Der Präsident. Ich erkläre die am Donnerstag, dem 12. Oktober 2006, unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wieder aufgenommen.
2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
3. Begrüßung
Der Präsident. Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen mitteilen, dass eine Delegation des japanischen Parlaments heute Nachmittag bei uns zu Besuch weilt. Diese Delegation, die auf der Ehrentribüne Platz genommen hat, steht unter der Leitung von Herrn Tsushima Tuji, einem großen Freund Europas.
(Beifall)
Die Delegation unserer japanischen Kollegen nimmt am 27. Interparlamentarischen Treffen Europäisches Parlament – Japan teil.
Der Dialog zwischen dem Europäischen und dem japanischen Parlament kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Ursprünglich wurden dabei rein kommerzielle Themen behandelt, aber jetzt erstreckt er sich auf viele weitere Themen, die unsere Völker bewegen.
Wir freuen uns über die Intensivierung unseres Dialogs mit Japan in einem Kontext, in dem es immer notwendiger wird, in Fragen der internationalen Sicherheit und Stabilität zusammenzuarbeiten.
Wir heißen Sie willkommen, meine Damen und Herren.
4. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
5. Unterzeichnung von Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden: siehe Protokoll
6. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
7. Beziehungen EU/Russland nach der Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja (eingereichte Entschließungsanträge)
8. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
9. Petitionen: siehe Protokoll
10. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
11. Übermittlung von Abkommenstexten durch den Rat: siehe Protokoll
12. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
Der Präsident. Der endgültige Entwurf der Tagesordnung dieser Tagung, wie er in der Konferenz der Präsidenten in ihrer Sitzung vom Donnerstag, dem 19. Oktober 2006, gemäß Artikel 130 und 131 der Geschäftsordnung festgelegt wurde, ist verteilt worden. Zu diesem Entwurf wurden folgende Änderungen beantragt:
Mittwoch:
Angesichts der zahlreichen Aussprachen, die für Mittwochnachmittag vorgesehen sind, und nachdem ich die Meinungen der Fraktionen eingeholt habe, schlage ich vor, die Debatten bis 18.00 Uhr auszudehnen, anstatt um 17.30 Uhr zu schließen. Damit wird die Fragestunde an den Rat zwischen 18.00 und 19.00 Uhr stattfinden.
Gibt es Bemerkungen?
Philip Bushill-Matthews (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich spreche diese Frage nicht zum ersten Mal an: Sobald nach zusätzlicher Zeit auf dem Arbeitsplan gesucht wird, fällt dem offenbar immer die Fragestunde zum Opfer. Das ist nicht gerecht. Wenn die Fragestunde eine halbe Stunde später beginnt, dann sollte sie meines Erachtens auch um eine halbe Stunde verlängert werden. Das ist mein Vorschlag.
(Beifall)
Der Präsident. Gut, ich persönlich habe nichts dagegen; wir werden dem Rat vorschlagen, eine halbe Stunde länger zur Fragestunde mit Anfragen an den Rat zu bleiben; ich glaube, das ist vernünftig.
(Das Parlament nimmt den Vorschlag an.)
Toine Manders (ALDE). – (NL) Herr Präsident! Nach der Tagesordnung sollte eine mündliche Anfrage zur Glücksspielpolitik und zu den Vertragsverletzungsverfahren gestellt werden. Am Donnerstag wurde diese Anfrage von der Konferenz der Präsidenten aus unerfindlichen Gründen von der Tagesordnung genommen, obgleich wir sie in den Kompromiss aufgenommen hatten und dadurch den Hinweis auf die Verletzungsverfahren streichen mussten. Nunmehr ist die Anfrage vom Tisch. Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Konferenz der Präsidenten künftig öffentlich zu machen, damit wir wissen, welche Gründe und Argumente dort von der einen oder anderen Seite angeführt werden. Schließlich haben wir auch vom Rat die Öffentlichkeit seiner Tagungen gefordert. Ich möchte daher den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass die Sitzungen der Konferenz der Präsidenten in Zukunft öffentlich sind, damit es mit den Kungeleien, die wir derzeit dort erleben, ein Ende hat.
Der Präsident. Wir werden sehen, ob Ihr Argument gerechtfertigt ist. Sagten Sie, dass eine Anfrage an den Rat auf der Tagesordnung stand und die Konferenz der Präsidenten entschieden hat, sie zu streichen?
Ich werde das Sekretariat bitten, der Sache, die Sie hier vorgebracht haben, auf den Grund zu gehen, und dann werden wir sehen, was wir in dieser Hinsicht tun können.
Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich konnte den Ausführungen meines Kollegen, Herrn Manders, in der vom Dolmetscher übersetzten Version nicht ganz folgen. Es geht hier um eine Frage an die Kommission zum Glücksspiel und zu den dazugehörigen Vertragsverletzungsverfahren.
Ich bin, wie auch Herr Manders, Koordinator im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Als gemeinsame Verfasser dieser Anfrage sind wir davon ausgegangen, dass sie heute Abend in Anwesenheit von Herrn McCreevy auf der Tagesordnung stehen würde, und dies wurde auch von den Diensten bestätigt. Erstaunlicherweise muss ich nun feststellen, dass sie auf Ersuchen der Konferenz der Präsidenten zurückgezogen wurde, was mir unbegreiflich ist. Niemand hat sich an mich oder Herrn Manders, die wir die Anfrage verfasst haben, oder an einen meiner Kolleginnen oder Kollegen gewandt. Kommissar McCreevy hat sich bereit erklärt, auf die Frage einzugehen, und doch hat die Konferenz der Präsidenten sie ohne nachvollziehbare Gründe vollständig von der Tagesordnung genommen. Könnten Sie mir bitte den Anlass mitteilen?
(Beifall)
Der Präsident. Ja, die Konferenz der Präsidenten hat entschieden, diese Anfrage von der Tagesordnung zu streichen.
Robert Goebbels (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich kann das vielleicht erklären. Ich habe Herrn Schulz bei der Konferenz der Präsidenten vertreten und beantragt, dass diese Anfrage, die auf der Tagesordnung für heute Abend steht, auf eine spätere Sitzung vertagt wird, damit das Parlament die neuen Entwicklungen in dieser Sache berücksichtigen kann. Die Konferenz der Präsidenten hat diesem Antrag stattgegeben.
Der Präsident. In Ordnung, die Konferenz der Präsidenten wird daher die Angelegenheit nochmals prüfen und diese Anfrage in eine spätere Sitzung aufnehmen.
Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Dürfte ich Sie aus Gründen der Höflichkeit darum bitten, dass der Ausschuss, der für diese Anfrage zuständig ist und sie verabschiedet hat, über etwaige Bedenken unterrichtet wird, bevor diese an Sie herangetragen werden, damit wir Gelegenheit haben, diese zu erörtern? Immerhin waren wir es, die diese Anfrage gestellt haben. Wir haben viel Zeit und Mühe auf ihre Formulierung verwendet, und der Kommissar ist bereit, sie zu beantworten. Warum also wurde sie von Tagesordnung gestrichen, ohne dass wir vorher dazu konsultiert wurden? Wir im Ausschuss sind für die Anfragen zuständig, und wir wünschen nicht, dass uns die Konferenz der Präsidenten in einer ausgesprochen technischen Frage übergeht.
(Beifall)
Der Präsident. Entschuldigen Sie, aber es ist davon auszugehen, dass die in der Konferenz der Präsidenten vertretenen Fraktionen ihre Mitglieder über die Entscheidungen der Konferenz in Kenntnis setzen. Sie sind damit vielleicht nicht einverstanden, aber die Konferenz der Präsidenten hat diese Entscheidung getroffen und ich kann sie jetzt nicht ändern; Sie werden verstehen, dass es mir nicht möglich ist, sie zu korrigieren. Es ist Aufgabe der Fraktionen, ihre Mitglieder über die Entscheidung der Konferenz der Präsidenten zu informieren.
Kehren wir nun zur Tagesordnung für Mittwoch zurück: Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz hat aufgrund der anhaltenden Probleme mit den Reaktoren von Forsmark den Antrag auf zusätzliche Aufnahme einer Erklärung der Kommission zur nuklearen Sicherheit gestellt. Anschließend würde eine Aussprache stattfinden, die mit einem Entschließungsantrag abgeschlossen würde.
Herr Turmes hat das Wort, um diesen Antrag zu erläutern.
Claude Turmes (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Wir würden gerne einen zusätzlichen Punkt auf den Arbeitsplan vom Mittwoch setzen. Angesichts der Vorfälle im Forsmark-Reaktor im Juli möchten wir mit der Kommission eine Aussprache über die nukleare Sicherheit führen. Dieses Haus ist in der Frage der Atomkraft gespalten, doch wenn es um die Frage der Sicherheit geht, befürworten wir alle eine transparente Aussprache zu diesem Sachverhalt.
Francesco Enrico Speroni (NI). – (IT) Herr Präsident! Ohne dass wir – wie es Herr Turmes möchte – den Standpunkten der Befürworter und Gegner der Atomkraftwerke vorgreifen, sollten wir diese Zwischenfälle bzw. die Frage, ob sie ernst waren oder nicht, erörtern.
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Kollege Goebbels! Wir haben in der Konferenz der Präsidenten klar zum Ausdruck gebracht, dass wir absolut dafür sind, diese Frage zu diskutieren, aber nicht in dieser Woche, denn wir mussten bereits die in der Tagesordnung vorgesehene Fragestunde verschieben, weil wir mit dem Rat so wenig Zeit haben. Wir werden die Fraktion der Grünen — oder wer immer eine Aussprache beantragt — sicherlich dahingehend unterstützen, dass das Problem zum gegebenen Zeitpunkt auf die Tagesordnung kommt. Dieses Problem ist uns durchaus bewusst, es muss aber nicht in dieser Woche diskutiert werden. Das ist unser Standpunkt.
(Das Parlament lehnt den Antrag ab.)
Claude Turmes (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Ich hoffe, dass uns andere Fraktionen unterstützen werden, wenn wir es erneut auf die nächste Tagesordnung setzen.
Der Präsident. Ich kann es nicht garantieren; Sie müssten es auf jeden Fall mit ihnen diskutieren.
Giles Chichester (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Turmes darum bitten, dass er die Angelegenheit zunächst im Ausschuss zur Sprache bringt, weil dies möglicherweise der geeignetere Weg ist, und sie nicht zu einer Dringlichkeitsfrage macht, was sie meines Erachtens nicht ist. Ich würde es begrüßen, wenn dieser Sachverhalt zunächst im Ausschuss erörtert wird, bevor wir das Haus damit belasten.
Der Präsident. Ich werde Ihnen nicht das Wort für eine Erwiderung erteilen, Herr Turmes. Bitte verständigen Sie sich außerhalb des Plenarsaals, wann und wie dieses Thema behandelt werden soll.
Weitere Änderungen des Arbeitsplans: siehe Protokoll.
15. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen.
Vytautas Landsbergis (PPE-DE). – (LT) Ende des 19. Jahrhunderts wurde der künftige europäische Faschismus in Russland geboren. Die Losung war kurz und klar: „Schlagt die Juden! Rettet Russland!“ Mehr als einhundert Jahre später lässt sich die politische Kultur Russlands durch eine ähnliche Losung des Hasses charakterisieren: „Schlagt die Georgier! Rettet Russland!“
Worte sind für den russischen Präsidenten, den Außen- und Verteidigungsminister und für die russische Duma zur Waffe geworden. Die unteren Ränge und faschistische Banden greifen lieber auf Verfolgung zurück. Das ist nicht neu, denn die Ermordung von Menschen mit dunklerer Hautfarbe ist in den Straßen russischer Städte zur Routine geworden.
Die Europäische Union sollte sich eine eigene Losung zulegen, und zwar „Rettet Russland! Stoppt den russischen Nazismus!“. Zu unserer Konferenz über ein gemeinsames rechtliches Umfeld sollten wir daher Vertreter der russischen Regierung und der demokratischen Kräfte einladen, um mit ihnen zu erörtern, wie die Europäische Union dem heutigen Russland dabei helfen kann, eine flächendeckende Ausbreitung des Fremdenhasses zu verhindern.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Der Friedensnobelpreis 2006 wurde Mohammad Yunus, einem Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesh, und seiner Grameen-Bank verliehen.
Die Entscheidung des Nobel-Komitees bot nicht nur Anlass zur Freude, sondern hat auch jenen, die eine menschliche und friedliche Welt anstreben, den Weg gewiesen und Hoffnung gegeben. Für nicht wenige von uns gehören Armut und soziale Ausgrenzung zu den Wurzeln von Krieg und zerstörerischen Kräften. Es gibt Menschen, die Fremde im eigenen Land sind, jeglicher menschlicher Kontakte und der Chance, sich in der Welt zu Hause zu fühlen, verlustig gegangen sind. Mohammad Yunus' Mikrokreditsystem ist nicht einfach eine Form der Wohltätigkeit, die oft den Wohlhabenden hilft, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Vielmehr werden Darlehen gegeben, Zusammenarbeit ermöglicht und das Vertrauen der Menschen in die eigenen Zukunftschancen wieder hergestellt.
Wir, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, sollten den diesjährigen Friedensnobelpreis als Herausforderung und Aufgabe betrachten. Armut, wie sie in Bangladesch existiert, finden wir möglicherweise auch in Europa. Lassen Sie uns immer wieder das Potenzial kleiner Schritte, seien es Kredite, unternehmerische Initiative oder Verbesserung des Wissens, prüfen, da uns kleine Schritte ein gutes Stück auf dem Weg zur Menschenwürde voranbringen können.
Graham Watson (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Diese Frage richtet sich vor allem an Sie. Mir ist bekannt, dass Herr Borrell Fontelles ein Schreiben an Herrn Barroso und Herrn Vanhanen gerichtet hat, in dem er sie auffordert, dem Haus bis zum 23. Oktober die Namen und Zuständigkeitsbereiche der beiden neuen Kommissionsmitglieder aus Bulgarien und Rumänien zu übermitteln. Ich würde gerne wissen, ob wir schon etwas gehört haben und davon ausgehen können, dass uns die Namen und Zuständigkeitsbereiche in dieser Woche mitgeteilt werden.
Der Präsident. Mir liegen diese Informationen nicht vor, ich werde aber versuchen, sie beim Kabinett der Präsidenten einzuholen.
Claude Turmes (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Vor zwei Wochen ereignete sich auf der Bahnstrecke zwischen Luxemburg und Frankreich ein Zugunglück, bei dem sechs Menschen starben und ein Dutzend verletzt wurden. Ich möchte daher den Familien der Opfer mein Beileid aussprechen. Nach einem solchen Unfall gilt es, Fortschritte zu machen.
Eines der Probleme beim grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr ist, dass die Sicherheitssysteme der verschiedenen Länder sehr stark voneinander abweichen. Luxemburg hat ein anderes System als Belgien, das seinerseits ein anderes System als Frankreich hat, welches wiederum ein anderes System als Deutschland hat. Die luxemburgische Bahn wird also neben ihrem eigenen System mit drei weiteren Systemen konfrontiert.
Nach diesem Unfall besteht die beste Lösung darin, die Investitionen in das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS zu verstärken. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission Luxemburg und die Großregion Luxemburg zur Pilotregion für die Einführung neuer Systeme und Maßnahmen machen wird.
Ich bin im Übrigen der Ansicht, dass das Aushängeschild des Schienenverkehrs, nämlich der TGV, der ab nächstem Jahr Paris mit Luxemburg verbinden wird, der unbedingt…
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Letzte Woche begann in der Türkei der Prozess gegen drei Personen, die für die Übersetzung eines Buches des amerikanischen Schriftstellers Noam Chomsky in die türkische Sprache verantwortlich sind. Auf der Grundlage von Artikel 301 des Türkischen Strafgesetzbuchs werden der Herausgeber, der Übersetzer und der Redakteur beschuldigt, öffentlichen Aufruhr verursacht, Hass gegen die Türken geschürt sowie die Demokratie und das türkische Parlament diffamiert zu haben.
Ich erinnere mich, dass wir bereits im September im Plenum über den Artikel 301 sowie über die Tatsache diskutiert haben, dass die Türkei sich, wenn sie das von ihr so sehr begehrte europäische Profil erreichen möchte, endlich nach einer Reihe von Werten richten muss, zu denen die Europäische Union sich bekennt. Einen Monat später sehen wir, dass sich nichts geändert hat und die türkische Unnachgiebigkeit unvermindert weiterbesteht.
Ich frage Sie daher, Herr Präsident, ob wir uns dieses absurde Theater noch länger anschauen wollen oder ob wir das demokratische Wort dadurch stärken wollen, dass wir diesen neuerlichen Prozess, der gegen die Redefreiheit und die Menschenrechte verstößt, verurteilen.
Janusz Wojciechowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Gestern wurde in Italien gegen die Zwangsarbeitslager in diesem Land demonstriert. Die Demonstranten haben meine volle Unterstützung, doch möchte ich auch erwähnen, dass meine Fraktion, die Fraktion Union für das Europa der Nationen, Anfang September eine Aussprache über die Lage der ausländischen Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beantragt hatte. Das ist nicht nur ein italienisches Problem, sondern davon sind – in unterschiedlichem Maße – auch andere Länder betroffen. Dieses Hohe Haus darf in dieser Angelegenheit nicht schweigen. Wir müssen eine eindeutige Botschaft aussenden und vor allem an die Mitgliedstaaten appellieren, nicht zuzulassen, dass Menschenrechte ernsthaft verletzt werden. Das erwarten die Bürger, und gerade deshalb darf das Parlament nicht länger schweigen. Deshalb fordere ich einmal mehr die Aussprache ein, die die Fraktion Union für das Europa der Nationen beantragt hatte.
Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident! Präsident Borrell wird in der nächsten Woche im Rahmen seines offiziellen Programms Athen besuchen. Ich möchte den Präsidenten bitten, sich ein klein wenig Zeit zu nehmen, sei es auch nur eine halbe Stunde, und vom Parlament zum Parthenon zu gehen, wo er feststellen wird, dass einige der schönsten Schöpfungen des Phidias, des größten Künstlers aller Zeiten, fehlen. Die haben die Briten mitgenommen. Sie befinden sich jetzt im Britischen Museum. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass sich diese Werke des Parthenon, der zu den Sieben Weltwundern gehört, außerhalb des Parthenon befinden.
Ich möchte daher Präsident Borrell bitten, ihm einen Besuch abzustatten, sich diese abstoßende Stätte anzuschauen und sich gemeinsam mit uns für die Rückführung der Skulpturen einzusetzen, die die Engländer abfällig die „Marbles“ nennen. Hierbei handelt es sich jedoch um die Skulpturen des Parthenon, eines, und ich wiederhole, der Sieben Weltwunder, der zerstückelt wurde und von dem Stücke entfernt worden sind, die heute das Britische Museum schmücken.
Ich appelliere an alle kultivierten Menschen, sich dafür einzusetzen, dass die Skulpturen an den Ort zurückgebracht werden, an dem sie erschaffen wurden, zur Akropolis, einen Ort, den alle kultivierten Menschen besuchen sollten.
Ryszard Czarnecki (NI). – (PL) Herr Präsident! In den letzten beiden Jahren gab es teilweise ernste Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Borrell, und zahlreichen polnischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments, wobei letztere der Meinung des Präsidenten über unser Land mehrheitlich kritisch gegenüberstanden. Heute jedoch habe ich dem Präsidenten für seine Haltung auf dem jüngsten Gipfel in Lahti zu danken, und ich weiß, dass ich im Namen vieler anderer polnischer Abgeordneter spreche. Der französischen Tageszeitung „Libération“ zufolge war Herr Borrell einer der fünf führenden Vertreter Europas, der es wagte, Kritik an Russland zu üben. Das taten auch der Präsident Polens sowie die Ministerpräsidenten Schwedens, Dänemarks und Lettlands. Ich möchte Herrn Borrell für seine Feststellung danken, die Union werde Menschenrechte nicht für Energie verkaufen. Ich danke ihm auch für seine Frage, ob Russland denn noch demokratisch sei. Europa wird sich stets an diese Aussagen von Präsidenten Borrell erinnern, und die Länder Mittel- und Osteuropas werden seinen Mut nicht vergessen. Deshalb möchte ich dem Präsidenten in seiner Muttersprache Dank sagen: gracias, Señor Presidente.
Michael Gahler (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte das Hohe Haus darüber unterrichten, dass die äthiopischen Behörden am vergangenen Donnerstag zwei Diplomaten der EU-Delegation ausgewiesen haben. Es besteht ein Zusammenhang mit der Festnahme einer äthiopischen Angestellten der EU-Delegation, Yalemzewd Bekele, die von den Behörden oppositioneller Aktivitäten bezichtigt wird und die deshalb versucht hatte, nach Kenia auszureisen.
Glenys Kinnock und ich waren noch vor zwei Wochen sowohl mit den beiden Diplomaten als auch mit Yalemzewd Bekele in Addis Abeba zusammengetroffen. Sie wird jetzt im Gefängnis von Moyale festgehalten. Wir haben schlimmste Befürchtungen hinsichtlich ihrer Behandlung. Auch der UN-Sonderberichterstatter gegen Folter ist mit dem Fall befasst.
Ich fordere die Kommission dringend auf, ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber wahrzunehmen und Frau Bekele einen Rechtsbeistand zur Seite zu stellen. Außerdem sollte die Troika aus Addis Abeba nach Moyale reisen, sich der körperlichen Unversehrtheit von Frau Bekele versichern und von den äthiopischen Behörden Aufklärung über die Vorwürfe verlangen, die sie gegen Frau Bekele erheben. Unser Präsident sollte auch einen Brief an seinen Amtskollegen schreiben.
Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Heute begehen wir den 50. Jahrestag der ungarischen Revolution von 1956. Die Gedenkfeier ist keine rein ungarische, sondern eine internationale Angelegenheit: 56 Staats- und Regierungschefs sind nach Ungarn gereist, um diesen Tag mit uns zu begehen. Die Bedeutung dieses Ereignisses ist mit der des Prager Frühlings von 1968 und der polnischen Solidarność-Bewegung vergleichbar, denn ohne diese drei historischen Ereignisse wären der Untergang des Kommunismus sowjetischen Typs und die Regimewechsel in Mitteleuropa in den Jahren 1989 und 1990 nicht möglich gewesen. Die ungarische Revolution von 1956 ist jedoch insofern einzigartig, als es bei keiner der anderen Oppositionsbewegungen einen bewaffneten Kampf gegen die Sowjetarmee gab und in keinem anderen Fall ein Land aus dem Warschauer Pakt austrat und seine Neutralität erklärte. Die Helden von 1956 einte die Überzeugung, dass eine kleine Nation eine totalitäre Supermacht besiegen kann. 1956 lautete unser Wunsch: „Zurück nach Europa!“ Und 2004 wurde mit dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union das Vermächtnis von 1956 erfüllt.
Sarah Ludford (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Präsidenten des Parlaments sowie die Abgeordneten aus allen politischen Lagern darum bitten, auf die EU sowie die britischen Behörden zu drängen, damit sie den pakistanischen Präsidenten Musharraf davon überzeugen, seinen Einfluss geltend zu machen, um Mirza Tahir Hussain zu begnadigen oder zumindest sein Strafmaß herabzusetzen.
Herr Hussain verfügt über die doppelte britische und pakistanische Staatsbürgerschaft und sitzt seit 18 Jahren im Todestrakt. Er wurde des Mordes verurteilt, obwohl er immer seine Unschuld beteuert hat. Dieser Schuldspruch wurde im Übrigen von einem islamischen Scharia-Gericht gefällt, nachdem ihn das normale weltliche Gericht freigesprochen hatte. In der vergangenen Woche haben wir erfahren, dass der Termin für seine Hinrichtung um weitere zwei Monate verschoben wurde, damit sie nicht mit dem Staatsbesuch des britischen Thronfolgers, des Prince of Wales, zusammenfällt, der in dieser Woche in Pakistan eintreffen wird.
Ich fordere dennoch alle dringend dazu auf, sich weiterhin darum zu bemühen, Präsident Musharraf zu überzeugen, damit er seine verfassungsgemäßen und unbestrittenen Befugnisse einsetzt, um diese Angelegenheit im Sinne des Gesetzes zu lösen und nicht nur die Hinrichtung zu verschieben.
Willy Meyer Pleite (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte die Kommission und den Rat – das heißt, die Europäische Union – dringend bitten, gegenüber den argentinischen Behörden ihre Sorge über das Schicksal entscheidender Zeugen in den laufenden Prozessen zum Ausdruck zu bringen, in denen gegen die Straflosigkeit vorgegangen wird und die Verantwortlichkeit für alle illegalen Aktionen während der Diktatur untersucht wird.
Einer dieser Fälle betrifft das Verschwinden von Jorge Julio López. Er spielt eine wichtige Rolle in der Rechtssache gegen einen Polizisten aus Buenos Aires, Miguel Etchecolatz, einen Folterknecht während der Diktatur, der schwärzesten Zeit in der Geschichte Argentiniens. Dieser Zeuge wird seit September vermisst, und das hat zu großer Beunruhigung unter vielen Zeugen geführt, die noch weiter aussagen müssen, um die Wahrheit aufzudecken und um zu sichern, dass alle Verbrechen bestraft werden.
Deshalb appelliere ich an die Europäische Union, diesen spezifischen Fall gegenüber den argentinischen Behörden zur Sprache zu bringen.
Gerard Batten (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Am 20. August 1989 stieß das Baggerschiff „Bowbelle“ auf der Themse mit dem Ausflugsschiff „Marchioness“ zusammen. Dabei kamen 51 Menschen ums Leben. Aufgrund des Unglücks führte die Regierung strengere Sicherheitsanforderungen für die Schifffahrt auf der Themse ein.
Diese Sicherheitsbestimmungen laufen nun Gefahr, verwässert zu werden, weil die Regierung die EU-Richtlinie 96/50/EG umzusetzen gedenkt. Die gegenwärtig im Vereinigten Königreich geltenden Standards werden im Rahmen des europäischen Schifferpatents durch weitaus niedrigere Standards ersetzt. Dies ist allerdings nicht erforderlich, da die Mitgliedstaaten laut Artikel 3 Absatz 2 der neuen Richtlinie Ausnahmeregelungen für nationale Wasserstraßen geltend machen und Schifferpatente gemäß ihren eigenen Bedingungen erteilen können.
Ich fordere daher alle Abgeordneten aus dem Vereinigten Königreich dazu auf, ein Schreiben an den Minister, Herrn Dr. Stephen Ladyman, zu richten und ihn im Interesse hoher Sicherheitsstandards auf der Themse zu ersuchen, die gemäß der Richtlinie eingeräumte Ausnahmeregelung anzuwenden.
Jim Higgins (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Wenn sich die Vereinigten Staaten und Europa auf die „Open skies-Vereinbarungen“ für den Luftverkehr verständigen, wird dies zahlreiche Vorteile bringen: zusätzliche Routen, mehr Wettbewerb und günstigere Ticketpreise – also allgemeine Verbesserungen für die Reisenden und die Verbraucher. Ein wichtiges Hindernis, nämlich die Einwände der europäischen Seite gegenüber dem Austausch der Passagierdatensätze, konnte nun überwunden werden. Es gibt jedoch eine weitere Hürde im Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen der Fluggesellschaften, die zu umfangreichen Problemen in den USA führt und im Kongress nicht auf Zustimmung gestoßen ist.
In der Zwischenzeit bemüht sich der irische Verkehrsminister, Herr Cullen, darum, die Kommission von der Zustimmung zu einem unmittelbaren bilateralen Abkommen zwischen Irland und den USA zu überzeugen. Dagegen habe ich zwei Einwände. Erstens schadet dies dem weltweiten Vertrauen in die „Open skies-Vereinbarungen“; und zweitens wird dem Shannon Airport in Irland, der bisher als Drehscheibe für den internationalen Flugverkehr gedient hat, damit ein irreparabler Schaden zugefügt. Bevor nicht ein umfassendes internationales Abkommen vorliegt, sollte auch kein bilaterales Abkommen zwischen Irland und den USA geschlossen werden. Die Kommission sollte dies ablehnen.
Yannick Vaugrenard (PSE). – (FR) Herr Präsident! Seit geraumer Zeit wird der Zustrom von Migranten als Bedrohung dargestellt, die man nicht hinnehmen könne. Diese Rhetorik wird von den rechtsextremen Parteien aufgegriffen, die dazu beitragen, dass Kriminalität und Einwanderung in einen Topf geworfen werden, und die auf diesem Boden gedeihen.
Diese Zuwanderer sind jedoch in erster Linie Opfer: Opfer mafiöser Netze, die sich bereichern, indem sie Männer und Frauen, die sich eine Zukunft aufbauen wollen, hierher bringen; und Opfer von europäischen Geschäftsleuten und „Quartierwucherern“, die ein Vermögen verdienen, weil sie billige Arbeitskräfte beschäftigen beziehungsweise heruntergekommene Wohnungen zu horrenden Preisen vermieten.
Daher sollten wir alle verfügbaren Gemeinschaftsinstrumente einsetzen, um dagegen vorzugehen. Wir sollten die Verordnung ändern, nach der der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft werden muss, den der Asylsuchende als erstes betritt, da dies für die Länder Süd- und Osteuropas eine untragbare Last darstellt. Abgesehen davon können die überfüllten und menschenunwürdigen Durchgangslager nicht länger hingenommen werden.
Schließlich sollten wir die Objektivität und den Mut haben zu sagen, dass Europa legale Einwanderer brauchen wird, um sein demografisches Defizit auszugleichen. Verlassen wir also unsere politische Komfortzone, verabschieden wir uns von allzu einfachen ideologischen Erklärungen und sagen wir klar und deutlich, dass die Einwanderung für Europa auch eine Chance darstellen kann.
Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Wenn wir eine Bilanz der Politik ziehen, die die Union gegenüber den südosteuropäischen Ländern verfolgt, und wir dabei besonders auf die westlichen Balkanstaaten schauen, dann können wir sehen, dass sie sowohl Positives als auch Negatives bewirkt hat.
Nach der Kritik, die an der Strategie für die künftige Erweiterung der Union geübt wurde und die auch die westlichen Balkanländer betrifft, hat sich ein Gefühl eingestellt, dem zufolge die Chancen, dass die europäischen Institutionen der betreffenden Region Beachtung schenken, gesunken sind.
Meiner Ansicht nach haben wir im Rahmen der parlamentarischen Diplomatie die Verantwortung, die Strategie der Union kohärenter, transparenter und effizienter zu gestalten, damit die südliche Dimension der europäischen Politik klarer hervortritt.
Marie-Noëlle Lienemann (PSE). – (FR) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! EADS ist durch die Industrieprojekte, die dieses Unternehmen trägt und zu denen Airbus zählt, eines der Vorzeigeunternehmen Europas, ein industrielles Aushängeschild, das Symbol unserer zukünftigen Technologie und Fähigkeiten. Dieses Unternehmen befindet sich jedoch in einer schweren Krise. Ich werde nicht näher auf die Gründe eingehen, die unter anderem mit der Unternehmensführung zusammenhängen und die einen Teil der aktuellen Schwierigkeiten rechtfertigen oder erklären können, und für die nun wirksame Lösungen gefunden werden müssen.
Ich werde stattdessen auf die Erklärungen der Unternehmensleitung von Airbus eingehen, denen zufolge das Unternehmen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit wahrscheinlich einen Teil seiner Tätigkeiten in das so genannte „Dollar-Währungsgebiet“ auslagern beziehungsweise dort ansiedeln muss, und dies nur weil der Euro-Dollar-Wechselkurs einen der wichtigsten Spitzensektoren der Europäischen Union benachteiligt. Dazu befragt, hat Herr Trichet nur Folgendes zu sagen: „Ich muss den Wechselkurs nicht rechtfertigen!“
Denken Sie nicht, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es dringend notwendig ist, die europäische Währungspolitik zu ändern?
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
András Gyürk (PPE-DE). – (HU) Heute vor 50 Jahren brach in Ungarn die Revolution aus. Schauplatz der ersten Schlacht in dem sich entwickelnden Kampf um Freiheit von sowjetischer Unterdrückung war die Zentrale des ungarischen Rundfunks. Die Aufständischen wussten, dass das System auf Gewalt und obendrein vor allem auf Lügen aufgebaut war. Symbol dieser Lügen war das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, der staatliche Rundfunk. Der Kampf endete mit dem Sieg der Revolutionäre, und deshalb konnte die Rundfunkstation die Worte senden, die später zum Schlagwort werden sollten: „Wir haben Tag und Nacht gelogen, wir haben auf allen Wellenlängen gelogen.“
Gewalt und Lügen haben den Kommunismus in Ungarn am Leben erhalten und waren auch im übrigen Teil des Sowjetblocks die Bausteine der Unterdrückung. Obgleich die ungarische Revolution von den übermächtigen Panzerkolonnen, die in das Land rollten, niedergeschlagen wurde, wissen wir heute, dass die Ereignisse in Budapest, Prag und Gdansk nicht vergebens waren und die Opfer ihr Leben nicht umsonst ließen. Ihnen ist es zu danken, dass Europa heute frei und vereint ist.
Um jedoch sicherzustellen, dass kein System auf unserem Kontinent jemals wieder auf Gewalt und Lügen errichtet wird, müssen wir die Erinnerung wachhalten. Aus diesem Grund haben meine Kollegen und ich eine Initiative auf den Weg gebracht, damit der 4. November, der Jahrestag der Niederschlagung der ungarischen Revolution, zu einem Tag des Gedenkens an die Opfer des Kommunismus in Europa wird.
Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Am 29. August legte der UN-Generalsekretär Kofi Annan der Generalversammlung eine Studie zur Gewalt gegen Kinder vor, die von dem unabhängigen Sachverständigen Paulo Sérgio Pinheiro verfasst worden ist.
Diese Studie beschreibt in schwärzesten Farben das Phänomen der Gewalt und der Ausbeutung von Kindern weltweit und weist auf die schweren Verstöße gegen die Rechte des Kindes hin. Sie rüttelt das kollektive Bewusstsein der Menschheit wach und fordert zum Handeln auf, um die fundamentalen menschlichen Grundsätze und Werte zu verteidigen.
Meines Erachtens sollte – und ich nehme hier die Anwesenheit von Kommissar Frattini zum Anlass für diesen Vorschlag – die vorliegende UN-Studie Gegenstand einer Debatte in den Institutionen der Europäischen Union, insbesondere im Europäischen Parlament, sein und zusammen mit der jüngsten Mitteilung der Europäischen Kommission diskutiert werden, in der sie Überlegungen zu einer EU-Kinderrechtsstrategie anstellt.
Die Europäische Union muss bei der Schaffung eines gemeinsamen Systems von Regeln für den Schutz der Kinderrechte, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich sind, in vorderster Reihe stehen.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Aus Medienberichten haben wir erfahren, dass gegen eine Mitarbeiterin einer Fluggesellschaft im Vereinigten Königreich ein Verfahren läuft und sie wahrscheinlich entlassen wird, einzig und allein aus dem Grund, dass sie eine Kette mit einem Kreuz in der Größe eines Fünf-Centstücks um ihren Hals getragen hat.
Wir sagen, dass Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit Grundsätze darstellen, die auch in den Kandidatenländern gefestigt werden müssen. Wir wollen den Europäern sowie allen, die auf diesem Planeten leben, die Gewissheit geben, dass sie nicht aus Gründen der Meinungsfreiheit – unabhängig davon, ob diese Freiheit durch Worte oder durch Kleidungsstücke zum Ausdruck gebracht wird – und vor allem nicht wegen ihres religiösen Glaubens verfolgt werden.
In meinem Land sind 80 % der Einwohner getauft und tragen ihr Leben lang ein Kreuz. Wie können wir von Kandidatenländern die Achtung religiöser Freiheiten fordern, wenn wir nicht die Möglichkeit schützen, solch ein einfaches religiöses Symbol zu tragen? Ich hoffe, dass der Kommissar Schritte einleiten wird ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Renate Sommer (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte auf einen Vorfall zwischen polnischen Grenzbehörden und einem deutschen Ausflugsschiff aufmerksam machen, der sich vor einigen Tagen ereignete. Als das deutsche Ausflugsschiff „Adler Dania“ in den polnischen Hafen von Swinemünde einfuhr, wollten drei in zivil gekleidete Beamte des polnischen Zolls ohne schriftliche Legitimation den gesamten Spirituosenbestand des Ausflugsschiffes konfiszieren. Daraufhin wendete der Kapitän und fuhr fluchtartig nach Deutschland zurück, wobei er von einem Schnellboot des polnischen Grenzschutzes verfolgt wurde. Dieses Schnellboot feuerte auch noch Signalraketen auf das deutsche Ausflugsschiff ab.
Dieser Vorfall ist unglaublich! Leider handelt es sich hierbei nicht um einen Einzelfall, wie mir von Zuschriften Betroffener bekannt ist. An den innereuropäischen Grenzen zu mehreren neuen Mitgliedstaaten und auch zu anderen Nachbarstaaten kommt es immer wieder zu Problemen. Zum Beispiel werden willkürlich Gebühren erhoben und man versucht, die Einreisewilligen zu zwingen, diese zu bezahlen. Ansonsten gibt es eben keine Einreise. Ich fordere, dass dagegen vorgegangen wird!
Diamanto Manolakou (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Laut einem Bericht eines amerikanischen Unternehmens für strategische Analyse und Forschung sind griechische Zyprioten und griechische Soldaten, die seit der Invasion der türkischen Armee in Nordzypern vermisst werden, zwischen 1984 und 1988 in industriellen Laboreinrichtungen der türkischen Armee als Versuchsobjekte missbraucht worden.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Türkei nicht nur nach wie vor den nördlichen Teil Zyperns besetzt hält, sondern auch zu keiner Zeit Informationen oder Einzelheiten über die vermissten Personen gegeben hat, sowie angesichts der Tatsache, dass die Verwandten der vermissten Personen seit nunmehr drei Jahrzehnten leiden, möchte ich das Parlament bitten, die Initiative zu ergreifen und die Türkei aufzufordern, alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen über die vermissten Personen, so furchtbar sie auch sein mögen, bereitzustellen, damit diesem Leiden ein Ende bereitet werden kann.
Ioannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe um das Wort gebeten, weil ich meinem Missfallen und meiner Besorgnis über die Zukunft Europas Ausdruck verleihen möchte. Ich habe stets geglaubt, eines der Hauptziele der Europäischen Union würde darin bestehen, Kinder zu schützen, ihre Bildung und Gesundheit zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass sie zu ausgereiften Persönlichkeiten heranwachsen.
Deshalb möchte ich hier zum Ausdruck bringen, dass ich die Gründung einer pädophilen Partei in den Niederlanden, deren Hauptzielsetzungen darin bestehen, den sexuellen Kontakt zwischen Erwachsenen und Kindern über 12 Jahren sowie den Besitz pornografischen Materials von Kindern für den persönlichen Gebrauch zu legalisieren, im höchsten Maße missbillige. In einem Europa, das altert, in einem Europa, in dem die Institution der Familie mit jedem Tag schwächer wird, in einem Europa, in dem Moral, Sitte und Traditionen immer mehr abhanden kommen, ist die Gründung dieser Partei wie ein Bombe, die die Grundfeste des europäischen Gebäudes erschüttert.
Ich appelliere an uns alle, dem entgegenzutreten. Mein Vorschlag lautet, dass das Europäische Parlament den finnischen Ratsvorsitz ersucht, sich für das Verbot dieser Partei einzusetzen. Wenn wir eine Europäische Union wollen, die über eine Zukunft und über Perspektiven verfügt, dann müssen wir zuallererst unsere Kinder schützen.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin gerade von einem Besuch im Libanon zurückgekehrt, und zwar mit einem optimistischen Gefühl, was die neue Lage in der Region betrifft. Gleichzeitig bin ich mir jedoch umso mehr der Herausforderungen bewusst geworden, vor denen wir alle stehen. Das Leben kehrt in den Süden zurück. Häuser wurden ausgebessert und die Menschen kehren zurück, um wieder in ihre Häuser zu ziehen bzw. in denen ihrer Verwandten zu wohnen, wo sie darauf warten, dass ihre Häuser mit der Unterstützung der Regierung und der Hilfe von Spendern, bei denen die Hisbollah eine bedeutende Rolle spielt, wieder aufgebaut werden.
Die Präsenz der libanesischen Armee und der UNIFIL-Truppen bietet den Bürgern Sicherheit und Zufriedenheit und verleiht, so muss ich sagen, der Europäischen Union Wahrnehmbarkeit und Ansehen. Die Umsetzung der Resolution 1701 scheint nicht in Gefahr zu sein, obwohl das Gleichgewicht zerbrechlich ist, und unsere Aufgabe besteht darin, es im Hinblick auf den Frieden in der gesamten Region zu schützen, wie wir auch die libanesische Regierung dabei unterstützen sollten, angemessene Reformen in der Wirtschaft, der Gesellschaft und im politischen System einzuleiten.
Neben der Verteidigung der Rechte der Bürger möchte ich ebenfalls die Notwendigkeit betonen, dass wir die kulturellen Schätze ...
(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Über die Präsidentschaft dieses Hauses möchte ich an mehrere Gemeinden in Galicien, insbesondere in der Provinz Pontevedra, die seit dem Wochenende unter den Folgen schwerer Überschwemmungen leiden, eine Botschaft der Anteilnahme und Solidarität richten.
Der Sturm hat schlimme Schäden verursacht. Häuser, Unternehmen, Verkehrswege, Landwirtschaft und Viehzucht wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Leider gab es auch Verletzte und Tote.
Wie wir alle wissen, wurde die Autonome Gemeinschaft Galicien im August dieses Jahres von verheerenden Bränden heimgesucht, über die wir im September in diesem Parlament diskutierten. Dabei befürworteten wir die Mobilisierung des Europäischen Solidaritätsfonds.
Die gravierenden Folgen der starken Regenfälle in den letzten Tagen stehen in Zusammenhang mit den Bränden vom August, wie die galicische Presse heute erklärte. Der Verlust von bewaldeten Flächen und Tonnen weggewehter Asche haben die Heftigkeit der Überschwemmungen noch verstärkt. Dies ist ein weiterer Beweis für das Ausmaß der Katastrophe, die Galicien in diesem Sommer durchlebte.
Leider herrscht jetzt in mehreren galicischen Gemeinden erneut Trauer.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! In der vergangenen Woche haben wir einen ausgesprochen hilfreichen Gedankenaustausch mit einer Gruppe mit dem Namen EAGLES geführt. Sie setzt sich aus internationalen Wissenschaftlern zusammen, die sich der Unterstützung der Dritten Welt verschrieben haben. Ich denke, wir müssen diesen Dialog im Rahmen unseres Parlaments weiter vertiefen. Die wissenschaftliche Apartheid hat ein großes Ausmaß angenommen: In der entwickelten Welt gibt es zu viele Forscher und Ingenieure, den Entwicklungsländern aber fehlen sie. Dadurch vergrößert sich die Kluft zwischen armen und reichen Ländern.
Für meine einfache Botschaft benötige ich nicht einmal eine Minute: Die Europäische Union ist unbedingt dazu verpflichtet, mit den Wissenschaftskreisen zusammenzuarbeiten und sie davon zu überzeugen, dass sie einen Teil ihrer Bemühungen auf Projekte zugunsten der Entwicklungsländer konzentrieren, sei es im Bereich der Tiergesundheit, der menschlichen Gesundheit oder der landwirtschaftlichen Erzeugung. Dieses Anliegen wird derzeit vernachlässigt, und die armen Menschen leiden. Daran sollte dieses Haus denken, wenn es sich mit der wichtigen Rolle der Wissenschaft in den Entwicklungsländern befasst.
Toomas Savi (ALDE). – (ET) Der Mord an Anna Politkowskaja hat vor ein paar Wochen die ganze Welt erschüttert. Mit Gangstermethoden wurden die Bemühungen Anna Politkowskajas erstickt, die Verletzungen der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit in Tschetschenien an die Öffentlichkeit zu bringen.
Vor einer Woche mussten wir über die Georgien-Krise sprechen, die von Russland mit einer politischen Demonstration der Stärke ausgelöst wurde – mit Wirtschaftssanktionen und einer Transport- und Postblockade gegen Georgien, mit einem Einfuhrverbot für georgische Waren, der Schließung der Grenze zu Georgien und dem Beginn der Ausweisung von Georgiern aus Russland.
Heute müssen wir bereit sein, die mögliche Anwendung militärischer Gewalt aller Art im Zusammenhang mit den Sezessionsversuchen von Abchasien und Südossetien zu verhindern.
Die Europäische Union und das Europäische Parlament dürfen nicht einfach untätig zusehen, wie sich die Lage in Georgien entwickelt. Wir müssen jede verfügbare Option nutzen – das gesamte Arsenal an Maßnahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, die Organisierung von Grenzschutzmissionen, die Erleichterung des freien Handels und die Vereinfachung des Visasystems –, um so den Frieden im Südkaukasus zu erhalten.
Jacky Henin (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident! Von den strategischen und industriellen Entscheidungen von Airbus hängt nicht nur das Schicksal von zigtausend Angestellten ab, sondern auch die Zukunft eines großen Teils der europäischen Luftfahrtindustrie. Dem Know-how, der Arbeit und der Investition der Arbeitnehmer und Zulieferer von Airbus muss unbedingt Respekt gezollt werden, indem verhindert wird, dass sie zunichte gemacht werden. Die Angestellten von Airbus dürfen unter keinen Umständen für die Fehler und Versäumnisse der Unternehmensführung und der Aktionäre bezahlen. Diese Arbeitnehmer stellen durch ihr Fachwissen den eigentlichen Reichtum von Airbus dar. Airbus krankt am Liberalismus, und wenn das Unternehmen wieder gesunden soll, muss EADS wieder zu öffentlichem Eigentum mit öffentlicher Finanzierung auf europäischer Ebene gemacht werden.
Ich stelle außerdem erfreut fest, dass sich sowohl in Deutschland als auch in Spanien zahlreiche Menschen dafür aussprechen, dass den Arbeitnehmern echte Eingriffsbefugnisse bei der Leitung von Airbus gegeben werden.
Lassen Sie Herrn Mandelson seine Arbeit machen, damit die Amerikaner das System der rückzahlbaren Vorschüsse nicht mehr in Frage stellen und damit die Europäische Zentralbank und die Kommission endlich eingreifen, um dem schwachen Dollar etwas entgegenzusetzen.
Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hintergrund meiner Wortmeldung ist die Problematik der streunenden Hunde auf Korfu. Der österreichische Tierschutzverein unterstützt seit Jahren viele Projekte auf Korfu, wobei er durch die Behörden vor Ort immer wieder an einer effektiven und effizienten Arbeit gehindert wird. Ausländische Tierärzte dürfen nicht behandeln, bereits gebaute Tierschutzheime dürfen nicht in Betrieb genommen werden, und obwohl die Reisegesellschaft TUI dieses Projekt finanziert hätte, durften streunende Hunde nicht zu Familien nach Deutschland und Österreich gebracht werden, sondern wurden stattdessen auf Korfu grausam ermordet.
Ich appelliere an den Rat, die Kommission sowie die Kolleginnen und Kollegen, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen, und fordere insbesondere, dass Hilfe von außen zugelassen und anerkannt wird, um das Problem möglichst schnell zum Wohl der Tiere zu lösen.
Marianne Mikko (PSE). – (ET) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am heutigen Abend vor 50 Jahren legten die Studenten und Intellektuellen Budapests der ungarischen Marionettenregierung 16 Forderungen vor. Die Forderungen wurden zurückgewiesen, die Behörden eröffneten das Feuer auf die Massen, und der Aufstand begann.
Die Ungarn vertrauten auf Hilfe aus dem Westen, denn die europäische Einheit erschien ihnen ganz natürlich. Die erwartete Unterstützung blieb jedoch aus; es gab noch nicht einmal offizielle Stellungnahmen. Zwar war die Handlungsfähigkeit des Westens durch die gleichzeitige Suez-Krise etwas eingeschränkt, doch der wahre Grund für diese Zurückhaltung war die Aufteilung Europas in Einflussbereiche, wie sie in Jalta vorgenommen worden war.
13 000 Menschen wurden Repressalien seitens der Sowjets ausgesetzt, 350 davon hingerichtet. Ungarn wurde zur Abschreckung für andere Völker, die ebenfalls nach Freiheit verlangten.
Die Sowjetunion existiert nicht mehr, doch der Geist von Jalta lebt weiter in unserer Angst davor, uns für die Republik Moldau, Georgien und andere Länder einzusetzen, die Russland als Teil seiner Einflusssphäre betrachtet. Im Gedenken an die Opfer des Aufstands in Ungarn schlage ich vor, dass wir unsere Furcht überwinden und vereint für die Verteidigung von Demokratie und Freiheit eintreten.
Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Schaffung eines möglichst effizienten, sicheren und wettbewerbsfähigen gemeinsamen Energiemarktes ist eine vorrangige Aufgabe der Europäischen Union. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass die Auswirkungen der Energiepolitik der Union über den Energiesektor hinausreichen und dass die drei politischen Ziele dieser Politik darin bestehen, die Energieversorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und die Umwelt zu schützen, indem wir vor allem dem Klimawandel entgegensteuern. Wie wir wissen, entsteht der Binnenmarkt für Energie indirekt durch die Harmonisierung der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten und direkt durch die Liberalisierung der nationalen Energiemärkte. Dennoch braucht Europa für den EU-Binnenmarkt und auch für seine ausländischen Partner eine einheitliche gemeinsame Strategie und eine Zusammenarbeit auf breiter Basis. Deshalb erfüllt es mich auch mit Genugtuung, dass die Länder der Europäischen Union sich auf dem jüngsten Gipfel in Lahti zum ersten Mal seit vielen Jahren bemüht haben, beim Thema Zusammenarbeit mit Russland auf dem Energiesektor mit einer Stimme zu sprechen und die einzelnen Mitgliedstaaten sich nicht von der Aussicht auf die Vorteile haben verleiten lassen, die ihnen möglicherweise aus einem besonderen Verhältnis zu Russland erwachsen würden.
Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich habe in diesem Monat an zwei wichtigen Veranstaltungen teilgenommen. Einmal an der von der Europäischen Kommission organisierten Konferenz über die Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik und zum anderen am Kongress der europäischen Landwirte unter der Schirmherrschaft von COPA und COGECA. Wie wiederholt festgestellt wurde, braucht Europa eine klare Strategie für die Landwirtschaft und die Zukunft der Landwirte. Was aber haben wir tatsächlich? Alle paar Jahre gibt es eine neue Reformwelle. Die Bauern brauchen Stabilität, um ihre Produktion und ihre Investitionen planen zu können. Wir sollten keinesfalls vergessen, dass die europäische Landwirtschaft ohne jegliche Hilfe große Schwierigkeiten haben wird, gegenüber den aus anderen Ländern eingeführten Erzeugnissen konkurrenzfähig zu bleiben. Europa befindet sich schon jetzt im Nachteil, da die Anforderungen an unsere Landwirte viel strenger sind und sie oftmals unter schwierigeren Bedingungen produzieren müssen. Es ist daher unsere Pflicht, die Bürger und auch einige Mitglieder dieses Hauses darüber aufzuklären, weshalb wir eine Gemeinsame Agrarpolitik haben, worin ihre Vorteile bestehen und weshalb die Verbraucher für ihre Kosten aufkommen müssen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Herr Behiç Aşçi ist ein türkischer Rechtsanwalt, der sich seit 202 Tagen im Hungerstreik befindet und mittlerweile mit dem Tode kämpft. Er ist zwar selbst kein Häftling, aber er protestiert gegen das unmenschliche Vorgehen der türkischen Behörden, die vor allem politische Häftlinge einer Isolationshaft in so genannten Gefängnissen des Typs F aussetzen. Bisher sind 122 Hungerstreikende in solchen Gefängnissen gestorben, und dennoch weigert sich die türkische Regierung strikt, dieses Thema überhaupt anzusprechen.
Die in einigen Fällen mehrere Jahre währende Isolation gehört zu einer der schlimmsten Formen der psychologischen Folter, und die türkische Zivilgesellschaft, darunter auch die Anwalts- und Ärztevereinigungen, haben ihre Abschaffung gefordert.
Ich fordere Sie auf, Herr Präsident, sich im Namen der Achtung der Menschenrechte und zum Schutz des Lebens von Herrn Aşçi schnellstmöglich mit dem türkischen Premierminister in Verbindung zu setzen und ihm zu verstehen zu geben, dass die Isolationshaft in Gefängnissen des Typs F nicht mit den Beitrittsbestrebungen der Türkei vereinbar und unverzüglich einzustellen ist.
Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). – (HU) Heute gedenken wir der Ereignisse vor 50 Jahren, der ungarischen Revolution von 1956, der Revolution des Volkes, die das kommunistische System erschütterte, das als felsenfest gegolten hatte. Wofür kämpfte das ungarische Volk? Für Freiheit und Unabhängigkeit. Auch wir Ungarn, die jenseits der ungarischen Grenzen lebten, verfolgten den heroischen Kampf gegen die übermächtige Sowjetmacht mit Sorge und großem Interesse. Der Niederlage der Revolution folgten dunkle, entsetzliche Jahre und grausame Vergeltungsmaßnahmen. Besonders in Transsylvanien, aber auch in der Slowakei, waren jene, die offen mit der Revolution sympathisiert hatten, harten Repressalien ausgesetzt. Mit tiefer Ehrfurcht erinnern wir uns der Opfer, der heroischen Freiheitskämpfer, deren Kampf nicht vergebens war. 34 Jahre später brach das unmenschliche System zusammen, und heute gehören wir einer europäischen Gemeinschaft an, die sich auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Menschen- und Bürgerrechte gründet. Für ebendiese Werte kämpften die Beteiligten und ließen die heldenhaften Toten während der Revolution von 1956 ihr Leben.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Das informelle Gipfeltreffen in der vergangenen Woche in Lahti unter Leitung der finnischen Ratspräsidentschaft war ein wichtiger Meilenstein für die Beziehungen zwischen der EU und Russland. Nach langer Zeit ist es der EU gelungen, mit einer Stimme zu sprechen, und besonders wichtig ist, dass die EU geeint auf das Thema der europäischen Energiepolitik eingegangen ist.
Da das Anliegen einer besseren Energieversorgung und einer vergrößerten Energiesicherheit von gemeinsamem Belang für alle Mitgliedstaaten der Union ist, möchte ich hervorheben, dass die Interessen einiger Mitgliedstaaten mit Blick auf die Energieversorgungssicherheit durch einige Vorhaben in der Ostseeregion vernachlässigt werden. Damit meine ich insbesondere den Bau der nordeuropäischen Gaspipeline, die im Jahr 2000 den Status eines transeuropäischen Energienetzes erhalten hat.
Ich schlage vor, dass wir die bereits in das Vorhaben eingebundenen Länder, nämlich Deutschland und Russland, dazu auffordern, die Nachbarländer und EU-Mitgliedstaaten zu einer Beteiligung am Netzwerk einzuladen und ihnen die Möglichkeit einer tatsächlichen Partnerschaft in Aussicht zu stellen.
Der Präsident. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.
VORSITZ: INGO FRIEDRICH Vizepräsident
16. Einrichtung, Betrieb und Nutzung des SIS II (Verordnung) – Einrichtung, Betrieb und Nutzung des SIS II (Beschluss) – Zugang von für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständigen Dienststellen zum SIS II (Aussprache)
Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über
– den Bericht von Carlos Coelho im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (KOM(2005)0236 – C6-0174/2005 – 2005/0106(COD)) (A6-0355/2006),
– den Bericht von Carlos Coelho im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (KOM(2005)0230 – C6-0301/2005 – 2005/0103(CNS)) (A6-0353/2006) und
– den Bericht von Carlos Coelho im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang von für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (KOM(2005)0237 – C6-0175/2005 – 2005/0104(COD)) (A6-0354/2006).
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Eingangs möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Coelho, für seine ausgezeichnete Arbeit zum Rechtspaket für das Schengen-Informationssystem der zweiten Generation gratulieren. Außerdem möchte bei dieser Gelegenheit auf die wichtigen Bemühungen der finnischen Ratspräsidentschaft hinweisen, die Gespräche zu diesem Legislativpaket zum Abschluss zu bringen.
Parlament, Rat und Kommission haben sich allesamt sehr konstruktiv für die Kompromissfindung in dieser schwierigen und komplexen Angelegenheit eingesetzt. Der Rat „Justiz und Inneres“ hat in diesem Monat schon bestätigt, dass der SIS-Mechanismus weiterhin zu einer der absoluten Prioritäten gehört, und die Kommission räumt dieser Frage weiterhin einen ausgesprochen hohen Stellenwert ein.
SIS II wird ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung eines effektiven Informationsaustauschs zwischen den einschlägigen Behörden sein. SIS II wird dazu beitragen, einen hohen Sicherheitsstandard aufrechtzuerhalten, denn es wird im Vergleich zum gegenwärtigen SIS über zusätzliche Funktionen verfügen, die den operativen Erfordernissen der Polizei und anderer Behörden besser gerecht werden.
Weitere Fortschritte von SIS II werden entscheidend dazu beitragen, die Freizügigkeit, wirksame Grenzkontrollen und den laufenden Kampf gegen Schwerstkriminalität und Terrorismus zu unterstützen. Gleichzeitig wurden bessere Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen, darunter genaue Datenschutzregeln, die ebenfalls für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht sorgen sollten.
Ich hoffe inständig, dass Rat und Parlament einem Kompromiss in erster Lesung zustimmen werden, denn der Rechtsrahmen stellt einen Hauptbestandteil – ja sogar eine Voraussetzung – dafür dar, dass die Kommission die Entwicklung von SIS II zum Abschluss bringt und die operationelle Phase einleiten kann. Jede weitere Verzögerung bei der Einführung der Rechtsgrundlage würde sich nachteilig auf den geänderten Zeitplan von SIS II und damit auf die Abschaffung der Binnengrenzen in der Europäischen Union auswirken.
Ich kann daher dem Vorschlag des Berichterstatters zustimmen und habe weiterhin die Hoffnung, dass in erster Lesung ein Kompromiss erzielt werden kann, um den Umsetzungsprozess zu beschleunigen.
Carlos Coelho (PPE-DE), Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Vor uns liegen drei Dokumente: zwei Verordnungen und ein Beschluss. Ich möchte fünf Bemerkungen machen, wobei die erste Bemerkung institutioneller Natur ist, denn sie bezieht sich auf die Absurdität des legislativen Verfahrens.
Wir haben es mit drei verschiedenen Rechtsdokumenten zu tun, die zwei unterschiedlichen Verfahren unterliegen, dem Verfahren der Mitentscheidung bei den Verordnungen und Anhörungsverfahren beim Beschluss. Die drei Dokumente betreffen ein und dieselbe Realität. Es gibt keine drei Schengener Informationssysteme. Es gibt ein einziges System, für das wir mit verschiedenen Rechtssystemen Gesetze erlassen. Das ist eine völlig absurde Situation, die so nicht weitergehen darf. Wäre die Europäische Verfassung angenommen worden, würden wir uns nicht in dieser absurden Lage befinden.
Wir hatten es mit einem komplizierten legislativen Verfahren zu tun, das alle gezwungen hat, eine immense Kooperationsbereitschaft zu zeigen. Den Schattenberichterstattern und allen Mitgliedern des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres möchte ich öffentlich danken. Mein besonderer Dank geht an Herrn Lax, Frau Mastenbroek und Frau Kaufmann für ihre unschätzbare Unterstützung und für ihr Engagement unter dem enormen Druck während der Arbeit und mit dem Ziel vor Augen, eine Einigung in erster Lesung zu erreichen.
Die zweite Bemerkung, die ich mache möchte, bezieht sich darauf, dass dies meines Erachtens ein gutes Ergebnis für Europa ist. Es ist ein gutes Ergebnis, denn wir haben mehr Sicherheit, einen besseren Datenschutz und das System ist gestrafft worden. Mit den biometrischen Merkmalen ist eine bessere Identifizierung der Personen möglich, so dass die Verbindung zwischen der Person und dem Personaldokument zuverlässiger hergestellt werden kann, was die Sicherheitsstandards anhebt. Außerdem kann intelligenter mit Personenausschreibungen umgegangen werden, was wir als die Verknüpfung von Ausschreibungen bezeichnen. Einem Polizeibeamten ist es dadurch möglich, eine weniger große Straftat von einer Tat zu unterscheiden, die in Verbindung zu einem kriminellen Netzwerk oder einer Serie von Straftaten steht, auf die mit ausgeklügelteren Schritten reagiert werden muss. Wir verwalten die Informationen also nicht nur intelligenter, sondern unterstützen die Strafverfolgungsbehörden auch dabei, effektiver für Sicherheit zu sorgen. Mit den drei Dokumenten, über die wir gleich abstimmen werden, leisten wir einen Beitrag zu einer effizienteren Kontrolle an den Außengrenzen und zu mehr Sicherheit beim Reisen innerhalb der Gemeinschaft.
Drittens ist dies meiner Meinung nach ein gutes Ergebnis für die neuen Mitgliedstaaten. Diese haben den legitimen Wunsch, ihren Bürgern das Gefühl zu vermitteln, dass sie vollberechtigte Bürger sind mit demselben Recht auf Freizügigkeit wie die übrigen Gemeinschaftsbürger. Deshalb dürfen wir das legislative Verfahren nicht aufhalten. Es ist wichtig, dass wir in erster Lesung zu einer Einigung gelangen, und wenn wir das geschafft haben, sind wir in der Lage, bis Ende 2006 eine Rechtsgrundlage zu beschließen, wozu wir uns verpflichtet haben.
Viertens, Herr Präsident, ist dies meiner Meinung nach ein gutes Ergebnis für das Parlament, denn von dem, wofür wir uns eingesetzt haben, konnten wir den größten Teil durchsetzen, und davon möchte ich nur Folgendes besonders hervorheben: die Verwaltung des Zentralsystems durch die Gemeinschaft unter der demokratischen Kontrolle des Europäischen Parlaments und der rechtlichen Kontrolle des Gerichtshofs (es ist vorgesehen, innerhalb von fünf Jahren eine Gemeinschaftsagentur bei Mitentscheidung des Parlaments zu errichten); die Tatsache, dass es eine größere Harmonisierung der Ausschreibungen zu Personen im Schengener Informationssystem, so dass die Einreise in den Schengen-Raum verwehrt werden kann (die Kommission ist aufgefordert, innerhalb von drei Jahren Initiativen vorzulegen, damit ein höheres Harmonisierungsniveau erreicht wird); die Tatsache, dass wir im zentralen SIS-System die Europäischen Haftbefehle speichern; die Tatsache, dass wir die biometrischen Daten als Abfragebereich erst nach Ausarbeitung eines dem Parlament vorzulegenden Berichts, zu dem das Parlament sich äußern wird, nutzen können; die Tatsache, dass wir ganz klar die Datenschutzregeln und die Rechte des Einzelnen in Bezug auf das System gestärkt haben; die Stärkung des Kontrollsystems sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, und die Pflicht, Berichte zu erstellen, um die Transparenz der Funktionsweise des Systems zu erhöhen.
Herr Präsident! Fünftens und letztens möchte ich einige Worte an den Rat richten und der Kommission danken. Mein Dank gilt der Kommission und ganz besonders dem Vizepräsidenten Frattini, der während des gesamten Prozesses eng mit dem Parlament zusammengearbeitet und –lassen Sie mich das besonders hervorheben – dazu beigetragen hat, dass Kommission und Parlament über weite Strecken Gemeinsamkeiten feststellen konnten. Ich möchte den beiden Ratsvorsitzen – Österreich und Finnland – für die gewaltige Arbeit, die sie hierbei geleistet haben, danken. Ganz besonders bedanken möchte ich mich beim Innenminister Finnlands und derzeitigen Präsidenten des Rates Justiz und Inneres, Kari Rajamäki, und seinem gesamten Team. Mein besonderer Dank gilt dem Vorsitzenden der Schengen-Arbeitsgruppe. Alle Beteiligten haben sehr intensiv gearbeitet und waren meiner Meinung nach sowohl in Bezug auf die legislativen Lösungen, die wir gefunden haben, als auch im Hinblick auf die institutionellen Verpflichtungen, die wir übernommen haben, erfolgreich. Beispielsweise hat die Präsidentschaft sich verpflichtet, alles zu unternehmen, damit der Rahmenbeschluss über den Datenschutz noch vor Ende des Jahres im dritten Pfeiler angenommen wird.
Herr Präsident! Gleichwohl möchte ich sagen, dass der Rat nicht immer richtig gehandelt hat. So hat er die Zusagen, die er während des informellen, im Mai in Straßburg auf höchster Ebene abgehaltenen Trilogs gegeben hat, nicht eingehalten und damit dem österreichischen Vorsitz eine große Niederlage bereitet. Ich hoffe, der Rat tut nicht dasselbe mit dem Kompromiss, der in Brüssel im Trilog am 26. September erzielt wurde. Ich sage das, weil der Rat, obwohl es im Trilog am 26. September gelungen war, eine hervorragende Vereinbarung zu erzielen, 48 Stunden, also zwei Tage vor der Abstimmung über den Kompromisstext im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, auf der Grundlage der Initiative eines einzigen Mitgliedstaates den Versuch unternahm, das Schengener Informationssystem für die Geheimdienste der Mitgliedstaaten zu öffnen. Dazu muss gesagt werden, dass dieser Vorschlag im Grunde genommen keinen Sinn ergibt. Wir können nicht einerseits die Anforderungen an den Schutz personengebundener Daten hochschrauben, was wir im Kompromisstext getan haben, und andererseits den Zugang für Strukturen der Mitgliedstaaten öffnen, die von ihrer Art her weder in ihrer Gesamtheit noch in Teilen den für den Datenschutz zuständigen Behörden unterstehen: das ist ein Paradoxon, das keinen Sinn ergibt. Auch aus Verfahrensgründen ist es nicht sinnvoll, wenn zwei Tage, bevor das Parlament über den Text abstimmt, zu dem im Trilog mit dem Vorsitz und Herrn Frattini ein Kompromiss erzielt wurde, versucht wird, Änderungen am Text anzubringen. Etwas, was in Verhandlungen in einem Kompromiss festgelegt wurde, kann man nicht innerhalb von 48 Stunden ändern.
In der Beziehung zwischen den europäischen Organen müssen Loyalität und Vertrauen herrschen. Der Präsident des Europäischen Parlaments steht zu seinem Wort. Wir sind bereit, über den Text abzustimmen, auf den wir uns nach monatelangen und schwierigen Verhandlungen geeinigt haben. Ich hoffe, dass der Rat seinerseits die von ihm eingegangenen Verpflichtungen einhält und dass das neue SIS der zweiten Generation sobald als möglich wirksam und effektiv zum Einsatz kommt und so zur Sicherheit beiträgt.
(Beifall)
Mihael Brejc, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (SL) Die Verhandlungen zu allen drei Dokumenten waren langwierig und beschwerlich, doch wir haben nunmehr innerhalb des Europäischen Parlaments und dann auch in unseren Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat einen Kompromiss erzielt. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die uns bei einem so anspruchsvollen Vorhaben wie der Erweiterung des Schengen-Raums zukommt. Deshalb haben wir im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres die Rechtsgrundlagen nahezu einstimmig, das heißt mit großer Mehrheit, angenommen. Ich bin überzeugt, dass dies auch geschehen wird, wenn wir im Plenum darüber abstimmen. Jedes weitere Zaudern bei der Verabschiedung der Rechtsgrundlagen wird die Einführung des SIS II beeinträchtigen. Aus diesem Grunde sollte das Europäische Parlament die Grundlagen dringend annehmen, da sie eindeutig einen Grundstein für die technische Errichtung des SIS II darstellen. Wie jedoch der Rat handeln wird und wie die nächste Stufe der Harmonisierung abläuft, ist eine andere Frage.
Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass sich die Erweiterung des Schengen-Raums aus technischen Gründen verzögern wird. Diese Schwierigkeiten sind wahrscheinlich größerer Art. Die neuen Mitgliedstaaten, darunter Slowenien, die alles daran gesetzt haben, die Schengen-Kriterien einzuhalten, haben bestätigt, dass all diese Kriterien nunmehr erfüllt sind. Die Verzögerungen sind also auf keinerlei Mängel in der Vorbereitung unsererseits zurückzuführen. Damit verbunden ist das außerordentlich ernste Problem der Kosten, die uns durch die Verzögerungen beim Beitritt zum Schengen-Raum entstehen.
Ich unterstütze daher die alternativen Lösungen, wonach nur denjenigen Mitgliedstaaten der Zugang zum SIS I gewährt werden soll, die ihre Vorbereitungen abgeschlossen haben, also allen, die innerhalb der ursprünglich vorgesehenen Frist sämtliche Kriterien für eine Aufnahme in das Schengener Informationssystem erfüllt haben. Ich hoffe, dass das Parlament die genannten Rechtsgrundlagen verabschieden wird, und möchte mich bei Herrn Coelho und Kommissar Frattini für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken.
Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Zuallererst möchte ich mich natürlich bei Herrn Coelho und den Schattenberichterstattern der Fraktionen für ihre intensive Arbeit bedanken.
Die Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) soll es uns ermöglichen, zum Abbau der innergemeinschaftlichen Grenzen zu den zehn neuen Mitgliedstaaten beizutragen. Die Erweiterung des Schengen-Raums ist für dieses Parlament eine Priorität. Wir verstehen die Schwierigkeiten, die unsere Kollegen in den osteuropäischen Ländern dabei haben, ihren Mitbürgern zu erklären, weshalb sie sich innerhalb Europas nicht frei bewegen können. Daher war es unser Wunsch, in erster Lesung eine Einigung zu erzielen, damit die Freizügigkeit aller EU-Bürger nicht behindert wird.
Das Schengener Informationssystem muss einen hohen Sicherheitsstandard bieten, um die Grenzen abzubauen, aber jede zentralisierte Datenbank muss die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Zwecks wahren, um zu gewährleisten, dass das Privatleben aller Bürger geschützt wird. Wir begrüßen daher, dass dieser Text einen direkten und spezifischen Verweis auf den künftigen Rahmenbeschluss über den Datenschutz im Rahmen der dritten Säule enthält, wofür ich Herrn Coelho besonders dankbar bin. Ich hoffe, dass der Rat uns sehr bald die Ergebnisse seiner ersten Lesung dieses Textes übermitteln kann, wie er es bei unserer letzten Plenartagung angekündigt hat.
Das SIS ist ein Kontrollmechanismus, der an den Außengrenzen zum Einsatz kommt und an die Stelle der ehemaligen ortsfesten Anlagen getreten ist, die im Rahmen der Förderung der Freizügigkeit abgeschafft wurden. Wir haben uns dafür ausgesprochen, die Behörden, die direkten Zugang zu den Daten haben, genauestens festzulegen. Die Liste der Behörden, denen der Zugang gewährt wird, soll daher im Amtsblatt veröffentlicht werden. Auf diese Weise soll zur Vermeidung von Datenmissbrauch beigetragen werden, indem ermöglicht wird festzustellen, von wem, wann und weshalb Daten des Systems eingesehen wurden. Darüber hinaus ist es unsere Priorität, den Bürgern Zugang zu ihren eigenen Daten zu gewähren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Einspruch einzulegen und die Daten zu berichtigen.
Wir haben in einem Geist der Kompromissbereitschaft zusammengearbeitet, um uns so schnell wie möglich auf einen gemeinsamen Text zu einigen. Ich verstehe, dass die neuen Mitgliedstaaten besorgt sind, nachdem die Kommission angekündigt hat, dass es bei der Einführung des Systems Verzögerungen gegeben hat. Es handelt sich jedoch um technische Probleme innerhalb des Systems, für die das Europäische Parlament nicht verantwortlich gemacht werden kann. Abschließend möchte ich an die Mitgliedstaaten appellieren, nicht in letzter Minute einen Antrag einzureichen, der den von sämtlichen Organen gebilligten Kompromiss gefährden könnte, und die Annahme dieses für die Freizügigkeit notwendigen Textes nicht noch mehr zu verzögern.
Henrik Lax, in Namen der ALDE-Fraktion. – (SV) In kurzer Zeit haben wir Schattenberichterstatter zusammen mit dem Berichterstatter alle für die Ausdehnung des Schengen-Gebietes auf die neuen Mitgliedstaaten notwendigen Legislativvorschläge bestätigt. Einen besonderen Dank möchte ich an den Berichterstatter, Herrn Coelho, und die Schattenberichterstatter für einen hervorragenden Konsens und die guten Ergebnisse unserer Arbeit richten.
Das Haar in der Suppe ist der Zeitplan. Obwohl wir unser Äußerstes getan haben, um die Binnengrenzen so schnell wie möglich abzuschaffen, verzögert sich die Erweiterung des Schengen-Gebiets. Um wie viel, ist noch nicht klar. Wir Mitglieder der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa sind nicht der Ansicht, dass wir ausreichende Antworten von Rat und Kommission auf die Frage nach den Gründen für diese Verzögerung erhalten haben, die zudem noch lange andauern kann. Jeder Bürger, der auf den Tag wartet, an dem er an den Binnengrenzen nicht mehr kontrolliert wird, hat das Recht zu erfahren, wo das Problem liegt. Wir schlagen daher der Kommission vor, mit sofortiger Wirkung eine unabhängige Untersuchung der Ursachen für die Verzögerung durchführen zu lassen.
Das Schengen-Gebiet ist eines der erfolgreichsten Projekte der EU. Die Abschaffung der Binnengrenzen ist eine sehr konkrete Maßnahme zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Identität. Man könnte sagen, dies ist eine der fundamentalsten Aufgaben der EU.
Bei den Vorbereitungen für SIS II war die Aufnahme biometrischer Identifikatoren, das heißt von Fingerabdrücken in Datenbanken, die vielleicht umstrittenste Frage. Die Lösung, die biometrischen Identifikatoren in zwei Stufen einzuführen, ist gut. In der ersten Stufe soll es lediglich gestattet sein, die Identität einer Person mit Hilfe von Fingerabdrücken zu bestätigen. In der zweiten Phase könnte auch das Suchen mit Hilfe von biometrischen Identifikatoren durchgeführt werden.
Meiner Überzeugung nach sollte die Biometrie nur mit erheblicher Vorsicht und großem Einfühlungsvermögen eingesetzt werden. Im SIS II-System ist ihre Verwendung jedoch relativ unumstritten, da diese Datenbank größtenteils Informationen über von den Behörden gesuchte Personen enthält.
Wesentlich umstrittener ist hingegen die Verwendung von Fingerabdrücken im zukünftigen gemeinsamen Schengen-Visum, das auch die neuen Mitgliedstaaten ausstellen werden. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Touristen, Verwandte und Geschäftsleute, die noch nie Probleme mit den Behörden hatten.
Für das Visumsystem ist die Verwendung biometrischer Identifikatoren sowohl technisch als auch administrativ wesentlich schwerwiegender als für SIS II. Dafür würden jährlich die Fingerabdrücke von 20 Millionen Menschen abgenommen werden. Aus diesem Grunde wäre es wahrscheinlich wichtig für die Regierungen, bereits jetzt darüber nachzudenken, die Fingerabdrücke zumindest zu Beginn aus dem System auszuklammern. Anderenfalls ist die Gefahr groß, dass sich die Erweiterung des Schengen-Gebiets in wichtigen Bereichen verzögert, und das wollen wir doch wirklich nicht.
Carl Schlyter, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Coelho, für Ihre Arbeit zur Verbesserung des Vorschlags. Es ist wichtig, dass wir den Datenschutz verstärken, was das Europäische Parlament ja auch versucht. Die Menschen müssen erfahren, welche Informationen über sie registriert werden, und zwar aus guten Gründen.
Meiner Ansicht nach waren Schengen und das Schengener Informationssystem von Anfang an mit Problemen behaftet. Wir haben einfache Grenzkontrollen durch die Möglichkeit für die Behörden ersetzt, die Menschen ständig zu überwachen, wenn sie sich in ihren Ländern befinden. Vorgeschlagen wird nun eine Erhöhung der Anzahl der Behörden, die Zugang zu diesen Daten erhalten. Da dies auch eine umfassendere Verwendung dieser Daten bedeutet, müssen wir noch vorsichtiger damit sein, welche Informationen wir registrieren lassen. Aus diesem Grunde halte ich die Aufnahme biometrischer Identifikatoren für unangebracht.
Als diese Frage in den USA diskutiert wurde, ließ man den Obersten Gerichtshof des Landes die vorhandenen Möglichkeiten untersuchen. Auf uns bezogen bedeutet dessen Entscheidung, dass die große Gefahr besteht, dass entweder zu vielen Personen die Einreise in die Union verwehrt würde, die ein Recht darauf haben, oder – falls die Sicherheitsanforderungen gesenkt würden – unerwünschte Personen einreisen könnten. Es gibt viele Personen – beispielsweise körperlich hart arbeitende Menschen mit undeutlichen Fingerabdrücken –, die nicht eindeutig mit Hilfe von Fingerabdrücken identifiziert werden können. Somit besteht die Gefahr, dass Unschuldige abgewiesen werden und Schuldige durch die Maschen schlüpfen.
Biometrische Daten sind außerdem sehr teuer. Eine umfassendere Verwendung solcher Daten ist inakzeptabel, wenn jetzt die Möglichkeit geschaffen wird, gezielt danach zu suchen. Ebenso wenig kann akzeptiert werden, dass diese Frage im Ausschussverfahren entschieden wird. Biometrische Daten stellen eine Verletzung der Privatsphäre dar, vor allem, da auch Unschuldige betroffen sein können. Diesen Weg sollten wir nicht weitergehen.
Einige Regierungen wollen jetzt in letzter Sekunde die Möglichkeit einführen, dass die Sicherheitspolizei Zugang zu diesen Daten erhält. Damit kippt das gesamte Prinzip des Datenschutzes, der Grundsatz, dass die Bürger das Recht haben, zu erfahren, was über sie registriert wird, und damit der gesamte Grundsatz der Rechtssicherheit und der Rechtsstaatlichkeit. Der Rat sollte nach meiner Auffassung diese Diskussion von der Tagesordnung streichen. Die Sicherheitspolizei darf keinen Zugang zu diesen Informationen erhalten.
Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident! Das SIS II ist notwendig, vor allem, damit die Bürgerinnen und Bürger der neuen Mitgliedstaaten ihr Recht auf Freizügigkeit in der Union uneingeschränkt wahrnehmen können. Dennoch wird meine Fraktion gegen die Gesetzesvorlagen stimmen. Wir haben uns vor allem aus zwei Gründen so entschieden.
Zum Ersten geht es um den Datenschutz. Beim SIS II geht es eben nicht nur um den freien Personenverkehr, sondern auch und vor allem um die polizeilich-justizielle Zusammenarbeit und um ein Fahndungssystem. Die derzeitigen Datenschutzbestimmungen im Rahmen der dritten Säule sind jedoch bekanntermaßen ungenügend. Um hier Bürgerrechte und Sicherheitserfordernisse in Einklang zu bringen, brauchen wir endlich den Rahmenbeschluss über den Schutz personenbezogener Daten.
Das Parlament hat ihn kürzlich einstimmig unterstützt. Aber was macht der Rat? Dort hängt der Rahmenbeschluss fest. Wie zu hören ist, gibt es im Rat noch immer gehörige Vorbehalte. Im Klartext bedeutet dies: Wir wissen zurzeit weder, wann dieser Rahmenbeschluss in Kraft tritt, noch, inwieweit der Rat dessen Inhalt ändert. Mit Blick auf die Bürgerrechte muss aber ein angemessener Datenschutz gewährleistet sein, und zwar bevor eine derart umfangreiche Datenbank geschaffen wird.
Zum Zweiten ist die Aufnahme biometrischer Daten problematisch, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Erstens liegt keine Folgenabschätzung zur Frage der Verwendung biometrischer Daten in einem solch großen System vor. Zweitens werden die Voraussetzungen zur Aufnahme dieser Daten nicht ausreichend geregelt. Zudem ist es für meine Fraktion nicht akzeptabel, dass die Frage, wann biometrische Daten als primäres Suchkriterium verwendet werden dürfen, nicht durch Mitentscheidung des Parlaments entschieden werden soll.
Abschließend möchte ich mich bei meinem Berichterstatter, unserem Kollegen Coelho, für die gute Zusammenarbeit bedanken. Gerade in diesem Zusammenhang aber möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich wirklich kein Verständnis dafür habe, wie der Rat, insbesondere auf Druck der Regierung meines Landes, in den letzten Tagen mit dem Parlament umgegangen ist. Es kann nicht sein, dass nach Abschluss des Trilogs einfach neue Forderungen gestellt werden und dem Parlament die Pistole auf die Brust gesetzt wird.
Dies gilt umso mehr, wenn man um den Inhalt des von Berlin ausgehenden Erpressungsversuchs weiß. Die Polizei ja, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht haben Geheimdienste im SIS II nichts zu suchen. Sie führen ein Eigenleben – das haben wir schon allzu oft erfahren –, und vor diesem Hintergrund sollten wir jetzt die Türen zum SIS II nicht noch weiter aufmachen.
Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Herr Präsident! Ich würde mich ja gern darüber freuen, dass das Europäische Parlament dieses Paket aus drei Dokumenten in der Oktober-Tagung berät und dass wir wahrscheinlich eine hinreichend schnelle Entscheidung treffen, was auch bedeutet, dass es sich um eine Mitentscheidung handelt. Obgleich ich eine hohe Meinung vom Hauptstandpunkt des Berichterstatters habe, der auf der angestammten Haltung des Europäischen Parlaments beruht, und obgleich wirklich wichtige Fragen erörtert wurden, zusammen mit Fragen, die meiner Ansicht nach gar keine Rolle spielen, wie zum Beispiel der Standort der gemeinschaftlichen Agentur, haben wir es doch in Wirklichkeit versäumt, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, und wir haben die bereits aufgewendete Zeit aus den Augen verloren. Für die Öffentlichkeit in den neuen Mitgliedstaaten ist es schwer zu begreifen, warum die technischen, finanziellen und Humanressourcen für die Binnengrenzen der neuen Mitgliedstaaten zwei Jahre später als geplant zur Anwendung kommen und warum die Rechte aus dem Übereinkommen von Schengen erst frühestens 2009 auf die Bürger der neuen Mitgliedstaaten erweitert werden. In den Augen der Bürger der neuen Mitgliedstaaten stellt der Schengen-Raum ein weitaus größeres Symbol der Einheit der Europäischen Union dar als die Verfassung der EU.
Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Die Europäische Union arbeitet derzeit intensiv daran, die Kontrolle der Außengrenzen zu verstärken, was zwar wichtig ist, aber es gibt da auch noch die Binnengrenzen, und Zwischenfälle, bei denen Verdächtige die Grenzen überschreiten, werfen Fragen zur Kontrolle dieser Binnengrenzen auf. Ich halte Schengen für ein romantisches Konzept. In der Europäischen Union profitieren nicht nur unschuldige Bürger vom freien Personenverkehr, auch der 27-jährige Hussein Osman, einer der Verdächtigen der Londoner Anschläge, konnte ungestört nach Rom reisen, und das kann nicht der Sinn von Schengen sein.
Häufigere und zielgerichtetere Kontrollen sind daher vonnöten, nicht nur an Landesgrenzen, sondern auch auf Fährschiffen, auf Flughäfen und an Eisenbahnknotenpunkten. Ein wirksames Informationssystem wie SIS II kann dort nützlich sein. Ein Zurück in die Zeit vor Schengen ist keine Option. Die Freizügigkeit und ein gutes Funktionieren der Europäischen Union gehen nun einmal Hand in Hand, und Letzteres hängt vom Ersteren ab.
Marek Aleksander Czarnecki (NI). – (PL) Herr Präsident! Das Schengener Informationssystem ist ein überaus komplexes computergestütztes Datenübertragungssystem. In seiner jetzigen Form kann dieses System maximal nur von 18 teilnehmenden Ländern genutzt werden. Es war nicht für die Aufnahme der neuen Mitgliedstaaten der Union nach der Erweiterung konzipiert. So war es unter anderem auch deshalb notwendig, ein neues Informationssystem der zweiten Generation, nämlich SIS II, zu entwickeln. Die neuen Mitgliedstaaten wollen sich diesem System zum frühestmöglichen Zeitpunkt anschließen. Das war ursprünglich für Oktober 2007 vorgesehen, aber wie die Europäische Kommission vor drei Wochen bestätigte, wird es eine Verzögerung von einem Jahr geben. Wie Kommissar Frattini feststellte, wird das neue Informationssystem SIS II im günstigsten Fall im Juni 2008 fertig sein. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit, denn dieser Termin bezieht sich nur auf die alten Mitgliedstaaten. Die neuen Mitglieder wie Polen kommen später hinzu, was nach Meinung unserer Experten erst Mitte 2009 der Fall sein dürfte. Eine solch große Verzögerung können wir nicht hinnehmen. Wir wissen, dass weiter an dem System gearbeitet werden muss, aber Mitte 2009 ist für uns nicht akzeptabel. Wir wollen, dass sich unsere polnischen Bürger bei Reisen als vollberechtigte europäische Bürger fühlen können.
Barbara Kudrycka (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Coelho und allen Fraktionen für ihre ernsthafte und wohldurchdachte Arbeit am SIS II-Paket danken. Ich stimme jedoch dem Berichterstatter zu, dass es nicht hinnehmbar ist, wenn der Rat an dem in den Dreiergesprächen bereits erzielten Kompromiss Änderungen vornimmt. Deshalb sollten wir das Gesetzespaket jetzt unbedingt in erster Lesung verabschieden. Das SIS II-Paket bedeutet mehr Sicherheit, einen besseren Schutz der personenbezogenen Daten und strengere Grenzkontrollen. Es trägt auch zur Erhöhung der Freiheit und Sicherheit aller Bürger bei, die in der Europäischen Union leben und reisen, also nicht nur der Bürger der neuen Mitgliedstaaten. Ebenso wichtig wie die Annahme der neuen Rechtsvorschriften ist natürlich ihre Umsetzung in die Praxis. Deshalb freuen wir uns auf die Aussprache über die Umsetzung von SIS II, bei der Kommissar Frattini anwesend sein wird. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Hohe Haus bis jetzt noch nicht über das Ausmaß der Verzögerung beim Aufbau der Zentrale des SIS II und die Gründe hierfür informiert wurde. Wir sehen daher den Schlussfolgerungen des von Herrn Kallas angekündigten Prüfberichts zur Arbeit der Europäischen Kommission an der Entwicklung von SIS II mit Ungeduld entgegen. Dieser Bericht und der bevorstehende Gipfel des Europäischen Rates, der den Zeitplan für die Abschaffung der Grenzkontrollen mit den neuen Mitgliedstaaten beschließen wird, sind eine gute Gelegenheit für eine Aussprache über ein Thema, das für den Normalbürger von solch großer Bedeutung ist. Mit der Entwicklung von SIS II werden die Verpflichtungen erfüllt, die im Vertrag von Amsterdam, im Beitrittsvertrag und im Haager Programm auf höchster politischer Ebene eingegangen wurden. Dass diese Verpflichtungen fristgemäß erfüllt werden, ist für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union ganz entscheidend. Die Union wird daran gemessen werden, ob ihr das gelingt und ob sie den konkreten Nutzen und die Vorteile, die sie ihren Bürgern versprochen hat, auch erzielen kann.
Edith Mastenbroek (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und Herrn Coelho für seine ausgezeichnete Arbeit zu diesem Sachverhalt danken. Schließlich ist es ihm und seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken, dass die Entscheidungsfindung zu diesem wichtigen und umfangreichen Legislativpaket rechtzeitig abgeschlossen werden konnte. Herr Coelho stand im Verlauf dieses Prozesses vor einigen schwierigen Entscheidungen. Es zeugt zwar von Effektivität, wenn Rechtsvorschriften in Rekordgeschwindigkeit formuliert werden, doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Effektivität auf Kosten der Transparenz erreicht wird.
Meiner Fraktion bereitet der fehlende Datenschutz im Zusammenhang mit dem Schengener Informationssystem der zweiten Generation Sorgen. Der Rat hat letztendlich Einverständnis über den vorgeschlagenen Datenschutz-Rahmenbeschluss für die Tätigkeiten der dritten Säule erzielt. Dies ist das Mindeste, was wir für den Schutz der Rechte unserer Bürger tun können, und wir sind noch nicht – noch lange nicht – an diesem Ziel angelangt. Zunächst hat der Rat die Überweisung abgelehnt, weil noch keine Entscheidung vorlag. Dies stimmt, aber warum? Versucht nicht der Rat, diese Frage hinauszuzögern? Und ist nicht der Rat bestrebt, den Beschluss beinahe so weit zu verwässern, dass es kaum noch etwas zu schützen gibt?
Ich muss an dieser Stelle dringend auf das Angebot der deutschen Regierung hinweisen, dem Datenschutz für die Tätigkeiten der dritten Säule während des deutschen Ratsvorsitzes Priorität einzuräumen, vorausgesetzt wir einigen uns hier und jetzt auf einige grundlegende Veränderungen. Dies hinterlässt natürlich einen bitteren Nachgeschmack, nachdem die britische Regierung ihr Handeln zugesagt hatte, wenn das Parlament zur Datenerfassung eine Einigung erzielt, und dann nichts geschah; nachdem sowohl die österreichische als auch die finnische Ratspräsidentschaft nicht allzu bestrebt schienen, in dieser Angelegenheit Fortschritte zu erzielen, den Vorschlag nun aber dennoch entkräften. Ja, die deutsche Regierung muss daraus eine ihrer Prioritäten machen, aber ohne Gegenleistungen. Sie muss es tun, denn die Bürger verdienen es, und zwar jetzt. Angesichts des mangelnden Datenschutzes ist es umso beunruhigender, dass das Parlament aufgefordert wird, auf seine Entscheidungsbefugnisse im Bereich der Biometrie zu verzichten. Dies geschieht erneut im Sinne der Effizienz, doch auf Kosten der Transparenz und damit der Demokratie.
Warum schlage ich also, trotz all der Kritik, eine Zustimmung vor? Dafür gibt es viele Gründe. Ich möchte nur einige davon nennen. Die europäischen Bürger scheinen sich keine allzu großen Gedanken über Mitentscheidungen oder Rahmenbeschlüsse zu machen; was ihnen jedoch Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass immer mehr Autos gestohlen und in osteuropäische Mitgliedstaaten transportiert werden. Sie wünschen sich von uns, dass wir die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um gegen diese zunehmende Form der Kriminalität vorzugehen. In einem Raum ohne Binnengrenzen benötigen wir zudem einen gemeinsamen Ansatz im Bereich der illegalen Einwanderung. Ganz gleich wie viele Schwierigkeiten einige von uns mit diesem Thema haben, wir brauchen ein gemeinsames Instrument, um mit der Präsenz illegaler Einwanderer umzugehen. Zudem wird dem Europäischen Haftbefehl durch das Schengener Informationssystem mehr Bedeutung und Gewicht verliehen, und die Rolle von Europol und Eurojust wird durch die wachsende Zusammenarbeitet unserer Polizei- und Sicherheitskräfte gestärkt.
Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Berichterstatter beglückwünschen.
Ich denke, das große Geheimnis liegt in der enormen technischen Verzögerung bei der Vorbereitung von SIS. Man könnte wirklich einen politischen Grund dahinter vermuten, dass SIS als ein zur Gewährleistung der Freizügigkeit bestimmtes Instrument mehr und mehr Gefahr läuft, den Sicherheitserfordernissen untergeordnet zu werden, die selbstverständlich legitime Erfordernisse sind. Ich glaube jedoch, dass wir über das Ziel hinausschießen, wenn wir – wie es die Bundesregierung scheinbar zu tun beabsichtigt – diese Datenbanken auch für Geheimdienste zugänglich machen wollen.
Dies sowie die immer häufigere Verwendung biometrischer Daten sind wahrscheinlich das – sagen wir so – technisch zwangsläufige Ergebnis einer durch Abschottung gekennzeichneten Freizügigkeits- und Einwanderungspolitik. Deshalb glaube ich, dass der Grund für diese technischen Verzögerungen nur ein eminent politischer sein kann.
Giusto Catania (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass sich hinter einem edlen Ziel – nämlich der Freizügigkeit der Unionsbürger und der Abschaffung der Binnengrenzen – ein inakzeptables Mittel verbirgt. Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation führt neue Formen der gesellschaftlichen Überwachung ein, und die uneingeschränkte Verwendung biometrischer Daten wird den Schutz personenbezogener Daten in Wirklichkeit untergraben.
Wir sind besorgt, weil diese Daten in jüngster Zeit missbraucht wurden, indem eine regelrechte Überwachung vorgenommen wurde. Wie wir schon mehrfach betont haben, halten wir es für unannehmbar, dass diese Daten in die Hände der Geheimdienste gelangen. Wir sind besorgt, weil eine Verwaltungsfunktion im Begriff steht, in ein polizeiliches Kontrollinstrument umgewandelt zu werden.
Obwohl wir die lobenswerte Arbeit von Herrn Coelho zu schätzen wissen, wird unsere Fraktion dagegen stimmen, weil wir der Auffassung sind, dass wir, anstatt über die Freizügigkeit der EU-Bürger zu reden, über Möglichkeiten ihrer totalen Kontrolle beraten.
Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Verzögerung bei der Erweiterung des Schengen-Raums hat für die neuen Mitgliedstaaten politische wie finanzielle Folgen. Zu den politischen Auswirkungen zählt, dass die Kluft zwischen denen, die in der Union gleich, und jenen, die gleicher sind, weiter wächst, während sie doch geschlossen werden sollte. Die finanziellen Folgen sind beträchtlich, denn es werden die neuen Mitgliedstaaten sein, die die Hauptkosten der Verzögerung zu tragen haben. Ich hoffe jedoch sehr stark, dass diese Kosten zum größten Teil aus dem Haushalt der Europäischen Union bestritten werden, wie von den acht Ländern auf dem Salzburger Forum vorgeschlagen wurde. Ich hoffe ferner, die Kommission wird sich den neuen Mitgliedstaaten gegenüber künftig fair verhalten. Sie wusste seit langem um das Ausmaß der Verzögerung, hat sich aber entschlossen, dies nicht publik zu machen. Noch schlimmer ist, dass der Anschluss an SIS II für die alten Mitgliedstaaten für Juni 2008 geplant ist, während die neuen Mitgliedstaaten dies erst in ferner Zukunft tun können, möglicherweise erst Ende 2009. Eine derartige Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten ist einfach nicht hinnehmbar.
Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Frage ist, wie effektiv das Übereinkommen von Schengen bislang war. Hat es die islamischen Fundamentalisten in Madrid aufgehalten? Hat es die islamischen Fanatiker in ganz Europa aufgehalten? Hat es sie in London aufgehalten? Weshalb sollten wir es also umsetzen, wenn wir Europa damit nicht schützen können?
Sagen Sie mir, gibt es eine Küstenwache in der Ägäis? Hier haben Sie nicht festgelegt, wo die Grenzen Europas verlaufen. Zweitausend Menschen versuchen tagtäglich in Griechenland zu landen und weitere zweitausend versuchen, in Spanien an Land zu gehen. Demzufolge helfen wir ihnen. Sobald sie in Griechenland gelandet sind, können sie nach Italien, Österreich, Deutschland oder Frankreich gelangen. Wir helfen ihnen, indem wir die Binnengrenzen beseitigen. Was gewinnen wir dadurch? Und jetzt wollen wir noch eine zweite Generation. Was bieten wir unseren Bürgern? Spitzel, die ihre Telefone abhören, Kameras, die sie beobachten, das Schengen-System, das ihre persönlichen Daten aufzeichnet. Wir schaffen somit ein Demokratiedefizit, ohne einen entsprechenden Nutzen zu haben.
Selbstverständlich werde ich gegen diesen Kahlschlag der Demokratie stimmen.
Koenraad Dillen (NI). – (NL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Aussprache dreht sich um die Frage, wie das künftige modifizierte Schengener Informationssystem eingedenk der beiden größten Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, der massiven illegalen Einwanderung – deren Folgen wir täglich sehen – und der Gefahr des islamischen Terrorismus, in einer gemeinsamen europäischen Strategie genutzt werden kann. Das ist die zentrale Frage in der gesamten Debatte.
Ein Informationssystem, an dem sich alle Länder beteiligen und dessen Funktionen gegenüber seinem Vorgänger erweitert sind, könnte sich beim Aufspüren und Ausweisen illegaler Einwanderer und auch im Kampf gegen den Terrorismus als vorteilhaft erweisen. Gleichwohl wurde einem solchen Informationssystem bereits im vergangenen Jahr ein schwerer Schlag versetzt, als der Europäische Gerichtshof festlegte, ein Land könne niemandem den Zugang nur deshalb verwehren, weil die Person in dem System als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung erfasst ist. Schließlich bestimmte der Gerichtshof, ein Land müsse selbst entscheiden können, ob die betreffende Person eine Bedrohung darstellt.
Eine tiefer liegende und grundlegendere Frage ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten selbst die Schengen-Logik und den Geist des Schengener Systems verinnerlicht haben. Dementsprechend stellt die Legalisierung von Illegalen, von Menschen, die das Schengen-Gebiet unrechtmäßig betreten haben, eine offenkundige Verletzung des Schengener Übereinkommens dar. Kurzum, das Informationssystem ist in einen breiteren Rahmen zu setzen. Es ist nur dann von Nutzen, wenn die Mitgliedstaaten die Außengrenzen wirksam überwachen, eine aktive und konsequente Ermittlungs- und Ausweisungspolitik verfolgen und knallhart gegen Menschenhändler vorgehen, die an kaum überwachten Außengrenzen ein Vermögen verdienen.
Kinga Gál (PPE-DE). – (HU) Die Integration der Europäischen Union hat mit der Abstimmung im Europäischen Parlament über die Rechtsvorschriften zur Schaffung der Rechtsgrundlage für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation einen wichtigen Meilenstein erreicht. Das Parlament hat gezeigt, es wird alles in seiner Macht Stehende tun und sicherstellen, dass die im Laufe der Erweiterung gegebenen Zusagen erfüllt werden und dass die neuen Mitgliedstaaten dem Schengener System so bald als möglich beitreten können. Dank gebührt dem Berichterstatter, der alles nur Erdenkliche getan hat, um dies zu erreichen.
Gerade um weitere Verzögerungen zu verhindern, müssen das Parlament und der Rat unbedingt in erster Lesung ein Übereinkommen erzielen. Daher mutet es sonderbar an, dass, während wir hier im Parlament die schnellstmögliche Schaffung der Rechtsgrundlage anstreben und bereit sind, Kompromisse einzugehen, die Regierungsvertreter im Rat über Passagen abstimmen, die eine Lösung zwangsläufig hinausschieben. Was den Weg zur Aufhebung der Binnengrenzen im Rahmen von Schengen betrifft, lautet die Schlüsselfrage, wann die neuen Mitgliedstaaten dem Schengener Informationssystem beitreten können; der Kommission zufolge verursacht dies erhebliche Verzögerungen. Eingewendet wird, die Fertigstellung von SIS II habe länger als geplant gedauert. Allerdings kann man nicht umhin zu vermuten, dass die Verzögerung politische Gründe hat, obgleich sich die Kommission auf technische Schwierigkeiten beruft. Ich möchte jedoch die Frage aufwerfen, ob dies die Beibehaltung dieser eindeutig diskriminierenden Situation rechtfertigen kann. Ist es nicht unverantwortlich, den neuen Mitgliedstaaten ein derartiges Sicherheitsdefizit aufzubürden?
Für Ungarn wie für die übrigen neuen Mitgliedstaaten zählte die volle Schengen-Mitgliedschaft zu den größten Herausforderungen seit dem Beitritt. Für die Öffentlichkeit lässt sich unter anderem daran die Glaubwürdigkeit der Erweiterung ablesen, und deshalb müssen wir für jede Lösung offen sein, die einen Beitritt zu diesem System zum geplanten Termin ermöglicht. Der Kommission, dem Rat und dem Parlament obliegt hier eine große Verantwortung.
Magda Kósáné Kovács (PSE). – (HU) Wir haben eine überaus wichtige Phase eines langen Prozesses erreicht. Unser Dank gebührt allen, die an diesem Prozess beteiligt waren, und insbesondere dem Berichterstatter.
Dennoch befinden wir uns derzeit in einer nicht vollkommen glücklichen Lage, da sich in der Union offensichtlich eine Mitgliedschaft mehrerer Ebenen herausbildet, und das halten wir für nicht akzeptabel. Es ist nicht sicher, dass die neuen Mitgliedstaaten dem Schengener System im Oktober 2007 beitreten können, obgleich die Aufhebung der Binnengrenzen zu den wesentlichen Errungenschaften der Europäischen Union zählt, insbesondere für die Bürger jener Mitgliedstaaten, die in den Tagen der Diktatur nicht oder nur unter ungemein großen Einschränkungen in die „alten” Mitgliedstaaten reisen konnten. Die Öffnung der Grenzen im Rahmen von Schengen stärkt einerseits aufseiten der neuen EU-Bürger das Gefühl der Zugehörigkeit zu ein und derselben Gemeinschaft und andererseits das Vertrauen der alten Mitgliedstaaten in die neuen. Aus diesem Grund ist die Frage, welchem System und wann wir beitreten können, ganz und gar nicht unbedeutend.
Die von der Kommission offiziell eingestandene Verzögerung bestürzt uns. Wir wissen, dass die Sicherheit des neuen Systems angemessener Garantien bedarf, und doch ist die Öffnung der Grenzen für die neuen Mitgliedstaaten auch eine moralische Frage. Andere teilen unsere Auffassung, wie wir in dem portugiesischen Vorschlag sehen können. Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments aus einem neuen Mitgliedstaat habe ich gemischte Gefühle. Ich freue mich zwar über die zwischen den Mitgliedstaaten herrschende Solidarität, bedauere jedoch, dass im Augenblick unser Beitritt zu SIS I noch nicht sicher ist. Sicher ist allerdings, dass alles, was vor uns liegt, ein Ausbrechen aus dem festgelegten Haushaltsrahmen nach sich ziehen wird.
Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation ist eine aufgerüstete Version der Datenbank, die dazu dient, die Daten der Bürger der Europäischen Union und der Bürger von Drittländern im Namen der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung in der Europäischen Union zu speichern.
Wenn wir über das Schengener Informationssystem der zweiten Generation reden, dann müssen wir genau sein. Wir reden hier nicht nur über eine technische Hilfe, die dazu beiträgt, dass die Union besser funktioniert, sondern wir reden über eine Institution von strategischer Bedeutung, durch die den repressiven Kräften eine in politischer Hinsicht gestärkte Rolle bei der Terrorismusbekämpfung und der Migrationssteuerung eingeräumt wird, ohne dass dem Datenschutz irgendwelche Bedeutung beigemessen und der Weitergabe von Daten an Drittländer vorgebeugt wird.
Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall, denn die Union hat der Möglichkeit zugestimmt, unsere persönlichen Daten mithilfe von Europol und Eurojust an die Geheimdienste von Drittländern, wie die USA, zu übermitteln. Sind wir also demnach alle potenzielle Terroristen, oder führt die neue Ordnung möglicherweise gleichzeitig eine neue Rechtsordnung ein, in der uns unsere Freiheiten erst nach der Überprüfung durch die Geheimdienste gewährt werden? Und das soll uns nicht beunruhigen.
Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE). – (LT) Ich möchte zunächst Herrn Coelho danken, der heute hier geäußert hat, dass das SIS-II-System für die neuen EU-Mitgliedstaaten sehr nützlich ist, die den Beitritt zum Schengen-Raum für den Herbst 2007 geplant hatten.
Ich möchte darauf verweisen, dass mein Heimatland Litauen äußerst ernsthaft an die Vorbereitungen für die Schengen-Mitgliedschaft herangegangen ist, wie beim jüngsten Besuch von Sachverständigen der Europäischen Kommission zur Kontrolle der Bereitschaft für den Beitritt zum Schengen-Raum bestätigt wurde. Der freie Personenverkehr, der durch die Erweiterung des Schengen-Raums gesichert würde, ist schließlich eine der wichtigsten Freiheiten, auf denen sich die Europäische Union gründet.
Leider wurde uns vor kurzem mitgeteilt, dass sich die Schengen-Erweiterung aus technischen Gründen verzögert, weil die Vorbereitungsarbeiten für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation, SIS II, nicht rechtzeitig abgeschlossen sein werden.
Ich stimme den Gedanken des Berichterstatters uneingeschränkt zu und möchte feststellen, dass wir die Kommission nachdrücklich auffordern sollten, dem Parlament ausführliche und transparente Informationen und Erkenntnisse von Untersuchungen vorzulegen, in denen dargelegt wird, wie die Implementierung des SIS-II-Hauptprojekts erfolgt, einschließlich der Gründe für die Verzögerung.
Außerdem sollten wir die Kommission und den Rat auffordern, entsprechende Schritte zu unternehmen, damit der ursprünglich vorgesehene Termin für den Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaaten zum Schengen-Raum eingehalten werden kann.
Sollte das nicht möglich sein, müssen wir die Kommission dazu anhalten, eine umfassende Bewertung der Auswirkungen der Verzögerung vorzulegen und dabei anzugeben, welche Mittel erforderlich sind, um die finanziellen und organisatorischen Kosten der Entwicklung und Implementierung des SIS II zu decken, und welche Haftung für diese Kosten besteht.
Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Mit Schengen II erfinden wir das Rad ungeachtet seiner möglichen Folgen keineswegs neu. Wir haben in Europa bereits den Schengener Raum der Freizügigkeit und der Sicherheit. Wir mussten gegenüber den neuen Mitgliedstaaten unsere Solidarität bekunden, wir mussten Solidarität zeigen, die wir auf die vorstehend genannte Weise leisten, weil das System nach Aussage der Kommission erst in ein paar Jahren einsatzbereit sein wird.
Mit Schengen II müssen wir jedoch zugleich sicherstellen, dass die Grundrechte besser geschützt werden als unter Schengen I. Dank der Änderungsanträge des Europäischen Parlaments enthält Schengen II eine größere Anzahl detaillierter Vorschriften für den Datenschutz, ist darin vorgesehen, dass die Überwachung des Systems und die Verantwortung für das Funktionieren des Systems der Gemeinschaft obliegen, dass auch das Parlament Kontrollen durchführt und die Rechtskompetenz beim Europäischen Gerichtshof liegt, ist ferner der Zugriff auf diese Daten durch Drittländer untersagt und werden eine aktive Kontrolle durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten sowie eine stärkere Transparenz gewährleistet.
Zugleich aber weigern sich leider die Minister weiterhin strikt, das Alarmsystem zu harmonisieren. Was bedeutet die Formulierung, dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Betroffene eine schwere Straftat begangen hat? Wir reden hier von der Möglichkeit, dass übereifrige Polizisten sich willkürlicher Maßnahmen bedienen können. Glücklicherweise wird die Kommission sich bemühen, das System in drei Jahren anzugleichen, aber daran müssen Sie arbeiten, Kommissar Frattini.
Schließlich gibt es unter der dritten Säule keinen Datenschutz. Der Rat hat dem Parlament zwar versprochen, das zu regeln, aber nichts unternommen. Machen wir uns nicht selbst etwas vor? Wir verabschieden hier eine Maßnahme, die, was die Polizei und andere Behörden betrifft, den Austausch privater Daten beinhaltet, und dennoch lehnt der Rat es ab, diese Datenschutzmaßnahme auf den Weg zu bringen, und drängt uns stattdessen, den vorliegenden Vorschlag anzunehmen.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident, doch Sie können versichert sein, dass, sofern dieser Rahmenbeschluss nicht unverzüglich gefasst wird, sich das Parlament laut und deutlich zu Wort melden wird.
Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) In den letzten Tagen sind die Zweifel am ursprünglich vorgesehenen Termin für den Beitritt zum Schengen-Raum, Oktober 2007, in den Mittelpunkt der Berichterstattung in den Massenmedien der neuen Mitgliedstaaten gerückt.
Die Einhaltung des Termins ist von der Einführung des Schengener Informationssystems der neuen Generation, SIS II, abhängig. In dieser Hinsicht halte ich die drei Berichte von Herrn Coelho für sehr wichtig. Ein großes Lob für seine Arbeit, einschließlich der Änderungsanträge, die den Kommissionsvorschlag transparenter machen und dafür sorgen sollen, dass der Rat den Konsens in erster Lesung annimmt.
Obwohl sich diese drei Berichte weitgehend auf technische Fragen und nicht auf den viel diskutierten Beitrittstermin zum Schengen-Raum beziehen, werden mit ihrer raschen Verabschiedung und Umsetzung die Voraussetzungen bestimmt, unter denen der Termin 2007 vielleicht doch noch zu halten ist.
Eine Verzögerung bei der Einführung des Schengener Systems würde auf jeden Fall die Kosten für dessen Fertigstellung erhöhen. Allein in der Slowakei sind bisher etwa 6 Millionen Euro angefallen. Aus diesem Grunde halten wir jede Verzögerung für nicht hinnehmbar.
Im Haager Programm vom 5. November 2004 forderte der Europäische Rat den Rat, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Kontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union so bald wie möglich aufzuheben. Seitdem sind fast zwei Jahre vergangen, und die Bürger der Mitgliedstaaten können nicht begreifen, dass die Europäische Kommission sich erst jetzt mit den technischen und rechtlichen Problemen einer Implementierung des SIS II befasst.
Abschließend möchte ich dazu aufrufen, einen Konsens zu erzielen und diese Rechtsvorschriften in erster Lesung im Parlament anzunehmen, damit sichergestellt wird, dass die Europäische Union in den Augen ihrer Bürger aufgrund einer uneffektiven Bürokratie nicht an Glaubwürdigkeit verliert.
Inger Segelström (PSE). – (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Coelho und den anderen Kolleginnen und Kollegen für ihre gute Arbeit danken.
Diejenigen von uns, deren Länder sich am SIS beteiligen konnten, haben erlebt, wie das Register der polizeilich gesuchten Personen sofortige Auswirkungen auf unsere Anstrengungen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität hatte, die sich zwischen den EU-Ländern bewegt. Wir sehen einem weiterentwickelten SIS II-System, an dem sich alle 25, und bald 27, Länder beteiligen können, mit hohen Erwartungen entgegen.
In den für die Bürgerinnen und Bürger zugänglichen Berichten hat diese Zusammenarbeit uns ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem wir sowohl bereits verurteilte Personen an der Rückkehr hindern, als auch gegen Drogen vorgehen können. Wir haben auch ein Hilfsmittel für den Kampf gegen Menschenschmuggler erhalten, die nicht nur Kinder zum Zweck der Prostitution einschmuggeln, sondern auch zur Ausnutzung als Arbeitskraft. Mit dem Ausbau und der Inbetriebnahme von SIS II können wir den Europäerinnen und Europäern auch effektive Beweise unserer Zusammenarbeit liefern. Das bedeutet jedoch auch, dass wir uns weiter im Kampf gegen die Kriminalität und für den Schutz der Privatsphäre engagieren müssen.
Wir brauchen einen Dialog, wenn wir den Erwartungen gerecht werden wollen, die in der allgemeinen Debatte zu Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit als Grundlage unseres gesamten Handelns an uns gestellt werden. Aber kann das nicht schneller erfolgen?
Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Die Bürger der alten Europäischen Union kommen seit 1985 in den Genuss des freien Personenverkehrs im Rahmen des Schengensystems. Nach der Erweiterung jedoch erwies sich das System als untauglich, die Bürger der neuen Mitgliedstaaten aufzunehmen. Wenn diese eine Grenze passieren wollen, werden sie noch immer kontrolliert und müssen an den Grenzübergängen stundenlang geduldig Schlange stehen. Es ist nun wirklich an der Zeit, dieser Trennung in alte und neue EU ein Ende zu setzen. Während für die Bürger der alten und „besseren“ Europäischen Union der freie Personenverkehr, wie er in den Verträgen festgeschrieben ist, schon Realität ist, steht für die Bürger der neuen und „schlechteren“ Länder die Zeit seit 1985 still. Es erscheint doch paradox, dass die Bürger Polens und anderer Länder die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union noch immer nicht in vollem Umfang nutzen können, obwohl die Agentur FRONTEX, die mit dem Schutz der EU-Außengrenzen betraut ist, in Warschau – in einem neuen Mitgliedstaat also – angesiedelt ist. Ich appelliere deshalb an dieses Hohe Haus, die drei Berichte, über die heute gesprochen wurde, in erster Lesung anzunehmen. Wir müssen diese sichtbare Grenze beseitigen, die als große Mauer wahrgenommen wird, die noch immer die alte Europäische Union von der neuen trennt. Es ist unsere Pflicht, sie niederzureißen. Abschließend möchte ich allen Abgeordneten danken, die sich heute mit den neuen Mitgliedstaaten solidarisch erklärt haben.
Katrin Saks (PSE). – (ET) Als Vertreterin eines neuen Mitgliedstaates bin ich sehr froh, dass das Schengener Informationssystem der zweiten Generation nunmehr bald fertig gestellt sein wird. Das Problem besteht jedoch darin, dass sich die Fertigstellung des Informationssystems verzögert hat. Während der Rat noch im Juni bestätigt hat, dass alles unter Kontrolle sei und sich der Termin nicht ändern werde, war die Lage zwei Monate später anders.
Heute ist offenbar allen klar, dass sich die Schengen-Erweiterung verzögert, doch niemand weiß genau, wie lange. Meines Erachtens wäre es für alle Beteiligten besser, wenn die Betroffenen eine ehrliche Antwort erhielten, wann der Beitritt nun erfolgt.
Die neuen Mitgliedstaaten haben große Anstrengungen unternommen und müssen dies auch weiterhin tun. Auch in Estland haben wir noch Probleme. Unsere Hausaufgaben könnten wir aber viel effektiver erledigen, wenn wir mehr Gewissheit darüber hätten, wie es weitergeht. Der freie Personenverkehr ist nicht das einzige Problem. Aufgrund der ungewissen Lage entsteht auch gegenseitiges Misstrauen. Wie gedenkt die Kommission in der gegenwärtigen Situation vorzugehen, und welche Fristen sind vorgesehen? Das sind besonders wichtige Fragen, die heute gestellt werden müssen.
Edith Mastenbroek (PSE). – (EN) Herr Präsident! Nach Monaten schwerer Verhandlungen reichen zwei Minuten einfach nicht aus, um dem Parlament meine Ansichten zu vermitteln. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich meine Wortmeldung jetzt zum Abschluss bringen.
Es ist nun Aufgabe der Europäischen Kommission und der zuständigen Organisationen in den Mitgliedstaaten, dass dieses neue System zum größtmöglichen Vorteil unserer Bürger zum Einsatz kommt. Ich möchte die Abgeordneten des Europäischen Parlaments jedoch auffordern, noch einmal in sich zu gehen und sich zu fragen, warum wir so häufig auf der Mitentscheidung bestehen, wenn wir sie doch wieder aufgeben, sobald wir sie wirklich einsetzen könnten, und warum unsere Ansichten in Fragen des Datenschutzes so sprunghaft sind. Wir werden den Bürgern den Mehrwert des Europäischen Parlaments nicht allein dadurch vermitteln können, dass wir für ihre Rechte kämpfen. Wir können diesen Beweis nur erbringen, wenn wir sie zum Wohle der Gesellschaft einsetzen.
Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Schengen ist eines der Vorhaben der EU, an dem die Bürger der Mitgliedstaaten die Vorteile ermessen können, die eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat. Das Reisen und die Grenzkontrollen werden erleichtert, und die Kriminalität kann wirksamer bekämpft werden. Das Parlament steht zu seinem Wort und seinem Zeitplan, doch die Kommission ist in dieser Hinsicht ausgesprochen säumig. Es steht noch immer nicht fest, wann die neuen Mitgliedstaaten dem erweiterten System beitreten können. Der Vorschlag zu SIS I Plus ist in Wirklichkeit ein Rückschritt, da für die Länder der alten und der neuen Europäischen Union ein unterschiedlicher Zeitrahmen vorgesehen ist.
Polen hat – wie andere mitteleuropäische Länder auch – schon im Jahr 2003 kostspielige und in Bezug auf seine östlichen Nachbarn politisch schwierige Anforderungen umgesetzt. Ich würde gern wissen, wie Kommissar Frattini der Öffentlichkeit in Polen, Tschechien und Ungarn erklären will, dass sich der Beitritt unserer Länder zum Schengener Raum vermutlich bis zum Jahr 2009 verzögert.
Ferner würde mich interessieren, ob wir jemals die konkreten Ursachen für diese Verzögerung erfahren werden. Es ist durchaus denkbar, dass in Straßburg zu viele zentrale EU-Institutionen angesiedelt sind und es deshalb nicht vorangeht. Möglicherweise aber liegt die Ursache hiefür nicht in technischen Problemen bei der Einführung von SIS II, sondern in dem mangelnden politischen Willen bestimmter Mitgliedstaaten, den Vertrag in nationale Politik umzusetzen. Solange ich keine Antwort auf diese Fragen bekomme, kann ich mich solch quälender Verdächtigungen nicht enthalten.
VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT Vizepräsident
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident! Meiner Meinung nach sind die Redner mehrheitlich auf die Hauptprobleme im Zusammenhang mit dem Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) eingegangen und nur ein kleiner Teil von ihnen hat die Rechtsgrundlage angesprochen. Ich werde daher über die Rechtsgrundlage und die Hauptprobleme in Verbindung mit der Funktionalität des Systems sprechen. Zunächst möchte ich jedoch dem Berichterstatter, Herrn Coelho, noch einmal dafür danken, dass er nicht nur mit dem Rat, sondern auch mit der Europäischen Kommission eng zusammengearbeitet hat, um bei der Rechtsgrundlage – zu der ich gleich noch ein paar Worte sagen werde – einen Kompromiss zu erzielen.
Einige von Ihnen haben sich zur Verzögerung bei der Umsetzung des Systems der zweiten Generation geäußert. Wie immer werde ich ehrlich zu Ihnen sein: Ich denke, dass das Spiel, das darin besteht, unaufhörlich einen Sündenbock zu suchen, statt das Problem zu lösen, uns nicht weiterhilft. Warum? Weil die Mitgliedstaaten und insbesondere diejenigen, die von den Rednern vertreten werden, die hier das Wort ergriffen haben, nur allzu gut die Gründe für diese Verzögerung kennen. Die Mitgliedstaaten haben bereits mehrfach die geänderten Fristen für die Umsetzung geprüft, die dem Rat bei seiner Tagung im Dezember zur Annahme vorgelegt werden. Ein Abgeordneter hat von 2009 gesprochen. Ich kann nicht garantieren, dass der Rat im Dezember die endgültige Zustimmung erteilen wird, aber der Vorschlag der Kommission sieht nicht 2009, sondern Juni 2008 als Zeitpunkt für die Inbetriebnahme eines Systems der zweiten Generation vor. Die Verzögerungen – ich sage es noch einmal – sind durch rein technische Probleme im Zusammenhang mit dem Betrieb der Standorte entstanden. So gab es beispielsweise beim zentralen Standort hier in Straßburg Verzögerungen. Diese hängen jedoch auch mit Auftragsvergabeverfahren in mehreren Mitgliedstaaten, insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten, zusammen.
Außerdem haben fast alle Mitgliedstaaten – oder zumindest eine große Mehrheit – mehr Zeit beantragt, um die technischen Verbindungen zwischen ihren nationalen Systemen und dem zentralen Standort zu testen. Es waren die Mitgliedstaaten, die eine weitere Verlängerung der Frist um drei Monate beantragt haben, und nicht der Rat oder die Europäische Kommission. Der Rat und die Kommission haben sich verpflichtet, die Verspätung zu begrenzen und sogar aufzuholen. Ich kann Ihnen sagen, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die parallel zur Kommission und zu den Mitgliedstaaten arbeitet und die Umsetzung des geänderten Plans überwacht, den ich vorgeschlagen habe, den die Mitgliedstaaten geprüft haben und den sie im Dezember annehmen werden.
Wir sind dabei, Übergangslösungen zu prüfen. So ist der Vorschlag Portugals, der SIS Plus genannt wurde, lediglich eine Übergangslösung, um die Frist zu verringern, und kann unter keinen Umständen eine Alternative zum SIS-II-System darstellen. Ich könnte auch – und das sage ich hier in diesem Parlament – die finanziellen Auswirkungen der Verzögerung für die neuen Mitgliedstaaten berücksichtigen. Ich sage dies und ich bestätige es, aber unter einer Bedingung: dass die Antrag stellenden Mitgliedstaaten nicht selbst zurückliegen, beispielsweise was die Auftragsvergabeverfahren betrifft. Ich kann Ihnen ganz offen sagen, dass bis jetzt nur Slowenien technisch in der Lage ist, den ursprünglichen Termin von Oktober 2007 einzuhalten.
Ich möchte jetzt kurz noch auf die Rechtsgrundlage eingehen. Zum Vorschlag, der dem Parlament vorgelegt wurde, kann ich sagen, wie Herr Coelho selbst ganz richtig anmerkte, dass es sich hierbei um ein gutes Ergebnis für die Europäische Union handelt. Die Wirksamkeit der Kontrollen durch die Polizeibehörden wird verbessert werden, was zu mehr Sicherheit an den Außengrenzen und zu einem angemessenen Schutz personenbezogener Daten führt. Ich hoffe wirklich, wie auch einige unter Ihnen, dass der Rat schließlich auf die politischen Zusagen des österreichischen und des finnischen Vorsitzes reagieren wird. Ich meine damit die Einigung zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über den Datenschutz im Rahmen der dritten Säule mit dem Ziel, ein übergreifendes System zu schaffen, das die Sicherheit und den Schutz der Grundrechte umfasst.
Das Parlament, der Rat und die Kommission haben gezeigt, dass sie fähig sind zusammenzuarbeiten, um einen ausgewogenen Kompromiss zu erzielen. Die neuen Mitgliedstaaten fordern zu Recht die Aufhebung der Kontrollen an ihren Außengrenzen. Die Tatsache, dass wir ziemlich schnell handeln, um allen EU-Bürgern einen echten Raum der Freizügigkeit zu garantieren, stellt eines der sichtbarsten Ergebnisse der Erweiterung der Europäischen Union dar. Schließlich wird sich jede Verzögerung im Zusammenhang mit der Rechtsgrundlage auf dieses für Europa wichtige politische Ergebnis auswirken, das im Beitrittsvertrag als vorrangiges Ziel genannt wurde.
Der Präsident. Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.
17. Zuwanderung von Frauen: Rolle und Stellung der Migrantinnen in der EU (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Rodi Kratsa-Tsagaropoulou im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zu der Zuwanderung von Frauen: Rolle und Stellung der Migrantinnen in der Europäischen Union (2006/2010(INI)) (A6-0307/2006).
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE), Berichterstatterin. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der Bericht, den ich die Ehre hatte, im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zu verfassen, soll dazu beitragen, die Debatte sowie unsere politischen Aktivitäten im Bereich der Migration durch die Einführung des Parameters der Migration von Frauen zu erweitern.
Dieser Parameter gewinnt mehr und mehr an Bedeutung, da in der erweiterten Europäischen Union die Zahl der Frauen aus verschiedenen Regionen der Welt ständig gestiegen ist, die entweder allein, als unabhängige Wirtschaftsmigrantinnen oder im Rahmen der Zuwanderung ihrer Familien bzw. aus anderen Gründen einwandern und die nahezu 54 % aller Migranten ausmachen, obwohl es sich dabei um keine genaue Zahl handelt.
Uns ist heute allen klar, dass unsere Ziele im Hinblick auf die Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt unmittelbar mit der Steuerung der Migrationsströme zusammenhängen, denn es muss gewährleistet werden, dass den Migranten Respekt entgegengebracht wird und sie in unsere Gemeinschaften integriert werden. Somit stellt die „Feminisierung“ – wenn Sie den Ausdruck gestatten – der Migration eine neue Herausforderung dar, die in all unseren Politiken untersucht und berücksichtigt werden muss. Migrantinnen können, sei es persönlich oder als Mitglieder ihrer Familien sowohl für unsere Gemeinschaften als auch für ihre Herkunftsgemeinschaften eine Bereicherung darstellen.
In unserem Bericht befassen wir uns mit den Problemen, mit denen Migrantinnen konfrontiert sind. Diese Probleme haben mit der Diskriminierung zu tun, der sie auf dem Arbeitsmarkt und in der Bildung sowie, genauer gesagt, bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen und Berufserfahrungen ausgesetzt sind, und es sind Probleme, die zu Arbeitslosigkeit und Armut führen. Wir weisen ebenfalls auf Fälle von Menschenrechtsverletzungen, wie Gewalt und sexuelle Ausbeutung, hin, Erscheinungen, die wir im Europäischen Parlament wiederholt diskutiert und verurteilt haben.
Zugleich möchten wir die Probleme beleuchten, denen sich Frauen in bestimmten Migrantengemeinschaften gegenübersehen, in denen sie Opfer kultureller und religiöser Stereotypen sind, was dazu führt, dass sie ausgegrenzt werden. Noch schwerwiegender sind dabei Fälle von Zwangsehen und Ehrenverbrechen.
Der Hauptschwerpunkt unseres Berichts und der von uns vorgeschlagenen Entschließung besteht einerseits darin, die Rechte von Migranten zu schützen, sowie andererseits darin, sie besser in den Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Das bedeutet zuallererst, dass der gemeinschaftliche Besitzstand umgesetzt werden muss, um Diskriminierung zu beseitigen, Menschenhandel vorzubeugen, Familienzusammenführung zu gewährleisten und die Rechte von Frauen als begleitende Familienangehörige zu garantieren.
Der Bericht erkennt das Recht der Mitgliedstaaten an, über die Zahl und die Regelungen, nach denen sie in ihren Ländern Zuwanderer aufnehmen, selbst zu entscheiden. Wir sprechen uns deshalb dafür aus, die Rechte von Frauen, ihre Familienrechte und insbesondere die Rechte von Kindern im Rahmen ihrer nationalen Rechtsvorschriften gemäß den internationalen Konventionen und Protokollen zu achten.
Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren, wir stimmen zu, dass die Integration ein komplexer und zweigleisiger Prozess ist. Unsere Aufgabe besteht somit darin, neben der Akzeptanz und Achtung der Rechte von Migranten, die wir durch richtige Koordinierung und Nutzung all unserer Politiken gewährleisten müssen, ernsthaft mit den Herkunftsländern und den Migrantengemeinschaften in unseren Ländern zusammenzuarbeiten, damit wir Vorkehrungen für die angemessene Integration von Migranten und insbesondere Migrantinnen treffen können, zumal sie diejenigen sind, die ihre Rechte sowie die daraus resultierenden Vorteile und Pflichten am wenigsten kennen. Das ist eine Frage der Sprache, der Behörden, unserer Werte, der beruflichen Aufstiegschancen sowie der Möglichkeit, am Bildungssystem ihrer Kinder teilzuhaben. Auf diese Weise werden wir die Ziele, die wir uns im Hinblick auf Entwicklung und Prosperität gesetzt haben, besser erreichen und unseren Kampf für Solidarität und Gerechtigkeit auf der Welt sowie für den Schutz der Menschenrechte leichter gewinnen.
Ich möchte allen Fraktionen herzlichst danken, deren Engagement meine Arbeit bereichert und uns geholfen hat, einen kohärenten Text zu verfassen, der die Subsidiarität sowie den gemeinschaftlichen und internationalen rechtlichen Besitzstand respektiert und sich mit den realen Problemen und Herausforderungen mutig und gründlich auseinandersetzt.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, ich möchte der Berichterstatterin aufrichtig zu diesem Bericht gratulieren.
Ich stimme ihren Bemerkungen weitgehend zu, vor allem, was den Zugang zum Arbeitsmarkt betrifft. Ich glaube, die Rolle der Frau kann ein Faktor sein, der in Europa zur Gestaltung einer wirklich ausgewogenen und umfassenden Entwicklungs- und Beschäftigungspolitik beitragen kann. Wie Sie sicherlich wissen, ist dies eines der Ziele der Lissabon-Strategie und vor allem ein Mittel, um Frauen eine vollständige Teilhabe an der Gesellschaft und ein wirklich unabhängiges Leben zu gewährleisten, weshalb die Schwerpunktlegung auf das Thema Beschäftigung meine volle Unterstützung findet.
Ich pflichte außerdem der Hervorhebung des Themas Integration der Migrantinnen bei, vor allem, was den Sprachunterricht anbelangt. Das Erlernen der Sprache des Landes, in dem man lebt, muss ein wesentlicher Teil der Integration aller sein, egal ob Männer, Frauen, Jugendliche oder Kinder. Was speziell die Migrantinnen betrifft, so stellen wir fest, dass sie bei der Gewährleistung ihres wirklichen Zugangs zur Sprache ihres Aufnahmelandes in Verzug geraten sind, und das ist ein Faktor, der ihre Integration verlangsamt und erschwert.
Wie die Berichterstatterin zu Recht hervorhebt, hängt das Thema Integration mit dem unverzichtbaren Dialog zwischen den Kulturen und Religionen zusammen. Ich glaube, dass die Europäische Union auf absoluten Werten hinsichtlich der Achtung der Würde jeder Frau und jedes Mannes beruht und dass deshalb Verletzungen der Menschenwürde, in diesem Falle der Würde der Frau, die das genaue Gegenteil der Integrationssymbole sind, unter keinen Umständen hingenommen werden dürfen.
Ich bin besorgt wegen der Fälle, in denen Frauen zum Beispiel gezwungen werden, gegen ihren Willen Symbole der Unterwerfung ihres weiblichen Status zu tragen, wie den Schleier, der ihr ganzes Gesicht verhüllt und es nicht erlaubt, dass sie gesehen werden. Leider sind das Symbole, die schlecht mit der Integration vereinbar sind und auf eine Unterwerfung der Frau hindeuten.
Ich halte es ebenfalls für absurd, dass es in manchen europäischen Ländern so genannte Ehrenverbrechen oder, wie ich sie vielmehr nennen würde, ehrwidrige Verbrechen gibt, und ich werde ganz gewiss noch mehr dafür tun, Initiativen zur Abschaffung dieser Straftaten auf den Weg zu bringen. Meiner Ansicht nach müssen sie hart bestraft und dürfen nicht als Bagatelldelikt behandelt werden, da sie mit solchen Begründungen absolute Werte wie das menschliche Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Würde des Menschen antasten.
Bei der Anwendung der EU-Richtlinie über die Familienzusammenführung werden wir der Bekämpfung von Zwangsehen besondere Beachtung schenken. Das ist ein anderes Thema, mit dem ich mich befassen werde. Wie Sie wissen, ist diese Richtlinie für die Mitgliedstaaten bindend. Bei ihrer Umsetzung auf einzelstaatlicher Ebene werde ich den Formen von Gewalt in der Familie wie Zwangsehen oder Polygamie – die nach dem Recht der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten verboten sind – sowie den Sicherheiten für Frauen im Falle von Trennung und Scheidung besondere Aufmerksamkeit widmen, damit sie nicht ausgestoßen werden können, wenn ihre Ehe zerbricht.
Im Zusammenhang mit den Richtlinien über Asylsuchende und Flüchtlinge muss meines Erachtens ein Aspekt hervorgehoben werden. Zum ersten Mal muss die Diskriminierung gegen Frauen als hinlänglicher Grund für die Gewährung des Flüchtlingsstatus berücksichtigt werden. Ich denke, Gewalt in der Familie, Genitalverstümmelungen oder der Gefahr einer Zwangsehe ausgesetzt zu sein, ist Grund genug, um einer Frau, die ihre Gefährdung durch solche Risiken nachweist, den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.
Abschließend möchte ich die Berichterstatterin noch einmal allen Ernstes auf einen Aspekt hinweisen, bei dem ich so meine Zweifel hege, und zwar, dass illegalen Migrantinnen genau derselbe Status zuerkannt wird wie den legalen Migrantinnen. Ich glaube, dass dies ein Bereich ist, in dem die absoluten Rechte für alle garantiert werden müssen, ohne Unterschiede in Bezug auf den Status. Es ist klar, dass Menschen das Recht auf medizinische Versorgung, dringende ärztliche Behandlung und ein Mindestniveau an Lebensunterhalt nicht einfach deshalb verweigert werden darf, weil sie sich für eine gewisse Zeit – in der sie vielleicht auf ihre Rückführung warten – illegal in einem Land aufhalten.
Es gibt sicher einen Grundstock von Rechten, der ihnen gemeinsam ist, doch sollten wir meiner Auffassung nach nicht so weit gehen, die beiden Ebenen miteinander zu verwechseln. Es gibt einen illegalen Einwanderungsstatus, der auf die eine Art geregelt und behandelt wird. Der Status des legalen Einwanderers ist ein anderer. Beide völlig gleichzusetzen, vermittelt eine gefährliche Botschaft, und selbstverständlich arbeiten wir daran, um zu einer ausgewogenen europäischen Politik sowohl im Hinblick auf die illegale als auch auf die legale Einwanderung zu gelangen.
Amalia Sartori, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich ergreife gern das Wort, um den Bericht von Frau Kratsa-Tsagaropoulou zu unterstützen, obgleich ich das mit einem Anflug von Traurigkeit tue, weil uns das letzte Wochenende erneut eine schreckliche Meldung über die Situation der Frau bescherte, nämlich über die Steinigung einer Frau in Bagdad, geschehen am Samstag, dem 21. Oktober.
Wohl alle sind sich der Tatsache bewusst, dass nur, wenn Frauen weltweit die gleiche Würde haben, auch bei den großen Problemen, vor denen die Welt heute steht, ein Wandel vonstatten gehen kann. Getreu dieser Gesinnung und dieser Überzeugung, d. h. in dem festen Glauben an den Wert und an die Rolle, die die Frau heute und in Zukunft spielen kann, um diese Welt zu befähigen, sich auf eine Lösung des friedlichen Miteinanders zuzubewegen, habe ich die Arbeit von Frau Kratsa-Tsagaropoulou begrüßt, in der vor allem der Umstand berücksichtigt wird, dass Migrantinnen in gewisser Weise ein Sonderfall sind.
Wir würden es vorziehen, wenn dem nicht so wäre, aber es ist eben so. In einer Welt, in der die Trennung so klar ist – und für einen Großteil der Welt betrifft diese Trennung mithin die Rechte und Pflichten –, wäre es meiner Meinung nach vielleicht sogar falsch, Migrantinnen und Migranten gleich zu behandeln, denn es war immer ein Fehler, unterschiedliche Situationen gleich zu behandeln.
Deshalb muss die Union der Einwanderung von Frauen besondere Aufmerksamkeit widmen, um auch Auswirkungen zu berücksichtigen, die nicht für die Zuwanderung von Männern charakteristisch sind. Ich denke, dass wir diese Ausrichtung in dem Bericht von Frau Kratsa-Tsagaropoulou finden können, den ich aus diesem Grund unterstützen werde.
Marie-Line Reynaud, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Frau Krasta für ihr Engagement und ihren Sinn für Zusammenarbeit aufrichtig danken. Dieser Initiativbericht gehört meines Erachtens zu den wichtigsten Berichten über die Rechte der Frau, zu denen wir uns seit Beginn der Legislaturperiode äußern mussten.
Die Situation der Zuwanderinnen wurde von unseren Regierungen zu lange übersehen, obwohl ihre Anzahl steigt und sie nun die Mehrheit der Personen ausmachen, die im Hoheitsgebiet der EU ankommen. Sie sind es, die durch erste Kontakte zu Einheimischen die gesellschaftliche Integration ihrer Familie begründen. Dieser Bericht bietet zahlreiche Leitlinien, um den zwei Arten von Diskriminierung – aufgrund der Rasse und des Geschlechts –, denen diese Frauen häufig ausgesetzt sind, ein Ende zu bereiten.
Ich begrüße insbesondere, dass in diesen Bericht eine Reihe von Bestimmungen aufgenommen wurden, die illegale Einwanderinnen betreffen, da diese eine Unterkategorie bilden, die ihrer Rechte beraubt und damit umso verletzlicher wurde. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Frauen, unabhängig von dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, von grundlegenden Rechten Gebrauch machen können wie dem Zugang zu medizinischer Notversorgung, Rechtsbeistand und Schulen für ihre Kinder, wie es in meinem Land der Fall ist.
Schließlich begrüße ich, dass in diesem Bericht ein anderer Punkt aufgegriffen wird, der mir besonders wichtig ist, nämlich der Status der Frauen, die im Rahmen einer Familienzusammenführung im Hoheitsgebiet der EU ankommen. Diese Frauen haben häufig nur durch ihren Ehemann einen Rechtsstatus und befinden sich daher in absoluter Abhängigkeit. Dieser Bericht fordert, dass ihnen so schnell wie möglich ein unabhängiger und autonomer Status verliehen wird und vor allem, dass dieser Status ihnen im Falle einer Trennung automatisch erhalten bleibt.
Ich hoffe daher, dass dieser Bericht von einer großen Mehrheit unseres Parlaments angenommen wird und dass die in ihm enthaltenen ehrgeizigen Vorschläge Gehör finden.
Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht von Frau Kratsa-Tsagaropoulou — ich bedanke mich dafür — bedeutet kräftigen Rückenwind für die Rechte der Frau, insbesondere für die Rechte der Migrantinnen. Das war längst überfällig!
Zu lange haben wir einen kulturellen Relativismus gegenüber Migrantinnen hingenommen. Ich freue mich, dass viele unserer Initiativen aufgegriffen wurden, wie etwa verpflichtende Meldungen von Genitalverstümmelungen oder längst fällige Sanktionen bzw. Bestrafungen bei Zwangsehe. Ich hoffe, dass wir auch durchsetzen können, dass es verbindliche Sprachkurse für Migrantinnen geben wird, denn nur dann können sie von ihren Rechten auch Gebrauch machen. Sprache ist auch ein wichtiger Bausein zur Integration.
Wir müssen Schluss damit machen, dass in Europa Mädchen aus Migrationsfamilien nicht verbindlich am Sexualkunde- oder am Sportunterricht teilnehmen, dass sie zum Teil sogar von der Schule genommen werden oder ihnen der Schulbesuch versagt wird. Hier sollten wir ganz entschieden und lautstark unsere Stimme erheben!
Sehr wichtig ist uns auch, dass Frauen einen legalen Status erhalten, der nicht an den ihres Mannes gekoppelt. Herr Frattini, hier möchte ich Sie persönlich ansprechen: Ich habe vor kurzem in einer schriftlichen Anfrage gebeten, mir mitzuteilen, ob Sie meine Besorgnis darüber teilen, dass es in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Reihe von Gerichtsurteilen gibt, in denen Polygamie quasi unterstützt wird und auch die entsprechenden Hilfen zugesagt werden.
Ich war sehr erschüttert, von einem für Justiz zuständigen Kommissar zu erfahren, dass Polygamie zum Schutz der Frauen sei. In Europa ist Bigamie verboten, und ich hätte gerne eine Antwort von Ihnen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass mit Ihrem Wissen gesagt wird, Polygamie sei zum Schutz der Frau, wohingegen bestimmte Formen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften verboten sind.
Feleknas Uca, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich ganz herzlich bei Rodi Kratsa-Tsagaropoulou für ihren umfassenden Bericht. Wir als GUE/NGL-Fraktion unterstützen diesen Bericht in vollem Umfang. Er stellt eine Bereicherung für den Informationsstand über die Rechte von Migrantinnen in der Europäischen Union dar.
Im Wissen, dass der Anteil weiblicher Migranten mittlerweile 54 % beträgt, ist es ganz und gar unverständlich und erschütternd, wie ignorant sich die europäischen Regierungen gegenüber dieser Tatsache verhalten und wie wenig demnach auf die spezifischen Bedürfnisse von weiblichen Migranten eingegangen wird.
Mir ist es ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle deutlich auf die eklatanten Mängel hinsichtlich der Integrationspolitiken der Mitgliedstaaten hinzuweisen. Von Migrantinnen wird erwartet, dass sie sich stillschweigend und problemlos in das System integrieren, keine Forderungen stellen und dem nationalen Arbeitsmarkt größtmöglichen Gewinn bescheren. Wenn Länder jahrzehntelang vor den Herausforderungen durch Migranten die Augen verschließen und dann die Schuld an der gescheiterten Integration den Zugewanderten in die Schuhe schieben, ist das für mich nur ein weiteres Zeichen für Ignoranz und politische Blindheit.
Ich fordere ein genderspezifisches Migrationsmanagement, welches die Rechte der Migrantinnen auf Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Unabhängigkeit konsequent berücksichtigt und fördert. Andernfalls riskieren wir einen weiteren Zuwachs beim Frauenhandel, die Ausbeutung weiblicher Hausangestellter, die gesellschaftliche Isolation der Frauen und häusliche Gewalt.
Roberta Angelilli, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Berichterstatterin zu ihrer ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen und ganz besonders dazu, dass sie wichtige Schwerpunkte herausgestellt hat, die uns in die Lage versetzen, zu gewährleisten, dass Einwanderung vor allem als wechselseitiges Zusammenwachsen verstanden wird – und daher soziale, sprachliche und kulturelle Aspekte umfasst –, d. h. als Integration, die auf der gegenseitigen Achtung der Rechte und Pflichten beruht.
Zu den primären Rechten, die für die Migrantinnen gesichert werden müssen, gehört das Recht auf Verhütung und Bekämpfung von Ehrenverbrechen, Zwangsehen, Genitalverstümmelungen und jeder anderen Form von Zwangsgewalt oder -ausbeutung. Hierzu habe ich im Namen meiner Fraktion einen Änderungsantrag eingereicht, in dem die Notwendigkeit der Durchführung umfassender Informationskampagnen speziell für Migrantinnen hervorgehoben wird, damit sie über ihre Rechte und über die Einrichtungen, an die sie sich im Bedarfsfall wenden können, aufgeklärt werden.
Schließlich muss die Europäische Union endlich spezielle Bestimmungen erlassen, um auch die Mitgliedstaaten zur Ausarbeitung von Gesetzen zu ermutigen, die einige der Verbrechen und Handlungen, die wir hier bereits erörtert haben, ausdrücklich verbieten. Abschließend möchte ich Herrn Frattini für das Engagement, das er auch heute Abend hervorgehoben hat, ein Engagement, das die Kommission bei der Behandlung dieser Probleme unter Beweis stellen will, meinen Dank aussprechen.
Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Das überaus ernste Problem der Zuwanderung vor allem von Frauen, das der zunehmenden Globalisierung und der Komplexität des Lebens in der heutigen Zeit geschuldet ist, sollte auch unter dem Aspekt des nicht wieder gutzumachenden Schadens betrachtet werden, der ihren Herkunftsländern dadurch entsteht. Ein weiteres Problem, das ich erwähnen möchte, ist die wachsende Armut in den Ländern, die von den reichen und hochentwickelten Ländern ausgebeutet werden. Die Möglichkeit, sein Heimatland zu verlassen, kann sicher auch eine Chance sein. Dennoch sind die Emigranten dann von einer Gemeinschaft abgeschnitten, die geeint ist durch ihre Geschichte, ihre Traditionen und ihre Kultur. Menschen, die zur Stärkung des Gemeinwohls hätten beitragen können, verlassen ihre Heimat. Wenn diese Menschen in einer für sie fremden Kultur und mit einer fremden Sprache ein neues Leben beginnen, gereicht ihre Arbeit einer anderen Gesellschaft zum Nutzen. Sie selbst werden aufgrund ihrer Situation oft ausgenutzt. Deshalb sind einschlägige Rechtsvorschriften – vor allem zum sozialen Schutz und dem Recht des Einzelnen auf Arbeit – ganz entscheidend, was in dem zur Debatte stehenden Dokument zum Teil auch betont wird. Wichtig ist außerdem eine entsprechende Wertehierarchie, wo neben dem rein materiellen Gewinn auch moralische Werte ihren Platz haben und der tiefere Sinn der menschlichen Arbeit Berücksichtigung findet, wenngleich das nicht bedeuten darf, sich in das Privatleben von Frauen einzumischen, die Kinder großziehen und eine Familie gründen wollen.
Esther Herranz García (PPE-DE). – (ES) Herr Präsident! Die Einwanderung ist notwendig und bereichert zudem unsere Gesellschaft in kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Das werden wir heute nicht in Abrede stellen. Allerdings können Komplikationen entstehen, wenn wir sie nicht richtig steuern.
Sie darf zu keinem Zeitpunkt ein Problem darstellen. Dafür müssen wir sorgen, wenn wir diese Gesetze in allen Parlamenten der Europäischen Union erarbeiten. Wenn die Parlamente jedoch nicht umsichtig vorgehen, könnte es zu Situationen kommen, die in Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unseren Gesellschaften umschlagen, und genau das müssen wir verhindern.
Bei der Abfassung dieses Berichts wurde ein Fehler gemacht, denn es wurde nicht nur die legale Einwanderung behandelt, sondern legale und illegale Zuwanderung wurden gleichgesetzt. Diese Botschaft ist gefährlich, denn einiges von dem, was in diesem Bericht gesagt wird, könnte bestimmte Mafiagruppen veranlassen, sich vergnügt die Hände zu reiben.
Die Demokratie, das System, von dem wir alle uns zum Glück leiten lassen, basiert auf der Freiheit des Individuums, und sie wird durch die Achtung vor dem Gesetz garantiert, den Gesetzen der Mitgliedstaaten – denn dieses Problem unterliegt der Subsidiarität – und den bestehenden und künftigen Verordnungen und Richtlinien.
Wichtig ist, das Gesetz zu respektieren. Ich befürchte, dass einige der von der radikalen Linken eingereichten Änderungsanträge die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten nicht achten und sich gegen die Gleichheit, Demokratie und Freiheit des Individuums richten.
Daher möchte ich das Hohe Haus bitten, über diese Änderungsanträge sorgfältig nachzudenken, denn sie sind so gestaltet, dass sie Mafiagruppen ermuntern, die Einwanderer verwirren und mehr illegale Einwanderer anlocken. Aufgrund der Anlockeffekte, der Machenschaften der Mafiabanden und der Tatsache, dass die Kriterien für die Bewilligung von Aufenthaltserlaubnissen nicht klar sind, werden sie für die Einwanderer und die europäischen Bürger insgesamt wenig hilfreich sein.
Ich möchte im Zusammenhang mit den Fällen von Verstümmelung und Zwangsheirat einen Appell an das Parlament und die Kommission richten. Wenn wir mit Drittländern sprechen und ihnen Mittel für die Zusammenarbeit zur Verfügung stellen, müssen wir – wenn wir uns wirklich für den Schutz der Frauen und ihre Gleichstellung einsetzen wollen – von diesen Ländern fordern, die minimalen Grundrechte einzuhalten, bevor sie das Geld erhalten.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Zunächst möchte ich Frau Kratsa-Tsagaropoulou beglückwünschen. Wir alle sind uns einig: Eine europäische Einwanderungspolitik muss die geschlechtsspezifische Dimension und die Situation der Frauen in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigen, da die Frauen, wie hier bereits gesagt wurde, Opfer einer doppelten Diskriminierung sind – der sexuellen und der ethnischen. Ja, schlimmer noch: Sie werden in den Aufnahmeländern und innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft diskriminiert.
Die Einbeziehung der Immigrantinnen in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens des Aufnahmelandes ist von grundlegender Bedeutung, um sie aus der Isolation herauszuholen und es ihnen zu ermöglichen, bei der Integration der jüngeren Generationen zu helfen. Dazu müssen jedoch einige Barrieren, angefangen bei der sprachlichen Barriere, ausgeräumt werden. In bestimmten Immigrantengemeinschaften sind die Frauen nicht nur der Ausgrenzung ausgesetzt, sondern auch erniedrigenden und schrecklichen Praktiken wie beispielsweise der Genitalverstümmelung, und sie sind, wie Kommissar Frattini erklärte, Opfer von Ehrenverbrechen. Es ist die Pflicht der Mitgliedstaaten, diesen kriminellen Praktiken, deren Opfer berechtigte Gründe für einen Asylantrag vorweisen können, ein Ende zu bereiten.
Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke Frau Kratsa-Tsagaropoulou für ihr typisches Feingefühl und für die positiven Vorschläge zur Rolle und zum Status der legalen wie auch illegalen Migrantinnen in der Europäischen Union.
Wir haben es hier mit Migrantinnen zu tun, die am Arbeitsplatz diskriminiert werden, denen physische und psychische Gewalt angetan wird, die als Ware für sexuellen Menschenhandel herhalten müssen, ihrer Freiheit und ihres Passes beraubt werden, durch patriarchalische Praktiken erpresst und wegen Ehrenverbrechen ermordet werden. Ich möchte uns jedoch allen vor Augen führen, dass diese Frauen in Wirklichkeit durch europäische Familien und europäische Unternehmer benutzt und ausgebeutet werden. Sehr oft sind sie allein, mit ihrem Schmerz wegen der Kinder, die sie in ihrem Herkunftsland zurückgelassen haben. Sie arbeiten als Pflegekräfte, lindern die Leiden und die Einsamkeit von Alten und Kranken und haben keine Sicherheiten. Diesbezüglich haben wir meiner Meinung nach noch viel zu tun.
Diese Frauen haben einen hohen Anteil an der Einwanderung und stellen eine große Ressource für die europäischen Länder dar. Sie sind nicht nur Opfer; diese Frauen sind alle verschieden und haben sich in den letzten Jahren selbst in Verbänden zusammengeschlossen, sie haben Beziehungen geknüpft und sich mit Frauen in ihren Aufnahmeländern vernetzt. Sie fordern Zugang zu Information, Gesundheitsdiensten und Wohnraum. Sie wollen ihr Leben selbst bestimmen, und wir müssen ihnen dabei helfen. Deshalb müssen wir ihre Einbindung in den Kampf gegen Diskriminierung gewährleisten und in jedem Mitgliedstaat die Richtlinien umsetzen, die die Europäische Union selbst erlassen hat – und von denen auch Herr Frattini gesprochen hat –, angefangen bei der Aufnahme der Migranten bis hin zur aktiven Bürgerschaft. Die Erfahrungen der Migrantinnen und ihre Kritik an der Ungleichheit tragen dazu bei, den Weg zur Verwirklichung der Demokratie in Verbindung mit den vielen bestehenden Unterschieden zu ebnen.
Bogusław Rogalski (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Wir erleben zurzeit eine Massenmigration aus den unterschiedlichsten Gründen. Da gibt es zum einen die Wirtschaftsmigration, deren Ziel darin besteht, mehr Geld zu verdienen und seinen Lebensstandard zu verbessern. Das ist die häufigste Form der Migration. Eine andere Form ist die Migration aus Gründen der Familienzusammenführung oder um der Verfolgung im Herkunftsland zu entgehen.
Dank der technischen Entwicklung wird das Reisen heutzutage immer einfacher und billiger, wodurch sich allerdings das Problem der Zuwanderung verstärkt. Wir müssen deshalb entsprechende Maßnahmen ergreifen, um der wachsenden Zahl von Neuankömmlingen, vor allem in Europa, Herr zu werden. Eine vernünftige langfristige Lösung bestünde darin, Ausländer und vor allem Frauen, die die Mehrheit bilden, nicht zu diskriminieren. Zurzeit werden zu viele Zuwanderer an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Mitgliedstaaten müssen bessere Bedingungen für die Integration der Zuwanderer in unsere Gesellschaft schaffen, ihnen gleichzeitig aber auch die Möglichkeit geben, auf ihre Herkunft stolz zu sein. Damit würden wir eine Entfremdung der Zuwanderer vermeiden, die zu Frustration und mitunter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führt und oftmals auch ein Leben in Armut bedeutet.
Edit Bauer (PPE-DE). – (SK) In der Mitteilung der Kommission über die demografische Zukunft Europas wird festgestellt, dass die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter im Laufe der nächsten 50 Jahre dramatisch zurückgehen wird, und zwar um schätzungsweise 48 Millionen.
Selbst bei einem optimistischen Szenario mit einem wieder einsetzenden Bevölkerungswachstum und der Entdeckung neuer Produktivitätsquellen wäre Europa noch immer auf einen großen Zustrom neuer Migranten von schätzungsweise 40 Millionen angewiesen. Für die Europäische Union könnte sich daraus die bisher schwierigste Herausforderung ergeben.
In dem vor uns liegenden Bericht, für den ich mich bei Frau Kratsa-Tsagaropoulou bedanken möchte, heißt es, dass die Stellung von Migrantinnen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielt. Diese Frauen verdienen besondere Aufmerksamkeit, nicht nur, weil sie oft das Ziel von Diskriminierung sind, sondern auch, weil ihnen eine zentrale Aufgabe bei der Integration von Migranten der ersten und zweiten Generation zukommt. Deshalb ist der Zugang dieser Frauen zur Bildung von grundlegender Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen erscheint die Entwicklung gemeinsamer Verfahren für die Integration von Migranten sowie die Konzipierung gemeinsamer Verfahren bei der Zuwanderungspolitik ebenso dringend wie unerlässlich. Die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Staaten führen nur zu unnötiger Verwirrung.
Auch die Entwicklungen im Bereich Menschenhandel und Menschenschmuggel lassen eine eindeutige Zuwanderungspolitik, Transparenz, unmissverständliche Regeln und Zugang zum gemeinsamen Arbeitsmarkt dringend notwendig erscheinen. Fehlende legale Möglichkeiten bieten natürlich einen Anreiz für illegale Aktivitäten, wobei illegale Migranten in hohem Maße Menschenrechtsverletzungen aller Art ausgesetzt sind und dann nicht die Unterstützung erhalten, auf die sie sonst als Opfer derartiger Verletzungen Anspruch hätten.
Bei unseren künftigen Beratungen müssen wir jedoch unbedingt klar zwischen Asylpolitik, legaler Zuwanderung und illegaler Zuwanderung unterscheiden. Eine Verwechslung dieser Begriffe würde nur zu neuen und unnötigen Missverständnissen führen.
Britta Thomsen (PSE). – (DA) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte der Berichterstatterin für den sehr wichtigen und überaus schlüssigen Bericht danken. Die Einwanderung nach Europa hat sich im Wesen verändert. Heutzutage kommen mehr Frauen als Männer nach Europa, da der Bedarf an Arbeitnehmern im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor besonders groß ist. Der betreffende Arbeitsmarkt ist jedoch auch durch eine erhebliche Schattenwirtschaft geprägt, in dem die üblichen Regeln für Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen nicht gelten. Die Frauen sind daher ohne sozialen und wirtschaftlichen Schutz recht wehrlos, viele von ihnen verrichten Arbeiten, die ihnen nicht die Möglichkeit bieten, den legalen Status zu erhalten.
Diese illegalen Migrantinnen laufen wegen ihrer Wehrlosigkeit in größerem Maße Gefahr, dass sie sowohl psychischer als auch physischer Gewalt ausgesetzt sind, während allein ihr illegaler Status sie zu leichter Beute jener macht, die sie am Arbeitsplatz misshandeln und sexuell ausbeuten wollen. Sie laufen auch in besonderem Maße Gefahr, dass ihnen die Grundrechte verweigert und dass sie im täglichen Leben Opfer von Gewalt und Diskriminierung werden. Aus Angst vor Ausweisung wagen es nur wenige, eine Körperverletzung anzuzeigen.
Es ist unbedingt geboten, die Aufmerksamkeit stärker auf die Bedingungen zu lenken, unter denen Migrantinnen leben. Wir müssen sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten in ihrer Gesetzgebung den Problemen von Migrantinnen Rechnung tragen. Diese Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind oder Gewalt ausgesetzt sind, sollten die Chance auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis sowie das Recht auf Zugang zu rechtlichem Beistand, zu Gesundheitsfürsorge und zu sozialen Dienstleistungen haben, ob sie sich nun rechtmäßig in dem betreffenden Land aufhalten oder nicht.
Pia Elda Locatelli (PSE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich pflichte dem Bericht von Frau Kratsa-Tsagaropoulou bei und möchte diesbezüglich im Einvernehmen mit ihr hervorheben, dass die Richtlinie über die Familienzusammenführung in der Union unzureichend umgesetzt wird und dass sie geändert werden muss, um den Zeitraum, der für einen Partner – fast immer die Ehefrau – zur Erlangung eines vom Ehegatten unabhängigen Rechtsstatus notwendig ist, zu verkürzen und dafür zu sorgen, dass sie diesen auch im Falle einer Trennung, Scheidung oder des Todes des Ehepartners beibehalten.
Außerdem möchte ich die Bedeutung verschiedener Gemeinschaftsinstrumente, insbesondere des Daphne-Programms, hervorheben, weil sie die Lücken in den nationalen Politikbereichen, in denen der Aspekt des Geschlechts allzu oft weder inhaltlich noch bei der Erhebung von Daten berücksichtigt wird, ausfüllen. Schließlich wird in dem Bericht dazu aufgefordert, die weibliche Genitalverstümmelung als einen Grund für die Inanspruchnahme des Asylrechts aufzunehmen.
Ich stimme dem zu, glaube jedoch, dass es nun an der Zeit ist, auch andere Faktoren der Unterdrückung weiblicher Sexualität wie Homosexualität und so genannte ehebrecherische Verhaltensweisen als Gründe für Asylersuchen aufzunehmen, und zwar für Länder, in denen solche Handlungsweisen brutal bestraft werden. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Steinigungen im Iran.
Emine Bozkurt (PSE). – (NL) Herr Präsident! Obgleich sie schutzbedürftig sind, stellen Migrantinnen als Gruppe eher eine Chance als ein Problem dar. Gefährdet sind sie insofern, als sie nicht nur als Frau, sondern auch als Muslimin, Somalierin oder Marokkanerin möglicherweise Diskriminierung ausgesetzt sind. Schutzbedürftig sind sie auch wegen häuslicher Gewalt oder deshalb, weil sie die Landessprache nicht beherrschen oder von ihrem Ehemann oder Vater finanziell abhängig sind. Daher müssen wir sie unterstützen, indem wir häusliche Gewalt oder Ehrenverbrechen nicht ungestraft lassen, mit strengeren Gesetzen allein ist es jedoch nicht getan. Auf dem Papier bestehende Rechte reichen für die Frauen nicht aus, sie müssen sie in der Praxis auch geltend machen können, denn eine Frau, die von dem abhängig ist, der häusliche Gewalt begeht, wird in der Praxis nicht allzu viel von den Rechten haben, die ihr auf dem Papier zustehen.
Deshalb müssen wir die finanzielle Unabhängigkeit von Migrantinnen fördern, indem wir beispielsweise Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt bekämpfen. Mehr Beteiligung von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt kommt der Wirtschaft zugute. Eine weitere Chance, die wir nicht versäumen dürfen, ist der positive Einfluss, den Migrantinnen auf die Integration ihrer Kinder in die neue Gesellschaft ausüben können. Als aufnehmende Gemeinschaft müssen wir daher offen für die Unterstützung von und den Kontakt zu Migrantinnen sein, denn auch sie gehören dazu. Zu meiner Freude widmet sich Frau Kratsa-Tsagaropoulou in ihrem exzellenten Bericht umfassend diesen Aspekten, und deshalb möchte ich ihr dafür meinen Dank aussprechen.
Teresa Riera Madurell (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin gratulieren und besonders auf eine Überlegung eingehen. Jede Einwanderungspolitik muss sicherlich geschlechtsbedingte Besonderheiten, aber auch die Unterschiede zwischen den Migrantengemeinschaften berücksichtigen, da sich die Ursachen der doppelten Diskriminierung, unter denen die Immigrantinnen leiden, und die daraus resultierenden Probleme je nach ihren Migrationsgründen unterscheiden.
Wenn Frauen, die allein aus wirtschaftlichen Gründen einwandern, Arbeit finden, so ist es gewöhnlich eine Beschäftigung auf niedriger Ebene, manchmal in nicht angemeldeten Beschäftigungsverhältnissen, die ihnen weder die Unabhängigkeit noch die Sicherheit geben, nach der sie streben, aber sie ermöglichen ihnen den Kontakt zu anderen Personen und ihre weitere Integration. Doch die Frauen, die aufgrund der Familienzusammenführung einwandern, bleiben gewöhnlich zu Hause und haben keine Gelegenheit, sich mit der Aufnahmegesellschaft vertraut zu machen oder die Sprache zu lernen, was ihre Integration erschwert und ihre Isolation verstärkt.
Die Erklärung des Jahres 2007 zum „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“ und von 2008 zum „Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs“ muss dazu beitragen, die Bürgerinnen und Bürger für die Lage der Einwanderinnen zu sensibilisieren, die immer schwierig, jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich ist, und Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und Integration in Übereinstimmung mit der jeweiligen Situation durchzusetzen.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur eine kurze Bemerkung anführen, nachdem ich zahlreiche Redebeiträge gehört habe, denen ich beipflichte. Als Erstes, Frau Breyer, möchte ich Ihnen sagen, dass ich die Vielehe stets als gesetzeswidrig und als schwere Verletzung des freien Entscheidungsrechts der Frau betrachtet habe und dies auch in Zukunft tun werde. Ich kann Ihnen somit bestätigen, dass ich mich weiterhin in dieser Richtung engagieren werde.
Einige Rednerinnen – Frau Angelilli und Frau Morgantini – haben das Thema Kommunikation angesprochen. Ich glaube, den Migrantinnen – wenn ich so sagen darf – auf direkterem Wege eine kräftigere Stimme zu verleihen, kann sehr hilfreich sein, auch für die Ausarbeitung wirksamerer europäischer Verteidigungsstrategien. „Eine Stimme verleihen“ bedeutet, dafür zu sorgen, dass diesen Menschen wirksame Mittel zur Verfügung stehen, um sich mitzuteilen und sich auch Gehör zu verschaffen. Andernfalls entsteht, mit Verlaub gesagt, die Gefahr, dass auch die Stimme dieser Frauen durch die Gemeinschaft, in der sie leben, gefiltert wird.
In vielen Ländern Europas wurden Fälle der Segregation und Unterwerfung von Migrantinnen beobachtet. Das ist die Gruppe unter den vielen, mit denen ich mich befasse, von der ich die wenigsten persönlichen Beschwerden erhalte. Verglichen mit anderen Sektoren, die mit dem Schutz der persönlichen Grundrechte zusammenhängen, ist die individuelle Gewalt gegen Frauen in Migrantengemeinschaften der Bereich, über den die wenigsten Anzeigen konkreter Fälle eingehen. Warum? Weil man Angst hat, solche Fälle zu melden; weil sie nicht mitgeteilt werden; weil gegen die Frauen selbst Gewalt ausgeübt wird, damit sie die Übergriffe, denen sie innerhalb des freien und demokratischen Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten ausgesetzt sind, nicht preisgeben. Die Kommunikation ist deshalb auf jeden Fall ein zentrales Thema.
Just um diese Integrationsbemühungen zu unterstützen, möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass ich im Frühjahr 2007 ein europäisches Integrationshandbuch herausgeben werde, das in allen in den Ländern der Europäischen Union gesprochenen Sprachen erscheinen wird und in dem Fälle einer gelungenen Integration in den Städten, Provinzen und Regionen beschrieben werden, in denen sie festgestellt worden sind. Durch die Verteilung von Millionen von Exemplaren dieses praktischen Handbuchs werden wir positive Beispiele bekannt machen, damit sie nachgeahmt werden können. Diese Beispiele stammen aus dem Wirkungsbereich der lokalen Behörden. Ich kann Ihnen sagen, dass der Bereich, über den ich bislang die wenigsten Informationen habe, speziell jener der Integration von Migrantinnen ist.
Deshalb appelliere ich an Sie, dass mir in den kommenden Monaten konkrete Beispiele, positive wie negative, mitgeteilt werden, damit ich entsprechend tätig werden kann. Andernfalls werden wir weiterhin bedeutende Grundsatzerklärungen abgeben, ohne sie dann in praktische Maßnahmen umsetzen zu können, etwas, was ich indessen zu tun beabsichtige.
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Zita Gurmai (PSE). – (EN) Zahlreiche Einwanderer und unter ihnen vor allem Frauen sind Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt und durch soziale Ausgrenzung bedroht. Dies ist unsere wichtigste Aufgabe: Wie können wir sie in die Gesellschaft integrieren und ihnen Zugang zu einer angemessenen Bildung verschaffen, damit sie ihre Beschäftigungschancen verbessern und an der Entwicklung des europäischen Einigungswerks teilhaben können?
Doch ein geeigneter Rechtsrahmen ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen die Umsetzung der rechtlichen Verpflichtungen durch die zuständigen einzelstaatlichen Behörden sowie die Bereitschaft der Einwanderer, die grundlegenden europäischen Werte und Normen zu achten und zu einem unverzichtbaren Mitglied der Gesellschaft zu werden.
Einen wichtigen Beitrag dazu können erfolgreiche Einwanderungsstrategien leisten, denn durch eine umfassendere Beschäftigung der Einwanderer könnte die Verwirklichung der Beschäftigungsziele von Lissabon in greifbare Nähe rücken.
Allerdings führen keinerlei Maßnahmen zum Erfolg, wenn nicht ein grundlegender und regelmäßiger Dialog mit den Einwanderergemeinschaften geführt wird. Dieser Dialog eignet sich hervorragend dazu, die Integrationsprozesse zu überwachen, beiderseitige Interessen, Ziele, Erwartungen und Verpflichtungen zu ermitteln und gegebenenfalls die Methoden und Eingliederungsprogramme zu überarbeiten.
Mit dem bevorstehenden Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle im kommenden und dem Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen im übernächsten Jahr bietet sich die praktische Gelegenheit, Einwanderergemeinschaften ausführlich über ihre Rechte, Möglichkeiten sowie über die Erwartungen zu informieren, die Europa an sie hat.
18. Einziehung von Gemeinschaftsmitteln (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Paulo Casaca im Namen des Haushaltskontrollausschusses über die Einziehung von Gemeinschaftsmitteln (2005/2163(INI)) (A6-0303/2006).
Paulo Casaca (PSE), Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Um die fehlenden Beträge des Gemeinschaftshaushalts einzuziehen, bedarf es entsprechender Entschlossenheit, Schreibarbeit, Transparenz, Strenge, Verhältnismäßigkeit und Harmonisierung der Vorschriften und Verfahren. Leider sind wir noch weit davon entfernt.
Die europäischen Institutionen dürfen sich nicht in einer realitätsfernen Welt der Vorschriften und Regelungen einigeln. Deshalb wird in diesem Bericht über die Einziehung von Gemeinschaftsmitteln ein konkretes Beispiel als Ausgangspunkt gewählt: Nie zuvor mussten wir einen höheren Betrag einziehen – er wird auf nahezu 100 Millionen Euro beziffert –, und die Umstände, wie es zu der Fehlsumme kam, sind umso schlimmer.
Es geht um die Straftat einer kriminellen Organisation, mit der eine Reihe von europäischen Unternehmen gemeinsame Sache gemacht haben. Im Anschluss an die Ermittlungen und die entsprechende Mitarbeit der italienischen Behörden wurden die europäischen Organe über die Einzelheiten des Falles in Kenntnis gesetzt. Die „Guardia di finanzia“ führte eine Untersuchung zur illegalen Einfuhr von Butter durch von der neapolitanischen Camorra kontrollierte Firmen, der Verfälschung dieser Butter mit nicht ausgelassenem Rindertalg, Pflanzenölen und einem chemischen Stoff namens Lipostrol, dem Verkauf von Zehntausenden Tonnen des Endprodukts an verschiedene europäische Unternehmen und schließlich der Nutzung dieses Produkts für die Erschleichung von Ausfuhrerstattungen und Entsorgungsbeihilfen für Backwaren durch. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden anschließend an die zuständigen gemeinschaftlichen und nationalen Behörden weitergeleitet.
Seit der Untersuchung in Italien sind sieben Jahre vergangen. Und was ist geschehen? In einem der betreffenden Mitgliedstaaten beschlossen die Behörden erst vier Jahre nach Erscheinen des italienischen Berichts, Ermittlungen einzuleiten, und von den geschätzten fehlenden 40 Millionen Euro ist noch nicht einmal ein Teil eingezogen worden. In einem anderen Mitgliedstaat haben die Ermittlungen noch nicht einmal begonnen, so dass von den fehlenden über 50 Millionen Euro ebenfalls nichts eingezogen wurde. In einem dritten Mitgliedstaat wurde das Problem lediglich als Verwaltungsangelegenheit betrachtet, und die ursprünglich verhängten Geldstrafen wurden auf ein Minimum herabgesetzt.
Außerhalb Italiens, wo auf eine nationale Initiative hin Dutzende Personen wegen Mordes, illegalen Waffenbesitzes und Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet wurden und wo komplexe rechtliche Verfahren im Gange sind, ist realistischerweise nicht zu erwarten, dass es in den betreffenden Ländern zu einer Verurteilung der Täter kommt oder die Gemeinschaftsmittel eingezogen werden. Alles deutet darauf hin, dass das gesamte Verfahren eingestellt wird.
Aufgrund der Geheimhaltungspflicht sind bisher die meisten für die Lebensmittelsicherheit zuständigen nationalen Behörden noch nicht von diesem Betrugsfall in Kenntnis gesetzt worden. Während es den gemeinschaftlichen und nationalen Behörden beim Vorgehen gegen eine Straftat dieses Ausmaßes derart an Entschlossenheit und Koordinierung mangelt, sind dagegen zahllose Fälle ans Licht gekommen, bei denen die Behörden im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnisse bei der Einziehung von Gemeinschaftsmitteln ehrliche Landwirte zur Rückzahlung von Geldern gezwungen haben, und zwar ohne eine stichhaltige Begründung und aus nicht immer eindeutigen Verfahrensgründen. Oftmals standen die Landwirte danach vollkommen mittellos da. Für diese Landwirte sind die Grundsätze der Unschuldsvermutung, des Rechts auf Information über die Art der Anschuldigung, der Verhältnismäßigkeit und der Gewährleistung angemessener Mittel zur Verteidigung nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen. Der springende Punkt ist, dass Artikel 280 des Vertrages ignoriert wird. Die Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ist lediglich ein Luftschloss. Es erfolgt kein effektiver und gleichwertiger Schutz dieser Interessen für die Bürger.
In Anbetracht dieser Sachlage bedarf es grundlegender Änderungen, sei es durch eine Neufestlegung der Aufgaben von Eurojust, durch die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft oder andere Maßnahmen. Wir brauchen eine europäische Initiative, die dafür sorgt, dass die justizielle Zusammenarbeit zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft durch Taten untermauert wird und nicht nur aus leeren Worten besteht, wie es in diesem Fall – dem größten seiner Art auf dem Gebiet der Gemeinschaftsfinanzen – geschehen ist.
VORSITZ: JANUSZ ONYSZKIEWICZ Vizepräsident
Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Casaca für seinen ausgezeichneten, interessanten und nützlichen Bericht danken. Er geht auf die direkte Verwaltung ein, die hauptsächlich in die Zuständigkeit der Kommission fällt, und auf die geteilte Verwaltung durch die Kommission und die Mitgliedstaaten.
Mit Blick auf die Einziehung im Bereich der direkten Verwaltung dankt die Kommission dem Berichterstatter für seine Unterstützung zugunsten der derzeitigen Änderung der Haushaltsordnung, die wir bereits vorbereitet haben. Dies betrifft vor allem die Vorschläge zur Einführung einer einheitlichen Frist von fünf Monaten sowie natürlich die Art der Sonderrechte für Gemeinschaftsansprüche auf Steuerforderungen nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die der Rat zu unserem Bedauern nicht unterstützen wollte.
Was Einziehungen im Rahmen der geteilten Verwaltung anbelangt, stimmt die Kommission zu, dass besonderes Augenmerk auf die einzelstaatlichen Zuständigkeiten gelegt wird, weil in diesem Bereich der größte Teil der Gemeinschaftsausgaben getätigt wird. Die Kommission teilt das Ergebnis des Berichterstatters, dass der Einziehungsstand in einigen Mitgliedstaaten niedrig ist. In einem Sonderfall geht es dabei um eine Summe in Höhe von 95 Millionen Euro.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Kommission der Einziehung besondere Bedeutung beimisst. Im Zeitraum zwischen 2003 und 2006 waren wir in der Lage, die Einziehungsbeträge von 553 Millionen auf lediglich 160 Millionen Euro bis September dieses Jahres zu senken. Der Sonderfall im Zusammenhang mit den 95 Millionen ist Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen vor dem Gerichtshof eines Mitgliedstaats, und ein weiterer Mitgliedstaat ist an diesem Problem beteiligt. Es müssen also in nächster Zukunft weniger als 100 Millionen Euro sowie 95 Millionen Euro nach Abschluss der Ermittlungen eingezogen werden.
Mit dem Bericht als solchem sind wir ausgesprochen zufrieden. Gemeinsam mit dem Parlament und vor allem mit dem Berichterstatter befassen wir uns mit der Haushaltsordnung. Mit dem Haushaltsausschuss arbeiten wir in dieser Frage eng zusammen. Auf Ihren Bericht und Ihre Empfehlungen werden wir Ihnen eine ausführliche schriftliche Antwort erteilen.
Ingeborg Gräßle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zuerst einmal meinen Dank im Namen der Fraktion an den Berichterstatter für einen wirklich sehr interessanten und auch wichtigen Bericht, denn bei der Einziehung von Gemeinschaftsforderungen liegt noch manches im Argen, vor allem auf der Ebene der Mitgliedstaaten, und es ist ausgesprochen bedauerlich, dass der Rat heute durch Abwesenheit glänzt.
Frau Kommissarin, wir merken, dass es besser vorangeht, seit Sie die Sache in die Hand genommen haben, aber ich glaube, dass wir uns in den nächsten Monaten noch sehr intensiv mit einzelnen Verbesserungsschritten beschäftigen müssen. Vor allem in der Agrarpolitik, dem Herzstück beim Thema Rückforderungen, liegt noch vieles im Argen. Hier haben wir 70 % alte Forderungen aus den Jahren 1971-2002. Es geht hier um 3,1 Milliarden Euro. Davon sind 70 % noch nicht wiedereingezogen. Der gegenwärtige Zustand ist eher skurril: Die Gesamteinziehungsquote liegt bei weniger als einem Fünftel der im Jahr 2002 offenen 6 Milliarden Euro.
Der Präsident des Rechnungshofes – Herr Präsident, ich protestiere eigentlich gegen den Termin dieser Sitzung, weil uns im Ausschuss für Haushaltskontrolle gerade ein sehr wichtiger Bericht präsentiert wird – sagte gerade, dass es bei der Wiedereinziehung zunehmend schleppend zugehe und dass die Sanktionen völlig unangemessen seien. Das Problem liegt bei den Mitgliedstaaten, und ich glaube, dass wir hier auf einer Seite kämpfen. Frau Kommissarin, wir werden die Forderung nach Gleichstellung der Steuerforderungen mit den Wiedereinziehungsforderungen bei den Beratungen für die Haushaltsordnung auf jeden Fall mit aufs Tapet bringen. Für uns ist das ganz wichtig.
Eine weitere wichtige Sache ist, die Arbeit der Prüfer vor Ort stärker zu unterstützen, vor allem jener Prüfer, die in die nationalen Verwaltungen eingebunden sind. Sie laufen Gefahr, von ihrer eigenen Verwaltung für deren Fehler bestraft zu werden, und bedürfen daher unseres besonderen Schutzes.
In der Kommission haben wir auch noch ein Problem: Bis vor kurzem war es unmöglich, den aktuellen Schuldenstand abzufragen. Ich hoffe, dass mit der Modernisierung der Buchhaltung hier eine bessere Entwicklung eintritt. Alles in allem werden wir dafür sorgen, dass dieses Thema aktuell bleibt.
Jeffrey Titford, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Meines Erachtens enthält dieser Bericht eine ausführliche Begründung für die Einrichtung des Amtes eines Europäischen Staatsanwalts. Nach Herrn Casacas Ton zu urteilen, fasst er es als regelrechte Beleidigung auf, dass das Recht eines Mitgliedstaates jemals gegenüber der Kommission geltend gemacht werden könnte: Gott bewahre! Laut diesem Text sollten wir einen Justizbeamten einsetzen, der einzelstaatliche Rechtsvorschriften außer Kraft setzen kann, um dieses Problem zu umgehen. Damit soll eine bessere „Zusammenlegung“ des Verfahrens ermöglicht werden, und als weiterer wichtiger Grund wird genannt, dass auf diese Weise die Vielzahl der Verbindungen verringert werden könnte.
Als überzeugter Anhänger des Nationalstaates spreche ich mich mit aller Deutlichkeit gegen die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft aus, und alle hier im Parlament, die wirklich an die Demokratie glauben und nicht nur Lippenbekenntnisse dazu abliefern, sollten dies ebenfalls tun. Ich fordere vor allem die Europaabgeordneten aus meinem Heimatland auf, sich meinem Kampf für das britische Recht anzuschließen.
Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Die Verschwendung von EU-Geldern ist offensichtlich für viele ein Kavaliersdelikt. Anders lässt es sich wohl nicht erklären, dass von den in den vergangenen rund dreißig Jahren vorschriftswidrig ausgezahlten 3,1 Milliarden Euro nur 17 % wieder eingezogen wurden. Unzureichende Kontrollverfahren und Nichteinhaltung von EU-Vorschriften scheinen an der Tagesordnung zu sein.
Es ist schlimm genug, wenn Milliarden von EU-Geldern in schwarzen Kassen verschwinden. Wenn jedoch sogar in den seltenen Fällen, in denen rechtswidrige Zahlungen ans Tageslicht kommen, nicht einmal die Wiedereinziehung klappt oder so schleppend gestaltet wird, dass die Verantwortlichen untertauchen und das Geld verschwunden ist, dann leidet die Europäische Union offenbar schon fast an organisierter Verantwortungslosigkeit.
Es kann nicht angehen, dass der Umgang mit EU-Mitteln immer wieder in den gleichen Staaten nachlässig gehandhabt wird, ohne dass dies Konsequenzen hat. Mitgliedstaaten, die nicht binnen einer Frist von maximal zwei Jahren alles unternehmen, um ausstehende Gelder einzutreiben, haben meiner Meinung nach selbst für den Schaden einzustehen.
Simon Busuttil (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Berichte über verloren gegangene oder nicht belegte Gemeinschaftsmittel stehen häufig in den Schlagzeilen. Bedauerlicherweise sind die Maßnahmen, die ergriffen werden, um zunächst den Verlust von Mitteln zu vermeiden oder die verloren gegangenen Mittel zurückzufordern, in den meisten Fällen zu fachspezifisch oder zu ermüdend, als dass darüber berichtet würde oder sie in die Schlagzeilen geraten könnten. Es gibt jedoch Bemühungen, diese Mittel zurückzuerlangen, und die gilt es zu unterstützen. Wie der Berichterstatter allerdings deutlich macht, muss noch weitaus mehr unternommen werden.
Dies trifft vor allem auf die Einziehung von Mitteln im Bereich der geteilten Verwaltung zu. Für einen Erfolg müssen wir uns auf die uneingeschränkte Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden verlassen. Mich beschleicht bisweilen der Eindruck, dass die nationalen Behörden nicht mit demselben Eifer bei der Sache sind, wenn es um Gemeinschaftsmittel geht. So hört man von ihnen: „Wir sind für den nationalen Haushalt zuständig, mehr nicht.“ Doch das ist eben nicht alles. Sobald Gemeinschaftsmittel auf einzelstaatlicher Ebene aufgewendet werden, ist natürlich von einer aktiven Beteiligung der nationalen Behörden auszugehen. Diese Behörden tragen zudem eine große Verantwortung, sicherzustellen, dass Gemeinschaftsmittel nicht fehlgeleitet, unrechtmäßig gezahlt oder veruntreut werden. Falls dies geschieht, werden Maßnahmen ergriffen, um sie einzuziehen.
Im Bericht werden die Mitgliedstaaten zu Recht aufgefordert, zu handeln, ihren Aufgaben gerecht zu werden, sich besser zu organisieren und stärker mit der Kommission zusammenzuarbeiten, damit die Einziehung der Mittel erfolgen und als solche eine abschreckende Wirkung erzielen kann.
Markus Pieper (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich begrüße den Bericht des Kollegen Casaca ausdrücklich. Als Mitglied im Ausschuss für regionale Entwicklung muss ich meine große Betroffenheit zum Ausdruck bringen, denn die Betrügereien bzw. inhaltlichen Verstöße nehmen drastisch zu.
Das Schadensvolumen bei den strukturpolitischen Maßnahmen stieg von 480 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 694 Millionen Euro im Jahr 2004. Im letzten Berichtsjahr, 2004, kamen damit gut 70 % der inkorrekt vergebenen Gelder aus dem Bereich Strukturpolitik. Hinzurechnen müssen wir noch eine Grauzone. Wenn wir – so wie im Initiativbericht beschrieben – nicht ausreichend in der Lage sind, die zu Unrecht ausgezahlten Gelder wieder zurückzubekommen, wirft das ein schlechtes Licht auf die Union. Gesamtaußenstände von etwa 3 Milliarden Euro sind wirklich kein Pappenstiel!
Aber es geht nicht nur um den finanziellen Schaden für die Union. Wenn die Rückerstattung dieser Gelder nicht hinlänglich funktioniert, ist das auch eine Einladung zum Fördermittelmissbrauch. Egal, ob vorsätzlicher Betrug oder Irrtum, die Rückerstattung zu Unrecht ausgezahlter Gelder muss reibungslos funktionieren! Auch wenn dieses Verfahren im Einzelfall unverhältnismäßig erscheint, müssen es die Mitgliedstaaten durchsetzen. Ich fordere die Mitgliedstaaten deshalb auf, härter durchzugreifen und ihre Staatsanwaltschaften entsprechend zu koordinieren. Ich bitte die Mitgliedstaaten aber auch, die europäische Betrugsbehörde OLAF stärker in die Verfahren einzubinden. Die Kommission fordere ich auf, den Fördermittelmissbrauch stärker öffentlich an den Pranger zu stellen.
Europa braucht Transparenz! Die europäische Förderung braucht Transparenz! Und wenn hier Gelder entgegen ihrer ursprünglichen Zielsetzung eingesetzt werden, dann müssen wir das unterbinden. Dazu brauchen wir mehr Öffentlichkeit. Ich danke dem Berichterstatter, dass er einen Beitrag dazu geleistet hat.
Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter für den nahezu forensischen Eifer danken, mit dem er sich an diesen Bericht gemacht hat. Abgesehen von dem offenkundigen Verlust von Mitteln, der aus Gemeinschaftssicht ausgesprochen schwer wiegend ist, herrscht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass zahlreiche Gelder veruntreut werden, was bis zu einem gewissen Punkt ungerechtfertigt ist und von der hervorragenden Arbeit ablenkt, die dank des Gemeinschaftshaushalts in allen Mitgliedstaaten geleistet werden kann. Dies dürfen wir nicht vergessen, wenn wir uns mit dem tatsächlichen Problem befassen. Bedauerlicherweise gibt die Öffentlichkeit der anonymen Europäischen Union die Schuld, obwohl die Wurzel des Problems doch gar nicht so weit entfernt und in den einzelnen Mitgliedstaaten zu suchen ist. Auch diese Botschaft müssen wir klar und deutlich vermitteln.
Es ist nicht hinzunehmen, dass derart hohe Summen nicht belegbar sind – seit Juni 2002 werden etwa 3,5 Milliarden Euro geschuldet. Umfangreiche Mittel im Landwirtschaftssektor wurden einfach nicht eingezogen, weil die Mitgliedstaaten nicht zur Zusammenarbeit bereit sind.
Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahr 2003 sollte die Stellung der Landwirtschaft verbessert werden: Die Einführung der neuen Betriebsprämienregelung im Landwirtschaftsbereich und die enge Verknüpfung mit „Cross-compliance“-Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Mittel nur rechtmäßig gezahlt werden. Ich mache mir langsam Sorgen, dass wir angesichts zurückliegender Misserfolge in der Landwirtschaft die Auflagenbindung nur mit Mühe werden durchsetzen können. Mir berichten Landwirte, dass Inspektionen nicht angekündigt und ihnen harte Strafen für geringfügige Vergehen auferlegt werden. Dies geht zu weit, und wir müssen Acht geben, dass wir nicht zu weit in diese Richtung drängen, denn es scheint zwar keine großen Probleme zu bereiten, 5 Euro aufzuspüren, fast 5 Milliarden Euro dagegen gehen uns offensichtlich durch das Netz. Ich bin erfreut über die Zusage von Kommissarin Fischer Boel, eine weniger strenge Durchsetzung in Betracht zu ziehen und gleichzeitig die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.
Wir müssen diese Mittel nicht einziehen. Doch ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass mit Reden und hoffentlich auch Taten zugunsten einer besseren Rechtsetzung diese Position verbessert werden sollte. Die Vergangenheit sieht nicht gerade rosig aus. Hoffen wir, dass uns die Zukunft ein schöneres Bild beschert.
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Véronique Mathieu (PPE-DE). – (FR) Festzustellen ist, dass aufgrund von Unregelmäßigkeiten oder Betrug die Einziehung von Gemeinschaftsmitteln nach wie vor unzureichend ist. Die Haushaltsordnung muss strikter angewandt, und sie muss überarbeitet werden.
Nach Ansicht des Parlaments stellen daher die Vereinfachung der Einziehungsverfahren sowie eine bessere Koordinierung zwischen den Dienststellen der Kommission und den zuständigen nationalen Behörden eine Richtung dar, in die unbedingt gearbeitet werden muss. Das größte Problem ist, dass keine nationale Behörde die Gesamtverantwortung für die Qualität und Überwachung der nationalen Kontrolle trägt, obwohl die Ausführung des Gemeinschaftshaushalts infolge der geteilten Mittelverwaltung zu 80 % den Mitgliedstaaten obliegt. Durch die komplizierten Mechanismen werden die Medien somit veranlasst, die Kommission für die Probleme im Zusammenhang mit den illegalen Operationen und folglich auch für die Einziehung der Mittel für verantwortlich zu halten, während diese Probleme vor allem bei den Mitgliedstaaten liegen.
Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen OLAF, Eurojust und Europol, eine umfassendere Anwendung des Verfahrens der Einziehung auf gerichtlichem Wege sowie die Forderung des Parlaments, dass die Kommission einen Regelungsrahmen für die buchungstechnische Behandlung der Unregelmäßigkeiten vorsieht und regelmäßig einen Bericht über den Stand des Einziehungsverfahrens je nach Generaldirektion vorlegt, sind lauter wichtige Maßnahmen, die zu mehr Transparenz und Effizienz der Verfahren führen werden.
19. Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Transparenz- und Prospektrichtlinien (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission zu den Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Transparenz- und Prospektrichtlinien.
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte auf zwei von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen eingehen, über die das Parlament morgen abstimmen wird. Es geht um die Verschiebung der Entscheidung über die Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsstandards in Drittstaaten – diese Entscheidung wollen wir bis Juli 2008 treffen – und um die allgemeinen Durchführungsmaßnahmen für die Transparenzrichtlinie.
Zunächst möchte ich den Berichterstattern für ihre effektive und hilfreiche Arbeit zu diesen wichtigen und schwierigen Sachverhalten danken. Sie haben gemeinsam mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung ausgesprochen konstruktiv mit der Kommission und allen Beteiligten zusammengearbeitet. Mit der gründlichen Arbeit des Parlaments konnten die Rechtstexte deutlich verbessert werden. Außerdem möchte ich dem Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden für seine herausragenden Bemühungen danken. Mit den Maßnahmenentwürfen verfügen wir nun über eine ausgewogene und wirksame Lösung.
Erstens zur Gleichwertigkeit: Mit der Verschiebung unserer Entscheidung über die Gleichwertigkeit können wir nicht nur sicherstellen, dass die Gemeinschaftsmärkte während der Konvergenzbemühungen geöffnet bleiben, wir werden uns gleichzeitig auch aktiv mit den USA und anderen Drittstaaten um die Abschaffung der Anforderungen an den Abgleich für Gemeinschaftsemittenten im Ausland bemühen. Dies ist und bleibt unser Hauptziel.
In den beiden zusätzlichen Jahren werden wir die Möglichkeit haben, die Entscheidung über die Gleichwertigkeit mit dem Zeit- und Arbeitsplan der US-Wertpapieraufsichtsbehörde zur Beseitigung von Überleitungsvorschriften zwischen IFRS und US GAAP abzugleichen. Die US-Behörden bemühen sich nach besten Kräften um die Anerkennung der Gleichwertigkeit der IFRS und der US GAAP. Mit dem neuen Zeitrahmen für die Gleichwertigkeitsentscheidungen werden wir parallel aufeinander abgestimmte gemeinsame Zielvorgaben erarbeiten können.
In diesem Zusammenhang ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass im Vorfeld nichts festgelegt wird. Wir werden bis Mitte 2008 im Lichte der Fortschritte im Bereich der Übereinstimmung über die Gleichwertigkeit befinden, und es ist ganz sicher noch nicht ausgemachte Sache, dass ein bestimmter GAAP den „Test bestehen“ wird. Es war uns immer wichtig, uns alle Möglichkeiten offen zu halten. Ich weiß, dass das Parlament dieses Ziel teilt. Wir werden uns bis Januar 2008 sowohl auf eine Definition der Gleichwertigkeit als auch auf einen Gleichwertigkeitsmechanismus geeinigt haben. Diese Einigung wird auf dem Wege des Komitologieverfahrens und mit voller Beteiligung des Parlaments erfolgen.
Ausnahmen für Emittenten gewerbsmäßig gehandelter Wertpapiere von der Verpflichtung, den Unterschied zwischen den GAAP und IFRS von Drittstaaten in Textform darzulegen, bieten nach wie vor Anlass zu Besorgnis. Wir wissen, dass das Parlament Zweifel an dieser Änderung hat. Doch sie zielt ausschließlich darauf ab, die Unklarheiten in der bestehenden Prospektrichtlinie auszuräumen. Bedauerlichweise wurden wir über diese Unklarheiten erst vor wenigen Wochen unterrichtet, doch wir sind überzeugt, dass diese Änderung notwendig ist, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Zweitens zu den Transparenzmaßnahmen: Die Transparenzrichtlinie stellt einen wichtigen Schritt in Richtung integrierter europäischer Finanzmärkte dar, denen die Investoren und die Bürger Vertrauen schenken können. Dafür müssen wir unseren Transparenzverpflichtungen mit der Annahme der Durchführungsmaßnahmen der Kommission gerecht werden, mit denen Sie sich heute befassen.
Das Parlament hat der Kommission dankenswerterweise mehrere Verbesserungsvorschläge zu diesem Text unterbreitet. Die Kommission kann den meisten von ihnen inhaltlich zustimmen, sofern keine technischen Gründe dagegen sprechen. Das Parlament hat vor allem die Notifizierung durch Wertpapierhändler hinterfragt, die eine der Ausnahmen der Richtlinie geltend machen wollen. Die Kommission schlägt eine Lösung vor, mit der der Verwaltungsaufwand und damit die Kosten für die Wertpapierhändler möglichst gering gehalten werden. Deswegen spricht sich die Kommission dafür aus, dass die Wertpapierhändler diese Notifizierung lediglich ihrer zuständigen einzelstaatlichen Behörde und nicht 25 möglichen Behörden vorlegen müssen. Meines Erachtens fügt sich diese Lösung hervorragend in den von der Kommission unterstützten Vereinfachungsprozess ein.
John Purvis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Zu Zeiten der Globalisierung klagen wir häufig darüber, wie zögerlich Europa internationale Standards setzt. Allerdings sind die „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) vor allem ein europäisches Projekt, das ein auf Grundsätzen basierendes Rechnungslegungssystem umfasst. Dieser europäische Rechnungslegungsstandard wird von zahlreichen Ländern der Welt übernommen. Wir müssen Drittstaaten unbedingt genügend Zeit für die Anpassung einräumen, doch die Frist bis zum 1. Januar 2009 ist dafür sicherlich lang genug.
Bisher mussten sich unsere europäischen Unternehmen nach den in den USA geltenden allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätzen richten, während wir in Europa die „Generally Accepted Accounting Principles“ (GAAP) der USA akzeptiert haben. Mit den IFRS gibt es keinen Grund, warum dieser Unterschied beibehalten werden sollte. Es freut mich, dass die US-amerikanischen Behörden bereit sind, die Frist für die Zustimmung zur Gleichwertigkeit einzuhalten. Darüber hinaus scheinen sie immer mehr von den Vorteilen einer auf Grundsätzen basierenden Rechnungslegung überzeugt zu sein.
Nichtsdestotrotz ist es nicht einfach, Gemeinsamkeiten zwischen einem streng regelbasierten System und einem flexibleren, auf Grundsätzen basierenden System zu finden. Wir sind uns auf beiden Seiten des Atlantiks einig, dass wir eher mit Gleichwertigkeit und nicht mit strenger Übereinstimmung ein geeignetes Ergebnis erzielen können. Wir fordern die Kommission daher dazu auf, an der Frist für die Definition von Gleichwertigkeit im Januar 2008 festzuhalten, damit die endgültige Frist am 1. Januar 2009 nicht mehr umgangen werden kann.
Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Drittstaatsunternehmen, die in der Europäischen Union Bericht erstatten, dies entweder im Rahmen des IFRS oder eines anerkannten gleichwertigen Rechnungslegungssystems tun. Dieses Abkommen beruht auf Gegenseitigkeit.
In Übereinstimmung mit den IFRS werden europäische Abschlüsse in den USA und anderen teilnehmenden Drittstaaten ohne Änderungen akzeptiert. Auf diese Weise können europäische Unternehmen Kosten einsparen und in den Wettbewerb um Kapital auf einem globalisierten Markt einsteigen.
Meine Fraktion wird darüber wachen, dass die Kommission den Vorschlägen in unserem gemeinsamen Entschließungsantrag die nötige Aufmerksamkeit schenkt und diese wichtigen Verhandlungen bis 2009 zu einem erfolgreichen Abschluss bringen kann.
Peter Skinner, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Kommissar begrüßen und ihm für seine Anmerkungen zum Bericht danken. Meines Erachtens konnte diese Angelegenheit aufgrund der engen Arbeitsbeziehungen, die sich zwischen dem Parlament, seinen zahlreichen Arbeitsgruppen und der Kommission entwickelt haben, so zielstrebig zum Abschluss gebracht werden. Natürlich stehen uns riskante Zeiten bevor: Uns bleiben zwei Jahre, um eine sinnvolle Lösung herbeizuführen, die Bedeutung der Gleichwertigkeit zu ermessen und Übereinstimmung mit Ländern in aller Welt zu erzielen. Der Kommissar hat also völlig zu Recht nicht nur die USA, sondern auch andere Drittstaaten darauf aufmerksam gemacht. Doch die USA sind natürlich das große Projekt, um das es hier geht. Wir haben einen beschwerlichen Weg vor uns, und es bereitet uns zweifellos Sorgen, dass die Milliarden Dollar und Euro, die auf transatlantischer Ebene zwischen unseren beiden Kapitalmärkten kursieren, in Gefahr geraten könnten, wenn wir nicht zu einer sinnvollen Lösung gelangen.
Ich bin mir ausgesprochen sicher, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, und meines Erachtens konnte dank der Vorschläge des Parlaments unsere Methode gestärkt werden, weil auch unser Herangehen an dieses besondere Unterfangen hinterfragt wurde.
Wenn ich mir den Hauptteil dieser Richtlinie und die Änderungsanträge der damit befassten Aufsichtsgremien und anderer in diesem Hause ansehe – und ich bin den Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, die sich an dieser Arbeit beteiligt haben –, dann denke ich nicht, dass wir die Unternehmen übermäßig belasten. Dies ist und war immer ein entscheidender Punkt. Sie können nicht unentwegt von Liberalismus sprechen und dann die Unternehmen überlasten. Hier geht es um eine entscheidende Frage des grenzüberschreitenden Kapitelmarktes, und wir benötigen mehr Kohärenz und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren auf diesem Markt.
Darüber hinaus müssen wir sicherstellen, dass Investoren geschützt werden und ihnen die richtigen Informationen auf angemessene Weise und rechtzeitig zugehen. Mit diesen Fragen müssen sich nun natürlich die Mitgliedstaaten befassen. Ich denke, der Kommissar wird mir zustimmen, dass wir uns beim Austausch mit den Investoren der modernsten Methoden bedienen sollten.
Mir bleibt nicht viel Zeit, ich kann also nicht auf alle Bereich dieser speziellen Richtlinie eingehen. Ich möchte jedoch besonders den Kommissar erneut auf einen Erwägungsgrund in der ursprünglichen Richtlinie hinweisen. Er betrifft freiwillige Initiativen, um Unternehmen dabei zu unterstützen, Bericht über ihre Zahlungen an Regierungen in der ganzen Welt im Bereich der mineralgewinnenden Industrie zu erstatten. Der Kommissar wird sich möglicherweise daran erinnern – und ganz sicher seine Abteilungen –, dass diese Initiative der Korruptionsbekämpfung dienen sollte. Sie sollte nicht nur für weit entfernte Länder in Afrika, sondern auch innerhalb unserer eigenen Grenzen zum Einsatz kommen. Unternehmen sollten freiwillig Angaben über ihre Zahlungen an Regierungen machen, damit wir und auch die Investoren wussten, welche Gelder zwischen Regierungen und Unternehmen geflossen sind. Sie zielte auf die mineralgewinnende Industrie ab, weil in diesem Bereich offenkundig große Geldmengen ins Ausland geschafft und den Ländern genommen wurden, in denen sie hätten investiert werden sollen.
Meine letzte Frage an den Kommissar lautet, was er und seine Dienststellen zu unternehmen gedenken, um diese Initiative zu unterstützen. Ich denke, dieses Haus würde sich freuen, wenn Sie das einige Jahre zurückliegende Versprechen Ihres Vorgängers wiederholen würden.
Wolf Klinz, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kollegen! Meine Ausführungen beziehen sich auf die Durchführungsbestimmungen zur Transparenzrichtlinie. Als so genannte Level-2-Maßnahmen sind sie nur bedingt vom Europäischen Parlament beeinflussbar. Deswegen ist es umso wichtiger, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Währung ohne Gegenstimme einen Berichtsentwurf angenommen hat, auf dessen Grundlage das Plenum nun eine eigene Entschließung verabschieden wird!
Durch sein geschlossenes Auftreten ist es dem Ausschuss schon im Vorfeld der morgigen Abstimmung gelungen, einige zentrale Forderungen bei der Kommission durchzusetzen. Erstens: Market-Maker dürfen nicht gezwungen werden, ihre Finanzinstrumente, die sie für Market-Making-Aktivitäten halten, in einem gesonderten Konto anzulegen. Allerdings kann die Aufsichtsbehörde ein gesondertes Konto verlangen, wenn der Market-Maker nicht in der Lage ist, die entsprechenden Finanzinstrumente jederzeit auf Anfrage zu identifizieren.
Zweitens: Für einen fairen Wettbewerb ist notwendig, dass für Mutterunternehmen von Verwaltungsgesellschaften und Wertpapierfirmen aus Drittländern die gleichen Bedingungen gelten wie für Mutterunternehmen aus der Europäischen Union.
Schließlich ist zwischen börslichen und außerbörslichen Transaktionen zu unterscheiden. Während im ersten Fall das Eigentum bei Vertragsabschluss übergeht und somit eine unmittelbare Notifizierung erfolgen kann und auch muss, können bei außerbörslichen Transaktionen Vertragsabschluss und Eigentumsübertragung auseinander fallen. Es wäre falsch, hier eine Notifizierungspflicht schon bei Vertragsabschluss zu fordern. Eine Meldung zu diesem Zeitpunkt könnte im Gegenteil marktverzerrende Wirkung entfalten.
Trotz dieses Verhandlungserfolges des Europäischen Parlaments gibt es noch Punkte, bei denen die Kommission dem Parlament bisher nicht gefolgt ist, und Kommissar McCreevy hat ja darauf hingewiesen. Zum Beispiel im Hinblick auf folgende Fragen: Erstens: Bei welcher Behörde muss ein Market-Maker eine Ausnahmegenehmigung von der Notifizierungspflicht beantragen, wenn er einen gewissen Schwellenwert erreicht? Zweitens: Was ist der Mindestinhalt eines nichtkonsolidierten Halbjahresabschlusses, der nicht nach IFRS erstellt wurde? Und drittens: Wie kann ein einheitliches Vorgehen der Wirtschaftsprüfer bei Durchsicht des Halbjahresberichts gewährleistet werden?
Ich appelliere an die Kollegen, morgen mit Ja zu stimmen, um unsere Chance zu wahren, dass Kommission und Mitgliedstaaten die Forderungen des Parlaments auch bei diesen noch offenen Punkten aufmerksam prüfen und eventuell berücksichtigen.
Thomas Mann, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Wie im Ausschuss für Wirtschaft und Währung so vertrete ich auch heute meinen Kollegen Professor Lauk, den Schattenberichterstatter der EVP-ED-Fraktion. Wir alle wünschen ihm gute Genesung nach seiner Schulteroperation.
In seinem Namen möchte ich dem Berichterstatter Peter Skinner von der Sozialdemokratischen Fraktion für die konstruktive Zusammenarbeit ebenso danken wie dem Schattenberichterstatter der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, meinem Mitbürger aus Hessen, Wolf Klinz. Der Kompromiss der drei war die Grundlage dafür, dass wir den Entschließungsantrag im Ausschuss einstimmig annehmen konnten.
Auch die EU-Kommission war effizient. Herr Kommissar McCreevy, Sie haben die wesentlichen Punkte in ihren Entwurf der Durchführungsrichtlinie übernommen und nach Konsultationen weitere Modifikationen eingearbeitet. Mit dieser Lösung gibt es mehr Transparenz bei Informationen über Wertpapiere, die auf dem geregelten Markt zugelassen werden.
Für die EVP-ED-Fraktion waren drei Punkte besonders wichtig: Erstens: Die Anforderungen an die Halbjahresaudits sollten nicht zu bürokratisch gestaltet werden. Ergebnis: Das vergleichende Zahlenmaterial muss nicht unmittelbar nach Inkrafttreten der Richtlinie vorgelegt werden. Ein sinnvollerer Übergangszeitraum wurde beschlossen. Zweitens: Zum Thema Stimmrecht sollten Tochtergesellschaften sowohl integriert als auch unabhängig geführt werden. Auch das wurde erreicht. Drittens: Bei Veröffentlichungen, die notwendigerweise rasch erfolgen müssen, sollte nicht im Detail vorgeschrieben werden, in welchem Medium sie zu erscheinen haben. Erneut gab es eine Einigung.
Angesichts dieser produktiven Veränderungen stimmt meine Fraktion dem Bericht Skinner zu. Gemeinsam mit Kurt Lauk hoffe ich auf eine breite Zustimmung morgen im Europäischen Parlament!
Harald Ettl (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Es gibt eine wachsende Anzahl global tätiger Unternehmen, die vergleichbare und weltweit anerkannte Konzernabschlüsse für den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten benötigen. Dies hat in der Rechnungslegung auf internationaler Ebene einen Wandel ausgelöst, und die rasant fortschreitende Globalisierung macht eine grenzüberschreitende Harmonisierung der Rechnungslegung zwingend erforderlich. Ein wichtiger Meilenstein zur Schaffung eines integrierten Finanzbinnenmarktes und zur Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa wurde auch durch die Verabschiedung der IAS-Verordnung erreicht.
Ein entwickelter Kapitalmarkt verbessert die Wettbewerbsposition der Volkswirtschaften. Studien haben bewiesen, dass Mitgliedstaaten mit einer hohen Aktienkapitalisierung und hohen Börsenumsätzen relativ zum Bruttoinlandsprodukt auch höhere Wachstums- und Beschäftigungsraten haben. In diesem Kontext ist auch die Angleichung der IFRS- und der US-GAAP-Rechnungslegungsvorschriften sowie von Drittstaaten-GAAP ausdrücklich zu befürworten. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung einheitlicher und international anerkannter Rechnungslegungsstandards und damit zur Integration der Kapitalmärkte.
Das Ziel sollte nicht sein, schlicht und einfach bestehende Unterschiede in den Rechnungslegungssystemen der Vereinigten Staaten, Kanadas oder Japans abzuschaffen. Vorrangiges Ziel der Konvergenz muss die Schaffung qualitativ hochwertiger Rechnungslegungsstandards sein. Nur diese werden dauerhaft sein und auf absolute Akzeptanz stoßen. Eine baldige Anerkennung von IFRS-Abschlüssen durch die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC ist für die europäischen Unternehmen von zentraler Bedeutung.
Das Ungleichgewicht bei der Anerkennung von Rechnungslegungsstandards sollte bis spätestens Januar 2009 beseitigt werden. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen gestärkt werden.
Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Das zur Diskussion stehende Dokument ist technisch präzise und klar – wir sprechen hier über Rechnungslegungsstandards. Wie wir jedoch in unserem Entschließungsentwurf betont haben, ist diese Frage wirtschaftlich und politisch sehr bedeutsam und komplex, da sie im Grunde die Rolle der Europäischen Union auf dem globalen Finanzmarkt betrifft.
Internationale Rechnungslegungsstandards auf der Basis von Grundsätzen bilden einen festen Bestandteil unseres europäischen Finanzmodells, das auch von Entwicklungsländern übernommen werden wird. Daher muss die Europäische Kommission etwas unternehmen, um die Anwendung dieser Standards in den Entwicklungsländern zu unterstützen; sie muss ihre Qualität und ihren europäischen Charakter fördern und auf diese Weise für den europäischen Finanzmarkt ein Image entwickeln und die verschiedensten Lösungen anbieten (nicht nur in technischem Sinne).
Wir sollten nicht vergessen, dass auch die Vereinigten Staaten über ein perfekt funktionierendes System von Rechnungslegungsstandards verfügen. Ob es uns nun gefällt oder nicht – derzeit stehen internationale und amerikanische Rechnungslegungsstandards auf dem Markt der Europäischen Union miteinander im Wettbewerb, das heißt, wir, die Gesetzgeber, stehen im Wettbewerb.
Ich bin der Meinung, dass das Europäische Parlament für diesen Wettbewerb gerüstet ist, doch für die Unternehmen ist es zu teuer, mehr als einen Standard einzuhalten. Und die Märkte der Entwicklungsländer sind verwirrt, da sie nicht wissen, welche Standards nun umgesetzt werden sollen. Folglich sollte die Europäische Kommission nach Wegen suchen, um die Standards zu harmonisieren oder eine entsprechende Harmonisierung auf der Ebene geeigneter Gremien anzuregen.
Es sei daran erinnert, dass wir hier nicht nur eine technische Frage erörtern, sondern vielmehr die Entwicklung des globalen Finanzmarktes, und für eine Harmonisierung der Standards bedarf es zweierlei: zum einen klarer Leitlinien für die Durchführung der Harmonisierung und zum anderen einer klaren Aussage, was Harmonisierung wirklich bedeutet.
Einige von uns meinen, dass informelle Verhandlungen effektiver sind, da hier niemand seinen Standpunkt im Voraus darlegen muss. Unterschiedliche Methoden und Taktiken bei Verhandlungen sind zwar möglich, aber das Europäische Parlament wäre wohl, so meine ich, nicht dafür, dass Entscheidungen zur Harmonisierung der Rechnungslegungsstandards die wichtigsten IFRS-Grundsätze, deren hohe Qualität und deren Ruf verletzen. Es kommt für das Europäische Parlament nicht in Frage, Entscheidungen zu treffen, ohne das Parlament und die Akteure auf den Finanzmärkten zu konsultieren.
Alexander Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte die Möglichkeit nutzen, um bei diesen beiden Berichten auf zwei Schwerpunkte aufmerksam zu machen. Erstens: Formal findet nach meinen Kenntnissen das neue Komitologieverfahren noch keine Anwendung auf diesen Bereich, aber ich gehe davon aus, dass die Kommission das Votum des Parlaments entsprechend berücksichtigen wird, weil es für die künftigen neuen Änderungen Anwendung finden wird.
Das Zweite ist die Frage, wie wir zukünftig mit den IFRS-Standards umgehen. Das ist ein Bereich, der künftig immer mehr Bedeutung bekommt. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir grundsätzlich IFRS-Standards als eine internationale Regel gerade für europäische Unternehmen begrüßen. Allerdings ist das an Bedingungen gebunden. Das Ziel der Konvergenz muss auch unter dem Gesichtspunkt erreicht werden, dass sich die europäische Sichtweise, die europäischen Prioritäten, künftig bei diesen Diskussionen durchsetzen werden. Darum bin ich auch irritiert, wenn ich aus dem Bereich des Board of Trustees Signale höre, dass man in manchen Punkten die Diskussion, ob und wann eine Konvergenz erreichbar ist, durchaus kritisch sieht.
Die Hauptfrage aber ist: Wie werden wir zukünftig weitere Standards entwickeln? Bekanntlich haben wir inzwischen eine Diskussion um so genannte Mittelstands-IFRS. Die Prozesse laufen sehr stark. Die Diskussionen werden in den entsprechenden Gremien geführt. Dies ist alles von einem politischen Prozess losgelöst. Ich möchte die Kommission deshalb nicht nur ermutigen, ich möchte sie auffordern, diesen Prozess unter dem Gesichtspunkt der politischen demokratischen Kontrolle sehr streng zu begleiten und immer das Parlament mit einzubeziehen.
Ich bin der Berichterstatter des Parlaments für diese Thematik, und ich habe auch Erfahrung mit Basel. Sie können davon ausgehen, dass dieser Prozess nicht so laufen wird, dass man sich auf internationaler Ebene einigt und das Parlament dies dann nur noch annehmen kann. Daher ist ein enger Dialog zwischen Kommission und Parlament notwendig. Die Kommission wird nicht nur ermutigt, sondern aufgefordert, europäische Interessen aktiv einzubringen und sich nicht vom Board — wie wir es schon bei anderen Themen hatten — vor vollendete Tatsachen stellen zu lassen.
Pervenche Berès (PSE). – (FR) Herr Präsident! Die Debatte über die Annahme der Prospektrichtlinie und der Transparenzrichtlinie betreffend den von Herrn McCreevy mit den US-amerikanischen Behörden ausgehandelten Fahrplan versetzt uns in die Lage, uns einen Überblick über die Umsetzung der IFRS zu verschaffen. Bei diesem Thema ist größte Vorsicht geboten. Einer der meines Erachtens wichtigsten Beiträge dieses Parlamentes besteht darin, während der Verhandlungen über die Übereinstimmung dafür Sorge getragen zu haben, dass es sich um eine tatsächliche Übereinstimmung handelt und nicht einfach um eine Frist, die abläuft, um dann schließlich festzustellen, dass dort, wo es Unterschiede gab, nunmehr Übereinstimmung besteht.
Wie Sie nur zu gut wissen, Herr Kommissar, ist bei dieser Angelegenheit alles eine Frage der Verhandlungen. Sie haben erreicht, dass sich die Amerikaner zu einem Abgleich am Ende des Zeitraums verpflichten, und wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, werden Sie mit leeren Händen dastehen, wenn dieses Parlament nicht inzwischen dazu beigetragen hat, die Angelegenheit zu konsolidieren, so dass wir letztendlich zu einer akzeptablen Anerkennung der Übereinstimmung gelangen.
Ich bedauere sehr, dass wir nicht vor dieser Plenarsitzung mit unseren Kollegen des amerikanischen Kongresses die Videokonferenz organisieren konnten, die ich vorgeschlagen hatte, die meine Kollegen Koordinatoren akzeptiert hatten und die es uns ermöglicht hätte, mit den amerikanischen politischen Stellen die notwendige Debatte darüber zu führen, inwieweit sie diesen Fahrplan, den Sie, Herr Kommissar, sich zu Eigen gemacht haben, einzuhalten imstande sind.
Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Eingangs möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen danken, die sich an der Arbeit zu diesen schwierigen Sachverhalten beteiligt haben. Ich freue mich, dass nach dem komplizierten MiFID-Verfahren, zu dem ich vor den Frühjahrsferien Bericht erstattet habe, bei der Festlegung der Durchführungsmaßnahmen für die Transparenz- und die Prospektrichtlinie eine ausgesprochen positive Grundhaltung herrschte.
Es ist unverzichtbar, dass das Europäische Parlament Vertrauen in das Komitologieverfahren haben kann, ganz besonders jetzt nach der Entscheidung vom Juli. Wir delegieren einen Großteil unserer Entscheidungsbefugnisse an die Kommission, und wir wollen sicherstellen, dass im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens verabschiedete Rechtsvorschriften über eine größtmögliche technische Qualität und demokratische Legitimation verfügen.
Damit das Parlament jedoch auf die „Sunset-Klauseln“ verzichten kann – wie es die Kommission wünscht – benötigen wir zusätzliche Garantien für ein verbessertes Komitologiebeschluss-Verfahren, und das Parlament muss vollen Einfluss auf Maßnahmen der zweiten Ebene haben.
Ich möchte zu Protokoll geben, dass die Umsetzung der MiFID ein äußert wichtiger Prozess ist und sicherlich mehr Vorteile für den Finanzdienstleistungssektor bringen wird, als einige glauben mögen. Sie ist zudem ein hervorragendes Beispiel für den Einfluss, den das Parlament ausüben kann. Industrie und Marktteilnehmer erwarten von uns, dass wir unsere Befugnisse besser nutzen, und die Bürger haben die Veränderungen respektiert, die das Parlament in diesem Bericht vorgesehen hat. Dasselbe wird meines Erachtens mit der Transparenz- und der Prospektrichtlinie geschehen.
Das Europäische Parlament muss seine Befugnisse in diesen Bereichen unbedingt stärken. Auf diese Weise können wir die Gemeinschaft besser voranbringen. Bisweilen führt der Rat unnötige Zusatzbestimmungen ein. Er hat Vorschläge vorgelegt, die den Binnenmarkt gefährden, und ich denke, die Soldaten der Gemeinschaft – die Kommission und das Europäische Parlament – sollten bei diesen Fragen im Gleichschritt gehen, denn dies würde für den Binnenmarkt von Vorteil sein.
Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich werde kurz auf zwei Themen eingehen.
Es war richtig, die Entscheidung über die Gleichwertigkeit zu verschieben. Dies ist der wirksamste Weg, um den Einsatz der IFRS zu fördern. Wir verfügen damit über mehr Möglichkeiten, die Abschaffung der Anforderungen an den Abgleich für EU-Emittenten im Ausland durchzusetzen, weil damit sichergestellt wird, dass die Gemeinschaftsmärkte für ausländische Emittenten attraktiv bleiben. Davon werden die Anleger und Emittenten in der Gemeinschaft profitieren.
Mir ist bewusst, dass einige dieser Fragen den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und anderen Sorgen bereiten, doch es gibt einen festen Fahrplan. Wenn alle Seiten guten Willen zeigen, werden wir ein befriedigendes Ergebnis erzielen, doch sollte dies nicht der Fall sein, dann ist, wie wir in meiner Heimat sagen, trotzdem nicht alles verloren. Meines Erachtens war die Verlängerung der Frist also aus vielen Gründen die richtige Entscheidung. Erstens haben wir in Europa dadurch Gelegenheit, uns damit zu befassen, wie die IFRS in den einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt wurden – und im Verlauf dieses Prozesses werden wir auch wichtige Erfahrungen sammeln können. Unsere Kollegen in den USA haben klare Zusagen bezüglich des Fahrplans und der darin enthaltenen Fristen gemacht, und wenn nichts dazwischen kommt, sollten wir ein zufrieden stellendes Ergebnis erzielen. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist und wir nicht zufrieden sind, dann ist, wie ich bereits gesagt habe, noch nicht alles verloren. Weltweit steigt die Zahl derer, die die in Europa im vergangenen Jahr übernommenen IFRS-Rechnungslegungsstandards nutzen. Wir werden also nur Vorteile davon haben.
Was die wichtige Frage von Herrn Radwan und anderen zur Übereinstimmung und zur Gleichwertigkeit anbelangt, warten wir einfach ab, wo wir uns in einigen Jahren befinden werden.
Im Zusammenhang mit der Transparenzrichtlinie möchte ich auf die Anmerkung von Herrn Skinner eingehen. Er bezieht sich auf eine Bestimmung in einer Erwägung der „Stufe-1“-Richtlinie, und diese Erwägung sieht vor, dass über Zahlungen der mineralgewinnenden Industrie Bericht erstattet wird. Dies ist als solches nicht Gegenstand der heutigen Aussprache, doch ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission diese Frage prüfen wird.
Bezüglich der Durchführungsmaßnahmen für die Transparenzrichtlinie möchte ich hinzufügen, dass ich einige der Bedenken mit Blick auf die künftige Entwicklung nachvollziehen kann. Die Kommission verpflichtet sich, in diesem Zusammenhang eine Erklärung abzugeben, die am Tag der Abstimmung über den Entwurf der Durchführungsmaßnahmen in das Protokoll des Europäischen Wertpapierausschusses aufgenommen wird. Daraus sollte hervorgehen, dass sich die Kommission erneut mit der Frage der Rechnungsprüfung der Halbjahresfinanzberichte befassen will, sobald die derzeit laufenden Arbeiten zu den internationalen Prüfungsrichtlinien weit genug fortgeschritten sind.
Darüber hinaus wird die Kommission innerhalb von zwei Jahren nach der endgültigen Umsetzungsfrist gegebenenfalls eine Änderung der Mindestanforderungen an nicht im Einklang mit den internationalen Rechnungslegungsstandards erstellte verkürzte Abschlüsse als Teil von Halbjahresfinanzberichten in Erwägung ziehen.
Die Kommission will zudem prüfen, wie die vorgeschriebenen Informationen gemäß den Bestimmungen der Transparenzrichtlinie und der künftigen Durchführungsrichtlinie in der Praxis übermittelt werden. Dies könnte zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Durchführungsrichtlinie erfolgen. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass die Instrumente der Transparenzrichtlinie an die Verbesserungen auf dem Markt angepasst werden.
Der Präsident. Ich teile Ihnen mit, dass ich gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung zwei Entschließungsanträge erhalten habe.(1)
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 12.00 Uhr statt.
20. Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE+) – Finanzierung von Natura 2000
Der Präsident. Als nächster Punkt folgen
- die Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE+) (06284/1/2006 – C6-0226/2006 – 2004/0218(COD)) (Berichterstatterin: Anne Isler Béguin) (A6-0288/2006)
- die Aussprache über die mündliche Anfrage an die Kommission über die Finanzierung von Natura 2000 von Karl-Heinz Florenz im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (O-0113/2006 – B6-0441/2006).
Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE), Berichterstatterin. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, zunächst den Mitgliedern des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und ganz besonders meinen Kollegen, den Schattenberichterstattern, für die Arbeit zu danken, die wir gemeinsam geleistet haben, denn meines Erachten kann gesagt werden – selbst wenn der Plenarsaal wie gewöhnlich zu dieser Stunde nicht sehr voll ist –, dass wir wirklich zusammengearbeitet haben und dass dieser Bericht, der meinen Namen trägt, genauso gut die Namen meiner Kolleginnen Frau Gutiérrez Cortines, Frau Ries oder auch Frau Lienemann, die sich dafür entschuldigt hat, heute Abend nicht anwesend sein zu können, tragen könnte.
Wir haben auch mit der Kommission zusammengearbeitet. Man kann nur bedauern, dass der Rat nicht anwesend ist, weil letzten Endes unsere Resultate in hohem Maße von ihm abhängen werden. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass es uns dank unserer Zusammenarbeit während dieser ersten Lesung und im Anschluss an den Gemeinsamen Standpunkt möglich sein wird, zu einer Übereinstimmung mit dem Rat und mit Ihnen selbst zu gelangen, und ich rechne mit Ihnen, Herr Kommissar, dass die Ergebnisse dieser Debatte dem Rat übermittelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, LIFE+ ist tatsächlich nicht mehr das Programm, das wir gekannt haben, sondern wird die Haushaltslinie „Umwelt“ der Union bilden. So wird LIFE+ innovative Politiken in Europa bewirken, sich den Herausforderungen wie dem Kampf gegen den Klimawandel und der Reinhaltung von Luft und Boden stellen, wird die Beschädigung der biologischen Vielfalt verhindern und wird der GD Umwelt und den NRO, unseren Bio-Indikatoren par excellence, die Mittel an die Hand geben, die der Umweltpolitik der Mitgliedstaaten einen europäischen Mehrwert verleihen.
Wie Sie nämlich wissen, meine Damen und Herren, handelt es sich angesichts des lächerlichen Betrags, den der Rat und die Kommission bewilligt haben, um eine „unmögliche Haushaltslinie“. Wir hatten in der ersten Lesung versucht, diese LIFE-Haushaltslinie, die – worauf hingewiesen sei – nicht einmal 1 % des Gesamthaushalts ausmacht, aufzustocken, um sie mit der von der Union selbst propagierten Politik in Einklang zu bringen. Die Debatte konzentrierte sich dann auf die Unterstützung des Natura-2000-Netzes, des Aushängeschilds unserer Umweltpolitik. Mit den zusätzlichen 21 Milliarden Euro, die von der Kommission selbst als notwendig im Hinblick auf eine ordentliche Bewirtschaftung von Natura 2000 erachtet wurden, hat das Europäische Parlament ein starkes Signal an die Kommission und den Rat ausgesandt. Wir hatten recht daran getan.
Durch die Kürzung der Haushaltsmittel für die Strukturfonds ist heute ein zügelloser Wettbewerb in den Regionen entstanden, und bei allen unseren Kolleginnen und Kollegen vollzieht sich nun ein Gesinnungswandel. Da Natura 2000 nicht spezifisch in den Haushaltsordnungen aufgeführt ist, werden die Ergebnisse zweifellos durch Freiwilligenarbeit im Umweltbereich erbracht werden. Wir sollten jedoch hinsichtlich des Anteils, der dem Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt vorbehalten sein wird, keine allzu große Hoffnungen hegen, obwohl eine ehrgeizige europäische Politik bei der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments nahezu unsere einmütige Zustimmung gefunden hatte.
In dem Gemeinsamen Standpunkt, der uns vorgeschlagen worden ist, wurde unsere Warnung grandios ignoriert. Schlimmer noch, darin wird in beunruhigender Weise davon abgerückt, so weit, dass 80 % der Mittel der den Mitgliedstaaten übertragenen Verwaltung unterliegen, obwohl Sie in Ihrem ursprünglichen Vorschlag diese Prozentzahl nicht erwähnt hatten. Welcher Minister würde so ein Geschenk zurückweisen? Sicher ist zu verstehen, dass sich die Kommission bei zu wenig Personal scheut, vielfältige Projekte zu leiten. Dies ist umso schwieriger, als nach der angekündigten Verringerung der Anzahl der europäischen Bediensteten wenig Hoffnung bleibt, dass die GD Umwelt ihren Personalbestand verstärken wird.
Wir sagen Ihnen klipp und klar: Diese Vorgehensweise ist nicht richtig, denn die europäische Ebene bleibt die relevanteste und sicherste, um die Aufgaben im Umweltbereich zu meistern. Wir halten diese Befugnisübertragung von der Kommission auf die Mitgliedstaaten sogar für gefährlich. Unserer Ansicht nach wäre dieser erste Ansatz einer Strategie zur Renationalisierung der Umweltpolitik das Zeichen einer langsamen Auflösung der europäischen Idee. Jedem Mitgliedstaat, der aussteigen will, stände es also frei, aus der Lissabonner Strategie zu schöpfen und so zu einem unvergleichlichen Wettbewerber zu werden – und wir wissen sehr wohl, dass Wettbewerb im Allgemeinen Hand in Hand mit der Zerstörung der Umwelt geht –, oder die nachhaltige Entwicklung, die eine globale Vorgehensweise erforderlich macht, als das Gegenteil eines solchen Wettbewerbs zu fordern. Wir wissen auch, wie sehr das Label „Umwelt“ zur Rechtfertigung von Problemen dient, durch die die Umwelt zerstört wird.
Herr Kommissar, meine Damen und Herren, das ist die Falle, in die wir nicht tappen wollen, denn das würde die Negierung aller europäischen Erfolge auf dem Gebiet der Umwelt bedeuten. Wenn es eine sichtbare, identifizierte, anerkannte und von den europäischen Bürgern geschätzte Politik gibt, dann ist es sehr wohl die, die wir erfolgreich für den Umweltschutz umgesetzt haben.
Wir alle wissen, dass LIFE+ imstande sein muss, Notsituationen zu begegnen und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Umwelt durchzuführen. Die 100 Millionen Euro, die bei der Finanziellen Vorausschau abgerungen wurden und die nach unserer Forderung, Herr Kommissar, gänzlich der Umwelt zukommen sollen, werden dafür nicht ausreichen. Herr Kommissar, es wird unmöglich sein, ausgenommen man wäre ein Zauberer, unseren Verpflichtungen mit so lächerlichen Beträgen nachzukommen. Die Mitgliedstaaten damit zu beauftragen, würde daher die Gefahr eines Scheiterns bedeuten.
Unser Ziel ist es, dass die Union der Leitstern, der weltweite Anführer, der die Initiative für Gesetze zum Schutz des Planeten ergreift, bleibt. Das erfordert, dass die Kommission eine ehrgeizige Politik entwickeln kann, dass sie die Verantwortung und die Qualitätskontrolle über die in den Mitgliedstaaten in Gang gesetzten Projekte übernimmt und diejenigen ablehnt, die nicht angebracht sind. Die europäische Politik darf auf gar keinen Fall das Versagen der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Umwelt ausgleichen, und wir lehnen es, wie Sie verstehen werden, ab, ihnen einen Blankoscheck auszustellen.
Wir sind uns auf der andern Seite vollkommen bewusst, dass die Verzögerung, die diese Vorgehensweise verursachen könnte, ihrerseits das Risiko von Verzögerungen bei der Finanzierung in sich birgt. Daher haben wir gemeinsam den gleichen Änderungsantrag eingereicht, um die Kontinuität der Finanzierung der Arbeit Ihrer GD Umwelt zu sichern, selbstverständlich in Erwartung einer Zustimmung. Wir wollen vor allem auch, dass die Arbeit fortgeführt werden kann und dass Sie sogar neue Projekte anlaufen lassen und auf die Finanzierung der Arbeit der NRO achten können. Wir möchten in diesem Hohen Hause klarstellen, dass das sowohl rechtlich als auch finanziell möglich ist.
Abschließend, Herr Präsident, würde ich sagen, dass der Ball heute im Lager des Rates und der Kommission liegt und dass wir unserer Überzeugung nach zu einer Einigung unter uns gelangen werden, um eben die Fortsetzung dieser ehrgeizigen Umweltpolitik zu gewährleisten. Das erwarten unsere Mitbürger, und sie ermutigen uns dazu.
Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE), Verfasserin. – (ES) Herr Präsident! Meine Rede besteht aus zwei Teilen. Im ersten werde ich die mündliche Anfrage zu Natura 2000 von Herrn Florenz stellen, der nicht anwesend ist und mich gebeten hat, in seinem Namen zu sprechen.
Die Anfrage ist folgende: Da die Kommission schätzt, dass 6,1 Milliarden Euro jährlich erforderlich sind, um die Natura-2000-Schutzgebiete zu bewahren und zu erhalten, und da die Mittel aus den Fonds für die ländliche Entwicklung, den Strukturfonds, LIFE+ und dem Fischereifonds kommen, wie will die Kommission diese Maßnahmen koordinieren? Wie will die Kommission an die Nutzer, Eigentümer und jene, unter deren Obhut sich das Natura-2000-Land befindet, klare Botschaften zu ihrer koordinierten Politik richten? Wo sind die Mittel? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden? Wie erlangt man Zugang zur Hilfe für die Schutzmaßnahmen der Europäischen Union?
Alle diese Dinge sind noch unklar. Sie müssen präzise festgelegt werden, damit eine wirkliche und umfassende Kommunikation zwischen den Eigentümern und der Kommission möglich ist.
Was LIFE+ angeht, so stimme ich in jeder Hinsicht mit dem überein, was Frau Isler Béguin sagte. Die Abstimmungsergebnisse widerspiegeln eine echte Übereinstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, auch wenn vielleicht Diskrepanzen und Meinungsverschiedenheiten aufgrund abweichender Standpunkte der verschiedenen Staaten auftreten. Warum? Weil das neue LIFE+-Programm, das jetzt vorgelegt wird, eine dezentralisierte Politik verfolgt und sich von der bisher verfolgten stark unterscheidet.
Wir sind der Auffassung, dass LIFE traditionell ein Programm im Rahmen von Leader zur Finanzierung von Innovationsprojekten und innovativen Managementmodellen darstellt, insbesondere im Umweltbereich. Es ist ein Prestigeprogramm, das die NRO als Richtschnur und Modell betrachten. Für die lokalen und regionalen Behörden ist es zu einem Leitfaden und zu einer ständigen Referenz geworden. Wir wollen, dass dieser Bezug erhalten bleibt.
Das war jedoch so, weil der universelle Charakter der Umweltpolitik betont wurde, ein Faktor, der einer der Gründe für den Erfolg der europäischen Politik auf diesem Gebiet war.
Europa weiß, dass die Umweltpolitik nicht nur in einer einzigen Region durchgesetzt werden kann. Sie erfordert einen globalen Ansatz. Die Europäische Union hat dies stets deutlich gemacht, und das 6. Umweltaktionsprogramm hat diesen Aspekt immer berücksichtigt.
Die Maßnahmen auf dem Gebiet des Klimawandels, der Wüstenbildung, des Wassers, der Abfälle, der Sicherung der Lebensqualität, des Wohlergehens und der Verschmutzung sind alle universeller Art, und deshalb wollen wir, dass sie über Europa hinaus Anwendung finden und Europa ein Modell für die ganze Welt wird.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass LIFE zu diesem Zweck ins Leben gerufen wurde, und so steht es im Text des Finanzbogens, den ich verlesen werde und in dem es heißt, dass diese LIFE+-Mittel „für die Finanzierung von Maßnahmen bestimmt sind, die der Durchführung, Aktualisierung und Weiterentwicklung der gemeinschaftlichen Politik und Rechtsvorschriften im Umweltbereich dienen, einschließlich der Einbeziehung von Umweltbelangen in andere Bereiche der Politik“. Wie können wir das tun, wenn die Politik nur nationalen Charakter trägt? Wie können wir das tun, wenn Europa seine führende Rolle verliert, wenn es diese Maßnahmen in die Hände der Mitgliedstaaten legt?
Deshalb treten wir ganz klar und konsequent für ein stärker zentralisiertes Modell ein, in dem Europa wieder die Führung und Initiative übernimmt. Wir sehen ein, dass der Kommission Mittel fehlen. Wir werden sie in Zukunft unterstützen, wo immer es möglich ist, weil diese Politik, die Zahl der Beamten zu reduzieren, nicht so weitergehen darf.
Wenn Europa keine Verwaltungsstruktur und Verwaltungskapazitäten und kein qualifiziertes Personal hat, wird es nicht in der Lage sein, diese Aufgabe zu erfüllen. Um ihr gerecht zu werden, muss unserer Meinung nach ein Teil der Verwaltung an die Europäische Kommission zurückgehen und es müssen internationale europäische Projekte in Angriff genommen werden, damit Europa in Zukunft seine Kapazitäten durch capacity building verbessern kann, um zu gewährleisten, dass die Projekte besser überwacht werden, um Wege zur Koordinierung der Aktionen zu finden und weiterhin Maßnahmen zu ergreifen, die quer durch alle Politikbereiche gehen.
Dies ist unser Vorschlag, und wir werden mit aller Kraft an dem Vermittlungsverfahren mitwirken, um zügig zu einer Vereinbarung zu kommen, damit die Finanzierung gewährleistet werden kann und, das ist klar, damit die Kommission ihrer Aufgabe nachkommen kann. Genau deshalb sind wir hier: um mit der Kommission zusammenzuarbeiten und den Mitgliedstaaten zu erklären, dass die Nachhaltigkeitspolitik ein Prozess ist und Europa mehr ist als nur ein Markt.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Isler Béguin, für ihre hervorragende Arbeit und ihren Bericht zu diesem Vorschlag danken. Ferner gilt mein Dank Frau Gutiérrez für ihre sehr positiven Ausführungen, und ich möchte beiden Frauen sowie allen Mitgliedern des Parlaments versichern, dass die Kommission sich darum bemühen wird, dieses Vorhaben zu fördern und eine rasche Einigung mit dem Rat zu erzielen.
Ich muss darauf hinweisen, dass wir seit September 2004 – als das Kollegium der Kommissare den Kommissionsvorschlag annahm – und etwa ein Jahr nach der ersten Lesung bei LIFE+ enorme Fortschritte gemacht haben und die Europäische Kommission ihren Standpunkt im Vergleich zu ihrem ursprünglichen Vorschlag in einer Reihe von Punkten deutlich korrigiert hat.
Ich glaube, dass der Gemeinsame Standpunkt des Rates, mit dem die Kommission weitestgehend übereinstimmt, viele der grundlegenden Forderungen des Parlaments erfüllt. Der Entwurf einer Verordnung beinhaltet jetzt einen Abschnitt, der sich mit der Natur und der biologischen Vielfalt befasst. LIFE+ wird in der Lage sein, Maßnahmen und Aktivitäten für den Austausch von Meinungen und vorbildlichen Praktiken sowie Demonstrationsprojekte, einschließlich derer, die die Bewirtschaftung und Ausweisung von Natura 2000-Standorten sowie die Leitlinien für Habitate und Vögel betreffen, zu finanzieren.
Der Anteil, den LIFE+ an der Bewirtschaftung der Natur hat, ist enorm. Mindestens 40 % der Mittel werden für Ausgaben in diesem Bereich zur Verfügung gestellt. Ich möchte betonen, dass diese Prozentzahl eine Mindestgrenze darstellt und die Mitgliedstaaten einen größeren Betrag ausgeben können, wenn sie dies wünschen.
Was die Frage der Finanzierung von Natura 2000 betrifft, so hat die Kommission Finanzierungsmöglichkeiten mithilfe der Strukturfonds, des Fischereifonds und des Europäischen Fonds für ländliche Entwicklung geschaffen. Die Kommission kann natürlich die Mitgliedstaaten ermutigen, Ausgaben für Natura 2000 zu tätigen, doch gemäß dem Subsidiaritätsprinzip liegt es in deren Zuständigkeit und Ermessen zu entscheiden, inwieweit sie von diesen Finanzierungsmöglichkeiten Gebrauch machen wollen.
Die Kommission wird ihrerseits alles in ihrer Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten diese Finanzierungskapazitäten nutzen, wann immer dies möglich ist. Bevor strategische Bezugsrahmen und operationelle Programme für die Strukturfonds sowie Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums, die von den Mitgliedstaaten eingereicht werden, gebilligt werden, wird allerdings stets die Meinung der Generaldirektion Umwelt eingeholt.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass einer unserer Hauptschwerpunkte darin besteht, eine angemessene Finanzierung für Natura 2000 zu gewährleisten, und deshalb begrüße ich auch besonders die Unterstützung des Parlaments in dieser Sache.
Das wichtigste Thema der Aussprache am heutigen Abend ist jedoch die Methode, mit der das Programm umgesetzt wird. Dem Gemeinsamen Standpunkt zufolge sollen 80 % der Finanzierung für LIFE+ den Mitgliedstaaten zugewiesen werden. Ich halte die Tatsache, dass das Parlament eine Beibehaltung der zentralen Verwaltung des Programms bevorzugt, für ein Zeichen ihres Vertrauens gegenüber der Kommission. Diese Option erfordert aber, wie ich bereits gesagt habe, mehr Personal.
Aus diesem Grund ist der im Gemeinsamen Standpunkt vorgeschlagenen Methode der Vorzug zu geben. Erstens entspricht sie dem Subsidiaritätsprinzip und gewährt die größtmögliche Flexibilität, um die verschiedenen Forderungen der Mitgliedstaaten zu erfüllen. Zweitens ist dadurch gewährleistet, dass alle Länder einen Mindestanteil der Finanzierung erhalten. Im Rahmen des derzeit geltenden LIFE III-Systems erhalten sie oftmals überhaupt kein Geld. Drittens ist diese Methode transparent und geprüft und garantiert sie, dass für die Europäische Union weiterhin ein Mehrwert bestehen bleibt.
Bekanntlich steht die Übertragung der Verwaltung im Mittelpunkt des Kommissionsvorschlags. Die Mitgliedstaaten vertrauen darauf und haben bereits damit begonnen, ihre Programmentwürfe auszuarbeiten. Deshalb kann die Kommission die verschiedenen Änderungsanträge, die jeglichen Bezug auf die übertragene Verwaltung streichen, nicht akzeptieren.
Leider waren wir aufgrund des Ergebnisses der informellen Treffen zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission, die im Anschluss an die Abstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 14. September stattgefunden haben, nicht in der Lage, signifikante Schritte einzuleiten, um hinsichtlich der übertragenen Verwaltung eine Einigung zu erzielen. Dennoch sprechen wir uns trotz der bestehenden Meinungsverschiedenheiten allesamt für das LIFE+-Programm sowie für seine schnellstmögliche Umsetzung aus, damit die Mittel ausgezahlt werden können und es bei der Durchführung der Programme keine Verzögerungen gibt.
Die Mitgliedstaaten haben für das LIFE+-Programm mehr als zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Nun gilt es, einen Weg zu finden, damit dieses Geld so schell wie möglich ausgezahlt werden kann, auch wenn das bedeutet, dass alle Seiten Kompromisse eingehen müssen. Deshalb müssen wir weiterhin zusammenarbeiten, um praktische Lösungen, insbesondere im Hinblick auf die Methode der Umsetzung von LIFE+, zu finden. In diesem Rahmen werden wir alle möglichen Anstrengungen unternehmen, um zwischen dem Rat und dem Parlament einen Kompromiss zu erreichen, und wir werden zwischen ihnen vermitteln, um eine Einigung zu erleichtern.
Péter Olajos, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Im Rahmen des Programms LIFE III, das seit 2000 läuft, haben wir mehr als 950 Millionen Euro für verschiedene Umweltschutzprogramme zum erfolgreichen Abschluss zahlloser lokaler, regionaler und grenzübergreifender Projekte ausgegeben. Noch wichtiger ist, dass ebendiese Projekte die Union den Menschen näher gebracht haben und am unmittelbarsten zur Verbesserung der Lebensbedingungen der EU-Bürger beitragen. Diese Überlegungen sind nicht unbedeutend in einer Zeit, in der die Beliebtheit der Europäischen Union ein Allzeittief erreicht hat.
Der Status von LIFE+ samt seinem Natura-2000-Programm gibt Anlass zur Sorge und wirft mindestens zwei entscheidende Fragen auf. Zum Ersten ist bereits klar, dass eine rechtzeitige Entscheidung über das neue Programm nicht getroffen wird und wir folglich die Umweltschutzprogramme nicht wie geplant im nächsten Januar starten können. Das ist meiner Meinung nach ein ernstes Problem. Deshalb schlage ich vor, wir halten uns an die Lösung, die 2004 getroffen wurde, als durch eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates das Programm LIFE III, das damals auslief, um zwei weitere Jahre mit einem zusätzlichen Budget von 317 Millionen Euro verlängert wurde.
Ich schlage vor, wir treffen jetzt eine Entscheidung, mit der das LIFE-Programm, das 2006 enden soll, bis zur Verabschiedung der neuen Verordnung in Kraft bleibt. Das zweite Problemfeld betrifft den Ratsvorschlag, die Verwaltung von 80 % der Mittel den Mitgliedstaaten zu übertragen. Meiner Ansicht nach steht dies im Widerspruch zur Logik und zur bisher verfolgten Praxis, nämlich dass der Umweltschutz aufgrund seiner grenzübergreifenden Natur einen supranationalen Ansatz erfordert.
Aus diesem Grund kann ich persönlich nur Vorschläge unterstützen, die die Entscheidungsbefugnis über die verfügbaren Mittel in stärkerem Maße als im vorliegenden Vorschlag in der Zuständigkeit der Kommission und des Parlaments belassen.
Anne Ferreira, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bitte ich Sie, Frau Lienemann entschuldigen zu wollen, die es zutiefst bedauert, heute Abend nicht anwesend sein zu können, denn wie Sie alle wissen, hat sie sich für diese Sache sehr engagiert. Ich vertrete sie jedoch mit der gleichen Freude und denselben Überzeugungen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere Fraktion den Bericht von Frau Isler Béguin uneingeschränkt unterstützt, und ich begrüße das Einverständnis, das unsere Fraktionen über eine ehrgeizige Strategie erzielt haben, um das einzige Finanzierungsinstrument, das direkt für die europäische Umweltpolitik bestimmt ist, zu konsolidieren. Betont sei im Übrigen, dass unser Parlament zusätzliche Haushaltsmittel für LIFE durchgesetzt hat, wenngleich diese weit unter unseren ursprünglichen Zielen liegen. Heute werden erneut von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments mehr Mittel gefordert, um die Umsetzung der Natura-Richtlinie zu unterstützen. Es wurden Anstrengungen unternommen, die zweifellos unzureichend sind, die aber in einem engen Budgetrahmen erfolgten, innerhalb dessen wir arbeiten müssen.
Unsere Uneinigkeit beim gegenwärtigen Stand dieser Angelegenheit betrifft die für die Finanzierung der Maßnahmen gewählte Verfahrensweise. LIFE ist ein beispielhaftes europäisches Instrument. Es hat sich bewährt, und wir können eine Renationalisierung dieser Politik nicht zulassen, indem, wie vorgesehen, 80 % der Mittel der übertragenen Verwaltung der Mitgliedstaaten unterliegen sollen. Die Europäische Union darf sich nicht damit zufrieden geben, nur Geldgeberin zu sein, sie muss die Zügel dieser Umweltpolitik in der Hand behalten! Zu einer Zeit, da die europäische Idee gesichert werden muss, und da es sich um eine Politik handelt, die von den Unionsbürgern weitgehend gebilligt wird, ist eine solche Untergrabung der europäischen Dynamik inakzeptabel. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit bei den Bürgern nach den Erklärungen, wie sie in der zukünftigen Strategie einer nachhaltigen Entwicklung enthalten sind.
LIFE muss ferner seinen Status als Beispiel, der auf der Auswahl innovativer und reproduzierbarer Projekte beruht, beibehalten. Selbstverständlich müssen wir den Mitgliedstaaten das Finanzierungsniveau, das sie erwarten, garantieren und dabei fordern, dass die Auswahl einer doppelten Logik entspricht, nämlich europäische Dimension und bedeutungsvolle Umweltpraxis.
Unsere Fraktion unterstützt den Änderungsantrag von Frau Haug, in dem die Kommission aufgefordert wird, eine kontinuierliche Finanzierung der laufenden Programme zu gewährleisten. Wir können nämlich nicht zulassen, dass die NRO und andere an LIFE beteiligte Akteure benachteiligt werden.
Frédérique Ries, in Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Vor zwölf Monaten haben wir mit unserer Berichterstatterin, Frau Isler Béguin, dieses wahrhaftige Geschenk der Kommission missbilligt. Ich beziehe mich auf ein Thema, über das schon so viel geredet worden ist: die Übertragung der Umweltpolitik auf die Mitgliedstaaten, die bis 80 % der Haushaltsmittel von LIFE+ verwalten sollen. In dieser Hinsicht bedauere ich ebenso wie unsere Berichterstatterin, dass während unserer informellen Beratungen mit dem finnischen Vorsitz Letzterer keine entschlossenen Schritte unternommen hat, um den Sorgen der Bürger für eine bessere Umwelt und eine bessere Lebensqualität gerecht zu werden.
Für diese institutionelle Uneinigkeit muss ganz offensichtlich eine Lösung gefunden werden, und in der Zwischenzeit ist selbstverständlich die Durchsetzung des Grundsatzes der kontinuierlichen Finanzierung der Umweltpolitik der Europäischen Union vonnöten: Das ist das Ziel unseres Änderungsantrages 32. Wie meine Kolleginnen und Kollegen frage ich mich daher, was dieser „Blankoscheck“ soll, der den Mitgliedstaaten auf einem silbernen Tablett serviert wird. Warum das renationalisieren, was Europa als solches, selbst mit so geringen Mitteln, wie schon gesagt wurde, sehr gut macht: nämlich Schutz der biologischen Vielfalt und seltener Arten?
Ich verweise auf einige Erfolge, die seit der Gründung von LIFE im Jahr 1992 in den Bereichen Natur, Umwelt und Drittländer erzielt wurden. In meinem Land, Belgien, wurden nicht weniger als 120 Projekte für den Schutz der biologischen Vielfalt von der Europäischen Union kofinanziert. Dank LIFE und des insgesamt einwandfreien Funktionierens des Programms Natura 2000 werden heute 20 % des belgischen Territoriums als besonderes Naturschutzgebiet eingestuft.
Die Kommission hat außerdem am vergangenen Donnerstag 75 Umweltprojekte präsentiert, die in den Genuss der Förderung durch die Union gelangen werden – insgesamt 136 Millionen Euro dank dem LIFE-Programm. Um auf Belgien zurückzukommen, so begrüße ich, dass die Wiederherstellung des Plateaus von Haute Fagnes über mehr als 4 500 Hektar in der herrlichen Region der Ardennen zu den bewilligten Projekten gehört.
Sollen wir darin ein gutes Omen sehen? Das hoffe ich, weil wir, indem wir Europas Umwelt verteidigen, auch für das Wohlergehen und die Gesundheit zukünftiger Generationen Sorge tragen. Zudem bin ich sicher, dass, wie ich unterstrichen habe, Europa alles zu gewinnen hat, wenn es sich als solches in diesem Kampf zum Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt voll engagiert.
Zum Schluss meiner Ausführungen, Herr Präsident, sei, wie schon gesagt wurde, nochmals betont, dass es sich hier um einen über die politischen Trennlinien hinweg geführten Kampf handelt, wie sich während der gesamten Debatte gezeigt hat. Dass wir geschlossen hinter unserer Berichterstatterin stehen – der ich erneut danken und die ich beglückwünschen möchte – ist heute dafür der beste Beweis.
Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Florenz für seine Anfrage danken. Im vergangenen Jahr war ich Berichterstatterin des Parlaments für den Bericht über die Finanzierung von Natura 2000. In diesem Bericht haben wir unsere Sorge um die Bereitschaft der Mitgliedstaaten und der Kommission, dieses Thema ernst zu nehmen, zum Ausdruck gebracht. Viele werden sich für die natürliche Umwelt aussprechen, wenn damit für Schlagzeilen gesorgt werden kann. Denken wir nur an die feierlichen Zusicherungen der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2001 in Göteborg, Natura 2000 werde umgesetzt. Und trotzdem war alles vergessen, als es um die Verabschiedung des Budgets ging. Jetzt wird es interessant zu sehen, ob man sich an diese Versprechen erinnert, wenn die Agrarlobbyisten wieder versuchen sicherzustellen, dass sämtliche Subventionen, einschließlich der Mittel für die ländliche Entwicklung, an landwirtschaftliche Großunternehmen und die Industrie fließen. Die Kommission muss auf diesem Gebiet mehr Strenge walten lassen. Die bisherige Nachlässigkeit und mangelnde Kontrolle haben einen Punkt erreicht, an dem die Folgen verheerend sind, vor allem für die natürliche Umwelt, aber auch für den Ruf der EU, worauf etliche Kolleginnen und Kollegen heute bereits hingewiesen haben. Für viele Menschen zählt der Schutz der Natur und der Umwelt zu den entscheidenden Vorteilen der EU. Wir Politiker haben, wenn wir die Notwendigkeit europäischer Zusammenarbeit verteidigen und erläutern mussten, stets und ständig darauf hingewiesen, was die EU auf diesem Gebiet unternehmen kann. Gegenwärtig erleben viele eine Gleichgültigkeit aufseiten der EU gegenüber den Werten, die sich nicht schnell zu Geld machen lassen.
Es muss rasch gehandelt werden, wenn wir unseren guten Ruf retten wollen. Die Kommission sollte Mittel, insbesondere für die ländliche Entwicklung, nur unter der Bedingung zahlen, dass die Mitgliedstaaten mit Plänen aufwarten und auch Natura 2000 Mittel in ausreichender Höhe zuweisen. Ebenso wenig sollte sie vergessen, die Landwirte daran zu erinnern, dass es sich bei den Mitteln für die ländliche Entwicklung nicht um private Gelder der Landwirte handelt. Natura 2000 muss seinen Anteil erhalten, ohne dass die Landwirtschaft dafür entschädigt wird. Die Landwirtschaft sollte ihren Teil der Verantwortung für die Gesundheit und die Vielgestaltigkeit der Natur tragen. Das wäre eine positive Nachricht für alle im ländlichen Raum. Die Möglichkeiten zum Geldverdienen sind bei der Entwicklung von Natura 2000 exzellent. Wir wissen beispielsweise, dass eine Viertel Million Menschen im Naturschutz tätig sind, in der Fremdenverkehrsindustrie indes ist das Potenzial noch größer.
Dimitrios Papadimoulis, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin für ihren hervorragenden Bericht und ihre strikte Haltung hinsichtlich der Forderungen danken, die der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit im Zusammenhang mit LIFE+ gestellt hat.
Ein Schlüsselpunkt besteht darin, für das Natura 2000-Programm angemessene Mittel bereitzustellen. Deshalb unterstütze ich von ganzem Herzen die Forderung, das LIFE+-Budget um weitere 50 Millionen Euro aufzustocken. Wenn wir es bei den 50 Millionen belassen und nur eine politische Verpflichtung eingehen, wie dies der Rat fordert, dann werden wir keine klare Garantie haben.
Darüber hinaus unterstütze ich die Forderung des Umweltausschusses, 55 % von LIFE+ zur Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt einzusetzen, für Bereiche also, die in dem Bemühen, die entsprechende Zielsetzung der Europäischen Union zu erreichen, von entscheidender Bedeutung sind. Auf jeden Fall sollten die im Rahmen der Finanziellen Vorausschau vereinbarten zusätzlichen 100 Millionen Euro für einen Betrag gebunden werden, der über den 40 % liegt, die der Rat vorgeschlagen hat. Wenn der Anteil bei 40 % bleibt, dann wird dies im Grunde bedeuten, dass die entsprechende Finanzierung, die für die biologische Vielfalt gedacht war, sich im Vergleich zu der vorangegangenen Finanziellen Vorausschau proportional verringert, und das ist nicht zu akzeptieren.
Schließlich stimme ich der Berichterstatterin zu, die sich gegen den Vorschlag der Kommission ausgesprochen hat, den Mitgliedstaaten 80 % der Mittel zuzuweisen, wodurch diese einen Blankoscheck erhalten würden. Die Mittel für LIFE+ sind nicht dazu da, dass die Mitgliedstaaten damit Finanzlücken schließen, sondern sollen dazu dienen, gemeinsame europäische Programme zu fördern.
Herr Kommissar, Sie wissen sehr gut, dass in dem Land, aus dem wir beide stammen, das Geld häufig dafür eingesetzt wird, um Lohnzahlungen abzudecken, und nicht, um das Natura 2000-Netzwerk zu schützen. Wir wollen eine starke europäische Politik; wir alle im Europäischen Parlament wünschen uns mehr Europa beim Umweltschutz. Wenn die Kommission dasselbe will, warum macht sie sich dann nicht dafür gegenüber dem Rat stark?
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich für die 80-prozentige Verwaltung von LIFE durch die Mitgliedstaaten aussprechen. Auf diese Weise könnten wir eine bessere und gerechtere Verteilung der Mittel in der EU und auf viele unterschiedliche Bereiche der Umwelt in der Gemeinschaft sicherstellen. In den Prozess der Projektauswahl würde mehr lokales Wissen einfließen und die Öffentlichkeit könnte besser sensibilisiert werden.
Ich habe lediglich einen Einwand als Abgeordnete aus Irland: Meines Erachtens ist die zweite Hälfte der zweiten Säule von LIFE – die Umsetzung der bestehenden Umweltpolitik – ein entscheidender Punkt. Dies muss eine Priorität sein, denn es macht keinen Sinn, neue Strategien und Projekte zu finanzieren, wenn wir noch nicht in der Lage sind, die Standards, die wir für uns selbst gesetzt haben, einzuhalten. Die Industrie in meiner Heimat hat damit eindeutig ein Problem. Die Umweltschutzagentur in meinem Mitgliedstaat scheint nur ungern von der Industrie dieselbe Übereinstimmung zu fordern, die sie von den Bürgern verlangt.
Auch wenn ich die Verwaltung von LIFE + auf Ebene der Mitgliedstaaten unterstützen will, wünsche ich mir doch eine gründliche Prüfung, um sicherzustellen, dass in den ausgewählten Projekten die Verbesserung der Einhaltung der EU-Umweltvorschriften durch die Industrie im Vordergrund steht.
Ryszard Czarnecki (NI). – (PL) Herr Präsident! Während der ersten Lesung der LIFE+-Verordnung wurden zahlreiche Änderungsanträge eingebracht. Alle waren sich darin einig, dass dieses Finanzierungsinstrument die Erwartungen in puncto Umweltschutz nicht erfüllt hat. Das Hauptproblem bestand in der Beschränkung der Mittel für die Durchführung aller Maßnahmen in diesem Bereich. Die finanziellen Vereinbarungen mit dem Rat und der Kommission fanden keinen Niederschlag im Haushaltsplan für den Umweltschutz für die nächsten sieben Jahre.
Die Unterschiede in der Herangehensweise von Frau Sinnott und den meisten anderen Abgeordneten sind meiner Ansicht nach eher abstrakter Natur. Ich hätte ein viel ruhigeres Gewissen, wenn ich in der Gewissheit für den Bericht hätte stimmen können, dass die den einzelnen Ländern zugewiesenen Mittel auch tatsächlich für Umweltprojekte eingesetzt werden. Das Problem ist, dass die Gelder für das Personal und nicht für Umweltvorhaben bestimmt sind. Das zwingt uns meines Erachtens tatsächlich dazu, hier in irgendeiner Weise einzugreifen.
Nebenbei möchte ich abschließend bemerken, dass zu einem Zeitpunkt, da wir uns hinsichtlich unserer Vision vom Europa der Zukunft in einer Krise befinden und die Institutionen der EU mit Skepsis betrachtet werden, die Umwelt für viele Bürger der EU-Mitgliedstaaten zu einem echten gemeinsamen Bezugspunkt werden könnte.
Françoise Grossetête (PPE-DE). – (FR) Herr Kommissar! Während der ersten Lesung betraf unsere Botschaft die begrenzten Mittel, die für LIFE+ bereitgestellt wurden. Heute geht es dem Europäischen Parlament darum, eine klare Botschaft an den Rat und die Kommission zu richten. Akzeptieren können wir auf keinen Fall, dass 80 % der Finanzmittel für LIFE+ den Mitgliedstaaten zugewiesen werden, um sie dann durch nationale Agenturen verwalten zu lassen. Warum ist das inakzeptabel? Weil die Umweltpolitik eine der EU-Politiken ist, die in den Augen der europäischen Bürger am besten wahrnehmbar und am transparentesten ist. Man fragt sich wirklich, warum die Kommission auf diese Möglichkeit, den Bürgern die unmittelbare Auswirkung einer Gemeinschaftspolitik auf ihr tägliches Leben zu zeigen, verzichten möchte. Das macht keinen Sinn, besonders zu einer Zeit, da uns mangelnde Kommunikation mit den Bürgern vorgehalten wird.
LIFE+ ist ein unabdingbares Finanzierungsinstrument für alle unsere umweltpolitischen Maßnahmen. Doch welch ein Widerspruch! Von Sitzung zu Sitzung stimmen wir für substanzielle Umweltverpflichtungen im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung, während LIFE+ gestutzt wird. Auch in diesem Punkt sind wir mit dem Rat wiederum nicht einverstanden. Den Mitgliedstaaten die Verantwortung über 80 % der Mittel anzuvertrauen, birgt das Risiko in sich, dass alle von uns eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt und diese Mittel dann nicht mehr für die ursprünglich angedachten Ziele verwendet werden.
Ja, Herr Kommissar, wir alle sind Befürworter von LIFE+, aber nicht in der von Ihnen vorgeschlagenen Form. Wir müssen an einem der zentralen Verwaltung durch die Kommission unterliegenden Modell festhalten, bei dem die Projekte aufgrund ihrer Vorzüge und des von ihnen geschaffenen Mehrwerts ausgewählt werden. Anderenfalls werden wir es, wie Sie genau wissen, mit einer Verwässerung unserer Umweltpolitik zu tun haben. Die Renationalisierung ist nicht die richtige Lösung. Wir dürfen diese Mittel nicht dafür nutzen, um Beamte zu bezahlen, sondern müssen damit Projekte ins Leben rufen und finanzieren.
Evangelia Tzampazi (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! LIFE gleich von Beginn an zu nationalisieren, widerspricht der bisherigen Umsetzung dieses Umweltinstruments.
Der Vorschlag, die Verwaltung von 80 % des zugegebenermaßen unzureichenden LIFE+-Budgets den Mitgliedstaaten zu übertragen, würde bedeuten, dass jeder europäische Mehrwert zunichte gemacht würde, und vor allem, dass die Mitgliedstaaten einen Blankoscheck erhalten würden, um ihre – wahrscheinlich – nationalen Ziele zu verwirklichen. Wir fordern deshalb, dass bedeutende Programme, die über einen europäischen Mehrwert verfügen, unter der Aufsicht der Europäischen Kommission effizient und transparent verwaltet werden.
Schließlich halte ich es für besonders wichtig, dass wir, falls keine Übereinkunft erreicht wird, den gemeinsamen Vorschlag unterstützen, auf dessen Grundlage es möglich sein wird, Aktivitäten zu finanzieren, die ab 2007 dem betreffenden Programm zuzuordnen sind.
Ich möchte Frau Béguin zu ihrem außerordentlich positiven Bericht gratulieren.
Mojca Drčar Murko (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich stimme mit der Berichterstatterin, Frau Isler Béguin, überein, dass das Parlament den Kommissionsvorschlag zu LIFE+ im Verlauf der ersten Lesung deutlich verbessern konnte, insbesondere was den für die Finanzierung von Natura 2000 einzusetzenden Betrag anbelangt. Aus diesem Grund begrüße ich Änderungsantrag 18, in dem erneut auf den Betrag von 100 Millionen Euro hingewiesen wird, der im Rahmen der Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau bewilligt wurde.
Es gibt jedoch einige Gründe, die aus meiner Sicht gegen Änderungsantrag 10 sprechen, mit dem für die neuen Mitgliedstaaten der ausgesprochen wichtige zweite Absatz von Artikel 6 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates gestrichen wird. Ich befürchte, dass durch eine zentrale Mittelzuweisung ausschließlich über die Projekte die alten Mitgliedstaaten begünstigt würden, die mit den Verfahren besser vertraut sind. Es ist allgemein bekannt, dass die Institutionen der neuen Mitgliedstaaten noch nicht ausreichend darauf vorbereitet sind, mit ihren Projekten voll konkurrenzfähig sein zu können. Mit dem Kommissionsvorschlag, nach dem 80 % der Finanzierung von den Mitgliedstaaten übernommen werden soll, wird dieser offenkundige anfängliche Nachteil ausgeräumt, und mithilfe genauer Förderkriterien soll europäischer Mehrwert bei der Finanzierung sichergestellt werden. Aus diesem Blickwinkel würde ich nicht von Renationalisierung sprechen. Was die Durchführung anbelangt, befürworte ich den Lösungsansatz des Rates.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Sie haben es jetzt oft genug gehört: Wir alle sind dagegen, dass dieses europäische Programm in die Hände der Mitgliedstaaten zurücktransferiert wird. Es soll europäisch bleiben.
Wenn wir hier über Umweltprogramme und Mittelvergabe sprechen, sollten wir dies aber mit Augenmaß tun. Es geht nicht an, dass in den Mitgliedstaaten über das Habitat-Programm bzw. die Vogelschutzrichtlinie Dinge umgesetzt werden, die eigentlich dem normalen Hausverstand widersprechen. Die Umweltpolitik soll den richtigen Stellenwert bekommen, aber die Frösche sollen nicht mehr als die Menschen geschützt werden. Es ist auch Aufgabe der Kommission und ihrer Dienststellen, hier das richtige Augenmaß walten zu lassen.
Wichtig ist, dass wir hier im Europäischen Parlament mit Ihnen, der Kommission, Programme umsetzen, die einen europäischen Mehrwert bringen. Es geht nicht an, einfach einen Mitteltransfer durchzuführen, also den Mitgliedstaaten Geld zurückzugeben und es ihnen zu überlassen, wohin diese Mittel fließen. Es geht auch nicht an, dass mit diesen Mitteln NGOs finanziert werden, deren Hintergrund und Zusammenhänge wir nicht kennen. Hier muss man also aufpassen, dass die europäischen Steuergelder richtig verwendet werden.
Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Die zweite Lesung über das Finanzierungsinstrument für die Umwelt zeigt einmal mehr, dass die Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007-2013 keine ausreichende Grundlage bietet, um den Aufgaben der Union im Umweltbereich wie auch in vielen anderen Bereichen nachkommen zu können.
Gerade weil wir uns in einer so schwierigen finanziellen Lage befinden, ist es wichtig, dass wir unsere Berichterstatterin morgen mit einer massiven Mehrheit unterstützen. Von der Kommission wird zwar Kompromissbereitschaft signalisiert, doch wir wissen, dass die Verhandlungen äußerst hart werden. Genau die Änderungsanträge, von denen die Kommission heute Abend gesagt hat, dass sie sie nicht akzeptieren kann, sind nämlich das Herzstück der Position des Europäischen Parlaments.
Es wurde schon gesagt, dass die Renationalisierung als Gefahr für die europäische Umweltpolitik und den europäischen Mehrwert gesehen wird. Deshalb unterstütze ich auch alle Streichungsänderungsanträge der Berichterstatterin, denn hier werden Schritte in die richtige Richtung gesetzt.
Alfonso Andria (ALDE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Es ist der zielstrebigen Arbeit der Berichterstatterin zu verdanken, dass bereits in erster Lesung substanzielle Ergebnisse erzielt worden sind. Dennoch reichen die für LIFE+ für den Zeitraum 2007-2013 bereitgestellten Mittel nicht aus, um die umweltpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre zu bewältigen, weshalb wir Gefahr laufen, das, was bisher an Positivem erreicht wurde, aufs Spiel zu setzen. Deshalb ist es besonders wichtig, Änderungsantrag 3 der Berichterstatterin zu unterstützen, um zumindest nach der 2008/2009 erfolgenden Revision des Finanzrahmens eine angemessenere Finanzierung im Hinblick darauf zu gewährleisten, LIFE an die erforderlichen Änderungen anzupassen und ein hohes Niveau der Kofinanzierung durch die Gemeinschaft sicherzustellen.
Darüber hinaus möchte ich die Bedeutung der Zweckbestimmung der europäischen Finanzmittel für die Umwelt unterstreichen, die nicht dazu dienen sollten, die finanziellen Defizite der Mitgliedstaaten zu beheben – es wurde tatsächlich mehrfach darauf hingewiesen, dass sie häufig für die Finanzierung von Personalkosten verwendet werden –, sondern vielmehr dazu, europäische Vorhaben durchzuführen, durch die die Göteborger Strategie für Nachhaltige Entwicklung verwirklicht wird.
Schlussendlich freue ich mich darüber, dass im neuen LIFE+-Programm dem Thema Energieeffizienz mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, indem den neuen Technologien eine finanzielle Unterstützung gewährt wird, und ich stimme mit der Berichterstatterin dahingehend überein, dass die Zivilgesellschaft stärker in die Ausarbeitung sowohl der Mehrjahresprogramme als auch der nationalen Jahresprogramme einbezogen werden muss.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte den Abgeordneten für ihren ausgesprochen positiven Beitrag und für ihre Feststellung danken, dass der ursprüngliche Vorschlag – den die Kommission im September 2004 mit Unterstützung des Parlaments verabschiedet hat – deutlich verbessert wurde. Wir müssen uns um eine ausgewogene Lösung bemühen, und ich werde mich in dieser Hinsicht für eine Einigung zwischen Rat und Parlament einsetzen.
Zu den Änderungsanträgen: Mir liegen 31 Änderungsanträge des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und ein weiterer Änderungsantrag vor, der seit der vergangenen Woche eingereicht wurde. Dieser letzte Änderungsantrag lässt mich, ähnlich wie bei der Haushaltsaussprache, hoffen, dass sich das Parlament an der Suche nach einer Lösung für die Finanzierungslücke beteiligen will, die sich durch die jüngste Annahme von LIFE+ öffnen wird. Die Finanzierungsfrage wird zwar letzten Endes von der Haushaltsbehörde geklärt, doch die Kommission wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Einigung zu erzielen und mit Ihrer Unterstützung 2007 der GD Umwelt Mittel zur Verfügung stellen zu können.
Ich werde nun die 31 Änderungsanträge zu LIFE+ in vier verschiedene Blöcke unterteilen. Was erstens die Umsetzung anbelangt, kann die Kommission die Gruppe von Änderungsanträgen, in denen eine geteilte Programmverwaltung abgelehnt wird, nicht annehmen.
Zweitens hat das Parlament zur Mittelzuweisung, zum Haushalt, zur Zweckbindung und zu anderen Punkten einen Änderungsantrag vorgelegt, um den LIFE+-Instrumenten den gesamten Zusatzbetrag in Höhe von 100 Millionen Euro zuzuweisen. Wenn sich das Parlament und der Rat darauf einigen könnten, diesen Betrag für das LIFE+-Programm zu veranschlagen, würde ich mich über die damit verbundene Gelegenheit freuen, das Programm zu erweitern. Das Parlament fordert zudem, mindestens 55 % der LIFE+-Mittel für die Bereiche Natur und biologische Vielfalt vorzusehen. Diesen Änderungsantrag kann die Kommission nicht akzeptieren, weil damit einige Mitgliedstaaten nicht mehr über genügend Spielraum verfügen würden, um sich anderen dringlichen Umweltproblemen zuzuwenden. Die im Gemeinsamen Standpunkt angeführten 40 % stellen einen Mindestwert dar, und nichts hindert die Mitgliedstaaten daran, den doppelten Betrag für Natur und biologische Vielfalt aufzuwenden, wenn sie dies wünschen und begründen können.
Drittens können wir mit Blick auf Komitologieerwägungen die Änderungsanträge grundsätzlich akzeptieren, in denen eine stärkere Einbindung des Parlaments im Verlauf der unterschiedlichen Programmplanungsphasen und die Einführung eines Regelungsverfahrens mit Kontrolle gefordert werden.
Die Kommission kann meines Erachtens schließlich einige Änderungsanträge, die unter anderem auf eine Verdeutlichung oder mehr Transparenz bei Aspekten wie der Anwendung des Übereinkommens von Århus, grenzüberschreitenden Projekten, einem besonderen Hinweis zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt und die Rolle der Kommission bei der Förderung der Integration usw. abzielen, grundsätzlich und vorbehaltlich einiger Formulierungsänderungen annehmen.
Ich möchte das wiederholen, was ich bereits gesagt habe, nämlich dass wir unsere gemeinsame Suche nach praktischen Lösungen insbesondere für die Umsetzung von LIFE+ fortsetzen sollten. Darüber hinaus müssen wir gemeinsam die Finanzierungslücke für das Jahr 2007 schließen. Die positive Einstellung des Parlaments in dieser Frage stimmt mich zuversichtlich.
Wir benötigen ein Finanzierungsinstrument für die Umwelt, um den Haushalt in Höhe von 2 Milliarden Euro zu verteilen. Ich bin daher bereit, mich ebenfalls für einen praktischen Kompromiss zwischen Rat und Parlament in diesen Fragen einzusetzen und eine solche Einigung voranzubringen.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 12.00 Uhr statt.
21. Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Dimitrios Papadimoulis im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Neufassung) (KOM(2006)0029 – C6-0076/2006 – 2006/0009(CNS)) (A6-0286/2006).
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Europäischen Parlament und insbesondere dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie dem Berichterstatter, Herrn Papadimoulis, für die Ausarbeitung des hervorragenden Berichts danken.
Der Vorschlag der Kommission für eine Neufassung der Entscheidung des Rates über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz aus dem Jahre 2001 berücksichtigt die Forderung des Europäischen Parlaments und des Rates, die Ressourcen und Fähigkeiten im Bereich des Katastrophenschutzes auf europäischer Ebene zu stärken. Sein Ziel besteht darin, den Mechanismus durch die Erfahrungen zu stärken, die aus früheren Notfallsituationen gewonnen worden sind. Durch die Verbesserung und Förderung der in diesem Sektor bestehenden Projekte sowie die Initiierung neuer Aktivitäten bietet er eine Grundlage für die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich des Katastrophenschutzes.
Wir müssen zwei von uns vorgeschlagene Innovationen hervorheben: die Finanzierung der Kosten für die Anmietung von Ausrüstungen und von Transportmitteln. Oft stehen wir vor Situationen, in denen Hilfe zwar verfügbar ist, aber keine ausreichenden Mittel dafür vorhanden sind, sie zum Katastrophenort zu bringen. Infolgedessen trifft die Hilfe entweder zu spät oder überhaupt nicht ein. In Notfällen, von denen mehrere europäische Länder zugleich betroffen sind, wie beispielsweise Waldbrände im Sommer, Überschwemmungen im Frühjahr und eventuelle gleichzeitige terroristische Bedrohungen innerhalb Europas, kann es für die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse schwierig sein, anderen Mitgliedstaaten Unterstützung zu gewähren. Aus diesem Grund hat die Kommission vorgeschlagen, ein Sicherheitsnetz auf Gemeinschaftsebene einzurichten, damit wir die Möglichkeit haben, die notwendigen Transportmittel und die erforderliche Ausrüstung anzumieten. Die Kommission weiß natürlich, dass das Europäische Parlament sich der Bedeutung des Gewinns, der sich aus den betreffenden Reformen ergeben wird, bewusst ist, und bringt ihren Dank für die Unterstützung zum Ausdruck, die es bereits dem vorgeschlagenen neuen Finanzierungsmechanismus gegeben hat.
Wie im Bericht Barnier hervorgehoben, sollen die Bürger der Europäischen Union und die Einwohner von Drittländern durch die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des Katastrophenschutzes besser geschützt werden. Dadurch wird gewährleistet, dass die Gemeinschaft insgesamt jedem Land, das von einer großen Katastrophe heimgesucht wird, eine koordiniertere, effektivere und schnellere Unterstützung gewähren kann.
Ich möchte Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass der Vorschlag, Transportmittel und Ausrüstung anzumieten, Bestandteil des Vorschlags für den neuen Finanzierungsmechanismus war, zu dem das Parlament bereits zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr Stellung genommen hat. Die sich daran anschließenden Verhandlungen im Rat erwiesen sich als außerordentlich schwierig. Deshalb appellieren wir an alle Mitglieder des Europäischen Parlaments, die diesen Vorschlag voranbringen wollen, auf nationaler Ebene alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihn zu unterstützen. Andernfalls werden wir nicht der Lage sein, die vom Parlament geforderte verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des Katastrophenschutzes zu gewährleisten.
Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), Berichterstatter. – (EL) Herr Präsident! In den letzten Jahren haben wir einen Tsunami, den Hurrikan Katrina sowie Erdbeben in Pakistan und Indonesien erlebt, die viele Todesopfer gefordert haben, während die Mitgliedstaaten in der Europäischen Union häufig mit großen Überschwemmungen und Stürmen, mit Waldbränden, Havarien auf See und Industrieunfällen konfrontiert waren. Die Folgen dieser tragischen Ereignisse sind nicht nur im Hinblick auf die Menschenleben, sondern auch in Bezug auf die Wirtschaft gravierend. Deshalb fordern die Bürger der Europäischen Union zu Recht ein effektiveres Konzept.
Die Verbesserung der Fähigkeit der Europäischen Union, auf Notfallsituationen zu reagieren, stellt für das Europäische Parlament eine Priorität dar. Aus diesem Grund diskutieren wir heute Methoden zur Verbesserung des gemeinschaftlichen Katastrophenschutzmechanismus.
Während der Erarbeitung des Vorschlags des Ausschusses, über den wir heute diskutieren, wurden verschiedene Alternativvorschläge geprüft. Einer davon war die Neufassung, für die sich die Kommission entschied und die die am wenigsten ambitionierte Option war, da sie gegenüber der Entscheidung des Rates über den Katastrophenschutzmechanismus nur eine beschränkte Anzahl von Verbesserungen einbringt. Könnte mir die Kommission daher sagen, wie sie trotz der wiederholten Äußerungen des Europäischen Rates und der Entschließungen des Europäischen Parlaments im Hinblick auf eine umfassendere und verstärkte Entwicklung des gemeinschaftlichen Katastrophenschutzmechanismus zu dieser Entscheidung, der am wenigsten ambitionierten Entscheidung, gelangt ist?
Die Hauptschwachstellen, die in der von der Kommission vorgeschlagenen Neufassung festgestellt wurden, betreffen erstens den Transport von Rettungsteams und Ausrüstung. Derzeit ist jeder Mitgliedstaat selbst für die Organisierung der Beförderung seiner eigenen Katastrophenschutzhilfe verantwortlich. Dieses Defizit untergräbt jedoch die Effektivität der europäischen Hilfe. Allein im Jahre 2005 waren die Mitgliedstaaten in fünf Fällen nicht in der Lage, Experten und Ausrüstung zu entsenden, weil sie dort, wo die Hilfe gebraucht wurde, nicht über die Mittel zu ihrer Beförderung verfügten. Meiner Ansicht nach muss die Kommission mehr tun, um dieses Problem zu bewältigen.
Die zweite Schwachstelle betrifft die Entwicklung einer schnellen Krisenreaktionsfähigkeit auf europäischer Ebene. Gegenwärtig wird der gemeinschaftliche Katastrophenschutz von den Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis geleistet. Das reicht für die Gewährleistung einer schnellen Krisenreaktionsfähigkeit, die vom Europäischen Parlament gefordert wird, nicht aus. In ihrer Mitteilung vom 25. April schlägt die Kommission vor, ein spezielles Einsatzmodul einzurichten, das auf Ersuchen der zuständigen europäischen Behörde mobilisiert werden könnte. Ich frage Sie, warum hat die Kommission nicht ihren eigenen Vorschlag in die Neufassung aufgenommen?
Das dritte Problem betrifft die Frühwarnung. Die Fähigkeit der Europäischen Kommission, auf Naturkatastrophen zu reagieren, hängt ebenfalls von der Existenz von Frühwarnsystemen ab. In der Neufassung wird festgestellt, dass das Beobachtungs- und Informationszentrum in Brüssel mit den Systemen der Mitgliedstaaten und internationaler Organisationen verknüpft werden soll. Das ist gut, doch es reicht nicht aus, weil unmittelbar nach dem Ausbruch des Erdbebens, das durch den Tsunami verursacht worden ist, zwar die Regierungen davon Kenntnis erhalten haben, die Bürger aber nicht. Deshalb muss im Rahmen der Entscheidung des Rates eine angemessene Rechtsgrundlage festgelegt werden, damit Frühwarnsysteme im Rahmen des Mechanismus entwickelt werden können.
Die vierte Schwachstelle betrifft die Koordinierung der Einsätze in Drittländern. In diesem Bereich muss ebenfalls mehr getan werden, da dort ein eklatanter Koordinationsmangel herrscht. Einige Mitgliedstaaten arbeiten stets mit dem Gemeinschaftsmechanismus, einige Mitgliedstaaten ziehen es vor, mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, einige Mitgliedstaaten arbeiten mit beiden zusammen, andere Mitgliedstaaten mit gar keinem. Diese Bruchstückhaftigkeit und dieses Koordinationsdefizit stehen vollkommen im Widerspruch zu den ehrgeizigen Ankündigungen des Europäischen Rates.
Als Berichterstatter habe ich gemeinsam mit den Schattenberichterstattern aus allen Fraktionen Änderungsanträge vorgelegt, die vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit nahezu einstimmig angenommen worden sind. Kurz gesagt betreffen sie die Informierung der Bürger, die Einbeziehung von Katastrophenschutzmaßnahmen in Schulungsprogramme und Aufklärungskampagnen, die Bodennutzung und -bewirtschaftung zur Stärkung der Prävention, die Begriffsbestimmungen auf der Grundlage der vereinbarten internationalen Terminologie, die Einbeziehung der öffentlichen Gesundheit und die Nutzung von militärischen Mitteln zur Unterstützung sowie auf freiwilliger Basis.
Schließlich möchte ich noch den Bericht Barnier über die Einrichtung von EuropeAid erwähnen. Im Januar 2006 haben der Präsident der Europäischen Kommission und der Präsident des Europäischen Rates Michel Barnier gebeten, die Rolle der Europäischen Union bei der Krisebewältigung zu untersuchen. Daraus ist ein sehr ausführlicher Bericht mit interessanten Vorschlägen hervorgegangen. Leider haben sowohl die Kommission als auch der Rat den Bericht lediglich als einen wichtigen Beitrag begrüßt und nichts weiter unternommen. Ich möchte den Kommissar bitten, mir zu sagen, wie die Kommission den Bericht Barnier zu nutzen gedenkt.
Der Preis dafür, dass Europa beim Krisenmanagement weder einheitlich noch effektiv agiert, ist sehr hoch, und deshalb müssen wir künftig effizienter und koordinierter handeln.
Antonios Trakatellis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Entscheidung des Rates, die zusammen mit unseren angenommenen Änderungsanträgen zur Abstimmung steht, ist das Ergebnis eines erschöpfenden Vorbereitungsprozesses sowie der Erfahrungen, die während der letzten Jahre bei der Bewältigung von Natur- sowie durch den Menschen verursachten Katastrophen gewonnen wurden. Diese Katastrophen haben, abgesehen von ihren erheblichen Auswirkungen auf alle Aspekte des alltäglichen Lebens der Bürger objektive Defizite bei den nationalen Interventionskapazitäten offenbart und folglich höhere Erwartungen an die Hilfe durch die Gemeinschaft geweckt.
Wir sind daher heute aufgerufen, die Union zu stärken und ihr das Rüstzeug zu geben, damit sie dieser Forderung der Bürger nach effektiver Intervention bei der Prävention und der schnellen Reaktion auf Natur- und vom Menschen verursachte Katastrophen entsprechen kann. Denn auf diese Weise kommt die angestrebte echte Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zum Ausdruck, die das Gemeinschaftsgefühl sowie das europäische Bewusstsein weiter stärken wird. Was die Änderungsanträge zu dem ursprünglichen Vorschlag betrifft, so halte ich es für notwendig, die Aufmerksamkeit auf folgende Punkte zu lenken:
Ein wirkungsvolles Frühwarn- und Reaktionssystem basiert auf folgenden vier Elementen: der Risikoerkennung und –bewertung, der kontinuierlichen Überwachung, einem Warn- und Kommunikationsmechanismus und schließlich auf der Bereitschaft – der Reaktions- und Hilfeleistungskapazität.
Auch ich möchte, wie der Berichterstatter, darauf hinweisen, dass die von uns eingereichten Änderungsanträge solche Fragen betreffen wie beispielsweise das Frühwarnsystem, die Einsatzmodule der beteiligten Staaten, die Leitlinien zum Reaktionsvermögen und zur Information der Bürger, die bewährten Praktiken für die Bewältigung von Notsituationen und schließlich die gegenseitige konsularische Hilfe zur Festlegung von Kontaktstellen der Mitgliedstaaten.
Ich möchte darüber hinaus sagen – und meines Erachtens sollte das akzeptiert werden –, dass wir dem Bereich der öffentlichen Gesundheit besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, weil Katastrophen gewöhnlich mit Gefahren für die öffentliche Gesundheit verbunden sind, die entweder durch den Mangel an Lebensmitteln bzw. Wasser oder durch Epidemien entstehen, und deshalb sollte dieser Aspekt ebenfalls in den Vorschlag aufgenommen werden.
Schließlich möchte ich anmerken, dass, wie dies bereits unser Berichterstatter gesagt hat, der Bericht Barnier ein hervorragender Bericht ist, der berücksichtigt werden muss, weil andernfalls diese ganze exzellente Arbeit sinnlos gewesen wäre. Ich glaube, zusammen mit Ihrem heutigen Bericht werden wir über einen effektiven Mechanismus verfügen.
Abschließend möchte ich unserem Berichterstatter für seine herausragende Arbeit danken. Gratulation, Herr Papadimoulis!
Edite Estrela, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn Herrn Papadimoulis zu seinem Bericht und die Kommission zu ihrer Initiative beglückwünschen. Der EU stehen verschiedene rechtliche Mechanismen zur Verhütung von Naturkatastrophen und zur Reaktion auf derartige Katastrophen zur Verfügung. Auch das Parlament hat einige Entschließungen zu diesem Thema verabschiedet.
Ich selbst habe im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit einen Bericht über die europäische Strategie zur Reaktion auf Naturkatastrophen erstellt, in dem ich mich für schnellere und wirkungsvollere Mittel der EU zur Reaktion auf Notsituationen aussprach. Ausgehend von den Erfahrungen der letzten Jahre mit Waldbränden in Südeuropa und Überschwemmungen in Mitteleuropa ist die Einrichtung eines Erkennungs- und Frühwarnsystems zum Schutz der Bürger und ihres Eigentums vor Naturkatastrophen, einschließlich Erdbeben und Flutwellen, zur Priorität geworden.
Zwar liegt die Verantwortung für das Vorgehen bei Naturkatastrophen in erster Linie beim betroffenen Land und der Union kommt lediglich eine unterstützende Rolle zu, dennoch fehlte es dem 2001 eingerichteten Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz an Ressourcen und Befugnissen. Mit anderen Worten, es entsprach nicht den Erfordernissen.
Dieser umformulierte, verbesserte Vorschlag verdient Lob. Er wird eine bessere Koordinierung und eine schnellere Hilfe für die betroffenen Menschen möglich machen. Allerdings muss noch mehr getan werden, und es gilt, das Modell zu vervollkommnen, nicht nur auf der Basis des Berichts Barnier, sondern auch der vom Umweltausschuss vorgelegten Änderungsanträge, von denen ich die folgenden herausstellen möchte: Die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz sollte auf einer europäischen Zentrale für die strategische Koordinierung basieren, die für die Erfassung und Verbreitung von Informationen über Katastrophenfälle sowie für die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für ein schnelles Eingreifen zur Bekämpfung von Naturkatastrophen zuständig ist; Einbeziehung der Gemeinden in die Präventions- und Reaktionsmaßnahmen mittels Schulungen und Aufklärungskampagnen; höhere Investitionen in die Ausbildung der Einsatzteams.
Alfonso Andria, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Papadimoulis zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen. Sein Bericht bezieht sich auf die praktische Durchführung der Maßnahmen, die bereits in dem Bericht über den Solidaritätsfonds vorgesehen sind, der die rechtliche und finanzielle Grundlage für Katastrophenschutzmaßnahmen bildet.
Die Europäische Union verfügt heute über finanzielle Mittel und neue Erkenntnisse, die auf den Erfahrungen mit dem 2001 geschaffenen Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz beruhen; diese werden uns dazu befähigen, die Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit des Instruments zu verbessern. Es stimmt, dass die Reaktion auf Katastrophen vor allem und hauptsächlich auf lokaler Ebene erfolgen muss, mit Verhütungs- und Wiederaufbaumaßnahmen, doch es ist auch wahr, dass Krisenbewältigungsmaßnahmen erforderlich sind, die auf europäischer Ebene koordiniert werden können und sollten, wenn wir nennenswerte Größenvorteile und vor allem mehr Effizienz erreichen wollen.
Wenn das Ausmaß einer Katastrophe die lokale oder gar nationale Reaktionsfähigkeit übersteigt, wäre es darüber hinaus wünschenswert, sofort zusätzliche Hilfe durch andere Länder bereitstellen zu können und auf ihr Know-how und ihre Ressourcen zurückzugreifen. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass größere Katastrophen in vielen Fällen grenzüberschreitende Auswirkungen haben und die Gebiete der Nachbarländer in Mitleidenschaft ziehen.
Außerdem stimme ich mit dem Berichterstatter dahingehend überein, dass eine richtige und zweckmäßige Planung der Landnutzung und der Katastrophenverhütung und -bewältigung wichtig für die Risikosenkung sind. Das europäische Katastrophenschutzsystem muss ausgebaut werden, um zu koordinierten Reaktionen des Katastrophenmanagements fähig zu sein und dazu beizutragen, dass die Europäische Union ihren Bürgern Vertrauen und Sicherheit zu geben vermag. Meines Erachtens müssen wir lernen, diesen berechtigten Erwartungen gerecht zu werden.
Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir alle lernen aus der Vergangenheit und aus unseren Erfahrungen. Ich glaube, gerade der Katastrophenschutz ist ein Beispiel hierfür. Mit den von Ihnen vorgelegten Papieren und auch mit dem ausgezeichneten Bericht von Herrn Papadimoulis versuchen wir jetzt eben, diese Erfahrungen einzubringen.
Es gibt dabei drei Aspekte zu beachten: erstens die Vorbeugemaßnahmen, zweitens den Einsatz in der Krise und drittens die Folgenbewältigung. Bei den Vorbeugemaßnahmen kann die Europäische Union sehr viel leisten. Leider treten Katastrophen in verschiedenen Regionen und aus unterschiedlichen Gründen auf. Aber das Lernen voneinander, gerade in der Europäischen Union, ist hier äußerst wichtig. Hier hat die Europäische Union eine besondere Aufgabe zu erfüllen.
Beim Einsatz in der Krise muss die Union insbesondere durch Koordinationsmaßnahmen ihrer Rolle gerecht werden. Man darf die Mitgliedstaaten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen; Katastrophenschutz ist und bleibt eine zentrale nationale Kompetenz. Darum sehe ich es auch äußerst kritisch, dass die Union jetzt versucht, durch Anschaffung von Geräten eine gewisse Doppelgleisigkeit zu schaffen, die sicher nicht im Sinne der Sache sind. Hier ist es wichtig, dass wir uns wirklich auf eine gute Koordination der in den Mitgliedstaaten vorhandenen Mittel konzentrieren, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.
Die nächste Phase ist die Folgenbewältigung. Für diesen Bereich besteht ja bereits das von der Europäischen Union geschaffene Krisenreaktionsinstrument bzw. der Solidaritätsfonds. Auch hier sollten wir uns überlegen, wie wir ihn effizienter einsetzen können, eventuell die Richtsätze ändern und uns darauf konzentrieren, wirklich nur Krisen von europäischen Ausmaßen zu bewältigen.
Evangelia Tzampazi (PSE). – (EL) Herr Präsident! Der Schutz der europäischen Bürger vor Unfällen und Naturkatastrophen steht in direktem Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit. In den letzten Jahren ist die Zahl der Naturkatastrophen erheblich angestiegen, was dazu führte, dass die Zahl der Hilfeersuchen, die die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Katastrophenschutzmechanismus gestellt haben, gleichermaßen zugenommen hat.
Katastrophenschutz ist ein komplexes System, das sich aus Prävention, Einsatz und schließlich Rehabilitation zusammensetzt. Der exzellente Bericht von Herrn Papadimoulis über die vorgeschlagene Neufassung verbessert meines Erachtens den Vorschlag des Rates in einer Weise, die die ergänzenden und unterstützenden Maßnahmen der Union stärkt, wenn sie benötigt werden.
Ich spreche mich jedoch dafür aus, dass die beteiligten Seiten sich kontinuierlich weiterbilden müssen, und halte es für notwendig, die Öffentlichkeit, insbesondere in stark gefährdeten Regionen, umfassender zu informieren, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Prävention und die Alarmbereitschaft in den betreffenden Regionen verbessert werden.
Stavros Dimas, Mitglied der Kommission. – (EL) Herr Präsident! Ich möchte allen Rednern für ihre exzellenten Bemerkungen danken. Bevor ich auf die Änderungsanträge eingehe, möchte ich auf die Frage zum Bericht Barnier antworten und sagen, dass die Kommission bereits damit begonnen hat, sich mit vielen dieser Themen, die mit dem Bericht im Zusammenhang stehen, zu befassen, von denen das wichtigste natürlich die Entwicklung von Katastrophenschutzmodulen ist. Spezialisten aus den Mitgliedstaaten haben sich getroffen, um festzustellen, welche Modulformen in jedem Fall zur Verfügung stehen sollten, und um festzulegen, welche spezifischen Bedingungen und Voraussetzungen für jede Modulform gelten sollten.
Ein zweiter Bereich, mit dem wir uns ebenfalls bereits beschäftigen, sind die Übungen. Obwohl die im Bericht Barnier vorgeschlagene Einrichtung eines europäischen Instituts nicht vorgesehen ist, schlagen wir dennoch vor, ein Netz von Einrichtungen zu entwickeln, mit denen das bestehende Übungsprogramm erweitert werden wird.
Wir sind ebenfalls der Meinung, dass das Beobachtungs- und Informationszentrum gestärkt werden sollte. Deshalb haben wir bereits gefordert, die Zahl der Angestellten, der Beamten, die bei diesem Zentrum beschäftigt sein werden, zu erhöhen. Darüber hinaus haben wir die Mitgliedstaaten gebeten, uns im nächsten Jahr einige Spezialisten für das MIC zur Verfügung zu stellen.
Außerdem hat die Kommission zwei Legislativvorschläge vorgelegt, einen zu den Finanzierungsinstrumenten und einen zur Neufassung der Entscheidung aus dem Jahre 2001, die uns die Möglichkeiten geben werden, in einem anderen Bereich, dem Transportsektor, von dem ich vorhin gesprochen habe, tätig zu werden.
Was nun die Änderungsanträge betrifft, so hat das Europäische Parlament eine Reihe von bedeutsamen Änderungsanträgen unterbreitet, die darauf ausgerichtet sind, die Katastrophenschutzkapazitäten auf europäischer Ebene zu stärken. Die Änderungsanträge weisen auf die Notwendigkeit hin, die rechtzeitige Beförderung der Katastrophenschutzhilfe zu gewährleisten, sowie auf die Bedeutung der Frühwarn- und Alarmsysteme, die Interoperabilität der Katastrophenschutzmodule und die Rolle, die der Mechanismus bei der Unterstützung der Bürger der Europäischen Union spielen kann.
Die Kommission kann die meisten der vorgeschlagenen Änderungsanträge akzeptieren. Es gibt jedoch einige, die Probleme bereiten und in der vorliegenden Form nicht gebilligt werden können. Ich beziehe mich dabei auf diejenigen, die Maßnahmen hinsichtlich der Prävention, der öffentlichen Gesundheit und der vorsätzlichen Meeresverschmutzung betreffen.
Im Zusammenhang mit den Präventivmaßnahmen möchte die Kommission darauf hinweisen, dass die Maßnahmen in diesem Bereich durch den Vorschlag über die Finanzierungsinstrumente für den Katastrophenschutz abgedeckt sein werden. Mit dem Katastrophenschutzmechanismus der Gemeinschaft sollen nur Maßnahmen finanziert werden, die die Bereitschaft und die Intervention betreffen. Nichtsdestotrotz stimmt die Kommission mit dem Europäischen Parlament darin überein, dass Maßnahmen im Bereich der Prävention wichtig sind, und hat versprochen, diese in einem angemessenen Rahmen zu fördern.
Was die Einbeziehung der öffentlichen Gesundheit betrifft, so erkennt die Kommission an, dass Katastrophenschutzmaßnahmen sehr oft auch dazu dienen, die öffentliche Gesundheit zu schützen. Der auf Ebene der Europäischen Union errichtete Katastrophenschutzmechanismus ist jedoch nicht Bestandteil der öffentlichen Gesundheitspolitik, die über andere bestehende Gemeinschaftsmechanismen, wie das Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Gesundheitssektor, verfügt.
In Bezug auf die vorsätzliche bzw. absichtliche Meeresverschmutzung unterstützt die Kommission voll und ganz den Vorschlag, mit dem es ermöglicht werden soll, dass der Katastrophenschutzmechanismus in Fällen extensiver unfallbedingter oder vorsätzlicher Meeresverschmutzung zum Einsatz kommt. Der Vorschlag der Europäischen Kommission, den Anwendungsbereich dahingehend zu erweitern, dass er auch von Menschen verursachte Katastrophen abdeckt, bietet diese Möglichkeit. Der Begriff „absichtliche, vorsätzliche“ Meeresverschmutzung bezieht sich jedoch gewöhnlich auf das Ablassen kleiner Ölmengen aus Schiffen, und die Kommission möchte der Interpretation vorbeugen, dass der Anwendungsbereich der Verordnung sich auf solche geringe Verschmutzungen erstreckt. Es wäre für die Kommission praktisch unmöglich, den Mechanismus zu mobilisieren – und sie hat, wie ich bereits sagte, auch gar nicht das Personal dafür –, und deshalb sollte diese Form der geringen Verschmutzung durch die in jedem Land zur Verfügung stehenden Mittel bekämpft werden. Aus diesem Grunde wurden die entsprechenden Änderungsanträge nicht akzeptiert.
Schließlich möchte die Kommission darauf hinweisen, dass eine Reihe von Änderungsanträgen Aspekte bereits geltender Rechtsvorschriften betrifft. Die Kommission befürwortet im Grunde einige dieser Änderungsanträge. Die interinstitutionelle Vereinbarung über die Anwendung des Neufassungsverfahrens erlaubt es der Kommission jedoch nicht, sie zu akzeptieren, sofern sie nicht von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung der neuen, im Vorschlag enthaltenen Bestimmungen sind oder sie sich nicht direkt aus diesen Bestimmungen ergeben. Die Kommission wird die betreffenden Fragen aber im Rahmen der Entwicklung unserer Politik in diesem Bereich berücksichtigen.
Dies sind die Hauptpunkte, in denen sich der Standpunkt der Kommission von dem im Bericht des Europäischen Parlaments unterscheidet. Ich möchte jedoch betonen, dass diese Meinungsverschiedenheiten nicht unsere gemeinsamen Ziele überschatten. Wir stimmen mit der Zielsetzung des Europäischen Parlaments, eine sehr starke europäische Interventionskapazität im Bereich des Katastrophenschutzes innerhalb und außerhalb der Europäischen Union zu entwickeln, voll und ganz überein und danken Ihnen für Ihre Unterstützung. Ich werde dem Sekretariat des Europäischen Parlaments eine vollständige Liste mit den Standpunkten der Kommission zu den Änderungsanträgen übermitteln. Außerdem möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Papadimoulis, noch einmal zu seiner hervorragenden Arbeit gratulieren.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Hélène Goudin (IND/DEM) , schriftlich. – (SV) Das Europäische Parlament behandelt hier einen Vorschlag zur Neufassung des 2001 eingeführten Katastrophenschutzmechanismus. Es besteht kein Zweifel, dass Katastrophen zu großen Belastungen für die betroffenen Parteien führen. Eine Koordinierung des europäischen Katastrophenschutzes stellt jedoch nicht die Lösung dieses Problems dar, insbesondere nicht in der hier vorgeschlagenen Form.
Der Katastrophenschutz der Mitgliedstaaten wird über Steuermittel finanziert. Daher ist es Sache jedes Staates, selbst zu entscheiden, wie die von den Bürgerinnen und Bürgern erhobenen Steuern verteilt werden. Dieser Vorschlag kann die Gefahr in sich bergen, dass bestimmte Mitgliedstaaten nur minimale Ressourcen in den nationalen Katastrophenschutz investieren, weil sie sich darauf verlassen, dass andere EU-Mitgliedstaaten ihnen im Katastrophenfall beistehen. Dieses „Trittbrettfahren“ ist ein sehr ernstes Problem und ungerecht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der Länder, die sich für einen starken Katastrophenschutz entschieden haben. Internationale Einsätze sollten durch das UN-OCHA koordiniert und durch die Mitgliedstaaten und nicht durch die EU finanziert werden.
Im Dokument der Kommission ist auch von Schnellreaktionssystemen die Rede und davon, dass die Mitgliedstaaten mitteilen sollen, welche Ressourcen, einschließlich militärischer Mittel und Kapazitäten, zur Unterstützung des Katastrophenschutzes bereitgestellt werden können, wenn ein betroffenes Land diese Art von Hilfe anfordert. Die Juniliste lehnt dies mit Bestimmtheit ab. Die militärischen Ressourcen eines Landes sind eine rein nationale Angelegenheit, und es ist Sache jedes Mitgliedstaats selbst, über eine eventuelle Mobilisierung zu entscheiden.
22. Europäisches Mahnverfahren (Aussprache)
Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Rechtsausschusses betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (07535/3/2006 – C6-0227/2006 – 2004/0055(COD)) (Berichterstatterin: Arlene McCarthy) (A6-0316/2006).
Arlene McCarthy (PSE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Es ist fast zwölf Monate her, dass wir zum ersten Mal unsere Zustimmung zum europäischen Mahnverfahren erteilt haben, einer neuen Rechtsvorschrift, mit der Unternehmen und Bürgern die Eintreibung von Forderungen erleichtert werden sollte. Heute, ein Jahr später, hat sich die Meinung des Ausschusses nicht geändert. Wir sind der Auffassung, dass wir diese pragmatische und praktische neue EU-Rechtsvorschrift benötigen, um insbesondere sicherzustellen, dass Unternehmen und Bürger über ein erschwingliches System verfügen, um ausstehende Forderungen einzutreiben. Warum? Weil die Eintreibung von Forderungen aus einem anderen EU-Staat ein kostspieliges Rechtsverfahren ist, bis diese Rechtsvorschrift in Kraft tritt. In einigen Fällen waren die Anwalts- und Verwaltungskosten höher als der geschuldete Betrag. Hinzu kommt, dass Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen, die ihre Forderungen nicht eintreiben können, der Zusammenbruch droht, mit sich daraus ergebenden Folgen nicht nur durch Arbeitsplatzverluste, sondern auch für andere KMU in der Lieferkette.
Von den jedes Jahr in Europa insgesamt in Rechnung gestellten 30 bis 40 Milliarden Euro bleiben immerhin 1 Milliarde Euro offen und werden zu Forderungen. Interim Justicia hat vor rund zehn Jahren eine Untersuchung zum Zahlungsverhalten in 16 europäischen Ländern durchgeführt. Damals betrug der durchschnittliche Verzug lediglich 14 Tage. Bis Ende 2003 war dieser Zeitraum aber nicht zurückgegangen, sondern auf 16 Tage angestiegen. Laut einer Studie der Weltbank mit dem Titel „Doing Business in 2004: Understanding Regulation“ verfügen bei den untersuchten Ländern die nordischen Länder über die wirksamsten Rechtssysteme. Dort geht es am schnellsten, bis eine Lösung erreicht wird, während die Kosten niedrig bleiben. Italien gehört zu den Ländern weltweit, in denen der Verzug am größten ist. Dies wird mit dem lockeren Widerspruchsverfahren begründet, wo ein Vorgang in jeder Phase des Verfahrens unterbrochen werden kann. Spanien dagegen verfügt über eines der kompliziertesten Rechtssysteme, das höhere Kosten und längere Gerichtsverfahren verursacht. In meiner Heimat, dem Vereinigten Königreich, gibt es drei Zahlungssysteme, was ebenfalls für Verwirrung bei Unternehmen und Bürgern sorgt.
Große Unterschiede bei den gesetzlichen Regelungen für die Eintreibung ausstehender Forderungen führen damit vor allem im EU-Handel zu Unsicherheiten, und die zusätzlichen Kosten stehen dem EU-Ziel der Chancengleichheit beim Marktzugang für einheimische und EU-weit tätige Unternehmen im Wege. Es liegt auf der Hand, dass fehlende Systeme zur Durchsetzung der Vorschriften dem Binnenmarkt und dem Vertrauen der Unternehmen schaden und dass dementsprechend KMU weiterhin mit Liquiditätsproblemen aufgrund von Zahlungsverzug zu kämpfen haben.
Das europäische Mahnverfahren wird auch für Privatpersonen gelten, die in einem anderen Mitgliedstaat leben oder arbeiten und diese neue Regelung ebenfalls nutzen können. Natürlich steigt mit dem hohen und wachsenden Handelsvolumen in der Gemeinschaft und dem zunehmenden Personenverkehr auch die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Unternehmen in grenzüberschreitende Gerichtsverfahren verwickelt werden. Es besteht die Gefahr, dass Bürger angesichts der Hindernisse, die sich insbesondere aus der Auseinandersetzung mit dem Rechtssystem in einem anderen Mitgliedstaat und aus unbekannten Verfahren und Kosten ergeben, nicht bereit sind, ihre Rechte geltend zu machen. Deshalb muss die EU unbedingt einen Rechtsraum bieten, in dem Privatpersonen und Unternehmen bei unbestrittenen Forderungen Zugang zu den Gerichten und zu Rechtsmitteln haben.
Dieses Verfahrensrecht macht einen solchen Zugang möglich. Mit dem Mahnverfahren wird ein praktisches gemeinschaftsweites Instrument eingeführt, mit dem eine vollstreckbare Entscheidung erlangt werden kann, und ich glaube, auf diese Weise können wir den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass ihnen die EU ein praktisches Instrument an die Hand gibt, das sie bei dem Einsatz von Rechtsmitteln unterstützen kann.
Ich möchte zu Protokoll geben, wie dankbar ich den Mitgliedern des Ausschusses bin, insbesondere den Schattenberichterstattern Herr Wieland, der heute Abend anwesend ist, und Frau Wallis, die heute leider nicht dabei sein kann. Sie haben nicht nur meinen Ansatz unterstützt, sondern auch in jeder Phase des Verfahrens nützliche und konstruktive Änderungsvorschläge unterbreitet. Der Ausschuss hat sich mit den maßgebenden Akteuren beraten, und wir haben uns unseres Erachtens auf die wichtigsten Punkte konzentriert. Beiden Schattenberichterstattern war es ein Anliegen sicherzustellen, dass die Formulare und der Anhang als das Gerüst des Vorschlags so einfach gestaltet sind, dass sie von den Unternehmen mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand ausgefüllt werden können. Nur die Zeit und die Praxis werden zeigen, ob wir unser Ziel erreichen konnten. Deshalb muss das Parlament im Rahmen des neuen Komitologieverfahrens zu allen Änderungen, die die Kommission am System vornehmen will, konsultiert und informiert werden.
Außerdem möchte ich der britischen Ratspräsidentschaft und insbesondere Frau Ministerin Baroness Ashton meinen Dank aussprechen, die entscheidend mitgeholfen hat, dass wir bei der eindeutigen Formulierung dieser Rechtsvorschrift vorankamen.
Herr Kommissar, in der zweiten Lesung geht es jetzt also um die letzten Detailfragen. Frau Wallis fordert die Kommission eindringlich auf, sich ernsthaft mit der möglichen Diskriminierung von Bürgern und Unternehmen zu befassen, die daraus erwachsen könnte, dass EWR-Mitglieder zwar am Binnenmarkt teilhaben, sich aber nicht dem Europäischen Mahnverfahren anschließen können. Ich hoffe, die Kommission wird sich mit dieser Frage auseinandersetzen.
Die Formulare sollten benutzerfreundlich und übersichtlich gestaltet sein, und deshalb bitten wir die Kommission, unseren Änderungsantrag zu dieser Frage zu übernehmen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir seit Beginn dieses Verfahrens vor einem Jahr und seit dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag mittlerweile über eine neue interinstitutionelle Vereinbarung verfügen, die seit Juli 2006 gilt. Der Ausschuss und das Parlament fordern, dass die neuen Regelungskontrollen und –vorschriften in dieser Rechtsvorschrift und im Rahmen des Mahnverfahrens eingehalten werden.
Herr Kommissar, ich kann gar nicht sagen, wie sehr wir in dieser Frage die Zusammenarbeit mit Ihren Referaten geschätzt haben. Ich hoffe, dass wir gemeinsam mit der finnischen Ratspräsidentschaft das Europäische Mahnverfahren verabschieden und dann in allen Mitgliedstaaten der Union mit seiner Umsetzung in nationales Recht beginnen können, damit Unternehmen und Bürger bei ihren Geschäften auf dem Binnenmarkt darauf vertrauen können, dass die Eintreibung von Forderungen keine endlosen und ergebnislosen Gerichtsverfahren nach sich zieht. Dank der Europäischen Union verfügen wir nun über ein einfaches und benutzerfreundliches System für die rasche Eintreibung von Forderungen, das meines Erachtens den Binnenmarkt für KMU vorantreiben und der EU-Wirtschaft einen neuen Impuls verleihen wird.
Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich der Berichterstatterin, Frau McCarthy, meinen herzlichen Dank für ihre Arbeit und für ihre Bemühungen aussprechen, dieses Vorhaben, das unseren Bürgerinnen und Bürgern sehr am Herzen liegt, zu einem zufrieden stellenden Abschluss zu bringen.
Wie auch die Berichterstatterin möchte ich dem ehemaligen britischen Ratsvorsitz und insbesondere Baroness Ashton für ihren Beitrag zum Fortgang dieses wichtigen Vorhabens danken.
Wie Sie wissen, soll mit dieser Verordnung über das Europäische Mahnverfahren die Beitreibung unzähliger unbestrittener Forderungen in Europa erleichtert werden. Deshalb ist es sehr wichtig, denn es wird alle Gläubiger in Europa in die Lage versetzen, ihre Forderungen auf einheitlichem Wege sowie rascher und kostengünstiger als im Rahmen herkömmlicher Gerichtsverfahren einzutreiben. Zudem werden auf diese Weise die Gerichte entlastet, denn Forderungen, deren Rechtmäßigkeit der Schuldner nicht bestreitet, sind nicht mehr Gegenstand ordentlicher Verfahren.
Der Vorschlag betrifft potenziell alle Bürger und Wirtschaftsakteure in Europa. Ein Europäischer Zahlungsbefehl kann überall in Europa zur Anwendung kommen und wird automatisch vollstreckt. Es ist daher nicht notwendig, im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Vollstreckbarerklärung – Exequatur – zu beantragen.
Bei den Änderungsanträgen kann ich den dritten Antrag wie vorliegend annehmen. Beim zweiten Änderungsantrag kann ich die Kompromissänderung zum Komitologieverfahren akzeptieren, die mit dem im Juli 2006 verabschiedeten Ratsbeschluss in Einklang steht. Beim ersten Änderungsantrag kann ich zwar den Beweggrund und die Bedenken des Ausschusses nachvollziehen, aber ich glaube, wir sollten in dieser Phase das Thema der Definition einer grenzüberschreitenden Rechtssache nicht erneut auf den Tisch bringen, weil der Rat und das Europäische Parlament sie in erster Lesung angenommen haben. Gleichzeitig kann ich bestätigen, dass die Kommission gewillt ist, sich ausführlicher mit den Folgen der Verordnung für in Drittstaaten und insbesondere in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums ansässige Unternehmen zu befassen. Ich bin bereit, alle Vorschläge sorgfältig zu prüfen.
Rainer Wieland, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Frau McCarthy, die Berichterstatterin, hat im Wesentlichen die Bedeutung für die Wirtschaft erörtert.
Dieses europäische Mahnverfahren stellt einen wesentlichen Fortschritt im Bereich der grenzüberschreitenden Rechtsanwendung dar, insbesondere einen Fortschritt für die Wirtschaft, die ein besonderes Interesse daran hat, dass rasch festgestellt wird, ob Forderungen zu Recht bestehen, dass ein Titel schnell ausgestellt wird und dass auch im Lande des Schuldners dieser Anspruch ohne weitere kostenaufwendige Schritte vollstreckbar ist. Aber – und darauf will ich mein Hauptaugenmerk legen – die grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen werden auch für Privatleute zunehmend Bedeutung erlangen. Für Privatleute ist es besonders schwierig, grenzüberscheitend Ansprüche geltend zu machen, unabhängig davon, ob diese nun bestritten sind oder nicht.
Wir haben es heute mit unbestrittenen Forderungen zu tun. Deshalb ist dieser erste Schritt wichtig. Insbesondere Privatleute, für die die rechtliche Geltendmachung von Forderungen ohnehin kompliziert ist, haben große Probleme bei grenzüberschreitenden Forderungen. Für sie wird das jetzige Instrument erleichternd wirken. Durch ein Formular, das auch ein Privatmann ausfüllen kann, wird es möglich, ohne großen Kostenaufwand und relativ einfach Ansprüche geltend zu machen.
Ein weiterer Aspekt: Es wird immer von der Wirtschaft, von den Gläubigern gesprochen, doch zu wenig von den Schuldnern. Wir haben in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – unter anderem in meinem Mitgliedsland – Systeme eingeführt, die die Titulierung solcher Ansprüche auch für den Schuldner ausgesprochen kostengünstig werden lassen. Der Schuldner, der bereit, aber möglicherweise nicht in der Lage ist zu bezahlen, kann mit dem Gläubiger, der ein Interesse daran hat, die Verjährung durch den Titel außer Kraft setzen zu lassen, eine vernünftige Ratenzahlung vereinbaren, und es werden somit weniger Kosten anfallen, weil kein strittiges Verfahren stattgefunden hat.
Deshalb liegt es im Interesse aller Beteiligten, dass wir ein schnelles, effizientes und kostengünstiges grenzüberschreitendes Verfahren einführen.
Andrzej Jan Szejna, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Zahlungsverzug ist die Hauptursache für Insolvenz, die vor allem die Existenz von kleinen und mittleren Unternehmen bedroht. Er gefährdet die Geschäftstätigkeit und Zahlungsfähigkeit dieser Unternehmen, was oft zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze führt. Deshalb ist – sofern kein Rechtsstreit anhängig ist – ein rascher und wirksamer Forderungseinzug für die Unternehmen in der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung. Dies kann zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen.
Die Mitgliedstaaten haben versucht, das Problem des massenhaften Forderungseinzugs bei unstreitigen Forderungen im Prinzip dadurch zu lösen, dass sie die Mahnverfahren vereinfachten. Dabei gibt es jedoch beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und im Ablauf der einzelnen Verfahren. So ist es durchaus möglich, dass solche Verfahren in grenzüberschreitenden Rechtssachen nicht zulässig sind oder nicht durchgeführt werden können. Es ist deshalb angeraten, die vorgeschlagene Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens zu befürworten.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.
23. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll