitik hervorgehoben.

Für die Förderung effektiver Innovationen bedarf es aber auch einer EU-weiten Strategie für immaterielle Rechte. Immaterielle Rechte sind entscheidend für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.

Eine grundlegende Frage ist z.B. die nach der Qualität von Patenten, was ein Grundprinzip für ein funktionierendes und zuverlässiges Patentsystem ist. Der Vorsitz ist der Überzeugung, dass Europa ein kosteneffektives Patentsystem braucht, aber eines, das den Begriff der Qualität hoch hält, unabhängig davon, für welche Option wir uns als Grundlage für die Entwicklung dieses Systems entscheiden.

Wenn es uns gelingt, das Patentsystem weiter zu entwickeln, dann können wir den Unternehmen beträchtliche Einsparungen bei den Kosten für Patente garantieren, was wiederum Innovationen und Forschung in Europa nur anregen kann.

Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Wirtschaft ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Innovationspolitik. Daher beabsichtigen wir, ein neues netzwerkbasiertes Europäisches Technologieinstitut zu errichten, und die Kommission wird dazu in der kommenden Woche einen Vorschlag einbringen.

Das Partnerschaftsprojekt zwischen der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Ausbildung wird sich durch seine Exzellenz auszeichnen. An oberster Stelle wird dabei die Förderung von Innovationen stehen. Der Vorsitz ist überzeugt, dass das Europäische Technologieinstitut die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass Europa das vorhandene Potenzial in den Unternehmen und der Wissenschaftsgemeinschaft besser nutzen kann.

Dazu kommt, dass die Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor gefördert werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In Europa wurden so genannte Technologieplattformen – unternehmensbasierte strategische Forschungsinitiativen – geschaffen, die hervorragende Beispiele für die Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor abgeben. Es ist den Unternehmen hoch anzurechnen, dass sie ihre Bereitschaft angedeutet haben, in ihre ausgewählten Plattformen zu investieren. Ein ähnliches Bekenntnis wird jetzt von den öffentlichen Stellen erwartet, die für die Vergabe von Forschungsmitteln zuständig sind.

Beim Thema Innovationen ist es sehr wichtig, die Festlegung europäischer Standards zu beschleunigen. Ohne einen gemeinsamen europäischen Standard können viele Innovationen nicht umgesetzt werden. Wo stünde beispielsweise der europäische Markt der Mobiltelefonie ohne den GSM-Standard?

Die Schaffung gesamteuropäischer technischer Normen für Mobiltelefone hat es praktisch möglich gemacht, dass der Weltmarktführer auf diesem Sektor aus Europa kommt. Wären andererseits allein nationale Standards als Grundlage für die Entwicklung von Mobiltelefonen festgelegt worden, dann hätte es einen derartig gewaltigen, flächendeckenden Erfolg nicht gegeben.

Die schnelle Einigung auf offene, kompatible Standards ist einer der Schlüssel zum Erfolg in der Wirtschaft. Das wird auch klare Vorteile für den Verbraucher mit sich bringen. Gleichzeitig wird es auch unsere Stellung im Wettbewerb stärken und eine Antwort auf die schnelle technologische Entwicklung bieten, sodass neue technische Lösungen aus Europa auch wirklich konkurrenzfähig gegenüber Neuerungen aus anderen Teilen der Welt sind.

Ich möchte nun zu einem anderen Thema kommen. Die illegale Einwanderung ist ein Problem, das die gesamte Europäische Union betrifft. Deshalb müssen wir auch gemeinsam Lösungen finden. Solidarität wird am deutlichsten dadurch sichtbar, dass konkrete Maßnahmen wirksam umgesetzt werden. Beim Gipfeltreffen von Lahti werden wir uns mit der illegalen Einwanderung befassen, die insbesondere im Mittelmeerraum und in den südlichen Teilen der Union zu einem Problem geworden ist.

Wir halten es für wichtig, dass die Union eine umfassende und wirksame Politik zur Steuerung der Einwanderung entwickelt, die sowohl Fragen der illegalen als auch der legalen Einwanderung, einschließlich der Integration, umfasst. Wir müssen die vorhandenen Instrumente effektiv einsetzen und über neue Möglichkeiten nachdenken, wie wir den Herkunfts- und den Transitländern bei ihren Bemühungen, illegale Einwanderung zu verhindern, helfen können.

Das Thema Einwanderung hat bei allen Tagungen der Innen- und Justizminister auf der Tagesordnung gestanden. Die Angelegenheit soll auch kommende Woche beim informellen Abendessen der Minister für Entwicklungszusammenarbeit angesprochen werden. Zudem soll die Arbeit der Innen- und Justizminister als Grundlage für die Beschlüsse des Europäischen Rates im Dezember dienen, womit der Europäischen Union geholfen werden könnte, auf das Problem der illegalen Einwanderung wirksam zu reagieren.

Bei einem Arbeitsessen in Lahti wird auch die ernste Situation im Sudan und in Darfur behandelt werden.

Wie ich zu Beginn meiner Ausführungen gesagt habe, werden die Teilnehmer am informellen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU im Anschluss an den Gipfel mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, in Lahti zu Abend speisen. Dies ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, informelle Gespräche über die Entwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland zu führen. Unsere Partnerschaft umfasst die verschiedensten Gebiete und enthält Elemente, die als Grundlage für den weiteren Ausbau unserer Partnerschaft dienen könnten.

Ein Beispiel dafür sind internationale Angelegenheiten. Auf der Agenda der internationalen Politik stehen in diesem Herbst Fragen, bei denen eine Zusammenarbeit zwischen uns von großer Wichtigkeit ist, wie im Nahen Osten, im Iran und im Kosovo.

Das Thema Energie ist ein wichtiger Bestandteil der strategischen Partnerschaft, und wir sind auf die Einschätzungen Präsident Putins gespannt, was die Entwicklungen auf dem Energiesektor seines Landes und die Energiepartnerschaft zwischen der Union und Russland betrifft.

Herr Präsident! Wir alle waren entsetzt, als uns die Nachricht vom Tod der weithin bekannten Journalistin und Verteidigerin der Meinungsfreiheit, Anna Politkowskaja, ereilte. Wir verlangen eine gründliche Untersuchung dieses schrecklichen Verbrechens und fordern, dass die Täter vor Gericht gestellt werden, was von besonderer Bedeutung für den Weg Russlands hin zu einem Rechtsstaat wäre. Der Tod von Frau Politkowskaja ist nicht nur ein entsetzlicher Vorfall und ein Verlust für ihre Angehörigen, sondern auch ein Rückschlag für die Redefreiheit in Russland. Im Übrigen erleben die offenen und soliden Gespräche zwischen der Europäischen Union und Russland vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse eine echte Bewährungsprobe. Wie ich bereits gesagt habe: Die strategische Partnerschaft ist ein Rahmen, innerhalb dessen sich alle wichtigen Angelegenheiten besprechen lassen.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die informelle Tagung des Europäischen Rates nächste Woche kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Ich möchte der finnischen Präsidentschaft, Ministerpräsident Vanhanen und seinem gesamten Team für ihren sehr wichtigen Beitrag danken.

Nachdem die Ministerin eine so umfassende Präsentation im Namen der Präsidentschaft abgegeben hat, werde ich mich auf Innovation, Energiepolitik und Einwanderung konzentrieren. Ich werde auch einige Bemerkungen zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland machen. In all diesen Fragen erfordern die vor uns liegenden Herausforderungen nicht nur eine nationale, sondern eine europäische Antwort; es sind Herausforderungen, die deutlich machen, warum eine starke Europäische Union mehr denn je erforderlich ist und warum unsere Union den Europäern das Rüstzeug für die Globalisierung geben muss.

Ich begrüße die Entscheidung der Präsidentschaft, die Innovation in den Mittelpunkt zu rücken. Finnland ist ein Musterbeispiel dafür, wie Innovation das Wirtschaftswachstum ankurbeln kann. Doch nicht nur das. Nur wenn wir der Phantasie der Menschen freien Lauf lassen, können wir die elementaren Probleme, die sich uns heute stellen, in Angriff nehmen, wie etwa den Klimawandel, die soziale Ausgrenzung, den demografischen Wandel und die Arbeitslosigkeit.

Auch wenn ich weiß, dass Sie die Zahlen kennen, kann es nicht schaden, sie zu wiederholen. Die Forschungsausgaben der Europäischen Union belaufen sich auf 1,9 % des BIP, während die USA derzeit 3 % ihres BIP darauf verwenden. Es ist bezeichnend, dass die meisten der letzten Nobelpreisträger aus den USA stammen oder dort arbeiten. In Europa ist etwa die Hälfte aller Forscher in der Wirtschaft beschäftigt. In den USA liegt der Anteil bei über 80 %. Es ist eine Tatsache, dass Europa im Bereich Innovation und Forschung zurückfällt. Der Status quo ist keine Lösung: Wir müssen auf diesem Gebiet mehr tun. Wir brauchen dringend ein strategisches Konzept, das sich auf jedes Glied der Innovationskette konzentriert, von der Entstehung neuer Ideen und neuen Wissens bis hin zu ihrer Nutzung und Vermarktung in der Wirtschaft.

Die Mitteilung, die die Kommission auf dem informellen Gipfel in Lahti vorlegen wird, enthält ein solches Konzept. Dort werden die Schwachstellen in der Kette konkret benannt und Lösungen vorgeschlagen. Wir brauchen Finanzmittel, wir brauchen eine vernünftige Regelung für geistige Eigentumsrechte, damit es vernünftige Belohnungen gibt, und wir müssen Innovationshindernisse Sektor für Sektor beseitigen. Beginnen müssen wir aber vor allem mit einer klaren politischen Botschaft des Engagements: Innovation muss gefördert werden, und dafür brauchen wir ein europäisches Konzept.

Hierbei spielt die Größe eine Rolle. Einer der großen Unterschiede zwischen uns und den USA besteht darin, dass wir keine gesamteuropäischen Einrichtungen für Innovation und Forschung haben. Die USA engagieren sich für ein wirklich landesweites Konzept. Es gibt wichtige Einrichtungen, die Innovationen in den gesamten USA fördern, nicht nur in einem oder zwei Bundesstaaten. Bislang hatten wir in Europa nichts dergleichen. Jetzt haben wir den Europäischen Forschungsrat und schlagen die Schaffung eines Europäischen Technologie-Instituts vor. Wir schlagen ein Netzwerk vor, um diesen Einrichtungen eine echte europäische Dimension zu verleihen und ihnen einen echten europäischen Auftrag zu geben. Deshalb liegt uns dieses Konzept so am Herzen. Deshalb ist das Europäische Technologie-Institut so wichtig. Es wird den privaten und öffentlichen Sektor im Bereich der Spitzenforschung stärker zusammenführen, sich zu einem internationalen Exzellenzzentrum entwickeln, die fähigsten Köpfe zusammenbringen, für einen Zustrom erstklassiger Doktoranden sorgen und innovative kleine und mittlere Unternehmen zur Gründung von Tochtergesellschaften ermutigen. Kurzum, es kann zum Symbol der Kooperations- und Innovationsfähigkeit Europas werden. Wir haben die näheren Einzelheiten zum ETI in den letzten Monaten erarbeitet und werden nächste Woche einen detaillierten Vorschlag vorlegen. Ich bin zuversichtlich, dass ihn die Staats- und Regierungschefs und die Parlamentarier hier im Europäischen Parlament in dem Geiste auffassen werden, wie er gedacht ist: Es handelt sich hier um etwas, das ein wenig anders ist, – das stimmt – aber um etwas, was ein Beispiel geben kann, wie Europa in eine neue Richtung vorstößt und neue Wege der Zusammenarbeit findet.

Einer der Bereiche, in denen wir als europäische Staats- und Regierungschefs dem Europäischen Technologie-Institut eine Aufgabe zuweisen können, lautet Energie und Klimawandel. Wenn wir ein Problem haben, bei dessen Lösung wir Unterstützung brauchen, sollten wir die besten Wissenschaftler, die besten Köpfe unseres Kontinents fragen. Das Thema Energie ist eine der größten Herausforderungen, die wir heute haben.

Lassen Sie mich also nun auf das Thema Energie eingehen und gleich eines ganz klar sagen: Wir müssen eine wirklich europäische Energiepolitik entwickeln, nicht 25 Energiepolitiken. Es ist absurd, im 21. Jahrhundert mit 25 oder 27 Energiepolitiken fortzufahren. Wir brauchen eine wirklich europäische Energiepolitik. Die Probleme, die uns beschäftigen – hohe Energiepreise, Klimawandel, zunehmende Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffeinfuhren – sind globale und europäische Probleme. Sie erfordern europäische Lösungen. Nationale Lösungen werden nicht reichen. Die Staats- und Regierungschefs der Union verständigten sich im letzten Jahr in Hampton Court darauf, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln. Im Grünbuch vom März 2006 hat die Kommission klare Ziele für eine europäische Energiepolitik, langfristige Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben sich hinter unser Konzept gestellt, und die Reaktion der beteiligten Akteure auf unser Grünbuch war ausgesprochen positiv. Der nächste Schritt ist eine Überprüfung der Energiestrategie, die die Kommission gleich zu Beginn des kommenden Jahres vorschlagen wird. Ich erwarte mit Spannung den Bericht des Europäischen Parlaments dazu.

Es liegt auf der Hand, dass wir Kohärenz zwischen den internen und externen Aspekten der Energiepolitik benötigen. Wir brauchen ganz klar einen funktionierenden Binnenmarkt im Energiebereich. Mit 25 oder 27 verschiedenen Mini-Energiemärkten sind die europäischen Energieprobleme nicht zu lösen. Allerdings müssen wir Innen- und Außenpolitik miteinander verbinden. In unserem für Lahti bestimmten Papier wird es um die drei außenpolitischen Herausforderungen gehen: Russland, worauf ich noch zu sprechen komme; den Ausbau unserer energiepolitischen Beziehungen mit unseren Nachbarn; und schließlich die Schaffung eines Netzwerkes, um auf externe Energiekrisen zu reagieren. Es ist enorm wichtig, die energiepolitische Zusammenarbeit mit strategisch wichtigen Liefer- und Transitländern auszubauen. Dies geschieht bereits durch Initiativen wie dem Energiegemeinschaftsvertrag und der Vereinbarung mit der Ukraine über die energiepolitische Zusammenarbeit. Wir müssen die Gründsätze des Energiebinnenmarktes schrittweise auf unsere Nachbarländer ausdehnen. Wir müssen auch die überall in Europa vorhandenen Fachkenntnisse bündeln, um so ein wirksameres Netzwerk zur Bewältigung externer Energiekrisen zu schaffen. Mittelfristig lassen sich Energiekrisen natürlich am besten durch Diversifizierung meistern: Diversifizierung der Energieformen, der Herkunftsländer und der Transitländer. Wir müssen das Thema Energie besser integrieren und bei unseren Beziehungen mit unseren weltweiten Partnern stärker in den Mittelpunkt rücken.

Die Energieeffizienz ist schließlich ein weiteres wesentliches Element dieser Strategie. Ich kann Ihnen heute sagen, dass nächste Woche Kommissar Piebalgs – das für Energiefragen zuständige Kommissionsmitglied – und ich einen ehrgeizigen Aktionsplan vorlegen werden, um unsere Verpflichtung zu erfüllen, bis 2020 den Primärenergieverbrauch um 20 % zu senken.

Da 25 % des in der Europäischen Union verbrauchten Erdöls und Erdgases aus Russland stammen, ist die energiepolitische Zusammenarbeit mit Russland natürlich von entscheidender Bedeutung. Die amtierende Ratspräsidentin hat soeben erläutert, warum sie so wichtig ist. Wir benötigen eine verstärkte Energiepartnerschaft mit Russland. Eine solche Partnerschaft muss sich auf Gegenseitigkeit, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Öffnung für den Wettbewerb stützen, wozu auch gleiche Ausgangsbedingungen für Investitionen im vor- und nachgelagerten Bereich zählen. Das ist der einzige Weg, um eine stabile und sichere Plattform für unsere energiepolitischen Beziehungen zu schaffen. Das Treffen mit Präsident Putin wird die Gelegenheit bieten, eine klare und hoffentlich einheitliche Botschaft der europäischen Staats- und Regierungschefs zu vermitteln.

Unseren Beziehungen zu Russland liegen drei langfristige Ziele zugrunde: Wir wünschen uns eine funktionierende Demokratie und Marktwirtschaft, in der Russland die internationalen Verpflichtungen, die es eingegangen ist, erfüllt; wir wünschen uns eine umfassende und strategische Beziehung zwischen der EU und Russland auf der Grundlage der Interdependenz – Russland braucht die Europäische Union und die Europäische Union braucht Russland – und wir wollen unsere Zusammenarbeit mit Russland in internationalen Fragen vorantreiben. Wenn wir über effektiven Multilateralismus sprechen, meinen wir genau das. Unser Ziel ist ein umfangreiches Abkommen, das dem derzeitigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen nachfolgen soll. Daraus können sich für beide Seiten Vorzüge ergeben, so etwa bei den Investitionen und der Marktöffnung wie auch im Bereich Energie und Energieeffizienz. Von einer echten Partnerschaft können wir beide ungemein profitieren.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch der Familie von Anna Politkowskaja, die letzte Woche so brutal ermordet wurde, mein tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken. Ihre unermüdliche Suche nach Wahrheit verdient meine Anerkennung. Sie war eine große Verfechterin der Meinungsfreiheit in Russland.

(Beifall)

Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen für dieses verabscheuungswürdige Verbrechen ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt werden.

Ein weiterer Punkt, mit dem wir uns befassen werden, ist die Einwanderung. Der massive Zustrom illegaler Einwanderer an den Grenzen der südlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist ein europäisches Problem, das eine europäische Lösung erfordert. Im November 2005 legte die Kommission eine Mitteilung vor, die eine Reihe praktischer Vorschläge enthielt, wie die Europäische Union auf diese Herausforderung reagieren sollte. Auf dieser Grundlage nahm der Europäische Rat einen Gesamtansatz zur Migrationsfrage an, in dem detailliert dargelegt wurde, wie im innen- und außenpolitischen Bereich zu reagieren ist. In diesem knappen Jahr sind schon eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen eingeleitet worden: gemeinsame Operationen im Mittelmeer und Atlantik, die von der Grenzschutzagentur Frontex koordiniert wurden; verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten; bessere Abstimmung der Verbindungsbüros für Einwanderungsfragen in Afrika; und schließlich ein sowohl bilateraler als auch multilateraler Dialog mit wichtigen afrikanischen Herkunfts- und Transitländern. Zum ersten Mal führen Mitgliedstaaten von Frontex koordinierte gemeinsame Operationen zum Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union durch. Doch seien wir ehrlich: dies reicht nicht aus; es muss noch viel mehr getan werden, um den illegalen Menschenströmen wirkungsvoll zu begegnen.

Um die Reaktionsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, ist es dringend geboten, dass alle Mitgliedstaaten der Union im Geiste der Solidarität zusammenarbeiten, nicht zuletzt deshalb, um jenen Mitgliedstaaten zu helfen, die sozusagen an vorderster Front stehen. Mit Blick auf die informelle Tagung des Europäischen Rates am 20. Oktober in Lahti habe ich persönlich den Staats- und Regierungschefs geschrieben und die Notwendigkeit einer solchen Solidarität unterstrichen. Natürlich wäre es ideal, wenn solche Gemeinschaftsinstrumente bereits bestehen würden, aber wir haben sie noch nicht. Natürlich wäre es ideal, eine europäische Migrationspolitik zu haben. Es ist absurd, 25 oder 27 Migrationspolitiken in einem Gebiet zu haben, in dem sich die Menschen frei bewegen können, denn die in einem Land getroffenen Entscheidungen haben direkte Auswirkungen auf die anderen Länder. Doch solange wir keine echte Gemeinschaftsmethode zur Lösung dieser Probleme haben, erwarten wir von den Mitgliedstaaten zumindest, dass sie vernünftig miteinander kooperieren.

(Beifall)

Wir glauben, dass dies auch ein praktisches Beispiel für europäische Solidarität ist.

Wir müssen außerdem intensiver mit den Herkunfts- und Transitländern zusammenarbeiten. Die Umsetzung des im vergangenen Juli in Rabat vereinbarten Aktionsplans stellt einen wichtigen Schwerpunkt dar. Die Kommission wird sich nach Kräften dafür einsetzen, dass eine vernünftige Umsetzung in enger Abstimmung mit den betreffenden Ländern gewährleistet ist. Auch hier sollten wir uns nichts vormachen. Sicherheitsfragen reichen nicht aus. Eine Lösung dieses Problems kann es nur geben, wenn wir eine nachhaltige Entwicklung in Afrika unterstützen. Ich glaube übrigens, dass wir mit den afrikanischen Ländern in einen Dialog auf hoher Ebene eintreten müssen. Ist es nicht seltsam, dass die Europäische Union mit Asien und Lateinamerika einen Dialog auf Ebene der Staats- und Regierungschefs unterhält, jedoch nicht mit Afrika? Ist es für Europa nicht an der Zeit, für die Aufnahme eines Dialogs auf hoher Ebene mit Afrika einzutreten? Ich glaube, wir haben das Recht und die Pflicht, dies zu tun. Das war die Botschaft, die ich kürzlich unseren Gesprächspartnern in der Kommission der Afrikanischen Union in Addis Abeba überbracht habe. Deshalb setzen wir uns auch aktiv dafür ein, dieses Thema im Wege der Zusammenarbeit mit unseren afrikanischen Partnern gemeinsam anzugehen.

Was Europa selbst anbelangt, so benötigen wir auch einen Entscheidungsprozess auf EU-Ebene. Wenn es dringende und ernste Probleme gibt, muss die Europäische Union in der Lage sein, angemessen zu reagieren. Damit meine ich die Anwendung der Übergangsklausel in Artikel 67 des Vertrages. Wir können uns nicht die Instrumente für ein wirksames Vorgehen selbst vorenthalten.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die informelle Tagung des Europäischen Rates in Lahti eine gute Gelegenheit sein wird, um über die derzeitigen Tätigkeiten der Europäischen Union in den von mir umrissenen Bereichen – und auch in einigen anderen – Bilanz zu ziehen. Wir erwarten von den Staats- und Regierungschefs, dass sie sich erneut für Lösungen für die realen und drängenden Probleme der Bürger der Europäischen Union engagieren und ein Europa der Resultate schaffen, damit wir stärker darauf vertrauen können, dass einige der äußerst wichtigen Probleme in unserer Union gelöst werden.

Gestatten Sie mir noch einen Schlussgedanken. Vor einer Woche war ich in Darfur. Trotz der fürchterlichen Bedingungen, unter denen die Menschen dort leben, habe ich etwas gesehen, was ich unbedingt meinen Freunden zu Hause in Brüssel erzählen wollte: In den NRO und anderen humanitären Organisationen gibt es so viele junge Europäer, die fernab der Heimat täglich ihr Leben aufs Spiel setzen, um Afrikanern zu helfen. Das ist die Art von Europa, auf die wir meines Erachtens stolz sein sollten; ein Europa, das bereit ist, Solidarität und Hilfe zu leisten, und dabei großen Mut beweist. Das ist die Art von Europa, die wir wohl alle wollen: ein offenes, nach außen orientiertes, großzügiges Europa. Das ist das Europa, nach dem wir streben sollten.

(Beifall)

 
  
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  Françoise Grossetête, im Namen der PPE-DE-Fraktion. - (FR) Herr Präsident, Frau Ratsvorsitzende, Herr Kommissionspräsident! Wir sind zutiefst erschüttert und empört über die Ermordung von Anna Politkowskaja, und wir stellen uns zahlreiche Fragen über der Gründe, die zu diesem Verbrechen geführt haben. Die russischen Behörden müssen unbedingt so schnell wie möglich Licht in dieses Drama bringen, und wir erwarten vom Rat eine entschiedene Botschaft zu diesem erneuten Schlag gegen einen Berufsstand, der jedes Jahr einen hohen Tribut für seine Arbeit zollt. Es sei mir erlaubt, in der Person von Anna Politkowskaja die Verdienste aller Journalisten zu würdigen, die weltweit ihr Leben riskieren, um die Pressefreiheit zu verteidigen, die uns so teuer ist.

Die informelle Ratstagung in Lahti am 20. Oktober wird einmal mehr die Gelegenheit bieten, Fragen aufzuwerfen, die immer wiederkehren, wie die der Wettbewerbsfähigkeit, der Innovation, der Immigration und der Energiepolitik. Ich fürchte, dass Wettbewerbsfähigkeit und Innovation das gleiche Schicksal erleiden wie die nachhaltige Entwicklung: Jedermann spricht darüber, jedermann pflichtet dem bei, aber wenn es sich darum handelt, etwas Konkretes zu tun, dann lösen sich die guten Prinzipien in Luft auf. Die Beispiele sind zahlreich. Ich könnte das Beispiel von Galileo zitieren, dessen Nutzen in den höchsten Tönen gelobt wurde, aber als die Haushaltsmittel dafür festgelegt werden sollten, hatte das plötzlich keine Priorität mehr.

Wir empfehlen, die Verkehrsinfrastrukturen und Bahnverbindungen im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit auszubauen, aber dann opfern wir sie auf dem Altar des Haushalts. Was kann man zu den angekündigten Ambitionen auf dem Gebiet der Forschung noch sagen, wenn man die tatsächliche Unterstützung sieht, die der Innovation entgegengebracht wird? Ich denke dabei nicht nur an die finanzielle Hilfe, sondern auch an die Anwendung der Rechtsvorschriften, die Investitionen in Europa fördern und unseren KMU den Exportweg in Länder außerhalb Europas öffnen sollen. Ich erwarte also viel vom Engagement des Rates zugunsten des Europäischen Technologieinstitutes, dem, wie ich weiß, unser Kommissionspräsident, Herr Barroso, sehr verbunden ist, wie übrigens auch unser Parlament. In der Tat erwarten wir vom Rat nicht mehr nur starkes Engagement, sondern Taten.

Wettbewerbsfähigkeit ist auch das Ergebnis der Rechtsvorschriften, die wir verabschieden, die Chancen und nicht Zwänge sein müssen. Ich erwarte von der Europäischen Kommission, dass sie bei der Vorlage ihres Legislativprogramms 2007 von diesen Prinzipien ausgeht, und dass der Rat diesem Trend folgt. Ich erwarte vom Parlament, dass es wagt, nein zu Vorschlägen zu sagen, die nichts weiter als große Ideen ohne konkrete Umsetzung sind. Politiken müssen auch wettbewerbsfähig und also effizient sein.

Wettbewerbsfähigkeit, das ist das Streben nach einem Handelsgleichgewicht im Weltmaßstab. Die Anti-Dumping-Maßnahmen gehen zwar in diese Richtung, aber wir brauchen noch striktere politische Beschlüsse, auf deren Grundlage vor allem gleichwertige Qualitätsnormen für alle in die der Europäische Union eingeführten Produkte gefordert werden.

Kurzum, bei der Energiefrage hoffe ich, dass die Diskussionen mit Präsident Putin Europa gestatten werden, alle notwendigen Strukturen zu schaffen, um seine Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu gewährleisten. Es ist notwendig, Europa auch mit erneuerbaren Energiequellen auszustatten, um die Unabhängigkeit seiner Energieversorgung ohne die Atomenergie zu sichern.

 
  
  

VORSITZ: DAGMAR ROTH-BEHRENDT
Vizepräsidentin

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke Ihnen, Frau Ratspräsidentin, und Ihnen, Herr Kommissionspräsident, für die doch sehr umfassende Darstellung dessen, was Sie auf dem informellen Gipfel alles diskutieren wollen. Es ist ein weiteres Mal so, dass wir vor Gipfeln voller Hoffnung sind. Wir hören wunderbare Ausführungen von Frau Lehtomäki und Herrn Barroso über Innovation, Immigration, Energiepolitik, Russlandpartnerschaft, Darfur. Die gesamte Bandbreite dessen, was uns beschäftigt, ist in insgesamt etwa 40 Minuten dargestellt worden, und für mich ist es jetzt schwierig, in der gebotenen Kürze auf all die Dinge antworten zu können.

Wenn wir nach dem Gipfel bei der Bilanz, die Sie dann präsentieren, in vierzig Minuten die gleiche Intensität an Leistungsnachweis und Beschlussdichte haben, wäre ich ganz froh. Ich habe nur die leise Befürchtung, dass es uns so gehen wird wie fast immer: Die Beschreibung unserer Probleme gelingt uns gut; mit der Lösung der Probleme tun wir uns allerdings ein bisschen schwerer. Sie haben Recht, Herr Kommissionspräsident, die Investition in Innovation ist unverzichtbar, nicht nur hier, sondern in allen Mitgliedstaaten, insbesondere bei Forschung und Entwicklung von Technologie zur Energieeffizienz.

Eine der entscheidenden Weichenstellungen in den kommenden Jahren ist die Frage, ob es uns gelingt, den exponentiell wachsenden Energiebedarf auf dieser Welt dadurch zu meistern, dass wir mehr Energieeffizienz erreichen. Zu mehr Energieeffizienz gehört übrigens auch der Abschied von der Verschwendungswirtschaft, das heißt technologische Entwicklungen, Investition in Forschung, die dazu beiträgt, dass das, was wir an Produkten entwickeln können, so ausgelegt ist, dass sie den Energieverbrauch nicht steigern, sondern reduzieren. Europa ist der Kontinent, der hier mit gutem Beispiel vorangehen muss. Deshalb haben Sie völlig Recht: Der Schwerpunkt in unserer Innovationspolitik muss auf der Innovation im Energiebereich liegen.

Zweiter Punkt: Sie haben Recht, Herr Kommissionspräsident, und auch Sie, Frau Ratspräsidentin: Wir müssen das Immigrationsproblem bewältigen! Aber – ich bin Ihnen dankbar, Herr Barroso, dass Sie es so konkret beschrieben haben, – die Art und Weise, wie es jetzt angepackt wird, bewältigt das Immigrationsproblem nicht. Ich will hier nicht wiederholen, was andere richtigerweise gesagt haben: Nachhaltige Entwicklung in der so genannten Dritten Welt ist Ursachenbekämpfung bei der Immigrationspolitik. Aber die Außengrenze in Südeuropa, die Außengrenze in Osteuropa ist unsere gemeinsame Außengrenze. Im Schengen-Raum ist derjenige, der Zutritt zu unserem Territorium hat, freizügig. Man kann dann nicht hingehen und sagen, jeder macht das für sich alleine, oder wir machen es, wenn überhaupt, maximal im intergouvernementalen Rahmen, wollen aber keine Kompetenzverlagerung nach Brüssel! Das sage ich auch an die Adresse meiner eigenen Regierung, Sie waren ja heute da, Herr Barroso. Auch Deutschland muss begreifen, dass das so nicht geht! Auch wenn man ein deutscher Innenminister ist, muss man diese Konsequenz ziehen.

Eine weitere Bemerkung zur Russlandpolitik: Die Politik, die wir jetzt mit Russland definieren, wird ja die Grundlage eines zu erneuernden Kooperationsabkommens mit Russland sein. Wenn wir heute über den Fall Politkowskaja diskutieren, schwingen auch immer Emotionen mit; das ist geradezu mit Händen zu greifen. Herr Kollege Saryusz-Wolski zum Beispiel, der so aufmerksam meiner Rede zuhört, ist einer, der immer besonders emotional ist, wenn es um Russland geht. Deshalb sage ich auch an seine Adresse: Was mag uns alles nicht gefallen, was sich in Russland abspielt? Sicherlich wollen wir, dass in Russland – so, wie Sie das formuliert haben – eine funktionierende Demokratie und Marktwirtschaft herrscht. Aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: Unabhängig von der Frage, ob wir die russische Demokratie vertiefen oder weiterentwickeln, ist Russland auch so, wie es heute aufgestellt ist, ein unverzichtbarer strategischer Partner für die Europäische Union.

Deshalb sage ich: Ja, wir müssen über die Demokratie in diesem Land reden. Aber wir können nicht aus dem Oberlehrersessel heraus mit Russland umgehen. Wir müssen schon begreifen, dass dieses Land in seiner energiepolitischen Partnerschaft und vor allen Dingen seiner Partnerschaft im Rahmen der Konfliktlösung weltweit – ob im Iran, ob im Nahen Osten, egal wo, dort wird Russland zweifelsohne gebraucht – versuchen wird, gleichberechtigt, auf gleicher Augenhöhe mit uns zu kooperieren. Und diese gleiche Augenhöhe müssen wir Russland auch zubilligen, wie sie jedem anderen Partner zugebilligt wird. Deshalb halte ich den Dialog über Demokratie für unverzichtbar, aber er muss auf der Grundlage realistischer Einschätzungen geführt werden.

Herr Kommissionspräsident, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auf Darfur hingewiesen haben. Darfur zeigt einmal mehr, wie unverzichtbar es ist, dass die Europäische Union auf der Grundlage ihrer Identität, nämlich einer friedensstiftenden Identität, über religiöse, ethnische, nationale Grenzen hinweg Integration schafft und mit diesem Integrationskonzept Frieden schafft. Das ist ein Exportartikel, und wenn Sie ihn in die Welt bringen, dann ist das zu begrüßen.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Die Liberalen und Demokraten wünschen Ihnen für Lahti alles Gute. Im zweiten Halbjahr den Ratsvorsitz innezuhaben, ist nie eine leichte Aufgabe, und die informellen Gespräche mit 25 Regierungschefs an einem Tisch kann man sich auch nur schwer vorstellen. Ich wette, sie passen nicht einmal alle in eine Sauna!

Auf Ihrer Tagesordnung werden wichtige Themen stehen, die so unterschiedlich sind wie Energie, Innovation und Migration, obwohl es, wie Sie sagen, eigentlich darum gehen wird, den Präsidenten der Russischen Föderation zu unterhalten. Unserer Ansicht nach müssen die Mitgliedstaaten entschieden hinter der Union stehen, wenn es darum geht, die Angriffe auf die Freiheit und das Privateigentum in einem Land zu verurteilen, in dem gerade eine weitere Kerze unabhängigen Denkens ausgelöscht wurde. Herr Putin hat sich ganz klar Machiavellis Maxime zu eigen gemacht: „Die Fürsten, die sich aus Treu und Glauben wenig gemacht und die Gemüter der Menschen mit List zu betören verstanden haben“, haben „Großes geleistet und schließlich diejenigen, welche redlich handelten, überragt“. Zwar gesteht Präsident Putin ein, dass das Ansehen seines Landes durch den Mord an Anna Politkowskaja gelitten hat, erwähnt jedoch keineswegs, dass in seinem Land in den letzten Jahren weitere 40 Journalisten ermordet wurden.

(Beifall)

Die Liberalen und Demokraten ehren Anna Politkowskaja. Die aktuelle Lage der Freiheit und Demokratie in Russland kritisierte sie unter anderem in einem Buch mit dem Titel In Putins Russland mit folgenden Worten: „Ja, in Russland ist Stabilität eingekehrt, eine ungeheuerliche Stabilität, bei der niemand in den Gerichten, die mit ihrer Unterwürfigkeit und Parteilichkeit prunken, Gerechtigkeit sucht. Niemand, der bei Verstand ist, sucht Schutz bei den Institutionen, die mit der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung betraut sind, weil diese ganz und gar korrupt sind. Lynchjustiz ist an der Tagesordnung. Der Präsident selbst“, so Politkowskaja, „ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat JUKOS, eine unserer größten Erdölfirmen, zerstört, nachdem er ihren Chef, Michail Chodorkowski, ins Gefängnis bringen ließ. Nach Putins Auffassung hat Chodorkowski ihn persönlich beleidigt, also schlug er zurück.“

Frau Ratspräsidentin, Russland braucht die Europäische Union ebenso sehr wie die Europäische Union Russland. Es braucht unseren Markt für Erdöl und Erdgas. Wir sind sein größter Kunde. Also sollten unsere Staats- und Regierungschefs mit Herrn Putin über Erdöl und Erdgas sprechen, aber kein Blatt vor den Mund nehmen, was das System betrifft, das einer Diktatur immer ähnlicher wird. Sie sollten sich auch auf ein Leben ohne Abhängigkeit von Russland durch ein gemeinsames Nachdenken über Energie- und Umweltfragen vorbereiten. In einer Woche, in der Al Gore Werbung für seinen Film über die „unbequeme Wahrheit“ des Klimawandels gemacht hat, muss unsere Energiepolitik auf jeden Fall erkennen lassen, dass ein Richtungswechsel dringend erforderlich ist.

Lahti schließt an die Tagung in Hampton Court vor einem Jahr an, bei der unsere führenden Politiker die Pläne billigten, mit denen ein europäischer Energiemarkt geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, das Bildungsniveau angehoben und das Problem des wachsenden Migrationsdrucks angegangen werden sollen. In den letzten zwölf Monaten ist es noch dringlicher geworden, in all diesen Bereichen etwas zu unternehmen. Die Kommission hat zu Recht den Bedarf ermittelt, aber die Mitgliedstaaten verweigern weiterhin die Mittel. Die Kommission schlägt einen echten Binnenmarkt für Energie vor, indem die Netze entflochten werden, wie wir es bei der Telekommunikation gemacht haben, eine Beobachtungsstelle zur Überwachung der Bestände eingerichtet, ein nachhaltigerer Energiemix entwickelt und Energie eingespart wird. Wir begrüßen diese Vorschläge, aber wir brauchen den Rat, um sie voranzubringen. Herr Barroso möchte ein Europäisches Technologieinstitut. Na dann los, wenn Sie das Geld dafür zusammenbringen können! Die Migration wird einerseits anhand von Daten dargestellt, aus denen hervorgeht, dass wir die Migration von Arbeitskräften und qualifizierten Arbeitnehmern fördern müssen, und andererseits anhand von Überschriften in den Medien, mit denen in populistischer Weise Ängste geschürt werden, dass ungebetene Gastarbeiter Arbeitsplätze und Leistungen wegnehmen.

Wenn der Rat Erfolg haben will, muss er effektiv vorgehen, und dafür benötigt er die Bestimmungen der „Überbrückungsklausel“ in Artikel 43. Ich hoffe, dass der finnische Ratsvorsitz weiterhin daran festhält. Wir unterstützen den finnischen Ratsvorsitz und sein maßvolles und pragmatisches Vorgehen in Bezug auf die Angelegenheiten der EU. Wir befürchten jedoch, Frau Ratspräsidentin, dass Sie bereits von der bevorstehenden deutschen Ratspräsidentschaft in den Hintergrund gedrängt werden. Es werden Themen vertagt; Regierungschefs anderer Länder umwerben Frau Merkel. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland übernimmt die Führung. Wir sollten keine zu hohen Erwartungen in Deutschland setzen, aber auch nicht unsere Erwartungen an den finnischen Ratsvorsitz herunterschrauben. Letzterer muss unter Beweis stellen, dass, um es mit den Worten des Monty-Python-Lieds auszudrücken, „Finland has it all“!

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anna Politkowskaja war zweimal von unserer Fraktion ins Europäische Parlament eingeladen. Sie hat uns über die Situation in Tschetschenien sowie über die Situation der Meinungsfreiheit in Russland berichtet.

Ich finde, wir sollten endlich einmal Ross und Reiter nennen. Irgendjemand hat gesagt, die Verantwortlichen sollen verurteilt werden. Ihr werdet mit einem der Verantwortlichen zu Abend essen, nämlich mit Herrn Putin selber! Hören wir doch auf, uns immer in die Tasche zu lügen! In Russland herrscht heute ein System, wo die Meinungsfreiheit Tag für Tag beschnitten wird. Zeitungen werden weggekauft, Zeitungen werden verschwinden. Die Besitzer sind im Gefängnis. Das geschieht Tag für Tag.

(Beifall)

Ja, Martin, wir brauchen Russland. Aber wir müssen wissen, dieses Russland, das uns gegenübersteht, ist ein Russland, das keine Angst hat, Leute verschwinden zu lassen. Und die Geschichte kann ich Ihnen voraussagen, sie steht sogar schon in einem Buch, das demnächst herauskommen soll. Lies mal „Der Tag des Opritschnik“ von Wladimir Sorokin. Er hat vom Gesichtspunkt eines Sicherheitsbeamten aus beschrieben, wie die Dinge heute in Russland ablaufen. Und wir werden es lesen: Irgendein Kleinkrimineller, irgendein Drogenhändler wird erwischt werden. Der wird dann zu „lebenslänglich“ verurteilt, wird in einem Gefängnis hinter dem Ural verschwinden, und dann werden sie sagen: Seht her, wir haben einen gefasst. Aber wer ihn beauftragt hat, wer ihm das Geld gegeben hat — wie bei den vierzig anderen Journalisten und bei den Zeitungen —, das wird niemand erfragen, das wird niemanden interessieren. Denn — wie wir es gestern Abend im deutschen Fernsehen beim Treffen zwischen Frau Merkel und Herrn Putin gesehen haben — wir brauchen Wladimir Putin. Ja, warum brauchen wir Wladimir Putin? Weil wir — ja, das ist Deutschland, du hast deine große Koalition, ich kann von der rotgrünen Koalition reden, die einen unmöglichen Vertrag mit Russland geschlossen und keine Europäisierung der Energiepolitik betrieben hat — eine Verbindung mit Russland hergestellt haben! Bei all dem sollten wir einmal Ross und Reiter nennen. Dann würden wir vielleicht weiterkommen.

Natürlich wird mit Russland verhandelt werden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es wieder an der Zeit ist, die Haltung an den Tag zu legen, die wir brauchen. Natürlich können wir lachen, wenn Schalke 04 von Gasprom gekauft wird. Natürlich können wir lachen, wenn Chelsea von Abramowitsch gekauft wird. Natürlich können wir das alles witzig finden. Dass Herr Putin überall mit uns ist und jetzt auch jeden Samstag bei der Bundesliga dabei ist, das finden wir ganz toll! Nur der Preis, den wir bezahlen, der Preis, den die Menschen in Russland bezahlt haben, der Preis, den die Menschen in Tschetschenien bezahlt haben, ist, dass wir hier einem der gefährlichsten Systeme von Unterdrückung einfach beiwohnen, es belächeln und ansonsten wegschauen. Das finde ich einfach schäbig. Wir schauen weg. Wir sagen: Wir sind entsetzt! Dann kommen wir zum Alltag zurück und sagen: Putin, was hast du für ein Problem? Wie kannst du nur? Schön, du zahlst jetzt schneller! Alles klar! So ist unsere Haltung!

Zusammenfassend kann ich nur sagen: Die Energiefragen, die Frage der Einwanderung, alle diese Fragen werden wir nur lösen, wenn wir — da hat Graham Watson Recht —, irgendwann einmal ehrlich die Probleme, die Grenzen unserer Haltung benennen. Ich finde, man muss mit Putin verhandeln. Man muss aber nicht freundlich mit ihm zu Abend essen!

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. - (FI) Frau Präsidentin, Frau Ministerin Lehtomäki! Die finnische Regierung wollte gern einen EU-Gipfel in Finnland veranstalten, vermutlich mit der Absicht, die frohe Botschaft von der ausgezeichneten Wettbewerbsfähigkeit Finnlands unter den anderen zu verbreiten. Der Lauf der Zeit hat andere Themen auf die Tagesordnung gebracht, und zur Freude Finnlands wird der russische Präsident an dem Abendessen für die Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Dabei sollte dann die Frage der Untersuchung des Mordes an der Journalistin Anna Politkowskaja angesprochen werden, gewissermaßen als Test dafür, dass das Rechtsstaatsprinzip in Russland tatsächlich funktioniert.

(Beifall)

Im Namen des neuen Liberalismus wollen die rechtsgerichteten Kräfte innerhalb der EU die guten Bildungs- und Sozialversicherungssysteme aufbrechen und zerschlagen. Ich rufe die finnische Regierung auf, diesen neuen Liberalen in der EU zu erklären, dass die öffentlichen Dienste das Geheimnis von Finnlands ausgezeichneter Wettbewerbsfähigkeit sind. Erklären Sie ihnen bitte auch, dass die weit fortgeschrittene Liberalisierung der Strommärkte in den nordischen Ländern den Preis für Elektrizität nach oben getrieben hat und dass der Staat und nicht der Markt die Verantwortung für die Energiesicherheit übernehmen muss. Lamentieren Sie nicht länger über die Lissabon-Ziele. Die EU wird nicht bis zum Jahr 2010 die wettbewerbsfähigste wissensbasierte Wirtschaft der Welt sein. Eine Wirtschaft, die auf Träumen errichtet wird, erinnert uns an Herrn Chruschtschow, der vor 50 Jahren in der UNO versprochen hat, dass die Sowjetunion innerhalb von 10 Jahren den Lebensstandard der USA übertreffen werde.

Unsere Fraktion kann die Bestrebungen der finnischen Regierung, die untergegangene EU-Verfassung in Finnland ratifizieren zu wollen, nicht nachvollziehen. Meiner Regierung möchte ich gern dies sagen: Sie kämpfen da gegen irgendwelche fremden Mächte, genau wie damals, als Sie darauf bestanden, dass die EU mit einer qualifizierten Mehrheit über ein gemeinsames Strafrecht entscheiden solle. Auf diese Weise würden Sie das historische Gedächtnis von Nationen auslöschen. Einen schönen Gruß an den Herrn Premierminister, Frau Lehtomäki. Und: Kopf hoch für den Rest der Ratspräsidentschaft! Vielleicht könnten Sie auch zur Abwechslung einmal versuchen, eine eigene Meinung zu haben, anstatt immer nur eine Art Vorgruppe für den nachfolgenden Vorsitz zu sein, einen, der weit größer ist als Finnland. Herrn Barroso möchte ich sagen, dass es für die Umsetzung seiner ehrgeizigen Ideen in einigen Fällen an einer korrekten Rechtsgrundlage mangelt, obgleich es in der Welt zweifellos Platz genug für ehrgeizige Ideen gibt.

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Auch ich möchte mich meinen Kollegen anschließen und der Ratspräsidentin und Präsident Barroso für ihre heutigen Ansprachen danken. Ich werde zunächst auf die einfachen Fragen eingehen und mich dann mit den schwierigeren Fragen befassen, die auf dem Gipfel zu bewältigen sind.

Wir haben das Recht, Russland wissen zu lassen, dass wir von ihm in Bezug auf die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Rechenschaft sowie die Freiheit und Sicherheit des menschlichen Lebens gewisse Standards verlangen, wenn die Bevölkerung die Autorität infrage stellt und anzweifelt. Wie Herr Watson richtig sagte, wurden in den letzten zweieinhalb Jahren in Russland 40 Journalisten ermordet. Interessanterweise wurde im Zusammenhang mit diesen 40 Todesfällen nicht eine einzige Person verhaftet und auch niemand verurteilt. Wenn wir davon ausgehen, dass in Anbetracht des entsetzlichen Mordes an Anna Politkowskaja vor wenigen Tagen plötzlich etwas unternommen wird, stecken wir meines Erachtens wie die Strauße unsere Köpfe in den Sand. Nur wenn ein echtes Engagement vorhanden ist und ein echter Dialog mit Russland stattfindet, können wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der EU und Russland gewährleisten – und das trotz unserer Abhängigkeit von Russland in puncto Energie, trotz Russlands Abhängigkeit von unseren Märkten und trotz der Interaktion, die es in geopolitischer Hinsicht zwischen Osteuropa und Russland gibt.

Was wir meiner Meinung nach wirklich tun müssen ist, jetzt couragiert aufzutreten und eindeutige Normen und Leitlinien dessen festzulegen, was wir von unseren Partnern hinsichtlich ihrer Beziehungen erwarten. Hier geht es nicht nur um den Tod der Journalistin, so schrecklich er auch ist, nicht nur um Tschetschenien, sondern auch darum, wie Russland Georgien zuletzt behandelt hat und was es getan hat. Obwohl die russischen Behörden einerseits die tschetschenischen Widerstandskämpfer verurteilen, unterstützen sie andererseits „Widerstandskämpfer“ in Teilen Georgiens. Dadurch ist die georgische Wirtschaft unter enormen Druck geraten, und zwar nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht, denn mehrere hunderttausend Georgier wurden aus Russland in ihr Heimatland ausgewiesen; ihnen wurde der Zugang zu Bildung und Unternehmen versagt, die ihnen rechtmäßig gehören und die sie innerhalb Russlands kontrollieren. Und alles, um die Dinge angeblich zu klären.

Mein nächster Punkt betrifft das Europäische Institut für Technologie, Forschung und Entwicklung und die Voraussetzungen dafür. Ich bin ein großer Befürworter von Präsident Barrosos Plan, dass Europa die Führung übernehmen und den Sprung vom 20. ins 22. Jahrhundert schaffen muss, was die Dinge betrifft, die wir im Bereich Forschung und Entwicklung und Investitionen in Technologien in Angriff nehmen müssen.

Doch bevor dies geschehen kann, müssen wir zunächst dafür sorgen, dass die geistigen Eigentums- und Patentrechte geschützt werden, damit Innovationen möglich werden und Investitionen getätigt werden können. Es ist leicht, ein Gebäude zu errichten, in dem ein Technologieinstitut untergebracht werden soll. Viel schwieriger ist es allerdings, den gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen.

Abschließend, Frau Präsidentin, sei gesagt, – wenn ich mich ebenso ausführlich äußern darf wie die anderen Fraktionsvorsitzenden – dass, wenn wir von Energie, gemeinsamer Energiepolitik und Energiebedarf sprechen, eine der größten Chancen, die wir uns selbst versagen, die erneuerbare Energie ist, die wir schaffen und auf unserem eigenen Grund und Boden anbauen können. Wenn Landwirte aufgrund ungünstiger Vereinbarungen von Peter Mandelson bei den WTO-Verhandlungen leiden oder wenn die Landwirtschaft in Gefahr ist, müssen wir in erneuerbare Energien investieren.

 
  
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  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion.(DA) Frau Präsidentin! Die dänische Freundin von Anna Politkowskaja kann kein Visum für Russland erhalten, und ich habe Herrn Solana gebeten, diese Angelegenheit bei einer passenden Gelegenheit anzusprechen.

Ich wende mich jetzt an den finnischen Ratsvorsitz. Ich liebe Finnland. Ich sitze auf Stühlen und benutze Blumenvasen, die von Alvar Aalto gestaltet wurden, und ich habe ein Telefon von Nokia. Seit meiner Jugendzeit habe ich immer vor finnischen Politikern Achtung gehabt, und ich habe mit Ihrem Außenminister im EWR und mit Ihrem Ministerpräsidenten im Konvent gut zusammengearbeitet. Jetzt muss ich etwas bestürzt fragen: Was ist mit Finnland passiert? Wie um alles in der Welt können sich finnische Politiker einreden, dass sie eine Verfassung ratifizieren müssen, die in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde und daher gar nicht mehr existiert? Stimmt es, dass die Mitglieder der parlamentarischen Fraktion der Zentrumspartei gegen ihre eigene Überzeugung stimmen werden? Die große Mehrheit der finnischen Wähler ist gegen die Verfassung, doch Sie peitschen sie ohne ein Referendum durch. Schämen Sie sich! Statt Herrn Vanhanen nachzugeben und eine neue Politik der Finnlandisierung zu verfolgen, durch die Finnland zum siebzehnten Bundesland Deutschlands wird, sollten Sie einen Neuanfang mit einem neuen, direkt gewählten Konvent, Referenden in allen Ländern und einem Dokument machen, dem die Wähler gern ihre Zustimmung erteilen.

Finnland besitzt gegenwärtig 7,8 % der Stimmen, die für eine Sperrminorität im Ministerrat erforderlich sind, so dass die anderen Länder gezwungen sind, auf Finnland zu hören. Genau das ist der Grund, weshalb wir die wertvolle Kultur des Konsenses im Ministerrat haben. Durch die Verfassung würde die Abstimmung mit doppelter Mehrheit eingeführt, mit dem Ergebnis, dass wir auf der Grundlage der Einwohnerzahlen abstimmen. Damit würde der finnische Anteil an der Sperrminorität von 7,8 auf 3,3 % zurückgehen und es wäre nicht mehr erforderlich, auf Finnland und andere kleine EU-Länder zu hören. Der deutsche Stimmanteil würde analog dazu von 32 auf 51 % ansteigen. Demzufolge wären Deutschland und die Türkei in der Lage, das Tempo festzulegen, mit dem sich eine erweiterte EU entwickelt. Eine doppelte Mehrheit würde die Kultur des Konsenses in der EU zunichte machen, und durch die Abschaffung der Kommissionsmitglieder aus den einzelnen Mitgliedstaaten würde es schwierig, das ordnungsgemäße Funktionieren der EU im Alltag zu gewährleisten. Nokia würde ohne Zweifel damit zurechtkommen, aber den vielen kleinen und mittleren Unternehmen und örtlichen Behörden würde der Kontakt über das finnische Kabinett fehlen, wenn kein finnisches Kommissionsmitglied mehr mit am Tisch säße. Ferner würde das Rotationssystem natürlich nur so lange fortgeführt werden, bis – und daran besteht kein Zweifel – Frankreich durch Malta ersetzt wird. Behalten Sie ein Kommissionsmitglied für jeden Mitgliedstaat sowie die Kultur des Konsenses im Ministerrat bei, anstatt den abgelehnten Entwurf des Verfassungsvertrags anzunehmen.

 
  
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  Koenraad Dillen (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Wie bereits gesagt wurde, werden die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Lahti am 20. Oktober auch das Einwanderungsthema anschneiden. Die Frage ist allerdings, welche Schlussfolgerungen sie ziehen werden. Vor zwei Wochen ereignete sich vor den europäischen Küsten eine weitere Tragödie, an der unglückselige Asylsuchende beteiligt waren. Schuld daran sind wieder einmal skrupellose Menschenhändler, die bereit sind, Menschen auf der Suche nach ihrem Glück gegen hohe Geldbeträge nach Europa zu bringen. Wieder einmal forderte das Kentern eines Schiffes mit illegalen Einwanderern vor der Küste von Lampedusa Todesopfer; der Großteil der Schiffspassagiere und der Besatzung konnte mit knapper Not gerettet werden. Damit sich solche Tragödien – vor Lampedusa, vor den Kanarischen Inseln und wo immer entlang unserer Außengrenzen – nicht wiederholen, muss Europa klare Signale aussenden, denn es gilt, den Anfängen zu wehren. Gegen Menschenhändler muss energisch vorgegangen werden. Sie können nicht hart genug bestraft werden. Parallel dazu bedarf es einer strikten Asylpolitik, mit der der übrigen Welt gezeigt wird, dass es Europa mit dem Schutz seiner Grenzen ernst meint. Deshalb möchte ich bei dieser Gelegenheit den Schweizern, die in allen Kantonen die vernünftige Entscheidung zu strengeren gesetzlichen Voraussetzungen für Einwanderung und Asyl getroffen haben, gratulieren, denn dies stellt, so paradox es klingen mag, den besten Weg dar, um in diesem Bereich eine entschlossene, humane und gerechte Politik zu betreiben.

Lassen Sie mich daher der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Gipfel in Lahti über das schweizerische Beispiel nachdenken werden, denn Europa muss lernen, bei wichtigen gesellschaftlichen Fragen auf seine Bürger zu hören. Wir haben beispielsweise gesehen, mit welcher Arroganz die Eurokratie an einer Verfassung festhalten möchte, die – wie in Frankreich und den Niederlanden – von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde. Haben die Bürger die Möglichkeit der Mitsprache, so stehen ihre Ansichten oftmals in völligem Widerspruch zu den Entscheidungen, die von einer weltfremden Elite über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Dies gilt zweifellos auch für das drängende Einwanderungsproblem.

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Meiner Ansicht nach können wir Anna Politkowskajas Arbeit am besten ehren, wenn wir ihr Buch In Putins Russland lesen, wie Herr Watson bereits angedeutet hat.

Uns muss klar sein, dass die systematische Einschüchterung, Schikanierung und Ermordung unabhängiger Journalisten sowie die Tatsache, dass keine Untersuchung je Ergebnisse zeitigte, ein Klima der Straffreiheit geschaffen haben, in dem die Mörder das Gesetz nicht zu fürchten scheinen. Eine derartige Entwicklung wird das Ansehen Russlands als Vorsitzland des Europarates ernsthaft schädigen. Darüber hinaus zieht sie unsere gemeinsamen Werte in Zweifel. Daher möchte ich den EU-Ratsvorsitz bitten, dieses Thema bei dem bevorstehenden Gipfel in Lahti zur Sprache zu bringen.

Die PPE-DE-Fraktion fordert zudem die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, prinzipiell auf der Wiederherstellung von Pressefreiheit und der Anerkennung von unabhängigem Journalismus als einer der wesentlichen Voraussetzungen für die Erneuerung des Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit im nächsten Jahr zu bestehen. Nur wenn die EU ganz klar signalisiert, dass wir das Leben dieser couragierten Frau nicht weniger schätzen als Erdöl und Erdgas, wird sich in Russland allmählich etwas ändern.

(Beifall)

Der einzige Weg zur wirklichen Ehrung von Anna Politkowkajas engagiertem Einsatz für Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde besteht darin, gemeinsame Bemühungen zu unternehmen, um ihren Traum von einem demokratischen Russland zu verwirklichen, in dem die Bürger dafür, dass sie die Wahrheit sagen, nicht mit dem Leben bezahlen müssen.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Frau Präsidentin, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident! Es besteht kein Zweifel daran, dass wir in einer sehr schwierigen Lage sind, was unser Verhältnis zu Russland betrifft. Der jüngste Mord an Frau Politkowskaja ist ja nicht der einzige und auch kein sehr selten vorkommendes Ereignis. Es ist etwas, was uns beschämt macht, was aber natürlich Russland noch viel mehr beschämen sollte.

Lassen Sie mich auf drei Problembereiche eingehen, in denen wir in den Beziehungen zu Russland große Schwierigkeiten haben. Erstens, wie schon erwähnt, die Menschenrechtsfrage, die Meinungsfreiheit. Was wir besonders bedauern, ist, dass Russland nicht erkennt, dass diese Missachtung, die in Russland gegenüber der Meinungsfreiheit und den Menschenrechten besteht, Russland selbst am meisten schadet. Sie schadet zwar vielleicht auch uns, weil sie die Beziehungen zu Russland beeinträchtigt. Aber Russland selbst ist am meisten davon betroffen, weil es in seiner positiven, demokratischen Entwicklung behindert ist.

Zweitens, die Nachbarschaftspolitik. Wir werden zwar heute nicht über Südossetien und über Transnistrien diskutieren. Aber auch hier gilt: Die Nachbarschaftspolitik, die Russland betreibt, ist für uns als Europäische Union inakzeptabel.

Es geht nicht an, dass Russland entscheidet, was das Schicksal der Südossetier oder der Menschen in Transnistrien ist. Das müssen die Menschen dort selbst entscheiden, sie müssen es frei entscheiden und nicht unter Druck, unter militärischem Druck, vielleicht sogar von Russland. Daher müssen wir hier ein ganz offenes Wort mit Russland reden.

Der letzte Punkt ist die Energiefrage: Ich geben allen Recht, die sich für eine gemeinsame Energiepolitik aussprechen. Der Kommissionspräsident hat das in klaren und deutlichen Worten gesagt. Aber hätten viele von denen, die heute applaudieren, auch vor einem Jahr applaudiert, wenn wir gesagt hätten, wir brauchen eine gemeinsame Energiepolitik? Und werden sie gemeinsam applaudieren, wenn es darum geht, dass auch sie ihre eigenen Präferenzen entsprechend neu orientieren sollen? Denn wenn wir eine gemeinsame Energiepolitik fordern, dann ist noch nicht gesagt, welche. Und wenn wir daran gehen, die Energieeffizienz zu steigern, alternative Energieformen zu entwickeln und im Verkehrsbereich, im Wohnungsbaubereich entsprechende Maßnahmen zu setzen, dann werden viele aufstehen und sagen: Nein, das haben wir nicht gemeint.

Aber zurück zu Russland: Das Problem das wir heute haben, ist, dass die energiepolitischen Beziehungen zwischen der EU und Russland ungleichgewichtig sind, dass Russland — mit Putin an der Spitze — aus der Energiepolitik leider immer mehr eine politische Machtfrage macht und nicht einen wirtschaftlichen Faktor wie bei uns. Und wenn wir mit Russland ins Geschäft kommen wollen, dann eindeutig nur, indem wir als gleichberechtigte Partner miteinander verhandeln.

Russland muss eines bedenken: Die Energiereserven, insbesondere die Gasreserven, sie gehen zu Ende. Nicht heute, aber in acht, zehn, vielleicht auch erst in zwölf Jahren. Und was macht Russland dann? Es wäre also auch im eigenen Interesse Russlands wahrzunehmen, dass es unsere Technologie, unser Know-how, unsere Finanzierung braucht, und daher gleichberechtigte energiepolitische Beziehungen mit Europa aufzubauen. Wenn wir uns, gerade was die Energiefrage betrifft, Auge in Auge gegenüberstehen können, dann werden wir auch zu guten Lösungen kommen. Ansonsten wird nicht nur die Europäische Union darunter leiden, sondern auch Russland. Daher sollte Russland erkennen, wo seine wahren, langfristigen Interessen liegen. Es kann aus dem Dialog mit uns, mit der Europäischen Union viel lernen.

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin! Anna Politkowskaja weiß, warum sie sterben musste. Das Nachwort ihres letzten Buches trägt den Titel: „Habe ich Angst?“. Warum hat sie das geschrieben? Sie hat es geschrieben, weil sie dachte, dass Worte Leben retten können. Sie wusste, dass sie bedroht war, sie wurde ihrer Freiheit beraubt, sie war das Opfer eines Vergiftungsversuches, sie erhielt regelmäßig Morddrohungen. Sie wurde umgebracht, weil sie ganz einfach die Wahrheit sagte.

In ihrem Buch „Tschetschenien, die russische Schande“, schreibt sie: „Putin und sein Volk haben ihren Segen zu etwas gegeben, was kein Land gutheißen kann, nämlich zu Korruption, die auf dem Blut von Tausenden von Opfern begründet ist, einer von militärischer Anarchie zerfressenen Armee, einem chauvinistischen Geist innerhalb des Regierungsapparates, den man als Patriotismus ausgibt, einer zügellosen Rhetorik des starken Staates, einem offiziellen, populistischen antitschetschenischen Rassismus, dessen Metastasen auf andere Völker Russlands übergreifen. Heute produziert Putins Russland jeden Tag neue Anhänger von Pogromen, die Aggressionen gegen Kaukasier sind zur Routine geworden“. Wissen Sie, wann sie diesen Text geschrieben hat? Das war im Jahr 2003, und was erlebt man heute? Wir sind Zeugen von Massenverhaftungen, willkürlichen Verhaftungen, von Verfolgungen der Georgier und der Menschenrechts-NRO, die gerade Klage erhoben haben.

Was antwortet Herr Putin? Herr Putin erklärt, dass die getroffenen Maßnahmen gegen die Georgier angebracht seien und die Staatsbeamten in Übereinstimmung mit dem russischen Gesetz handeln. Frau Politkowskaja, hat immer wieder die Verletzung der Menschenrechte angeprangert. Ich hoffe, das die Fünfundzwanzig den Mut haben werden, Herrn Putin zu sagen, dass allein diese Frau den Mut gehabt hat, zu sprechen und dass sie nicht lediglich ein paar schöne Worte über die Untersuchung von sich geben werden...

(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort)

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (IND/DEM).(PL) Frau Präsidentin! Die finnische Ratspräsidentschaft hat erklärt, dass sie eine Energiepartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland errichten will. Ich möchte gerne wissen, wie sie dies bewerkstelligen will. Bisher ging es weniger um eine Partnerschaft, sondern um eine „Finnlandisierung“ der Beziehungen zwischen der EU und Russland.

Die Politik der EU gegenüber Russland besteht überwiegend aus Zugeständnissen und verfolgt zudem keine konsequente Haltung. Die Leidtragenden sind häufig die neuen baltischen Mitgliedstaaten und Polen. Ein Paradebeispiel hierfür ist das deutsch-russische Abkommen über den Bau einer nordeuropäischen Gasleitung auf dem Grund der Ostsee. Russland macht sich seine Monopolstellung auf dem europäischen Energiemarkt geschickt zunutze. Nach dem Grundsatz „teile und herrsche“ schließt Russland Abkommen mit stärkeren Staaten über die Köpfe schwächerer Staaten hinweg, und die EU nimmt dies stillschweigend hin. Bisher ist es uns nicht einmal gelungen, Russland zur Ratifizierung der Europäischen Energiecharta zu bewegen, die ein Grundsatzdokument der EU für den Energiemarkt darstellt.

Auf dem informellen Gipfel der Staats- und Regierungschefs, an dem der russische Präsident teilnehmen soll, muss dieser Zustand geändert werden. Mehr als in jedem anderen Zusammenhang muss die EU in dieser Angelegenheit mit einer Stimme sprechen und ihre Verhandlungsposition energisch vertreten.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE).(FI) Frau Präsidentin! Meine Geburtsstadt Lahti könnte als Gastgeberin des EU-Gipfels die Bühne für ein wichtiges Ereignis sein. Der Stoff passt auch ganz ausgezeichnet zu Lahti, einer Region, die sich seit langem als Exzellenzzentrum in der Umwelttechnologie profiliert hat. Denn schließlich macht es keinen Sinn, über Energie zu reden, ohne die Fragen der Energieeffizienz anzusprechen. Der wirksamste Weg, um den Grad der Selbstversorgung mit Energie schnell zu erhöhen, sind die Verbesserung der Energieeffizienz und der sparsame Umgang mit Energie. Im Hinblick auf den Energiedialog mit Russland müssen wir aber auch sagen, dass es politisch nicht gerade klug ist, unsere Energieabhängigkeit von Russland weiter zu erhöhen.

Angesichts der Klimaherausforderung benötigen wir alle zur Verfügung stehenden Ressourcen. Sämtliche Formen von Niedrigemissionsenergie müssen die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Es ist höchste Zeit, mit dem Gedanken aufzuräumen, dass erneuerbare Energien und emissionsfreie Kernenergie einander irgendwie widersprechen. Das ist eine Illusion, die sich eher im Denken abspielt, als es tatsächlich, im praktischen Umgang mit Energie, der Fall ist.

Ich habe den finnischen Minister für Handel und Industrie gebeten, die erneute Überprüfung der Bedingungen für den Beitritt Bulgariens auf die Tagesordnung von Lahti zu setzen. Ich beziehe mich auf die unfaire und unnötige Entscheidung, vier der sechs Kernreaktoren bei Kozloduy abzuschalten. Wenn wir uns heute die Kriterien anschauen, die der damaligen Entscheidung zugrunde lagen, dann sehen wir, dass die Bedingung, die Bulgarien vor sieben Jahren in Helsinki auferlegt wurde, inzwischen überholt ist. Sie ist auch unter dem Blickwinkel der Ziele der europäischen Energiepolitik unvernünftig. Es sind Verbesserungen vorgenommen worden, und die Arbeitsgruppe des Rates hat selbst erklärt, dass die Kraftwerke den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Trotz allem müssen sie Ende des Jahres abgeschaltet sein.

Wenn Finnland dieses Problem jetzt nicht anspricht, dann wird es Engpässe in der Energieversorgung, nicht nur in Bulgarien, sondern auch in seinen Nachbarstaaten geben, deren Bedarf an Elektrizität in den letzten fünf Jahren von Bulgarien abgedeckt wurde. Die Behauptung der Kommission, dass diese Reaktoren in wirtschaftlicher Hinsicht nicht verbessert werden könnten, hat sich als falsch herausgestellt. Kozloduy produziert Strom für weniger als zwei Cent pro Kilowattstunde. Die Abschaltung kann nur teilweise kompensiert werden, und zwar durch den Einsatz von Kraftwerken, die Braunkohle verbrennen, die schmutzigste aller Energiequellen. Das bedeutet, dass EU-Gelder eingesetzt werden, um von einer saubereren Technologie auf eine schmutzigere umzustellen. Das ist Wahnsinn.

Mit meiner Bitte, die Angelegenheit einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, sage ich nicht, dass wir das Abkommen brechen wollen, sondern vielmehr, dass wir es im Lichte der aktuellen Informationen überprüfen sollten, um den Zeitpunkt der Abschaltung flexibler handhaben zu können. Warum soll Bulgarien seine Treibhausgasemissionen erhöhen, wenn es über eine Alternative verfügt, die als sicher bewertet worden ist?

 
  
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  Reino Paasilinna (PSE).(FI) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer hier von Finnlandisierung spricht, der sollte einmal in sich gehen. Es könnte für ihn nämlich ein langer Weg werden, bis er das Niveau Finnlands erreicht, was die Demokratie und die Wirtschaftskraft angeht, da wir schließlich in Europa ganz vorn stehen.

(Beifall)

Es ist dies das Ergebnis harter Arbeit. Kommen Sie, folgen Sie uns nach! Die Themen von Lahti sind Investitionen und Innovationen. Das sind auch die Prioritäten Finnlands. Das Niveau der Investitionen in Forschung und Entwicklung ist in der Union vollkommen unzureichend. Die Ziele von Barcelona sind gerade einmal von zwei Ländern erreicht worden: eines davon ist Finnland, das andere Schweden. Ich bin beschämt angesichts der Kurzsichtigkeit der europäischen Führungsriege. Europa befindet sich in einer Verfassungskrise und ist gleichzeitig in spiritueller Hinsicht ohne Kraft. In vielen Bereichen kommen wir einfach nicht voran, weil unsere Investitionen in die Forschung hinter denen unserer Wettbewerber hinterherhinken, und bald wird uns auch der Osten überholen.

Aus dieser zersplitterten Wissenschaftslandschaft müssen wir jetzt dringend einen leistungsfähigen, geradlinigen und hoch qualifizierten europäischen Forschungsraum machen. Durch Zusammenarbeit und Kooperation werden wir zum Erfolg kommen. Allerdings wird über unserer Landschaft bald die Sonne untergehen, wenn wir es nicht schaffen, Innovationen schnell in die Praxis umzusetzen. Was die Gründung des Europäischen Technologieinstituts angeht, so mangelt es dem Projekt an Geld und einer klaren Zielsetzung. Als Berichterstatter bin ich persönlich der Auffassung, dass wir einfach nur Innovationen und deren praktische Umsetzung brauchen, dann verbessert sich auch unser Lebensstandard.

Wir betrachten Russland als einen strategischen Partner, und wir werden das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen erneuern. Der schockierende Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja steht dem Russland, von dem wir uns erhoffen, dass es ein besserer Partner für die Europäische Union wird, nicht gut zu Gesicht. Sie hat gegen Korruption und Gewalt gekämpft; das sagt selbst die Regierung des Landes. Warum wurde Frau Politkowskaja nicht geschützt? Jeder wusste von den Todesdrohungen. Diese ernste Angelegenheit muss in Lahti angesprochen werden.

Europas Abhängigkeit von Energieimporten nimmt immer stärker zu. Sie wächst mit einer sagenhaften Geschwindigkeit. Da unser Problem in der Versorgungssicherheit besteht und Russland ein Problem mit guten Kunden hat – das heißt, ein Problem mit dem Abschluss langfristiger Verträge, sodass das Land in die Energieinfrastruktur investieren könnte – schlage ich als Lösung vor, dass wir einen großen Wurf wagen und diese beiden Dinge gleichzeitig angehen. Auf diese Weise werden die Märkte sowohl in Russland als auch in der Europäischen Union nach den gleichen Regeln geöffnet; das heißt, wir ratifizieren im gleichen Paket ein Energieabkommen. So schaffen wir Energiesicherheit für beide Seiten, und selbstverständlich in erster Linie für uns selbst.

 
  
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  Satu Hassi (Verts/ALE).(FI) Meine Damen und Herren! Die Energieressourcen Russlands und unser Wunsch, die Öl- und Gas-Lieferungen sicherzustellen, dürfen nicht unseren Blick dafür trüben, dass sich der Zustand der Demokratie und der Bürgerrechte in Russland verschlechtert. Die Zivilgesellschaft dort befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Spätestens nach dem Mord an Anna Politkowskaja sollte das für jedermann sichtbar geworden sein.

Verletzungen der Menschenrechte, Übergriffe und sogar Mord richten sich nicht nur gegen die politische Opposition, sondern auch gegen nationale Minderheiten, von denen es in Russland Dutzende gibt. Eine davon ist das Volk der Mari, und auch das Europäische Parlament hat sich bereits mit den Gräueltaten befasst, die dieses Volk erfahren hat.

Die Nationalitätenkonflikte haben auch etwas mit dem Mord an Anna Politkowskaja zu tun. Sie wurde ermordet, weil sie die Wahrheit darüber gesagt hat, was in Tschetschenien passiert.

Unmittelbar am Tag nach dem Mord versammelten sich Tausende von Finnen vor der russischen Botschaft zu einer Kundgebung mit Kerzen, wie man dergleichen niemals zuvor gesehen hatte. Ich hoffe, dass die finnische Regierung, als das Land, das derzeit im EU-Ministerrat den Vorsitz innehat, gegenüber Russland ebenso klar und deutlich unser Entsetzen und unsere Besorgnis zum Ausdruck bringen wird. Die Menschenrechte müssen den Kern unserer Beziehungen zu Russland bilden.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. (SV) Frau Präsidentin! Auf dem Gipfel in Lahti in der kommenden Woche wird auch die Frage einer gemeinsamen Energiepolitik behandelt. Das ist ein weiteres Beispiel für die Zielstrebigkeit, mit der das politische Establishment aus rein machtpolitischen Gründen verschiedene gesellschaftliche Probleme ausnutzt, um die Positionen der EU zu stärken. In Wirklichkeit gibt es kaum Gründe für eine Energiepolitik auf Gemeinschaftsebene.

Wir befinden uns in einer geschichtlichen Phase, in der sich langsam die Erkenntnis verfestigt, dass die Treibhausgasemissionen, die durch die Verbrennung von Kohlenstoff und Kohlenwasserstoffen durch den Menschen verursacht werden, zu Klimaveränderungen führen. Lösungen für diese Situation sind dringend erforderlich. Niemand aus der Führungsriege der EU kann jedoch darüber entscheiden, welche Energieformen wir zur Sicherung einer nachhaltigen Energieversorgung in der Zukunft wählen sollen. Außerdem unterscheidet sich auch der Bedarf in den einzelnen Ländern erheblich. Einige Länder haben größtes Interesse daran, Methoden zur Trennung und Speicherung des bei der Verbrennung von Kohle und Öl anfallenden Kohlendioxids zu entwickeln, während andere bereit sind, sich von russischem Erdgas abhängig zu machen und wieder andere ihre Hoffnungen lieber auf Kernkraft, Wasserkraft, Wind- und Wellenkraftwerke, Biomasse und Erdwärme setzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen sie alle ihren Energieverbrauch senken können. Dabei müssen die Länder die Möglichkeit zum Experimentieren und zum Ausprobieren verschiedener Wege haben. Durch solchen institutionellen Wettbewerb zwischen den Staaten entwickelt sich der Fortschritt. Die Vorstellung, die EU solle die Anteile der einzelnen Energiearten festlegen, ist einfach absurd und gefährlich für die Zukunft Europas.

 
  
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  Struan Stevenson (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Es freut mich sehr, dass die Ratspräsidentin bestätigt hat, dass es bei den Diskussionen in Lahti überwiegend um die Energie-Problematik gehen wird. Wie mein Vorredner Nils Lundgren hoffe ich, dass auch der Klimawandel ein zentrales Element dieser Diskussionen bilden wird.

Der Schutz der Bürger und ihres Umfelds muss im Mittelpunkt der Energiepolitik stehen. Der Klimawandel und seine möglichen Auswirkungen, die Luftverschmutzung in den Städten, die Verschlechterung des städtischen Umfelds und alle anderen Beeinträchtigungen durch die Verschmutzung, derer wir uns bewusst sind, wirken sich in wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitspolitischer Hinsicht entschieden auf das Alltagsleben unserer Bürger aus.

Wir wissen, dass die Erde heute 0,6oC wärmer ist als vor hundert Jahren. Wir wissen auch, dass sie sich im Jahr 2020 um weitere 0,8oC erwärmt haben wird und dass die globale Erwärmung außergewöhnliche Witterungsbedingungen wie Stürme, zusätzlichen Regen und Überschwemmungen mit sich bringen wird. Den Experten zufolge könnte der Meeresspiegel um bis zu einem Meter ansteigen. Wenn dies geschieht, wird sich in Ländern wie Bangladesch und – ganz in unserer Nähe – den Niederlanden eine Katastrophe anbahnen. Das zeigt, wie wichtig diese Angelegenheit ist. Im vergangenen Winter gab es eine Krise in der Ukraine – die heute Abend eine weitere Krise erleben wird, wenn ihre Fußballmannschaft gegen Schottland antritt! – und zum ersten Mal innerhalb von 40 Jahren wurde unsere Erdgasversorgung unterbrochen.

22 % unseres Erdgases beziehen wir aus Russland – und das ist für die EU sehr gefährlich, denn durch die Krise im letzten Jahr haben wir erfahren, dass einige der neueren Mitgliedstaaten über Reserven verfügten, die lediglich für 24 Stunden reichten. Wie Herr Barroso zum Thema Einwanderung sagte, können wir auch bezüglich der Energie nicht mit 25 – bald 27 – ungleichen und sich völlig voneinander unterscheidenden Energiepolitiken weitermachen. Wir brauchen eine Zentralisierung und müssen eine zentral gesteuerte kohärente Energiepolitik betreiben.

(Beifall)

 
  
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  Martine Roure (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident! Die jüngsten Gipfeltreffen in Tampere und in Luxemburg haben erneut die Grenzen der europäischen Zuwanderungspolitik und die Grenzen der Solidarität der europäischen Regierungen aufgezeigt. Wir hoffen also, dass Sie in Lahti in der Lage sein werden, endlich die tatsächlichen Ursachen der Zuwanderung anzugehen.

Wenn wir wollen, dass weniger Menschen an unseren Südgrenzen ankommen, kann die Antwort darauf niemals in der Intensivierung von Patrouillen und der Beschleunigung von Rückflügen bestehen. Ich bin diesen Einwanderungskandidaten begegnet getroffen; die ganze Hoffnung ihrer Familie, ihres Dorfes ruht auf ihnen und sie würden es vorziehen, eher zu sterben als zu scheitern. Die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung kann also nicht darin bestehen, diese Opfer zu verurteilen, indem man sie in ein Schicksal zurückschickt, dem sie zu entfliehen versuchen; die illegale Immigration kann man nur bekämpfen, indem man gegen diejenigen vorgeht, die diesen Handel organisieren, die die Menschen betrügen, indem sie ihnen eine bessere Zukunft in Europa in den leuchtendsten Farben ausmalen, sowie gegen diejenigen, die diese Menschen in Europa ausbeuten.

Sollten wir nicht darüber hinaus die europäische Visapolitik lockern? Das wäre der Weg, um gegen illegale Aktivitäten zu kämpfen. Wenn es wahr ist, dass wir Arbeitskräfte brauchen, dann wollen wir Personen mit Rechten und keine Sklaven. Wir müssen übrigens zugeben, dass Regelungen notwendig werden können, um gegen die Ausbeuter zu kämpfen. Der Menschenhandel kann nicht effizient bekämpft werden, wenn wir nicht in unseren eigenen Ländern die Schwarzarbeit und die Ausbeutung der Migranten unterbinden.

Wir müssen auch einräumen, das wir lange Zeit für Afrika gezahlt haben, wir müssen zugeben, dass unsere Entwicklungspolitik nicht fair war und müssen endlich eine deutliche Entwicklung der armen Länder zulassen. Bis heute hat sich Europa mit Absichtserklärungen zufrieden gegeben. Wir müssen massiv in diese Länder investieren und auch dabei helfen, öffentliche Dienstleistungen zu schaffen, die jedermann zugänglich sind, und Unternehmen zu errichten, die ihre Beschäftigten gerecht bezahlen, was gegenwärtig, das muss man sagen, nicht immer der Fall ist. Die Arbeitnehmer werden oft durch europäische Unternehmen in ihren eigenen Ländern ausgebeutet und, ich wiederhole es, wir dürfen uns nicht scheuen, das auch auszusprechen.

Letztendlich müssen sich unsere Mitgliedstaaten doch der Tatsache bewusst werden, dass wir zusammenarbeiten müssen und dass wir nicht in der Lage sein werden, wirklich etwas zu tun, wenn jeder nur für sich allein handelt. Überwinden wir unseren nationalen Egoismus, der geradewegs in ein Desaster führt.

 
  
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  Nigel Farage (IND/DEM). – (EN) Frau Präsidentin! Jetzt geht das wieder los: noch ein Gipfel der Staatschefs, noch eine Diskussion über unsere Wettbewerbsfähigkeit – oder sollte ich fehlende Wettbewerbsfähigkeit sagen – und wieder völlige Zeitverschwendung! Wir waren schon einmal an diesem Punkt, oder etwa nicht? Erinnern Sie sich noch, im März 2000, die Lissabon-Agenda? Ich saß hier und vernahm diese großartige Ankündigung, dass die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt werden solle. Es läuft nicht sehr gut, Herr Barroso, oder? Ich glaube nicht, dass Sie diese Ziele in den nächsten dreieinhalb Jahren erreichen werden!

Und dann vernahmen wir wiederum diese Ankündigung im letzten Sommer, als Herr Blair hier war. Er stand auf und sagte uns, dass wir uns der Herausforderung der Globalisierung stellen müssten und dies nur tun könnten, wenn Europa wettbewerbsfähiger würde, wenn wir mehr Geld in Forschung und Entwicklung investierten. Und natürlich ist wieder nichts passiert. Wenn Sie die Wettbewerbsfähigkeit wirklich erhöhen wollen, werden Sie sich an diesem Wochenende die 91 000 Seiten eng bedruckter Rechtsvorschriften, die den gemeinschaftlichen Besitzstand ausmachen, ansehen und beschließen müssen, einen wesentlichen Teil davon abzuschaffen. Genau das müssten Sie tun, wenn es Ihnen mit der europäischen Wettbewerbsfähigkeit ernst wäre, wenn Ihnen wirklich etwas daran läge, in der modernen Welt anzukommen.

Es amüsiert mich, dass wir uns am Wochenende mit der Wirtschaft Dänemarks beschäftigen werden. Gut, ich kann das verstehen, da die Beschäftigungsquote in Dänemark am höchsten ist. Ich frage mich, ob das daran liegt, dass Dänemark seine eigene Währung hat – es kann seine Haushalts- und Geldpolitik selbst regeln. Es stimmt, die Arbeitslosenquote außerhalb der Eurozone ist nur halb so hoch wie innerhalb der Eurozone. Also sollten wir an diesem Wochenende eigentlich zu dem Schluss kommen, dass wir auf europäischer Ebene viel weniger tun sollten, weil alles, was die EU anfasst, in einer Katastrophe endet.

 
  
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  Bogdan Klich (PPE-DE).(PL) Frau Präsidentin! Die Zusammenkunft unserer Staats- und Regierungschefs mit Präsident Putin wird Gelegenheit bieten, auf die Frage der sicheren Energieversorgung einzugehen und unsere höchste – und ich betone, unsere höchste – Besorgnis über die Lage der Demokratie und der Menschenrechte in Russland zum Ausdruck zu bringen.

Viel zu häufig haben unsere Politiker den Kopf in den Sand gesteckt, und viel zu oft haben sie belanglose Erklärungen der russischen Seite akzeptiert, bis schließlich das Gewissen des russischen Journalismus, Anna Politkowskaja, auf brutale Weise mit mehreren Kopfschüssen ermordet wurde, wie vor ihr bereits Galina Starowoitowa. Diese beiden Opfer stehen für den Anfang und das Ende des russischen Rückzugs von der Demokratie. Mit dem Tod von Galina Starowoitowa im Jahr 1998 wurde der Rückzug von demokratischen Normen in diesem Land eingeläutet, denn sie war eine Symbolfigur und Führungsperson der Demokraten von Sankt Petersburg. Mit dem Mord an Anna Politkowskaja wurde den Überresten der freien Presse in Russland ein heftiger Schlag versetzt. Wer auch immer diesen Mord in Auftrag gegeben hat, wusste, dass das Opfer einen unnachgiebigen Charakter besaß und ein Symbol für die Wahrheit und den unabhängigen Journalismus war.

Ich habe Anna Politkowskaja nicht persönlich gekannt, doch ich hatte die Ehre, mit Galina Starowoitowa zusammenzuarbeiten, und habe ihren Mut immer bewundert. Aus diesem Grund, angesichts des Opfers, das sie gebracht haben, und bevor wir die Folgen des russischen Rückzugs von der Demokratie am eigenen Leib zu spüren bekommen, fordere ich dringend dazu auf, die Achtung der Menschen- und Bürgerrechte in Russland zur Bedingung für die Fortsetzung des politischen Dialogs mit diesem Land zu machen.

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Frau Präsidentin! Auf der Tagesordnung von Lahti stehen einige sehr wichtige Punkte, wie die Energiepolitik, illegale Einwanderung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Aber auf jeden Fall muss auch das Thema Pressefreiheit behandelt werden. Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sind wesentliche Themen auf einem Gipfeltreffen von dieser Bedeutung, zu dem Präsident Putin eingeladen ist, zu einem Zeitpunkt, da uns die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja stark beschäftigt.

Der Europäische Rat muss von Präsident Putin fordern, dass die für dieses abscheuliche Verbrechen Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Da Europa gegenwärtig mit den Auswirkungen des Klimawandels und steigender Erdölpreise konfrontiert ist, muss dringend die Energieeffizienz verbessert werden. Außerdem ist es notwendig, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, um die Wirtschaft, die Umwelt und die Lebensqualität der europäischen Bürger zu fördern.

Die EU muss die Energiequellen und -lieferanten diversifizieren und erneuerbaren Energien Vorrang geben, um ihre Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu erfüllen. Nach Auffassung des finnischen Ratsvorsitzes und meines Landes, Portugal, ist es äußerst sinnvoll, Innovation mit Wettbewerbsfähigkeit zu verknüpfen. Innovation zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen ist eines der Konzepte der Lissabon-Strategie, die von der portugiesischen Ratspräsidentschaft im Jahre 2000 vorgelegt wurde.

Vor einigen Tagen wurden auf dem ersten Treffen der nationalen Koordinatoren der Lissabon-Agenda acht Beispiele für nachahmenswerte Verfahren vorgestellt, die von europäischen Behörden ausgewählt worden waren. Portugals Projekt „Unternehmen in einer Stunde“ verdient wirklich Anerkennung.

 
  
  

VORSITZ: MIROSLAV OUZKÝ
Vizepräsident

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die Ermordung von Anna Politkowskaja stellt in dreifacher Hinsicht eine Tragödie dar: eine persönliche Tragödie – für ihre Familie –, aber auch eine Tragödie für die russische Gesellschaft, da sie auf eine beginnende Entwicklung in diesem riesigen Land schließen lässt, und eine Tragödie für die Demokratie, weil hier ein bedeutendes demokratisches Element in Russland beseitigt wurde. Somit ist ihre Ermordung ein weiteres Anzeichen dafür, dass es mit der Demokratie in Russland bergab geht.

Heute wurde bereits gesagt, dass wir realistisch sein sollten, was die Demokratie in Russland angeht. Ich weiß nicht, was der betreffende Redner wirklich meinte, aber wir sollten in Bezug auf die Demokratie in Russland wirklich realistisch sein: Wenn wir nicht für sie eintreten, werden wir Menschen wie Anna Politkowskaja und tausende andere sich selbst überlassen. Wenn wir nicht für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland eintreten, werden wir die Kräfte in Russland, die es zu einem besseren Land und besseren Partner machen können, nicht stärken. Wenn wir nicht für die Demokratie eintreten, wird Russland weder in der Energiepolitik noch in irgendeinem anderen Bereich ein besserer Partner.

(Beifall)

Wenn wir nicht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordern, wird Russland keine bessere Gesellschaft bekommen. Es wird nur ein verlässlicher Energiepartner, wenn die Demokratie stärker und die Rechtsstaatlichkeit stabiler wird. Denn genau das bedeutet es, realistisch in Bezug auf die Demokratie in Russland zu sein – und genau das müssen wir heute klar zum Ausdruck bringen.

Herr Barroso, einige der Kompetenzen, die wir in der Europäischen Union haben – der Binnenmarkt für Energiepolitik, die transeuropäischen Netze, die Wettbewerbsregeln und die Handelspolitik –, stellen die Instrumente dar, die wir nicht nur in Bezug auf Russland, sondern auch in Bezug auf andere Teile der Welt anwenden müssen. Sie bilden die beste Grundlage für die künftige Energiepolitik der Europäischen Union. Nutzen wir sie und schreiten wir Schritt für Schritt voran!

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Herr Präsident! Die Europäische Union muss sich den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Herausforderungen der jüngsten Gegenwart stellen. Erstens ist es an der Zeit, eine gemeinsame europäische Energiepolitik mit Maßnahmen nach dem Vorbild der europäischen Politik im Bereich der Schwerindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen. Zweitens muss die Europäische Union eine einheitliche Lösung für die Probleme der massiven illegalen Einwanderung von Menschen aus aller Welt finden, die für einige Länder schwerwiegende Folgen mit sich bringt. Und drittens müssen wir einen wirklichen Durchbruch bei der Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung, neuer Technologien, der Wettbewerbsfähigkeit und der wirtschaftlichen Innovation in den Mitgliedstaaten erzielen. In Europa benötigen wir derzeit Mut, Visionen und eine vorwärts gerichtete Strategie. Wir müssen die Integration vertiefen und eine wirklich gemeinsame und einheitliche Strategie in diesen drei Bereichen verfolgen.

Ich möchte meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass Präsident Putin zum Gipfeltreffen in Lahti eingeladen wurde und dass es Bemühungen gibt, eine strategische Partnerschaft mit Russland zu schließen. Gleichzeitig dürfen wir unseren Wunsch nach dieser Einigung mit Russland jedoch nicht damit bezahlen, dass wir Verletzungen der Menschenrechte und der Pressefreiheit tolerieren. Russland ist ein Land mit unermesslichen Bodenschätzen, doch vor allem ist es ein Land mit Menschen wie der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja, deren Mut und Ehrlichkeit ein Symbol für das bürgerliche Russland sind, und ihr Tun sollte ganz Europa als Vorbild und als Inspiration dienen.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, dass die heutige Debatte auf der einen Seite ernüchternd, aber auf der anderen Seite auch sehr erfrischend und ermutigend ist. Nüchterne Analysen, richtige Ziele, bedrückende Wahrheiten werden von vielen Rednern ausgesprochen. Aber was folgt nun daraus? Welche Taten setzen wir nun? Nur Taten schaffen Vertrauen, nicht die Analyse allein.

Ich möchte an die Ratspräsidentschaft drei Botschaften für den Gipfel aussenden. Erstens: Wenn Sie uns zugehört haben, dann sagen wir Ihnen: Gehen Sie im Gespräch mit Vladimir Putin nicht zur Tagesordnung über! Reduzieren Sie das Treffen nicht auf die Energiepartnerschaft, reden Sie auch über alle Dinge, die heute angesprochen wurden! Zweitens: Legen Sie uns einen Zeitplan vor, wann wir den von Präsident Barroso angemahnten EU-Energiebinnenmarkt erhalten! Drittens: Legen Sie uns einen Zeitplan vor, wann die Europäische Union zum Forschungsraum wird!

Zur Energiepolitik: Die Partnerschaft mit Russland ist nur ein Teil einer notwendigen europäischen Energiepolitik. Die Erhöhung der energiepolitischen Unabhängigkeit ist unsere Priorität. Die Schaffung eines Forschungsschwerpunktes für die Reduzierung des Energieverbrauchs und die Schaffung erneuerbarer Energiequellen ist unser Schwerpunkt und unser größter Beitrag zu mehr Innovation. Stärken Sie bei der Innovation die Beteiligungsmöglichkeiten der kleinen und mittelständischen Unternehmen und beziehen Sie die Vertretungen der kleinen und mittelständischen Unternehmen auch in den dreigliedrigen Dialog ein!

Vergessen Sie nicht, dass das Jahr mit der Reduzierung der Gaslieferungen an die Ukraine begann! Vergessen Sie nicht, dass das letzte Ereignis in Russland die Ermordung einer kritischen Journalistin war und viele Morde davor nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit erhalten haben wie dieser jüngste Mord.

 
  
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  Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Ich möchte mich im Wesentlichen mit einem der Hauptthemen für den Gipfel befassen: mit der Innovation. Wie ich feststellen konnte, haben heute nicht viele Redner von ihr gesprochen. Ich möchte lediglich die Frau Ratspräsidentin und Präsident Barroso ermutigen, dafür Sorge zu tragen, dass die Innovation weiterhin im Zentrum der Diskussionen steht. Wie Sie bereits sagten, Präsident Barroso, wäre für diese Diskussion kein Land besser geeignet als Finnland.

Es hat mich sehr gefreut, dass Sie in beiden Ansprachen darauf hinwiesen, dass die größte Konkurrenz aus China, Indien und den übrigen Ländern Asiens kommt. Wir müssen allmählich über unseren Tellerrand schauen und auf die wirklichen Stärken unserer Technologie aufbauen. Eines der Dinge, die ich Ihnen auf Ihrem Gipfel besonders ans Herz legen möchte – für das sich die politische Führung Europas einsetzen muss – besteht darin, den öffentlichen Behörden neuen Schwung zu verleihen und ihre Befugnisse zu nutzen. Für die Entwicklung neuer Dienstleistungen geben sie öffentliche Gelder in Milliardenhöhe aus, aber ich glaube nicht, dass viele von ihnen darüber nachdenken, wie sie diese Gelder einsetzen können, um Innovationen zu schaffen und die neuen Produkte und Dienstleistungen voranzubringen, die die europäische Industrie und die europäischen Unternehmen anzubieten bereit sind.

Nehmen wir Nokia als gutes Beispiel, da Ihr Gipfel in Finnland, der Heimat von Nokia, stattfinden wird. Drahtlose Netze, drahtlose Innovationen, drahtlose Dienstleistungen: Wir sollten Dinge dieser Art für das Gesundheitswesen, für die Bildung, für die Verbesserung der Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, für die Umsetzung der Qualität der Erfahrungen, die die Bürger beim Umgang mit uns machen, entwickeln. Ich möchte, dass dies ein fester Punkt auf Ihrer Tagesordnung mit den führenden Politikern Europas wird, denn wenn wir dies erreichen, werden wir wirklich ein gutes Stück vorankommen. Wir wissen, dass andere Länder, vor allem die Vereinigten Staaten, genau das tun.

Abschließend stelle ich fest, Präsident Barroso, dass Ihr Europäisches Technologieinstitut auf der Tagesordnung steht. Hoffentlich werden Sie uns davon überzeugen, dass dies eine lohnende Investition ist. Ich bin noch nicht davon überzeugt, da meines Erachtens viele Hochschulen bereits das tun, was Sie tun möchten – es geht hier um sehr viel Geld.

Stellen wir die Innovation in den Mittelpunkt dessen, womit wir uns auf dem Gipfel befassen, und ich hoffe, dass Sie ihr die Bedeutung beimessen, die sie verdient.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Ich kann den Anmerkungen meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten zur Lage der Demokratie in Russland nur von ganzem Herzen zustimmen, und ich möchte ihre Argumente, denen ich mich voll und ganz anschließe, nicht erneut aufzählen. Vielmehr will ich auf zwei andere Fragen eingehen und der finnischen Ratspräsidentschaft dazu gratulieren, dass sie die beiden Themen Energie und Innovation für den informellen Gipfel in Lahti vorbereitet hat. Im Energiebereich benötigen wir eine gemeinsame Politik sowohl innerhalb der Europäischen Union, um einen gemeinsamen Energiemarkt aufzubauen, als auch außerhalb der Union, beispielsweise gemeinsame Verhandlungen Europas mit den Partnern, die uns mit Erdöl und Erdgas versorgen. Dies ist ausgesprochen wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass ein Mitgliedstaat nicht wieder mit seinen Verhandlungen über Erdöl- oder Erdgaslieferungen aus Russland andere Mitgliedstaaten in eine ausgesprochen missliche Lage bringt.

Es ist dringend geboten, dass wir unsere gemeinsame Energiepolitik auf diese Weise konzipieren: Dies wird ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Schaffung einer gemeinsamen Außenpolitik sein. Es gibt jedoch einen weiteren energiepolitischen Aspekt unserer Außenpolitik: Die Leitungen der Ukraine befinden sich derzeit in einem sehr schlechten Zustand, und sie stellen die letzte Möglichkeit einer von Gazprom unabhängigen Erdgasversorgung aus dem Osten dar. Wir müssen unbedingt in diese Pipelines investieren und alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die für eine solche Investition erforderlichen Mittel aufzubringen.

Im Zusammenhang mit der Frage der Innovation möchte ich lediglich auf drei Punkte hinweisen. Erstens benötigen wir eine geeignete Wirtschaftspolitik, die die Übernahme von Innovationen durch die Industrie fördert und die es auf unserem Kontinent nicht gibt. Zweitens geht es um die Frage des europäischen Patents: Wir benötigen ein eigenes europäisches Patent. Drittens denke ich, dass ein Europäisches Technologieinstitut, das der Innovation dienen wird, notwendig ist. Ich setze mich persönlich für die Idee von Herrn Barroso ein und bin der Auffassung, dass sich uns nun endlich die Gelegenheit bietet, diese Angelegenheit zu klären.

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissionspräsident, Frau Ministerin! Ich begrüße die Mitteilung zur Innovationspolitik, die die Kommission in der nächsten Woche veröffentlicht, außerordentlich. Sie ist einer der ersten ernsthaften Versuche, eine Strategie der Europäischen Union für Europa und dafür, wie wir uns innerhalb der Globalisierung positionieren können, zu entwickeln. Deswegen glaube ich, dass dies der wichtigste Tagesordnungspunkt beim informellen Treffen in Lahti sein wird.

Innovation findet in besonderem Maße in kleinen und mittleren Unternehmen statt. Dieser Tatsache trägt diese Mitteilung Rechnung. Dafür brauchen wir – Frau Ministerin, Sie haben darauf hingewiesen – europäische Standards. Da gibt es in vielen Bereichen noch einiges zu tun. Dafür brauchen wir auch – und darauf haben Sie hingewiesen, Herr Kommissionspräsident – größere Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung. So sehr ich mich natürlich über das Beispiel Finnland freue, so sehr muss ich auch darauf hinweisen, dass meine Region Baden-Württemberg pro Jahr 3,6 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgibt und damit noch weit vor den USA und Japan liegt.

Wir brauchen auch mehr Vertrauen – und das ist der Schwerpunkt dieser Mitteilung – in unsere eigenen Fähigkeiten. Wir müssen mehr darüber sprechen, was wir in Europa – wenn wir unsere Strukturen entsprechend überarbeiten – gemeinsam erreichen können, auch innerhalb der Globalisierung. Wir haben einen hervorragenden Binnenmarkt, den wir weiter ausbauen müssen, der uns auch Schutz bietet. Wir brauchen mehr Selbstvertrauen gegenüber Russland, gegenüber China. Aber wir müssen auch wissen, welche Reformen wir innerhalb der Europäischen Union angehen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu bietet die Innovationsstrategie eine hervorragende Grundlage.

Es wird davon gesprochen, dass wir im Bereich des Vergaberechts mehr Innovation brauchen. Es werden einzelne Beispiele genannt, die in meiner Region schon angewandt werden. Ich glaube, dass es hervorragende Möglichkeiten gibt, durch Innovation Europa innerhalb der Globalisierung besser zu positionieren, und ich glaube auch, dass dieser informelle Gipfel von Lahti dazu dienen sollte, möglicherweise im kommenden Jahr eine Globalisierungsstrategie für die Europäische Union zu entwickeln, damit es uns gelingt, die Bürger davon zu überzeugen, dass wir als Europa in einer globalisierten Welt eine Chance haben.

 
  
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  Vytautas Landsbergis (PPE-DE). – (LT) Herr Präsident! Wir müssen uns hier in Brüssel klar äußern, wenn wir über Lahti sprechen. Der Anfang der heutigen Sitzung hat gezeigt, wie uneins, polarisiert und leicht zu manipulieren wir sind. Das Europäische Parlament sah sich nicht in der Lage, unverzüglich mit einem gemeinsamen Dokument auf ein furchtbares Verbrechen in Moskau zu reagieren, nur um die Europa-Tournee des russischen Präsidenten nicht zu stören. Hierbei handelt es sich um ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Europäische Union über keine eigene europäische Politik gegenüber Russland verfügt und dass wir in Europa in dieser Hinsicht lediglich eine prorussische Politik verfolgen. Mit dem Schmusekurs gegenüber den Landesführern erweist man Russland einen schlechten Dienst, wenn überhaupt noch jemand glauben soll, dass Russland einmal ein europäisches Land werden könnte und nicht Europa ein politisches Anhängsel eines undemokratischen Russlands.

Wir reden nur über die gemeinsame Energiestrategie Europas und verschließen dabei unsere Augen vor der Tatsache, dass Russland dies niemals zulassen wird, verfügt es doch bereits über sein Trojanisches Pferd mitten in Europa. Die Anhänger von Herrn Schröder und andere mit politischer Blindheit Geschlagene werden ein geeintes Europa weiterhin zunichte machen.

Leider haben wir hier im Parlament nur eine Option, nämlich offen über die vorsätzliche moralische Kapitulation einflussreicher Europäer zu sprechen. Der russische Präsident sagt völlig unverblümt, dass europäische Werte für sein Russland und sein Regime ungeeignet sind. Wenn es nach russischen Politikern geht, kann Europa seine Energiecharta gleich zusammen mit der Menschenrechtscharta über den Haufen werfen, denn Europa unterschreibt sowieso alles, was von Russland diktiert wird. So wurde es in Sotschi und bei verschiedenen anderen Gelegenheiten geäußert. So sehen die wirkliche Partnerschaft und der gemeinsame Raum aus. Es ist der gemeinsame Raum, in dem Journalisten ermordet werden, und wir wagen nicht nachzufragen, ob dieser gemeinsame Raum auch für uns da ist. Dennoch ärgern wir uns über Nordkorea und Irak, anstatt einfach einzusehen, dass beide Knöpfe – der in Teheran und der in Pjöngjang – vom selben Akteur irgendwo dazwischen gedrückt werden.

Wir sollten zumindest versuchen zu begreifen, dass Anna Politkowskaja, die letzte mutige Journalistin, nicht nur von Putins Russland, sondern auch vom konformistischen Europa ermordet wurde.

(Beifall)

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Es ist entsetzlich, dass der Weg zu Bürgerrechten und zur Achtung der grundlegenden Menschenrechte mit den Leichen unschuldiger Menschen gepflastert sein muss.

Heute erörtern wir den Mord an Anna Politkowskaja, einer Frau, die die Verbrechen Russlands gegen die Tschetschenen entschlossen aufgedeckt hat. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass vor ihr auch andere ihr Leben im Kampf gegen Diktatoren verloren haben, so zum Beispiel der ukrainische Journalist Georgij Gongadze oder der libanesische Journalist Samir Kassir. Hat der Staat in diesen Fällen alles unternommen, um diejenigen zu schützen, die die Verbindungen zwischen staatlichen und kriminellen Strukturen aufgedeckt haben? Oder hat die Wut über ihr kompromissloses Verhalten und ihre Texte dazu geführt, dass der Staat die Augen verschlossen, seine Hände in Unschuld gewaschen und ihrem Schicksal sowie der über ihnen schwebenden Todesgefahr gleichgültig gegenübergestanden hat?

In Russland hat es schon immer große Persönlichkeiten gegeben, die gegen den Strom einer Diktatur geschwommen sind und ihr Leben riskiert haben, um die Verbrechen und Ungerechtigkeiten ihrer Regierung offenzulegen. Denken wir nur an Namen wie Krawtschenko, Bukowski, Sacharow oder Solschenizyn. Sollten wir als Bürger der freien Welt diese Menschen immer ihrem Schicksal überlassen? Nein, wir haben Anna Politkowskaja zu Lebzeiten nicht genügend Unterstützung zukommen lassen. Unterstützen wir sie nun nach ihrem Tod.

Meines Erachtens sollten die Ermittlungen zu diesem Verbrechen unter internationaler Aufsicht erfolgen, wie im Falle des Mordes am libanesischen Premierminister Rafik Hariri. Es ist mir unvorstellbar, dass die Europäische Union ein Kooperationsabkommen mit Moskau abschließt, ohne dass dieses Verbrechen aufgeklärt wird und die Auftraggeber und Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Die Europäische Union sollte entweder ihrem Engagement für Freiheit und Bürger- sowie Menschenrechte oder aber wirtschaftlichen und energiepolitischen Interessen den Vorrang geben.

Herr Präsident, die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Wir dürfen keine Kompromisse eingehen. Dies sind wir der ermordeten Journalistin schuldig.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE). (MT) Herr Präsident! Ich hoffe, dass auf dem Gipfel nächste Woche über das Schreiben beraten wird, das immerhin acht Regierungschefs zum Thema illegale Einwanderung an die finnische Ratspräsidentschaft gesandt haben. Der Sommer ist zwar vorbei, und es wird davon ausgegangen, dass der Strom jetzt abebbt, aber wie allgemein bekannt, hatten wir eine Krise, und diese Krise ist noch nicht vorbei. Wenn wir passiv bleiben, werden die Probleme im nächsten Jahr nur noch größer sein.

Ich muss sagen, dass wir in den letzten Tagen die ersten konkreten Schritte in unserem Bemühen beobachtet haben, die europäischen Länder davon zu überzeugen, das Problem der illegalen Einwanderung vereint in Angriff zu nehmen. Zuerst begannen letzte Woche die Patrouillen im Mittelmeerraum. Ich sehe hier Herrn Frattini, dessen Rolle ich würdigen möchte. Ich hoffe, dass von den Mittelmeerpatrouillen die klare Botschaft ausgeht, dass das Mittelmeer kein offenes Meer ist, frei für alle, auf dem die organisierte Kriminalität ungehindert Einwanderer in Booten nach Europa bringen kann.

Zweitens haben wir im Haushaltsausschuss dafür gestimmt, das Budget für die Frontex-Agentur auf fast 35 Millionen Euro erheblich anzuheben, so dass sie ihre Maßnahmen an unseren Außengrenzen verstärken kann. Ich hoffe, der Rat ist bereit, uns zu unterstützen, statt das Frontex-Budget zu kürzen, wie er es ja schon versucht hat. Wie kann der Rat sagen, dass er den Kampf gegen die illegale Einwanderung ernst nimmt, wenn er gleichzeitig zulässt, dass europäische Regierungen sich knauserig verhalten und versuchen, die Mittel in diesem Bereich zu kürzen, statt sie aufzustocken?

Drittens sieht es so aus, als ob diese Woche eine Übereinkunft zu den vier europäischen einwanderungsbezogenen Fonds erreicht wird, die ab dem kommenden Januar tätig sein werden. Ich bin erfreut über die Verabschiedung von Maßnahmen wie der Notfallklausel, die es der Europäischen Union ermöglicht, in Notfallsituationen finanzielle Soforthilfe zu leisten.

Es bleibt noch viel zu tun, wenn wir den Menschen das Gefühl geben wollen, dass Europa ihre Empfindungen zur illegalen Einwanderung ernst nimmt. Das Parlament hat sich geäußert, und die Kommission auch. Jetzt erwarten wir vom Rat, dass er seinen Teil beiträgt. Vielen Dank.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wenn wir hier hören, wie Herrn Landsbergis’ Fußballfanklub ihm applaudiert, so hoffe ich, dass der Fanklub der finnischen Nationalmannschaft in einem europäischen Land namens Kasachstan ebenso stark ist, da das Spiel schon seit 25 Minuten läuft und es immer noch 0:0 steht – wir brauchen also ein bisschen Unterstützung!

Zunächst sei gesagt, dass ich hinter dem finnischen Ratsvorsitz und seiner Tagesordnung für Lahti stehe. Bezüglich der externen Energieversorgung wissen Sie, was Sie tun müssen: Sie müssen Herrn Putin danken, dass sie überhaupt auf der Tagesordnung steht, denn letztes Jahr um diese Zeit ließ er etwas weniger durch die ukrainischen Pipelines fließen, weswegen wir uns in Lahti jetzt überhaupt mit diesem Thema befassen. Sprechen Sie ihm also Ihren Dank aus, wenn er kommt.

Zweitens, was die Innovation betrifft, so handelt es sich hier nicht um Produktplatzierung, sondern wir geben wirklich jedes Jahr rund 4 Milliarden Euro für Innovation, Forschung und Entwicklung aus. Das ist weniger, als Nokia innerhalb eines Jahres für Forschung und Entwicklung ausgibt. Ich hoffe, das gibt den Staatschefs des Europäischen Rates zu denken.

Mein dritter Punkt betrifft die Beziehungen zwischen der EU und Russland. Es ist schon komisch, der heutigen Aussprache zuzuhören – mit Ausnahme des Mordfalls natürlich. Mir scheint, dass wir manchmal viel schneller die USA kritisieren als Russland, und vielleicht sollten wir in diesem Falle Russland als Supermacht behandeln, genauso wie die Vereinigten Staaten.

Ich möchte den Präsidenten der Kommission in der Frage des ETI nachdrücklich unterstützen. Meines Erachtens gibt es im Zusammenhang mit diesem Konzept viele Missverständnisse. Hier handelt es sich um ein Netz, das meiner Meinung nach gut funktionieren würde. Hinsichtlich des Problems sind wir uns alle einig, nun geht es jedoch darum, wie wir eine Lösung finden. Ich denke, wir brauchen öffentliche und private Partnerschaften, ähnlich wie das MIT in den Vereinigten Staaten. In diesem Sinne hoffe ich, dass Ihre Initiative sich durchsetzen wird.

Abschließend noch ein Wort zu den informellen Ratstagungen. Das Problem besteht darin, dass sie im Allgemeinen sehr wenig praktischen Nutzen bringen. Frau Ratspräsidentin, wenn Sie auf diesem Treffen drei Dinge erreichen, wäre es meines Erachtens ein Erfolg. Erstens: grünes Licht für das ETI, zweitens: gewisse Patentvorschriften oder zumindest die Zusage, diese einzuführen, und drittens: eine gemeinsame Energiepolitik. Wenn Sie diese Ergebnisse nicht erzielen, wird die Anwesenheit bei künftigen informellen Ratstagungen genau so gering sein wie heute hier.

 
  
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  Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Europäischen Parlament für seinen wertvollen Beitrag zur heutigen Diskussion danken. Ich kann Ihnen versichern, dass ich dem Ministerpräsidenten die heutige Kernaussage ausrichten werde, damit er sich bei den Vorbereitungen für den Gipfel in Lahti mit ihr befassen kann.

Es stimmt natürlich, dass Innovation und Wettbewerbsfähigkeit seit geraumer Zeit auf der europäischen Tagesordnung stehen, aber unser Ziel besteht nun darin, diese Diskussion in die Tat umzusetzen, zumindest dem weiteren Vorgehen den Weg zu ebnen. Was momentan wirklich gebraucht wird, sind konkrete Maßnahmen.

Im Rahmen unserer strategischen Partnerschaft mit Russland können und werden all diese Fragen diskutiert werden. Ich bin mir sicher, dass die von Ihnen während dieser Aussprache angesprochenen äußerst bedeutenden Punkte auch bei diesen Sitzungen zur Sprache kommen werden. Es freut mich sehr, dass Sie die Gelegenheit haben werden, die Diskussion über die Ergebnisse des Gipfels von Lahti mit dem finnischen Ministerpräsidenten Ende dieses Monats, am 25. Oktober in Straßburg, fortzusetzen. Ich danke Ihnen sehr und gehe davon aus, dass der Gipfel in Lahti einige Ergebnisse bringen wird.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich die umfassende Unterstützung begrüßen, die die Agenda in Bezug auf die Innovation, das Europäische Technologieinstitut, die gemeinsame Energiepolitik und die europäische Einwanderungspolitik erfahren hat. Aber ich muss Ihnen sagen, dass wir diese Botschaft außerhalb dieses Saals vermitteln müssen, weil es, wie einige von Ihnen bereits anführten, noch immer Missverständnisse gibt.

Lassen Sie mich nur kurz das ETI nennen. Es ist interessant, dass jeder zustimmt, dass wir in Europa in Sachen Innovation nicht genug unternehmen; es gibt nicht genug Verbindungen zwischen den Hochschulen und Forschungszentren und der Welt der Wirtschaft, Unternehmen und praktischen Projekte. Wenn jedoch eine Idee entsteht, mit der dieser Situation Abhilfe geschaffen werden kann, stößt sie sofort auf Widerstand. Es ist schon erstaunlich! Dann sagt jeder: „Aber wir haben doch hervorragende Hochschulen!“ – natürlich haben wir die! Doch wenn wir hervorragende Hochschulen haben, warum hinken wir dann hinter den USA und anderen Ländern hinterher? Da stimmt etwas nicht. Der Status quo ist keine Lösung. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.

Ich weiß, dass wir hervorragende Hochschulen haben. Die Hochschulen sind in Europa entstanden, sie sind eine europäische Erfindung, aber wir nutzen ihre umfassenden Vorteile bzw. das umfangreiche Potenzial unserer europäischen Dimension nicht aus. Seien wir ehrlich: Einige unserer Hochschulen sind noch immer stark korporatistisch, sind sehr geschlossen. Wir brauchen eine europäische Dimension. Selbst die größten Mitgliedstaaten verfügen nicht über die Dimension, die globale Kultur zu fördern, die wir jetzt zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts brauchen. Daher basiert die Idee auf der Schaffung eines Netzes. Hier geht es nicht um eine riesige bürokratische Einrichtung, sondern vielmehr um ein Netz, das auf den Grundsätzen der Exzellenz aufbaut, auf dem, was alle hervorragenden Hochschulen und Forschungszentren tun, allerdings mit dem Ziel, eine Verbindung zwischen Unternehmen und Forschung herzustellen, damit wir die Innovation fördern können.

Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Kommission kam ich mit den Chefs der führenden europäischen Unternehmen zusammen, die die Forschung weltweit voranbringen. Meine Idee fand bei ihnen großen Anklang, und ich könnte auch einige Unternehmen nennen. Zwei dieser Chefs europäischer Unternehmen kamen aus den Vereinigten Staaten und sagten mir bei dem Treffen, dass es für sie äußerst schockierend war, feststellen zu müssen, dass es genau das – im Gegensatz zu den USA, wo amerikanische Einrichtungen für das ganze Land existieren – in Europa nicht gibt. Wir fangen erst jetzt mit dem Europäischen Forschungsrat an. Wir besitzen großartige Einrichtungen zur Förderung der Forschung in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Schweden. Wir haben großartige Dinge, doch uns fehlt dabei eine europäische Dimension. Uns fehlt eine europäische Mission, um ihnen die richtigen Instrumente in die Hand zu geben, die sie brauchen, um mit den besten konkurrieren zu können. Deshalb halte ich dies für eine hervorragende Idee. Ich hoffe, dass sie nicht nur allgemein befürwortet, sondern auch dann noch unterstützt wird, wenn wir praktische Vorschläge vorlegen. Aus diesem Grund hoffe ich auf Ihre Unterstützung, wenn wir nächste Woche einen praktischen Vorschlag über das ETI unterbreiten, so wie ich auf Ihre Unterstützung hoffe, wenn wir im Januar ein wirklich ehrgeiziges Energiepaket vorlegen.

Mein letzter Punkt betrifft die Kohärenz. Am besten können wir mit Russland verhandeln, wenn wir geschlossen und einheitlich auftreten. Wenn wir glaubwürdig sein wollen, wenn wir mit Russland oder anderen Partnern bestimmte Fragen diskutieren, müssen wir ihnen zeigen, dass wir in der Lage sind, selbst eine kohärente Strategie zu verfolgen. Wir können die Energie-Problematik nicht ernsthaft mit ihnen diskutieren, wenn wir 25 verschiedene Energiepolitiken betreiben. Es wäre – seien wir ehrlich – nicht glaubwürdig.

Das Erste, was wir tun müssen, wenn wir als glaubwürdig gelten wollen, ist, unser eigenes Haus in Ordnung zu bringen und ein wirklich gemeinsames Energiekonzept umzusetzen. Dasselbe gilt natürlich auch für andere Fragen. Auch ich bin der Meinung, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein wesentlicher Bestandteil unserer Energiepolitik ist und dass wir daran erinnern müssen, dass die Europäische Union in diesem Bereich eine tragende Rolle spielt. Ja, wir sind sogar weltweit führend. Ich kann Ihnen sagen, dass wir, wenn wir diese Angelegenheit mit unseren amerikanischen Freunden, unseren russischen Partnern oder mit China oder Indien diskutieren, diese Frage immer ins Zentrum unserer Verhandlungen stellen. Es ist wichtig, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, aber auch andere in diese Bemühungen einbeziehen. Und das, was all diese Fragen zeigen – von Innovation über Einwanderung und Energie bis hin zur Bekämpfung des Klimawandels –, spricht eindeutig für Europa. Im Zeitalter der Globalisierung haben selbst die größten Mitgliedstaaten nicht die Mittel zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Wenn Sie also ein starkes Europa wollen, bewegen wir uns in die richtige Richtung. Ein starkes Europa ist nicht bürokratisch, sondern verfolgt ein gemeinsames Konzept in dieser Angelegenheit.

Wir sollten auch zum Thema Menschenrechte mit einer Stimme sprechen, und ich hoffe, dass dies die Botschaft ist, die in Lahti vermittelt wird: die führenden Politiker Europas mögen sich in ihrem politischen und ideologischen Hintergrund zwar unterscheiden und in ihren jeweiligen Ländern unterschiedliche Ausgangspositionen haben, aber sie sind bereit, gemeinsam ein starkes Europa zu schaffen und nach außen mit einer Stimme zu sprechen. Das ist es, was ich mir von Lahti erhoffe.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist damit geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Neben wichtigen internationalen Fragen stehen auf der Tagesordnung des nächsten Europäischen Rates Themen wie die so genannte Innovationspolitik, der Vorschlag für eine Gemeinsame Energiepolitik und die illegale Einwanderung, Themen, für die noch keine Arbeitspapiere vorgelegt wurden. Wir werden zu gegebener Zeit auf diese Themen zurückkommen.

Offensichtlich hat man zwei Debatten nicht auf die Tagesordnung gesetzt: eine über unsere „funktionellen“ bzw. „assimilationsbezogenen Aufnahmekapazitäten“, also die Erweiterung um Kroatien und die Türkei, und die andere über die so genannte institutionelle Reform (die Zusammensetzung von Kommission und Parlament und der Entscheidungsprozess im Rat). Bei dieser Debatte geht es um die Festlegung der Spielregeln, die immer von den Großmächten der EU und stets in deren Interesse vorgegeben werden.

Eine andere Debatte, die auf der Tagesordnung fehlt, ist die über die Versuche, die bereits abgelehnte so genannte Europäische Verfassung (wieder) durchzubringen. Trotz zahlreicher Bemühungen ist man sich nach wie vor nicht einig, was getan werden kann, um die runderneuerte oder bisherige Europäische Verfassung wieder auferstehen zu lassen. Gleichwohl verbrüdern sich ihre Verfechter, bereiten sie das Terrain und bilden Expertenkommissionen, während sie die Wahlen in Frankreich und den deutschen Ratsvorsitz, der auf den (Pseudo-)„Ausweg“ setzt, abwarten.

Je mehr sie zögern, desto weniger sind sich die Arbeitnehmer und Völker der wahren Bedeutung und Hauptziele der EU bewusst.

 
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