Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR).
Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. - (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verhandlungen zur Freigabe von Passagierdaten an die Vereinigten Staaten sind letzte Woche zum Abschluss gebracht worden. Das Verhandlungsergebnis hat dazu beigetragen, dass ein Zustand der Uneinigkeit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten vermieden werden konnte, was sehr wichtig ist.
Der Vorsitz hat einen auf gestern datierten Brief von Sophia in 't Veld, der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für den PNR-Bericht, erhalten, und wir werden auf die darin aufgeworfenen Fragen so bald wie möglich ausführlich und in schriftlicher Form antworten.
In den Verhandlungen haben wir uns auf ein neues kurzfristiges PNR-Abkommen verständigt. Es soll das frühere, im Jahr 2004 abgeschlossene Abkommen ersetzen, das der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in seinem Urteil vom Mai letzten Jahres für nichtig erklärt hat. Die Verhandlungen waren hart, da aufgrund der Annullierung des früheren Abkommens die Gefahr bestand, dass die EU und die Vereinigten Staaten in einen Zustand der völligen Uneinigkeit geraten würden. Trotz aller Schwierigkeiten wurde das vom Rat im Juni 2006 erteilte Verhandlungsmandat eingehalten. Das neue Abkommen garantiert sowohl den Schutz der persönlichen Daten auf dem Niveau des ehemaligen Abkommens als auch die Fortsetzung des transatlantischen Flugverkehrs. Es schafft die Möglichkeit, Passagierdaten künftig an US-Behörden zu übermitteln, während gleichzeitig ein angemessenes Datenschutzniveau bei der Verarbeitung der Informationen garantiert wird, gemäß den Zusicherungen, die bereits früher durch die US-amerikanischen Zoll- und Grenzschutzbehörden abgegeben wurden.
Der Ausschuss der Ständigen Stellvertreter (COREPER) hat die Fortschritte bei den Gesprächen aufmerksam verfolgt und das Ergebnis sowie deren Inhalt am 6. Oktober erörtert. Der COREPER hat signalisiert, dass er eine Unterzeichnung des Abkommens befürworte. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde den Justizministern auf der Tagung des Rates „Justiz und Inneres“ vorgetragen, die sich unmittelbar an die Sitzung des COREPER anschloss.
Das in den Verhandlungen erzielte kurzfristige Abkommen wird unmittelbar nach seiner Unterzeichnung in Kraft treten. Der COREPER wird sich morgen mit der Unterzeichnung des Abkommens durch die EU befassen, und der Rat sollte die Ermächtigung zur Unterzeichnung alsbald erteilen.
Das kurzfristige Abkommen wird bis Ende Juli 2007 in Kraft bleiben. Während dieser Zeit wollen sich die Parteien auf eine dauerhafte Vereinbarung für die Freigabe von PNR-Daten verständigen. Die Verhandlungen darüber sollen so bald wie möglich beginnen.
Die Einigung ist das Ergebnis ziemlich harter Verhandlungen. Die Vereinigten Staaten wollten die vorhergehenden Regelungen so abändern, dass sie besser zu dem veränderten Handlungsumfeld passen. Die größte Herausforderung in den Verhandlungen bestand darin, auf jene Änderungen zu reagieren, die es seit 2004 in der US-Gesetzgebung und Verwaltungsstruktur gegeben hat, während es gleichzeitig galt, die grundlegenden Prinzipien in Bezug auf die Datenschutzstandards für Europäer beizubehalten.
Neben dem eigentlichen Text des Abkommens drehten sich die Gespräche auch um ein Schreiben der US-Unterhändler an die Kommission und den Vorsitz, in dem es um die Auslegung der eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Verwendung von PNR-Daten geht. Die EU wird das Schreiben zur Kenntnis nehmen, aber es wird nicht Bestandteil der Vereinbarung werden.
Das Ergebnis der Verhandlungen ist aus vielerlei Gründen ein Erfolg. Erstens dient das kurzfristige Abkommen dazu, die Sicherheit der Flugpassagiere zu gewährleisten. Das ist ganz besonders wichtig.
Zweitens möchte ich betonen, dass die Verpflichtungen im Hinblick auf die Verwendung von PNR-Daten, die bereits früher von der US-Administration eingegangen worden sind, auch weiterhin gelten werden. Ziel ist es, das gleiche Datenschutzniveau für die PNR-Daten der Bürgerinnen und Bürgern zu garantieren, die das vorhergehende System geboten hat. Das Abkommen enthält eine Bestimmung, wonach das US-Ministerium für Heimatschutz gehalten ist, einen angemessenen Schutz von PNR-Daten, die von der EU übermittelt wurden, zu garantieren. Dem liegt insbesondere der Gedanke zugrunde, dass sich das Heimatschutzministerium auch weiterhin an seine Verpflichtungen hält, die es 2004 eingegangen ist. Infolge der organisatorischen Veränderungen innerhalb der US-Administration ist nach dem neuen Abkommen die Zahl der Behörden mit elektronischem Zugang zu den PNR-Daten größer als vorher. Diese Behörden sind jedoch in dem Abkommen aufgeführt.
Drittens bin ich froh darüber, dass sich die Freigabe von PNR-Daten nach dem neuen Abkommen auf die gleichen 34 Datenfelder bezieht wie bei dem früheren Abkommen.
Viertens garantiert die neue Vereinbarung Rechtssicherheit für die Öffentlichkeit und gewährleistet, dass der transatlantische Flugverkehr fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass die Fluglinien weiter rentabel betrieben werden können.
Wir haben noch weitere gute Nachrichten für die Fluggesellschaften. Während der Verhandlungen haben die Vereinigten Staaten mit der Erprobung von Systemen begonnen, bei denen Fluggesellschaften, beginnend mit diesem Jahr, selbst PNR-Daten in die Datenbanken der US-Behörden einspeisen können. Das ist immer ein wichtiges Anliegen für uns gewesen.
Die Verhandlungen über ein langfristiges PNR-System, das dieses kurzfristige Abkommen im Juli 2007 ersetzen soll, werden in nächster Zukunft beginnen. Wir haben außerdem vereinbart, dass Fragen wie die Speicherung und Vernichtung von Daten erst im Rahmen dieser Gespräche über ein PNR-System gelöst werden sollen. Wir werden also schon sehr bald auf diese Angelegenheit zurückkommen.
Herr Präsident! Ich bedauere, dass ich diese Debatte nicht weiter verfolgen kann, da ich, wie mit dem Parlament vorab vereinbart, um 18.20 Uhr gehen muss; denn leider wartet mein Flugzeug keine Minute.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, als Erstes kann ich der positiven Einschätzung dieses Abkommens durch die Ratspräsidentschaft voll zustimmen; es gilt zwar für eine begrenzte Zeitspanne – bis Juli 2007 –, bietet jedoch vor allem den Vorteil, rechtliche Kontinuität in einem äußerst sensiblen Bereich zu sichern. Außerdem ermöglicht es den Fluggesellschaften, einen angemessenen Umgang mit personenbezogenen Daten von in die USA reisenden EU-Bürgern zu gewährleisten, ohne den Flugverkehr von und in die USA zu unterbrechen.
Dieses Abkommen ist Teil einer umfassenderen Verpflichtung. Ich kann ohne Weiteres behaupten, dass während der äußerst komplizierten Verhandlungen sowohl die europäischen Organe – Ratspräsidentschaft und Kommission – als auch die Vereinigten Staaten ihren Willen bestätigt haben, sich sofort gemeinsam an die Arbeit zu machen. Diese würde einen größeren Bereich abdecken und damit zugleich die gemeinsame Entschlossenheit der Europäischen Union und der USA bekräftigen, zusammen auf ein endgültiges Abkommen hinzuarbeiten – das nach August 2007 in Kraft treten und das gegenwärtige befristete Abkommen ersetzen wird – und sich dem umfänglicheren Bereich der Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung verbunden mit dem Schutz der Rechte des Einzelnen zuzuwenden.
Das ist ein viel umfassenderes politisches Konzept. Wie ich bereits bei mehreren Gelegenheiten hervorgehoben habe, halte ich die Einbeziehung des Europäischen Parlaments für eine politische Notwendigkeit, auch wenn die Verfahren laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs zwingend in den Bereich des so genannten dritten Pfeilers fallen.
Selbstverständlich muss dieses Abkommen vom Inhalt her wohlüberlegt werden. Ich weiß, dass es von vielen Abgeordneten sorgfältig geprüft wurde. Ich möchte einige kurze Bemerkungen anführen. Erstens gibt das Abkommen kein grünes Licht für den Austausch einer größeren Datenmenge. Es gestattet die Datenweiterleitung an andere mit Zoll- und Grenzschutzaufgaben betraute Behörden, unter vollständiger Wahrung vergleichbarer Datenschutzbestimmungen.
Uns geht es nicht um eine Änderung des Abkommens, denn, wie Sie wissen, haben wir die Bedeutung der Verpflichtungserklärungen geklärt. In der Tat vollzog sich nach 2004 aufgrund der internen US-Gesetzgebung ein Wandel in der Behördenstruktur. Vorher, d. h. Anfang 2004, gab es nur die United States Customs and Border Protection, die Zoll- und Grenzschutzbehörde der USA. Heute haben wir indessen beispielsweise einen neuen Gesprächspartner, namentlich das Department of Homeland Security, das wir, zumindest nach Auslegung der Verpflichtungserklärungen, mit in Betracht ziehen müssen. Die vorgenannten Behörden sind ebenfalls an diesem Verfahren beteiligt, weshalb es unmöglich ist, sich nicht auf sie zu beziehen.
Wodurch zeichnet sich diese Auslegung aus? Zum einen haben wir das Vorhandensein verschiedener Stellen zu berücksichtigen; zum anderen haben wir festgelegt, dass die United States Customs and Border Protection ihre bisherige Funktion beibehält, wonach diese Behörde – und nur sie – der direkte Adressat des Datentransfers ist. Die anderen Stellen können die von ihnen benötigten Daten von dieser Behörde auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung erhalten. Mithin geht es nicht um den direkten Datenzugriff durch andere Einrichtungen, sondern um die Übermittlung an andere Stellen auf deren Ersuchen hin.
Wie muss nun ein Ersuchen gestaltet sein, das eine solche Übermittlung rechtfertigt? Wie ich bereits gesagt hatte, müssen die Ersuchen im Einzelfall gestellt werden. Wir haben klargestellt, dass der Begriff „Einzelfall“ bedeutet, dass entweder eine konkrete Bedrohung oder ein spezifischer Flug bzw. eine Flugroute angegeben wird, für die eine Datenanforderung rechtfertigende Informationen vorliegen. Eine solche Datenanforderung wäre nur aus Gründen im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt, was auch vorher so war; diesbezüglich hat sich nichts geändert. Deshalb haben wir genau spezifiziert, dass US-Stellen mit anderen als der Terrorismusbekämpfung dienenden Ermittlungssaufgaben keinen Zugriff haben werden, auch nicht auf ein indirektes Ersuchen hin.
Der andere meines Erachtens wichtige Aspekt betrifft zum einen die Unmöglichkeit eines Direktzugriffs und zum anderen die Änderung der Modalitäten für den Datenzugriff. Viele Abgeordnete haben in der Vergangenheit häufig das Versagen oder die ungenügenden Garantien des so genannten „Pull“-Systems kritisiert, das dem Benutzer den direkten Abruf aus den Datenbanken gestattet. Wir haben demzufolge verlangt, dass das System umgestellt und durch ein „Push“System ersetzt wird, wie es mehrfach von parlamentarischen Autoritäten ausdrücklich gefordert und nun vereinbart wurde.
„Push“-System bedeutet, wie schon der Name sagt, dass die Daten nicht abgerufen, sondern auf Anfrage hin übermittelt werden. Es wurde vereinbart, dass der neue Mechanismus, wie wir in dem Begleitschreiben an die USA hervorgehoben haben, bis spätestens Dezember 2006 in Betrieb genommen wird, das ist in maximal eineinhalb Monaten. Das System wird zunächst getestet, um seine Funktionsweise zu prüfen, doch auf jeden Fall wird es – ich wiederhole – bis Ende dieses Jahres betriebsbereit sein.
Darüber hinaus wurde eine spezifische Verpflichtung bekräftigt, nämlich – im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union – die Achtung der Grundrechte der Bürger beim Umgang mit personenbezogenen Daten. Wir haben einen Verweis auf eben diesen Artikel 6 anstelle des Hinweises auf eine Datenschutzrichtlinie eingefügt, weil der Europäische Gerichtshof festgestellt hatte, dass diese Richtlinie auf Sicherheitsfragen nicht unmittelbar anwendbar ist. Somit wäre ein wichtiger Verweis auf eine europäische Rechtsvorschrift weggefallen. Wir haben ihn folglich durch einen allgemeineren Verweis – der meiner Ansicht nach verbindlicher ist – auf Artikel 6 des EU-Vertrags, wo auf die Grundrechte der Personen Bezug genommen wird, ersetzt.
Schlussendlich haben sich die US-Behörden verpflichtet, weiterhin, auch vonseiten des Department of Homeland Security, ein angemessenes Schutzniveau bei der Datenverarbeitung und mithin selbstverständlich die Möglichkeit einer Überprüfung der Anwendung dieses Abkommens zu gewährleisten, was übrigens auch schon in dem vorherigen Abkommen verankert war.
Der letzte Aspekt bezieht sich auf die Bestätigung der Speicherdauer für die Daten, eine Frage, die nicht angeschnitten wurde. Es stimmt, dass es eine Forderung gab, die Daten über die in dem geltenden oder vorherigen Abkommen vorgesehene Frist hinaus aufzubewahren. Diese Forderung verlief im Sande, zum einen, weil das Abkommen im Juli 2007 ausläuft, und zum anderen, weil wir der Ansicht waren, dass ein so sensibles Thema wie die Dauer der Vorratsspeicherung erforderlichenfalls Gegenstand späterer Verhandlungen sein könnte. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission diese Verhandlungen im Januar 2007 einzuleiten beabsichtigt, damit sie bis Ende Juli 2007 ausreichend vorangeschritten sind, um zu einem endgültigen Abkommen zu gelangen.
Ewa Klamt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident, Kolleginnen und Kollegen! Noch vor kurzem feierten Teile dieses Parlaments die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der die Vereinbarung der EU mit den Vereinigten Staaten über den Zugriff der USA auf Fluggastdaten aus formalen Gründen für nichtig erklärte. Das jetzt geschlossene Interimsabkommen ist jedoch hinsichtlich Art und Umfang der Informationen weitgehend unverändert. Zwar haben die Vereinigten Staaten nicht mehr automatisch Zugriff auf die Daten, sondern müssen stattdessen bei den Fluggesellschaften anfragen. Dies ist ein Verhandlungserfolg, für den ich Herrn Frattini ausdrücklich danken möchte.
Allerdings war nach der vom EuGH für nichtig erklärten Vereinbarung klar geregelt, dass die Zoll- und Grenzschutzbehörden diese Daten nur in Einzelfällen weitergeben durften. Nun dürfen die Fluggastdaten bei Bedarf an alle amerikanischen Dienststellen, die für die Terrorismusbekämpfung zuständig sind, weitergeleitet werden. Der Fluggast hat wohl nicht das Gefühl, dass damit sein Sicherheitsrisiko erhöht ist. Das Gegenteil ist eher der Fall. Doch meine Fraktion, die EVP-ED, hat sehr wohl das Gefühl, dass Teile dieses hohen Hauses mit der Klage vor dem EuGH uns allen keinen guten Dienst erwiesen haben. Denn wir müssen heute eines feststellen: Das neue Abkommen beinhaltet keinen höheren Datenschutz als das alte Abkommen.
Deshalb plädiere ich dafür, dass wir uns weiterhin für unsere hohen europäischen Datenschutzstandards einsetzen, auch in dem Fall der Weitergabe von Fluggastdaten. Dies sollte durch die Einflussnahme des Europäischen Parlaments und der Kommission auf die zukünftigen Verhandlungen geschehen. Aber wir müssen auch konstatieren: Ein souveräner Staat wie die Vereinigten Staaten wird auch weiterhin das Recht in Anspruch nehmen, Regeln aufzustellen, wer unter welchen Bedingungen in sein Land einreist.
Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zuerst möchte ich im Namen meiner Fraktion sagen, dass wir dringend eine neue Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten brauchten. Es war wirklich nicht möglich, die Fluggesellschaften in dem rechtsfreien Raum zu belassen, in dem sie sich seit dem 30. September befanden, und sie der Androhung strenger Sanktionen, wenn sie die geforderten Daten nicht übertragen würden, auszusetzen. Wir mussten notwendigerweise ein gemeinsames Abkommen für die Gesamtheit der Mitgliedstaaten der Union finden, um ein gleichwertiges Niveau des Schutzes für jeden einzelnen zu garantieren.
Wir sind jedoch über die Leichtfertigkeit der Datenübertragung sehr besorgt. Die anschließende Übertragung der Daten an andere für den Kampf gegen den Terrorismus verantwortliche Agenturen wirft ein Problem auf, wenn wir dem nicht geeignete Garantien entgegenstellen. Wir verlangen, dass die europäischen Bürger das Recht erhalten, im Falle einer missbräuchlichen Nutzung dieser Daten den Rechtsweg einzuschlagen. Wir erwarten von den amerikanischen Behörden, dass sie die Schutzgarantien anwenden, die wir von ihnen verlangen und die in den Verpflichtungserklärungen festgeschrieben sind.
Wir halten es für notwendig, auch die nationalen Parlamente mit einzubinden. Artikel 24 des Vertrags sieht vor, dass die Europäische Union Vertragspartner ist. Das hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, ein Verfahren der parlamentarischen Ratifizierung anzuwenden So haben die Mitgliedstaaten, bis auf zwei, anlässlich der Unterzeichnung der Verträge über die gerichtliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten eine Erklärung abgegeben, gemäß der sie erst nach der Ratifikation durch ihre Parlamente an diese Verträge gebunden seien. Können Sie uns bestätigen, dass das gleiche für den Vertrag über die PNR-Daten gilt, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt diese Ratifizierungen erfolgen werden? Das ist eine sehr präzise Frage, auf die wir gern eine Antwort hätten.
Schließlich müssen sich die Verhandlungen über die neue Vereinbarung für 2007 auf die Definition eines globalen und verbindlichen Rahmens konzentrieren, der den Schutz der Sicherheit und der Grundrechte der Bürger garantiert. Scheuen wir uns nicht davor, es nochmals zu sagen: Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente müssen einbezogen werden. Darüber hinaus ist es notwendig, globale Überlegungen zum Datenschutz der europäischen Bürger im Rahmen der transatlantischen Beziehungen anzustellen. Eine jüngste Anhörung zur Gesellschaft SWIFT hat uns in der Tat die möglichen Konflikte zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Recht gezeigt. und wir müssen diese Konflikte regeln: das ist unsere Verantwortung.
VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Sophia in 't Veld, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich habe das Gefühl, ich bin im falschen Film und habe das falsche Drehbuch vor mir. Die amtierende Ratspräsidentin und der Kommissar haben über das Abkommen gesprochen und dabei das Begleitschreiben des Department of Homeland Security komplett ignoriert, in dem das Abkommen ganz anders ausgelegt wird, als Sie das soeben dargestellt haben. Deshalb kann ich leider die Freude der Ratspräsidentschaft und der Kommission nicht teilen.
Ich habe einen Brief geschrieben – den die amtierende Ratspräsidentin soeben erwähnt hat –, und dieser Brief enthält eine Reihe von Fragen. Ich würde sehr gern eine Antwort auf diese Fragen erhalten, vorzugsweise während dieser Sitzung bzw. ansonsten in schriftlicher Form. So sagten Sie z. B., Umfang und Art der Daten sowie das Schutzniveau hätten sich nicht geändert, doch wie ist dann der Teil des Begleitschreibens der Amerikaner zu erklären, in dem es heißt, dass wir – zusätzlich zum Zweck der Bekämpfung des Terrorismus und damit in Zusammenhang stehenden Straftaten – auch die Daten erheben werden, die zur Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten und anderen Risiken benötigt werden? Ich nenne das eine erhebliche Ausweitung des Rahmens. Die Ausweitung der gemeinsamen Nutzung der Daten bringt mit sich, dass auch Behörden mit eingeschlossen werden, von denen noch nicht alle benannt wurden. Die Amerikaner sagen nun, dass sie die vereinbarten Daten-Rückhaltezeiten eventuell nicht einmal für die Daten einhalten werden, die unter dem alten Abkommen erhoben wurden.
Sie sagten, wir hätten uns auf ein „Push“-System geeinigt: Es tut mir leid, aber ich habe da etwas anderes gelesen. Ich habe gelesen, dass die Amerikaner zum „Push“-System übergehen werden, sobald dies technisch machbar ist. Na dann, herzlichen Glückwunsch! Das war auch schon Bestandteil des alten Abkommens. Es ist seit über einem Jahr technisch machbar, und die Amerikaner haben sich schlichtweg geweigert, zu dem System überzugehen. Wie können Sie das dann so auf einer Pressekonferenz präsentieren?
Ich hätte außerdem gern eine Antwort auf die Auswirkungen auf andere Kategorien – dieses Abkommen schafft ja einen Präzedenzfall – zum Beispiel die Informationen über Bankkonten wie im Fall von SWIFT und die Telekom-Aufzeichnungen, zu denen die Amerikaner Zugang haben. Könnte jemand bitte darauf antworten?
Ich glaube, wir sollten in die Zukunft blicken, denn leider brauchen wir dieses Abkommen. Die einzige andere Option wäre der gänzliche Verzicht auf ein Abkommen gewesen, und in diesem Fall hätten die Mitgliedstaaten nicht solidarisch zusammengehalten, sondern einfach bilaterale Abkommen mit den Amerikanern abgeschlossen. Ich glaube, dass wir für die Zukunft ein starkes und eindeutiges Mandat brauchen. Ein solches starkes Mandat erfordert aus Gründen der demokratischen Legitimität die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Das ist die einzige Grundlage, auf der ein neues Abkommen abgeschlossen werden kann. Deshalb hoffe ich, dass die Brückenklausel so schnell wie möglich angenommen werden wird. Ich weiß, dass Sie zumindest in dieser Angelegenheit auf unserer Seite sind.
(Beifall)
Johannes Voggenhuber (Verts/ALE). – Herr Präsident! Meine Kollegin in 't Veld ist nicht im falschen Schauspiel. Es geht um die Verteidigung der Rechte unserer Bürger und die Rolle des Parlaments. Nur die Inszenierung, Frau Kollegin, ist etwas müde, und die Schauspielerbesetzung ist nicht grandios.
Bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs hatten wir es mit der Weitergabe persönlichster Daten unserer Bürger an einen fremden Staat zu tun. Seit diesem Urteil wissen wir, dass dies – Frau Klamt, nicht nur aus formalen Gründen – eine illegale Weitergabe von Daten war. Wir haben die Daten unserer Bürger ohne rechtliche Grundlage weitergegeben. Ein anderes Wort dafür ist „illegal“. Das ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte ohne rechtliche Basis. Da ist nichts formal. Das sollte uns sehr zu denken geben.
Womit haben wir es heute zu tun? Mit einem Abkommen, das in der dritten Säule – also der Regierungszusammenarbeit ohne Parlament, ohne öffentliche Debatte, ohne Zuständigkeit des Gerichtshofs, aber auch ohne nationale Parlamente, ohne Ratifikation – eine juristische Fortsetzung dieser illegalen Weitergabe ist. Wenn Sie meinen, die Amerikaner haben das Recht zu bestimmen, wen sie unter welchen Umständen in ihr Land reisen lassen, dann würde ich doch meinen, wir wären uns bisher einig gewesen, dass es dafür in der Würde des Menschen, im Völkerrecht und in den Menschenrechten eine gewisse Grenze gibt.
Als haarsträubende Absurdität empfinde ich wirklich das Argument der Kommission, zu sagen: Wir geben die Daten weiter, aber der Schutz der Grundrechte unserer Bürger bleibt aufrecht, denn die Amerikaner haben uns versprochen, denselben Datenschutz zu gewährleisten, den wir in Europa genießen. Ja, haben wir inzwischen einen Superstaat mit den Amerikanern? Verbieten uns nicht die Grundrechte die Weitergabe der Daten unserer Bürger an fremde Staaten, gleichgültig, welchen Datenschutz sie dort haben? Verbieten uns die Grundrechte nicht sogar die Weitergabe von Daten durch Fluggesellschaften an unsere Behörden, wenn es den Grundrechten widerspricht?
Ich persönlich muss sagen: Ja, das Theaterstück über die Verteidigung der Grundrechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger wäre schon das richtige, aber die Besetzung und die Inszenierung sind miserabel.
Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident! Frau in ’t Veld hat Recht. Das letzte Woche abgeschlossene PNR-Abkommen ist nun wahrlich kein Grund zum Feiern. Zwar wurde dadurch, dass es überhaupt wieder ein Abkommen gibt Rechtsunsicherheit vermieden Aber inhaltlich ist im Kern nichts erreicht. Das neue Abkommen bleibt vielmehr sogar hinter dem vorherigen zurück.
Die Europäische Union ist wieder einmal im Kotau vor Washington in die Knie gegangen. Wie anders soll man es denn bewerten, dass die PNR-Daten direkt an das US-Heimatschutzministerium weitergegeben werden? Vor allem die Tatsache, dass diese allmächtige US-Behörde die Daten europäischer Flugpassagiere künftig routinemäßig an jegliche US-Stellen, die im Bereich der Terrorismusbekämpfung tätig sind, also auch an die CIA, weitergeben können — dies ist der eigentliche Skandal. Die CIA ist doch nun wahrlich kein unbeschriebenes Blatt. Ich erinnere bloß daran, dass dieses Haus einen Sonderausschuss eingesetzt hat, weil die CIA im Zuge der so genannten Terrorbekämpfung Menschen aus Europa wie den deutschen Staatsbürger Khaled El Masri einfach so gekidnappt und gefoltert hat. Vor diesem Hintergrund sollen wir glauben, dass dieser berüchtigte Geheimdienst mit Fluggastdaten unserer Bürgerinnen und Bürger nicht macht, was er will?
Entgegen den Forderungen des Parlaments haben EU-Bürgerinnen und Bürger auch unter dem neuen Abkommen nicht einmal dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten wie amerikanische Flugpassagiere. Sie werden nicht über gleichwertige Rechtsmittel verfügen, um sich gegen die Verarbeitung inkorrekter Daten oder gegen den Missbrauch ihrer Daten wehren zu können. Warum war es nicht möglich, die für US-Amerikaner geltenden Regelungen auch für Bürgerinnen und Bürger der EU anwendbar zu machen, wie beispielsweise im Abkommen zwischen der EG und Kanada geregelt ist? Die Bürgerinnen und Bürger der EG werden im Zuge des PNR-Abkommens in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht ausreichend geschützt, und dies ist für meine Fraktion nicht hinnehmbar.
Der einzige Lichtblick wäre vielleicht der vorgesehene Systemwechsel vom Pull- zum Push-System, jedoch auch der ist relativ. Dieser Wechsel soll trotz bestehender Verpflichtungen der USA eben nicht umgehend eingeführt, sondern erstmal per Testlauf versucht werden. Mit Kanada wird das Push-System doch praktiziert, und es ist technisch durchaus machbar. Was also hat die EU davon abgehalten, darauf zu bestehen, dass die USA ihre Verpflichtung, die sie uns gegenüber längst eingegangen sind, sofort einhalten?
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Trotz der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, möchte ich drei Punkte ansprechen:
Erstens, welche weiteren Garantien haben die amerikanischen Behörden in Bezug auf die Verwendung der Daten gegeben? Ich weiß, es gibt das „Push“-System und das „Pull“-System usw., aber welche Kriterien gelten für die Verwendung der Daten?
Zweitens, wenn wir hören, dass in jedem Fall neu entschieden werden soll, ob eine Bedrohung vorliegt bzw. ob ein bestimmter Flug bedroht ist, wie viel Zeit haben wir dann, um auf diese Informationsanforderung zu reagieren, und welche Schwierigkeiten wird es beim Zugriff auf diese Daten geben? Und ich meine das sowohl aus europäischer Perspektive als auch aus US-amerikanischer Perspektive.
Drittens, und das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt: Sollten wir herausfinden, dass Daten missbraucht worden sind, welche Möglichkeiten der Kompensation haben wir dann? Welchen Mechanismus gibt es, um zu gewährleisten, dass die amerikanischen Behörden etwaigen Missbrauch der Daten von Einzelpersonen oder Personengruppen in irgendeiner Form kompensieren?
Das sind Fragen, auf die meines Erachtens alle europäischen Bürger eine Antwort haben möchten. Ich stimme dem Abkommen zu, ich denke, es ist im Großen und Ganzen ein gutes Abkommen und besser als sein Vorgänger, aber es gibt noch weiteren Klärungsbedarf.
Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich habe all dem, was der Minister und Kommissar Frattini gesagt haben, sehr aufmerksam zugehört. Sie beide haben anerkannt, dass das erzielte Abkommen für Europa positive Elemente enthält.
Die vorherrschenden Positionen waren meines Erachtens jedoch die der amerikanischen Seite. Ich habe zu diesem Zwischenabkommen drei konkrete Anmerkungen. Erstens, im Abkommen heißt es, wie auch Herr Frattini erwähnt hat, dass sich an der Zahl der übermittelten Daten nichts ändern wird, dass dieses Abkommen aber die Möglichkeit offen lässt, neue Informationen über Vielflieger aufzunehmen. Meiner Meinung nach lässt dieser Punkt eine Reihe von Interpretationen zu. Könnte der Kommissar vielleicht dem Haus erläutern, was zutrifft?
Zweitens, es wurde vereinbart, vom Pull-System zum Push-System überzugehen, das heißt, dass die Fluggesellschaften ihre eigenen Systeme aktualisieren. Kann uns die Kommission mitteilen, wer die Kosten des Systemwechsels tragen wird? Ich fürchte, dass die Kosten an die Passagiere weitergegeben und auf die Tickets aufgeschlagen werden.
Drittens bin ich beunruhigt über die Beibehaltung des Begriffs „ausreichend“, der zur Bezeichnung des Datenschutzniveaus verwendet wird. Wer entscheidet denn tatsächlich darüber, ob das Niveau „ausreichend“ ist? Sind die Zusicherungen, die von der amerikanischen Seite gegeben werden, ausreichend? Kann uns der Kommissar sagen, welche Garantien wir für einen tatsächlichen Datenschutz haben?
Schließlich bin ich der Ansicht, dass all dies in der neuen Verhandlungsrunde, die im Januar beginnen soll, geklärt werden muss. Das neue Abkommen sollte ausgewogener sein als das vorliegende.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EN) Herr Präsident! Im zeitweiligen PNR-Abkommen mit den Vereinigten Staaten werden die einseitigen Verpflichtungserklärungen der USA zur ordnungsgemäßen Verwendung und zum Schutz personenbezogener Daten in Form eines Protokolls weiterhin als unverbindlich angesehen. Warum? Und wie ist es möglich, dass der Europäische Rat hier ein Abkommen unterzeichnet hat, das im Hinblick auf die Verpflichtungen der USA flexibler zu sein scheint als der Vertrag, den ein rein privates Unternehmen, SWIFT, mit den Behörden der USA über die unzulässige Übermittlung von Bankdaten aushandeln konnte? So ist SWIFT nach eigenen Aussagen in der Lage, etwaige Suchanfragen der USA in Echtzeit zu blockieren, wenn diese dem vereinbarten Zweck zuwiderlaufen.
Die Fälle PNR und SWIFT weisen auf ein gefährliches politisches und rechtliches schwarzes Loch beim Schutz unserer Grundrechte hin. Ein Drittland, das ausschließlich Gründe der eigenen nationalen Sicherheit anführt, kann offensichtlich gegenüber Europa einschließlich direkt gegenüber privaten Unternehmen Bedingungen über das Ausmaß des Zugangs zu Daten, die Verwendung der Daten und selbst den Datenschutz stellen. Das ist völlig inakzeptabel, und obwohl die gesamte EU-Säulen-Struktur in diesen beiden Fällen de facto versagt hat, besteht der Rat darauf, dem Parlament die Rolle eines gleichberechtigten Partners bei der Bekämpfung des Terrorismus und beim Schutz der Grundrechte zu verwehren. Was jetzt dringend gebraucht wird, ist ein umfassendes und demokratisches europäisches Konzept, um in Zusammenarbeit mit allen unseren Partnern weltweit diese Fragen in Zukunft anzugehen.
Jean-Marie Cavada (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Im Hinblick auf die große Zahl von Rednern und anwesenden Personen bei dieser Aussprache möchte ich versuchen, Sie nicht weiter zu strapazieren. Ich stimme den meisten der hier vorgetragenen Aussagen über ein wirklich sehr ernstes Thema zu. Ich möchte Herrn Frattini öffentlich für seine Bemühungen danken, unseren Ausschuss zu informieren. Dabei spreche ich als Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, da meine Fraktion bereits in der Person von Frau Sophie in’t Veld zu Wort gekommen ist.
Ich möchte zwei Bemerkungen machen, wobei sich die erste auf das politische Klima bezieht. Mir scheint, dass es bei den nächsten Verhandlungen erforderlich sein wird, mehr auf den Begriff der Gegenseitigkeit einzugehen. Ich möchte über die Gegenseitigkeit bei den Informationen sprechen, die wir bereit sind an die amerikanischen Dienststellen zu übermitteln. Was können wir hingegen umgekehrt erhoffen? Ich habe allen Grund, mich das zu fragen, denn da wir als Europäer die Möglichkeit haben müssen, in den USA zu landen, vor allem im Zusammenhang mit unserer Geschäftstätigkeit, so darf der gleiche Bedarf auf Seiten der amerikanischen Unternehmen nicht unterschätzt werden, denn viele Geschäfte werden in Europa abgewickelt. Daher sind unsere Positionen im relativen Gleichgewicht.
Die zweite Bemerkung betrifft die Zukunft. Das Übergangsabkommen läuft im Juli 2007 aus. Also muss die Folgezeit vorbereitet werden, sicherlich die Zeit ab Ende des nächsten Winters. Erscheint es Ihnen nicht unvernünftig, Herr Vizepräsident, aufgrund der zahlreichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Grauzonen dieses Abkommens stellen, vor allem – was mich ein wenig beunruhigt – das Begründungsschreiben, auf das Sophie in ’t Veld soeben hingewiesen hat, darauf zu hoffen, dass bis zum nächsten Gipfeltreffen USA/Europa, das heißt bis April 2007, eine Art Kompromiss gezimmert wird? Kann man erhoffen, eine Art transatlantisches Schengen zu errichten, auf dessen Grundlage die USA einerseits und die Europäische Union andererseits einen Rahmen festlegen könnten, der die Regelung des Problems der Sicherheitsanforderungen und des Schutzes der Bürger ermöglichen würde? Wir haben jetzt das Recht auf eine neue politische Grundlage, denn in einigen Monaten werden wir Verhandlungen über ein neues Abkommen aufnehmen.
Giusto Catania (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, am ehrlichsten wäre es, wenn wir zugeben, dass wir uns haben erpressen lassen, denn bedauerlicherweise wurde Europa in dieser Frage von den Vereinigten Staaten erpresst; da die USA nämlich bereits mit einzelnen Mitgliedstaaten und Fluggesellschaften verhandelt hatten, waren wir praktisch gezwungen, das fragliche Abkommen zu schließen. Das ist – ich wiederhole es – der ehrlichste politische Standpunkt, den das Parlament zum Ausdruck bringen muss.
Stattdessen ist es so, als müssten wir ein Abkommen verteidigen, das den europäische Bürgern effektiv schadet: Wahr ist, dass sich nichts geändert hat, obschon das vom Gerichtshof für nichtig erklärte Abkommen wirklich schlecht war. Wir sollen den US-Behörden 34 Datenkategorien überlassen, von denen nach eigenem Bekunden der Amerikaner normalerweise nur sieben oder acht verwendet werden. Wenn dem so ist, dann verstehe ich nicht, wieso wir all diese Informationen weiterleiten, noch dazu an die amerikanischen Geheimdienste – eine Neuerung dieses Abkommens –, es sei denn, dass irgendjemand behauptet, dass wir der CIA trauen können.
Ich glaube nicht, dass ich nur für mich selbst spreche; vielmehr bin ich der Auffassung, dass dieses Parlament gute Gründe hat, um der CIA nicht zu trauen. Was in Europa geschah, ist für alle offenkundig: Das Europäische Parlament hat sogar einen Sonderausschuss zu den CIA-Aktivitäten in Europa eingesetzt, und es gab Debatten über die Vorfälle im Zusammenhang mit SWIFT, als sich herausstellte, dass unsere Bankkonten von den Amerikanern inspiziert wurden. Deshalb bin ich nach wie vor fassungslos und glaube immer noch, dass wir der Tätigkeit der US-Nachrichtendienste nicht trauen können.
Nach meinem Dafürhalten wurde das fragliche Abkommen nicht im Namen der europäischen Bürger ausgehandelt; und gewiss auch nicht im Namen dieses Parlaments, das bei den Gesprächen vollkommen übergangen wurde, wie Frau in 't Veld soeben erinnerte. Meiner Meinung nach müssen jedoch sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente einbezogen werden, damit dieses Abkommen so abgeschlossen wird, dass der Verteidigung der Rechte der EU-Bürger Priorität beigemessen und insbesondere verhindert wird, dass unsere persönlichen Daten in die Hände von Personen gelangen, die sicher keinen sachgerechten Gebrauch davon machen.
Michael Cashman (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Kommissar gratulieren. Das Abkommen ist nicht perfekt. Aber wenn Kompromisse eingegangen werden müssen, dann sind Abkommen ja nie perfekt. Doch wie Frau in 't Veld sagte, blieb uns nur die Wahl zwischen einem Abkommen und keinem Abkommen. Wäre gar kein Abkommen zustande gekommen, hätten wir Datenanarchie und ganz bestimmt keinen EU-weiten Schutz unserer Bürger. Ich möchte mich den Ausführungen von Herrn Cavada, dessen Ansatz ich für sehr konstruktiv halte, ohne Abstriche anschließen.
Wir müssen uns mit dem Thema PNR beschäftigen, und wir müssen uns mit dem Thema SWIFT beschäftigen – übrigens wäre die von SWIFT ausgehandelte Absichtserklärung eine gute Grundlage für zukünftige Verhandlungen. Doch wir können darin auch eine Chance sehen, die so genannte transatlantische Schengen-Zone aufzubauen, denn mit diesen Problemen werden wir immer wieder konfrontiert werden.
Meine Damen und Herren, es wird uns jedoch nichts aufgezwungen. Wir haben die Wahl. Wenn wir in die Vereinigten Staaten reisen wollen, gelten für uns die Regeln der Vereinigten Staaten. Wenn wir in den Vereinigten Staaten ein Unternehmen gründen wollen, dann gilt genau dasselbe Prinzip.
Wir müssen die Verhandlungen im Allgemeininteresse führen, und dieses Interimsabkommen ist ein Schritt in diese Richtung. Glückwunsch, Herr Kommissar! Es ist die einfachste Sache der Welt, etwas kaputtzumachen, und die schwerste, etwas zu unterstützen. Gut gemacht!
Alexander Alvaro (ALDE). – Herr Präsident! Ich muss zugeben, dass ich Teile durchaus anders sehe als mein Vorredner. Aber Michael Cashman und ich haben ein freundschaftliches Verhältnis der unterschiedlichen Auffassungen, und das funktioniert eigentlich ganz gut.
Nichtsdestotrotz finde ich es sehr bedauerlich, dass der Rat nicht mehr hier ist, denn der Redebeitrag des Rates zeigt deutlich, dass er weder bei den Verhandlungen dabei war, noch weiß, was in diesem Abkommen steht. Man kann nicht davon sprechen, dass es ein datenschutzrechtliches Mehr gibt, wenn im Bereich Datenschutz das Gleiche verabschiedet worden ist, was vorher auch drinstand, nämlich null, und das Doppelte von null bleibt null. Wir wissen nach wie vor nicht, wo die Daten, die abgefragt werden, letztendlich landen werden. Wir wissen nicht, welche Behörde in den Vereinigten Staaten Zugriff darauf hat, wo sie also letztendlich gelagert werden, geschweige denn, wohin sie übermittelt werden. Wir wissen nicht, wann sie gelöscht werden. Es gibt keinen Anspruch europäischer Bürger nachzufragen, wo diese Daten sich befinden. Es gibt keinen Anspruch auf Korrektur der Daten. Insofern stimmt es nicht, dass wir substanziell mehr erreicht haben.
Ich mache es nicht Ihnen persönlich zum Vorwurf, Herr Kommissar, denn ich weiß, welchen Druck die Vereinigten Staaten ausgeübt haben, aber ich würde mir wünschen, dass man diesem Druck nicht so erlegen wäre und dass man zum Beispiel das, was mein Kollege Jean-Marie Cavada gesagt hat, aufgreift und sagt: Wenn ihr von uns Daten erwartet, dann gebt uns auch eure.
Wer sagt uns denn, dass es keine Bedrohungssituation aus den USA für die Europäische Union geben kann? Wer sagt denn, dass nicht auch wir den Anspruch haben zu erfahren, wer in die Europäische Union einreist? Da muss man in dem Fall Gleiches mit Gleichem vergelten können, anstatt dem Druck einfach so nachzugeben.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Die Ratspräsidentschaft sagte, das Endergebnis sei ein Erfolg, aber meiner Meinung nach handelt es sich hier um einen Ausverkauf. Uns wird gesagt, der Datenschutz werde im Einklang mit den entsprechenden europäischen Normen stehen, doch ich habe in Absatz 3 gelesen, dass die Amerikaner die Daten gemäß geltendem US-amerikanischen Recht verarbeiten werden, und in Absatz 1, dass die Daten bei Bedarf an das Department of Homeland Security weitergegeben werden.
Dann gibt es noch das dazugehörige Begleitschreiben der USA, in dem es sinngemäß heißt, man werde das Abkommen gemäß der von Präsident Bush erlassenen Gesetze über die gemeinsame Nutzung von Daten und den Zugang durch andere Behörden auslegen. Das ist eine totale Geltendmachung des US-amerikanischen Rechtssystems, und ich möchte deshalb Kommissar Frattini bitten, uns mitzuteilen, ob er dieses US-amerikanische Begleitschreiben als wesentlichen Bestandteil des Abkommens erachtet.
In Absatz 6 des Abkommens heißt es sinngemäß, das Department of Homeland Security gelte als Einrichtung, die ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleiste. Aber was ist denn um Himmels Willen mit dem Wort „gelte“ gemeint? In Absatz 1 heißt es sinngemäß, wir verließen uns darauf, dass die USA die Verpflichtungserklärungen weiterhin umsetzen werden, entsprechend der Auslegung nachfolgender Ereignisse. Wir sind also auf die Ereignisse angewiesen, um herauszufinden, ob sich die USA an ihre Verpflichtungen halten! Deshalb entbehrt die Versicherung der Ratspräsidentschaft, die früheren Verpflichtungserklärungen behielten ihre Gültigkeit, jeder Grundlage.
Die Kommission und der Rat sagen, das Abkommen schaffe Rechtssicherheit für die EU-Bürger. Ich stimme dem nur in einer Hinsicht zu: Es schafft die Sicherheit, dass ihre Rechte verraten und verkauft worden sind. Das ist keine Theorie; wir haben das ganze Jahr über im Nichtständigen Ausschuss zur vermuteten Heranziehung europäischer Staaten für die Beförderung und die unrechtmäßige Inhaftierung von Gefangenen durch die CIA von Menschen gehört, über die „weiche“ Informationen an die Vereinigten Staaten weitergegeben wurden, die dann zu „harten“ Informationen wurden und dazu führten, dass Menschen an Länder wie Syrien ausgeliefert und monate- oder jahrelang gefoltert oder in Guantánamo Bay eingekerkert wurden. Das ist keine Theorie.
Der Präsident. Frau Lehtomäki musste nach Finnland zurückreisen – allerdings ohne Preisgabe ihrer Daten –, weil morgen der Indien-Gipfel stattfindet. Deshalb wird in dieser Aussprache keine Antwort des Rates mehr möglich sein.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, ich denke, dass in den kommenden Monaten eine Debatte mit dem Parlament stattfinden wird – weil ich meine persönliche Entschlossenheit sowie die der Kommission bekräftige, einen politischen Dialog mit dem Parlament aufrechtzuerhalten, selbst wenn wir in die Phase der Verhandlungen mit den USA eintreten –, die meiner Ansicht nach gegenseitigen Verständniswillen voraussetzen muss, der wiederum auf der Kenntnis der offiziellen einschlägigen Unterlagen beruht.
Ich habe gehört, dass einige Abgeordnete von der Übermittlung personenbezogener Daten an die CIA sprachen: Das ist ganz einfach nicht wahr! Sie müssen die offiziellen Dokumente lesen, meine Damen und Herren! Daraus ergibt sich nämlich, dass weder die CIA noch andere US-amerikanische Geheimdienste Zugriff auf diese Daten haben werden. So steht es in den amtlichen Dokumenten, die wir geprüft haben. Die Behauptung, wir würden die fraglichen Daten ohne jegliche Kontrolle an Geheimdienste weitergeben, ist falsch. Deshalb bin ich bereit, in einen Dialog einzutreten, allerdings auf der Grundlage gemeinsamer Informationen. Genauso unwahr ist es zu behaupten, die an das Department of Homeland Security übermittelten Daten würden anschließend an alle Behörden weitergeleitet. Das ist definitiv nicht der Fall.
Wir übermitteln Daten nur an die Stellen, die von Amts wegen mit der Aufgabe betraut sind, erstens Ermittlungen anzustellen, die zweitens mit dem Terrorismus im Zusammenhang stehen. Das sind die beiden Bedingungen, die den Kreis der Adressaten der Informationen einschränken. Die Ersuchen um personenbezogene Daten müssen von Fall zu Fall gestellt werden, wobei in den Verpflichtungserklärungen genau festgelegt ist, was darunter zu verstehen ist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das – zwar unterzeichnete, doch noch nicht ratifizierte – Abkommen nicht von dem vorherigen. Letzteres mag Ihnen gefallen oder nicht, aber es wurde weder geändert noch verschlechtert.
Es wurden einige Bemerkungen zum Inkrafttreten des Abkommens gemacht: Herr Roure hat beispielsweise auf Artikel 24 Bezug genommen. Sie wissen sehr wohl, Herr Roure, dass die nationalen Parlamente das Recht – und in einigen Fällen auch die Pflicht – haben, Abkommen zu ratifizieren. Aber Sie wissen ebenso gut, dass dieses befristete Abkommen wirklich eiligst ausgehandelt wurde, um das von Herrn Cashman erwähnte Chaos zu vermeiden. Chaos bedeutet Regel- und Schutzlosigkeit sowie die Möglichkeit, dass jede Gesellschaft eine Vereinbarung unterzeichnen kann. Es ist deshalb klar, dass wir Artikel 24 auf das Abkommen anwenden werden, auch auf jenen Teil, in dem das sofortige Inkrafttreten festgelegt ist. Würden wir alle Ratifizierungen abwarten, würde dieses Abkommen erst nach Juli 2007 wirksam werden, wodurch sofort jenes Chaos entstehen würde, das wir ja gerade vermeiden wollen. Wir reden hier über Regeln, die in den Verträgen niedergelegt sind, und nicht über eine Auslegung unsererseits.
Wir haben wiederholt betont, dass ein „angemessenes Datenschutzniveau“ gewährleistet wird. Diese Formulierung bestand auch vorher schon. Mir wurde eine ernste Frage gestellt: Wie können wir den Bürger oder gar die Europäische Union schützen, wenn dieses angemessene Niveau nicht gewahrt wird? Meine Damen und Herren Abgeordneten, Sie wissen, dass die Verpflichtungserklärungen und das Abkommen die Möglichkeit einer Aufhebung oder Aussetzung des Abkommens vorsehen, sofern sich herausstellen sollte, dass das „angemessene Schutzniveau“ nicht beibehalten wurde. Es gibt also geeignete Instrumente; und wenn es erforderlich sein sollte, gerichtlich vorzugehen, so bin gewiss nicht ich es, der festzulegen hat, in welchem Fall sich ein Richter auf seine Rechtsprechung berufen kann.
Mir gegenüber wurden Bedenken wegen der Existenz eines Begleitschreibens geäußert, in dem die Anwendung einer bestimmten Gerichtsbarkeit, z. B. nur der amerikanischen, vorgesehen sei. Sie wissen doch, dass dieses Begleitschreiben ein einseitiger Akt war, der nicht Bestandteil des Abkommens ist. Die Kommission hat keine Bestimmungen über die Jurisdiktion vereinbart, die möglicherweise in einem einseitigen Schreiben des State Department enthalten waren. Es ist demnach überhaupt nicht wahr, dass wir unsere Rechte in Bezug auf die Jurisdiktion abgetreten haben. Es wird den Gerichten obliegen zu entscheiden, wer klagen darf und wer nicht. Das wird gewiss nicht in dem Abkommen festgelegt, um das es hier geht.
Ich glaube, es gibt noch eine weitere ganz wichtige Frage: nämlich den Pull-Push-Aspekt. Frau in 't Veld hat einige komplizierte Fragen gestellt, insgesamt 17 an der Zahl, die wir bestimmt schriftlich beantworten werden: Das sind sehr technische, aber bedeutende Fragen. Allerdings sind einige darunter, die ich sofort beantworten muss. Es ist ganz einfach nicht wahr, dass nach Maßgabe des Abkommens das von diesem Parlament angestrebte Push-System zu einem von den Amerikanern gewollten Zeitpunkt zur Anwendung kommt. Vielmehr haben wir schriftlich niedergelegt, dass „das System bis spätestens Dezember betriebsbereit sein wird“. In dem Abkommen wird also ein fester und nahe liegender Termin genannt – in eineinhalb Monaten –, und wie Sie wohl wissen, gibt es ein Netz internationaler Fluggesellschaften, die zur AMADEUS-Kette gehören und in der Lage sind, das Push-Verfahren schon ab morgen anzuwenden. Die technischen Kapazitäten und nun auch eine Rechtsgrundlage, die in dem vorherigen Abkommen fehlte, sind also vorhanden. Das ist zweifellos eine Verbesserung: Das Push-System kann schon morgen in Betrieb genommen werden.
Was den begrenzten Anwendungsbereich des Abkommens betrifft, so haben einige – ich glaube, ebenfalls Frau in 't Veld – behauptet, die Datenübermittlung könne nicht mehr nur durch die Terrorismusbekämpfung, sondern auch durch andere Ziele begründet werden. Die Nummern 3 und 34 der Verpflichtungserklärungen, die nicht geändert wurden, legen nach wie vor fest, dass bei Vorliegen eines lebenswichtigen Interesses auch in anderen Fällen als spezifischen Terrorismusermittlungen personenbezogene Daten angefordert werden können. Das ist nichts Neues.
Noch eine letzte Bemerkung, Herr Präsident, und ich entschuldige mich, dass meine Ausführungen so viel Zeit in Anspruch genommen haben. Ich bin vollkommen einverstanden mit dem, was Herr Cavada und Herr Cashman gesagt haben: Wir könnten es auch „Transatlantisches Schengen-Übereinkommen“ nennen (mir gefällt diese Bezeichnung). Unbestritten ist, dass wir mit den Vereinigten Staaten umfangreiche politische Verhandlungen führen müssen. Wir müssen ein für allemal festlegen – und auch das Parlament muss das tun –, ob die USA, was ich glaube, Europas wichtigste Verbündete bei der Terrorismusbekämpfung oder ob sie ein Problem sind. Ich betrachte sie als unsere wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus; da dem so ist, versteht es sich von selbst, dass wir Europäer, die wir den Schengen-Raum der Sicherheit und der Durchsetzung der Rechte geschaffen haben, dasselbe mit den Vereinigten Staaten von Amerika auf den Weg bringen müssen. Andernfalls riskieren wir zu vergessen, dass das Problem der Terrorismus ist und nicht die USA.
Präsident. Ich danke dem Kommissar und allen Kolleginnen und Kollegen, die sich an dieser wichtigen Aussprache beteiligt haben.