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Ausführliche Sitzungsberichte
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Dienstag, 24. Oktober 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
 3. Beschluss über die Dringlichkeit
 4. Gedenken an den Ungarnaufstand 1956
 5. Brustkrebs (Aussprache)
 6. Förderprogramm für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (Aussprache)
 7. Kultur-Programm (2007-2013) (Aussprache)
 8. Abstimmungsstunde
  8.1. UN/ECE-Regelung: Zulassung für Fahrzeuge der Klassen M2 oder M3 hinsichtlich ihrer allgemeinen Konstruktionsmerkmale (Abstimmung)
  8.2. Beitritt von Bulgarien und Rumänien: Einstellung von Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Abstimmung)
  8.3. Änderung der Satzung des gemeinsamen Unternehmens Galileo (Abstimmung)
  8.4. Finanzielle Beteiligung Norwegens an den Arbeiten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (Abstimmung)
  8.5. Antrag auf Aufhebung der Immunität von Bogdan Golik (Abstimmung)
  8.6. Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Mario Borghezio (Abstimmung)
  8.7. Berichtigungshaushaltsplan 3/2006 (Abstimmung)
  8.8. Berichtigungshaushaltsplan 5/2006 (Abstimmung)
  8.9. Strategische Partnerschaft EU/Südafrika (Abstimmung)
  8.10. Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE+) (Abstimmung)
  8.11. Förderprogramm für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (Abstimmung)
  8.12. Kultur-Programm (2007-2013) (Abstimmung)
  8.13. Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Abstimmung)
  8.14. Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Transparenzrichtlinie (Abstimmung)
  8.15. Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Prospektrichtlinie (Abstimmung)
  8.16. Zuwanderung von Frauen: Rolle und Stellung der Migrantinnen in der EU (Abstimmung)
  8.17. Einziehung von Gemeinschaftsmitteln (Abstimmung)
 9. Stimmerklärungen
 10. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
 11. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 12. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
 13. Begrüßung
 14. Haushaltsplan 2007: Einzelplan III – Kommission – Haushaltsplan 2007: Einzelpläne I, II, IV, V, VI, VII und VIII
 15. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll
 16. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
 17. Programm „Jugend in Aktion“ (2007-2013) (Aussprache)
 18. Integriertes Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens (Aussprache)
 19. Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ (2007-2013) (Aussprache)
 20. Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Perfluorooctansulfonaten (Aussprache)
 21. Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft (2004) (Aussprache)
 22. Tagesordnung der nächsten Tagung: siehe Protokoll
 23. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr eröffnet.)

 
  
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  Der Präsident. – Herr Carnero González, Sie bitten um das Wort. Ich nehme an, es handelt sich um eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Auf welchen Artikel der Geschäftsordnung berufen Sie sich?

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE).(ES) Ja, Herr Präsident, ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Medien berichten, heute Morgen sei im Gaza-Streifen ein europäischer Bürger spanischer Staatsangehörigkeit, Herr Emilio Morenatti, durch eine Gruppe bewaffneter Männer entführt worden. Ich möchte Sie bitten, den Ratsvorsitz und die Kommission zu ersuchen, alles in ihren Kräften Stehende zu tun ....

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Der Präsident. Das ist keine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Ich verstehe Ihre Sorge, aber die Geschäftsordnung muss eingehalten werden. Ich nehme zur Kenntnis, was Sie sagen, danke.

 

2. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll

3. Beschluss über die Dringlichkeit
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  Der Präsident. Der Rat beantragt die Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens auf den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 639/2004 zur Steuerung der Flottenkapazität der in Gebieten in äußerster Randlage registrierten Fangflotten (KOM(2006)0433 – C6-0295/2006 – 2006/0148(CNS)).

Wer möchte im Namen des Fischereiausschusses sprechen?

 
  
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  Rosa Miguélez Ramos (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich ergreife das Wort im Namen des Fischereiausschusses in Abwesenheit seines Vorsitzenden, Herrn Morillon, um diesen Antrag des Rates auf Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens zu unterstützen. Wir sprechen, wie Sie sagten und wie die Kommission vorschlägt, über die Annahme der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 639/2004 zur Steuerung der Fangflotten.

Die Lage des Fischereisektors in den Gebieten in äußerster Randlage ist aus struktureller Sicht bedenklich. Die Annahme der Verordnung über den Europäischen Fischereifonds durch den Rat wurde von einer gemeinsamen Erklärung des Rates und der Kommission zur Unterstützung dieser Regionen begleitet, wobei die Ausnahmeregelungen für die Möglichkeit der Gewährung staatlicher Beihilfen für die Erneuerung der in diesen Gebieten registrierten Fangflotten bis zum 31. Dezember 2006 verlängert wurden.

Obwohl die Frist in nur zwei Monaten endet, konnte die Verordnung noch nicht in Kraft treten, da der Prozess zur Annahme von Entscheidungen im Gemeinschaftsrecht nur langsam verläuft. Unser Ausschuss ist für die Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens und drängt die Kommission und die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um zu sichern, dass der Sektor die Beihilfen ohne Verzug erhalten kann.

 
  
  

(Das Parlament beschließt die Dringlichkeit.)

 
  
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  Der Präsident. – Dieser Punkt ist damit in die Abstimmungsstunde am kommenden Donnerstag um 11.30 Uhr aufgenommen, und die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen endet morgen, Mittwoch, um 10.00 Uhr.

 

4. Gedenken an den Ungarnaufstand 1956
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  Der Präsident. Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt, und zwar stehend, eine Erklärung über die „Ungarische Revolution“ vom Oktober 1956 abgeben.

Vor einem halben Jahrhundert erhob sich das ungarische Volk gegen die kommunistische Diktatur und gegen die Besatzung durch eine ausländische Macht.

Am 23. Oktober 1956 gingen die ungarischen Studenten auf die Straßen von Budapest, um gegen die kommunistische Regierung zu protestieren, und sehr schnell schlossen sich ihnen Bürger aller Berufe und Sektoren der Gesellschaft an.

Lassen Sie mich sagen, dass dies meine erste Kindheitserinnerung an die Politik ist. In jener Zeit waren die Nachrichten in meinem Land voll vom Widerstand des ungarischen Volkes. Ich weiß noch, dass uns unser Lehrer in der Schule auf einer Landkarte erläuterte, wo die Ereignisse stattfanden, ich erinnere mich an die Stimmen im Radio und die Fotos in den Zeitungen von ausgebrannten T-34-Panzern im Zentrum von Budapest. So habe ich zum ersten Mal den Begriff des Freiheitskampfes erlebt.

Zwei Wochen hindurch gab es Hoffnung; dann schwiegen die Rundfunksender und es trat eine völlige Stille ein, und hinter dieser Stille wurden tausende ermordet und hunderte wurden des Landes verwiesen. Eine Weile hatten die Aufständischen in Budapest gehofft, dass ihnen der freie Westen zu Hilfe kommen würde. Er tat es nicht. Über eine bestimmte Zeit wurden sie in dem Glauben gelassen, er würde es tun.

Wir sahen als machtlose Zuschauer zu, wie tausende Ungarn, Männer, Frauen und Kinder, aus ihrem Land flohen und im Westen Zuflucht suchten. Es war eine unbeschreibliche Tragödie für das ungarische Volk, aber es war auch der erste Riss im Panzer des Sowjetsystems – ein Riss, der wachsen und später zum Fall der Berliner Mauer führen würde – und es war ohne Zweifel ein großartiger Moment in der Geschichte jenes Landes.

Damals, Ende Juni, fand in Polen die Erhebung von Posen statt, mit den Arbeitern des Cegielski-Werkes, die „Brot und Freiheit“ forderten, es war ein weiterer wichtiger Meilenstein jenes Aufruhrs. Diese Ereignisse standen zweifellos miteinander in Verbindung. Tatsächlich erklärte der ungarische Präsident, Laszlo Sólyom, bei der diesjährigen Feier zum Gedenken an die Ereignisse 1956 in Posen, dass „Posen und Ungarn sich gemeinsam gegen die sowjetische Besatzung erhoben hatten. Am 24. Oktober 1956 gingen die Ungarn mit Plakaten auf die Straße, auf denen ,Posen-Warschau-Budapest‘ zu lesen war“.

Dies war eine Inspiration für die späteren Ereignisse, wenngleich es lange dauerte, bis sie eintraten. Es dauerte lange bis zum Frühling in Prag 1968. Es dauerte lange bis zu den Streiks in Polen 1970, die zehn Jahre später zur Anerkennung von Solidarnosc führten, die den Anschub für den Fall der Mauer gab.

Die Geschichte wiederholte sich 1989. Ungarn und Polen legten den Grundstein für die Wiedervereinigung des Kontinents, und dies ist, wie ich meine, ein guter Zeitpunkt, um aus der Rede von Albert Camus im Jahre 1957 aus Anlass des ersten Jahrestags der ungarischen Revolution zu zitieren.

Camus sagte: „Besiegt und in Fesseln geschlagen, hat Ungarn mehr für Freiheit und Recht geleistet als irgend eine andere Nation während der letzten zwanzig Jahre […]. In der Vereinsamung, in die Europa heute geraten ist, gibt es nur eines, den Ungarn die Treue zu halten: nie und nirgends in der Welt die Werte zu verraten, für die die ungarischen Kämpfer gefallen sind, und auch nie und nirgends, wäre es auch nur indirekt, das gelten zu lassen, was sie gemordet hat. Sich solcher Opfer würdig zu erweisen, fällt nicht leicht. Aber wir müssen es versuchen, müssen in einem endlich vereinigten Europa unsere Anstrengungen vervielfältigen, müssen unsere Streitereien vergessen und unsere Irrtümer beseitigen.“

Ein wiedervereinigtes Europa ist heute bereit, neue Fortschritte zu erringen und den europäischen Geist noch stärker zu verbreiten, um damit zur Schaffung einer Welt beizutragen, in der unsere Aktionen von den Grundsätzen von Freiheit, Solidarität und Fortschritt getragen werden.

Dies sind wir jenen schuldig, die für ihren Glauben an ein freies Europa ihr Leben gegeben haben.

(Beifall)

 
  
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  Hans-Gert Poettering, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gedenken heute des Aufstands der Bevölkerung Ungarns vor 50 Jahren, als die Menschen sich verzweifelt gegen eine totalitäre Diktatur erhoben. Wir gedenken heute der Ereignisse im Herbst 1956, weil sie es für uns alle getan haben. Sie haben der Idee der Freiheit, des Rechts und der Demokratie Ehre erwiesen. Sie haben die Würde des Menschen verteidigt und gestärkt. Sie haben noch dort Würde gezeigt, wo sie von Panzern überrollt wurden. Sie sind für uns alle geflohen, haben für uns alle gelitten und damit für uns alle über Jahre und Jahrzehnte die Erinnerung wachgehalten.

Die Helden der ungarischen Revolution sind unsere gemeinsamen Helden. Es sind Helden Europas. Ihrer gedenken wir heute, weil wir ihrem Vermächtnis verpflichtet sind. Ihr Werk ehren wir, weil wir in dem Versprechen miteinander — besonders hier im Europäischen Parlament — verbunden sind, dass es nie wieder eine solche Herausforderung an die Freiheit und Menschenwürde in Europa geben darf. Ihr Leben steht wie ein Relief vor uns, das die Größe demonstriert, zu der wir Menschen befähigt sind, wenn wir gezwungen werden, die Werte und die Würde Europas zu verteidigen. Wir verneigen uns vor ihnen.

Was mit der ersten Großdemonstration in Budapest am 23. Oktober 1956 begann und mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen am 4. November 1956 endete, war eine Revolution der Freiheit. Zu Recht sprachen schon die Beteiligten des ungarischen Volksaufstandes von der Revolution, von forradalom. Zu Unrecht wurden sie damals von den kommunistischen Machthabern einer Konterrevolution bezichtigt, der ellenforradalom. Der Unterschied ist nicht nur der eines kleinen Wortteils in der ungarischen Sprache. Der Unterschied ist riesengroß. Es ist der Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit.

Die Menschen in Ungarn handelten für unsere Werte in Europa, denn die Freiheit, für die die Helden des ungarischen Volksaufstandes 1956 stritten und starben, ist Teil der europäischen Identität. Unsere Ziele sind die Ziele der Menschen damals in Ungarn. Nichts könnte die Strahlkraft besser verdeutlichen als die Tatsache, dass wir heute des ungarischen Volksaufstandes 1956 gedenken und frei gewählte Vertreter Ungarns hier im Europäischen Parlament haben. Für mich bleibt das das Wunder meiner Generation. Ungarns Freiheit ist Europas Freiheit geworden, und Europas Freiheit bleibt Garant für Ungarns Freiheit.

Lassen Sie mich gerade wegen der Ereignisse heute in Budapest und in Ungarn den ungarischen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen meine große Anerkennung bezeugen, dass sie es ermöglicht haben, dass wir uns auf einen gemeinsamen Text, eine gemeinsame Entschließung verständigt haben. Das zeigt uns, dass wir über den tagespolitischen Streit hinaus gemeinsame Grundsätze haben, die uns verbinden.

Meine Bitte ist, dass bei den Auseinandersetzungen in Budapest keine Seite unverhältnismäßig vorgeht, dass man auf Demonstrationen nicht unverhältnismäßig antwortet, denn wir sind durch gemeinsame Werte, die Werte der Freiheit, verbunden. Das verbindet uns mit dem Jahr 1956, und das verbindet uns auch in diesem Jahr 2006. Lassen Sie uns bei allem Streit immer diese Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Jahrestag, an den wir heute erinnern – den Jahrestag des Aufstands der Ungarn gegen die sowjetischen Unterdrücker in ihrem Land –, und dem Jahrestag, den wir im Frühjahr des kommenden Jahres begehen werden, nämlich dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge.

In zeitlicher Nähe fanden diese Ereignisse statt, und beiden wohnt der gleiche Geist inne. Die Römischen Verträge waren geprägt vom Geist der Freiheit und des Zusammenhalts der Völker in Freiheit. Genau das war auch der Geist des Aufstands in Ungarn. Die Ungarn wollten heraus aus einem Zwangssystem, sie wollten ihre eigene Souveränität, ihre Souveränität als freies Volk. Die mussten sie erkämpfen und erstreiten gegen eine Macht, die ihnen dieses Recht nehmen wollte.

Fünfzig Jahre danach denken wir an diese Männer und Frauen, die sich dieses Recht herausnahmen, das wir als Europäische Union heute jedem Volk garantieren, nämlich in Freiheit und Selbstbestimmung in der demokratischen Völkergemeinschaft leben zu können. Die Männer und Frauen, die sich dieses Recht gegen ihre Unterdrücker erkämpfen mussten, sind wahre Helden der europäischen Geschichte. Denn sie hatten keine Waffen, sie konnten sich nicht gegen eine Armee wehren, sie haben sich mit ihren bloßen Händen und mit aufgerissener Brust – wir kennen diese Bilder – gegen die Panzer gestellt.

Der Mut dieser Männer und Frauen ist bewundernswert. Ich finde, dieser Mut und diese Haltung, die wir ja – mein Vorredner und Sie, Herr Präsident, haben es erwähnt – nicht nur in Ungarn gefunden haben, sondern auch in Polen und zwölf Jahre später auch in der Tschechoslowakei, dieser Mut ist auch ein Stück des Erbes Europas. Denn er zeigt, dass auf diesem Kontinent Frauen und Männer immer auch bereit waren, ihr Leben für die Freiheit einzusetzen. Der Mut dieser Männer und Frauen gehört zum Besten, was Ungarn Europa zu geben hat; er gehört auch zum Besten, was wir Europäer zu bewahren haben.

Ich glaube, dass der spätere Fall der Mauer, die Möglichkeit, diese Mauer niederzureißen, den Eisernen Vorhang zu überwinden, in dem Mut dieser Tage angelegt war. Denn eines ist völlig klar: So bitter jede Unterdrückung ist, so schmerzlich jede Diktatur ist, keine ist auf Dauer. Keine Unterdrückung wird auf Dauer den Freiheitswillen eines Volkes, den Freiheitswillen der Menschen niederhalten können. Noch jede Diktatur in der Geschichte der Menschheit ist irgendwann gescheitert. So wie die kommunistische, die stalinistische Diktatur gescheitert ist, werden auch andere Diktaturen auf dieser Welt scheitern. Das heißt, der Mut der Männer und Frauen in Ungarn vor fünfzig Jahren ist der Mut von Männern und Frauen in anderen Teilen dieser Welt, die sich heute gegen die Unterdrückung dort stellen. Dieser Kampf ist also ein kontinuierlicher, er geht weiter.

Wenn wir am fünfzigsten Jahrestag daran erinnern, dann erinnern wir auch daran, dass es den Ungarn gelungen ist, nachdem sie ihre Demokratie und ihre Freiheit in ihrem Lande geschaffen hatten, aus dem Akt, der sie in den Ostblock zwang, einen Akt der Freiheit zu machen und in freier Selbstbestimmung in die Europäische Union einzutreten. Gerade das ist ein völlig anderes Konzept: in freier Selbstbestimmung sich einer internationalen Gemeinschaft freiwillig anzuschließen, statt unter Zwang einer Zwangsgemeinschaft unterworfen zu werden. Das genau ist der riesige Fortschritt, den wir in diesen fünfzig Jahren in Europa gemacht haben.

Dieser Aufstand fand statt, als ich ein ganz kleines Baby war, zehn Monate alt. Ich war 1956 ein Kind. Dass ich mein Leben in Freiheit leben konnte, ist ein enormes Privileg, das ich den Ungarinnen und Ungarn meiner Generation voraushabe. Ich bin dafür dankbar. Aber ich freue mich umso mehr, dass wir in dieser Zeit meines Lebens als Europäer, die wir in Westeuropa in Freiheit geboren sind, mit denen, die in Unterdrückung geboren wurden, heute in unserer Union gemeinsam leben können. Etwas Schöneres hätte es als Geschenk für meine Generation hier und in Ungarn nicht geben können!

(Beifall)

 
  
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  Bronisław Geremek, im Namen der ALDE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Freunde! Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa erweist der ungarischen Revolution von 1956 die Ehre, würdigt den Mut und die Entschlossenheit des ungarischen Volkes im Kampf um die Freiheit, gedenkt der Opfer der Repression und der Leiden eines ganzen Volkes.

1956 ist ein Schlüsseldatum in der neueren Geschichte Europas. Im Juni 1956 wurde, wie Sie, Herr Präsident, in Erinnerung gerufen haben, der Aufstand der polnischen Arbeiter in Poznan blutig niedergeschlagen. Die Liberalisierung des Regimes, zu der es in Polen im Oktober 1956 kam, war nur von kurzer Dauer. Jenes Jahr war durch die Ereignisse in Ungarn gekennzeichnet. Die ungarische Revolution war eine Volksrevolution, eine nationale und antikommunistische Revolution. Die Sowjetarmee hat sie mitleidslos niedergewalzt. Die Straßen von Budapest waren Schauplatz einer blutigen Repression, und in Ungarn hielten Terror und Unterdrückung für lange Zeit Einzug.

Wir begehen heute diesen Jahrestag, ohne die Begleichung offener Rechnungen aus der Vergangenheit anzustreben. Um aber diese Ereignisse in die Annalen der europäischen Freiheit einzuschreiben und um sich als Gemeinschaft fühlen zu können, braucht die Europäische Union das gemeinsame Gedächtnis. Der Heldenmut der Männer und Frauen von 1956 darf nicht der Vergessenheit anheim fallen. Wir müssen das Gedächtnis an Imre Nagy bewahren, jenen Kommunisten, der zum Protagonisten der antikommunistischen Revolution wurde und heimlich und feige ermordet wurde. Wir müssen das Gedächtnis an István Bibó bewahren, jenen bewundernswerten Vordenker und Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie, der ins Gefängnis geworfen und bis zum Ende seiner Tage zum Schweigen verdammt wurde.

Es darf nicht vergessen werden, dass Europa dem Drama von 1956 zwar empört, aber doch schweigend und ohnmächtig zugesehen hat. Das ist eine Lehre für das Europa von heute und von morgen. Es muss stark, geeint, solidarisch sein. Es muss seine Daseinsberechtigung in der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschen- und Völkerrechte finden. Und Ungarn sollten wir heute wünschen, dass das ungarische Volk und seine Führer aus dem Mut von 1956 die Kraft schöpfen, um die notwendige Weisheit aufzubringen, das Gemeinwohl und das gemeinsame Interesse über die politischen Kontroversen zu stellen.

(Beifall)

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Es gibt in der Geschichte mehrere rote Fäden. Einen dieser roten Fäden greifen wir heute auf. Er nahm seinen Anfang am 17. Juni 1953 in Deutschland, lief dann 1956 über Polen und Ungarn und 1968 über die Tschechoslowakei, bis der Kommunismus endlich niedergeschlagen wurde.

Der Ungarn-Aufstand war ein Aufstand für Demokratie, es war ein nationaler, aber auch ein politischer Aufstand. Ich erinnere an den Petöfi-Kreis – die ungarischen Intellektuellen, die damals in Budapest und dann in ganz Ungarn zusammen mit den Arbeitern die Arbeiterräte gründeten. Es bestand die Hoffnung zu versuchen, Demokratie neu zu erfinden. Das ist 1956 in Ungarn geschehen!

Wenn wir heute, fünfzig Jahre danach, dieses Aufstandes gedenken, können wir gleich ein weiteres Gedenken anschließen, nämlich jenes der 100 Jahre seit der Geburt von Hannah Arendt. Denn sie war eine der Intellektuellen, die die Kraft gehabt haben, zwei Totalitarismen in einem Atemzug zu nennen, den kommunistischen und den faschistischen. Dies ist genau das, was uns die Geschichte lehrt: Die Demokratie haben wir nie für immer gepachtet. Wir werden sie nur erhalten, wenn wir tagtäglich für Demokratie kämpfen. Das zeigt uns das Polen von heute, das zeigt uns das Ungarn von heute, und das zeigt uns auch die gefährliche Entwicklung bei uns in Frankreich, wo es faschistische, rechtsradikale Kräfte gibt. Wir müssen immer für Demokratie einstehen und kämpfen!

Die Menschen in Ungarn und in Polen vor fünfzig Jahren sowie in der Tschechoslowakei von 1968, aber auch die Menschen bei uns, die gegen Faschismus gekämpft haben, haben uns gezeigt, dass man manchmal sein Leben für Demokratie und Freiheit einsetzen muss. Wir sollten diese Lehre beherzigen und keine Angst haben zu sagen, Totalitarismen – ob faschistische oder kommunistische – sind und bleiben Totalitarismen!

(Beifall)

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, einen weitgehend einhelligen Standpunkt meiner Fraktion zum Ausdruck zu bringen, wenn ich sage, dass auch ich der Auffassung bin, dass der Aufstand von 1956 in Ungarn zuerst und vor allem ein Volksaufstand für Freiheit und Unabhängigkeit war. Ich bin auch der Auffassung, dass die blutige Niederschlagung dieses Aufstands durch die Sowjetarmee rückhaltlos zu verurteilen ist. Schließlich teile ich die Einschätzung, dass diese ungarische Tragödie ein symbolträchtiges Ereignis war, denn sie erhellt das Wesen der existenziellen Krise eines Modells, das, da es unfähig war, sich grundlegend zu reformieren, 33 Jahre später verschwinden sollte.

Was wir hingegen nicht akzeptieren können, ist eine einseitige Lesart der neueren Geschichte, die die kommunistische Idee verteufelt. Um bei dem Beispiel Ungarns zu bleiben, möchte ich daran erinnern, dass hochrangige Kommunisten eine herausragende Rolle in der Bewegung zur Bekämpfung des dortigen Regimes gespielt haben. Es ist bekannt, welche Rolle Imre Nagy einnahm, der reformkommunistische Premierminister, der sein Engagement an der Seite der Aufständischen mit dem Leben bezahlt hat. Weniger bekannt ist, dass der berühmte Petöfi-Kreis, dessen Tätigkeit zu den auslösenden Faktoren der Bewegung gehörte, auf Initiative junger Kommunisten ins Leben gerufen wurde. Weiterhin könnte ich den Namen des großen kommunistischen Philosophen György Lukacs nennen, der sich ebenfalls in diesem Kampf um Reformen engagierte. Faktisch erhob sich während einer ganzen Periode eine kommunistisch inspirierte Protestwelle, deren Kritiken leider erstickt wurden. Die Geschichte wurde nicht im Voraus geschrieben, und das gilt auch heute noch.

Deshalb sollten wir, wo immer dies notwendig ist, die Verbrechen des Stalinismus verurteilen, ohne jedoch den Geist des kalten Krieges wiederzubeleben, der niemals und nirgendwo fruchtbar für die Freiheit und die Unabhängigkeit war. Das vereinigte Europa hat mehr zu gewinnen, wenn es sich entschlossen der Zukunft zuwendet.

(Beifall von links)

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über 2 500 Panzer gegen ein wehrloses Volk, 75 000 Soldaten der Roten Armee, Tausende von Opfern, mehr als 2 000 Menschen erschossen von der durch die Sowjets eingesetzten Kádár-Regierung, 12 000 Gefangene in die Gulags verschleppt, 200 000 Flüchtlinge: Das sind einige der erschreckenden Zahlen, die eine nationale Tragödie zusammenfassen, aber auch den Anfang vom Ende einer Partei und einer Macht, die nach den schmählichen und verhängnisvollen Abkommen von Jalta die Hälfte unseres Kontinents beherrschte.

Die ersten Anzeichen gab es 1953 in Berlin, gefolgt von dem Ruf nach Freiheit in Poznań, Polen, 1956. Stalin war seit drei Jahren tot, doch seine politischen Erben griffen trotzt Chruschtschows Bericht auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion im Februar 1956, der die unzähligen Verbrechen des georgischen Diktators entlarvte, auf repressive und verbrecherische Methoden zurück, da sie fürchteten, dass ihnen die Macht in Ungarn aus den Händen gleiten könnte.

Der Aufstand endete in einer schrecklichen Tragödie. Die Reformregierung von Imre Nagy wurde gestürzt und er selbst hingerichtet. Erst mit dem Untergang des Sowjetkommunismus war es schließlich möglich, die Opfer der damaligen Zeit zu rehabilitieren. Von den ungarischen Kommunisten und vom Kominform als „Pöbel“ bezeichnet, waren und bleiben sie doch in Wahrheit ein Sinnbild für die Menschenwürde, die von einer der gefühllosesten und brutalsten Diktaturen der Geschichte unterdrückt wurde. Diese unermessliche Tragödie muss uns heute an die Negativität einer Ideologie und einer politischen Praxis erinnern, die Millionen von Opfern in den Gebieten der Welt hinterließen, in denen das Regime errichtet wurde.

Einige von denen, die damals den Einsatz von Panzern und die Hinrichtungen rechtfertigten, üben heute Selbstkritik und sprechen wie immer von Fehlern. Sie sprechen allerdings nicht davon, dass sie die Ideen, die damals wie heute unweigerlich zu Diktatur und Unterdrückung führen, ablehnen würden. Doch nur die völlig offene Ablehnung und Verurteilung dieser Ideen kann uns eine freiheitliche Zukunft garantieren. Indem wir der Tragödie des ungarischen Herbstes gedenken, wissen wir die Union einmal mehr als Bollwerk gegen jede Erniedrigung der Würde des Menschen und der Völker zu schätzen.

Wir rufen außerdem in Erinnerung, dass es immer noch Regime gibt, die das Leben ihrer Bürger in einem eisernen Griff halten und eine Bedrohung für die freien Völker darstellen: die vielen Diktaturen in der Welt, von Nordkorea über Iran bis hin zu Kuba. Doch wir erinnern auch an die Gefahren der neuen Formen des Fundamentalismus. Möge sich der Westen nie wieder für das Schweigen entscheiden, und möge Europa ein Garant für Freiheit und Gerechtigkeit sein.

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Im Europäischen Parlament gedenken wir heute eines tragischen politischen Ereignisses, das sich vor 50 Jahren in Ungarn abspielte. Der Aufstand, der damals ausbrach und einige Tage später von sowjetischen Truppen brutal niedergeschlagen wurde, hat vielen in Westeuropa die Augen für die Gefahren der kommunistischen Ideologie unter dem Diktat von Moskau geöffnet. Die historische Bedeutung von Budapest 1956 geht weit über die lokale oder nationale Ebene hinaus.

Als 13-jähriger Schuljunge begriff ich nur, dass das geliebte Heimatland meiner Mutter einen heldenhaften Kampf um die leidenschaftlich ersehnte Freiheit führte. Die Bilder von Ministerpräsident Imre Nagy und General Pál Maléter sowie der Kampf gegen die russischen Panzer haben sich mir ins Gedächtnis eingegraben. Verzweifelt hofften wir – wider besseren Wissens – auf Unterstützung aus dem Westen. Wie fühlten wir mit den Opfern und den Flüchtlingen. Schon damals lehrten mich meine Eltern, dass Ungarn kein osteuropäisches, sondern ein mitteleuropäisches Land mit starken religiösen und kulturellen Banden zu Westeuropa ist.

Heute, 50 Jahre später, ist der Sowjetblock zusammengebrochen und gehören acht und bald schon zehn ehemalige Satellitenstaaten der Europäischen Union an. Was haben wir aus dieser wiedergewonnenen Freiheit gemacht? Der Nationalsozialismus wurde 1945 besiegt, der Kommunismus 45 Jahre später. Ist an deren Stelle etwas Positives getreten? Sind wir imstande, auf den Trümmern dieser Ideologien eine Gesellschaft der Toleranz, Verantwortlichkeit und Nächstenliebe aufzubauen? Geduld und Beharrlichkeit sind dazu vonnöten.

Da sich der Wiederaufbau in den Niederlanden nach fünf Jahren Besatzung über fünfzehn Jahre erstreckte, wird es möglicherweise einige Generationen dauern, bis alle Wunden einer 50-jährigen Unterdrückung geheilt sind. Möge das ungarische Volk den Mut und die Kraft aufbringen, um gemeinsam die Vergangenheit zu überwinden und geeint an einer Zukunft in Frieden und Freiheit zu arbeiten.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestages des antikommunistischen Aufstands lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Krise, die die sozialistische Regierung von Ferenc Gyurcsány gegenwärtig durchlebt. Die neue ungarische Elite hat die Revolution von 1956 und die kommunistischen Symbole wiederaufleben lassen, um den Liberalismus zu rechtfertigen.

Diese Strategie soll der gegenwärtigen Regierung angesichts ihrer Verbindung zur kommunistischen Intelligenz Legitimität verleihen und die Bevölkerung besänftigen, die die sozialen Auswirkungen des Liberalismus nun ernsthaft zu spüren beginnt. Denn Kommunismus läuft auf ein angeblich soziales Alibi für die Ausbeutung des Menschen hinaus, was heute noch durch China bewiesen wird.

Ungarn hat seinen Platz in der Europäischen Union, weil es durch seine Erfahrung aus dem Widerstand gegen den Totalitarismus ein neues politisches Verständnis und, wie 1956, seine allbekannte Fähigkeit, Hoffnung zu säen, mit einbringt.

Heute, bei den Protesten der extremen Rechten gegen Premierminister Ferenc Gyurcsány, der zugegeben hat, die wirtschaftliche Lage falsch dargestellt zu haben, um die Wahlen vom April zu gewinnen, demonstrierten 100 000 Menschen in Budapest anlässlich des 50. Jahrestags. Die Demonstranten gerieten Stunden lang auf den Straßen mit Polizisten aneinander, was zu Verhaftungen und Verletzungen führte. Die Anhänger der führenden rechten Oppositionspartei erheben für sich den Anspruch, die wahren Erben von 1956 zu sein.

Meiner Meinung nach geht es nicht darum, die Geschichte umzuschreiben, die jeder kennt bzw. die von den europäischen Sozialisten und Kommunisten nicht anerkannt wird. Man macht es sich zu einfach, wenn man an die Gefühle appelliert, indem man an die Körper der Männer, Frauen und Kinder erinnert, die unter den Schlägen der Sowjetunion im Namen des Kommunismus gefallen sind. Die italienischen Kommunisten, Ungarn und die kommunistischen Parteiführer stellten sich auf die Seite der UdSSR gegen die ungarischen Aufständischen. Der Generalsekretär der IKP, Palmiro Togliatti, und sein Nachfolger Luigi Longo bekundeten wiederholt, auch noch Jahre später, ihre Solidarität und zeigten sich zufrieden, dass die internationalistische Gerechtigkeit wiederhergestellt worden ist.

Der gegenwärtige Präsident der Italienischen Republik, Giorgio Napolitano, meldete sich in der Tageszeitung „L'Unità“ zu Wort und verurteilte die Revolutionäre als Banditen und gemeine Provokateure. 50 Jahre später, in seiner Autobiografie, nimmt er diese Erklärung nicht zurück, sondern erklärt lediglich, was jeder weiß, nämlich dass die Italienische Kommunistische Partei und der europäische Sozialismus im Ganzen damals untrennbar mit dem Schicksal des von der UdSSR geführten sozialistischen Lagers verbunden waren.

Wir sollten nicht so sehr die Großmachtbestrebungen der UdSSR verdammen, sondern strengstens all jene verurteilen, die sich damals begeistert entschlossen, den Einmarsch im Namen des kommunistischen und sozialistischen Internationalismus zu unterstützen.

 
  
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  Der Präsident. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL).(EL) Die Aussprache im Europäischen Parlament und die zum 50. Jahrestag des Ungarnaufstands eingereichten Entschließungsanträge stellen einen weiteren organisierten Versuch dar, die Geschichte umzuschreiben und den Antikommunismus anzuheizen.

Die Feiern von Vertretern des Kapitalismus und die Anwesenheit des Nato-Generalsekretärs, des Kommissionspräsidenten und anderer führender Repräsentanten des Imperialismus bei der Veranstaltung in Budapest sind der beste Beweis für die Ziele des Ungarnaufstands, der Sturz des sozialistischen Systems und die Wiederherstellung des Kapitalismus.

Darüber hinaus liefert die Veröffentlichung offizieller Dokumente, die die aktive Beteiligung von Imperialisten und die organisierte Unterstützung der revolutionären Kräfte beweisen, die beste Antwort an diejenigen, die den Charakter der Geschehnisse verfälschen, indem sie sie als Volksaufstand bezeichnen.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament, die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz rufen wie üblich und einander nachäffend nach Demokratie und Freiheit und versuchen damit, die kapitalistische Barbarei zu rechtfertigen und sie als einzig gangbaren Weg für die Völker darzustellen. Zugleich verbergen sie ihre Angst vor dem Sozialismus, was eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist.

Mit ihrem Standpunkt nehmen die linken Kräfte eine enorme politische Verantwortung auf sich. Obwohl sie um die untergrabende und aggressive Rolle des Imperialismus in den ehemaligen sozialistischen Ländern und ihre mörderische Rolle bei allen Volksbewegungen wissen, übernehmen sie unter dem Namen der „Objektivität“ die imperialistische Propaganda. Zu den Ereignissen stellen sie sich nicht klassenbewusst und verschaffen so dem Imperialismus ein Alibi.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Ich spreche mit großem Stolz im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens, einer kleinen Gruppe kompromissloser italienischer Sozialisten, die stets ihrem Weg treu geblieben sind und die Angebote derjenigen abgelehnt haben, die uns sowohl von rechts als auch von links zum Aufgeben aufgefordert haben.

Dieser rote Faden der Unabhängigkeit, der bis in unsere Tage reicht, hatte 1956 einen kritischen Moment: Damals verurteilte die Sozialistische Partei Italiens unter Pietro Nenni auf das Schärfste den Gewaltangriff der Kommunisten, die die Hoffnungen des ungarischen Volkes im Blut ertränkten und die Aufständischen niedermetzelten. Das war der Nationalaufstand eines stolzen Volkes, das nicht nur gegen das körperliche und seelische Leid ankämpfte, das ihm der Kommunismus zufügte, sondern auch gegen die politische und kulturelle Eintönigkeit, die die Traditionen, die Identität und den Patriotismus des ungarischen Volkes erstickt hatte. Wie die Tragödien der nachfolgenden Jahre beweisen, war es immer ein krasser Widerspruch, in einem Atemzug von Kommunismus und Freiheit zu sprechen: Die Mitglieder der Neuen Sozialistischen Partei Italiens werden nie müde werden, diese Wahrheit, die zu lange Zeit in Italien von der Kommunistischen Partei geleugnet wurde, zu wiederholen.

Deshalb ehren wir die 5 000 ungarischen Märtyrer, die sich der Ungerechtigkeit nicht beugten und bis zum Tode kämpften, um ihr Recht auf eine bessere Zukunft, auf eine Perspektive der Freiheit, der Demokratie und des Friedens geltend zu machen.

 
  
  

VORSITZ: DAGMAR ROTH-BEHRENDT
Vizepräsidentin

 

5. Brustkrebs (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt eine Aussprache über

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Wiedereingliederung von Brustkrebspatientinnen in den Arbeitsmarkt und Verwendung von Mitteln aus dem Sozialfonds zur Fortbildung von medizinischem Personal auf dem Gebiet der Brustkrebserkrankungen von Jan Andersson und Karin Jöns im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (O-0098/2006 – B6-0433/2006),

– die mündliche Anfrage an die Kommission über die Früherkennung und Behandlung von Brustkrebs in der erweiterten Europäischen Union von Karl-Heinz Florenz und Karin Jöns im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (O-0101/2006 – B6-0434/2006) und

– die mündliche Anfrage an die Kommission über Brustkrebs von Anna Záborská und Karin Jöns im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (O-0116/2006 – B6-0436/2006).

 
  
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  Karin Jöns (PSE), Verfasserin. – Frau Präsidentin, Herr Kommissar Špidla, Herr Kommissar Kyprianou, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich den Vorsitzenden der drei Ausschüsse, nämlich Anna Záborská, Karl-Heinz Florenz und Jan Andersson ganz herzlich für die wunderbare Zusammenarbeit bei der Vorbereitung dieser Debatte danken. Ebenso gilt mein Dank der Frau Präsidentin.

Vor drei Jahren stand Brustkrebs schon einmal auf der Tagesordnung, und heute geht es darum, eine erste Bilanz zu ziehen, und das scheint bitter nötig. In der EU-25 erkranken jedes Jahr 275 000 Frauen an Brustkrebs. Das Risiko, daran zu sterben, ist in einem Mitgliedstaat der EU doppelt so hoch wie in einem anderen. Verschärfend kommt hinzu, dass immer jüngere Frauen erkranken. Allein in den letzten Jahren hat sich die Zahl der unter 40-Jährigen verdoppelt. Nach wie vor ist Brustkrebs Todesursache Nummer eins bei Frauen zwischen 35 und 55.

Mich erschreckt aber auch, mit welcher Radikalität in vielen Mitgliedstaaten noch immer operiert wird. Selbst bei sehr früh entdecktem Krebs sind Brustamputationen in manchen Ländern eher die Regel als die Ausnahme. Dabei kann heute in 80 % der Fälle brusterhaltend operiert werden. Sie sehen also, der Fortschritt vollzieht sich nur im Schneckentempo. Das gilt umso mehr für die neuen Mitgliedstaaten, wo die Versäumnisse und Mängel in der gesamten Versorgungskette am dramatischsten sind. Dass die Strukturen aber nach wie vor unzureichend bis katastrophal sind, hat zumindest in den alten Mitgliedstaaten weniger mit Problemen der öffentlichen Haushalte zu tun als viel mehr mit den Wirtschafts- und Standesinteressen der Ärzte.

Fangen wir bei der Früherkennung an: Der Aufbau eines flächendeckenden Mammographie-Screenings nach EU-Leitlinien kostet die öffentliche Hand einmalig pro Bürger maximal 1,25 Euro! Uns will doch wohl in diesem Hause niemand weismachen, dass dieses Geld nicht vorhanden ist. Hätten wir ein EU-weites Mammographie-Screening, könnten wir pro Jahr 31 000 Frauen in der EU das Leben retten, zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen sowie die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten erheblich senken.

Bis heute aber gibt es erst in elf Staaten und längst nicht überall durchgehend qualitätsgesichertes Screening. Auch in Ihrem Land, Herr Špidla, muss Schluss damit sein, dass opportunistisches Screening als EU-Screening verkauft wird. Auch in Zypern, Herr Kyprianou, kommt der Aufbau leider nur sehr schleppend voran. Nun wissen wir Sie ja beide an unserer Seite. Trotzdem hätten wir den für das Frühjahr erwarteten Fortschrittsbericht der Kommission gerne bereits jetzt gehabt. Auch fordern wir Sie auf, verstärkt auf die Möglichkeit hinzuweisen, Strukturfondsgelder für den Aufbau eines Screenings zu nutzen.

Nun nützt aber die beste Früherkennung nichts, wenn die Anschlussbehandlung unzureichend oder falsch ist. Immer wieder wird Brustkrebs in Krankenhäusern operiert und behandelt, die kaum Erfahrung haben. Deshalb möchte ich der Kommission ausdrücklich für die EU-Leitlinien für Brustzentren danken, die wir seit letztem Jahr von Ihnen erhalten haben. Nun liegt der Ball aber bei den Mitgliedstaaten. Denn in der gesamten EU gibt es solche Zentren – man höre und staune – bislang nur im Vereinigten Königreich!

Deshalb werden wir heute in unserer Entschließung der Fraktionen auch fordern, dass die Mitgliedstaaten bis 2016 überall in ihren Ländern ausreichend Brustzentren aufbauen. Das ist bis 2016 durchaus machbar. EU-weit bräuchten wir rund 1 800 solcher Zentren. Dann hätte jede Frau die Chance, unabhängig von ihrem Wohnort die gleiche optimale Behandlung zu erfahren.

Um sicherzustellen, dass Brustzentren auch wirklich nach den EU-Kriterien arbeiten, dass sie wirklich nur eine Mindestzahl an Operationen von erstmals aufgetretenem Brustkrebs nachweisen, nämlich 150 pro Jahr in ein und demselben Zentrum, um sicherzustellen, dass die Spezialisten sich wirklich ausschließlich auf gut- und bösartige Erkrankungen der Brust spezialisiert haben und tatsächlich jeden Fall von Brustkrebs vor und nach der Operation interdisziplinär beraten, brauchen wir nun auch Leitlinien für die Zertifizierung von Brustzentren.

Hier werden wir Sie als Kommission auffordern, die Erarbeitung dieser Leitlinien wirklich zügig in die Wege zu leiten. Wir bitten Sie darüber hinaus, auch Leitlinien für das Berufsbild der Brustkrankenschwester entwickeln zu lassen, die als Lotse und Mittlerin zwischen Arzt und Patientin in diesen Zentren während der gesamten Behandlung einen sehr wichtigen Part übernehmen kann.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. Vielen Dank, Frau Jöns. Das ist ein sehr persönlicher Dank.

 
  
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  Jan Andersson (PSE), Verfasser. – (SV) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst Frau Jöns für ihr großes Engagement danken sowie dafür, dass sie diese außerordentlich wichtige Frage so gut bewältigt hat.

Wie Frau Jöns bereits unterstrichen hat, ist Brustkrebs die häufigste Krebsart bei Frauen und auch die Todesursache Nummer eins bei Frauen zwischen 35 und 59. Darüber hinaus wissen wir auch, dass Brustkrebs bei jüngeren Frauen an Häufigkeit zunimmt und dass die Chance, diese Krankheit zu entdecken, sich zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterscheidet, ebenso wie die Möglichkeiten für eine Mammographie. Von meinem Heimatland Schweden, wo seit Langem die Mammographie für Frauen bestimmter Altersgruppen angeboten wird, weiß ich, dass dies die Todesrate bei Frauen gesenkt hat und dass es wichtig ist, die Krankheit rechtzeitig zu erkennen, um die richtige Behandlung zu ermöglichen. Das alles macht die in den von Frau Jöns angesprochenen Entschließungen enthaltenen Maßnahmen so überaus wichtig.

An dieser Arbeit waren drei Ausschüsse beteiligt. Wir vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sind nicht primär für Gesundheitsfragen zuständig, aber für deren Verknüpfungen mit dem Arbeitsmarkt. Wir haben jetzt glücklicherweise einen Arbeitsmarkt, der Frauen einschließt und auf dem Frauen auch in zunehmendem Maße vertreten sind. In meinem eigenen Land ist die Erwerbsquote der Frauen ebenso hoch wie die der Männer.

Erkrankt man an einer so schweren Krankheit wie Brustkrebs, besteht ein ganz praktischer Aspekt der Behandlung darin, dass man Zeit für die Behandlung aufwenden muss. Manchmal kann die betroffene Frau im Arbeitsleben verbleiben, aber dann muss sie mit ihrem Arbeitgeber darüber sprechen können, welche Änderungen an ihrem Arbeitsplatz vorgenommen werden müssen, damit sie auch während der Behandlung weiterarbeiten kann. Es kann auch möglich sein, dass eine Frau eine gewisse Zeit lang sehr krank ist, sich ihr Gesundheitszustand durch die Behandlung aber bessert und sie wieder arbeiten kann. Dann ergibt sich die Frage, wie sie wieder in das Arbeitsleben integriert werden kann, so dass dies durch die Brustkrebsbehandlung nicht beeinträchtigt wird.

Die Beschäftigung mit diesen Fragen ist von großer Bedeutung für uns. Das ist der erste Aspekt, der den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten betrifft. Der zweite betrifft das Fachpersonal, das mit diesen Problemen konfrontiert ist. In der Forschung und Entwicklung sowie bei den Behandlungsmethoden für Brustkrebs werden ständig neue Fortschritte erzielt. Daher ist es wichtig, dass das medizinische Personal im Hinblick auf die neuen Verfahren ständig auf dem neuesten Stand ist. Wir verfügen auch über Instrumente auf europäischer Ebene – insbesondere im Rahmen des Sozialfonds –, um die Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Auch in diesem Bereich müssen wir den Sozialfonds für die Weiterbildung nutzen können, sodass das Personal stets die besten Methoden anwenden kann. Dies ist auch ein Bereich, für den der Lissabon-Prozess von Bedeutung ist. Denn bei ihm geht es ja um die besten Verfahren, was bedeutet, dass wir auf die Länder schauen, die am weitesten gekommen sind.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Frage anschneiden, über die ich auch mit der Kollegin Jöns gesprochen habe. Brustkrebs ist eine Krankheit, die Frauen betrifft, aber es ist auch von großem Gewicht, dass wir Männer uns für bessere Methoden einsetzen. Wir dürfen das Engagement für bessere Behandlungsverfahren für so genannte Frauenkrankheiten nicht nur den Frauen überlassen, sondern müssen uns alle beteiligen – Männer wie Frauen.

(Beifall)

 
  
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  Karl-Heinz Florenz (PPE-DE), Verfasser. – Frau Präsidentin! Herzlichen Dank, liebe Frau Kollegin Jöns, dass ich diese Anfrage mit unterschreiben durfte! Ich habe das sehr gerne getan, und zwar, weil mir in der Debatte aufgefallen ist, wie wenig ich bisher zu diesem Thema gehört habe. Als ich die diesbezüglichen Debatten verfolgte, dachte ich: Wie kleinmütig sind wir doch in Europa, mit welch einem Unsinn haben wir uns schon beschäftigt, und wie viele wichtige Fragen für diesen Kontinent haben wir offengelassen! Ich werde versuchen, bei diesem Thema mein politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, denn inhaltlich kann ich dem, was Frau Jöns und die anderen Kollegen gesagt haben, überhaupt nichts hinzufügen.

Ich appelliere an beide Kommissare: Sie sollten allen Mut aufbringen, um dieses Thema anzugehen, Sie sollten den Kleinmut des Rates bekämpfen! Denn der Rat hat häufig – ich habe das viel zu oft erlebt – kleinmütig gesagt: Das ist Subsidiarität, das ist nationale Aufgabe. Information, Kommunikation, das sind die Aufgaben der Zukunft, auch im Hinblick auf diese furchtbare Krankheit. Und deswegen die Bitte an beide Kommissare: Machen Sie all Ihre politische Kraft geltend, überzeugen Sie den Rat, stellen Sie Leitlinien auf!

Bedenken Sie doch einmal: Wir haben sogar Leitlinien zum Aufstellen von Leitern, aber wir haben keine Leitlinien, wie wir in Zukunft Brustkrebs, die wichtigste Krankheit auf diesem Kontinent, zu bekämpfen haben. Ich finde den Gedanken, das Berufsbild einer hochqualifizierten Krankenschwester zu entwickeln, außergewöhnlich gut und interessant. Ich sichere Ihnen meine volle Unterstützung zu!

(Beifall)

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE), Verfasserin. (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal sind wir zu einer Plenartagung zusammengekommen, um über ein Problem zu beraten, das sowohl die öffentliche Gesundheitspolitik als auch das Leben der Frauen und der Familien in unseren Wahlkreisen betrifft: das Thema Brustkrebs.

Bereits im Jahr 2003 hatte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter eine Anfrage zu diesem Thema an die Europäische Kommission gerichtet. Ihre Vorgängerin, Herr Kommissar, Frau Diamantopoulou, leitete die ersten Schritte ein, um den Forderungen des Europäischen Parlaments nachzukommen.

Heute bitten wir Sie, uns über die erzielten Fortschritte zu berichten. Die Reduzierung der Sterblichkeitsrate der an Brustkrebs erkrankten Frauen, die Verbesserung ihrer Lebensqualität, die Information der Frauen und ihrer Verbände, aber auch ihrer Angehörigen über das Risiko und die Behandlung von Brustkrebs – das sind die Anliegen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter.

In dieser Debatte sollten wir auch auf die Rolle der Männer eingehen. Die Ehemänner, die Familienväter und ihre Kinder sind ebenfalls von diesen Krankheiten betroffen, die speziell Frauenkrankheiten sind. Ich vergesse auch nicht die zahlreichen Eltern, deren Töchter an der Krankheit leiden und die ihnen Unterstützung gewähren.

Im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter befassen wir uns mit den verschiedenen Aspekten der Krankheit, um eines Tages ein brustkrebsfreies Europa zu erleben. Ich freue mich darüber, auf welch großes Interesse diese Frage innerhalb des Ausschusses stößt, und beglückwünsche meine Kolleginnen und Kollegen zu der ausgezeichneten Zusammenarbeit, die wirklich Würdigung verdient.

Der Brustkrebs ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit, das alle Frauen in der Europäischen Union angeht. Alle zwei Minuten wird ein Brustkrebs diagnostiziert. Alle sechs Minuten stirbt eine Frau daran. Diese Krankheit kennt keinen Unterschied nach Rasse, Religion oder Kultur.

Wir müssen ausnahmslos alle Gründe offen anerkennen, die zu Brustkrebs führen. Es wäre nützlich, die Zuwachsraten in den Mitgliedstaaten zu verfolgen, um zu einer schlüssigen Strategie zu gelangen. Alle Frauen müssen problemlos Zugang zu Diagnosemöglichkeiten und Behandlungen von hoher Qualität in einem frühen Stadium haben, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Sozialstatus oder ihrem Bildungsniveau. Auf diese Weise könnten Tausende von Leben gerettet werden. Dies wäre ein Beispiel für wirklich positive Diskriminierung. Es kommt jetzt darauf an, alle Frauen für dieses Krankheitsrisiko zu sensibilisieren und die Mittel für Prävention und Früherkennung von Brustkrebs in den Mitgliedstaaten zu erhöhen.

Meine Herren Kommissare, Sie wissen wie ich aus Erfahrung, dass die medizinischen Ausrüstungen für die Regionalkrankenhäuser in den neuen Mitgliedstaaten zu teuer sind. Die medizintechnische Industrie ist nicht bereit, finanzielle Zugeständnisse zu machen, sie ist zu sehr auf Profit bedacht. Ich bitte Sie trotzdem, ernsthaft die Möglichkeit einer Finanzierung der Brustkrebsprävention aus den Strukturfonds zu prüfen. Die Anstrengungen der Politiker, Ärzte und Wissenschaftler für die Entwicklung des Kooperationsnetzes in allen Mitgliedstaaten könnten es ermöglichen, einen gleichberechtigten Zugang zu Früherkennung und zu Behandlung zu gewährleisten. Nur dank einer solchen engen Zusammenarbeit wird es gelingen, den Brustkrebs über alle ideologischen Unterschiede und persönlichen Rivalitäten hinweg zu bekämpfen.

(Beifall)

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich danke dem Parlament dafür, dass es diese Aussprache zu Brustkrebs angesetzt hat. Die Detailliertheit der Anfragen zeigt ja die Breite der Aspekte, um die es hier geht. Ich werde nicht versuchen, auf jede Anfrage gesondert einzugehen; das wäre ein aussichtsloses Unterfangen angesichts meiner begrenzten Redezeit. Allerdings wäre ich sehr gern bereit, genauere Informationen zu einem späteren Zeitpunkt zu geben.

Ich werde mich deshalb auf drei zentrale Bereiche konzentrieren, doch zuerst möchte ich die Größenordnung der Problematik bestätigen, die ja bereits von vielen Rednern erwähnt wurde. Alljährlich wird bei 270 000 Frauen in der Europäischen Union Brustkrebs diagnostiziert. Das belastet ihr Leben und das Leben ihrer Familien, und es ist mit erheblichen medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Kosten verbunden.

Der erste Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte – und er kam bereits zu Sprache –, ist, wie weit wir seit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Juni 2003 gekommen sind. Es stimmt, dass in der Entschließung einige ehrgeizige Ziele gesetzt wurden, die die Mitgliedstaaten bis 2008 erreichen sollen, namentlich die Reduzierung der Mortalitätsrate um 25 % und eine Reduzierung der bestehenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei den Überlebenschancen auf 5 %. Zugegebenermaßen ist es zu früh, um genau zu wissen, wie weit man vorangekommen ist. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, der Kommission über die Lage bis Ende dieses Jahres Bericht zu erstatten, also drei Jahre nach Annahme der Ratsempfehlungen. Die Kommission wird darum 2007 einen Fortschrittsbericht erstellen. Ich kann Ihnen versichern, dass fehlende Informationen aus einigen Mitgliedstaaten die Erarbeitung des Berichts nicht verzögern werden. Vielmehr werden im Bericht die Mitgliedstaaten aufgeführt sein, die die Informationen nicht übermittelt haben.

Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass die Entschließung und andere Maßnahmen positive Wirkung zeigen und zu greifen beginnen. Wir rechnen mit Fortschritten in Bereichen wie dem Austausch bewährter Praxismodelle, um die Anwendung in verschiedenen Teilen der EU zu erleichtern, was zu einigen ganz deutlichen Reduzierungen bei der Brustkrebs-Mortalität geführt hat. Zusätzlich zur Vorlage der Ergebnisse bei der Mortalität werden wir hoffentlich auch über Daten verfügen, die uns ein klares Bild vom jeweiligen Zeitrahmen und den Entwicklungen bei den Unterschieden vermitteln.

Der zweite allgemeine Bereich, auf den ich kurz eingehen möchte, ist die Forschung. Brustkrebs wird eine große Rolle im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms spielen. Dabei wird es sowohl um die Erkennung der Krankheit als auch und vor allem um die Ursachen gehen, also wie man ihr vorbeugen kann.

Im Zusammenhang mit der Erkennung konzentriert sich die Forschung vorrangig auf die Verbesserung des Brustkrebs-Screenings und Alternativen zur konventionellen Mammographie, um die Früherkennung zu verbessern. Beispiele, die bereits mit dem Sechsten Rahmenprogramm gefördert wurden, sind die Mammographie mit molekularer Bildgebung oder die Anwendung der Positronenemissionstomographie (PET) speziell ausgelegt für die Brustkrebsuntersuchung. Die Früherkennung ist natürlich entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung, aber es handelt sich immer noch um eine Behandlung der Krankheit und nicht der Ursachen. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Arbeit zu den Ursachen von Krebs eine Priorität im Forschungsrahmenprogramm ist. Diese Arbeit wird die drei Schlüsselbereiche genetische Faktoren, Umwelt und Lebensstil umfassen.

Drittens der Aspekt der Kampagnen: Diese können eine sehr wichtige Rolle in Bereichen der Volksgesundheit spielen, um das Bewusstsein der Menschen, der öffentlichen Behörden und von Entscheidungsträgern sowie natürlich auch des medizinischen Personals für wesentliche Fragen zu schärfen. Sie versetzen nicht nur die Menschen in die Lage, sich selbst zu helfen und zu schützen, sondern setzen auch die Entscheidungsträger unter Druck, diesem Problem Vorrang zu geben, was ja nicht immer der Fall ist.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments von 2003 ist ein wirksamer Bestandteil einer laufenden Sensibilisierungskampagne. Die Sensibilisierung von Frauen für die Bedeutung des Screenings ist ein maßgeblicher Teil der europäischen Maßnahmen gegen Krebs. Solche Kampagnen können im Rahmen unseres Programms im Bereich der öffentlichen Gesundheit gefördert werden.

Schließlich und endlich sind wir uns alle einig, dass Brustkrebs auf der Tagesordnung stehen muss, und Beispiele für nachahmenswerte Praktiken zeigen ja, dass spürbare Ergebnisse erreicht werden können. Aber wir müssen verstehen, dass dies ein ständiger Prozess ist. Wir dürfen niemals selbstzufrieden werden, auch wenn die ersten Erfolge einiger dieser Bemühungen und Initiativen ermutigend sind. Gefragt ist ein geschlossenes und gemeinsames Vorgehen, insbesondere in den drei Bereichen, die ich gerade genannt habe.

Zugegebenermaßen sind natürlich die meisten dieser Maßnahmen vor allem für die Mitgliedstaaten, aber die Europäische Union kann und wird Hilfestellung geben, etwa im Falle der Forschung, wo immer es ihr möglich ist. Als Anhaltspunkt verweise ich auf die künftige Unterstützung für die Leitlinien für das Brustkrebs-Screening, die im Rahmen der laufenden und künftigen Gesundheitsprogramme, des Netzes des Europäischen Rates und des Netzes der Europäischen Union für Krebsinformationen in Europa weiterlaufen wird. Ein neues Vorhaben, das jetzt in die engere Wahl gekommen ist, liefert Antworten auf einige Fragen zur Erweiterung der Leitlinien. Die Leitlinien der Europäischen Union werden dahin gehend aktualisiert, dass sie nicht nur die Festlegung von Standards für Brustkrebskrankenschwestern, sondern auch die Spezifikation für spezielle Brustzentren betreffen. Sie werden die Standards, Prinzipien und Eckdaten vorgeben, nach denen die Mitgliedstaaten dann das Brustkrebs-Screening, die Brustkrebsausbildung und die Brustkrebsbehandlung auslegen müssen. Diese Initiativen werden auch dem in den neuen Mitgliedstaaten vorhandenen Informations- und Beratungsbedarf gerecht und sollen mithelfen, die entsprechenden Fachleute in die bestehenden Netze zu integrieren.

Wir dürfen nie vergessen, dass jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Frauen von solchen Maßnahmen abhängig sind. Sie und ihre Familien sind davon abhängig, dass wir und die Mitgliedstaaten einem so wichtigen und ernsten Problem Priorität geben. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen.

(Beifall)

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jeder hier im Saal weiß, welch enorme Belastung Brustkrebs für die Betroffenen darstellt. Wir alle wissen, wie sehr auch die Familien und den Betroffenen nahe stehende Personen unter dieser Diagnose leiden. Brustkrebs ist eine Krankheit, die das Leben eines Menschen auf den Kopf stellen kann. Die Behandlung ist anstrengend und langwierig, und in vielen Fällen können Betroffene weder arbeiten noch ein normales Leben führen. Mein Kollege, Herr Kyprianou, hat eben über Fragen der Gesundheit und der Prävention im Zusammenhang mit Brustkrebs gesprochen.

Ich möchte mich in meinem kurzen Beitrag auf die Wiedereingliederung von Brustkrebspatientinnen in den Arbeitsmarkt konzentrieren. Brustkrebs kann das Leben der Betroffenen vollkommen aus dem Gleichgewicht bringen. Das Leben verändert seine Richtung, und die Frauen sind auf derartige Veränderungen vielfach schlecht vorbereitet, obwohl sie in der Realität mit der Situation oftmals besser fertig werden als ihre Verwandten, Freunde, Kollegen und Arbeitgeber. Die Letztgenannten wissen häufig nicht, wie sie sich gegenüber Brustkrebspatientinnen verhalten sollen. Es gibt keine Standardsituation. Jeder einzelne Fall muss entsprechend den jeweiligen konkreten Bedingungen anders behandelt werden. Es gibt kaum Informationen oder Empfehlungen dazu, wie mit Brustkrebspatientinnen unter rechtlichen, arbeitsrechtlichen, gesundheitlichen oder psychologischen Gesichtspunkten umgegangen werden sollte.

Die Gemeinschaft sollte die Mechanismen zur Unterstützung von Brustkrebspatientinnen verbessern. Erfahrungen haben gezeigt, dass es für betroffene Frauen besser ist, weiter zu arbeiten, sofern sie natürlich physisch und psychisch dazu in der Lage sind. Um das Leben der Patientinnen während ihrer Krankheit zu verbessern, sollten Vorkehrungen für speziell abgestimmte Arbeits- und Urlaubszeiten getroffen und ihnen die Möglichkeit gegeben werden, zu Hause zu arbeiten. Das würde auch die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern und beschleunigen. Während der Behandlung sollten auch Arbeitgeber und Kollegen gezielt unterstützt werden. Sie sollten stets die Möglichkeit haben, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, und zu diesem Zweck sollten auch Informationskampagnen gestartet werden, die sich an Arbeitgeber und das Arbeitsumfeld im Allgemeinen wenden.

Wie ich bereits sagte, müssen Bedingungen geschaffen werden, die Frauen mit Brustkrebs eine rasche und erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Die speziell auf die Zeit der Behandlung abgestimmten Arbeitsbedingungen sollten vielleicht für einige Zeit nach der Behandlung beibehalten werden, um die Wiedereingliederung der Patientin zu unterstützen. Es darf zu keiner Diskriminierung von Brustkrebspatientinnen am Arbeitsplatz kommen. Die europäische Richtlinie von November 2000 gibt einen allgemeinen Rahmen für die gleichberechtigte Behandlung auf dem Arbeitsmarkt vor und verbietet die Diskriminierung aus Gründen der Behinderung. Es bleibt die Frage, ob lange Krankheiten als Behinderung eingestuft werden. Im Vereinigten Königreich beispielsweise wurde das Gesetz, das Diskriminierung von Behinderten verbietet, nach langwierigen Diskussionen über diese Problematik aktualisiert und sieht jetzt auch den Schutz von Krebspatienten vor Diskriminierung vor. Der Europäische Gerichtshof muss entscheiden, ob diese Auslegung auch auf die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung zutrifft.

In der EU-Gesetzgebung und insbesondere in Richtlinie 89/391 EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit heißt es u. a., dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, die Art der Arbeit auf den Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers abzustimmen. Damit sind implizit auch chronische und lange Krankheiten gemeint. Ich begrüße den Vorschlag zur Erarbeitung einer Charta zum Schutz chronisch kranker Menschen am Arbeitsplatz. Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Sozialpartner eine solche Charta in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auf nationaler Ebene entwickeln sollten.

Außer legislativen Instrumenten unterstützt die Kommission die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung im Bereich des Sozialschutzes. Investitionen in den Bereich Gesundheit zählen zu den Zielen der neuen Strukturfonds für den Zeitraum von 2007 bis 2013, und zwar vor allem in den Konvergenzregionen. Das Ziel besteht darin, dafür zu sorgen, dass Arbeitskräfte länger bei guter Gesundheit berufstätig sein und dass möglichst viele Menschen eine aktive Rolle in der Gesellschaft spielen können. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit sowohl der Gesundheitsinfrastruktur als auch der Ausbildung von medizinischem Personal, also einer Problematik, die in diesem Haus bereits erwähnt wurde. Maßnahmen in diesem Bereich umfassen die gesundheitliche Unterstützung, die Prävention von Krankheiten, den Wissensaustausch und die Ausbildung hoch qualifizierter Arbeitskräfte.

Verehrte Abgeordnete, das europäische Sozialmodell fußt auf dem Grundsatz der Solidarität mit den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft, für die wir moralische Verantwortung tragen. Brustkrebspatientinnen kämpfen nicht nur gegen den Brustkrebs, sie sind physisch und psychisch auf unsere Hilfe angewiesen. Sie brauchen Unterstützung; sie brauchen eine angemessene gesundheitliche Fürsorge; sie brauchen Schutz vor Diskriminierung; sie müssen unter den günstigsten Voraussetzungen wieder in das Arbeitsleben integriert werden.

Verehrte Abgeordnete, ich denke, Sie können in dieser Sache auf uns zählen.

(Beifall)

 
  
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  John Bowis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Wir haben eine Liste all der Dinge gehört, die wir brauchen, und das Hohe Haus sagt dazu, dass wir Maßnahmen brauchen, um diese Dinge zu erreichen.

Diese Entschließung bietet eine dieser seltenen Gelegenheiten, wo in diesem Parlament völlige Einmütigkeit herrscht: Einmütigkeit zwischen den Ausschüssen, Einmütigkeit zwischen den Fraktionen. Es ist Einmütigkeit über eine seltene Krankheit. Es ist eine der seltenen Krankheiten, die nicht auf Armut zurückzuführen sind; sie ist auf zunehmenden Wohlstand zurückzuführen. Deshalb handelt es sich mehr oder minder um eine europäische Krankheit, die sich auf dem Vormarsch befindet.

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Wir kennen die Zahlen: 275 000 jedes Jahr; 88 000 sterben jedes Jahr. Darum fordern wir Zugang zu besseren Leistungen und besserer Forschung. Aber die medizinische Wissenschaft gibt der Hoffnung Nahrung: eine frühzeitige Diagnose, neue Arzneimittel, Fachkrankenschwestern, neue Therapien und Kenntnisse zur Vorbeugung. All dies bedeutet, dass wir nicht mit dieser schrecklichen Opferzahl bei den Frauen leben müssen.

Doch auch Männer sind betroffen. Eintausend Männer sterben jedes Jahr in Europa an Brustkrebs. Man fülle diesen Saal mit Männern – besetze jeden Platz, auch die Galerien und die Dolmetscherkabinen, und das Podium – und lösche sie aus. So viele Männer verlieren wir jedes Jahr an den Brustkrebs. Auch Männer brauchen spezielle Leistungen. Auch sie haben Probleme, denn obwohl es bei Männern leichter auszumachen ist, lässt man sich oft zu viel Zeit und dann sind die Tumore zu groß. Sie brauchen also ein Screening. Zu viele Männer können damit nicht umgehen. Sie können nicht nur mit der Krankheit nicht umgehen, sondern auch damit, nach Hause zu ihren Familien zu gehen und ihnen zu sagen, dass sie Brustkrebs haben. Sie können nicht damit umgehen, in die Kneipe zu gehen und ihren Kumpeln zu sagen, dass sie Brustkrebs haben. Manche – und „manche“ sind schon zu viel – bringen sich lieber um, als sich mit den Folgen dieser Diagnose auseinanderzusetzen. Das ist unsere Schuld. Wir helfen ihnen nicht, damit umzugehen; wir müssen es tun. Für Männer und Frauen lautet unsere Botschaft, dass wir eine einmütige Entschließung haben und wir von der Kommission einmütiges Handeln fordern.

 
  
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  Stephen Hughes, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich danke Frau Jöns dafür, dass sie dieses Thema wieder vor dieses Hohe Haus gebracht hat. Wie Herr Bowis und Frau Záborská festgestellt haben, tritt diese Erkrankung nicht nur bei Frauen auf. Jedes Jahr sind hunderttausende Männer, hunderttausende Familien von dieser Erkrankung betroffen. Meine Schwiegermutter ist an Brustkrebs gestorben, und bei der ältesten Schwester meiner Frau wurde vor zehn Jahren Brustkrebs diagnostiziert, aber dank einer frühzeitigen und erfolgreichen Behandlung ist sie heute am Leben und es geht ihr gut. Sie können sich sicher vorstellen, welchen Schatten diese Erkrankung über meine Familie und mich wirft. Doch wie wir gehört haben, ist sie eine besondere Katastrophe für die 275 000 Frauen, bei denen diese Krankheit jährlich festgestellt wird, und tragischerweise die 88 000 Frauen, die in der Europäischen Union jährlich daran sterben, und ihre Familien.

Diese Zahlen können und müssen drastisch gesenkt werden. Wir müssen weiter zur Prävention forschen. Besonders schockierend finde ich jedoch, dass die Mortalitätsrate zwischen den Mitgliedstaaten um bis zu 50 % schwankt und die Mastektomierate zwischen den Mitgliedstaaten um bis zu 60 % differiert. Auch das kann man nicht hinnehmen. Es ist eindeutig dringend notwendig, dass bewährte Praktiken im gesamten Raum der Union in jeder Region Verbreitung finden und dass bewährte Praktiken unter Berücksichtigung der „European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis“ entwickelt werden.

Ein anderes drängendes Problem ist der Umstand, dass eine wachsende Zahl junger Frauen an Brustkrebs erkranken: 47 % im Alter bis 55 Jahre. Wenn man dann noch bedenkt, dass bis zu 20 %, ein Fünftel der ehemaligen Brustkrebspatienten, nicht mehr ins Berufsleben zurückkehren, dann wird klar, dass etwas getan werden muss, wenn wir das Ziel von Lissabon für die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt verwirklichen wollen. Deshalb begrüße ich voll und ganz die Forderung der Entschließung – und es hat mich gefreut zu hören, dass Kommissar Špidla heute darauf positiv reagiert hat –, eine Charta zum Schutz der Rechte von Brustkrebspatienten und –patientinnen sowie akut Kranker am Arbeitsplatz auszuarbeiten, um deren Wiedereingliederung in die Arbeitswelt zu erleichtern. Ihre Arbeitszeit muss auf ihre Behandlungspläne abgestimmt werden, und ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz muss unter Rücksichtnahme auf ihre Nachsorge erfolgen.

In meiner Region wird täglich bei fünf Frauen Brustkrebs diagnostiziert. Ich hoffe, dass mit entsprechender Forschung zur Vorbeugung diese Zahl sinkt. Ich hoffe auch, dass unsere Arbeit letzten Endes dazu führt, dass diese Diagnosen kein Todesurteil darstellen; eine Diagnose muss vielmehr der Auslöser für eine frühzeitige, einfühlsame und humane Intervention, erfolgreiche Behandlung und einen Wiedereintritt in die Arbeitswelt und ein ausgefülltes und erfüllendes Leben bedeuten.

 
  
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  Elizabeth Lynne, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich den Dankesworten an Frau Jöns für diese ausgezeichnete Initiative anschließen. Sie hat eine gewaltige Arbeit dazu geleistet.

Das lebenslange Risiko europäischer Frauen, an Brustkrebs zu erkranken, liegt, wie wir gehört haben, bei eins zu zehn, und es ist die Haupttodesursache bei Frauen im Alter von 35 bis 59 Jahren und steht insgesamt an zweiter Stelle. Herr Bowis hat vollkommen Recht: Wir dürfen nicht vergessen, dass zwar vor allem Frauen davon betroffen sind, aber auch jedes Jahr eintausend Männer an Brustkrebs sterben.

Von den Mitgliedstaaten wird nach wie vor nicht genug getan. Mit moderneren Screening-Verfahren kann Brustkrebs in einem frühen Stadium entdeckt werden. Die Europäische Kommission hat im April neue Leitlinien zum Brustkrebs-Screening und zur Brustkrebsdiagnose veröffentlicht. Sie schätzt, dass europaweit 32 000 Todesfälle infolge von Brustkrebs verhindert werden könnten. Doch viele Mitgliedstaaten verfügen nicht über die technischen Screening-Einrichtungen oder geschulte Krankenschwestern. Ich fordere alle Mitgliedstaaten dringend auf, sich diesen europäischen Leitlinien anzuschließen, vor allem aber, diese Leitlinien auch umzusetzen.

Wir müssen sogar noch mehr im Bereich der Bildung tun. Offenbar können der Lebensstil ebenso wie die genetischen Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer Brustkrebserkrankung beeinflussen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird, nicht am Arbeitsplatz diskriminiert werden, wie wir ja bereits gehört haben. Es sollte ihnen möglich sein, während der Behandlung weiterzuarbeiten, wenn sie möchten, und falls nicht, hinterher wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Dies könnte in der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung 2000 geregelt werden, wir haben das im Vereinigten Königreich getan. Aber viele Mitgliedstaaten führen Brustkrebs nicht als Behinderung, weshalb wir eine Definition von Behinderung brauchen. Wenn so viele Menschen an Brustkrebs erkranken, müssen wir das richtig regeln.

Wir brauchen auch einen Austausch zu bewährten Praktiken, insbesondere von Schwankungen bei den Mortalitätsraten zwischen den Mitgliedstaaten um 50 %. Es liegt an uns allen, dass dieses Thema weiter ganz oben auf der politischen Tagesordnung steht.

 
  
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  Hiltrud Breyer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Wir haben einen hervorragenden Entschließungsantrag vor uns liegen. Darin ist viel von einer besseren Prävention und Bekämpfung von Brustkrebs die Rede. Viele haben darauf hingewiesen, dass dort Vorschläge z. B. für ein besseres Screening unterbreitet werden. Das ist gut so, und das sollten wir ausbauen.

Ich möchte aber noch einmal betonen, dass es auch um Prävention geht. Es ist ein Ammenmärchen, dass genetische Faktoren und der Lebensstil alleinige Auslöser für den Ausbruch der Krankheit sind. Neue Studien bestätigen, dass schädliche Umwelteinflüsse in Form von giftigen Chemikalien oder erhöhter Strahlung für die Hälfte aller Brustkrebserkrankungen verantwortlich sind. Darauf müssen wir auch unser Augenmerk legen. Neben der umfassenden Ursachenforschung muss auch in der europäischen Chemikaliengesetzgebung der Gesundheitsschutz an vorderster Stelle stehen.

Wir haben im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit die Weichen für mehr Gesundheits- und Umweltschutz in Europa gestellt. Aber die heutige Abstimmung zu Brustkrebs ist auch eine deutliche Unterstützung für ein starkes REACH, denn es ist klar, dass Frauen aufgrund ihres veränderten Hormonsystems ganz besonders anfällig für die schädlichen Auswirkungen von Chemikalien sind. Studien aus den USA zeigen, dass Bäuerinnen, auf deren Feldern bestimmte Pestizide im Einsatz sind, vermehrt an Brustkrebs erkranken. Auch Frauen, die im Umkreis von einer Meile von einer Sondermülldeponie für Herpizide und Pestizide leben, tragen ein erhöhtes Risiko. Wir wissen, dass bislang viele Weichmacher in Kosmetikprodukten verwendet wurden, die zum Wachstum von Brustkrebszellen beigetragen haben.

Prävention sollte bei unserem Kampf gegen Brustkrebs einen noch höheren Stellenwert erhalten!

 
  
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  Adamos Adamou, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Ich habe allen meinen Vorrednern zugehört, und nun möchte auch ich den Verfassern der Entschließung und denjenigen danken, die sich so intensiv mit der Bekämpfung von Brustkrebs beschäftigen.

Herr Kommissar, ich möchte mich zu den Ungleichheiten und zur Behandlung äußern. Wie Sie wissen, ist die Mortalitätsrate in den zehn neuen Mitgliedstaaten höher und die Screening-Programme stecken dort noch in den Kinderschuhen. Da nehme ich mein Heimatland nicht aus, das, wie Sie vielleicht wissen, eher ein Pilot- als ein nationales Programm durchführt. Herr Kommissar, es ist beklagenswert, das Land, in dem jemand an Brustkrebs erkranken könnte und das Land und das Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgen würde, ihrem Schicksal zu überlassen. Der Grund dafür ist, dass die Leitlinien erstens zur Entwicklung hochwertiger Mammographien und zweitens von Ländern mit speziellen Fachkliniken – Brustzentren – mit speziell ausgebildeten Krankenschwestern – nicht leicht zu vereinigen sind.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, was auch John Bowis vorhin gesagt hat, dass nämlich auch Männer Brustkrebs bekommen und wir nicht immer einzig und allein von den Frauen sprechen sollten. Da wir im Rahmen dieser hervorragenden Initiative heute hier das Thema Brustkrebs diskutieren, möchte ich feststellen, Herr Kommissar, dass andere Krebsarten ebenso viel Beachtung verdienen.

Es gibt andere Krebsarten, bei denen wir mit genau denselben Leitlinien die Rezidiv- und Mortalitätsrate senken können. Was wir brauchen, ist eine Strategie für Krebs als Erkrankung insgesamt, die alle 25 Mitgliedstaaten koordiniert. Wir müssen aufhören, uns an die Subsidiarität zu klammern, denn das hat zur Folge, dass kein Geld aus den Strukturfonds bereitgestellt wird, um diese Programme zu entwickeln. Ich bitte Sie eindringlich, diese Fragen bitte zu prüfen.

 
  
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  Liam Aylward, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich unterstütze von ganzem Herzen diese Anfrage an die Kommission von jedem der drei Ausschüsse zu einem Thema, das ich als überaus wichtig ansehe. Außerdem begrüße ich die positive Reaktion vonseiten der Kommissionsmitglieder.

Ich habe diese Entschließung zu Brustkrebs mit unterzeichnet, weil ich glaube, dass die Europäische Union viel tun kann, um den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet über umfassende Forschung, Benchmarking und den Austausch bewährter Praktiken Hilfestellung zu geben sowie ihnen über europäische Programme erhebliche fachliche, materielle und technische Hilfe zu bieten.

Das Hauptanliegen, mit dem sich Gesetzgeber und Gesundheitsteams heutzutage bei Brustkrebs befassen müssen, ist, dass jede Frau, ungeachtet ihres Wohnorts, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer Bildung, Zugang zu einem hochwertigen Screening für die Behandlung und Nachsorge bei einer Krebserkrankung haben muss.

Wir müssen den Informationsdienst für Frauen, jüngere wie ältere, über die Risiken und die Behandlungsmöglichkeiten von Brustkrebs verbessern, um letztlich die Mortalitätsrate bei Frauen zu senken und ihre Lebensqualität zu steigern und ihnen zu helfen, falls sie ins Berufsleben zurückkehren möchten.

Notwendig ist eine umfassendere Erforschung der Ursachen von Brustkrebs, insbesondere zu den Auswirkungen gefährlicher Chemikalien und von Umweltverschmutzung, Ernährung, Lebensführung und genetischen Faktoren.

Ich fordere die Kommission auf, über das Siebte Rahmenprogramm finanzielle Unterstützung für die Weiterentwicklung von Blutuntersuchungen zu leisten, eine umfassende Untersuchung der Ursachen von Brustkrebs zu finanzieren, die Mitgliedstaaten dringend aufzufordern, Informations- und Beratungszentren einzurichten, und parallel dazu dem Europäischen Parlament über die Ergebnisse der jüngsten Forschung auf diesem Gebiet Bericht zu erstatten.

 
  
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  Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Angesichts der alarmierenden Zahl von Frauen, die an Brustkrebs erkranken und sterben, ist eine Entschließung, in der die Kommission und die Mitgliedstaaten aufgerufen werden, diese Epidemie zu bekämpfen und Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen, dringend erforderlich. Sie macht außerdem deutlich, dass Präventivmaßnahmen ergriffen werden müssen, zu denen auch die Eliminierung von Risikofaktoren zählen sollte. Deshalb erscheint es angemessen, logische Schlussfolgerungen aus vorliegenden Forschungsergebnissen zu ziehen. Diese deuten darauf hin, dass Brustkrebs nicht einfach auf toxische Schäden zurückzuführen ist, sondern seine Hauptursache in der Einnahme hormonaler Empfängnisverhütungsmittel bereits sehr junger Mädchen und in der Hormonersatztherapie hat. Brustkrebs kann zudem durch Komplikationen nach einem Schwangerschaftsabbruch ausgelöst werden.

Des Weiteren tritt Brustkrebs häufig bei kinderlosen Frauen oder bei Frauen auf, die relativ spät Kinder bekommen und bei denen die Menopause relativ spät einsetzt. Je mehr Kinder eine Frau hat, umso geringer ist ihr Risiko, an Brustkrebs, Eierstockkrebs oder Gebärmutterkrebs zu erkranken. Folglich lässt sich eine Verbindung herstellen zwischen einer erhöhten Krebsinzidenz und dem feministischen Frauenbild, mit dem den Frauen die Mutterschaft vorenthalten und Frauen als potenzieller Teil der Arbeitnehmerschaft ausgebeutet und sie praktisch gezwungen werden sollen, ihr so genanntes reproduktives Leben zu kontrollieren, wodurch man sie praktisch zu Tieren abstempelt.

Psycho-Onkologen zufolge lässt sich durchaus ein Zusammenhang herstellen zwischen dem verstärkten Auftreten von Tumoren und der Verbreitung von psychischen Störungen, vor allem von Depressionen. Sie senken die Immunität gegen Krankheiten und ermöglichen die Entwicklung von Tumoren. Zu den Präventivmaßnahmen sollte daher die Verbreitung einer Lebenskultur als Alternative zu der weit verbreiteten Vorstellung zählen, dass um uns herum alles zusammenbricht.

 
  
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  Irena Belohorská (NI).(SK) Ich möchte Sie über das Ergebnis der Zusammenkunft informieren, die am 20. Oktober 2006 bei einer der größten und ältesten Frauenorganisation in der Slowakei, der Slowakischen Frauenunion, stattgefunden hat. Bei diesem Treffen diskutierten die Frauen über die untragbare Brustkrebs-Situation in der Slowakei und anderen europäischen Ländern. Heutzutage ist Krebs heilbar, wenn er früh genug entdeckt wird. Diese Krankheit ist vermeidbar, mithin sterben Frauen zum Teil aufgrund von Unwissenheit. Ich bin daher hier, um Sie über die Initiative „Lasst uns nicht sterben“ zu informieren, die am 20. Oktober ins Leben gerufen wurde. Ich appelliere an Politiker, Ärzte, Patienten und die Allgemeinheit, ihre Mütter, Ehefrauen, Partnerinnen und Töchter davor zu bewahren, an einer Krankheit zu sterben, die nicht tödlich verlaufen muss.

Das Europäische Parlament erlässt Rechtsvorschriften zum Naturschutz, es werden europäische Autobahnen gebaut, aber Investitionen in Gesundheit werden außer Acht gelassen. Die Europäische Union strebt auch danach, Unterschiede im Lebensstandard zwischen den Mitgliedstaaten auszugleichen. In der Tat leisten wir in vielen Bereichen gute Arbeit. Statistiken über die Heilbarkeit von Krebs zeigen jedoch, dass es ein großes Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten gibt, und dies schließt die Überlebensquoten bei Brustkrebs ein. Slowakische Frauen haben eine um 30 % geringere Chance, diese Form von Krebs zu überleben, als viele Frauen in Westeuropa.

Es ist bedauerlich, dass wir das Screening, das für eine Erhöhung der Überlebensrate erforderlich ist, nicht wirklich garantieren können. Frauen müssen die Möglichkeit erhalten, ihren Arzt am Abend oder am Wochenende für ein Screening aufzusuchen, gleichzeitig müssen Ärzte und medizinisches Personal für diese zusätzliche Arbeit angemessen entschädigt werden.

Ich glaube, dass die Mehrheit der Frauen sich dieses Problems bewusst ist und sich verantwortungsvoll verhält. Sie benötigen nur adäquaten Zugang zu medizinischer Versorgung. Prävention ist jedoch nicht kostenlos; sie erfordert erhebliche Mittel. Daher sollte jeder mehr Druck ausüben um zu gewährleisten, dass Ausgaben für Prävention nicht durch andere Prioritäten verdrängt werden. Wir sollten einen Haushalt bewilligen, der für Investitionen in Prävention sorgt, was nicht nur die Ausstattung von Krankenhäusern und die Anschaffung von Mammographie- und Sonographiegeräten bedeutet, sondern vor allem Investitionen in Humanressourcen, damit eine ausreichende Zahl von qualifiziertem medizinischem Personal zur Verfügung steht, um diese Geräte zu bedienen.

 
  
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  Cristina Gutiérrez-Cortines (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte die Aufmerksamkeit auf eine Frage lenken, die bereits angesprochen wurde.

Erstens, ich bin der Ansicht, dass die Europäische Kommission eine gute Politik verfolgt, indem sie versucht, Aspekte in einem Bereich zu harmonisieren, in dem sie keinerlei wirkliche Zuständigkeiten hat, in dem sie jedoch eine Führungsrolle ausüben kann, und in dieser Hinsicht drängen wir sie, ihre Aktionen zu erweitern, der Selbstuntersuchung auch weiterhin einen wichtigen Stellenwert einzuräumen und die in den einzelnen Ländern bestehenden Unterschiede herauszustellen. Ich sage nicht, dass sie sie verurteilen soll, aber ich sage, dass sie bestehende Mängel aufzeigen muss. Vor allem glaube ich auch, dass ihre Website erweitert und zum Beispiel die Selbstuntersuchung und eine Reihe weiterer möglicher Aktionen einbezogen werden sollten, wie es bei einigen kommerziellen Einrichtungen bereits geschieht.

Zweitens, ich möchte die Aufmerksamkeit auf die familiäre Tragödie lenken, die Brustkrebsfälle in der Regel bedeuten. Ich glaube, dass sehr häufig Familien zerbrechen und viele Frauen nicht wagen, über ihren Fall zu sprechen, gerade weil der Krebs ihren Arbeitsrhythmus und ihr normales Leben völlig aus Tritt geraten lässt und sie hindert, ihre Familie zu betreuen, wenn sie sich einer Operation unterziehen müssen.

Deshalb bin ich der Meinung, dass die Europäische Union ihre Tätigkeit in diesem Bereich der familiären Betreuung und der Bewusstmachung dieses Problems ausdehnen muss.

 
  
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  Dorette Corbey (PSE). – (NL) Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren Kommissare, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits ausgeführt worden ist, stellt Brustkrebs ein gewaltiges und zunehmendes Gesundheitsproblem dar. Nach Lungenkrebs ist Brustkrebs die am häufigsten auftretende Krebsart, aber bei Lungenkrebs sind die Ursachen zum Teil bekannt. Zu den wichtigsten zählen das Rauchen und Asbest, und ein Risikofaktor ist Luftverunreinigung. Zur Vorbeugung von Lungenkrebs kann man noch etwas tun, da man sich beispielsweise das Rauchen abgewöhnen kann.

Über Brustkrebs aber ist im Grunde kaum etwas außer den Statistiken bekannt. Die Inzidenz von Brustkrebs ist in den Niederlanden höher als irgendwo sonst. Statistische Zusammenhänge gibt es auch, und ich möchte dem Kommissar für die umfassende und detaillierte Antwort auf meine schriftliche Anfrage danken. Dem Kommissar zufolge besteht ein Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Brustkrebs; ein Zusammenhang besteht auch zum Spätgebären. Es gibt einen sozioökonomischen Faktor: niedrige Einkommensgruppen werden nicht so oft mit Screening untersucht und haben dadurch ein höheres Sterblichkeitsrisiko. Schließlich sind der Kommission zufolge Hormone, speziell Östrogene, vielleicht der wichtigste Faktor für das Brustkrebsrisiko. Diese Östrogene lassen sich auf verschiedene Quellen wie chemische Verunreinigung, Exposition gegenüber Umweltfaktoren, aber auch die Anwendung von Arznei- oder Verhütungsmitteln, zurückführen.

Herr Kommissar, diese Informationen sind wichtig. Bei allen Kontakten, die ich mit Frauengruppen habe, tauchen zwei Faktoren immer wieder auf. Etliche Brustkrebspatientinnen hegen die Vermutung, dass ihre Krankheit mit der Umwelt, mit Arzneimitteln oder mit der Einnahme der Pille im Zusammenhang steht. Können Sie deshalb die erforderlichen Anreize setzen, damit der Forschung auf diesem Gebiet die nötige Priorität eingeräumt wird? Wir brauchen mehr Klarheit über die Auswirkungen von hormonregulierenden Stoffen in der Umwelt und der Verwendung von Hormonen als Arznei- oder Verhütungsmittel.

Mein besonderer Dank gilt Frau Jöns für ihre unablässige Sorge um und ihr Engagement für Frauen mit Brustkrebs. Ihr Wirken ist für nicht eben wenige Frauen eine wahre Inspiration. Ich darf ferner Europa Donna meine Anerkennung aussprechen, denen ich für ihre hervorragende Arbeit danken möchte, die sie leisten, indem sie es den europäischen Ländern ermöglichen, voneinander zu lernen, denn genau das sollten wir tun.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin! Mit der zunehmenden Alterung der europäischen Bevölkerung wird die Zahl der Krebserkrankungen in den kommenden Jahren dramatisch ansteigen. Viele machen sich Sorgen um ausreichende Ressourcen für die Behandlung und steigende Kosten. Das hat etwas mit dem Wirtschaftswachstum zu tun und auch mit der Zunahme der Kosten für die Patienten selbst. Unseren Bürgern gleiche Chancen auf ärztliche Behandlung und Pflege zu sichern, ist ein wichtiges politisches Anliegen, sowohl in den Mitgliedstaaten als auch auf Ebene der EU. Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht mit zunehmendem Alter weniger Anspruch auf Dienstleistungen und gute Pflege haben.

Als nächstes möchte ich etwas zur Rückkehr der Patienten in die Arbeitswelt sagen. Ich verstehe, dass es für das Wachstum wichtig ist, Menschen wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Häufig ist das auch für die Patienten selbst wichtig. Wir Patienten sind im Großen und Ganzen ganz normale Menschen. Dennoch müssen wir uns bei der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben auch immer human verhalten. Unter dem Gesichtspunkt der Menschlichkeit ist es wichtig, dass jeder genügend Zeit hat, sich von seiner Krankheit zu erholen. Dabei ist zu beachten, dass die Genesungszeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

 
  
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  Satu Hassi (Verts/ALE). – (FI) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich danke der Berichterstatterin sehr für ihre ausgezeichnete Arbeit. Zugleich möchte ich der Behauptung von Herrn Kommissar Špidla widersprechen, dass Brustkrebs Menschen daran hindert, ein normales Leben zu führen. Das muss wirklich nicht der Fall sein. Ich selbst bin ein Beispiel dafür, dass Brustkrebs, wenn er rechtzeitig entdeckt, operiert und behandelt wird, einen Menschen keinesfalls daran hindert, ein normales Leben zu führen und einer Arbeit nachzugehen.

Finnland ist eines der europäischen Länder, in denen Brustkrebs am schnellsten auf dem Vormarsch ist, aber dank der Früherkennung und der Behandlung ist die Sterblichkeitsrate in den vergangenen Jahrzehnten nicht angestiegen. Die Früherkennung und die Behandlung zu verbessern reicht allerdings nicht aus. Vielmehr müssen wir auch den Ursachen des Krebses auf den Grund gehen. Wie Herr Breyer und Frau Corbey hier zum Ausdruck gebracht haben, legen neuere Forschungen den Schluss nahe, dass sich etwa die Hälfte der Neuerkrankungen an Brustkrebs auf Umweltfaktoren zurückführen lässt, darunter industrielle Chemikalien, denen wir stets und ständig ausgesetzt sind. Besonders gefährlich ist ein Gemisch aus Chemikalien, die die Hormone schädigen, für Föten und während der Pubertät. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Frau Präsidentin! Wie wir wissen, ist Brustkrebs nicht nur die häufigste Krebsart bei Frauen, sondern auch die Haupttodesursache bei Frauen im Alter von 35 bis 59 Jahren.

Darum muss die Informationspolitik zum Brust-Screening verbessert und ausgebaut werden, müssen Programme zur Krebsfrüherkennung aufgelegt werden und muss die Unterstützung für die Erforschung der Krebsprävention verstärkt werden. Deshalb sind die Punkte, die wir der Kommission vorgetragen haben, so wichtig. Wir hoffen auch auf eine positive Reaktion seitens der Mitgliedstaaten, damit sichergestellt wird, dass alle Frauen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung Zugang zu Prävention, Screening, Früherkennung und Behandlung von Brustkrebs haben und wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ohne diskriminiert zu werden.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Frau Präsidentin! In Frankreich bedeutet Brustkrebs praktisch gesehen zur Diagnose zunächst eine Mammographie und dann eine anatomopathologische Untersuchung zur Bestätigung einer Krebserkrankung. Die Untersuchungen sollten sich auch auf die Leber, das Gehirn und die Knochen als den drei Bereichen, in denen sich Metastasen bilden können, erstrecken.

Doch in Frankreich führt man bestenfalls eine Knochenszintigraphie durch, aber keine MRT und vor allem keinen PET-Scan, der zur metabolischen Frühdiagnose dient. Bei der Behandlung wird die Strahlentherapie von einer einfachen technischen Kraft durchgeführt. Die Folge sind vielfach periphere Verstrahlungen am Herzen oder der Schilddrüse. Wenn die Patientin schließlich nach der Behandlung über Rückenschmerzen klagt, macht man eine Szintigraphie, die einen verdächtigen Knochenschatten zeigt, doch wird immer noch keine PET-Untersuchung durchgeführt. Warum nicht? Weil es in Frankreich für 35 Millionen Frauen nur zwei PET-Scanner gibt. Warum? Weil der Pakt der Haushaltskürzungen Ausgaben für medizintechnische Ausrüstungen verbietet. Das Ergebnis ist, dass Frauen in Europa an Brustkrebs sterben, aber auch an dem ideologischen Krebs der Europäischen Kommission, der als haushaltspolitischer Malthusianismus und ungebremster Marktliberalismus bekannt ist.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! An Brustkrebs sterben zu viele Frauen in der Europäischen Union, oftmals in viel zu jungem Alter. Mit diesen Todesfällen kann man sich nicht abfinden, wenn man weiß, dass dieser Krebs bei Früherkennung heilbar ist. Wir kennen die psychischen und physischen Traumata, die die Frauen erleiden, wenn diese Krankheit bei ihnen festgestellt wird: Sie müssen ihr familiäres und berufliches Leben neu organisieren und ganz einfach damit fertig werden. Es gibt in Europa keinerlei Harmonisierung bei der Bekämpfung der Geißel Brustkrebs. Nur zehn Mitgliedstaaten führen Früherkennungsprogramme mit unterschiedlichem Erfolg durch. Die europäischen Frauen sehen sich also einer Situation flagranter Ungleichheit gegenüber, je nach dem, in welchem Land oder in welcher Stadt sie leben.

Herr Kommissar, unser Ziel ist es, diese Krankheit auszurotten, wohl wissend, dass neben dem Trauma für die Patientin diese Krankheit auch Kosten für unsere Gesellschaft verursacht. Die Lösung für dieses schreckliche Problem liegt in einer obligatorischen Früherkennungsuntersuchung, die durch die Regierungen der Mitgliedstaaten durchgeführt wird. Um wirksam zu sein, muss diese Früherkennung kostenlos sein und vor allem fachgerecht durchgeführt werden, was bedeutet, dass auf dem gesamten Territorium der Europäischen Union Spitzenausrüstungen verfügbar sein müssen. Die digitale Mammographie, die in der Vergangenheit Mikroverkalkungen – die häufigsten Anzeichen von Brustkrebs – nicht sichtbar machte, hat beträchtliche Fortschritte gemacht. Wann wird die digitale Mammographie in der gesamten Europäischen Union verfügbar sein, Herr Kommissar?

Eine effiziente Früherkennung setzt auch voraus, dass jedes Gerät geeicht werden und somit Qualitätskontrollen unterliegen muss, denn es gibt nichts Schlimmeres, als Frauen durch eine Röntgenuntersuchung, die möglicherweise von schlechter Qualität ist, in falscher Sicherheit zu wiegen. Für eine effiziente Früherkennung reichen Geräte allein nicht aus. Die Ärzte, die diese Untersuchungen durchführen, müssen sich ständig weiterbilden. Sie müssen regelmäßig geschult werden und sich obligatorischen Wissenstests unterziehen.

Schließlich brauchen die Frauen Informationen zur Brustkrebsprävention, sie brauchen Beratung zu gesunder Lebensweise und Nahrungsmittelhygiene und dürfen keine Angst vor Früherkennungsuntersuchungen haben. Die Forschung muss uns bei der Erkennung der Ursachen für Brustkrebs voranbringen. Ich bin überzeugt, dass es uns mit vereinten Anstrengungen gelingen wird, einmal mehr deutlich zu machen, was die Europäische Union für die Verbesserung der Gesundheit der europäischen Frauen tun kann. Das ist ein Thema, zu dem in der Europäischen Union Einmütigkeit herrschen müsste: Null Todesfälle durch Brustkrebs in Europa!

 
  
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  Anne Ferreira (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Herren Kommissare! Lassen Sie mich zunächst meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Arbeit und die Klarheit ihrer Ausführungen danken. Wir beschäftigen uns heute mit einem ernsten Problem. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, sich die alarmierenden Statistiken über das Auftreten von Brustkrebs in Europa anzusehen und die Zahl der durch diese Krankheit verursachten Todesfälle zu betrachten. Dieses Problem ist umso ernster, als es große Ungleichheiten zwischen den Ländern sowohl hinsichtlich der Krebsprävention als auch hinsichtlich der Behandlung gibt, wobei sich diese Ungleichheiten seit der letzten Erweiterung noch verschärft haben.

Zwar besagen die Verträge, dass die Europäische Union sich gemeinsam mit den Mitgliedstaaten dafür einsetzt, die Gesundheit der europäischen Bürger zu schützen und zu fördern, doch kommt es darauf an, stärkere Betonung auf das Wort „gemeinsam“ zu legen, denn den Leitlinien und Empfehlungen der EU wurde nicht ausreichend nachgekommen. Heute müssen wir auf diesen Zustand reagieren und dürfen ihn nicht länger hinnehmen. Die Europäische Union muss ihren Bürgerinnen und Bürgern einen gleichberechtigten Zugang zur Früherkennung und Behandlung von Krankheit und zu den besten verfügbaren Therapien ermöglichen. Zu diesem Zwecke verfügen wir über legislative und haushaltspolitische Instrumente, über die Strukturfonds und über Forschungsprogramme.

Wir müssen alle notwendigen Mittel einsetzen, um alle Ursachen für diese Krankheit zu ermitteln, seien sie ökologischer, sozialer oder genetischer Natur, und um nach innovativen Behandlungsmethoden zu suchen. Die Kommission muss uns entsprechende Vorschläge unterbreiten, und nach meinem Dafürhalten sollte die Europäische Union in dem Bewusstsein, dass wir gemeinsam stärker sind, den Kampf gegen den Brustkrebs und den Krebs generell zu einer politischen Priorität machen. Dies ist der Mehrwert, den unsere Bürger von der Europäischen Union erwarten.

Studien, Diagnosen, Bewertungen und Entschließungen sind notwendig, aber das Handeln ist von grundlegender Bedeutung. Die Kommission und der Rat sollten also auf unseren Alarmruf hören und keine Zeit mehr verlieren.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE).(EN) Frau Präsidentin! Wir führen heute eine Aussprache zu einer ausgezeichneten Entschließung, die für alle Frauen und im Grunde für alle Familien in der EU relevant ist. Wie bereits festgestellt wurde, stirbt in der EU alle sechs Minuten eine Frau an Krebs. Das ist eine wahrhaft schockierende Zahl, die uns anspornen sollte, unverzüglich zu handeln.

Das Brust-Screening, das nach WHO-Angaben die Todesrate bei Brustkrebs um bis zu 35 % senken kann, wird in lediglich elf Mitgliedstaaten landesweit angeboten. Das ist beschämend für uns alle! Auch beschämend für mein Land, Irland, wo wir die Brustuntersuchung noch nicht landesweit eingeführt haben. In der Republik Irland ist die Sterblichkeit bei Brustkrebs deutlich höher als im Norden Irlands, wo es bereits ein Brust-Screening gibt. Aber ein landesweites Angebot haben wir, wie viele andere europäische Länder, noch nicht.

Abschließend noch zwei wichtige Punkte: Jedes Land sollte eine landesweite Betreuung bei Brustkrebs haben, die von interdisziplinären Brustzentren an geeigneten Standorten getragen wird; und Frauen über 69 bzw. im Fall Irlands über 65, dürfen nicht vom Brust-Screening ausgeschlossen werden.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE).(EL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Auch ich möchte den zuständigen parlamentarischen Ausschüssen zu ihrer Initiative gratulieren, diese gemeinsame Aussprache über Brustkrebs auf den Weg zu bringen, der für die Gesundheit von Frauen und Männern in immer jüngerem Alter eine reelle und immer größere Gefahr darstellt.

Auf ihre Auswirkungen auf die Organisation des Privat-, Familien-, gesellschaftlichen und Arbeitslebens wurde bereits hingewiesen. Darum fordern wir heute, dass bei der Strategie der Gemeinschaft sowohl die aktuellen Gegebenheiten als auch die neuen Entwicklungen und Aufgaben zur Gesundheit unserer Bürger berücksichtigt und alle Möglichkeiten genutzt werden, um die gesteckten Ziele einer spürbaren Eindämmung der Erkrankung zu erreichen.

Brustkrebs ist eine Erkrankung, bei der ein richtiges Screening eine entscheidende Rolle spielt. Das wissen wir aus den uns vorliegenden Statistiken und dem, was wir heute während der Aussprache gehört haben. Das bedeutet allerdings, dass wir eine moderne Infrastruktur mit Material und Geräten sowie Fachpersonal brauchen. Das Programm „Europa gegen Krebs“ muss im Verbund mit allen anderen Möglichkeiten der Strukturfonds, Forschungsprogramme usw. diese Herausforderungen in Angriff nehmen.

Wie wir bereits gehört haben, spielt auch eine angemessene medizinische und psychologische Begleitung der Patienten eine wichtige Rolle. Deshalb sind die Mitgliedstaaten ebenso wie die regionalen und lokalen Behörden verpflichtet, diese Bedingungen der Prävention, Überwachung und Therapie für alle Bürger in jedem Winkel ihrer Region zu gewährleisten. Dies ist besonders wichtig für die neuen Mitgliedstaaten, zumal wir bald zwei weitere neue Mitglieder in „unserer Familie“ begrüßen werden.

An dieser Stelle möchte ich die Funktion der Zivilgesellschaft bei der Information und Unterstützung der Patienten hervorheben. In vielen Ländern hat man interessante Initiativen entwickelt, die sogar auf europäischer Ebene miteinander vernetzt wurden. Deren Arbeit müssen wir unterstützen, vor allem in den neuen Mitgliedstaaten, und Möglichkeiten für einen Austausch bewährter Praktiken und einen Mehrwert im Sinne der Gesundheit unserer Bürger bieten.

 
  
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  Karin Scheele (PSE). – Frau Präsidentin! Meinen besonderen Glückwunsch und Dank an Karin Jöns, die nicht nur Hauptinitiatorin des heutigen Entschließungsantrags und der Anfrage ist, sondern wirklich kontinuierlich Bewusstseinsbildung zum Thema Brustkrebs betreibt. Das führt natürlich auch dazu, dass es morgen eine massive Unterstützung für diesen Entschließungsantrag geben wird.

Brustkrebs ist die Todesursache Nummer eins bei Frauen zwischen 35 und 59 Jahren, sowohl bei Frauen, die Kinder haben, als auch bei Frauen, die keine Kinder haben. Jährlich sterben 88 000 Frauen und 1 000 Männer in der Europäischen Union an Brustkrebs. Mammographie-Screening kann die Brustkrebssterblichkeit bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren erheblich senken. Es gibt EU-Leitlinien zu diesem Thema, seit 1992 wurden diese aber nur in elf Mitgliedstaaten umgesetzt. Es gibt große Unterschiede bei den Sterblichkeitsraten von Frauen. Deswegen warten wir auch mit Spannung auf den Fortschrittsbericht, den Kommissar Kyprianou für 2007 angekündigt hat.

Das Europäische Parlament beschäftigt sich aber heute nicht nur mit der Früherkennung von Brustkrebs und seiner optimalen Behandlung, sondern auch mit der Prävention. Die Ursachen von Brustkrebs müssen umfassender untersucht werden, insbesondere die Rolle von schädlichen Chemikalien und Umweltbelastungen, der Ernährung, des Lebensstils und der genetischen Faktoren, und auch die Frage, wie diese Faktoren zusammenhängen.

In einigen Wochen, wenn dieses Parlament über die neue europäische Chemikalienpolitik abstimmt, werden wir die Möglichkeit haben, ein klares Signal zu setzen, dass wir die Prävention und die Vorsorge bei Krebskrankheiten ernst nehmen.

 
  
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  Lissy Gröner (PSE). – Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren Kommissare, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die erdrückenden Zahlen gehört, die bezeugen, wie Brustkrebs in das Leben der Menschen – von Frauen und Männern – eingreift. Es liegt am Zufall, ob die Behandlung schnell und effizient einsetzt und wie die Überlebenschancen der Frauen dann sind.

Als Koordinatorin im Frauenausschuss habe ich seit vielen Jahren das Thema mit bearbeitet, und wir haben viele Erkenntnisse gewonnen. Daran kann es nicht liegen. Wir haben seit über zehn Jahren die EU-Leitlinien für Qualitätsmammographie. Ich werde zum Beispiel in Belgien, wo ich meinen Zweitwohnsitz habe, zur Reihenuntersuchung eingeladen, während in meinem Heimatland Deutschland nichts passiert. Das Leben von Müttern, von Töchtern, von Ehefrauen könnte gerettet und das Trauma gemildert werden.

Es geht aber nur im Schneckentempo voran. Unser Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter hat im Jahr 2003 einen sehr guten Bericht mit vielen Vorschlägen vorgelegt, aber es passiert wenig. Ich glaube, dass hier der politische Wille fehlt. Auf der europäischen Ebene kann ich ihn erkennen, in den Mitgliedstaaten ist da noch sehr viel zu tun. Wir haben im Siebten Forschungsrahmenprogramm jetzt wieder die Möglichkeit, noch einmal Druck zu erzeugen, damit mehr Geld in die Forschung fließt.

Auch bei anderen Frauenkrankheiten, zum Beispiel der Migräne, hat man ganz wenig politischen Druck erzeugt, um voranzugehen und interdisziplinär Maßnahmen zu ergreifen. Interdisziplinäre Brustzentren – die Erkenntnis gibt es in den Vereinigten Staaten seit über zwanzig Jahren – können sehr effizient helfen. Die haben wir mittlerweile auch in Europa, aber ich sehe auch hier keinen politischen Willen, sie wirklich umzusetzen.

Deshalb: Lassen Sie uns gemeinsam – hier im Europäischen Parlament – das Trauma Brustkrebs bekämpfen, und zwar für alle und nicht nur für diejenigen, die es sich finanziell leisten können!

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Trotz der Fortschritte, die bei der Diagnose und Behandlung erzielt wurden, ist Brustkrebs für Frauen im Alter von 35 bis 55 Jahren immer noch die Haupttodesursache. Man schätzt, dass allein in Europa jedes Jahr 130 000 Frauen an Brustkrebs sterben. Alle zweieinhalb Minuten wird bei einer Frau Brustkrebs diagnostiziert. Alle Frauen müssen Zugang zu Informationen, Prävention und sachgerechter Behandlung haben. Screeningprogramme unter Einsatz der Mammographie sollten in allen Mitgliedstaaten obligatorisch sein. Wir brauchen mehr Informationskampagnen für eine gesunde Lebensführung. Prävention und Behandlung von Brustkrebs sollten auch zu den Prioritäten des Siebten Forschungsrahmenprogramms gehören, gerade jetzt, da Untersuchungen zeigen, dass neben genetischen Faktoren auch Umwelt- und Lebensführungsfaktoren für das Auftreten von Brustkrebs eine Rolle spielen können.

 
  
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  Britta Thomsen (PSE). – (DA) Frau Präsidentin! Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Brustkrebs stellt die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 35 und 50 Jahren dar, und die Zahl der Frauen, die die Krankheit überleben, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Wir müssen die Mitgliedstaaten auffordern, Informations- und Beratungszentren für erblich bedingten Brustkrebs einzurichten, und wir müssen die Kommission auffordern, alle zwei Jahre einen Fortschrittsbericht vorzulegen. Wichtig ist, dass der Brustkrebsforschung Vorrang eingeräumt wird. Das Siebte Forschungsrahmenprogramm der EU sollte daher ebenfalls Ressourcen für die Brustkrebsforschung vorsehen, und zwar nicht nur zur Erforschung der damit verbundenen physiologisch-technischen Aspekte und Alternativen zu konventionellen Behandlungsformen, sondern auch zur Untersuchung der sozialen Folgen und vor allem der Ursachen von Brustkrebs. Wir müssen in der Lage sein, voneinander zu lernen, und das ist natürlich genau die Art der Zusammenarbeit, für die die EU auch einen konstruktiven Rahmen bietet. Die EU sollte sich an die Spitze europäischer Kampagnen zur Vermeidung dieser Krankheit stellen und Frauen über die Selbstuntersuchung der Brust informieren. Darüber hinaus sollten die Regierungen nationale Brustkrebsvorsorgeprogramme in allen Mitgliedstaaten einführen, denn eine frühzeitige Erkennung kann zu einer signifikanten Senkung der Sterblichkeitsraten beitragen.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Die Krebsstatistik in der Europäischen Union ist alarmierend. Nach Lungenkrebs ist Brustkrebs die zweithäufigste Krebsart. In der Europäischen Union wird alle zwei Minuten ein neuer Fall diagnostiziert, und alle sechs Minuten stirbt eine Frau an Brustkrebs.

Brustkrebs lässt sich am besten durch eine regelmäßige Vorsorge und die Förderung einer effektiven Tumordiagnose bekämpfen. Durch den weit verbreiteten Einsatz der Mammographie könnte die Zahl der Todesfälle um stattliche 35 % gesenkt werden, vorausgesetzt natürlich, entsprechende Untersuchungen werden regelmäßig durchgeführt und sind für alle Frauen problemlos zugänglich. Seit 15 Jahren gibt es in der Europäischen Union verbindliche Bestimmungen für diesen Bereich. Trotzdem werden in der Hälfte der Mitgliedstaaten keine regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt. Das muss sich ändern. Als Europäisches Parlament erwarten wir eine klare Reaktion auf die Maßnahmen, die die Europäische Kommission zu ergreifen gedenkt, um den Mitgliedstaaten bei der Erreichung ihrer Ziele zu helfen. Eines davon ist die Senkung der Sterblichkeitsrate bis 2008 um 25 %.

Eine koordinierte Strategie auf Unionsebene ist für den Kampf gegen den Brustkrebs unerlässlich. Es ist an der Zeit, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Über 100 000 Frauen sterben jedes Jahr an Brustkrebs.

 
  
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  Marta Vincenzi (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Aussprache wurden die Themen Verhütung, Qualität der medizinischen Eingriffe, dringend notwendige Forschung sowie Recht auf Würde und Arbeit erneut vorgebracht. Diese Themen sind integraler Bestandteil der Lissabon-Strategie.

Politisches Ziel des Parlaments ist es daher, auf die Dringlichkeit koordinierter Maßnahmen hinzuweisen, die die Kommission durchsetzen muss, indem sie eine stärkere und sichtbarere Führungsrolle in Bezug auf die Mitgliedstaaten übernimmt. Es genügt nicht, Ziele für 2008 festzulegen: Wie müssen sie auch überwachen, Korrekturmaßnahmen durchführen und begreifen, welche Fortschritte gemacht werden. In diesem Bereich gibt es weder Prämien für vorbildliche Länder noch Sanktionen für solche, die nicht vorankommen. Deshalb schlage ich den Kommissionsmitgliedern vor, dass sie eine Art schwarze Liste für Länder einführen, die gar keine Fortschritte zu verzeichnen haben, wie wir es bereits für die Fluggesellschaften getan haben, die keine Sicherheit gewährleisten. Lassen Sie uns die Macht der Öffentlichkeit als Verbündete der Wissenschaftler nutzen, um die Gemeinschaftspolitik zu unterstützen.

 
  
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  Karin Jöns (PSE). Verfasserin Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine sehr wichtige und auch sehr gute Debatte. Wir haben einmal mehr gezeigt, dass das Europäische Parlament wirklich an der Seite der Frauen, die an Brustkrebs erkranken, und auch an der Seite ihrer Familien steht. Meines Wissens sind wir übrigens das einzige Parlament in der Europäischen Union, das sich regelmäßig im internationalen Brustkrebsmonat mit Strukturverbesserungen bei der Behandlung und Früherkennung von Brustkrebs auseinandersetzt.

Der Kommission möchte ich heute ausdrücklich dafür danken, dass sie uns die Zusage gegeben hat, nun auch ein Zertifizierungsverfahren für die interdisziplinären Brustzentren und für das Berufsbild der Brustkrankenschwester entwickeln zu lassen. Aber, meine Herren Kommissare, wenn Sie diese Leitlinien auch ins Netz stellen würden, wären wir richtig zufrieden, denn im Zeitalter der modernen Kommunikation wäre dies kein übereilter Schritt! Wir geben auch die Hoffnung nicht auf, dass Sie die bisherigen Leitlinien nicht nur in Buchform auf den Markt bringen.

Diese Debatte hat aber auch erstmals einen völlig neuen Gesichtspunkt in den Mittelpunkt gerückt, nämlich den Umgang mit den erkrankten Frauen im Arbeitsprozess bzw. ihre Reintegration in den Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang ist eine Sensibilisierungskampagne der Arbeitgeber gefordert worden. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Špidla, haben Sie uns dies heute auch zugesagt. Vielen Dank! Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist eine Charta über die Rechte von chronisch Erkrankten am Arbeitsplatz. Ich denke, dass sich der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten dieses Themas annehmen wird.

Abschließend noch eine Bemerkung: Man weiß nicht, wie man mit Brustkrebspatientinnen umgehen soll. Die Antwort ist: Genauso wie mit anderen Krebspatienten. Man sollte sie nicht stigmatisieren, was leider immer wieder geschieht, sondern einfach ganz normal mit ihnen umgehen, womit ihnen wahrscheinlich am meisten geholfen ist.

 
  
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  Die Präsidentin. Vielen Dank, Frau Jöns. Unzulässigerweise schließe ich mich, obwohl ich die Aussprache nur leiten soll, der Aufforderung von Frau Jöns an, dass Sie die Leitlinien ins Netz stellen. Die Kommission hat es nicht nötig, sich über das Buch zu refinanzieren.

 
  
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  Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich danke den Damen und Herren Abgeordneten für eine sehr interessante und hilfreiche Debatte. Ich wusste von Anfang an, dass wir auf derselben Seite sind, aber es ist gut, sich gegenseitig zu bestätigen, wann immer es möglich ist. Ich würde gern ganz kurz auf ein paar konkrete Punkte eingehen und mich dann allgemein zu der diskutierten Problematik äußern.

Wir wissen um das Problem Brustkrebs bei Männern, das Herr Bowis angesprochen hat. Wir müssen dies als seltene Krankheit behandeln, weil es weit weniger häufig auftritt als bei Frauen. Wir behandeln es gegenwärtig schwerpunktmäßig und werden uns sehr bald mit Fachleuten beraten, um festzustellen, wie wir es in die künftigen Leitlinien einbinden können, aber als seltene Krankheit – so, wie wir mit anderen seltenen Krankheiten verfahren.

Zur Forschung möchte ich wiederholen, dass umweltbedingte Ursachen eingeplant sind. Das neue Siebte Rahmenprogramm wird die Chance bieten, in diesen Forschungsbereich vorzustoßen. Bei der Untersuchung der Wechselwirkung von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen und des Auftretens von Krebs werden auch Fragen wie Lebensstil und andere Hochrisikofaktoren eine Rolle spielen. Wir werden dann viel mehr über die Ursachen dieser Krankheit erfahren können. Das ist eine Priorität, denn Vorbeugung ist wesentlich wichtiger als die Krankheit dann behandeln zu müssen.

Herr Adamou hat die Frage anderer Krebserkrankungen angesprochen. Wir befassen uns mit diesen und stellen nicht nur eine in den Vordergrund. Jede ist ein spezieller Fall und braucht spezielle Leitlinien und ein spezielles Vorgehen. Wir gehen davon aus, dass wir bis nächstes Jahr Leitlinien zum Gebärmutterhalskrebs haben, bis 2008 für Prostatakrebs und bis 2009 für Darmkrebs. Wir müssen bewerten, wir brauchen Forschung, wir müssen alles zusammenführen und dann Leitlinien aufstellen.

Wir arbeiten auch an anderen Bereichen, wie etwa zu den Hepatitis-B- und –C-Viren, weil wir wissen, dass sie Leberkrebs verursachen, und ebenso zu Tabak, Adipositas und anderen Krebsursachen.

Wir haben Leitlinien und Empfehlungen darüber herausgebracht, wie die Mitgliedstaaten damit und mit den Unterschieden umgehen. Diese haben keine Rechtskraft, wir können sie also den Mitgliedstaaten nicht aufzwingen. Sie stellen nachahmenswerte Praktiken dar. Mit Ihrer Hilfe können wir die Mitgliedstaaten dazu bewegen und drängen, die Leitlinien zu befolgen. Ich hoffe auf eine Debatte darüber, sobald wir den Bericht verfasst haben. Dann sind wir in der Lage, das Ergebnis und das Engagement der Mitgliedstaaten zu diskutieren.

Dies ist ein Besorgnis erregendes Problem. Die Zahlen sind erschreckend. Wenn wir hier schon Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben müssen, damit sie ihre Arbeit tun, dann können Sie sich vorstellen, was bei seltenen Krankheiten geschieht, von denen nicht so viele Menschen betroffen sind. Dort ist der politische Druck nicht so groß, um es zynisch und unverblümt zu formulieren. Wenn man genauer darüber nachdenkt, könnte man in Panik verfallen, aber das dürfen wir nicht. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtungen erfüllen, die sie eingehen, und die Leitlinien befolgen, denen sie zustimmen. Wir werden daran arbeiten, nicht nur im Hinblick auf Brustkrebs, sondern bei allen Unterschieden, die leider in der Europäischen Union nach wie vor bestehen, innerhalb von Mitgliedstaaten und zwischen ihnen. Dies ist nicht die solidarische Europäische Union, nach der wir alle streben und der wir alle beigetreten sind.

Das gilt für den Einsatz von Strukturfondsmitteln. Das Geld ist da, aber wenn Ausgaben zur Gesundheit von den Mitgliedstaaten nicht als Priorität eingestuft werden, dann können wir nichts machen. Auch hier ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten die Maßnahmen übernehmen.

Wenn die Mitgliedstaaten nicht anerkennen, dass Gesundheitsausgaben keine Kosten, sondern Investitionen sind – und davon müssen wir sie überzeugen –, wird sich die Lage nicht verbessern. Daran müssen wir gemeinsam und vereint arbeiten.

 
  
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  Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen für die sehr fruchtbare Aussprache danken, die unter verschiedenen Blickwinkeln zur Klärung der Problematik Brustkrebs beigetragen hat. Ich begrüße die Tatsache, dass im Verlaufe der Aussprache auch andere Probleme wie beispielsweise soziale Fragen in den Vordergrund gerückt sind. Das zeigt, dass es bei dieser Krankheit um weit mehr als rein medizinische Faktoren geht und auch die Bekämpfung der Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft insgesamt eine Rolle spielt.

Klar ist auch, dass die direkten Möglichkeiten der EU begrenzt sind, obwohl wir nicht einmal die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten richtig ausschöpfen, und meiner Ansicht nach ist das eine unserer größten Herausforderungen. Ich möchte dem Parlament generell danken, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir dieses Problem direkt oder indirekt wirklich lösen können, wenn wir in unserer Entschlossenheit nicht nachlassen und an unserem politischen Willen festhalten. Ausgehend davon, dass die Sozial- und Gesundheitspolitik immer in Einheiten gemessen wird und dass es sich bei diesen Einheiten um Menschen handelt, können sämtliche Fortschritte, wie groß oder klein sie auch sein mögen, letztlich in Menschenleben umgerechnet werden, und ich bin überzeugt davon, dass wir entsprechende Fortschritte erzielen können und dass das Ergebnis klar sein wird.

 
  
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  Die Präsidentin. Zum Abschluss der Aussprache wurde gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung der Entschließungsantrag B6-0528/2006 eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 
  
  

VORSITZ: Pierre MOSCOVICI
Vizepräsident

 

6. Förderprogramm für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Kultur und Bildung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates zur Umsetzung eines Förderprogramms für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (06233/2/2006 – C6-0271/2006 – 2004/0151 (COD)) (Berichterstatterin: Ruth Hieronymi) (A6-00337/2006).

 
  
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  Ruth Hieronymi (PPE-DE), Berichterstatterin. – Herr Präsident! Wir beraten heute über MEDIA 2007, das ist die dritte Programmgeneration zur Förderung der Europäischen Filmindustrie.

Ich möchte mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Kultur und Bildung und aus den mitberatenden Ausschüssen für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken, vor allem aber auch bei Frau Kommissarin Reding und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die gemeinsam mit dem Parlament alles versucht haben, um zur erfolgreichen Weiterentwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie beizutragen.

Exakt heute vor einem Jahr, am 25. Oktober 2005, haben wir diesen Programmentwurf hier im Parlament mit breiter Zustimmung verabschiedet. Unser Ziel war es, das Programm rechtzeitig – und das heißt frühzeitig – zu verabschieden, sodass es auch tatsächlich zum 1. Januar 2007 für die Filmschaffenden in Europa zur Verfügung stehen konnte. Leider hatte der Europäische Rat nicht die Weitsicht, diesem Zeitplan zu folgen, und bescherte uns zunächst schwierige Finanzverhandlungen.

Das Programm MEDIA 2007 hat die gleiche Struktur wie die erfolgreichen Vorgängerprogramme MEDIA und MEDIA PLUS. Es deckt den Bereich der Ausbildung, der Entwicklung und des Vertriebs im audiovisuellen Sektor ab, nicht jedoch den der Produktion. Hier liegt die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten. Das MEDIA-Programm ist deshalb so außerordentlich wichtig, weil – wie wir alle wissen – der audiovisuelle Sektor einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektoren nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt ist. Wenn Europa mithalten will, muss es die Weichen richtig stellen.

Das Programm MEDIA gibt Antwort auf zwei zentrale Probleme des europäischen audiovisuellen Marktes: Das eine ist die Zersplitterung des Marktes insbesondere aufgrund unserer kulturellen, sprachlichen und nationalen Vielfalt. Das ist ein Reichtum, einer der wichtigsten Reichtümer Europas, aber es ist gleichzeitig eine große Herausforderung für die Marktentwicklung. Zweitens leidet der audiovisuelle Markt in Europa unter chronischer Unterkapitalisierung. Das MEDIA-Programm gibt erfolgreich Antwort auf diese Herausforderungen.

90 % aller grenzüberschreitenden Filme in Europa wurden durch das MEDIA-Programm gefördert, und jeder Euro, der über das MEDIA-Programm investiert wird, bringt 20 Euro an Folgeinvestitionen. Es war vor diesem Hintergrund deshalb sehr richtig, dass die Kommission und insbesondere Frau Kommissarin Reding sich dafür eingesetzt haben, dass hier eine ausreichende Förderung durch die Europäische Union vorgesehen wird, und einen Betrag von einer Milliarde Euro vorgeschlagen haben. Leider konnte dieser Betrag in den Verhandlungen mit dem Rat nicht durchgesetzt werden, er wurde auf 671 000 Millionen Euro gekürzt. Damit erhalten wir lediglich den Status quo und erreichen keine Fortentwicklung.

Trotzdem gibt es drei Prioritäten beim neuen Programm: erstens die Digitalisierung, zweitens die stärkere Kooperation auf allen Ebenen und drittens den besseren Zugang zu Finanzinstituten, die auf die Filmförderung spezialisiert sind. Insgesamt kann ich nur sagen: Wir sprechen uns nachdrücklich für einen schnellen Start des Programms, eine erfolgreiche Umsetzung und beim nächsten Mal hoffentlich auch eine ausreichende Finanzausstattung aus.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß, dass das Parlament ebenso wie ich große Stücke auf das Pogramm MEDIA hält, das sich bewährt und den europäischen audiovisuellen Sektor von Anfang an unterstützt hat. Uns liegt jetzt die vierte Generation dieses Programms vor, und die Tatsache, dass wir die Basisstruktur beibehalten und gleichzeitig konkrete Elemente im Zusammenhang mit dem technologischen Fortschritt erneuert haben, zeigt, dass das Programm sich bewährt hat, dass es wichtig ist und von der Branche einmütig anerkannt wird, sowie dass es von wesentlicher Bedeutung für die Zukunft unseres audiovisuellen Schaffens und Erbes ist.

Herr Präsident, ich freue mich über die ständige Unterstützung durch das Europäische Parlament und insbesondere die konstruktive und uneingeschränkte Unterstützung durch seine Berichterstatterin, Frau Hieronymi. Die Empfehlung für die zweite Lesung stellt einen weiteren Schritt auf dem Wege zu einem zügigen Inkrafttreten des Programms im Jahr 2007 dar. Das Parlament hat seine Arbeit getan, nun stehen noch die letzten Beschlüsse auf der Ebene des Rates aus. Ich hoffe, dass auf diese Weise die Akteure des audiovisuellen Sektors ab nächstem Jahr ohne Probleme und ohne Unterbrechung in den Genuss dieser Förderung kommen können, die aus mehreren Gründen unerlässlich ist: einmal für die europäische kulturelle Vielfalt, dann für die Produktion europäischer Werke und schließlich für eine starke Inhalteindustrie. Was mich betrifft, so werde ich mich wie in der Vergangenheit für die Annahme dieses Beschlusses einsetzen, der eine wichtige Etappe für die Zukunft des europäischen audiovisuellen Sektors darstellt.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(EL) Herr Präsident! Den heutigen Vorschlag für die Annahme des Gemeinsamen Standpunkts zur Entscheidung über die Umsetzung eines Förderprogramms für den europäischen audiovisuellen Sektor durch das Europäische Parlament haben wir meines Erachtens der Beharrlichkeit und systematischen Arbeit sehr vieler Beteiligter, insbesondere der Berichterstatterin Ruth Hieronymi, zu verdanken, die auch ich als Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter aufrichtig beglückwünschen möchte, ebenso wie Kommissarin Reding, die federführend in der MEDIA-Programmreihe ist.

Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Rat haben wir die endgültige Fassung des Programms MEDIA 2007-2013 erarbeitet, das der Entwicklung des europäischen audiovisuellen Sektors einen besonderen Mehrwert verleiht, der neben seinen wirtschaftlichen Nutzen und Gewicht sowie dem erhofften Beitrag zur Entwicklung der Beschäftigung in der Europäischen Union und der Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Industrie auch einen besonderen sozialen und kulturellen Wert hat.

Der audiovisuelle Sektor verfügt heutzutage über ein hohes Potenzial zur Überwindung von Geschlechterstereotypen und zur Weiterentwicklung der Einstellungen und Verhaltensweisen der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage von Traditionen, unveränderten Werten und Achtung der Würde und Einzigartigkeit des Menschen.

Das Europäische Parlament hat dazu beigetragen, dass die Vorproduktions- und Postproduktionsphase bei den meisten europäischen AV-Produzenten mehr Gewicht bekommt. Dadurch wird das neue Programm MEDIA 2007 weiterhin deren Bedeutung für die Förderung des kulturellen Dialogs und des sprachlichen und kulturellen Erbes betonen.

Wir hoffen auch, dass im Rahmen der Globalisierung der Wettbewerbsfähigkeit und der strategischen Ziele von Lissabon eine europäische Industrie gefördert werden wird, die respektiert wird, stark und inhaltlich vielfältig ist, um die europäischen Werte weiterzuentwickeln und zugänglich zu machen, indem der Förderung seltener gesprochener Sprachen mehr Beachtung geschenkt wird ...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Marianne Mikko, im Namen der PSE-Fraktion. – (ET) Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Hieronymi, nochmals gratulieren. Sie hat MEDIA 2007 mit großem Geschick zu einem hervorragenden Dokument zur Förderung der europäischen Filmindustrie entwickelt.

Ich freue mich, bin gleichzeitig jedoch besorgt. Ich freue mich, dass sich die Digitalisierung zu einem zentralen Bestandteil des Programms MEDIA 2007 entwickelt hat, aber Sorge bereitet mir die Tatsache, dass die europäische Filmindustrie mit der derzeitigen Finanzierung nicht konkurrenzfähig ist.

Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, der sich der europäische audiovisuelle Sektor stellen muss, um seine Innovationsfähigkeit zu entwickeln. Sie sollte helfen, die Zersplitterung des europäischen Marktes zu überwinden.

Ich möchte der Kommission, dem Rat sowie allen meinen Kollegen danken, die meine Standpunkte als Schattenberichterstatterin unterstützt haben. Was die aktuelle Situation betrifft, so können US-Produktionen auf den europäischen Fernsehbildschirmen erneut Rekordanteile verbuchen. Hollywood beherrscht auch unsere Kinos.

Es gab eine Zeit, da gehörte das Kino Fassbinder und der französischen neuen Welle. In jüngerer Vergangenheit gehörte es Kaurismäki und der Dogma-Gruppe. Heute will das intelligente europäische Filmpublikum asiatische Filmproduktionen sehen.

Ich weiß, dass der Aufstieg brillanter Filmemacher weitgehend vom Zufall abhängt. Die derzeitige Unterfinanzierung bedeutet, dass das nächste europäische Filmgenie in Amerika oder in einer ganz anderen Branche arbeiten wird.

Die Medien sind nicht nur eine Industrie. Sie sind ein Mittel zur Gestaltung einer Identität, und weil die Europäische Union nicht ohne europäische Identität funktionieren kann, möchte ich nochmals darauf verweisen, wie ungemein wichtig es ist, dass wir unsere Filmindustrie unterstützen.

Ich möchte mich bei Ihnen allen für die geleistete Arbeit bedanken, aber ich muss abschließend feststellen, dass das im Bereich der Finanzierung Erreichte hinter dem Stand zu Beginn unserer Arbeit zurückbleibt. Aus diesem Grund tut Europa mir Leid.

 
  
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  Alfonso Andria, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Bereits vor einem Jahr haben wir anlässlich der ersten Lesung die ausgezeichnete Arbeit der Berichterstatterin gewürdigt, und ich möchte sie heute erneut zu ihrer aktuellen Arbeit beglückwünschen. Außerdem haben im September dieses Jahres Frau Hieronymi, ich und andere EP-Mitglieder diese Themen mit Mitgliedern der italienischen Regierung und Akteuren der Branche in einer langen und interessanten Diskussion im Rahmen der 57. Auflage des renommierten Filmfestivals in Venedig erörtert.

Wir wissen, dass es Verzögerungen gab. Das Europäische Parlament hat mit großem Verantwortungsbewusstsein extrem schnell reagiert und legt heute dem Plenum den endgültigen Text des Berichts über das MEDIA-Programm vor, das selbstverständlich erheblich verbessert wurde, indem die Ressourcen für mögliche Begünstigte zugänglicher gemacht, die Zusammenarbeit mit anderen EU-Programmen im Bereich Aus- und Weiterbildung und Forschung verstärkt sowie der Kreditzugang für die audiovisuelle Industrie erleichtert wurden, um die chronische Unterkapitalisierung des Sektors zu überwinden.

Darüber hinaus ist der Einsatz neuer Technologien eine unverzichtbare Voraussetzung für Kosteneinsparungen und demzufolge für die Wettbewerbsfähigkeit. Ich schlage deshalb vor, dass es die Kommission übernimmt, die durchgeführten Pilotprojekte zu bewerten und etwaige positive Erfahrungen, die damit gesammelt wurden, zu verbreiten.

Abschließend möchte ich den Vorschlag, den ich im letzten Jahr in diesem Hohen Haus im Zusammenhang mit dem Bericht über die Bewahrung des Filmerbes einbrachte, erneut unterbreiten; er betrifft die Schaffung einer europäischen thematischen Kinothek, die eine sorgfältige Auswahl von Kinofilmen über historische Ereignisse und Geschehnisse im Zusammenhang mit dem EU-Projekt gewährleisten soll.

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich zuerst sehr herzlich bei Ruth Hieronymi für ihre Arbeit bedanken und auch bei Frau Kommissarin Reding für die gute Kooperation.

In der Tat geht es bei unserer Medienpolitik darum, die spezifische ästhetische Sprache der europäischen Filme weiterzuentwickeln. Es gehört zum Herz unseres kulturellen Selbstverständnisses, gegen die Dominanz Hollywoods anzukämpfen und unsere eigenen, vielfältigen, europäisch geprägten Filme zu zeigen sowie deren Produktion und Distribution zu ermöglichen. Wir wissen, dass die audiovisuelle Industrie auch für die Lissabon-Strategie und die ökonomische Entwicklung Europas außerordentlich wichtig ist. Dies ist jedoch nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine zutiefst kulturpolitische Frage sowie eine Frage der kulturellen Identität und der kulturellen Vielfalt.

Ich unterstütze meine Vorrednerinnen und Vorredner in der Feststellung, dass die Kapitalisierung zu gering ist, dass wir einen schnellen Start und eine bessere Finanzausstattung unseres Medienprogramms brauchen.

 
  
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  Seán Ó Neachtain, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Auch ich möchte der Berichterstatterin, Frau Hieronymi, zur ihrer Arbeit und Kommissarin Reding zur ihrer Arbeit zur Unterstützung dieses Programms beglückwünschen.

Ich befürworte die Fortsetzung des Programms MEDIA für den Zeitraum 2007-2013. Wir müssen bedenken, dass Europa näher zusammenrückt und es im Zuge dessen sehr wichtig ist, dass wir unsere verschiedenen kulturellen und sprachlichen Unterschiede innerhalb der EU schützen und fördern. Wir müssen stets daran denken, dass die Vielfalt Europas seine größte Stärke ist. Im Wesentlichen wird das Programm MEDIA den Ausbau des audiovisuellen Sektors in Europa in den kommenden sechs Jahren unterstützen.

Durch die Abänderungen des Europäischen Parlaments ist sichergestellt, dass die Bedeutung des europäischen Kinos für den Dialog zwischen den Kulturen, für die sprachliche und kulturelle Vielfalt und die Nichtdiskriminierung im Rahmen des MEDIA-Programms nun anerkannt wird.

 
  
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  Thomas Wise, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Dieser Vorschlag ist ein weiterer Schachzug im Bemühen, einer nichts ahnenden Öffentlichkeit EU-Ideale und Zensur aufzuerlegen. Hier geht es doch weniger um die Förderung von Sektoren in der EU als vielmehr darum, sie vor Konkurrenz von außen in der realen Welt zu schützen.

Da muss ich fragen: Warum ist dieser Vorschlag notwendig? Nun, vielleicht weil die EU bei der Umsetzung eines solchen Programms noch einen weiteren Bereich ausnutzen kann, wo ihre Botschaft an Leute gesandt werden kann, die nicht glauben oder damit rechnen werden, dass man sie manipuliert. Ich zitiere: „Es wird darauf hingewiesen, dass (...) das MEDIA-Programm nun eindeutiger hinweist auf die Bedeutung des europäischen Kinos für den Dialog zwischen den Kulturen“. Doch man ignoriert völlig den umfassenderen Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen Europas und der Welt, beispielsweise des indischen Subkontinents. Nicht nur das, sondern jeder einzelne Punkt dieses Berichts steht für einen weiteren Versuch, in eine kommerzielle Aktivität einzugreifen.

Man sagt uns, dass das Programm 671 Millionen Euro kosten wird. Wir wissen auch: Wes Brot ich esse, des Lied ich singe. Aber wo ist der Mehrwert? Wer hat etwas davon? Man ignoriert, was die Leute vielleicht sehen wollen, wenn sie die freie Wahl hätten. Die EU wird allerdings etwas davon haben, indem sie den Markt in den Köpfen der Bürger verzerrt. Ach ja, EU-Bürger, diese armen Leute, denen eine Bürgerschaft aufgezwungen wurde, aus der es noch kein Entrinnen gibt!

 
  
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  Tadeusz Zwiefka (PPE-DE). – (PL) Ich möchte der Berichterstatterin zunächst für ihre ausgezeichnete Arbeit danken. Wie wir alle wissen, stellt der audiovisuelle Sektor, der über einer Millionen Menschen Arbeit bietet, ein sehr wichtiges Element unserer Wirtschaft dar. Außerdem spielt dieser Sektor eine ganz entscheidende gesellschaftliche und kulturelle Rolle, denn schließlich besitzen fast alle europäischen Haushalte ein Fernsehgerät.

Leider, und diese Feststellung ist für mich sehr schmerzlich, entfallen lediglich 26 % des europäischen Filmmarktes auf in Europa produzierte Filme, während amerikanische Produktionen mit 71 % zu Buche schlagen. Ich kann die Meinung meines Vorredners, dass hier irgendeine Kraft am Werk ist, nicht teilen. Es ist in der Tat unsere Aufgabe, dem europäischen Publikum die Wahl zu lassen. Dabei müssen aber auch qualitativ wertvolle europäische Produktionen zur Wahl stehen, denn die von mir eben genannten Anteile sagen nichts über die Qualität der Filme aus, die wir uns ansehen können. Es ist daher zu hoffen, dass das Programm MEDIA 2007 hilft, dieses Missverhältnis zu beheben.

Die Stärkung der kulturellen Vielfalt in Europa und der europäischen Filmproduktion ist ein hehres Ziel, das wir aber nur erreichen, wenn wir gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen audiovisuellen Sektors stärken. Die Digitalisierung ist natürlich eine Möglichkeit, um etwas gegen die Zersplitterung und Unterfinanzierung des europäischen Filmmarktes zu unternehmen, aber was wir wirklich brauchen, ist ein besseres Vertriebssystem auf dem europäischen Markt und auch auf den internationalen Märkten. Der technische Fortschritt in Form von digitalen Diensten ermöglicht heute eine wesentlich bessere Verbreitung europäischer audiovisueller Produkte. Doch die mangelnde Teilnahme des privaten Sektors vor allem im Rahmen von Kapitalbeteiligungen im audiovisuellen Bereich wird einer umfassenden Umsetzung des Programms MEDIA 2007 im Wege stehen. Das derzeitige Angebot an Finanzierungsmöglichkeiten für audiovisuelle Produktionen ist vor allem für kleinere Filmproduktionsfirmen völlig unzureichend. Das Gleiche gilt für Zuschüsse für junge Filmemacher.

Ich gehe davon aus, dass das Programm MEDIA 2007 nicht nutzlos verpuffen wird.

 
  
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  Nikolaos Sifunakis (PSE).(EL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Heute ist ein besonders wichtiger Tag für den Ausschuss für Kultur und Bildung, da die Berichte meiner Kollegen und Freunde Frau Hieronymi, Herr Graça Moura, Frau Gröner, Frau Pack und Herr Takkula über die Mehrjahresprogramme für den audiovisuellen Sektor, Kultur, Jugend, Bildung und die europäische Nationalität zur endgültigen Billigung im Plenum vorliegen. Die Mitglieder unseres Ausschusses haben unsere Gratulation verdient.

Trotz der Verzögerung bei der Annahme der Programme, die auf Probleme bei der Einigung auf die Finanzielle Vorausschau zurückzuführen war, sind wir davon überzeugt, dass diese Programme nach wie vor von Nutzen sein werden, auch wenn sie unzureichend sind.

Vor allem das Programm MEDIA kann wesentlich zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Filmindustrie beitragen, weil es die Entwicklung audiovisueller Werke, die Ausbildung sektorspezifischer Fachkräfte sowie die Verbesserung des Vertriebs und der Verbreitung europäischer Werke finanziell unterstützt. Hier müssen wir auch die Bemühungen von Frau Reding hervorheben.

Die Entwicklung und Förderung europäischer Filme ist für die Wahrung der kulturellen Vielfalt wie auch für die wirtschaftliche Entwicklung und die Beschäftigung von maßgeblicher Bedeutung. Leider ist der große Reichtum an sprachlicher und kultureller Vielfalt in Europa auch die Ursache für ein noch größeres strukturelles Problem auf dem audiovisuellen Markt. Ich meine die starke Zersplitterung der nationalen Märkte, wegen der die europäische Filmindustrie keinen größeren Anteil am europäischen und Weltmarkt erreichen kann.

MEDIA 2007 muss dazu beitragen, gegen die fehlende grenzüberschreitende Verbreitung europäischer Werke vorzugehen.

 
  
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  Bernat Joan i Marí (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! Zunächst einmal meinen Glückwunsch und Dank an Frau Hieronymi für ihre ausgezeichnete Arbeit und an Kommissarin Reding für die Standpunkte, die sie vertreten hat.

Ich denke, es ist sehr wichtig, den audiovisuellen Sektor und das europäische Kino zu unterstützen, um in Europa Vielfalt und Pluralität zu gewährleisten und um die Entwicklung hin zu den wichtigsten Zielen der Europäischen Union voranzutreiben. Ich finde es auch sehr wichtig für gefährdete Kulturen, für die Sprachen staatenloser Nationen, für Minderheitensprachen und so weiter. Der Verweis auf die regionale und die lokale Ebene im Bericht ist sehr wichtig, weil damit die Notwendigkeit einer wirklichen Vielfalt in der Europäischen Union in den Vordergrund gerückt wird. Das ist eine großartige Unterstützung. Außerdem müssen wir unabhängige Produzenten unterstützen, um die audiovisuelle Produktion zu bereichern und sie stärker in Einklang mit der Wirklichkeit und mit der europäischen Kultur zu bringen.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM).(EL) Herr Präsident! Wenn man in einem beliebigen Land der Europäischen Union fernsieht und nicht die Nachrichten schaut, denkt man, man ist in den Vereinigten Staaten. Die US-amerikanische Kultur regiert, diese abstoßende Kultur mit Gewalt, Verbrechen, Vergewaltigungen und so weiter, die so leicht zu uns nach Hause dringt. Wir müssen die europäische Familie vor dieser Kultur, die nicht zu uns passt, schützen. Darum müssen wir unbedingt das europäische Kino stärken, wir müssen die Kultur und Zivilisation dieses Kontinents stärken, aber ich fürchte sehr, dass die durch den Bericht eingeführten Mittel nichts ausrichten werden.

Das Fernsehen ist „Nitroglycerin“ in den Händen desjenigen, der es kontrolliert. Es bietet die Nahrung, die gewünscht wird. Ich möchte auf Euro News verweisen, das wir finanzieren und das kürzlich bei einer Sache, die etwas mit Fußball zu tun hatte, alle Italiener als Mafiosi bezeichnete. Euro News kommt daher und macht seine eigene Politik, sagt zum Beispiel „Mazedonien“, im Gegensatz zur Europäischen Union, die dieses Land als Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien bezeichnet.

Es geht also darum, dass wir Finanzhilfe leisten und zugleich kontrollieren müssen, wohin unsere Gelder fließen und wie sie zum Teil verwendet werden. Das ist wichtig, wenn wir in einem entscheidenden Bereich erfolgreich sein wollen, weil er meinungsbildend ist. Selbstverständlich kann auch die Geschichte der Mitgliedstaaten mehr Gewicht bekommen, wenn Sie wollen. Ich kenne die Geschichte Polens nicht, so wie die Polen die Geschichte Griechenlands nicht kennen. Wir sind jetzt eine Familie. Wir sollten wissen, woher jeder von uns kommt, wer wir sind und wohin wir gehen wollen. Das muss also finanziert werden, und ich hoffe, es wird entsprechend Vorsorge getroffen, aber natürlich braucht man dazu Mut und nicht die Methode, nach der wir dieser Tage vorgehen.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, lassen Sie mich dem Europäischen Parlament und vor allem dem Ausschuss für Kultur und Bildung, seinem Vorsitzenden und seiner Berichterstatterin nochmals für ihre wertvolle Unterstützung im Interesse der europäischen Kreativität und der Vielfalt des Filmschaffens danken.

Ich teile die Auffassung und die Anliegen der Abgeordneten, die sagen, dass die Finanzausstattung leider nicht unseren Ambitionen entspricht. Wir haben nicht die Mittel erhalten, die wir beantragt hatten. Ich bedauere das, aber es ist eine Tatsache. Wir müssen daher alles tun, um das neue Programm trotz der geringeren Finanzausstattung zum Anlass zu nehmen, um einen Neuanfang zu wagen, uns auf die Maßnahmen zu konzentrieren, die einen echten europäischen Mehrwert aufweisen, und die nationalen Regierungen zu bitten, die übrigen Aktionen zu übernehmen.

Wie die Berichterstatterin sehr gut erläutert hat, werden wir an den Aktionen festhalten, die sich im Laufe der Jahre bewährt haben. Weiterhin werden wir beispielsweise die Förderung von Video-on-demand hinzufügen, das immer größere Priorität einnimmt. Im Übrigen werden wir die Digitalisierung fördern, die eine Chance vor allem für den Vertrieb europäischer Werke darstellt, und wir werden die Vertriebsförderung verbessern, um die notwendigen Synergien für die Ausstrahlung von Online-Filmen zu schaffen. Darüber hinaus werden wir eine neue Aktion starten, um die Präsenz europäischer Filme auf den jungen Märkten anderer Kontinente zu fördern. Soweit zu den wichtigsten Elementen dieser Initiative, die auf fast einmütige Zustimmung beim Europäischen Parlament, beim Ministerrat und auch bei den Fachleuten stößt. Danke, Herr Präsident, für die Hilfe des Parlaments, die außerhalb unseres Rahmens von den Zuschauern wie auch von den Filmschaffenden gewürdigt werden wird.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 

7. Kultur-Programm (2007-2013) (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Kultur und Bildung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kultur“ (2007-2013) (06235/3/2006 – C6-0269/2006 – 2004/0150(COD)) (Berichterstatter: Vasco Graça Moura) (A6-0343/2006).

 
  
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  Vasco Graça Moura (PPE-DE), Berichterstatter. – (PT) Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Verfahren, das mit der Abstimmung zum Rahmenprogramm „Kultur“ für den Zeitraum 2007-2013 in zweiter Lesung seinen Höhepunkt finden wird, war kompliziert und langwierig: langwierig vor allem wegen einer Reihe von Rückschlägen im Zusammenhang mit der Finanziellen Vorausschau, wie wir uns erinnern, und kompliziert aufgrund des Charakters der Problematik und der großen Vielfalt der Beiträge zur Debatte von allen Mitgliedern der anderen Ausschüsse, die ihre Auffassungen gegenüber den Mitgliedern des direkt befassten Ausschusses zum Ausdruck brachten.

Aus all diesen Beiträgen entstand ein ergiebiger Dialog über das Rahmenprogramm „Kultur“ (2007-2013), das dann die erste Lesung durchlief und jetzt den derzeitigen Verfahrensstand erreicht hat. Dieser Prozess war gekennzeichnet von formellen und informellen Interventionen sowohl der Kommission als auch des Rates, was zu einem fruchtbaren Meinungsaustausch und übereinstimmenden Standpunkten führte, die man nur als äußerst positiv bezeichnen kann.

Im Ergebnis all dessen haben die meisten Änderungsanträge, die dieses Parlament in der ersten Lesung angenommen hat, Eingang in den Gemeinsamen Standpunkt gefunden. Von diesen Änderungen möchte ich besonders den ausdrücklichen Verweis in den Erwägungen und im Text von Artikel 3 auf die Bedeutung des gemeinsamen kulturellen Erbes der Europäer nennen, ein Gedanke, der die Zielsetzungen des Programms auf den Punkt bringt.

Wir müssen deshalb jederzeit die Verwirklichung der spezifischen Ziele überwachen, die durch das Programm im Hinblick auf dieses so umfangreiche Erbe festgelegt werden, das seit Jahrhunderten in allen Bereichen der menschlichen Aktivität verwurzelt ist. Da diese Bereiche unsere Zivilisation und Kultur betreffen, sind sie auch Ausdruck unserer Identität.

Es ist außerdem gelungen, zufriedenstellende Modalitäten für die Dauer der Maßnahmen zu vereinbaren, die planmäßig ein bis fünf Jahre dauern sollen; für die Intervention von Kulturakteuren, deren Zahl je Land je nach Art der Maßnahme variiert, sowie für die Mittel, die aus dem Haushalt für jeden beteiligten Sektor gewährt werden, insbesondere die Gewährung zusätzlicher Ressourcen für Kooperationsmaßnahmen, das heißt für kleinere Vorhaben, im Gegensatz zu größeren oder mehrjährigen Kooperationsvorhaben. Damit wird es möglich sein, Maßnahmen kleiner Akteure zu berücksichtigen, die in der Regel durch größere Bürgernähe geprägt sind, ohne die größeren, auffälligeren Aktionen zu vernachlässigen, an denen mehr Länder über einen längeren Zeitraum beteiligt sind.

Abgesehen davon möchte ich noch die Aufnahme spezieller Maßnahmen zur Sensibilisierung der Bürger Europas für die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten hervorheben. Einige dieser Aktionen laufen bereits, beispielsweise die Kulturhauptstädte Europas und die Förderung von auf kulturellem Gebiet tätigen europäischen Einrichtungen, die eine sehr wichtige Rolle als Botschafter für die europäische Kultur spielen und von denen viele in der Vergangenheit maßgebliche Unterstützung aus dem Parlament erhalten haben.

Falls sich die Bestimmungen aufgrund der geltenden Haushaltsordnung ändern und diese Einrichtungen dann die Hilfe beantragen müssen, die sie im Rahmen des Programms „Kultur“ (2007-2013) benötigen, dürfen sie auf keinen Fall übersehen werden, und sie müssen ihre Maßnahmen weiter durchführen können.

Die Kommission und der Rat erwarten, dass das Programm durch seinen fachübergreifenden Charakter sehr flexibel sein wird und viele innovative Vorschläge fördern kann. Trotz einiger Vorbehalte, die ich in der Aussprache zur ersten Lesung geäußert habe, hoffe ich aufrichtig, dass sie Recht haben.

Vor diesem Hintergrund, dass Einrichtungen zusammenarbeiten und in die gleiche Richtung wirken, gibt es nur einen negativen Punkt, der leicht auszumachen ist. Ich meine die Mittel, die für das Programm „Kultur“ (2007-2013) gewährt werden und die man nur als sehr dürftig bezeichnen kann. Einige von uns – also nicht nur ich, der Berichterstatter – haben in der ersten Lesung auf diesen Punkt aufmerksam gemacht.

Es handelt sich hier um ein Programm der dritten Generation, das weiter gehen und wirksamer sein soll als seine Vorgänger. Es umfasst eine breitere Palette von Maßnahmen und verfügt über eine größere Zahl interessierter Mitgliedstaaten. Das Programm beinhaltet auch höhere Verwaltungs- und Kontrollkosten, und doch bleiben die Mittelzuweisungen weit hinter dem zurück, was zum Erreichen dieser Ziele notwendig ist, und weit hinter dem, was alle Verantwortlichen – die Mitglieder der Kommission, die Kulturminister, die Kulturvertreter und -akteure und die Politiker – für absolut unverzichtbar halten.

Dennoch sollten wir uns wünschen, dass das Programm „Kultur“ (2007-2013) ein großer Erfolg wird und dass es einen beredten Beitrag zur Entwicklung des Europas leistet, dem wir alle verpflichtet sind.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich freue mich, am Ende der zweiten Verhandlungsrunde hier zu sein. Ich spüre ein sehr gutes Gefühl über den Fortgang bei der Schlussabstimmung und dem Beschluss. Wir betrachten jetzt die Bandbreite der Programme, für die ich zuständig bin, wozu Jugend, Bildung und die Bürgerschaft gehören.

Wir beginnen mit der Kultur. Dies ist von großer Symbolkraft und Bedeutung, denn unserer Meinung nach kann Kultur – wie in der Vergangenheit – viele wichtige Antworten zur Zukunft Europas geben. Ich erinnere nur daran, dass Präsident Barroso im Dezember 2004 feststellte, dass kulturelle Werte über den wirtschaftlichen rangieren, denn die Wirtschaft hilft uns zu leben, aber die Kultur macht das Leben erst lebenswert.

Ich freue mich sagen zu können, dass das gesamte Gesetzgebungsverfahren von einer ausgezeichneten Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen unseren Institutionen geprägt war und uns zu einem sehr befriedigenden Kompromiss geführt hat. Besonders möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Graça Moura, für seine hervorragende Arbeit danken, und aus den gleichen Gründen dem gesamten Ausschuss für Kultur und Bildung unter Leitung seines Vorsitzenden, Herrn Sifunakis. Die Unterstützung des Ausschusses für dieses Programm ist ein wichtiger Beitrag für den anstehenden Beschluss.

Ebenfalls erfreut bin ich darüber, dass die von der Kommission im ursprünglichen Vorschlag angeregte generelle Linie sowohl vom Parlament als auch vom Rat begrüßt wurde. Somit wird das nächste Programm „Kultur“ erstens die grenzüberschreitende Mobilität von Menschen, die im Kultursektor tätig sind, zweitens die internationale Verbreitung von Kunstwerken und drittens den interkulturellen Dialog fördern.

Ich bin ebenfalls überzeugt, dass das Programm dank der von uns geförderten wechselseitigen Aktionen zwischen den Bürgern zum Gedeihen der multilateralen Zusammenarbeit innerhalb Europas wie auch zur Entwicklung einer europäischen Identität beitragen wird. Wir werden 400 Millionen Euro zur Verfügung haben.

Ich möchte auch dem Europäischen Parlament für seine Unterstützung danken. Wir stellen uns vielleicht eine größere Unterstützung vor, aber zuerst müssen wir die Grenzen kennen und dann wächst die Unterstützung und es wird mehr Gelegenheiten geben, eine Zusammenarbeit zu organisieren. Doch wir müssen, wie Herr Graça Moura gerade erklärt hat, effektiv sein.

Ich kann bestätigen, dass die Kommission die drei Änderungsanträge im Bericht akzeptiert; sie entsprechen dem Kompromiss zwischen unseren drei Organen. Ich hoffe sehr, dass der nächste Rat der Kulturminister im November zu einer abschließenden Entscheidung kommt.

 
  
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  Bogusław Sonik, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich unterstütze das Gesamtziel dieses Programms, nämlich die Stärkung eines gemeinsamen europäischen Kulturraums und der europäischen Identität. Das sind sehr lobenswerte Zielsetzungen.

Ich war jedoch erstaunt, im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom Juni dieses Jahres u. a. zu lesen, dass das Programm KULTUR (2007-2013) beiträgt, und ich zitiere: „… zur Stärkung der Querschnittsziele der Gemeinschaft …, insbesondere durch … Beitrag zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung”. Querschnittsziele der Gemeinschaft – was für eine Art von Neusprech ist das denn, meine Damen und Herren? Werden wir hier Zeuge der Wiederauferstehung des sozialistischen Realismus? Bedeutet das, dass das Schlüsselkriterium bei der Beurteilung künftiger Projekte deren vermeintliche Auswirkung auf die Diskriminierung sein wird? Vielleicht sollten wir die Bewertung derartiger Projekte gar der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien oder dem erst kürzlich eingerichteten Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen übertragen. Ich möchte feststellen, dass ich in der vorhergehenden Fassung des Programms – KULTUR 2000 – keinen Verweis dieser Art finden konnte.

Europa war für über 50 Jahre geteilt. Unser Programm sollte deshalb Möglichkeiten vorsehen, damit wir uns besser mit der kulturellen Vielfalt der europäischen Nationen und vor allem der durch den kommunistischen Totalitarismus unterdrückten Kulturen in Mittel- und Osteuropa vertraut machen und einen besseren Einblick gewinnen können. Dieser Gedanke sollte den Vorhaben in der neuen Fassung des Programms KULTUR (2007-2013) zugrunde liegen. Kultur sollte als ein Mittel zur Erleichterung der kulturellen Integration von 27 Mitgliedstaaten verstanden werden und nicht als eine einheitliche Weltanschauung. Kultur muss völlige Freiheit genießen. Sie kann der Sache der Freiheit am besten dienen, wenn sie zu ihrer Verbreitung beiträgt.

 
  
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  Guy Bono, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Gestatten Sie mir zunächst, den Berichterstatter, Herrn Graça Moura, zu seiner Arbeit an einem so wichtigen Thema wie dem Programm Kultur 2007 und vor allem zu der Einigung, die er im Namen des Europäischen Parlaments erzielt hat, zu beglückwünschen.

Ich möchte kurz noch einmal auf die drei Punkte zurückkommen, für die ich mich im Namen der PSE-Fraktion im Kulturausschuss eingesetzt habe. Was erstens den bereichsübergreifenden Aspekt des Programms betrifft, so ist festzustellen, dass die erzielte Einigung in die richtige Richtung geht: Niemand kann etwas gegen die Stärkung der Kohärenz des Programms haben, das es ermöglichen wird, der Zersplitterung ein Ende zu setzen, die so lange für die kulturelle Tätigkeit der Europäischen Union typisch war. Allerdings sind die Absichten eine Sache und die vorgeschlagenen Mittel eine andere.

Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, der Frage des Budgets, die übrigens gerade vom Berichterstatter und auch von dem Herrn Kommissar angesprochen wurde. Ich sage dies und werde es so lange wie notwendig wiederholen: Es nützt der Europäischen Union nichts, ambitionierte Ziele festzulegen, wie die Förderung der kulturellen Vielfalt und Zusammenarbeit, wenn die verfügbaren Haushaltsmittel dem nicht entsprechen und nicht mehr als 15 Cent pro Bürger im Jahr betragen. Wir hatten eine substanzielle Anhebung des Budgets für dieses Programm gefordert, damit es zum Aufschwung einer europäischen Kultur und Identität beitragen kann, der es ermöglicht, den nationalen Egoismus und damit die Krise, die die Union seit nunmehr anderthalb Jahren durchläuft, zu überwinden. Es ist festzustellen, dass die Finanzielle Vorausschau 2007-2013, die die Gemeinschaftsausgaben auf 1 % des BIP der Europäischen Union festschreibt, es uns nicht ermöglichen wird, die Ziele, die wir uns in diesem Programm gesteckt haben, oder die Rolle, die wir der Kultur bei der Errichtung eines stärkeren und solidarischeren Europas zuweisen wollen, zu erreichen. Wir können es uns daher nicht erlauben, dieses Programm ein zweites Mal hintanzustellen, indem wir seine Umsetzung hinauszögern. Wie Aristide Briand sagte, müssen wir, wenn wir nicht die Mittel für unsere Politik besitzen, die Politik nach unseren Mitteln ausrichten! Es gilt jetzt, rasch zu handeln, damit dieses Programm zügig umgesetzt werden kann, um nicht die kulturellen Organisationen vor Ort in Schwierigkeiten zu bringen, die auf diese Finanzmittel angewiesen sind und seit mehreren Monaten auf eine Entscheidung warten.

 
  
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  Claire Gibault, im Namen der ALDE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst Herrn Graça Moura zu der Qualität seiner Arbeit beglückwünschen und ihm dafür danken, dass er stets ein offenes Ohr für unsere Vorschläge hatte. Sein Bericht ist ausgezeichnet, was seitens dieses portugiesischen Schriftstellers und glühenden Verfechters der portugiesischen Sprache nicht verwunderlich ist.

In meiner Eigenschaft als Schattenberichterstatterin für die ALDE-Fraktion fordere ich nachdrücklich, dass das Parlament ihm seine volle Unterstützung gewährt. Dieses Programm umfasst folgende Ziele: Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität der Kulturschaffenden, Förderung der internationalen Verbreitung von Kunstwerken sowie künstlerischen und kulturellen Erzeugnissen und Verstärkung des interkulturellen Dialogs. Nun fragt man sich, wie es uns gelingen soll, mit einem so begrenzten Budget die sprachliche Vielfalt zu bewahren und zu fördern, das Erlernen von Fremdsprachen und die Unterweisung in Musik und darstellender Kunst zu fördern. Man fragt sich auch, wie dieses Programm es ermöglichen soll, die Außenwirkung der Europäischen Union durch die Darstellung ihrer kulturellen Vielfalt und der gemeinsamen Aspekte all ihrer Kulturen zu erhöhen und zu entwickeln.

Ich bin daher sehr enttäuscht, dass die Kommission nicht begriffen hat, welch vorrangige Rolle die Kultur für unsere europäische Identität spielt, und ich finde es besonders schlimm, dass auf der Grundlage der interinstitutionellen Vereinbarung, die den Finanzrahmen für den Zeitraum 2007-2013 enthält, ein so mageres Budget gebilligt werden konnte, das sich nur auf 354 Millionen Euro beläuft, während vom Berichterstatter 600 Millionen gefordert und von der Kommission 408 Millionen vorgeschlagen worden waren.

Prozentual macht das Budget für das Programm „Kultur 2007“ für den Zeitraum 2007-2013 jetzt gerade 0,04 % der im Rahmen der Finanziellen Vorausschau vorgesehenen Haushaltsmittel der Europäischen Union aus.

Alle Künstler Europas werden sich darüber wundern, dass die europäischen Institutionen die Kultur noch immer nur als das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, als einen Luxus, der gegenüber dem Notwendigen nachrangig ist, ansehen. Wenn die Förderung der Kultur darin besteht, den Bewusstseinsstand zu heben und den Obskurantismus zurückzudrängen, so kann Europa mit diesem geschrumpften Budget kein Beispiel setzen.

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich zuerst bei Herrn Graça Moura für seine Arbeit zu diesem wichtigen Aspekt unserer europäischen Politik bedanken.

Immer, wenn wir über die Bedeutung der Kulturpolitik für Europa sprechen, wird gerne zitiert: You do not fall in love with the internal market. Europa ist eben mehr als der Binnenmarkt, auch wenn wir auf ihn nicht verzichten können. Europa hat sehr viel mit der kulturellen Identität und unserem kulturellen Reichtum zu tun, den wir bewahren und weiterentwickeln wollen. Kultur kann Menschen trennen, vor allem, wenn man auf Distinktion setzt. Unsere Kulturpolitik zielt aber darauf, dass Kultur die Menschen Europas verbindet, sie in Kontakt miteinander bringt, ihnen Kontakte ermöglicht und Verbundenheit mit der Welt — mit verschiedenen und vielfältigen Welten — herstellt. Man soll keine Angst vor dem Schleifen von Unterschieden haben, sondern sie fördern. Das ist das Herz unserer europäischen Kulturpolitik.

Darum sind die drei Ziele auch richtig: Förderung des Kulturaustauschs, der Mobilität von Künstlerinnen und Künstlern und des interkulturellen Dialogs. Das geht allerdings nicht mit der Summe, die bisher beschlossen wurde. Wenn wir für Europa in kultureller Hinsicht mehr tun wollen, müssen wir den Mut aufbringen, in den nächsten Jahren auch einen größeren Kulturetat zur Verfügung zu stellen.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański , im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Lebensstandard einer Nation richtet sich nach deren materiellen Gütern, aber ihre Identität wird von ihrer Kultur bestimmt, und zwar im weitesten Sinn des Begriffs. Die Kultur stellt den wahren Reichtum einer Nation dar und bildet die Triebkraft ihrer Existenz und Entwicklung. Die Kultur bildet auch die Plattform, die die Verständigung und Integration der Völker ermöglicht. Die Entwicklung der Kultur ist ein historischer Prozess. Brutale Interventionen oder Zwänge in Bezug auf die von ihr einzuschlagende Entwicklungsrichtung sind ihr zuwider. Die Kultur braucht Freiheit.

Das Programm KULTUR (2007-2013), über das wir heute diskutieren, soll die Ziele ordnen und ihre Anzahl beschränken. Es stellt ferner auf die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität von Menschen, die im Kultursektor arbeiten, die Verbreitung von Kunstwerken und kulturellen und künstlerischen Erzeugnissen sowie den interkulturellen Dialog ab.

Die vorgeschlagenen Ziele sind verständlich, wenn man die europäische Integration von einem simplistischen Standpunkt aus betrachtet. Unter dem Blickwinkel der kulturellen Entwicklung und der Bedeutung und Multifunktionalität von Kultur ist dieser Ansatz zu einseitig, als dass er ohne Weiteres akzeptiert werden könnte. Es müssen unbedingt auch Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Quellen der Kultur aufgenommen werden, insbesondere dort, wo diese gefährdet sind.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens.

Das europäische Kulturerbe gehört zu den größten Reichtümern unserer Union, und ich bin deshalb den drei Organen dankbar für die Bemühungen, die bisher unternommen wurden, um es zu schützen und zu fördern.

Der große Wert des Programms „Kultur“, der, wie ich hoffe, auch im nächsten Programmzeitraum gewahrt werden möge, liegt nicht nur in der Förderung der Mobilität der Kulturschaffenden und der Verbreitung von Kunstwerken innerhalb der Gemeinschaft, sondern vor allem in der großen Chance, die es den kleinen Akteuren und Gemeinschaften in der EU bietet, ihre Geschichte und ihre Identität lebendig zu halten.

Die Förderung der einzelnen Kulturen auf örtlicher Ebene ist in der Tat sehr nützlich, sowohl für die Europäische Union im Allgemeinen, deren Einheit und Stärke auf der Vielfalt innerhalb ihrer Grenzen beruht, als auch für die Wirtschaft des Sozialgefüges und der territorialen Einheiten aller Ebenen.

Deshalb stehe ich voll und ganz hinter dem Vorschlag des Rates, eine Balance zwischen kleinen und großen Projekten zu finden, den Zugang kleiner Akteure zum Programm zu erleichtern und die Hälfte der verfügbaren Mittel für derartige Aktionen vorzusehen.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die sehr positiven Reaktionen; es besteht vielleicht immer noch etwas Druck, mehr zu tun. Wir alle wollen mehr für die Kultur tun, weil sie wichtig ist für die europäische Denkweise und die europäische Identität; für das Zusammenleben in einem immer weitläufigeren Haus. Meines Erachtens beschreiben Vielfalt und Einheit Europa am besten. Wachsende Vielfalt bedeutet eine Aufforderung, die Einheit zu fördern und zu vertiefen, und eine auf Werten basierende Einheit wird in erster Linie über unser Kulturprogramm gefördert.

Ich bin sicher, dass einige Punkte, die vor allem mit dem Budget zu tun haben, dazu auffordern, in der Zukunft mehr zu tun. Wenn Sie an das vorherige Programm denken, da hatten wir pro Kultur pro Jahr und pro Bürger sieben Cents – Herr Bono hat erwähnt, dass wir jetzt 15 Cents haben werden. Es gab Forderungen nach dem Zehnfachen – 70 Cents pro Kultur. Ich möchte nur daran erinnern, dass das Europäische Parlament die Haushaltsbehörde in der Union ist. Ihre Unterstützung, aber auch Ihre künftige Unterstützung, wird mithelfen, mehr Raum zu schaffen. Das Bürgerschaftsprogramm stützt sich ebenfalls auf Artikel 151 des Vertrages. In erster Linie fällt dies in die Kompetenz und grundlegende Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Wir unterstützen die Mitgliedstaaten bei ihrer Zusammenarbeit, wir ersetzen sie nicht.

2008 wird das „Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs“ sein, und das Ergebnis bei der Aushandlung eines neuen Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen im Rahmen der UNESCO zeigt den Erfolg dieser Union. Ich kann dem Parlament versichern, dass uns die Umsetzung des Programms so bald wie möglich nach der endgültigen Entscheidung ermöglichen wird, über „Kultur für Europa“ quantitativ und qualitativ mehr für die Kultur zu tun. Ich bin sicher, dass wir viele Gelegenheiten haben werden, gemeinsam an der Verwirklichung zu arbeiten.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.

Anlage – Erklärung der Kommission

Die Kommission möchte die Aufmerksamkeit der Legislativbehörde auf die Notwendigkeit lenken, dass der im Basisakt für das Programm Kultur (2007-2013) genannte Finanzrahmen spätestens bei der endgültigen Veröffentlichung im Amtsblatt in laufenden Preisen ausgedrückt werden muss. Das entspricht der üblichen Haushaltspraxis und ermöglicht, dass die Entscheidung der Legislativbehörde in voller Transparenz respektiert wird. Für das genannte Programm beläuft sich der Betrag in laufenden Preisen auf 400 Millionen Euro.

 
  
  

VORSITZ: EDWARD McMILLAN-SCOTT
Vizepräsident

 

8. Abstimmungsstunde
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Abstimmungsstunde.

(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)

 

8.1. UN/ECE-Regelung: Zulassung für Fahrzeuge der Klassen M2 oder M3 hinsichtlich ihrer allgemeinen Konstruktionsmerkmale (Abstimmung)

8.2. Beitritt von Bulgarien und Rumänien: Einstellung von Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Abstimmung)

8.3. Änderung der Satzung des gemeinsamen Unternehmens Galileo (Abstimmung)

8.4. Finanzielle Beteiligung Norwegens an den Arbeiten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (Abstimmung)

8.5. Antrag auf Aufhebung der Immunität von Bogdan Golik (Abstimmung)

8.6. Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Mario Borghezio (Abstimmung)

8.7. Berichtigungshaushaltsplan 3/2006 (Abstimmung)

8.8. Berichtigungshaushaltsplan 5/2006 (Abstimmung)

8.9. Strategische Partnerschaft EU/Südafrika (Abstimmung)

8.10. Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE+) (Abstimmung)

8.11. Förderprogramm für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (Abstimmung)

8.12. Kultur-Programm (2007-2013) (Abstimmung)

8.13. Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Abstimmung)

8.14. Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Transparenzrichtlinie (Abstimmung)

8.15. Durchführungsmaßnahmen der 2. Stufe im Rahmen der Prospektrichtlinie (Abstimmung)

8.16. Zuwanderung von Frauen: Rolle und Stellung der Migrantinnen in der EU (Abstimmung)

8.17. Einziehung von Gemeinschaftsmitteln (Abstimmung)
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  Der Präsident. Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.

 

9. Stimmerklärungen
  

Bericht: Berger (A6-0329/2006)

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI). – (FR) Herr Präsident, meine Bezugnahme auf die Geschäftsordnung gründet sich auf Artikel 6 Absatz 7 und Artikel 7 der Geschäftsordnung betreffend die Immunität. Da keine Aussprache stattgefunden hat, wird es keine mündlichen Erklärungen zur Abstimmung geben. Was die Angelegenheit betrifft, wegen der unser Kollege Borghezio belangt wird, einfach nur, weil er nach einem Urteil das Wort „Schande“ auf den Bürgersteig geschrieben hat, das im übrigen beseitigt werden konnte, möchte ich nach dieser grotesken Entscheidung nur sagen: Schande über den Berichterstatter, Schande über den Ausschuss, Schande über dieses Parlament von Tartuffes und Heuchlern, die bei der Verteidigung der Immunitäten eine Rechtsprechung mit variabler Geometrie anwenden.

 
  
  

Bericht: Chichester (A6-0348/2006)

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich. (EN) Ich unterstütze den Bericht von Herrn Chichester. Meines Erachtens dient das Galileo-Satellitennavigationssystem zwei Zielen. Erstens wird es die EU in die Lage versetzen, im Verbund mit ihren Partnern unabhängig von den USA ein globales Satellitennavigationssystem zu entwickeln und einzusetzen, das für eine autonome Kapazität in diesem Bereich sorgen wird. Zweitens steht es symbolisch für das Engagement der EU, in internationalen Angelegenheiten eine zunehmend globale Rolle zu spielen. Unabhängig von den technischen und materiellen Vorteilen, die sich ergeben werden, ist diese politische Dimension allein schon unschätzbar.

 
  
  

Bericht: Pittella (A6-0350/2006)

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Position der Juniliste vom 27. September dieses Jahres zu wiederholen.

Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, da er den Vorschlag über den Berichtigungshaushaltsplan Nr. 3 ablehnt. Die Juniliste ist im Gegensatz zur Mehrheit des Haushaltsausschusses der Ansicht, dass der Ministerrat durchaus in der Lage ist, während des Haushaltsverfahrens die Ausgaben zwischen den einzelnen EU-Institutionen umzuverteilen, wenn es dies für notwendig erachtet.

 
  
  

Bericht: Pittella (A6-0340/2006)

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Der Berichtigungshaushaltsplan besteht aus drei verschiedenen Elementen aus völlig unterschiedlichen Bereichen. Ich habe gegen das gesamte vorgelegte Paket gestimmt.

Was die finanzielle Unterstützung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 259 Millionen Euro betrifft, kann man sich folgende Frage stellen: Gibt es noch eine Gesamtlösung für eine friedliche und stabile Entwicklung auf Zypern, wenn die EU sich einbringt und Zypern erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellt?

Im Hinblick auf die Mittel für das Europäische Jahr der Chancengleichheit ist die Juniliste bereits aktenkundig für ihre Skepsis gegenüber dem gesamten Projekt.

Die Haushaltsberichtigungen im Zuge der Modernisierung der Rechnungsführung sind eher eine technische Frage, auch wenn ich dem Europäischen Entwicklungsfonds generell skeptisch gegenüberstehe.

 
  
  

Bericht: Morgantini (A6-0310/2006)

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich begrüße diesen Bericht. Er befürwortet den EU-Vorschlag für eine Strategische Partnerschaft mit Südafrika, die umfassend ist und die in Richtung einer wirklichen politischen Zusammenarbeit mit der bedeutendsten politischen Macht und stärksten Volkswirtschaft im Afrika südlich der Sahara, die 50 % des BIP der Region erwirtschaftet, geht.

Im Bericht werden die deutlichen Fortschritte, die in Südafrika nach der Apartheid bei der Festigung einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie erzielt wurden, wie auch die wirtschaftlichen Schritte gelobt, die als Entwicklungsland mit mittlerem Einkommen und als führende Kraft der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft vollzogen wurden, aber das Hauptaugenmerk liegt auf der Notwendigkeit, die erheblichen sozialen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen das Land immer noch zu kämpfen hat. Zu diesen Herausforderungen gehören insbesondere die hohe Zahl der HIV/AIDS-Fälle (derzeit sind 18,8 % der Bevölkerung infiziert) und Arbeitslosenquoten von über 40 %.

Ich unterstütze voll und ganz die Forderung im Bericht, HIV/AIDS als Priorität für die wirtschaftliche Entwicklung in Angriff zu nehmen, sowie die Betonung darauf, dass die Strategische Partnerschaft einen einheitlichen Rahmen bieten sollte, innerhalb dessen die bestehenden Kooperationsinstrumente der EU im Interesse der südafrikanischen Bevölkerung und Wirtschaft leistungsfähiger werden können.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich.(FR) Die Europäische Union ist der größte Handelspartner Südafrikas und der wichtigste Geber von Entwicklungshilfe für dieses Land.

Die südafrikanische Wirtschaft macht 50 % des BIP des subsaharischen Afrikas aus. Dieses Land ist ein Entwicklungsmotor für Afrika und eine politische Macht, die sich für den Frieden in den Konfliktregionen Afrikas einsetzt.

Deshalb erachte ich es als unerlässlich, dass heute, zwölf Jahre nach dem Ende der Apartheid, das Europäische Parlament die Herstellung einer strategischen Partnerschaft mit Südafrika unterstützt.

Der Bericht betont die Bedeutung des Kampfes gegen AIDS. Er nennt zugleich Maßnahmen für die wirtschaftliche Wiederbelebung sowie zur Bekämpfung der sozialen Ungleichheit und verweist auf Anreize für ausländische Investoren sowie die Handelsintegration und -förderung. Er appelliert an Südafrika, seinen Einfluss geltend zu machen, um eine friedliche Lösung der politischen Krise in Simbabwe zu befördern.

Eine neue wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche oder politische Krise hätte beträchtliche Auswirkungen auf das ganze südliche Afrika sowie für die Insel Réunion, die zahlreiche wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Südafrika unterhält. Dieses für Europa wichtige Abkommen ist für Réunion noch weitaus wichtiger, denn wir können von der Stabilität unseres südafrikanischen Nachbarn und Partners nur gewinnen.

 
  
  

Bericht: Isler Béguin (A6-0288/2006)

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Bezug auf den Bericht von Frau Isler Béguin über das Finanzierungsinstrument für die Umwelt möchte ich meine tiefe Sorge wegen der Umwelt zum Ausdruck bringen, in der die Rentner in Italien leben. Zwar habe ich für den Bericht gestimmt, doch hätte ich das noch viel lieber getan, wenn diese Verordnung nicht nur die Umwelt, sondern auch die italienischen Pensionäre schützen würde.

Ich ergreife diese Gelegenheit, um gegen die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Prodi zu protestieren, die einen Änderungsantrag zu Artikel 85 Absatz 6 des Haushaltsgesetzes eingebracht hat, mit dem sie die Rentenbezüge von 500 000 Italienern, die in der Schweiz gearbeitet haben, um gut drei Viertel des Betrages kürzt, der ihnen gemäß der Rechtsprechung des Kassationshofs zusteht. Eine Umwelt, in der den Rentnern ihr Anspruch auf eine gerechte Altersversorgung streitig gemacht wird, ist nicht gesund.

 
  
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  Liam Aylward (UEN), schriftlich. (EN) LIFE hat sich als wertvolle EU-Umweltpolitik seit 1992 erwiesen. Jetzt haben wir die Gelegenheit, dass LIFE+ sogar noch wertvoller wird, insbesondere für die kleineren und die neueren Mitgliedstaaten, die einen gerechteren Anteil an den Finanzmitteln von 2 Milliarden Euro im Zeitraum 2007-2013 erhalten könnten. Ich unterstütze voll und ganz den Vorschlag des Rates, die Verwendung von 80-85 % der Finanzmittel den nationalen Agenturen zu übertragen, und deshalb habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.

Für Irland zum Beispiel sind im Programm insgesamt 25 Millionen Euro vorgesehen. Diese Mittel könnten dann durch Kofinanzierungsinstrumente auf 50 Millionen Euro verdoppelt werden. Umweltvorhaben in Irland, die Mittel aus dem Siebenjahresprogramm erhalten könnten, umfassen Abfallvermeidungs-, Abfallverringerungs- und Recyclinginitiativen, die Entwicklung innovativer Technologien mit positiven Umweltauswirkungen, lokale und regionale Kampagnen zur Förderung des Umweltbewusstseins sowie die Einrichtung spezieller Schutzgebiete.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Der Gemeinsame Standpunkt des Rates, dem dieser Bericht gilt, unterscheidet sich wesentlich vom ursprünglichen Vorschlag der Kommission von 2004. Hervorheben möchte ich die Aufnahme des Teilbereichs „Natur und biologische Vielfalt“, dessen Ziele die Weiterentwicklung und praktische Durchführung des Natura-2000-Netzes, auch in Bezug auf die Lebensräume und Arten in Küsten- und Meeresgebieten, umfassen, und vor allem die Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt in der Gemeinschaft bis 2010. Die Aufnahme dieses Teilbereichs in das Programm LIFE+ entspricht dem Standpunkt, den das Parlament in der ersten Lesung im Juli 2005 vertreten hat, und das begrüßen wir.

Obwohl wir für das Programm und seine Zielsetzungen gestimmt haben, können wir nicht umhin, unsere Enttäuschung darüber zu äußern, dass die für das Programm LIFE+ vorgesehenen Haushaltsmittel für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 aufgrund der enttäuschenden Einigung zum Haushaltsrahmen für den Zeitraum 2007-2013 völlig unzureichend sind. Sie bleiben hinter der Schätzung zurück, die die Kommission selbst vorgenommen hat und bei der – das sollten wir nicht vergessen – der Bedarf des Natura-2000-Netzes mit 6,1 Milliarden Euro jährlich angesetzt wird, also 3 Milliarden Euro im Rahmen einer Kofinanzierung. Sie sind auch geringer als der Betrag, den die Kommission 2004 vorgeschlagen hat. Die Garantie einer Kofinanzierung des Natura-2000-Netzes über die Strukturfonds wird eine Deckung des gesamten Bedarfs nicht möglich machen.

 
  
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  Vasco Graça Moura (PPE-DE), schriftlich. (PT) Das Programm LIFE+ und seine Vorgänger sind das wichtigste Finanzierungsinstrument für die Umweltprojekte der EU.

Der Rat hat falsch und unsensibel gehandelt, als er das zugewiesene Budget erheblich kürzte. Das Parlament hat den ursprünglich entsprechend der Finanziellen Vorausschau abgestimmten Betrag zur Finanzierung des Natura-2000-Netzes, das der Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt dient, wieder aufgenommen.

Es wurde eine Änderung aufgenommen, um sicherzustellen, dass die für die Umwelt vorgesehenen Gemeinschaftsmittel nicht für andere Zwecke in Verbindung mit dem Programm LIFE+ verwendet werden, wie etwa Ausgaben für Humanressourcen, denn die Mitgliedstaaten sollen statt des üblichen Managements durch abgestelltes Personal ein Projektmanagementteam haben.

Wir haben ferner einen Kompromissänderungsantrag, wonach Schritte unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Finanzierung laufender Projekte weitergeht, falls in der zweiten Lesung keine Einigung zustande kommt.

Dieser Bericht ist für Portugal sehr wichtig, denn ein großer Teil seines Festlands und seiner Überseegebiete gehört zum Natura-2000-Netz, dessen Finanzierung in diesem Bericht niedergelegt ist.

Deshalb unterstützen die portugiesischen sozialdemokratischen Europaabgeordneten den Bericht Isler Béguin.

 
  
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  Caroline Jackson (PPE-DE), schriftlich. (EN) Ich glaube zwar, dass mit der LIFE-Finanzierung gute Arbeit geleistet wurde, aber das Problem ist, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt und dass es schwierig ist, die Vorgänge zu überwachen, weil es um eher kleine Beträge für eine große Zahl von Projekten geht, und diese Fragen kommen in dem vorliegenden Bericht nicht zur Sprache.

Im Jahre 2003 hat der Rechnungshof das LIFE-Programm geprüft und festgestellt, dass die Buchführung der Empfänger weder transparent noch detailliert genug war. Man hat außerdem festgestellt, dass LIFE-Geld in erheblichem Umfang für den Erwerb von Grundstücken verwendet wurde, wo für die weitere Nutzung dieser Grundstücke für Naturschutzzwecke über den Durchführungszeitraum der Maßnahmen hinaus keine ausreichenden Garantien vorhanden waren. Der Rechnungshof stellte die Frage, ob die Kommission ein geeignetes Verwaltungssystem eingerichtet hat.

Die Antwort lautet, dass so, wie der Fonds derzeit organisiert ist, die Kommission dies nicht tun kann. Deshalb ist es vollkommen akzeptabel und sinnvoll, dass die Verwaltungsrolle auf die Mitgliedstaaten übertragen wird. Das bedeutet nicht, dass Umweltprogramme unter dem Abzug von LIFE-Geld leiden werden, sondern dass das Geld besser ausgegeben und transparenter überwacht werden könnte.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für die Änderungen am Gemeinsamen Standpunkt zu LIFE+ gestimmt. Besonders bedenklich finde ich die Forderung nach einem Einsatz von 55 % der Mittel für die Natur und die biologische Vielfalt. So wichtig diese Bereiche auch sind, eine solche Anforderung würde die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten einschränken, Mittel für Projekte einzusetzen, in denen es um ihre eigenen Umweltschwerpunkte wie etwa den Klimawandel geht.

 
  
  

Bericht: Hieronymi (A6-0337/2006)

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Ich möchte an dieser Stelle die ablehnende Haltung der Juniliste aus der ersten Lesung im September 2005 wiederholen.

Wir sollten uns alle folgende Frage stellen: Soll die EU diese Art von politischen Fragen behandeln oder fallen sie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten? Nach Auffassung der Juniliste ist dies eindeutig eine Frage für die Mitgliedstaaten.

Wenn die Mitgliedstaaten zusätzliche Mittel für die Förderung der nationalen Filmindustrie aufwenden wollen, ist das natürlich ihr gutes Recht. Andererseits sollte die EU keine gesonderten Programme für die Förderung der europäischen Filmindustrie betreiben. Sollten mehrere EU-Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit in diesem Politikbereich für notwendig erachten, können sie das ohne Einmischung durch die EU tun.

Zwischenstaatliche Vereinbarungen oder eine Zusammenarbeit zwischen den Filmgesellschaften müssen nicht im Rahmen der EU erfolgen.

Die EU braucht keine weiteren umfassenden und teuren Projekte. Sie sollte sich stattdessen auf eine zielgerichtete Zusammenarbeit zu wichtigen und wirklich grenzüberschreitenden Themen konzentrieren.

 
  
  

Bericht: Graça Moura (A6-0343/2006)

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Ich habe aus folgenden Gründen gegen den Bericht Graça Moura gestimmt: Der dem Kulturprogramm 2007-2013 zugrunde liegende Ansatz, dass Kulturnetzwerke nur einer Startförderung bedürfen und sich dann selbst finanzieren, widerspricht deren nichtkommerziellen Charakter und dem von der EU gesetzten Ziel der Nachhaltigkeit von Förderungen.

Im vorliegenden Kulturprogramm ist zudem die Förderung des interkulturellen Dialogs abstrakt formuliert, so dass alles oder nichts unter diesen Zielpunkt fallen kann. Von Transparenz kann demnach keine Rede sein, weshalb ich gegen diesen Bericht gestimmt habe.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Romagnoli für seine technische Unterstützung, die es mir ermöglicht, diese Stimmerklärung zu dem Bericht von Herrn Graça Moura über das Programm „Kultur“ abzugeben.

Ich habe dafür votiert, weil ich an die Zukunft dieser Europäischen Union glaube, doch möchte ich betonen, dass von Kultur keine Rede sein kann, wenn in Italien die aus Sozialisten und Kommunisten bestehende Regierung von Herrn Prodi gemäß Artikel 85 Absatz 6 des Haushaltsgesetzes beschließt, die Ruhegehälter von 500 000 italienischen Rentnern, die in der Schweiz gearbeitet haben, zu kürzen, und sich somit über das Urteil des Kassationshofes hinwegsetzt, demzufolge diese Rentner Anspruch auf eine viermal höhere Rente haben. Das ist nicht fair, und ich hoffe, dass „Kultur“ auch bedeutet, die Rechte der Rentner zu wahren.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Kulturfragen sind natürlich von großer Bedeutung. Nach Auffassung der Juniliste sollte die Kulturpolitik jedoch prinzipiell Sache der Mitgliedstaaten sein. Was das europäische Kulturerbe betrifft, kann es allerdings gerechtfertigt sein, bestimmte Fragen auf Gemeinschaftsebene zu behandeln. Die Mittelausstattung für das Programm „Kultur“ ist unserer Meinung nach jedoch viel zu großzügig, wenn man bedenkt, dass diese Tätigkeit im Wesentlichen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen sollte.

Ich habe darum gegen die Änderungsanträge zu diesem Bericht gestimmt.

 
  
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  Sérgio Marques (PPE-DE), schriftlich. (PT) Ich möchte Herrn Graça Moura zu der Position beglückwünschen, die er in der zweiten Lesung zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass des Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kultur“ (2007-2013) vertreten hat.

Ich erkläre meine Unterstützung insbesondere für die Abänderung des Gemeinsamen Standpunkts hinsichtlich der finanziellen Förderung für die nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe d) des Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kultur“ (2007-2013) vorgeschlagenen Maßnahmen.

 
  
  

Bericht: Papadimoulis (A6-0286/2006)

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht von Herrn Papadimoulis unterscheidet sich leicht von den vorhergehenden, weil es in ihm um die Einführung eines Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz geht.

Ich habe dafür gestimmt, obwohl ich es vorgezogen hätte, wenn dieser Bericht nicht nur für den Katastrophenschutz, sondern auch für den Schutz der Rentner sorgen würde. Ich denke dabei an die italienischen Rentner, die vor dem italienischen Ministerpräsidenten, Herrn Prodi, und seiner aus Sozialisten und Kommunisten gebildeten Mehrheit geschützt werden müssen. Sie haben nämlich im Einklang mit Artikel 85 Absatz 6 des Haushaltsgesetzes beschlossen, 500 000 italienischen Rentnern, die in der Schweiz beschäftigt waren, rund drei Viertel ihrer Renten zu streichen. Dieser Beschluss verstößt gegen die Urteile des Kassationshofs, durch die der italienischen Regierung auferlegt wird, diesen Rentnern die ihnen zustehende Altersversorgung zu zahlen.

 
  
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  Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. (PT) Der Katastrophenschutzmechanismus wurde vor fünf Jahren eingerichtet, um die Mobilisierung und Koordinierung der Katastrophenschutzressourcen in Notfällen innerhalb und außerhalb der EU zu erleichtern. Im Jahre 2005 haben mehr als zehn Länder diesen Notfallreaktionsmechanismus ausgelöst.

Zweck dieses Vorschlags ist es, den Mechanismus anhand der seit 2001 gesammelten Erfahrungen zu stärken, eine Rechtsgrundlage für künftige Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes zu schaffen und das Reaktions- und Bereitschaftssystem für Notfälle auszubauen.

In diesem Bericht wird die gesundheitspolitische Dimension in den Katastrophenschutz einbezogen. Außerdem wird die Bedeutung der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und eines wirksameren europäischen Überwachungssystems betont. Behandelt wird ferner die Frage der einer wirksamen Bodennutzung und -bewirtschaftung zur Verhütung von Katastrophen und die Nutzung militärischer Mittel zur Verhütung und Bewältigung von Katastrophenfällen.

Dieser Mechanismus ist unerlässlich für Europa insgesamt, besonders aber für Portugal, ein Land, das Jahr für Jahr von Dürren und Bränden heimgesucht wird, die unter den geplanten Mechanismus fallen.

Deshalb unterstützen die portugiesischen sozialdemokratischen Europaabgeordneten den Bericht Papadimoulis.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Trotz einiger Vorbehalte begrüßen wir im Großen und Ganzen den heute angenommenen Bericht, dessen Anliegen eine geschlossenere und wirksamere Gestaltung der Noteinsatzmaßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten ist.

Wir wissen, dass das oberste Ziel des Katastrophenschutzes darin besteht, kollektive Risiken und daraus entstehende schwere Unfälle und Katastrophen zu verhüten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, diese kollektiven Risiken so gering wie möglich zu halten und die Folgen bei einem eventuell eintretenden Krisenfall auszugleichen, Menschen und anderen Lebewesen zu helfen, die Kulturgüter und die Umwelt von hohem öffentlichen Interesse zu schützen und den betroffenen Menschen bei der Rückkehr in ein normales Leben Hilfestellung zu geben.

Dementsprechend begrüßen wir die Möglichkeit von Investitionen in Studien, Ausbildung, Prävention und Überwachung sowie in die Förderung eines Erfahrungsaustauschs, um aus bisherigen Erfahrungen – guten und schlechten – zu lernen und etwaige Mängel zu beheben.

Außerdem unterstützen wir die Schaffung eines zielgerichteten zweckmäßigen Notfallkommunikationsnetzes, die Durchführung von umfassenden Informationskampagnen und die Annahme von Initiativen zur Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit und vor allem der jüngsten Mitglieder der Gesellschaft.

 
  
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  Françoise Grossetête (PPE-DE), schriftlich.(FR) Ich habe für diesen Bericht gestimmt.

Vorbeugung ist ein grundlegendes Element für die Reduzierung von Risiken, aber sie kann nicht alle Katastrophen vermeiden. Daher darf die Europäische Union in Notsituationen nicht mehr improvisieren.

„Der übliche Fehler des Menschen besteht darin, bei schönem Wetter den Sturm nicht vorauszusehen“, sagte Machiavelli. Die Europäische Union muss zeigen, dass er Unrecht hat.

Vor der Aufstellung eines Aktionsplans muss eine Bestandsaufnahme der vorhandenen materiellen und personellen Mittel vorgenommen werden. Aus diesen Ergebnissen geht die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten hervor, die erforderlich ist, um die Katastrophe zu bewältigen, aber auch um für eine bessere Wahrnehmbarkeit der europäischen Aktion vor Ort zu sorgen.

Ebenso wichtig ist es, unverzüglich mit den Vorarbeiten zur Ausstattung von Gebieten zu beginnen, deren Gefährdung, vor allem durch Brände und Überschwemmungen, bekannt ist.

Der Schutz des Einzelnen und die Solidarität zwischen den Staaten sind Grundprinzipien der Europäischen Union. Deshalb habe ich kein Verständnis für die Widerstände des Rates gegen die Verstärkung dieser Katastrophenschutzmaßnahmen, ganz zu schweigen von der Schaffung einer Spezialeinheit der Gemeinschaft.

Ja, die Hauptverantwortung im Bereich des Katastrophenschutzes liegt bei den Mitgliedstaaten, doch darüber will sich hier auch niemand hinwegsetzen.

(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 163 Absatz 1 GO)

 
  
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  Jens Holm und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. (SV) Wir begrüßen den Vorschlag der Kommission zur Verbesserung des 2001 geschaffenen Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz. Europa und die übrige Welt werden von allen Arten von Katastrophen und Krisen heimgesucht, was eine umfassende Koordinierung als Antwort auf derartige Ereignisse wünschenswert macht. Leider mussten wir feststellen, dass sowohl im Kommissionsvorschlag als auch im Bericht Papadimoulis deutliche Verweise darauf zu finden sind, dass militärische Mittel für den zivilen Katastrophenschutz verfügbar sein müssen. Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Art von Initiative für eine militärische Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union. Aus diesem Grund haben wir uns bei der heutigen Schlussabstimmung über den Bericht Papadimoulis der Stimme enthalten und außerdem gegen den Vorschlag der Kommission gestimmt.

 
  
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  Diamanto Manolakou (GUE/NGL), schriftlich. (EL) Die Entwicklung starker und geeigneter Mechanismen zur Verhinderung bzw. Bewältigung von Naturkatastrophen ist für den Schutz, die Unterstützung und Hilfe der Opfer von Naturkatastrophen sowie für den Umgang mit Umweltkatastrophen unerlässlich.

In Griechenland hat sich während den jüngsten Überschwemmungen in mehreren Gebieten einmal mehr gezeigt, wie unzulänglich solche Mechanismen sind. Vor allem bei der Strategie zur Vermeidung von Katastrophen und für den anschließenden Wiederaufbau (Überschwemmungsschutz, Befestigungen gegen Erdbeben) und bei der Opferhilfe weisen die Maßnahmen der griechischen Regierung kriminelle Mängel auf.

Ein grenzübergreifendes Verfahren für den Katastrophenschutz kann zur Bewältigung von Naturkatastrophen beitragen. Es kann und darf jedoch nicht die Erweiterung und den Ausbau unabhängiger Verfahren in den Mitgliedstaaten ersetzen.

Ebenso dürfen Verfahren für den Katastrophenschutz nicht dazu herhalten, von der Verantwortung für die vorsätzliche Verursachung von Naturkatastrophen abzulenken. Mit der Schaffung von Mechanismen zur Bewältigung vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführter Katastrophen (wie sie vorgeschlagen wurden) würde man unverantwortlichem Handeln von Unternehmen noch mehr Raum geben, mit katastrophalen Folgen für die Umwelt und die Volksgesundheit.

Vor allem aber kann die Schaffung von Mechanismen zur Bewältigung „terroristischer Anschläge“ nicht hingenommen werden. Die Praxis der letzten Jahre bestätigt, dass der Kampf gegen „Terrorismus“ dazu gedacht ist, die Volksbewegung, die Klassen- und Gewerkschaftsbewegung zu dämpfen und zu lenken. Die „Verhütung von Terrorismus“ anhand der Überwachungsmechanismen, die gestärkt werden sollen, führt zu noch größeren Einschränkungen der demokratischen Grundrechte.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil ich es angesichts der Kosten von „Katastrophen“ für Mitgliedstaaten in Bezug auf Menschenleben, wirtschaftliche Verluste und Verletzungen für sinnvoll halte, die Ressourcen zu bündeln und auf diese Weise Größenvorteile in Bereichen wie Logistik und Transport nutzen zu können.

 
  
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  Sebastiano (Nello) Musumeci (UEN), schriftlich. – (IT) Es ist bekannt, dass in Europa der Katastrophenschutz im Falle von Naturkatastrophen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Bedauerlicherweise sind in einigen dieser Länder besorgniserregende Versäumnisse und eine Gleichgültigkeit festzustellen, die auf die fehlende Koordinierung zurückzuführen sind.

Aus eben diesem Grund schlage ich seit Jahren vor, eine Europäische Katastrophenschutzagentur einzurichten, deren Aufgabe es sein sollte, die unterschiedlichen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften einander anzugleichen, und die nicht nur für die Risikoverhütung und -erkennung, sondern auch für das Katastrophenmanagement zuständig sein sollte.

Seltsamerweise werden weder in dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Krisenreaktions- und Vorbereitungsinstruments für Katastrophenfälle noch in dem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz all jene Maßnahmen vollständig und gebührend berücksichtigt, die auf die Ursachenforschung und -ermittlung von Katastrophen, die Risikoerkennung und die Ermittlung der diesen Risiken ausgesetzten, am stärksten gefährdeten Gebiete, mit anderen Worten, auf die Risikofrüherkennung gerichtet sind, obwohl dies doch entscheidende Maßnahmen sind, um Naturkatastrophen wirksam zu bewältigen.

Diese Agentur, die nach dem Vorbild der US-amerikanischen Federal Emergency Management Agency geschaffen werden könnte, sollte nicht nur den durch Naturkatastrophen verursachten Schaden beheben, sondern vor allem auch Präventivmaßnahmen zur Ursachenbeseitigung oder –verringerung bei Katastrophen finanzieren.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. (SV) Ich bin gegen den Vorschlag der Kommission, die militärischen Mittel der Mitgliedstaaten zu nutzen. Ein Koordinierungszentrum, das dabei hilft, Feuerlöschhubschrauber dort einzusetzen, wo sie jeweils am dringendsten gebraucht werden, ist jedoch eine kluge und kosteneffiziente Idee. Darüber hinaus herrscht bei großen Katastrophen ein Mangel an hoch entwickeltem vorbeugendem Brandschutz. Daher wäre es außerordentlich positiv, wenn wir einander schnell helfen könnten. Das ist genau die Art von Zusammenarbeit, mit der sich die EU beschäftigen sollte. Ich stimme für den Bericht.

 
  
  

- Entschließungsantrag: B6-0529/2006

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kann es denn Transparenz in Europa geben, wenn in einem der 25 Mitgliedstaaten, nämlich in Italien, 500 000 Rentnern, die in der Schweiz beschäftigt waren und nach Italien zurückgekehrt sind, Renten in Höhe von 25 Prozent des Betrags gezahlt werden, der italienischen Arbeitnehmern, die in Italien arbeiten, zugestanden wird?

Es ist wahr, dass die Schweiz noch kein Mitglied der Europäischen Union ist, doch gehört sie dem Europäischen Wirtschaftsraum an. Es wäre gut, wenn sich ein Mitgliedstaat der Europäischen Union gegenüber seinen Bürgern, die im Ausland gearbeitet haben und denselben Anspruch auf eine Rente haben wie in Italien wohnende Bürger, korrekt verhielte.

 
  
  

Bericht: Kratsa-Tsagaropoulou (A6-0307/2006)

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich habe – und das sage ich auch im Namen der ÖVP-Delegation – aus mehreren Gründen gegen diesen Bericht gestimmt. Der eine Grund ist, dass in diesem Bericht gefordert wird, dass illegal in die Europäische Union eingewanderten Personen gleiche oder sogar größere Rechte zugesprochen werden als legal eingewanderten Personen, wie z. B. das Recht auf Wohnung, auf Familienzulagen, auf Gesundheitsversorgung und auf Zugang zu den Bildungseinrichtungen. Und in diesem Bericht werden auch neue Asylgründe eingefordert, z. B. wenn jemand eine Zwangsehe oder eine so genannte arrangierte Ehe eingeht. Mit diesen Forderungen werden nicht Probleme gelöst, sondern weitere Probleme geschaffen, und Maßnahmen wie diese erzeugen in Wahrheit eine Sogwirkung und noch mehr illegale Einwanderung.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Ich habe ebenfalls gegen den Bericht Kratsa-Tsagaropoulou gestimmt, und zwar aus folgenden Gründen: Wenn es sich um ausschließlich legal zugewanderte Frauen handelt, muss man ihnen zweifellos helfen, sich in unserem Normen- und Wertesystem zurechtzufinden, sich zu integrieren und diese Integration in die Familie zu tragen. Schließlich kann es vor allem in der zweiten und dritten Generation von Zuwanderern zu Konflikten kommen, was – wie wir am Beispiel Frankreich lernen müssen – in Gewaltakte münden kann oder sogar muss. Den aus kulturellen und religiösen Motiven entstehenden Problemen wie Zwangsverheiratung, Ehrenmorden und Genitalverstümmelungen ist aber auf jeden Fall ein Riegel vorzuschieben. Jeglicher Familienzusammenführung von Zweit-, Dritt- oder Viertfrauen entgegen dem in Europa üblichen Verbot der Doppelehe muss ein sofortiges Ende bereitet werden. Nachdem das nicht entsprechend berücksichtigt wurde, habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.

 
  
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  Michl Ebner (PPE-DE). – Herr Präsident! Auch ich habe gegen den Bericht Kratsa-Tsagaropoulou gestimmt, weil ich der Auffassung bin, dass hier eine Vermischung zwischen legaler und illegaler Einwanderung erfolgt und man die entsprechenden Positionen nicht genügend trennt und damit letztendlich zur illegalen Einwanderung geradezu auffordert. Ich finde das politisch verfehlt. Das ist ein falsches Signal. Wir müssten die legale Einwanderung besser organisieren und regeln sowie die illegale Einwanderung auf jeden Fall bekämpfen. Schließlich bin ich der Auffassung, dass wir in den Entwicklungsländern die Probleme vor Ort lösen und uns hier weit stärker direkt engagieren sollten, als wir es bisher getan haben, um Schwierigkeiten menschlicher, wirtschaftlicher, sozialer und religiöser Art auszuräumen.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen eine angenehme Mittagspause, denn ich glaube, das ist für heute die Letzte Abstimmungserklärung. Ich habe für den Bericht Kratsa-Tsagaropoulou über die Rolle und Stellung der Migrantinnen in der Europäischen Union gestimmt.

Auch in diesem Falle hätte ich es vorgezogen, wenn der Bericht eine Aussage zur Lage der etwa 260 000 italienischen Frauen getroffen hätte, die aus Arbeitsgründen und um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu bestreiten in die Schweiz ausgewandert sind und nach ihrer Rückkehr nach Italien eine Rente in Höhe von 25 % des Betrages bezogen haben, den sie erhalten hätten, wenn sie zu den gleichen Bedingungen in Italien gearbeitet hätten, und das, obwohl zwischen Italien und der Schweiz ein Gegenseitigkeitsabkommen besteht.

Ich meine, es ist nicht richtig, sich gegenüber Frauen im Allgemeinen und betagten Rentnerinnen im Besonderen so zu verhalten. Lang leben die Rentner und Rentnerinnen!

 
  
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  David Casa (PPE-DE), schriftlich. (EN) Auch wenn wir alle zustimmen, dass die Notlage der irregulären Einwanderer großen Einsatz von uns verlangt, und dass diese bedauernswerten Menschen mit all der Würde behandelt werden sollten, die einem menschlichen Wesen zukommt, dürfen wir aber nicht vergessen, dass der Zustrom dieser irregulären Einwanderer in unsere Länder den Behörden große Kopfschmerzen bereitet, insbesondere in den Mittelmeerländern. Deshalb wäre es meiner Meinung nach klüger, die Dublin-II-Verordnung zu ändern, bevor wir uns zu etwas verpflichten, das sich als eine Nummer zu groß erweisen könnte.

Wir sind dazu verpflichtet, nicht nur in Anbetracht des Zustands, in dem sich unsere Haftanstalten befinden, und des Drucks, denn sie in unseren Ländern erzeugen, sondern auch aus Respekt für die Einwanderer selbst. Wir sollten ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Ich glaube, wir sollten unsere Angelegenheiten in Ordnung bringen, bevor wir etwas anbieten, das wir, da bin ich sicher, im Moment nicht gewährleisten können. Ich fordere alle Beteiligten zum x-ten Male auf, den Stier bei den Hörnern zu packen und sich wirklich um eine Änderung von Dublin II zu bemühen.

 
  
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  Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. (SV) Die schwedischen Konservativen haben heute für den Bericht über die Immigration von Frauen gestimmt.

Die Achtung der Grundrechte von Migranten muss gewährleistet werden und sollte nicht vom Geschlecht oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsgruppe abhängig sein. Wir unterstützen die gemeinsame Regelung der Migrationspolitik, die eine natürliche Fortsetzung der Schengen-Zusammenarbeit ist. Allerdings widersetzen wir uns einer gemeinsamen Integrationspolitik, da diese Fragen am besten durch die Mitgliedstaaten selbst behandelt werden.

Darüber hinaus lehnen wir eine Registrierung der weiblichen Genitalverstümmelung ab, denn dies stellt eine Verletzung der Privatsphäre dar, die wir nicht gutheißen können.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Bekanntermaßen steigt die Zahl der Migrantinnen in der EU kontinuierlich und beläuft sich gegenwärtig auf etwa 54 % der Gesamtzahl der Migranten. Die Gründe dafür sind verschiedener Art: Wirtschaftsmigration, Familienzusammenführung sowie Zuflucht- und Asylsuche. Frauen stoßen oft auf zahlreiche Schwierigkeiten und Formen von Diskriminierung. Deshalb müssen Systeme der öffentlichen Unterstützung, insbesondere die Strukturen und sozialen Dienste, verstärkt werden.

Vor allem gilt es, internationale Konventionen umzusetzen, besonders die zur Familienzusammenführung. Außerdem müssen die Menschenrechte von Migrantinnen – wozu auch der Zugang zu Bildung für ihre Kinder, das Recht auf Familienleistungen und das Recht auf Gesundheitsversorgung gehören – gewährleistet werden, unabhängig davon, ob ihr Status legal ist oder nicht. In jedem Falle sind wir der Auffassung, dass Migrantinnen, die in einen EU-Mitgliedstaat aus Gründen der Familienzusammenführung einreisen, die Gelegenheit erhalten müssen, so schnell wie möglich einen eigenen Rechtsstatus unabhängig von ihrem Ehemann zu erhalten.

Außerdem sollten unserer Meinung nach Migrantinnen und junge Migranten ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben dürfen und jede Unterstützung erhalten, die sie brauchen, vor allem diejenigen, die physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt waren, was auch die Praxis der Zwangsehen oder arrangierten Ehen einschließt.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich.(FR) Der Bericht über die Stellung von Migrantinnen ist erschreckend. Die hier beschriebenen Situationen (Fehlen eines eigenen Rechtsstatus, Ausbeutung, Verstümmelungen, Ehrenmorde usw.) sind ein schreckliches Eingeständnis des Scheiterns der Zuwanderungs- und Integrationspolitiken. Er macht deutlich, dass die zugewanderten Bevölkerungsgruppen innerhalb der Europäischen Union ihre Praktiken und ihre Bräuche fortzusetzen gedenken, obwohl einige davon in flagrantem Widerspruch zu unseren Gesetzen und Werten stehen. Nicht erwähnt wurde, dass die Migrantinnen bzw. Frauen mit Migrationshintergrund zuweilen selbst der Bewahrung ihrer Traditionen mehr Wert beimessen als der Achtung der Gesetze und dass sie weit davon entfernt sind, wie die Berichterstatterin naiv glaubt, ein wesentlicher Faktor für die Integration ihrer Kinder zu sein.

Außer Acht gelassen wurde auch, dass die Eheschließung von Bürgen außereuropäischer Herkunft mit Personen aus ihrem Herkunftsland in Frankreich und sicherlich auch in anderen EU-Ländern zum Hauptzuwanderungsgrund geworden ist, der noch vor der Familienzusammenführung rangiert. Solche Eheschließungen sind, wenn es sich um eine Scheinehe handelt, eine Quelle illegaler Zuwanderung. Ist dies nicht der Fall, so liefern sie den Beweis, dass einer der Eheleute trotz seiner Staatsangehörigkeit auf dem Papier nicht integriert ist und es auch so bald nicht sein wird.

Wenn wir diesen Weg fortsetzen, werden wir nur die Ghettoisierung unserer Gesellschaften und die Risiken von Konfrontationen zwischen Bevölkerungsgruppen verstärken.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM), schriftlich. (SV) Die Juniliste hat bereits früher festgestellt, dass die EU eine Werteunion ist. Angesichts dessen unterstütze ich die Formulierungen, die die Notwendigkeit gleicher Rechte für alle gesellschaftlichen Gruppen deutlich machen.

Die Juniliste unterstützt konstruktive Maßnahmen, die auf eine stärkere Integration benachteiligter Gruppen abzielen. Wir meinen jedoch, dass im Wesentlichen die nationalen Parlamente und die regionalen Körperschaften sich mit dieser dringenden Frage beschäftigen sollten. Ich stehe dem allgemeinen Trend kritisch gegenüber, dass die EU-Institutionen größeren Einfluss und mehr Zuständigkeit in immer mehr Bereichen anstreben. Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen den Dingen, die durch die EU zu entscheiden sind, und denen, die auf nationaler und lokaler Ebene liegen.

 
  
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  Marine Le Pen (NI), schriftlich.(FR) In diesem Bericht sind alle Maßstäbe verloren gegangen, denn er vereint sämtliche Phantastereien der Linken und der Grünen. Hier nur einige Beispiele von vielen: In Ziffer 7 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Migrantinnen, die sich in einer rechtswidrigen Situation befinden und deren Kinder regelmäßig eine Schule besuchen, Anspruch auf Familienleistungen zu gewähren. In Ziffer 10 wird dazu aufgefordert, die Verfahren für die Bewilligung von Aufenthaltsgenehmigungen zu vereinfachen. In Ziffer 17 schließlich geht es darum, die Migrantinnen aktiver am sozialen und politischen Leben im Aufnahmeland zu beteiligen.

So wird alles getan, um etwas höchst Problematisches – nämlich die illegale Zuwanderung – wie durch Zauberkraft in etwas Gutes, Moralisches und Humanistisches zu verwandeln – nämlich die legale Zuwanderung.

Kein Wort über die Einführung von Politiken zur Rückführung illegaler Einwanderer in ihr Herkunftsland. Ebenfalls kein Wort über die Möglichkeit einer schlüssigen und effizienten Politik der Entwicklungshilfe in diesen Ländern, damit die zunehmenden Migrationsströme, vor allem aus den afrikanischen Ländern, gestoppt werden können.

In dem Bericht ist nichts anderes zu finden als der von Anfang bis Ende bekundete Wille, immer mehr Zuwanderer aufzunehmen und ihnen immer mehr Rechte zu gewähren.

Berichte wie dieser leisten keinen Beitrag zur Errichtung Europas, sondern sie zerstören Europa vielmehr.

 
  
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  Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich.(FR) Ich habe im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter gegen diesen Bericht gestimmt, denn ich betrachte die Ziffern 6 und 7 als inakzeptabel und unzulässig. Nach meiner Auffassung stellt der Zugang zu Familien- und Gesundheitsleistungen für Personen ohne legale Aufenthaltsberechtigung einen Anreiz zur Massenzuwanderung dar, was angesichts der Zuwanderungsprobleme, mit denen wir bereits konfrontiert sind, nicht hinnehmbar ist.

Außerdem würde eine Zunahme der illegalen Zuwanderung die Bedingungen für die Migranten weiter verschlechtern. Die Europäische Union kann keinen Bericht annehmen, der die Tätigkeit von Schleppern weiter fördert und zahlreiche Frauen dazu veranlasst, ihr Leben zu riskieren, um illegal nach Europa zu gelangen, einzig und allein in der Hoffnung, soziale Unterstützungsleistungen zu erhalten.

Lassen Sie mich jedoch unterstreichen, dass ich mich für den Schutz der Rechte der Frau engagiere. Aus meiner Sicht sind die Anstrengungen, die im Rahmen dieses Berichts unternommen werden, um die Grundrechte der Migrantinnen zu sichern, lobenswert, jedoch muss alles vermieden werden, was negative Effekte zeitigen und die Situation dieser Frauen noch schwieriger machen könnte.

 
  
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  Lydia Schenardi (NI), schriftlich.(FR) Studien, Statistiken, Berichte, Bilanzen – die Europäische Kommission hat sich mit Unterstützung des Parlaments einige Monate lang mit der Analyse der sozialen, beruflichen, politischen, wirtschaftlichen und familiären Situation von Migrantinnen in den Aufnahmeländern befasst. Sehr gut, denn in diesem Bereich liegen heute nur wenige zuverlässige Daten vor, obgleich wir alle wissen, dass Frauen, und ich denke dabei besonders an muslimische Frauen, zahllosen Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Was mich an diesem Bericht jedoch beunruhigt, ist die Tatsache, dass er die Rechte der illegal nach Europa eingewanderten Migrantinnen in den Vordergrund stellt. Wahlrecht, Recht auf Familienleistungen und Wohnung, Bleiberecht – im Bericht wird ein ganzes Paket von Rechten gefordert und aufgeführt, doch seltsamerweise wird mit keinem Wort die Politik der Rückführung von illegalen Einwanderern in ihr Herkunftsland oder eine Politik der Entwicklungshilfe für all diese zumeist afrikanischen Länder, aus denen die Zuwanderer nach Europa kommen, erwähnt.

Europa nimmt wahllos immer mehr Menschen auf. Im Grunde verwandelt Europa das, was es für inakzeptabel hält, nämlich die illegale Zuwanderung, in etwas, was es für humanistisch und moralisch hält, nämlich die legale Zuwanderung zur Erhöhung der Bevölkerungszahl.

 
  
  

Bericht: Casaca (A6-0303/2006)

 
  
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  James Elles (PPE-DE), schriftlich. (EN) Dies ist ein wichtiger Bericht, und vieles daraus sollte umgesetzt werden. Dringendes Handeln ist geboten, um die Einziehungssätze zu verbessern. Meine britischen Kollegen und ich können den Bericht jedoch nicht in seiner Gesamtheit unterstützen, weil wir grundsätzlich nicht akzeptieren, dass die langfristige Lösung für viele Probleme in diesem Bereich in der Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft liegt, eine Vorstellung, die in diesem Bericht wieder aufgegriffen wird (Ziffern 43-45).

Eine solche Staatsanwaltschaft wäre eine unannehmbare Einmischung in die verfassungsmäßige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Rechtssysteme. Wenn man die Notwendigkeit dieses Konzepts betont, das zu Recht weithin auf Ablehnung trifft, dann bedeutet das zudem eine gefährliche Ablenkung davon, die wirklichen bestehenden Probleme in Angriff zu nehmen. Deshalb müssen wir uns bei der Schlussabstimmung der Stimme enthalten.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Die Einziehung missbräuchlich verwendeter Gemeinschaftsmittel muss fallweise untersucht werden und verlangt, nicht zuletzt von den Mitgliedstaaten, größere Aufmerksamkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich das Beispiel der Verlagerung von Unternehmen, die jahrelang Gemeinschaftsmittel erhalten haben, sowie Sachverhalte anführen, bei denen die öffentliche Gesundheit in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gefährdet wird. Durch eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten und Einrichtungen soll die zügige Einziehung der betreffenden Beträge erleichtert und verbessert und zugleich verhindert werden, dass die beteiligten Unternehmen oder Organisationen weiter Gemeinschaftsmittel erhalten.

Das ist ein triftiger Grund, aber wir sind dagegen, dass man ihn benutzt, um einen weiteren Anstoß in Richtung Föderalismus zu geben; im Bericht wird die Errichtung einer Staatsanwaltschaft und eines Staatsanwalts auf EU-Ebene vorgeschlagen, was ein weiterer Schritt zur Beschneidung der Souveränität der Mitgliedstaaten wäre.

 
  
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  Der Präsident. Damit sind die Stimmerklärungen abgeschlossen.

 

10. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
  

(Die Sitzung wird um 12.35 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

 

11. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

12. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll

13. Begrüßung
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  Der Präsident. Mir wurde mitgeteilt, dass ein berühmter Besucher auf der Ehrentribüne Platz genommen hat. Es handelt sich um Herrn Akbar Ganji, einen bekannten Schriftsteller und Journalisten, der im März dieses Jahres nach einer sechsjährigen Gefängnisstrafe, die gegen ihn wegen seines Einsatzes für Demokratie und Pressefreiheit verhängt wurde, freigelassen worden ist.

Herr Ganji, wir heißen Sie herzlich im Europäischen Parlament willkommen.

(Beifall)

Das Europäische Parlament hat Herrn Ganji während seiner langen Haftzeit und seines Hungerstreiks aktiv unterstützt und wiederholt seine Freilassung gefordert, insbesondere in seiner Entschließung zum Iran vom 13. Oktober 2005 sowie durch mehrere Schreiben und Interventionen des Präsidenten des Parlaments und der Vorsitzenden der Delegation für die Beziehungen zu Iran und des Unterausschusses Menschenrechte.

Gerade heute Nachmittag hat Herr Ganji an einer gemeinsamen Tagung dieser Organe teilgenommen, und ich bin sicher, dass er daraus viele neue Erkenntnisse und Erfahrungen gewonnen hat.

 

14. Haushaltsplan 2007: Einzelplan III – Kommission – Haushaltsplan 2007: Einzelpläne I, II, IV, V, VI, VII und VIII
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über das Haushaltsverfahren 2007.

In dieser Aussprache prüfen wir

– den Bericht von James Elles im Namen des Haushaltsausschusses über den Entwurf des Gesamtshaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2007 (Einzelplan III) (C6-0299/2006 – 2006/2018(BUD)) und die Berichtigungsschreiben Nr. 1/2007 (5733/2006 – C6-0000/2006) und Nr. 2/2007 (9010/2006 – C6-0000/2006) zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2007 und

– den Bericht von Louis Grech im Namen des Haushaltsausschusses über den Entwurf des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2007 (Einzelplan I, Europäisches Parlament; Einzelplan II, Rat; Einzelplan IV, Gerichtshof; Einzelplan V, Rechnungshof; Einzelplan VI, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss; Einzelplan VII, Ausschuss der Regionen; Einzelplan VIII (A), Europäischer Bürgerbeauftragter; Einzelplan VIII (B), Europäischer Datenschutzbeauftragter (C6-0300/2006 – 2006/2018(BUD)).

 
  
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  James Elles (PPE-DE), Berichterstatter. – (EN) Herr Präsident! Vielen Dank für die Eröffnung dieser ersten Haushaltsdebatte für 2007. Eingangs möchte ich all jenen danken, die dazu beigetragen haben, dass wir diese Phase erreicht haben, insbesondere den Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses des Parlaments und allen sonstigen Beteiligten. Ohne sie wäre es uns nicht möglich gewesen, diesen Stand der Vorbereitung zu erreichen.

Bei der Erarbeitung der Leitlinien für den Haushalt 2007 – der sich insofern von anderen unterscheidet, als er der erste Haushalt im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau ist – haben wir den ersten Teil des Jahres größtenteils damit zugebracht, das Ergebnis der neuen Finanziellen Vorausschau zu verhandeln. Es ist schon ein recht ungewöhnlicher Haushalt, wenn man feststellen muss, dass uns einige Programme noch gar nicht vorliegen, denn die mehrjährigen Programme werden jetzt gerade erst abgeschlossen, und es ist zu hoffen, dass die Haushaltsordnung Anfang des kommenden Jahres vorliegen wird und wir dann auf dieser Grundlage arbeiten können.

Was allgemeine Überlegungen betrifft, so möchte ich bei der Vorlage dieses Haushalts im Parlament drei von ihnen erläutern, die unser strategisches Vorgehen im Haushaltsausschuss geprägt haben.

Erstens wirkt sich das Tempo der Globalisierung außerhalb Europas auf unsere Politiken aus, wie wir im Mai bei unseren Diskussionen zur jährlichen Strategieplanung (JSP), die die Grundlage für unsere Vorbereitung auf diesen Haushalt bildet, feststellten. Meines Erachtens haben wir die Kommission zu Recht wegen ihrer lockeren und selbstgefälligen Haltung in dieser Sache kritisiert. Wir müssen in der Lage sein, die Auswirkungen dessen, was anderswo in der Welt geschieht, in unserer Haushaltspolitik zu berücksichtigen.

Zweitens wissen wir sehr wohl, dass uns im Ergebnis der Diskussionen über die Finanzielle Vorausschau weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, als wir eigentlich gehofft hatten, und deshalb müssen wir bei der Gestaltung unserer Politiken Schwerpunkte setzen.

Drittens müssen wir die Kommunikation mit unseren Bürgern verbessern und sie davon überzeugen, dass wir fähig sind, die Haushaltsmittel effektiv zu verwenden.

Davon abgesehen, zu welchen Entscheidungen hat uns das Verfahren nun geführt? Zunächst der allgemeine Ausblick. In Bezug auf Verpflichtungen waren wir meines Erachtens sehr vorsichtig, denn wir haben in den verschiedenen Teilen des Haushalts beträchtliche Margen vorgesehen, die weit unter den in der Interinstitutionellen Vereinbarung (IIV) vorgesehenen Obergrenzen liegen, und zum ersten Mal seit 2000 bitten wir nicht um die Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments.

Hinsichtlich der Zahlungen haben wir bei der Festlegung einer Reihe von Schwerpunktbereichen analog zum Ansatz von Reimer Böge, unserem Berichterstatter zur Finanziellen Vorausschau, dessen Bericht das Parlament angenommen hat, einen horizontalen Ansatz gewählt, und das kommt darin zum Ausdruck, dass wir die Zahlungen in erster Lesung mit 1,04 % angesetzt haben und damit immer noch weit unter der für 2007 zulässigen Obergrenze von 1,06 % geblieben sind. Dies hält außerdem das Verhältnis zwischen Verpflichtungen und Zahlungen in den meisten Fällen unter 80 %.

Was Pilotprojekte und vorbereitende Maßnahmen betrifft, haben wir eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten: bei den internen Politikbereichen, wo wir die Innovation fördern wollen und wo wir dank unserem Freund und Kollegen Herrn Deprez vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Bereich Sicherheit eine wichtige Initiative zur Steuerung der Migrationsströme vorsehen, und bei den externen Politikbereichen schließlich, wo zu prüfen ist, wie wir Verbindungen mit China und Indien aufbauen können, denn wie bereits von Anfang an zum Ausdruck kam, verfügen wir in einer zunehmend von Globalisierung geprägten Welt nicht über die richtigen Netzwerke, die unsere Unternehmen und Wissenschaftler mit ihren chinesischen und indischen Partnern verbinden. Wir stellen diese Überlegungen als vorbereitende Maßnahmen ein, damit sie im Rahmen des Haushaltes 2007 gebilligt werden.

Abschließend habe ich in Bezug auf die Zahlungen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – die GASP – erwähnt. Einige Vertreter des Rates meinen, dass wir nicht besonders großzügig seien, wenn wir es bei einer Kürzung von 50 % beließen. Manch einem wären 100 % lieber gewesen, aber wir haben mit 50 % einen guten Kompromiss erzielt, denn eine Reihe von Leuten, vor allem im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, aber auch anderswo im Parlament, wollen gern, dass die vom Rat eingegangene Verpflichtung so erfüllt wird, wie Parlament und Rat die Außen- und Sicherheitspolitik handhaben.

Auch bei den Sonderbeauftragten, wo wir die Übertragung der gesamten Summe auf die EU-Delegationen empfehlen, geht es uns in der ersten Lesung darum, dass wir zwar keine Sonderbehandlung beanspruchen, aber doch zumindest Klarheit darüber, wie diese Leute ernannt werden. Wie es im entsprechenden Änderungsantrag heißt, möchten wir Leitlinien für die Entscheidung zur Einsetzung, Auswahl und Ernennung von EU-Sonderbeauftragten sowie die regelmäßige Bewertung ihrer Arbeit annehmen.

Ich komme jetzt zum zweiten Aspekt, der Kostenwirksamkeit. Das ist ein innovatives Konzept, mit dem wir verhindern wollen, dass noch mehr Geld verschwendet wird. Es gibt in diesem Haus wohl niemanden, der etwas gegen dieses spezielle Konzept hat, bei dem es darum geht, die Rubriken zu ermitteln, von denen wir aus den verschiedenen uns vorliegenden Berichten wissen, dass die Politikmaßnahmen quantitativ oder qualitativ mangelhaft umgesetzt werden.

Dank der Arbeit des Haushaltsausschusses – auch wenn es schön gewesen wäre, wenn der Berichterstatter des Haushaltskontrollausschusses etwas stärker zu diesem Verfahren hätte beitragen können – konnten wir durch Prüfung unserer eigenen Kosten-Nutzen-Analysen, der Berichte des Rechnungshofs, des Frühwarnsystems für die Haushaltsausführung („budget forecast alert“) und die von der Kommission vorgelegten Syntheseberichte eine Reihe von Rubriken ermitteln, zu denen wir einstimmig in erster Lesung im Haushaltsausschuss beschlossen haben, 30 % der entsprechenden Mittel in die Reserve einzustellen. Wir haben die Absicht, diese Mittel bis Ende des Jahres in zweiter Lesung freizugeben, vorausgesetzt wir erhalten von der Kommission am 15. November eine zufrieden stellende Erklärung, wenn der Haushaltsausschuss und der Haushaltskontrollausschuss in einer gemeinsamen Sitzung diese Rubriken prüfen und klären werden, ob sie jetzt ordnungsgemäß gehandhabt werden. Dahinter steht die Überlegung, dass wir den Haushalt von den Rubriken befreien können, die nicht effektiv funktionieren, und uns weiter auf unser Ziel zubewegen, nämlich die Erteilung einer positiven Zuverlässigkeitserklärung.

Zwar meint der Rat, dies verstöße gegen die Haushaltsordnung, aber meiner Ansicht nach geht aus Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe b eindeutig hervor, dass wir berechtigt sind, Gelder in die Reserve einzustellen, wenn dazu ausreichende Gründe vorliegen.

Es wäre gut, wenn wir uns bis zum Ende unseres Verfahrens – vielleicht am Rande unserer Konzertierungssitzung mit dem Rat am 21. November oder der Abstimmung im Dezember – auf eine gemeinsame Erklärung von Parlament, Rat und Kommission darüber einigen könnten, wie wir diesen Aspekt der Kostenwirksamkeit zu einem normalen Bestandteil unserer Arbeit machen könnten, statt ihn dem Zufall zu überlassen.

Einige letzte Bemerkungen zu anderen Aspekten, Haushaltskontrolle und Kostenwirksamkeit. Erstere betrifft die gemeinsame Verwaltung: Zu meinem großen Erstaunen und dem anderer Kollegen hörten wir vom Präsidenten des Rechnungshofs gestern Abend im Haushaltskontrollausschuss, er sei an einer gemeinsamen Verwaltung nicht sonderlich interessiert, denn der Rat zahle und die Kommission übernehme die Verantwortung für die Abzeichnung des Haushalts. Ich glaube nicht, dass es eine Zuverlässigkeitserklärung geben kann, wenn die Mitgliedstaaten keine haushaltspolitische Verantwortung für die Mittel übernehmen, die sie bereitstellen und die 75 % bis 80 % des Haushalts ausmachen. Deshalb ist die gemeinsame Verwaltung aus unserer Sicht wichtig für die Umsetzung der IIV-Bestimmung.

Was zweitens die Arbeit zu den Agenturen – die Frau Haug so geschickt für uns koordiniert hat – betrifft, so stellen wir Beträge der Aufstockung in die Reserve ein, damit wir von den Agenturen erfahren können, wie sie ihre Gelder einsetzen und ihre Arbeitsprogramme durchführen werden, um wieder Kostenwirksamkeit zu erhalten.

Nicht zuletzt geht es um die Frage der Verwaltung. Wir können uns den Schritten des Rates in der ersten Lesung zur Kürzung der Zahl der Kommissionsstellen um etwa 2000 in den nächsten Jahren nicht anschließen. Unserer Ansicht nach sollte bis zum 30. April 2007 eine Überprüfung der Kommission durchgeführt werden, damit wir bis zur Halbzeit eine Vorstellung von ihrem Personalbedarf erhalten, bevor wir drastische Kürzungen vornehmen.

Darüber hinaus möchten wir von der Kommission nicht nur Informationen über den Stand bei den ausstehenden Regelungen, die wir hätten zurückziehen können, sondern vor allem möchten wir Klarheit zwischen dem, was wir hier im Haushaltsverfahren haben, und dem Gesetzgebungsverfahren des Arbeitsprogramms, über das die Kommission heute entscheidet, damit dann, wenn wir eine endgültige Entscheidung über diesen Haushalt haben, hoffentlich im Dezember, und die Entschließung des Parlaments über das Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm, diese beiden zusammengeführt werden können und im Februar 2007 der Kommissionspräsident ins Parlament kommen und uns über das endgültige Arbeitsprogramm der Union informieren kann. Andernfalls ist es für die Bürger nicht durchschaubar.

Ich möchte daher abschließend feststellen, dass ich diesen Haushalt, was die Schwerpunkte betrifft, als stimmig und zukunftsweisend bezeichnen würde. In Bezug auf die Kostenwirksamkeit kann man ihn als in sich schlüssig und umsichtig bezeichnen. Auf der Grundlage dieser beiden Bausteine können wir schließlich der Überprüfung 2008/2009 beruhigt entgegensehen und haben einen ganz klaren Standpunkt für das Europäische Parlament, um zu gewährleisten, dass wir, wenn wir bei bestimmten Politikmaßnahmen oder verschiedenen Politikaktivitäten Aufstockungen benötigen, auf diese Debatte gut vorbereitet sein werden.

(Beifall)

 
  
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  Louis Grech (PSE), Berichterstatter. (MT) Die den anderen Einzelplänen für 2007 bewilligte Haushaltserhöhung war verglichen mit 2006 nur marginal und weitaus geringer als im Vorentwurf beantragt. Die vereinbarte Aufstockung spiegelt die Inflationsrate und die Beträge in Bezug auf die spezifischen Prioritäten der einzelnen Einrichtungen wider. Der Haushaltsausschuss hat entschieden, mehr als 10 Millionen Euro der Kürzungen von rund 29 Millionen Euro, die der Rat bei den anderen Einzelplänen vorgenommen hatte, mit Ausnahme von Parlament und Rat, wieder einzusetzen.

Ausgangspunkt für den Haushalt 2007 waren die Hauptprioritäten der Einrichtungen, bei Gewährleistung ihrer ungehinderten Arbeits- und Funktionsfähigkeit. Allgemein geht es für die Institutionen um einen Mehrbetrag von 31 Millionen Euro im Vergleich zu den beantragten 48 Millionen Euro.

Im Laufe der Jahre, Herr Präsident, sind übertriebene Margen ein gängiges Merkmal der Voranschläge mancher Institutionen geworden. Diese Gewohnheit, oder besser gesagt schlechte Gewohnheit, führte zu einem ungünstigen System von Übertragungen in letzter Minute oder dem Verfall bestimmter Mittel. Diese Situation wird nur schwer handhabbar sein, wenn sich der Prozess des Ankaufs bzw. Erwerbs von Gebäuden in einigen Jahren zu verlangsamen beginnt. Diesbezüglich wäre unserer Ansicht nach ein mehr auf Aktivität basierender Ansatz effektiver. Darüber hinaus sollte bei der Erstellung der Haushaltsvoranschläge ein stärker harmonisierter und standardisierter Ansatz mit klareren Begründungen und präziseren Ansätzen gewählt werden.

In Bezug auf das Parlament hat der Haushaltsausschuss beschlossen, den endgültigen Umfang des Haushaltsplans 2007 auf 139,7 Millionen Euro festzusetzen, d. h. eine Marge von 25 Millionen Euro unter der Obergrenze von 20 %. Diese Höhe entspricht 19,65 % der Verwaltungsausgaben unter Titel V. Diesbezüglich verzichtet das Parlament jedoch nicht auf seinen traditionellen Anteil von 20 %. Vielmehr erweitert der Ausschuss seine Unterstützung auf die Bereitstellung nicht in Anspruch genommener Mittel für unvorhergesehene, aber gerechtfertigte Ausgaben mittels „Berichtigungshaushalten“. Die Schaffung einer effizienten Struktur in Verbindung mit Umschichtungsmaßnahmen sollten die Hauptziele in der strategischen Planung für den Stellenplan 2007 sein. Außerdem wird die Besetzung von Stellen, die durch Eintritt in den Ruhestand frei werden, nicht als automatischer Prozess betrachtet.

In Bezug auf Assistenz und Dienstleistungen für die Mitglieder stimmen wir mit dem Generalsekretär überein, dass die wichtigsten Zielsetzungen im Zusammenhang mit der Reform „Raising the game“ insgesamt erreicht wurden. Es wird jedoch wiederholt die Beschwerde vorgebracht, die Informationen über die den Abgeordneten zur Verfügung stehenden unterstützenden Dienste seien unzureichend. Die Verwaltung sollte sich mit diesem Mangel befassen und ihn bis spätestens Ende dieses Jahres beheben.

Herr Präsident, in der mir zur Verfügung stehenden sehr begrenzten Zeit kann ich nicht im Detail über alle Prioritäten sprechen, mit denen sich der Haushaltsplan und mein Bericht für 2007 befassen. Diese Prioritäten betreffen die 48 Millionen Euro, die für Ausgaben im Zusammenhang mit der Erweiterung um Bulgarien und Rumänien bewilligt wurden, die zur Vereinfachung und Aktualisierung von Gesetzen ergriffenen Maßnahmen, die Prüfung der Kosteneffizienz der Übersetzungsdienste, insbesondere hinsichtlich der Länge von Texten, die Genehmigung von zusätzlichen 9,5 Millionen Euro für die Verbesserung der Besucherprogramme, die Entscheidung, 6,7 Millionen Euro für Web TV, über das nach der Präsentation des Prototyps im Haushaltsausschuss endgültig entschieden wird, in der Reserve zu belassen, und das Erfordernis einer stärkeren Kontrolle der Verwaltung der Mehrsprachigkeit, für die wir 3 Millionen Euro in die Reserve gestellt haben. Die missbräuchliche Inanspruchnahme der Übersetzungs- und Dolmetschdienste durch manche Beteiligten, einschließlich politischer Parteien, sollte Sanktionen nach sich ziehen. 50 Millionen Euro wurden für Gebäude bereitgestellt, und wir müssen gewährleisten, dass die Gebäudepolitik regelmäßig überprüft wird.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass die Umsetzung des Haushaltsplans ein besseres Management erfordert, wenn die Ziele erreicht werden sollen. Auch müssen Jahresberichte erstellt werden, die auf detaillierteren Informationen über die von den Institutionen geleistete Arbeit basieren. Diese Berichte sollten dazu verwendet werden, Anträge auf zusätzliche Mittel zu rechtfertigen, damit das Parlament bei der Mittelbewilligung zweckmäßigere Entscheidungen treffen kann. So bringen Haushaltspläne, die von den europäischen Steuerzahlern finanziert werden, für ihren Alltag einen echten Mehrwert.

Abschließend möchte ich allen danken, die zur Erstellung dieses Berichts beigetragen haben. Mein Dank gilt dabei insbesondere dem Generalsekretär, der seinen Rücktritt eingereicht hat. Wir werden ihn vermissen; ob er uns vermissen wird, steht auf einem anderen Blatt.

 
  
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  Ulla-Maj Wideroos, amtierende Ratspräsidentin.(FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine Ehre für mich, hier an der Aussprache des Parlaments zum Haushalt 2007 teilnehmen zu dürfen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Dinge, die hier während der Debatte angesprochen werden, mit Interesse verfolgen und an alle unsere Kollegen weiterleiten werden.

Der Prozess der Haushaltsaufstellung ist langwierig. Ich schätze die offene Gesprächsatmosphäre, die das ganze Jahr über zwischen den Mitgliedern des Rates und dem Parlament geherrscht hat. Wir haben diese Angelegenheit zuletzt im Rahmen des Haushaltstrilogs am 18. Oktober erörtert. Dabei hatte ich bereits Gelegenheit, einige erste Anmerkungen zu den Änderungsvorschlägen des Haushaltsausschusses zu machen, über die am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden soll. Bevor ich dem Rat einige wichtige Angelegenheiten vortrage, möchte ich auf gewisse Fragen der Qualität eingehen, die für die Arbeit der gesamten Union wichtig sind.

Ich möchte an dieser Stelle offen sein und die Dinge beim Namen nennen. Ich glaube, dass der Haushaltsausschuss unter der Führung von Herrn Elles und Herrn Grech vorurteilsfrei gearbeitet hat, indem er sich auch darauf konzentriert hat, was mit dem Geld unserer Bürger und Steuerzahler geleistet werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Kommission an dieser Arbeit beteiligt.

Die Frage nach dem Gegenwert für die Steuergelder der Union, also das Kosten-Nutzen-Denken, muss zu einem regelmäßigen Prozess werden. Der Kosten-Nutzen-Ansatz muss das gesamte Haushaltsverfahren durchdringen.

Die erste Lesung des Haushalts sollte sich meiner Meinung nach auf Tatsachen und Zahlen konzentrieren. Ich denke nicht, dass die Haushaltsbehörden bei der ersten Lesung politische Erklärungen abgeben sollten.

Bereits bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Rat am 5. September 2006 habe ich erklärt, dass das Haushaltsverfahren der EU dringend erneuerungsbedürftig ist. Ohne innovative Haushaltslösungen können wir weder die Wettbewerbsfähigkeit der Union stärken noch die Verwaltung ihrer Institutionen effektiver gestalten. Die Haushaltsbehörden müssen konkrete Maßnahmen ergreifen, um bereits mit diesem Haushalt 2007 ihre Ziele zu verwirklichen.

Aus Sicht des Rates ist die Absicht des Parlaments, den Umfang der Zahlungsmittel deutlich zu erhöhen, ohne dass es nachgewiesene Notwendigkeiten dafür gibt, nicht der richtige Weg, um eine Brücke zwischen der EU und ihren Bürgern zu bauen. Eine solche Steigerung würde nur zu einem enormen Überschuss im ersten Jahr führen. Der Haushalt 2007 sollte auf einem realistischen und begründeten Mittelbedarf basieren.

Den Haushalt für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu halbieren, ist einfach nicht hinnehmbar. In der vor fünf Monaten abgeschlossenen interinstitutionellen Vereinbarung hat das Parlament einem Betrag von durchschnittlich 250 Millionen Euro pro Jahr zugestimmt. Vor diesem Hintergrund bin ich der Überzeugung, dass die 159 Millionen Euro, wie sie von der Kommission und dem Rat befürwortet werden, angemessen sind. Ich frage mich daher, wie sich die vom Parlament vorgeschlagenen 73 Millionen Euro rechtfertigen lassen. Ich hoffe doch, dass das Plenum verantwortungsvoll mit diesen beiden Bereichen umgeht.

Die Haushaltsbehörden müssen in allernächster Zukunft ein Verfahren für den Umgang mit den Reserven entwickeln. Haushaltsmittel sollten nicht aus rein taktischen Gründen bereitgehalten werden. Auch hier müssen die Bestimmungen der Haushaltsordnung buchstabengetreu eingehalten werden.

Wie wir alle gut wissen, ist der Haushalt 2007 der erste nach der neuen interinstitutionellen Vereinbarung. Es ist sehr wichtig, dass alle ihre altbekannten und vertrauten Bestandteile wie die Obergrenzen und Spielräume von Anfang an respektiert werden. Die neue Vereinbarung enthält auch neue Bestimmungen, beispielsweise in Bezug auf Pilotprojekte und vorbereitende Maßnahmen. Ich hebe die Bedeutung dieser Bestimmungen deshalb hervor, weil sie deutlich werden lassen, dass Pilotprojekte und vorbereitende Maßnahmen nicht das ausschließliche Recht einer Haushaltsbehörde allein sind. Sowohl das Parlament als auch der Rat müssen diesen inhaltlichen Aspekt der neuen interinstitutionellen Vereinbarung anerkennen.

Der Haushalt 2007 ist ein Gesamtpaket. Es kommt jetzt darauf an, dass die Haushaltsbehörden das gemeinsam vereinbarte Paket im Rahmen des Haushaltsverfahrens umsetzen. Die Kernbestandteile dieses Gesamtpakets hängen eng miteinander zusammen.

Abschließend möchte ich noch einmal auf die Neufassung der Haushaltsordnung zurückkommen. Dies ist ein Thema, das dem Parlament und der Kommission gleichermaßen am Herzen lag und bei dem sie den Rat zur Eile drängten. Präsident Borrell hat diese Angelegenheit zuletzt am 17. Oktober in seinen Gesprächen mit Ministerpräsident Vanhanen angesprochen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Rat am 19. Oktober einen Gemeinsamen Standpunkt zur Neufassung der Haushaltsordnung verabschiedet hat. Wir können die Verhandlungen mit dem Parlament über die Haushaltsordnung daher am 21. November aufnehmen. Ich bedauere, dass wir nicht in der Lage gewesen sind, den von der Haushaltskommissarin in ihrem Schreiben vom Juni vorgeschlagenen Zeitplan einzuhalten. Die Kommission hatte gehofft, dass das Treffen bereits in der letzten Woche stattfindet. Ich bin jedoch überzeugt, dass der von mir angesprochene Zeitplan allen Seiten ausreichend Zeit lässt, eine umfassende Gesamtlösung zu formulieren.

Ich hoffe, dass diese kurzen Anmerkungen meinerseits etwas dazu beigetragen haben, die Auffassungen des Rates zu verdeutlichen. Ich bin aufrichtig davon überzeugt, dass das Parlament und der Rat in den Debatten der kommenden Wochen zu einer guten gemeinsamen Lösung für den Haushalt 2007 gelangen werden.

 
  
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  Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Haushaltsausschuss und seinem Berichterstatter, die sich im Rahmen der Vorbereitung auf die erste Lesung mit über 1200 Vorschlägen von anderen Ausschüssen befasst haben, den Dank und die Anerkennung der Kommission für die geleistete Arbeit aussprechen. Wir wissen, was das bedeutet und wie dabei vorgegangen wurde. Generell war die Reaktion der Kommission auf den vom Parlament vorgelegten Vorschlag für die morgige Abstimmung positiv. Ich möchte jedoch drei heikle Punkte ansprechen, die wir gemeinsam mit dem Parlament vor der zweiten Lesung klären möchten.

Der erste Punkt betrifft die horizontalen Reserven bei 30 % der Haushaltslinien zu Mehrwertprogrammen. Die Erstanwendung des Programms bereitet uns etwas Sorge – nicht im politischen Sinne, da waren wir von Anfang an dafür, sondern die Erstanwendung bezüglich des Betrages im Allgemeinen sowie einige der damit verbundenen Bedingungen. Die Kommission und ihr Sekretariat sind bereit, der Einladung des Parlaments zu den Anhörungen Mitte November Folge zu leisten und möglichst umfassende Erläuterungen zu geben, damit das Parlament vor der zweiten Lesung soviel wie möglich freigeben kann.

Der zweite Punkt betrifft die Agenturen, vor allem drei neue, die 2007 gegründet werden sollen. Der Haushaltsausschuss hat die entsprechenden Vorbereitungen gestrichen. Soweit uns bekannt ist, betrifft das wohl Nummer 47 unserer neuen Interinstitutionellen Vereinbarung. Die Beziehungen zwischen zwei Haushaltsbehörden müssen präzisiert und die neuen Verfahren definiert werden. Deshalb werden wir demnächst um technische Treffen zwischen den drei Organen bitten, um die Lage zu klären, damit die drei Agenturen im Januar 2007 eingesetzt werden können.

Beim dritten Element handelt es sich um die 50 Millionen Euro, die in Rubrik 5 in Bezug auf die Gehälter von Kommissionsmitarbeitern in die Reserve eingestellt wurden. Wir möchten dem Parlament dafür danken, dass es Kürzungen des Rates rückgängig gemacht hat, aber die Reserven bereiten uns dennoch Sorge, denn die Bedingungen, an die sie geknüpft sind, sind weit gefasst, und es sind viele. Doch wie ich bereits eingangs sagte, werden wir bis zum 15. November und vor der abschließenden Konzertierung mit beiden Armen der Haushaltsbehörde soviel Informationen wie möglich bereitstellen, damit wir eine möglichst umfangreiche Mittelfreistellung erreichen können. Werden nicht wenigstens Teile einer Reserve bis zum 1. Januar aufgehoben, können wir keinerlei Einstellungen vornehmen, auch nicht aus den neuen Mitgliedstaaten und um ausgeschiedene Mitarbeiter zu ersetzen.

Generell sind wir zuversichtlich. Wir sind bereit, eng mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, damit alle in erster Lesung als Vorschlag für uns aufgestellten Bedingungen erfüllt und die Mittel freigegeben werden können. Wir hoffen, dass wir bis zum 21. November eine Einigung erzielen können, mit der alle drei Organe gut leben können.

 
  
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  István Szent-Iványi (ALDE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. – (HU) Das Kapitel Außenpolitik ist möglicherweise der größte Verlierer des Siebenjahreshaushalts. Damit stellt sich natürlich sofort die Frage, ob die Europäische Union in der Lage sein wird, ihrer Rolle als „Global Player“ gerecht zu werden. Besonders bedauerlich ist, dass der Rat im jährlichen Haushaltsprozess weitere signifikante Kürzungen im Bereich Außenpolitik vorgenommen hat. Aus diesem Grund hat der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten beschlossen, in zahlreichen Punkten die ursprünglichen Beträge aus dem Haushaltsvorentwurf wieder einzusetzen.

Wir haben die außenpolitischen Prioritäten des Europäischen Parlaments festgesetzt, weil wir der Meinung sind, dass mehr Ressourcen für Kandidatenländer und potenzielle Kandidatenländer bereitgestellt werden sollten, weil mehr Mittel für die Länder an der Ostflanke der Europäischen Nachbarschaftspolitik ausgegeben werden und die humanitäre Hilfe für Palästina aufgestockt werden sollten.

Der Haushaltsausschuss hat nicht allen unseren Vorschlägen zugestimmt, und deshalb unterbreiten wir diese Vorschläge nochmals im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. Wir fordern Sie im Interesse einer verantwortungsbewussten und einheitlichen Außenpolitik auf, den Vorschlag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zu akzeptieren.

 
  
  

VORSITZ: ANTONIOS TRAKATELLIS
Vizepräsident

 
  
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  Jürgen Schröder (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Entwicklungsausschusses. – Herr Präsident! Gestatten Sie mir, dass ich zuerst unserem Kollegen James Elles meinen Glückwunsch zu seinen strategischen Überlegungen ausspreche. Ich nenne nur die Stichwörter China und Indien. Dies ist ein Novum und von uns sehr ernst zu nehmen.

Im Entwicklungsausschuss haben wir erreicht, dass die Mittel aus dem HVE wiedereingesetzt werden und die Transparenz des Haushalts beibehalten wird. Es ist uns auch gelungen, einen Bericht zu erarbeiten, der bereits mit dem DCI-Bericht unseres Kollegen Gay Mitchell konform ist. Dennoch habe ich zwei Änderungsanträge im Plenum eingebracht, die im Haushaltsausschuss nicht angenommen wurden.

Es handelt sich hierbei um Änderungsantrag 250, der auf ein Pilotprojekt für klein- und mittelständische Unternehmen in Entwicklungsländern abzielt. Ich erinnere daran, dass wir gerade erst dieses Jahr einen Bericht zu KMU in Entwicklungsländern verabschiedet haben. Wenn wir dabei helfen wollen, in Entwicklungsländern einen Mittelstand aufzubauen, müssen wir die Rolle der KMU stärken. Es wäre wirklich ärgerlich, wenn wir unseren eigenen Aufruf zur Stärkung der KMU in Entwicklungsländern nicht durch ein Pilotprojekt in diesem Bereich unterstreichen würden.

Der zweite Punkt ist Änderungsantrag 253. Hierbei geht es um den Austausch mit anderen Parlamenten. Der Änderungsantrag bezieht sich auf unseren eigenen EP-Haushalt und die Möglichkeit, mit anderen Parlamenten wie dem panafrikanischen Parlament oder dem afghanischen Parlament Kontakt zu halten. Das Europäische Parlament kann so wirklich positiven Einfluss auf den Demokratisierungsprozess in der Welt nehmen. Deshalb bitte ich Sie dringend, auch diesem Änderungsantrag am Donnerstag zuzustimmen!

 
  
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  Ona Juknevičienė (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. – (LT) Der Haushalt ist notwendig für die Durchführung von Projekten, die für die Gemeinschaft und ihre Bürger wichtig und von Vorteil sind. Ein solches Projekt ist der mit 500 Millionen Euro ausgestattete Fonds für die Anpassung an die Globalisierung.

Ich habe vorgeschlagen, die Mittel in die Reserve des Haushalts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für das kommende Jahr einzustellen. Darüber werden wir im Dezember abstimmen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, und vor allem die Aufmerksamkeit der Kommission jedoch nochmals auf die für die Verwendung der Mittel aufgestellten Regeln lenken. Die Frage ist, ob das Geld tatsächlich einen bestimmten Arbeitslosen erreicht. Das Geld kann nicht missbraucht werden, wie es oft bei Geberhilfen für Unternehmen, die sich in Umstrukturierung befinden, der Fall war.

Meines Erachtens ist die Gefahr, dass Gelder der Kommission missbraucht werden, recht groß. Davon haben wir, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Währung uns bei der Abstimmung leiten lassen. Wir können die Regeln nicht akzeptieren, solange sie nicht grundlegend geändert werden. Deshalb fordere ich Sie auf, von der Kommission energisch Garantien für eine transparente und effektive Verwendung der Fonds zu fordern.

 
  
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  Jutta Haug (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen vor dem Beginn des ersten Haushaltsjahres der im April ausgehandelten und von uns im Mai beschlossenen Finanziellen Vorausschau. Der enge finanzielle Rahmen stellt uns vor einige Probleme, unsere politischen Ziele auch zu erreichen.

Bei der Erstellung des Haushaltsvorentwurfs 2007 war die Kommission sehr vorsichtig. Der Rat hat wie immer ungetrübt von jeder Sachkenntnis weiter heruntergekürzt. Der Umweltausschuss versuchte zu retten, was zu retten war. So haben wir die Zahlen des Haushaltsvorentwurfs wiedereingesetzt und bei einigen wenigen Zeilen die Summen verantwortungsvoll erhöht.

Der Haushaltsausschuss hat alle Änderungsanträge des Umweltausschusses übernommen. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss sehr dafür. Zufriedenstellen kann uns die Gesamtsituation allerdings nicht, zumal wir im Haushaltsjahr 2007 vor zurzeit noch ungeklärten Problemen bei LIFE+ und dem Gesundheitsaktionsprogramm stehen.

Der einzige Bereich, der uns hoffnungsfroh in die Zukunft blicken lässt, weil die Entwicklung samt der Finanzierung positiv ist, sind die Agenturen, nicht nur die, für die der Umweltausschuss als Fachausschuss zuständig ist, sondern alle. Die Zusammenarbeit mit den Agenturen hat sich in den letzten zwei Jahren stark verbessert. Wir werden bis Ende des Jahres sogar die Personal- und die Personalentwicklungspläne bekommen. Meine positive Einschätzung gilt für alle Agenturen.

Bei den drei neuen allerdings – dem Gender-Institut, der Menschenrechtsagentur und der Chemieagentur – gibt es noch Schwierigkeiten, und zwar nicht nur technischer Art, wie die Kommissarin gerade meinte. Für alle drei haben wir noch keine Rechtsgrundlage. Wir warten als Parlament immer noch auf den Beginn der Verhandlungen mit dem Rat nach Artikel 47 der Interinstitutionellen Vereinbarung, den Verhandlungen darüber, woher das Geld für die drei neuen Agenturen kommen soll. Liebe Ratspräsidentschaft, vielleicht könnten Sie das Verfahren an dieser Stelle etwas beschleunigen!

 
  
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  Neena Gill (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte drei Anmerkungen machen. Zunächst möchte ich dem Berichterstatter dafür danken, dass er Zahlungsermächtigungen für vorrangige Programme im Zusammenhang mit der Lissabon-Agenda wie das Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation und das Siebte Forschungsrahmenprogramm aufgestockt hat. Das sind Schlüsselinitiativen, die nicht nur Arbeitsplätze für Europas wertvolle und hoch qualifizierte Wissenschaftler sichern, sondern auch die EU auf künftige Herausforderungen als weltweit führende Kraft in diesem Bereich vorbereiten. Wir sollten nicht außer Acht lassen, welche beträchtliche positive Wirkung sie auf unsere Regionen und deren Bevölkerung haben.

Zweitens verdient der Berichterstatter unsere Anerkennung dafür, dass er sich besorgt zum Programm Galileo äußert, für das im Entwurf des Gesamthaushaltsplans für 2007 zu wenig Mittel vorgesehen sind. Dieses Renommierprogramm der EU stellt eine enorme technische, ökonomische und politische Herausforderung dar, und wir müssen uns hier wirklich sicher sein. Ich verstehe nicht, weshalb wir bereit sind, in diesem Bereich Mittel zu kürzen. Es wäre für die EU peinlich, wenn dieses Projekt aufgrund fehlender finanzieller Untersetzung zum Erliegen käme oder fehlschlagen würde.

Drittens verstehe ich angesichts der Tatsache, dass viele Bereiche – wie beispielsweise die eben von mir genannten – zusätzliche Mittel erfordern, nicht, wieso – wenn der ITRE-Ausschuss Haushaltskürzungen vorschlägt – dies nicht aus dem Programm für Sicherheit und Weltraumforschung kommt, wo wir die Zahlungen verringern und nicht erhöhen müssten.

Was nun allgemeinere und unseren Ausschuss nicht unmittelbar betreffende Belange angeht, so unterstütze ich in Bezug auf die Strukturfonds die in diesem Bericht gestellte Forderung nach einer Aufstockung der Zahlungen. Das ist doch ein Bereich, wo die Bürger spüren, wie sich die Politik der EU unmittelbar auf ihren Alltag auswirkt. Meine Region, die West Midlands, ist dafür ein gutes Beispiel. EU-Mittel haben maßgeblich zur Wiedernutzbarmachung des Entwicklungspotenzials der Kommunen beigetragen.

Ein Wort zu den Außenbeziehungen. Asien zählt zu den größten und bevölkerungsreichsten Regionen der Welt. Dort leben 60 % der Weltbevölkerung. Deshalb erstaunt es mich, dass die Kommission Kürzungen vorgenommen hat. Im vergangenen Jahr wurden Mittel für die Tsunami-Katastrophe von anderen Asien-Programmen ohne jede Aufstockung abgezogen, und in diesem Jahr hat die Kommission die Mittel nochmals gekürzt, weil weniger Mittel für die Tsunami-Opfer bereitgestellt werden. Hat die Kommission vergessen, dass die Asien-Programme, die geopfert wurden, dringend auf die Mittel angewiesen sind, wo sich die EU zur Erfüllung der Millenniums-Entwicklungsziele verpflichtet hat. Ich bitte die Kommission, dies zu begründen.

Ich unterstütze die Forderung des Berichts nach Transparenz bei der Zuweisung der Mittel für Information und Kommunikation. Wir brauchen durchgehende Transparenz. Die Verwendung europäischer Steuergelder sollte vollständig nachprüfbar sein und im Internet veröffentlicht werden. Dann kann man genau sehen, wer wie viel Geld erhält. Das gilt ebenso für die Abgeordneten dieses Hauses und insbesondere für die Landwirtschaft.

Abschließend möchte ich den beiden Berichterstattern, Herrn Elles und Herrn Grech, zu ihren ausgezeichneten Berichten gratulieren. Ich danke ihnen für ihre harte Arbeit.

 
  
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  Bill Newton Dunn (ALDE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – (EN) Herr Präsident! Eine Minute, zwei Punkte. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat schlicht und einfach für die Aufrechterhaltung der von der Kommission vorgeschlagenen Ausgaben für den Verbraucherschutz gestimmt, nicht für die drastischen Kürzungen durch den Rat. Wir stimmen also für den Status quo, wie von der Kommission vorgeschlagen.

Zweitens möchte ich eine Anmerkung zum Haushalt des Parlaments für die Kommunikation mit unseren Bürgern machen. Amerikanischen Kongressabgeordneten stehen jährlich Mittel für vier vierseitige Informationshefte für jeden einzelnen ihrer Wähler zu, in denen sie über ihre glorreichen Erfolge berichten können. Ich schlage einen Änderungsantrag vor, der es jedem von uns ermöglichen würde, jedes Jahr ein kostenloses vierseitiges Informationsheft an unsere Wähler zu verschicken, um sie über unsere Arbeit zu informieren. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen diesen Änderungsantrag unterstützen werden, der zum Ausgleich des Informationsdefizits beitragen würde. Einige unserer Wähler verfolgen das Geschehen von der Besuchertribüne aus, aber da draußen gibt es Millionen von Bürgern, die nicht wissen, was wir tun, und mit denen müssen wir kommunizieren.

 
  
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  Anne E. Jensen (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. – (DA) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Frau amtierende Ratspräsidentin! In der Finanziellen Vorausschau werden die Mittel für die transeuropäischen Netze – bei denen es sich um 30 vorrangige Verkehrsvorhaben handelt – auf ein Drittel der ursprünglich von der Kommission als notwendig erachteten Mittel gekürzt. Wir haben noch immer keine Rechtsgrundlage für die Finanzierung. Ebenso wenig wissen wir, wie der gekürzte Betrag im Verlaufe der nächsten Jahre aufgeteilt werden soll. Deshalb haben wir beschlossen, den gesamten Betrag für 2007 – fast 800 Millionen Euro – in die Reserve einzustellen, bis sämtliche Fragen geklärt sind. Wir können natürlich nicht die für das erste Jahr vorgesehenen Mittel in Anspruch nehmen, wenn wir keine klare Vorstellung davon haben, was in den Folgejahren passieren soll. Man kann schließlich keine halbe Brücke bauen. Das ist eine Sache von entweder/oder.

Im Falle der Behörde für Sicherheit im Seeverkehr, der Agentur für Flugsicherheit und der Agentur für Sicherheit im Eisenbahnverkehr wollen wir, dass die von der Kommission vorgesehenen Beträge wiedereingesetzt werden. Das sind neue, in der Gründung begriffene Agenturen, die Raum für ihre Tätigkeit brauchen.

Abschließend möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf das Pilotprojekt für sichere Rastplätze entlang der europäischen Autobahnen lenken. In Anbetracht der Verschärfung der für Ruhe- und Lenkzeiten geltenden Vorschriften muss für angemessene und sichere Rastbedingungen für die europäischen Kraftfahrer gesorgt werden.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter meine Anerkennung aussprechen. Er ist sehr konsequent vorgegangen. Die Zahlungen im Haushalt 2007 müssen insgesamt 1,04 % des EU-BNE erreichen, wenn wir wirksame Programme für unsere Bürger gewährleisten wollen. Ferner kommt es darauf an, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis anstreben. Jemand hat gesagt, dass der Rat zahlt. Das tut er aber gar nicht. Die Bürger zahlen. Wir geben das Geld der Steuerzahler aus; sie haben uns ihr Geld anvertraut, und sie erwarten zu Recht positive Resultate bei einem kostenwirksamen Umgang damit.

Als Berichterstatterin für den REGI-Ausschuss mahne ich dringend an, die Mittelansätze aus dem Haushaltsvorentwurf wieder einzusetzen und die Kohäsion als einen der politischen Schwerpunkte der EU anzusehen.

Abschließend fordere ich die Kommission auf, die Rechtsgrundlage des Programms PEACE zu klären und dafür zu sorgen, dass Ressourcen für den Internationalen Fonds für Irland bereitgestellt werden können. Als Europaabgeordnete aus Irland möchte ich die Gelegenheit nutzen und der EU für ihre fortgesetzte Unterstützung für den Frieden und den finanziellen Beitrag für den IFI danken. Bisher wurden mehr als eine Milliarde Euro zur Förderung von Frieden, Verständigung und Toleranz bereitgestellt. Sie haben Kommunen unterstützt und gezeigt, dass sie an die Menschen in den Grenzregionen Irlands glauben. Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt, und darauf können Sie stolz sein.

 
  
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  Marc Tarabella (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. (FR) Herr Präsident, Herr Berichterstatter, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit wenigen Ausnahmen wurden alle Änderungsvorschläge des Landwirtschaftsausschusses durch den Haushaltsausschuss akzeptiert.

Zunächst freue ich mich über die Annahme der Änderungsanträge, die die Wiederherstellung des Haushaltsvorentwurfs betreffen. Noch mehr begrüße ich die Annahme der Änderungsanträge, die die Erhöhung der Unterstützung für die Ärmsten zum Inhalt haben: die Nahrungsmittelhilfe, die Milcherstattungen, die kostenlose Verteilung von Obst und Gemüse, die konsumfördernden Maßnahmen, die Verteilung von Milch an Schüler und die Unterstützung für die Imkerei. Wir hätten uns gewünscht, dass vor allem die Milchkuhprämien, die in den benachteiligten Gebieten lebenswichtig sind, die Beihilfen für Energiekulturen, die Pilotprojekte für die Energieeffizienz stärker berücksichtigt werden. Deshalb gestatten wir uns, in diesem Sinne erneut Änderungsanträge im Plenum einzubringen.

Insgesamt hat aus unserer Sicht der Haushaltsausschuss die von uns eingebrachten Änderungsanträge stärker berücksichtigt, als wir zu hoffen wagten, und wir danken Ihnen, Herr Präsident, Herr Berichterstatter, liebe Kolleginnen und Kollegen für den konstruktiven Geist, von dem Sie sich bei Ihren Entscheidungen leiten ließen.

 
  
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  Rosa Miguélez Ramos (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Fischereiausschusses. – (ES) Herr Präsident! Unser Ausschuss hat einige Bemerkungen zu den vom Rat vorgenommenen Kürzungen im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission formuliert.

Die wesentlichste Kürzung sind die 10 Millionen Euro aus der Reserve bei internationalen Abkommen, die sowohl aus den Verpflichtungsermächtigungen als auch aus den Zahlungsermächtigungen herausgenommen werden, das heißt, sie verschwinden einfach. Der Fischereiausschuss ist der Ansicht, dass dies sogar zu Problemen in Bezug auf die rechtlichen Verpflichtungen der Union in diesem Bereich führen könnte, und wir fordern deshalb, die ursprünglichen Beträge wieder einzusetzen.

Die anderen Reduzierungen durch den Rat betreffen die Zahlungen des Europäischen Fischereifonds: 23 Millionen Euro für die Konvergenzregionen und 7 Millionen Euro für die Gebiete, die nicht zu dieser Kategorie gehören. Der Fischereiausschuss ist der Meinung, dass diese Kürzungen die in der Verordnung des Fonds vorgesehene Vorauszahlung von 7 % unmöglich machen würden.

Meine Damen und Herren, der allgemeine Beitrag für die Fischerei ist bereits bescheiden genug, und deshalb halten wir diese Kürzungen für unannehmbar. Sie sind willkürlich und unbegründet und vermitteln ferner eine sehr negative Botschaft zu einem für den Sektor kritischen Zeitpunkt, und wir im Fischereiausschuss fordern daher, die von der Kommission im Haushaltsvorentwurf vorgeschlagenen Zahlen wiederherzustellen.

 
  
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  Helga Trüpel (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Kultur und Bildung. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile im Prinzip den Ansatz Value for money, denn es geht um Effektivität und Sparsamkeit beim Umgang mit dem Geld. Auf der anderen Seite – und das ist unser Zielkonflikt – geht es aber auch darum, Geld für Europa zu haben, weil wir die Menschen begeistern und das europäische Projekt voranbringen wollen. Ohne angemessene Finanzausstattung wird uns das nicht gelingen.

Ich erinnere an die Debatten von heute Morgen zum Kulturprogramm und zur Kulturpolitik Europas und denke an die Debatten, die wir heute Abend über das lebenslange Lernen, die Jugendpolitik in den nächsten Jahren sowie das „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ noch führen werden. Es wurde heute Morgen beklagt und wird auch heute Abend wieder beklagt werden, dass wir nicht genug Geld in diesem Bereich ausgeben, der die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger Europas wirklich erreicht und sie in Kontakt mit Europa bringt.

Wir haben gemeinsam das große Akzeptanzproblem, wie wir die Bürger für Europa begeistern. Deswegen sollten wir gerade bei diesen Programmen nicht sparen, sondern mehr für die europäische Zukunft investieren. Deswegen hat der Ausschuss für Kultur und Bildung in sehr konsequenter Weise die Kürzungen des Rates bei diesen Programmen zurückgewiesen.

 
  
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  Gérard Deprez (ALDE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. (FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres möchte ich vor allem dem Berichterstatter, unserem Kollegen und Freund James Elles, sowie dem gesamten Haushaltsausschuss für die Art und Weise danken, in der er die Prioritäten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten berücksichtigt hat.

Zwei dieser Prioritäten verdienten ganz besondere haushaltpolitische Anstrengungen. Das ist erstens die bessere Kontrolle an den Außengrenzen der Union, die heute ständig einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt sind, vor allem an der gesamten Südflanke. Davon kann man sich täglich im Fernsehen und in den Zeitungen überzeugen. Deshalb galt es, die operativen Mittel der Frontex-Agentur zu verstärken, die wir zum Zwecke der Kontrolle der Außengrenzen geschaffen haben. Dabei erhielten wir glücklicherweise Unterstützung besonders seitens unseres Berichterstatters und unserer spanischen Kollegen, die uns behilflich waren, die – hier schwanke ich zwischen den Worten Dummheit und Inkonsequenz, Frau Ratspräsidentin, ich entscheide mich für Dummheit – die Dummheit des Rates zu korrigieren, der trotz der derzeitigen Umstände die Mittel für die Agentur Frontex gekürzt hatte.

Nun zu unserer zweiten Priorität, die ebenfalls von unserem Hohen Hause voll anerkannt und von den europäischen Bürgern umfassend unterstützt wird, wie aus allen verfügbaren Meinungsumfragen hervorgeht. Diese Priorität betrifft die Verstärkung der Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens, für die, wie Sie wissen, die Binnengrenzen der Union nicht zählen. Auch in dieser Frage wurde unsere Botschaft vom Haushaltsausschuss verstanden, indem insbesondere die Mittel für Eurojust erhöht wurden, welche ebenfalls – wählen sie selbst das passende Wort, Frau Ratspräsidentin – im Entwurf des Rates gekürzt wurden.

Ich muss weiterhin feststellen, dass der Rat im Bereich „Freiheit, Sicherheit und Justiz“ den Herausforderungen und den Erwartungen der Bürger nicht gerecht wird, und unser Parlament kann es sich als Ehre anrechnen, mit seinem Votum die Inkonsequenzen in der Haltung des Rates zu korrigieren, dessen Mitglieder sich in wohltönenden Erklärungen ergehen, aber davor zurückschrecken, gemeinsam zu handeln, um ernste gemeinsame Probleme zu bewältigen. Das ist eine Schande!

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mittberatenden Ausschusses für konstitutionelle Fragen. – (ES) Herr Präsident! Es heißt zwar immer, dass Wissen keinen Platz beanspruche, aber in diesem Fall glaube ich, die Aussprache und die Reflexion über die Zukunft Europas sollten einen Platz im Haushalt finden.

Als wir uns im Juli mit dem Gesamtberichterstatter trafen, sagte ich ihm im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen, dass dies in der Aussprache möglicherweise am unwichtigsten sein werde, was jedoch in Wirklichkeit nicht der Fall ist.

Wir diskutieren gerade über den Charakter, den Europa künftig annehmen soll, und um unsere Träume Wirklichkeit werden zu lassen, brauchen wir Mittel und Ressourcen, vor allem um die Bürgerinnen und Bürger informieren zu können, um die Institutionen zu stärken, die für die Beziehungen zwischen der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen zuständig sind, und um die Debatte zu fördern.

Werden wir das mit dem Haushaltsplan erreichen, den wir jetzt haben?

Die vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen eingereichten Änderungsanträge sind durch den Haushaltsausschuss in gewissem Ausmaß einbezogen worden. Damit werden wir in der Lage sein, ein angemessenes Nachdenken über diese Fragen zu fördern und auch zu sichern, dass die Bürger etwas – wenn auch wenig – von der hier geführten Debatte verstehen und erfahren, was der Haushalt der Union ist.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte meinen Kollegen Herrn Elles und Herrn Grech für ihre umfangreiche Arbeit in Vorbereitung des Haushalts 2007 danken.

Generell unterstütze ich den Ansatz unserer Berichterstatter, doch letztlich müssen wir dafür sorgen, dass uns ausreichend Mittel für die Finanzierung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zur Verfügung stehen, und wir müssen eine Lösung für die Finanzierung der Agenturen finden. Grundlage der laufenden Verhandlungen muss jedoch das gegenseitige Einvernehmen darüber sein, dass sich alle Seiten an ihre früheren Abmachungen halten. Damit meine ich ganz besonders den Rat, der wiederholt umfangreiche Kürzungen in Bereichen vorgeschlagen hat, die für das Europäische Parlament von großer Bedeutung sind.

Ich möchte im Namen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter einige Punkte ansprechen, die leider jedes Jahr angesprochen werden müssen. Der Grundsatz des Gender Mainstreaming ist im Vertrag von Amsterdam verankert. Danach gilt eine Geschlechtergleichstellungsperspektive nicht nur für Maßnahmen, die konkret die Chancengleichheit fördern sollen, sondern sie soll in sämtliche Politikmaßnahmen und auf allen Ebenen des Haushaltsprozesses durch Gender Budgeting einfließen. Seit 2003, als dieses Haus eine Entschließung zum Gender Budgeting annahm – also die Aufstellung öffentlicher Haushalte unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten – muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass öffentliche Haushalte, auch der EU-Haushalt, nicht geschlechtsneutral sind und sich unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirken.

Ein Gender-Budgeting-Ansatz sollte benutzt werden, um alle einschlägigen Haushaltsprogramme, Maßnahmen und Politiken zu bewerten und umzustrukturieren und festzustellen, inwieweit Mittel für beide Geschlechter gleichermaßen oder nicht zugewiesen werden, sowie letztendlich Geschlechterneutralität zu erreichen, d. h. eine geschlechtsunabhängige Gleichbehandlung.

Als Tuula Haatainen, die finnische Ministerin für Soziales und Gesundheit, Anfang Oktober in unserem Ausschuss zu Gast war, unterstrich sie die Bedeutung des Mainstreaming in der Gleichstellungspolitik im Rahmen der Haushaltsplanung und verwies auf das finnische Beispiel. So ist man in Finnland bemüht, bei sämtlichen Maßnahmen im Rahmen nicht nur des nationalen, sondern auch des europäischen Haushalts Fragen der Gleichstellung zu berücksichtigen. Ich hoffe jedenfalls, dass sich der finnische Ratsvorsitz in diesem Punkt durchsetzen wird.

 
  
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  Alexandra Dobolyi (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Petitionsausschusses. – (HU) Ich möchte im Namen des Petitionsausschusses etwas zum Haushalt für den Europäischen Bürgerbeauftragten sagen. Wir sprechen oft darüber, wie wir den Bürgern Europa näher bringen können, wie wir ihnen helfen können, besser zu verstehen, worum es bei der Europäischen Union überhaupt geht.

Das Büro des Europäischen Bürgerbeauftragten ist eine kleine Einrichtung, die umfangreiche Arbeiten in diesem Bereich leistet. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Bürgerbeauftragte über ausreichende Haushaltmittel verfügt, damit er in der Lage ist, diese Aufgaben erfolgreich und effektiv zu erfüllen. Während des Entlastungsverfahrens im April sprachen wir sehr positiv über den Europäischen Bürgerbeauftragten. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir von der Vorbildwirkung seines Büros (für andere Einrichtungen und mit klar umrissenen Kompetenzen) und von einem gut verwalteten Haushalt sprachen.

Der Europäische Bürgerbeauftragte spart bei den Übersetzungsausgaben und möchte keine neuen Positionen aufnehmen. Aus eben diesem Grund bitte ich im Namen meines Ausschusses und mit Blick auf die bevorstehende Erweiterung darum, dass wir der vom Europäischen Bürgerbeauftragten beantragten moderaten Aufstockung seines Haushalts zustimmen, während wir gleichzeitig auf das Erfordernis der Haushaltsdisziplin sowie darauf verweisen, dass die Bürger Anspruch auf Leistungen auf hohem Niveau haben.

 
  
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  Ville Itälä, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Ich danke Herrn Grech, dem Berichterstatter für den Haushalt des Parlaments. Es war sehr angenehm, in meiner Eigenschaft als Schattenberichterstatter mit ihm zusammenzuarbeiten und gemeinsame Kompromisse zu erzielen. Ich beglückwünsche ihn zu dem ausgezeichneten Endergebnis, das wir erzielt haben. Vor allem müssen wir uns der Grundprinzipien erinnern, nach denen der Haushalt aufgestellt wird. Erstens müssen wir akkurat darauf achten, wie wir das Geld der Steuerzahler auszugeben beabsichtigen. Eine weitere Grundregel lautet, dass wir Geld nur für Dinge ausgeben, die notwendig sind. Wir sollten nicht allerlei nette und interessante Dinge tun, sondern nur das, was wirklich notwendig ist.

Das Prinzip der 20%igen Steigerung ist hoffnungslos überholt. Es führt bisweilen zu Verrücktheiten wie dem Vorschlag für das Internet-Fernsehen. Dabei geht es darum, dass das Parlament über einen eigenen Fernsehkanal verfügen soll. Aber die dafür ausgegeben Gelder lassen sich gegenüber den Steuerzahlern wirklich nicht rechtfertigen. Als Beispiel möchte ich die Rede erwähnen, die Finnlands zweite Finanzministerin zu Beginn der finnischen Ratspräsidentschaft in Brüssel gehalten hat. Die Rede ist über das Internet-Fernsehen für jedermann in Europa empfangbar gewesen, aber in ganz Europa gab es gerade einmal 14 interessierte Zuschauer, die Hälfte davon waren Berater der Ministerin selbst. Wenn wir Investitionen in Höhe von Dutzenden Millionen Euro für gerade einmal eine Handvoll Leute vornehmen, dann ist dieses Geld zweifellos falsch angelegt. Kosteneffektiver wäre es, das Geld zu verwenden, um beispielsweise Journalisten von kleineren lokalen und regionalen Zeitungen hierher zu holen, die anschließend Artikel über das Parlament schreiben und darüber, was hier passiert. Die Bürger lesen diese Zeitungen sehr gründlich, wohingegen sie die Übertragungen im Internet-Fernsehen nicht wirklich verfolgen.

Wir müssen alle Haushaltsposten genauestens überprüfen und überwachen, und das betrifft insbesondere die Gebäudepolitik. Ich bin froh darüber, dass wir diesbezüglich zu einer gemeinsamen Auffassung gelangt sind, weil sich das Gebäude in Straßburg zu einem Skandal ausgeweitet hat und wir Publicity wie diese nicht länger gebrauchen können. Wir müssen folglich deutlich stärker darauf achten, wie wir das Geld ausgeben.

 
  
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  Catherine Guy-Quint, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst unseren beiden Berichterstattern James Elles und Louis Grech danken, die dank ihrer Arbeit und ihrer Beharrlichkeit unserer Arbeit bei dieser ersten Lesung des Haushaltsplans wertvolle Impulse verliehen haben.

Dieser Haushaltsplan, der erste des Programmplanungszeitraums 2007-2013, fällt äußerst bescheiden aus: Er macht nur 1,04 % des BIP aus. Er ist nicht nur sehr bescheiden, sondern höchstwahrscheinlich auch den Herausforderungen nicht angemessen, vor denen die Europäische Union steht, wie Energiekrise, Vertrauenskrise, globale Konflikte, Zunahme der Armut und der Existenzunsicherheit, während die Europäer immer mehr Erwartungen an die Europäische Union zum Ausdruck bringen. Dieser beschränkte Rahmen zwingt uns zu großer Bescheidenheit. Dieser Haushalt 2007 ist also stärker durch einen qualitativen als durch einen quantitativen Ansatz geprägt.

Dieser Haushalt hat uns auch gezwungen, eine gemischte Strategie zu verfolgen. So fehlt es uns nicht nur an den Rechtsgrundlagen für die neuen Politiken, sondern wir sind auch nicht bereit, alle von den Bürgern gewünschten Politiken zu verfechten und umzusetzen. Wir wollen ehrgeizig sein wie es die Bürger erwarten, aber wir müssen auch realistisch sein, denn wir wissen nicht, ob wir diese Politiken umsetzen können. Für die Fraktion der Sozialdemokraten bestand die Minimalforderung darin, den Haushaltsplanvorentwurf für alle Politiken wieder herzustellen, die uns am Herzen liegen, speziell für die Ziele von Lissabon und die Politiken von Göteborg, ebenso wie für die Beschäftigung, die Solidarität, die Umwelt und die ländliche Entwicklung.

2007 sollte das Jahr einer Erneuerung in der Kommunikationspolitik werden, nachdem die Bürger bisher wirklich vernachlässigt worden waren. Ich plädiere auch dafür, auf dem Gebiet der Außenpolitik eine ausgewogene Haltung einzunehmen, vor allem bezüglich der Grenzen der Union, denn wir können uns nicht mit einem einseitig sicherheitsbezogenen Ansatz begnügen. Lassen Sie mich zwei wichtige Punkte hervorheben: erstens die Rolle, die die Kofinanzierung mit der Europäischen Investitionsbank durch den Haushalt der Union für die Wiederbelebung der Strategie von Lissabon und von Göteborg spielen muss, und zweitens die Rolle der Pilotprojekte und der vorbereitenden Maßnahmen, die stets die Entwicklung neuer Ideen gefördert haben und daher durchgeführt werden sollten.

In Wahrheit bin ich sehr besorgt hinsichtlich der Ausführung dieses Haushaltsplans. Unser Berichterstatter hat sich für eine qualitative Ausrichtung der Ausgaben ausgesprochen, was auf die Verteidigung der traditionellen Finanzierung unserer Prioritäten hinausläuft, zugleich aber auch auf einen Appell an die Kommission, die politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments voll zu respektieren. Und wenn das Parlament Kritik an der Art und Weise üben kann, wie die Politiken durch die anderen Organe umgesetzt werden, dann weil der Vertrag, die institutionellen Vereinbarungen und die Praxis dies zulassen. Das Parlament ist einer der Zweige der Haushaltsbehörde, und wir wollen unserer Befugnisse nicht verlustig gehen, indem wir auf jede Einflussnahme bezüglich der Umsetzung unserer Beschlüsse verzichten. Wäre es aber richtig, im Namen dieser Befugnisse, denselben Institutionen die Ausübung ihrer Befugnisse zu erschweren? Nein. Es wäre gefährlich oder gar kontraproduktiv, zu sehr in die administrative Praxis einzugreifen. Und ich sage dem Rat: Die Kommission kann keine bessere Arbeit leisten, wenn wir gleichzeitig akzeptieren würden, die Neueinstellungen in dieser Institution einzufrieren. Wir haben allerdings wenig Spielraum, wenn all unsere Prioritäten wegen mangelnder Ausführungskapazitäten der Europäischen Kommission korrigiert werden, wie man nach der jüngsten vorgeschlagenen Kehrtwende befürchten muss.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, Herr Präsident, dass der Rat sich erinnern sollte, dass er uns seinen Standpunkt nicht aufzwingen kann, weil wir die Prioritäten des europäischen politischen Projekts gemeinsam umsetzen müssen und weil wir, falls der Haushalt zu sehr gekürzt wird, nicht mehr in der Lage sind, die Politiken durchzuführen, die die europäischen Bürger so dringend erwarten.

 
  
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  Anne E. Jensen, für die ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Der von uns heute vorgelegte Haushalt ist ein verantwortungsbewusster und vernünftiger Haushalt. Wir haben die willkürlichen Kürzungen der Verwaltungsausgaben durch den Rat nicht akzeptiert, aber wir haben andererseits 50 Millionen Euro aus dem Verwaltungshaushalt der Kommission in die Reserve eingestellt und eine bessere Erklärung für die Tendenzen in bestimmten Ausgabenbereichen gefordert. Wir dürfen bei der Aufstellung des Haushalts nicht unsere Augen vor den Tatsachen verschließen, sondern müssen jedes Detail genau prüfen und dafür sorgen, dass genau die Ressourcen zur Verfügung stehen, die benötigt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Elles, unserem Berichterstatter, für den Ansatz danken, den er für die diesjährige Arbeit zum Haushalt gewählt hat. Ausgehend von der Kritik des Rechnungshofs sowie von Kosten-Nutzen-Studien und anderen Berichten denke ich dabei an das Konzept der Kostenwirksamkeit. Vor allem möchte ich auf die Kosten-Nutzen-Studien als eine konstruktive Innovation verweisen, die uns einen weit besseren Überblick beispielsweise über Tendenzen in der Informations- und Kommunikationspolitik der Kommission und der Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bietet.

Im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa möchte ich ganz besonders unterstreichen, dass die Bereiche der Rechts- und Asylpolitik sowie der Außenpolitik angemessen finanziell ausgestattet sein müssen. Es besteht ein großer Widerspruch zwischen den schönen Worten, mit denen die EU-Regierungschefs ihre offiziellen Reden schmücken, und den Ressourcen, die ihre Finanzminister bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Während die Regierungschefs betonen, dass die EU in ihrer Asylpolitik Geschlossenheit demonstrieren und die gemeinsame Grenzschutzagentur FRONTEX stärken sollte, bewilligen die Finanzminister gezielt weniger Mittel für die Agentur. Das passt doch nicht zusammen. Ich bin jedoch froh darüber, dass wir uns darauf einigen mussten, diese Probleme zu klären.

Was die Finanzielle Vorausschau betrifft, so wird deutlich, dass im Bereich der Außenpolitik nicht eben geschickt vorgegangen wurde. Dass der heute von uns vorgelegte Haushalt von Verantwortung zeugt, ist daran zu erkennen, dass das Parlament nicht versucht hat, die Interinstitutionelle Vereinbarung in Frage zu stellen. Wir haben einen Haushalt im Rahmen der Vereinbarung erarbeitet. Die Außenpolitik ist ein Bereich, der jedoch in den nächsten Jahren große Aufmerksamkeit erfordern wird. Meines Erachtens haben wir in der EU vor allem im Hinblick auf unsere unmittelbaren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa die Pflicht, die wirtschaftliche Entwicklung verstärkt zu fördern und den Aufbau der Demokratie als eine positive und Hoffnung gebende Aussicht voranzutreiben. Die Gelder müssen sinnvoll eingesetzt werden, und deshalb bitten wir die Kommission, dafür zu sorgen, dass die Kritik des Rechnungshofs an der Hilfe für Russland Berücksichtigung findet.

Was den Haushalt des Parlaments und anderer Institutionen betrifft, so hat sich meine Fraktion den Ansatz von Herrn Grech, unseres Berichterstatters, zu eigen gemacht, dem ich ebenfalls für ein konstruktives und umfangreiches Stück Arbeit danken möchte. Der Haushalt bleibt etwas unter dem ursprünglich von den Institutionen angekündigten Niveau, aber nach gründlicher Analyse jeder einzelnen Institution wurde ein Standpunkt zum tatsächlichen Bedarf erarbeitet und damit eine geeignete Marge geschaffen. Wir haben eine Reihe von Debatten darüber geführt, ob das Parlament 20 % der gesamten Verwaltungsausgaben braucht, und wir sind bei einem Betrag angelangt, der eher etwas niedrig ist. Meine Fraktion unterstützt die Politik der letzten Jahre, die auf den Kauf der vom Parlament genutzten Gebäude hinausläuft, aber wir müssen uns einen besseren Gesamteindruck davon verschaffen, welche Ressourcen in den nächsten Jahren für Gebäude benötigt werden.

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatten im Europäischen Parlament sind nicht gerade berühmt dafür, sexy zu sein. Dennoch sind sie sehr wichtig, weil wir — auch im Haushalt 2007 — die Schwerpunkte unserer Arbeit für die kommenden Jahre festlegen.

Sie wissen, dass die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 nicht zugestimmt hat, weil wir der Meinung sind, dass diese Finanzplanung zu wenige Probleme löst. So betrachten wir auch den Haushalt 2007 und stellen uns die Frage, ob wir mit diesem Haushalt wirklich das tun, was getan werden muss.

Wir sind zum Beispiel nicht einverstanden mit unserer Landwirtschaftspolitik und damit, dass noch immer zu viel für Agrarexportsubventionen ausgegeben wird. Unsere tiefgekühlten Hähnchen kosten auf den afrikanischen Märkten nur die Hälfte von denen, die die Afrikaner selbst produzieren. Und hinterher beschweren wir uns, dass wir zu viele Flüchtlinge aus Afrika haben. Wir tragen mit dieser Landwirtschaftspolitik selbst einen Teil zu diesem Problem bei.

Oder die Fischereipolitik: Nach wie vor sind unsere Fischfangquoten zu hoch, und wir gefährden unsere Fischbestände. Auch diese Politik sollte die Europäische Union ändern.

Oder unsere Tabakpolitik: Wir subventionieren immer noch die Tabakbauern. Gleichzeitig verbieten wir Tabakreklame. Auch das scheint mir nicht kohärent und keine kluge europäische Politik zu sein.

Angesichts des Globalisierungsblues, den wir in vielen europäischen Ländern haben — denken wir an das Referendum in Frankreich —, müssten wir eine gerechtere Globalisierungspolitik machen. Wir müssten noch deutlicher für fair trade eintreten und ernsthafter die Versprechen, die wir mit den Millenniumsentwicklungszielen abgegeben haben, einhalten. Hier hinken wir mit der Finanzierung der Bekämpfung der Armut weltweit hinterher.

Aber Europa müsste auch mehr für eine zukunftsgerichtete Energiepolitik tun. Wir müssten mehr in die Forschung im Bereich erneuerbare Energien investieren. Das würde uns unabhängiger von Herrn Putin machen und die Möglichkeit geben, sein autokratisches Regime deutlicher zu kritisieren.

Was müssen wir also stattdessen tun? Wir müssen mehr in Bildung, Forschung, Kultur, Medien und in die Kulturindustrie als einen wichtigen Pfeiler der Lissabon-Strategie investieren. So könnten wir die Lissabon-Strategie auch präziser und zukunftsgerichteter entwickeln. Wir brauchen mehr gemeinsamen politischen Geist in Europa. Nur so können wir eine verantwortliche gemeinsame Außenpolitik entwickeln, die präventiv ist, die zivilisierend ist, die die Zivilgesellschaft in der Nachbarschaftspolitik stärkt, die aber auch intervenierend ist, wenn es denn sein muss. Aber dafür geben wir zu wenig Geld aus. Ich würde mir sehr wünschen, dass Value for money unsere Messlatte ist, aber Good money for Europe muss unsere andere Orientierung sein. Wir stellen, wenn wir nur ein Prozent der jeweiligen Bruttonationaleinkommen für Europa ausgeben, nicht genügend Geld für wichtige und richtige europäische Politik zur Verfügung.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(FI) Herr Präsident, Herr Kommissar und, ich wollte eigentlich auch sagen, Frau Ministerin, aber das werde ich nicht. Vor uns liegt so etwas wie eine virtuelle Fassung des EU-Haushalts. Nach der Lesung im Rat lag das Niveau der Zahlungsermächtigungen bei 1 % des gemeinschaftlichen BSP der Mitgliedstaaten. Das Parlament hebt diesen Wert in seiner ersten Lesung auf 1,04 % an. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass im Haushaltsentwurf die Ansätze erhöht werden, was man als virtuell bezeichnen könnte, weil es das Parlament in der Regel nicht schafft, diese Anhebung bis zum Ende durchzuhalten.

Der Rat geht regelmäßig als Sieger aus den Verhandlungen hervor. Die Glaubwürdigkeit des Parlaments wird leiden, wenn das erneut geschieht. Unsere Fraktion fordert das Parlament auf, zu seinen Prioritäten zu stehen.

Der Berichterstatter, Herr Elles, war sehr erfinderisch dabei, jene Haushaltsstellen zu suchen, bei denen die Kommission den Haushalt in den vorangegangenen Jahren nicht umgesetzt hat. Wir unterstützen diesen Ansatz, bei dem ein Teil der Mittel als Reserven zurückgehalten und erst dann freigegeben wird, wenn entsprechende Begründungen vorliegen.

Unsere Fraktion unterstützt das Recht der neuen Mitgliedstaaten, sich in der Kommission um Stellen für ihre eigenen Bürger zu bemühen. Infolgedessen können wir die Kürzungen beim Personal der Kommission, wie sie vom Rat vorgeschlagen werden, nicht befürworten.

Öffentliche Stellen, darunter die Europäische Union, können als Impulsgeber für verschiedene ökonomische Prozesse fungieren. Andererseits kann dasselbe Geld auch für administrative Projekte unter der Führung von Eurokraten ausgegeben werden, die letztendlich das Vertrauen der Menschen in die Union untergraben. Ein Beispiel dafür ist das PRINZ-Programm. Ein weiteres das 3D-Genomprojekt, Plan D. Es besteht die Gefahr, dass auch der eigene WebTV-Kanal des Parlaments ein Beispiel dafür wird. Unsere Fraktion ist gegen die Verwendung von Mitteln der Kommission und des Parlaments zur Erstellung von Euro-Propaganda, und wir sind auch nicht für die Militarisierung der EU mit Mitteln der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

 
  
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  Wojciech Roszkowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Im Namen der Fraktion Union für das Europa der Nationen möchte ich den beiden Berichterstattern zunächst gratulieren und ihnen für all ihre Arbeit danken. Wir sehen uns in diesem Jahr einer recht merkwürdigen Situation gegenüber. Der magere Haushalt der Kommission wurde vom Rat nur geringfügig gekürzt, während der Haushaltsausschuss des Parlaments eine Aufstockung der Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen vorschlägt, die über den von der Kommission vorgeschlagenen Obergrenzen liegt. Dieser Standpunkt sollte natürlich unterstützt werden, da die Union ihre umfangreichen Aufgaben ohne einen größeren Haushalt nicht bewältigen kann. Damit meine ich die bevorstehende Erweiterung und den sich verschärfenden weltweiten Wettbewerb.

Wir können nur hoffen, dass im November ein geeigneter Kompromiss erzielt und sich der europäische Haushalt stärker am Vorschlag des Parlaments als dem des Rates orientieren wird. In Anbetracht dessen, dass der Rat wie üblich die Ausgaben kürzen möchte, war es ganz richtig, dass Herr Elles einen Ansatz vorgeschlagen hat, bei dem das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt. Dazu ist es erforderlich, dass wir effizienter arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen. Bleibt angesichts dessen, dass der Haushalt 2007 der erste Haushalt des neuen Finanzrahmens ist, zu hoffen, dass er ein gutes Omen für die folgenden Jahre sein wird.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und all jene, denen die Menschenrechte am Herzen liegen, aufrufen, die von der UEN-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge zu unterstützen, in denen wir die Einstellung der finanziellen Unterstützung seitens der Union von Programmen zur Förderung von Zwangsabtreibungen in Drittländern fordern. Dabei möchte ich betonen, dass es hier um Zwangsabtreibungen und nicht um Schwangerschaftsabbrüche als solche geht.

Die Ablehnung dieser Änderungsanträge kommt der Unterstützung von Praktiken gleich, die elementare Menschenrechte verletzen. Sie offenbart die Heuchelei all jener, die ständig den Schutz der Menschenrechte propagieren, diese aber gleichzeitig mit Füßen treten.

 
  
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  Dariusz Maciej Grabowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Zunächst muss ich den Berichterstattern danken. Trotzdem ist der Haushalt 2007 ein schlechter Haushalt. Die meisten Abgeordneten wissen das, aber nur eine kleine Minderheit wagt das auch offen zu sagen. Das ist deshalb ein schlechter Haushalt, weil er keines der großen Probleme der Europäischen Union auch nur andeutungsweise in Angriff nimmt. Dazu zählen die stagnierende Wirtschaft und die immer größer werdenden Entwicklungsunterschiede zwischen den Ländern der alten und der neuen Union. Der Haushalt 2007 ist auch deshalb schlecht, weil er nicht auf die neuen sozialen und ökonomischen Herausforderungen, vor denen die Mitgliedstaaten stehen, eingeht. Da ist die Destabilisierung des Rohstoffmarktes und vor allem der drastische Preisanstieg für Energie. Ein weiteres wichtiges Problem ist die Wirtschaftsmigration aus den neuen in die alten Mitgliedstaaten der Union und der damit verbundene rasche Anstieg der sozialen und ökonomischen Kosten in den armen Ländern.

Wären die von der Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie vorgelegten Änderungsanträge angenommen worden, dann hätte der Haushalt 2007 den Anstoß für eine neue Strategie der Finanzierung im Agrarsektor geben können. Wir gehen in Anbetracht des starken Widerstandes, der auf den Beratungen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie des Haushaltsausschusses gegen diese Änderungsanträge laut wurde, davon aus, dass das Parlament sie ablehnen wird. Daran lässt sich die Macht der Agro-Industrie und der großen Landbesitzer ablesen. Das offenbart auch, auf welcher Seite das Parlament wirklich steht, denn das Haus ist durchaus bereit, die Interessen der reichen Minderheit gegen die der großen Mehrheit von Landwirten, die arm sind, zu verteidigen. Dabei ist zu bedenken, dass die eingesparten Ressourcen zur Förderung von Unternehmergeist, Forschung und Entwicklung sowie für Investitionen in die Infrastruktur genutzt werden könnten. Der Haushalt 2007 sieht eine Erhöhung der Verwaltungsausgaben sowie die Schaffung neuer Büros und Agenturen vor. All das lehnen wir strikt ab.

Die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie wird gegen den Haushalt 2007 stimmen, und wir hoffen, dass sich uns weitere Abgeordnete anschließen werden.

 
  
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  Sergej Kozlík (NI).(SK) Was die Verbindlichkeiten angeht, stimmt der vom Rat vorgelegte Haushaltsentwurf der Europäischen Union voll und ganz mit den Kennzahlparametern der angenommenen mehrjährigen Finanziellen Vorausschau 2007-2013 überein. Die Mittel für Wettbewerbsfähigkeit und Kohäsion sind im Bereich Wachstum und Beschäftigung sowie auf den Gebieten Freiheit, Sicherheit, Justiz, Zivilgesellschaft und Status der Europäischen Union als globaler Partner erheblich gestiegen.

Gemäß der Finanziellen Vorausschau ist der Anteil der Ausgaben für Direktzahlungen in der Landwirtschaft gesunken; im Gegensatz dazu ist der Anteil der Aufwendungen für ländliche Entwicklung gestiegen.

Leider ist infolge der Anstrengungen des Rats, das Gesamtvolumen der Mittel erheblich zu reduzieren, die positive Tendenz in Bezug auf die Zahlungen zu einem großen Teil verloren gegangen. Die Vorbehalte des Rats hinsichtlich der Fähigkeit der Empfänger, Haushaltsausgaben in Anspruch zu nehmen, haben negative Auswirkungen gezeigt. Da der Rat den Schlüssel zu der erfolgreichen Verwendung von Mitteln in Händen hält, betrachte ich dies als Vorbehalte des Rats gegenüber sich selbst. Die Überzeugung des Parlaments, dass die verfügbaren Mittel zielgerichtet und effizient genutzt werden, übersteigt jedoch die Erwartungen des Rats. Daher werde ich für diejenigen Änderungsanträge stimmen, die die Zahlungsparameter stärker an die mehrjährige Finanzielle Vorausschau angleichen.

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich habe den Eindruck, dass das Europäische Parlament in dieser entscheidenden Phase der Arbeit am Haushalt 2007 den Prioritäten, Zahlen und Grundsätzen der interinstitutionellen Zusammenarbeit, die für die mehrjährige Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013 vereinbart wurden, mehr Beachtung schenkt als der Rat. Als Bürger, die von Bürgern gewählt wurden, verstehen wir die Sorgen in den Mitgliedstaaten sehr gut. Da wird beispielsweise befürchtet, dass die neue Generation der mehrjährigen Programme möglicherweise nicht rechtzeitig anläuft. Das ist eines der Hauptkriterien, an denen das Jahr 2007 gemessen werden wird. Viele von uns wünschen sich außerdem eine neue Haushaltsordnung, weshalb wir auch den finnischen Ratsvorsitz energisch auffordern, dafür zu sorgen, dass wir 2007 auf der Grundlage der neuen Haushaltsordnung tätig werden können.

Der häufig wiederholte Spruch von der von uns angestrebten Rationalisierung des Haushalts wird dieses Jahr Gestalt annehmen. Herr Elles, unser Berichterstatter, hat einen sehr konsequenten Standpunkt vorgeschlagen und dafür die Unterstützung des Parlaments eingeholt. Er umfasst beispielsweise die nachdrückliche finanzielle Unterstützung von prioritären Haushaltslinien, während 30 % der Mittel für Haushaltslinien, die kaum voll ausgeschöpft werden dürften, in die Reserve eingestellt werden. In diesem Punkt dürfte wohl Einigkeit herrschen. Was jedoch Stellen und Gehälter in der Verwaltung betrifft, ist mit unterschiedlichen Ansichten zu rechnen. Wir meinen, dass die neuen Funktionen der Europäischen Union Motivation, stabiles Verwaltungspersonal und neue Mitarbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten erfordert. Es wird während des Vermittlungsverfahrens im November zwangsläufig zu Meinungsverschiedenheiten in dieser Sache kommen.

Ich persönlich bin mit dem geographischen Fokus nicht ganz einverstanden, denn es muss uns in erster Linie um den europäischen Kontinent gehen. Je größer die Europäische Union ist, umso größer ist ihre Verantwortung. Das sollte sich im geographischen Fokus für die Verteilung der Mittel widerspiegeln. Trotzdem können die Margen erhalten werden, und das Flexibilitätsinstrument kommt nicht zum Einsatz. Es sollte möglich sein, in diesem Jahr einen Kompromiss zu erzielen, und unsere Argumentation sollte sich bei der Abstimmung am Donnerstag durchsetzen.

 
  
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  Giovanni Pittella (PSE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke den Berichterstattern, Herrn Elles und Herrn Grech, und heiße die Frau Kommissarin und alle EP-Mitglieder herzlich willkommen. Ich möchte lediglich zwei sehr kurze Bemerkungen anführen.

Die erste bezieht sich auf die Äußerung von Frau Guy-Quint. Wer einen Beweis für die Unangemessenheit der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 haben wollte, der hat in nun. Der erste Haushaltsplan des neuen Finanzrahmens demonstriert klar und deutlich, dass die Decke zu kurz ist. Der Berichterstatter hat manche Glaubenssprünge vollzogen, von denen einige zu Recht von den Fraktionen korrigiert worden sind, doch niemand vermochte gegen die engen Zwänge des mehrjährigen Finanzrahmens etwas auszurichten.

Nach diesem ersten Beweis sollte klar sein, auch denen, die behaupten, 1 % des Bruttovolkseinkommens würde zur Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts genügen, dass es vielmehr einer Wende, einer Halbzeitüberprüfung bedarf. Deshalb fordere ich das Parlament auf, schon heute diese Wende vorzubereiten.

Die zweite Bemerkung erfolgt im Telegrammstil. Herr Elles hat recht daran getan, einen Mechanismus für die Ausgabenkontrolle vorzuschlagen, den wir unterstützt und befürwortet haben. Es ist richtig, ein Höchstmaß an Transparenz zu gewährleisten, doch ist es ebenso richtig, die wesentlichen Politikbereiche der Europäischen Union nicht zu untergraben.

 
  
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  Kyösti Virrankoski (ALDE). – (FI) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Zuerst möchte ich dem allgemeinen Berichterstatter für den Haushalt, Herrn Elles, für seine ausgezeichnete Arbeit bei der Vorbereitung des Berichts danken. Er hat demonstriert, dass er mit der Arbeit der EU und der Verwaltung ihrer Mittel bestens vertraut ist. Sein Herangehen war wohldurchdacht und couragiert. Daneben möchte ich Herrn Grech für seine ausgezeichnete und verantwortungsvolle Arbeit danken, außerdem Herrn Lewandowski für die geschickte Führung des Haushaltsausschusses.

Der Haushalt 2007 ist der erste, der im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau aufgestellt wird. Es ist außerdem Ausgangspunkt für die Finanzierung neuer Programme und Abschluss für alte Mittelbindungen. Der Haushaltsentwurf ist moderat. Er bleibt im Rahmen der Finanziellen Vorausschau und verzichtet sogar auf den Einsatz des Flexibilitätsinstruments. Dennoch weist er klare Prioritäten auf. Meiner Meinung nach ist es absolut gerechtfertigt, dass die Mittel für Ausbildung, Forschung und Entwicklung erhöht worden sind. Es reicht nicht aus, einen Stapel Papier um die Lissabon-Strategie herum zu errichten. Vielmehr müssen wir die Bedingungen für die Entfaltung der Wirtschaft weiter verbessern, was eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe des CIP-Programms und eine deutliche Stärkung im Bereich der Innovationen bedeutet. All das zählt zu den Zielen unserer Fraktion.

Die Nördliche Dimension und die Zusammenarbeit im Ostseeraum stehen bereits seit langem auf der Tagesordnung, und ihre weitere Ausgestaltung wurde für wichtig gehalten. Meine Fraktion hat zwei Änderungsanträge eingebracht, die Änderungsanträge 492 und 493, in denen es darum geht, die Erläuterungen zu den Haushaltslinien für paneuropäische Straßen- und Gasnetze dahingehend zu ergänzen, dass die Mittel auch für die Finanzierung solcher Projekte eingesetzt werden können, die der Umsetzung der entsprechenden Strategien dienen. Ich hoffe, dass diese Änderungsvorschläge die Unterstützung des Hauses finden.

 
  
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  Gérard Onesta (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Ich werde mich in meinen Ausführungen auf den Haushaltsplan des Europäischen Parlaments konzentrieren. Der Grech-Bericht ist die endgültige Aussage zum Haushaltsplan des Europäischen Parlaments, und ich möchte Louis Grech herzlich für die Qualität seiner Arbeit sowie vor allem für das Klima des Dialogs danken, das er geschaffen hat. Er wird ein Jahr lang – und ein Jahr ist sehr lang –, mit allen Freigaben und Reserven zu tun haben, und meiner Meinung nach werden wir in ihm einen offenen, konsequenten und loyalen Gesprächspartner haben.

Zum zweiten Mal in seiner Geschichte wird das Parlament nicht die magische Grenze von 20 % erreichen. Es ist angebracht, über einen operativen Haushaltsplan nachzudenken, aber man muss sehr aufmerksam sein und rasch reagieren können, wenn man bei Bedarf, wie es der Bericht Grech vorschlägt, mehr Geld für den Erwerb von Gebäuden zur Verfügung haben will, da in diesem Fall äußerst langwierige Verfahren durchlaufen werden müssen: Das Präsidium muss sich äußern, der Haushaltsausschuss muss Stellung nehmen und der Rat muss grünes Licht geben. Wenn ich zum Beispiel in den nächsten Tagen ein Gebäude in London oder in Paris kaufen will, bin ich nicht sicher, ob wir innerhalb einiger Wochen die Mittel verfügbar haben werden, die wir immerhin im vergangenen Jahr vorgesehen hatten. Es ist also sehr gut, unterhalb der Grenze von 20 % zu bleiben, aber man muss sehr rasch reagieren können, wenn sich eine Gelegenheit bietet.

Das zweite äußerst wichtige Element des Berichts Grech besteht darin, dass der Bürger in den Mittelpunkt unserer Ziele gestellt wurde. Zum ersten Mal werden wir im nächsten Jahr mit der Einleitung des Vorhabens eines parlamentarischen Web-TV-Kanals, mit der Arbeitsaufnahme in unserem Besucherzentrum und der Einberufung der ersten „Bürgeragora“, die die Bürger in unsere Gesetzgebungsarbeit einbeziehen soll, einen neuen Prozess einleiten. Ich denke, wir haben viele Anstrengungen unternommen, um die Bürger in den Mittelpunkt zu stellen. Da wir gestern Abend erfahren haben, dass unser Generalsekretär Julian Priestley aus seinem Amt ausscheiden wird, möchte ich nicht schließen, Herr Präsident, ohne hervorzuheben, dass er in den zehn Jahren, in denen er die Verwaltung leitete, viel dafür getan hat, unser Haushaltsverfahren zu modernisieren und präziser sowie transparenter zu gestalten.

 
  
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  Diamanto Manolakou (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident! Der Entwurf des Haushaltsplans dient in jeder Hinsicht der volksfeindlichen reaktionären Politik der Europäischen Union.

Er liegt im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007-2013, maßgeschneidert für die Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Kapitals. Der Haushaltsplan 2007 fördert die arbeitsfeindliche Lissabon-Strategie und den vereinten Markt, während gleichzeitig für viele Regionen, z. B. Griechenland, die Mittel gekürzt werden, sodass Ungleichheiten und ungleiche Maßnahmen verstärkt werden, und wahrscheinlich wird es noch nicht einmal in den schlecht ausgestatteten Kohäsionsfonds einbezogen. Im Agrarsektor wurde drastisch gekürzt und damit die bauernfeindliche GAP-Reform abgeschlossen, wodurch noch mehr kleine und mittlere Agrarbetriebe ruiniert und zugleich hunderte Arbeitsplätze vernichtet werden.

So sieht der moderne Geist der Europäischen Union aus: Intensivierung der Arbeit, Massenarbeitslosigkeit, Löhne und Renten an der Armutsgrenze und natürlich drastische Kürzungen und weitere Privatisierung sowohl im Gesundheitswesen als auch bei sozialen Sicherungssystemen. Doch die Mittel für Wettbewerbspolitik, innovative Maßnahmen der Industrie und das Unternehmertum wurden um 98 % aufgestockt, ebenso wie für Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit, für Zeitarbeit und Zusammenarbeit der Klassen. Das wird als sozialer Dialog bezeichnet. Der Haushaltsplan ist klassenorientiert, was ungerecht ist und von den Klassen der einfachen Bürger verurteilt werden sollte, weil er für die Arbeitnehmer Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Armut und noch größere Ausbeutung und für das Kapital noch mehr Profit bedeutet. Deshalb sollte er abgelehnt werden.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Der Haushalt 2007 ist nicht nur der erste der neuen Finanziellen Vorausschau für 2007 – 2013, sondern er ist auch der erste Haushalt, der sich auf 27 Mitgliedstaaten einschließlich Bulgarien und Rumänien bezieht. Allein aus diesen beiden Gründen sollte er so hohe Ausgaben wie möglich vorsehen. Aus dem Finanzrahmen für 2007 – 2013 geht hervor, dass sich die Zahlungen auf maximal 1,06 % des BIP der Union belaufen können. Leider hatte die Kommission in ihrem Entwurf Zahlungen vorgeschlagen, die sich gerade einmal auf 116 Milliarden Euro, also lediglich 0,99 % des BIP der Union beliefen. Der Rat der Europäischen Union hat dann noch eine weitere Kürzung um 1,75 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Vor diesem Hintergrund sollten wir den Standpunkt des Haushaltsausschusses des Parlaments begrüßen. Er hat Zahlungen in Höhe von 121,9 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das entspricht 1,04 % des BIP und liegt ca. 5,1 Milliarden Euro über dem Vorschlag der Kommission.

Deshalb hoffe ich sehr, dass das Haus die vom Haushaltsausschuss unterbreiteten Vorschläge bestätigen wird und dass die Vorschläge während der Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und dem Rat erfolgreich verteidigt werden können.

 
  
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  Michael Henry Nattrass (IND/DEM).(EN) Herr Präsident! Herr Elles stellt in seinem Bericht fest, dass es für die Politiker wesentlich sei, sich darauf zu konzentrieren, welche tatsächlichen Herausforderungen die EU in den kommenden Jahren bewältigen muss. Als David Cameron letztes Jahr den Kampf um die Spitzenposition in der Partei von Herrn Elles führte, teilte er der dem „Daily Telegraph“ mit, dass man die Kultur der EU anfechten müsse, damit sich die Union auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren und dafür sorgen könne, dass der Binnenmarkt ordentlich funktioniert und dass sie den freien Handel fördert. Trotzdem umfassen die politischen Prioritäten von Herrn Elles die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die europäische Nachbarschaftspolitik, terroristische Bedrohungen, Grenzkontrollen und Einwanderung, Umwelt und Kommunikation.

Das sind die eigentlichen Absichten der Tories, und sie unterscheiden sich erheblich von denen, die Herr Cameron darlegte, als er die Stimmen der EU-skeptischeren Parteimitglieder brauchte. Aber das ist natürlich derselbe Herr Cameron, der so tat, als würde er die PPE-DE verlassen wollen. Ein Jahr später kann Herr Elles die PPE-DE-Agenda ungehindert propagieren. Sein eigentlicher Chef, Herr Pöttering, ist zweifellos hoch erfreut.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Herr Präsident! Ich möchte mich ausdrücklich für den Vorstoß der finnischen Ratspräsidentschaft bedanken, endlich einmal die heilige Kuh ein bisschen anzugehen, was die Stellenbesetzungen in der Union betrifft.

Ich halte es für äußerst bedauerlich, dass der Versuch, wenigstens einmal 200 Planstellen zu kürzen und dann weiter in diese Richtung zu gehen, in der Form abgelehnt wird, wie das hier unter Ziffer 29 im Bericht Elles zu finden ist. Das ist wirklich der falsche Weg! Er ist vor allen Dingen dann falsch, wenn ich Catherine Guy-Quint zitieren darf, die Dame, die den Änderungsantrag eingebracht hat und die gesagt hat: Bisher habe ich noch keine rationalen Gründe für die Kürzungen gehört. Dahinter stecken nur persönliche Abrechnungen, gekränkte Eitelkeiten, Intrigen und Aggressivität. Das hat sie im Ausschuss gesagt. Das Gegenteil ist natürlich wahr! Es ist vernünftig, die EU hat viele Jobs bereits erledigt. Es wäre das richtige Signal, wenn wir endlich auch bei uns etwas einsparen würden.

 
  
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  Ingeborg Gräßle (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir knüpfen mit diesem Haushalt 2007 erstmals klar an den Haushalt 2005 an. Dem Berichterstatter sei Dank! Bei der Haushaltsausführung müssen wir die Verschwendung von EU-Geldern stärker bekämpfen – die schlichten Mitnahmeeffekte und die mangelnde Effizienz.

Heiß umstritten sind bis jetzt die Stellenstreichungen in der Kommission. Wir sagen Nein, aber mit Einschränkungen – und machen die Nagelprobe. Welche Effizienzgewinne ist der Rat bereit, der Kommission – etwa in ihren Außenstellen in Luxemburg – einzuräumen? Wie gut ist die Kommission selbst für ihre Zukunftsaufgaben gerüstet, die weniger die Rechtsetzung als die Kontrolle der Implementierung des Gemeinschaftsrechts betreffen. Ganze zwei Stellen gibt es für die Überwachung des Gemeinschaftsrechts im Umweltbereich, das immerhin 40 % unserer Gesetzgebung ausmacht.

Die Bekämpfung eines weiteren Verlusts des Ansehens Europas – auch das müssen wir im Haushalt des Parlaments berücksichtigen. Wir stellen 2007 neun Übersetzer und Dolmetscher für Irisch ein, obwohl acht von dreizehn Kollegen aus Irland kein Irisch sprechen. 60 Kollegen gehen in der neuen Parlamentarischen Versammlung EUROLAT auf Reisen und halten sich dabei an keine Gepflogenheiten für parlamentarische Versammlungen, also etwa intergouvernementale Abkommen. Wir bauen als Parlament 2007 an allen drei Standorten, und es fällt mir zunehmend schwer, dies den Besuchergruppen und den Wählerinnen und Wählern zuhause zu erklären.

Das alles sind viele gute Themen, anhand derer wir beweisen können, dass wir es sowohl mit der Kritik des Rechnungshofes als auch mit einer besseren Implementierung des EU-Haushalts ernst meinen.

 
  
  

VORSITZ: JACEK EMIL SARYUSZ-WOLSKI
Vizepräsident

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Herr Präsident! Das Jahr 2007 wird das erste der neuen Finanziellen Vorausschau für die nächsten sieben Jahre sein. Deshalb ist es zu diesem Zeitpunkt für die Institutionen der Europäischen Union besonders wichtig, dass sie die wirklichen Bedürfnisse und Prioritäten für die kommenden Jahre ganz klar definieren.

Wir sollten uns, ausgehend vom Grundsatz der Haushaltsdisziplin und der Effizienzsteigerung, auch von der Praxis sehr hoher Margen bei den Ausgaben verabschieden. In der Vergangenheit hat diese Praxis häufig zur Ressourcenverschwendung geführt. Ferner erscheint es sinnvoll, an der derzeitigen Strategie des Erwerbs der von uns genutzten Gebäude festzuhalten. Damit können wir langfristig Geld sparen, das dann für andere Aktivitäten genutzt werden kann. Auch unsere Personalpolitik sollte überprüft werden, und zwar vor allem im Hinblick auf die Inanspruchnahme externer Leistungen, die für die Kontinuität und Stabilität von Nachteil ist und sich daher negativ auf das Funktionieren der Institutionen auswirken könnte.

Was die Beschäftigungspolitik betrifft, so müssen die aus der Erweiterung resultierenden Stellen derzeit Vorrang erhalten. Dazu gehören auch Informationen über die Unterbringung der neuen Mitarbeiter. Die vom Rat vorgeschlagenen Kürzungen für die Haushalte der einzelnen Institutionen sollten nicht Selbstzweck sein. Mit Blick auf die Erweiterung des Jahres 2004 und die nächste, unmittelbar bevorstehende Erweiterung muss das übergeordnete Ziel in allererster Linie darin bestehen, die effektive Funktion aller Institutionen der Union zu gewährleisten.

Abschließend möchte ich den beiden Berichterstattern zu einem sehr wohl durchdachten Dokument und uns zu einem soliden Kompromiss und einem ehrgeizigen Haushalt beglückwünschen.

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Auch ich möchte unsere Berichterstatter, James Elles und Louis Grech, zu ihrer höchst umfangreichen Arbeit beglückwünschen und all meinen Kolleginnen und Kollegen für die enorme Arbeit danken, die der Haushaltsausschuss diesmal mit der Prüfung von 1200 Änderungsanträgen geleistet hat, um den Erwartungen der 450 Millionen Europäer zu entsprechen.

Zunächst möchte ich nochmals unterstreichen, dass ich bedauere, wie gering der Beitrag ist, den die Mitgliedstaaten im Rahmen der Finanziellen Vorausschau für den europäischen Haushaltsplan aufzubringen bereit sind. Dieser Beitrag reicht eindeutig nicht aus, um die Politiken umzusetzen, die die Europäische Union heute realisieren müsste, um den Erwartungen der Europäer gerecht zu werden.

In diesem Rahmen ist der Handlungsspielraum unseres Parlaments also relativ gering. Wenn unsere Ambition realistisch, ja bescheiden sein muss, sollten wir sie zumindest so sichtbar wie möglich machen. Das war der Vorschlag des Haushaltsausschusses, und das müssen wir heute und in den nächsten Wochen prüfen und dabei den Politiken Vorrang geben, die am effektivsten für die Realisierung dieser Ziele und damit für die Schaffung der weltweit leistungsfähigsten Wissensgesellschaft sind. Aus diesem Grunde freue ich mich über die Anstrengungen, die in den Vorschlägen vor allem bei den Forschungs-, Innovations- und Entwicklungspolitiken, bei der Hilfe für KMU, bei den Pilotprojekten, bei den Mitteln für die Kulturpolitik gemacht wurden, die – wie unsere Kollegin de Sarnez in ihren Empfehlungen feststellt, von den Europäern als wesentliche Bestandteile unseres gemeinsamen Projekts betrachtet wird.

Weiterhin freue ich mich darüber, dass in Übereinstimmung mit dem humanistischen und realistischen Konzept unseres europäischen Einigungsprozesses, die Mittel für die Politik zugunsten der Ärmsten in Europa deutlich aufgestockt worden sind.

Abschließend möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass auf dem Gebiet der Außenpolitik ein Gleichgewicht gefunden wurde, das dem Friedensprozess in Palästina Rechnung trägt, wobei die geäußerten Vorbehalte es uns aus meiner Sicht ermöglichen werden, in den nächsten Wochen ein starkes Signal an den Rat auszusenden, da wir uns im Stadium der ersten Lesung befinden.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Obwohl dadurch der Vorschlag der Kommission von 0,99 % des gemeinschaftlichen BNE und der des Rates von 0,98 % bezogen auf das Zahlungsvolumen verbessert wird, überrascht es nicht, dass der Vorschlag des Parlaments für den Haushaltsplan der EU für 2007 mit 1,04 % im ersten Jahr hinter dem zurückbleibt, was in der Finanziellen Vorausschau vereinbart wurde, nämlich 1,06 %, was unseres Erachtens schon nicht ausreicht, um einen echten wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern, vor allem angesichts der Erfordernisse einer erweiterten EU.

Da dies Teil des Verhandlungsprozesses ist, hoffen wir, dass sich das Parlament anders als bisher zumindest bemühen wird, dafür zu sorgen, dass die in der Finanziellen Vorausschau für 2007 vorgesehenen Mindestbeträge so weit wie möglich eingehalten werden und dass diese Mittel für einen wirksamen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und eine echte Kooperations- und Entwicklungspolitik verwendet werden.

Wir begrüßen zwar die Annahme von uns eingereichter spezifischer Änderungsanträge im Haushaltsausschuss, sind aber sehr enttäuscht, weil andere wichtige Vorschläge, die wir unterbreitet haben, abgelehnt wurden, und zwar folgende: die Schaffung von Ausgleichspaketen zur Kompensation der gestiegenen Kraftstoffpreise in der Fischereiwirtschaft; die Schaffung eines EU-Programms zur Förderung der traditionellen kleinen Küstenfischerei als Reaktion auf spezifische, in diesem Sektor aufgetretene Probleme und in Übereinstimmung mit zuvor vom Parlament vertretenen Standpunkten; sowie eine Anhebung der für die Konvergenz vorgesehenen Mittel im Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung zur vollständigen Kompensation der vom statistischen Effekt betroffenen Regionen, wie etwa die Algarve, da ihnen in diesem Jahr ca. 20 % weniger zur Verfügung stehen.

 
  
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  Liam Aylward (UEN).(EN) Herr Präsident! Ich möchte auf ein ganz spezielles haushaltspolitisches Problem eingehen. Die Kommission stellt derzeit ihr Programm im Bereich der öffentlichen Gesundheit für den Zeitraum 2007 bis 2013 fertig. Wir alle wissen, dass die Kommission in jüngster Vergangenheit sehr wirksame Informationskampagnen durchgeführt hat, mit denen sie auf die Gefahren des Rauchens und von AIDS in der Europäischen Union aufmerksam gemacht hat.

Der Kommission stehen jährlich 56 Millionen Euro zur Verfügung, um auf Gesundheitsgefahren hinzuweisen und öffentliche Informationskampagnen in ganz Europa durchzuführen. Meines Erachtens ist es jetzt an der Zeit, dass die Kommission eine Informationskampagne durchführt, um europaweit auf die Probleme, Gefahren und Heilungsmöglichkeiten bei Depressionen aufmerksam zu machen. Ich habe mich auch an zahlreiche Regierungen in Europa gewandt und um Unterstützung für diese politische Initiative gebeten.

Jeder vierte europäische Bürger ist in seinem Leben mindestens einmal von einer ernsthaften psychischen Erkrankung betroffen, und in der Europäischen Union leiden bis zu 18 Millionen Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahre an schweren Depressionen. Depressionen und Angstzustände zählen zu den häufigsten psychischen Gesundheitsproblemen in Europa. Auf der Grundlage von Untersuchungen schätzt man, dass Depressionen bis 2020 die am weitesten verbreitete Krankheit in der entwickelten Welt sein werden. In Ost- und Mitteleuropa treten Depressionen noch häufiger auf.

Wir haben das Problem erkannt; wir haben die finanziellen Mittel, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Deshalb sollten wir diese Aufgabe unverzüglich in Angriff nehmen.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Die Juniliste ist erstens der Meinung, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der EU verschrottet werden muss. Wie ich schon so oft in diesem Hohen Hause unterstrichen habe, ist diese Agrarpolitik verwerflich, da die Mittel an die falschen – oft an sehr reiche – Empfänger gehen. Außerdem wird den armen Ländern der Welt die Möglichkeit verwehrt, ihre Agrarprodukte auf dem EU-Markt anzubieten, da hier eine nicht wettbewerbsfähige Landwirtschaft subventioniert wird.

Zweitens ist die Juniliste der Auffassung, dass die Strukturpolitik wieder in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten überführt werden sollte. Die an Schweden zurückgeführten Gemeinschaftsmittel sind an zahlreiche Bedingungen gebunden und in den meisten Fällen nicht an schwedische Bedürfnisse angepasst.

Im kommenden Jahr werden sich die Beitragszahlungen Schwedens zum EU-Haushalt auf rund 3 Milliarden Euro erhöhen, von denen wir circa 1 Milliarde Euro zurückerhalten werden. Drittens sollten die Mitgliedsbeiträge Schwedens nach Ansicht der Juniliste halbiert werden, vor allem aufgrund der verzerrten und ungerechten Agrar- und Handelspolitik der EU.

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident! Der europäische Haushaltsplan ähnelt dem Theater von Bertolt Brecht. Dort Warten auf Godot – hier Warten auf 2014 und die Eigenmittel. Inzwischen verwaltet man den Mangel: 116 Milliarden Euro an Mitteln für Zahlungen, d. h. noch nicht einmal 1 % des Bruttosozialeinkommens, und man trickst. So wird beispielsweise die Nomenklatur geändert, wobei sich die Zahl der Rubriken von acht auf sechs verringert. Man beweist Humor: Das Europa der 17 Millionen Arbeitslosen nennt sich in Rubrik 1: „Wachstum und Beschäftigung“. Das Budget für die GAP, die die Viehhaltung, den Obst- und Gemüseanbau zerstört und 400 000 Hektar brachlegt, nennt sich in Rubrik 2: „Bewahrung der Ressourcen“.

Abgesehen von diesen formellen Änderungen ist an diesem Haushaltsplan alles wie gehabt. So gibt es zunächst einen Haushaltsrahmen für die Jahre 2007-2013, der in einer interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai enthalten ist, der vierten ihrer Art. Man findet die malthusianischen Mittelzuweisungen zum Beispiel für die Landwirtschaft: So werden die Marktausgaben blindlings um mehr als 500 Millionen Euro gekürzt. Auch die großen Klassiker sind wieder da: 7 Milliarden Euro, um in der Welt Außenpolitik zu spielen, 5 Milliarden Euro für ein Forschungsrahmenprogramm, das nicht viel erforschen wird, 850 Millionen Euro für die transeuropäischen Netze.

All das in Erwartung der Revision von 2008-2009, bei der dann über alles diskutiert werden soll, über den Britenrabatt, aber auch und vor allem über die Landwirtschaft und den Agrarhaushalt. Die große Haushaltsdebatte wird also im Zeitraum 2010-2014 stattfinden. Bis die Diskussion über die Fischerei, über Erasmus und die Bürger stattfindet, zieht man es an diesem Haushaltsnachmittag vor, da die Teestunde vorüber ist, denn es ist ja bald 17.00 Uhr, kleine Haushaltshäppchen zu reichen, mit denen unser Berichterstatter seinen wunderbaren Bericht verziert hat. Das ist immerhin sehr angenehm.

 
  
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  Antonis Samaras (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Die Europäische Union ist das ehrgeizigste Unterfangen aller Zeiten. Doch wir finanzieren es mit einem Minimum von 1 % des BIP. Das Problem ist ja nicht nur, dass wir so wenig geben, sondern auch, dass die Kommission und der Rat noch nicht einmal die zugesagten Mindestbeträge aufnehmen wollen.

Die Kommission hatte im Vorentwurf nur 1 % vorgesehen. Der Rat hat eine noch weitere Reduzierung auf 0,98 % vorgenommen, und wir haben den Satz auf 1,04 % angehoben. Der Rat tut was er kann, um die Finanzmittel der Union zu kürzen, die Kommission tut nicht was sie kann, um sie zu verteidigen, und somit fällt dem Europäischen Parlament allein diese Rolle zu.

Es wurde auch vielfach vorgeschlagen, die Agrarausgaben in die Reserve einzustellen. Das haben wir abgelehnt. Die Vernichtung der europäischen Landwirte ist keine Entwicklungs- oder Einigungspolitik Europas, sondern schlicht und einfach eine katastrophale Politik.

Ich komme nun zu einem heiklen politischen Thema: Wir haben den Änderungsantrag zum Wiederaufbau der christlichen Kirchen in Nordzypern erneut vorgelegt. Eine Abstimmung zugunsten dieses Änderungsantrags wird ein Beweis dafür sein, dass Europa sein kulturelles Erbe achtet, und die Einhaltung der europäischen Grundsätze des friedlichen Miteinanders der verschiedenen Religionen und ethnischen Gruppen stärken.

Abschließend sei gesagt, dass wir bisher immer erst im Nachhinein über die Entscheidungen des Rates zur GASP informiert wurden. Das kann so nicht weitergehen. Wir müssen alle grundlegenden Möglichkeiten mit dem Rat im Vorfeld erörtern, bevor die Entscheidungen fallen, die wir dann finanzieren sollen. Um dem Rat unseren Standpunkt klarzumachen, haben wir die Ausgaben für die GASP im Jahr 2007 um 50 % reduziert. An diesem Stelle muss ich sagen, dass ich Herrn Elles zustimme, der offensichtlich Recht hatte, dass die Ministerin falsch liegt, wenn er wirklich glaubt, dass das, was wir gemacht haben, „taktische Worte“ waren, wie sie selbst sie bezeichnete. Ich hoffe, dass der Rat seinen bisherigen Standpunkt nun überdenken wird.

 
  
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  Vladimír Maňka (PSE).(SK) Energiesicherheit ist eine der politischen Prioritäten der neuen Finanziellen Vorausschau und des Haushalts der Europäischen Union für 2007. Sie ist Teil des Rahmenprogramms für Wettbewerb und Innovation, und es gibt auch ein gesondertes Forschungsprogramm innerhalb des siebten Rahmenprogramms.

Unsere Ziele in diesem Bereich sind ehrgeizig: Wir wollen das nicht nachhaltige, auf fossilen Brennstoffen basierende Energiesystem in ein nachhaltiges System verwandeln, das sich auf eine Vielfalt von Energiequellen stützt; wir müssen die Energieeffizienz verbessern, die Energielieferungen sichern, den Klimawandel verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen erhöhen, zunächst im Energiesektor und dann in anderen Bereichen.

Die Strategie der Europäischen Union und der EU-Haushalt sind wichtige Hilfsfaktoren, um den düsteren Aussichten für die Bürger Europas hinsichtlich der Versorgung mit nachhaltiger, stabiler und bezahlbarer Energie entgegenzuwirken.

Zweifellos ist der Haushalt für 2007, d. h. für das erste Jahr einer neuen Planungsperiode, von strategischer Bedeutung. Es muss jedoch betont werden, dass die Mittel begrenzt sind und viel davon abhängen wird, wie effizient sie genutzt werden.

 
  
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  Markus Ferber (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Haushaltsjahr 2007 ist ein sehr spannendes, weil es darum geht, das, was die Staats- und Regierungschefs im Dezember letzten Jahres als ihren politischen Schwerpunkt für die Finanzielle Vorausschau beschlossen haben und was wir zwischen Parlament und Rat im Mai dieses Jahres miteinander vereinbart haben, zum erstem Mal mit Leben zu erfüllen.

Ich mache mir an ein paar Stellen schon große Sorgen. Wir werden in dieser Woche noch eine Reihe von Rechtsgrundlagen für Mehrjahresprogramme verabschieden, die ab dem 1. Januar nächsten Jahres laufen sollen. Wir sind momentan in der Phase, dass die Mitgliedstaaten ihre Rahmenpläne für die Abwicklung der Strukturpolitik formulieren und bei der Kommission einreichen. Meine Sorge ist durchaus, dass der Haushalt 2007 deswegen ein Sparhaushalt werden wird, weil eine Vielzahl von Programmen gar nicht erst starten kann, obwohl sie dringend benötigt werden.

Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Aus einem Land kommend, das die Ehre hat, 20 % dieser Europäischen Union zu finanzieren, geht es uns darum, dass, wenn soviel Geld beansprucht wird – auch wenn es in Prozenten des Bruttonationaleinkommens keine Steigerung gegenüber der Vergangenheit gegeben hat, aber durch die Erweiterung ist ja das Bruttonationaleinkommen auch gestiegen, dies nur am Rande erwähnt –, dann natürlich auch ein entsprechender Gegenwert für dieses Geld gegeben sein muss.

Deswegen bin ich sehr froh, dass unser Berichterstatter, James Elles, gesagt hat: Wir wollen mehr Programme und weniger Administration finanzieren. Hier muss die Kommission aber noch nachweisen, dass sie die Programme ordentlich abwickeln kann und nicht alles in Verwaltungskosten untergeht. Wir müssen die Frage der Agenturen in den Griff bekommen. Es sollen wieder drei neue hinzukommen.

Ich sage das auch für den Parlamentshaushalt: Wir müssen die Rendite für das bekommen, was wir durch unsere erfolgreiche Gebäudepolitik erreicht haben. Es kann nicht sein, dass wir den Parlamentshaushalt dauernd aufblähen, weil wir jetzt Geld frei haben, und Dinge finanzieren, für die es vielleicht gar keinen Bedarf gibt, wie zum Beispiel das WebTV.

Also Value for money, Gegenwert für Geld, das ist der entscheidende Punkt. Wenn ich mir den Bericht des Rechnungshofs, der heute Vormittag vorgestellt wurde, anschaue, sehe ich noch großes Potential, hier mehr zu leisten.

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE). – (HU) Ich schließe mich Herrn Ferber an. Der Haushalt 2007 ist in der Tat von besonderer Bedeutung für ganz Europa und insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten, einschließlich Ungarn. 2007 ist das erste Jahr der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007 bis 2013, an deren Erarbeitung wir beteiligt waren und die daher in vollem Umfang für uns gilt. Folglich ist es gerade mit Blick auf die langwierigen und nicht immer reibungslosen Vorbereitungen sehr wichtig, dass 2007 eine gute Ausgangsposition für die nachfolgenden Jahre schafft.

Das ist für uns alle mit einer außergewöhnlichen Chance und einer großen Verantwortung verbunden. Das ist insofern eine Chance, als wir durch Nutzung der in der Finanziellen Vorausschau gebilligten Ressourcen nicht nur unseren eigenen Aufholprozess in Angriff nehmen, sondern auch die Struktur- und Kohäsionspolitiken umsetzen können, die das Fundament für die Zukunft Europas und die europäische Wettbewerbsfähigkeit legen. Gleichzeitig müssen wir Verantwortung für die Überwindung des nationalen Eigeninteresses übernehmen, das bedauerlicherweise sowohl in den alten als auch den neuen Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung des Haushalts in den Vordergrund getreten ist. Wir dürfen die gemeinsamen Werte Europas als Ganzes und die internationale Rolle der EU nicht vernachlässigen.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE).(MT) Der Haushalt, den dieses Parlament nächstes Jahr verabschieden wird, wird zum ersten Mal Gelder für einen neuen Fonds mit der Bezeichnung Außengrenzenfonds bereitstellen, der zu dem Zwecke geschaffen wurde, die Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Eindämmung des ununterbrochenen Zustroms illegaler Einwanderer bei der Verstärkung ihrer Grenzen zu unterstützen. Es ist in Anbetracht der ernsten Lage und der Dringlichkeit bei der illegalen Einwanderung nahezu unglaublich, dass die Europäische Union erst jetzt einen Fonds speziell für die Außengrenzen einrichtet, aber es ist uns gelungen. Dank diesem Parlament wird der Etat für diesen Fonds höher sein als von der Kommission selbst gefordert. Ich spreche von einem Haushalt in Höhe von 170 Millionen Euro, der dazu vorgesehen ist, unsere Grenzen effizienter zu schützen und dadurch den Zustrom zu verringern. Mein zweiter Punkt betrifft FRONTEX, die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Bisher wurde diese Agentur, die erst vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat, noch nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Es genügt wohl festzustellen, dass ich, während FRONTEX bis zur vergangenen Woche Patrouillen im Mittelmeer koordinierte, gestern eine Anzeige in der Zeitung las, dass FRONTEX einen verantwortlichen Direktor für ihre Patrouillen auf See sucht. Dies zeigt, dass wir diese Agentur nicht sich selbst überlassen dürfen in der Annahme, dass sie alle Probleme lösen wird. Mithin ist es auch in dieser Hinsicht erfreulich, dass dieses Parlament einen größeren Etat als von der Kommission gefordert verabschieden wird, nahezu 35 Millionen Euro, um diese Agentur zu stärken und dabei zu unterstützen, ihre Aufgaben erfolgreicher wahrzunehmen. Es ist bedauerlich, Herr Präsident, dass einige europäische Regierungen anstatt dem Beispiel zu folgen in übelster Weise versucht haben, das FRONTEX-Budget zu beschneiden. Wir möchten diese Regierungen wissen lassen, dass das Europäische Parlament mit allen Kräften dafür sorgen wird, dass FRONTEX alle erforderlichen Mittel zur Durchführung seiner Aufgaben erhält.

 
  
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  Katerina Batzeli (PSE).(EL) Herr Präsident! Die Prioritäten dieses Haushaltsplans hätten im Hinblick auf die Finanzierung klar und angemessen zur Förderung der Integration der neuen Mitgliedstaaten gesetzt werden müssen. Stattdessen überwog im Rat eine Buchhaltermentalität der Mittelkürzung und in der Kommission eine ängstliche Haltung.

Wie soll die Lissabon-Strategie verwirklicht werden? Wie sollen die Strukturfondsprogramme abgeschlossen werden? Mit 425 Millionen Euro weniger? Wie soll die Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums umgesetzt werden? Mit der fiktiven Übertragung von der ersten Säule über den Mechanismus der freiwilligen Modulation oder – wie vorgeschlagen – durch die Einstellung der Mittel für die ländliche Entwicklung in die Reserve, bis die Kommission entscheidet und Garantien für die freiwillige Modulation gibt? Wie soll die Rolle der Union bei ihren außenpolitischen Aktivitäten, auf dem Balkan, in Palästina und bei der Einwanderung gestärkt werden? Indem man die Mittel für die GASP um 50 % kürzt? Wie soll Europa bei Forschung und Wettbewerbsfähigkeit mit Amerika konkurrieren?

Wir können doch nicht politische Prioritäten festlegen und dann nicht die erforderlichen Finanzinstrumente für ihre Umsetzung zur Verfügung stellen. Wir verlieren an Glaubwürdigkeit, und das schadet der Zukunft der Europäischen Union.

 
  
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  László Surján (PPE-DE). – (HU) Ich möchte Ihnen vier Überlegungen mitteilen und mich zu einem Problem äußern. Die Vorschläge der Kommission für den Haushalt für nächstes Jahr bleiben weit hinter den in der Finanziellen Vorausschau vorgesehenen Ressourcen zurück. Die Wettbewerbsfähigkeit der EU verschlechtert sich eher, als dass sie sich verbessert. Zweitens ist es nachgerade unglaublich, dass der Rat diesen bescheidenen Vorschlag weiter gekürzt hat. Drittens wird der Haushalt in seiner jetzigen Form keine Entwicklung zulassen, sondern er stellt allenthalben einen misslungenen Versuch dar, das Überleben zu sichern. Viertens können sich die neuen Mitgliedstaaten zumindest darüber freuen, dass die Kohäsionsfonds von der Kürzungswut verschont bleiben bzw. nur minimal betroffen sind.

Das ohne Zweifel recht schwer wiegende Problem besteht darin, dass einer der Slogans der Union zwar lautet „Einheit durch Vielfalt“, aber gegenwärtig sind wir davon noch weit entfernt. Die Vorschläge werden entweder nicht rechtzeitig übersetzt oder erst in letzter Minute, oder es liegt nur eine Rohübersetzung vor. Wir sind verpflichtet, an zahlreichen Sitzungen teilzunehmen, bei denen aber nur in einige Sprachen gedolmetscht wird. Die Erweiterung der Union im Januar wird den berechtigten Bedarf in diesem Bereich weiter erhöhen. Die sprachliche Vielfalt ist ein Wert, auf den wir auf keinen Fall verzichten dürfen.

 
  
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  Herbert Bösch (PSE). – Herr Präsident! Wie schon von einigen Vorrednern gesagt wurde, haben wir es mit dem ersten Haushalt der neuen Finanzperiode zu tun, einem so genannten Sparhaushalt. Das Sparen bezieht sich aber lediglich auf die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Wir haben es mit einer verfehlten Haushaltspolitik der europäischen Mitgliedstaaten zu tun!

So werden wir in den nächsten sieben Jahren im Bereich der Transeuropäischen Netze anstatt der notwendigen 20 Milliarden Euro mit nur 8 Milliarden auskommen müssen. Dabei verwendet der Ministerrat gerne wieder das alte Druckmittel: Wenn Ihr im Parlament den Haushalt nicht zügig verabschiedet, dann wird man 2007 nicht rechtzeitig mit den Programmen starten können. Wir werden uns dagegen wehren müssen, dass der Rat, der die interne Entscheidungsfindung manchmal über viele Monate verzögert, das Parlament oder andere zum Sündenbock stempeln wird und kann!

Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Kommission daran erinnern, dass es dieses Haus ist, das die Position der Kommission immer wieder verteidigt, und nicht der Rat. Es wäre umgekehrt manchmal wohltuend, wenn die Kommission sich dessen bewusst wäre und sich nicht ständig zum Schriftführer des Rates degradieren würde.

In der zweiten Säule der Landwirtschaft, beim ländlichen Raum, wurde ein völlig inakzeptabler Vorschlag vorgelegt, um ein Haushaltsloch zu kaschieren — über ihn müssen wir diese Woche auch noch entscheiden: Die Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit der freiwilligen Umschichtung von bis zu 20 % der Mittel aus der ersten Säule in die zweite Säule, den ländlichen Raum, haben. Das ist unausgegoren! Es ist gegen die Rechte dieses Hauses, und es ist abzulehnen! Was haben diese beiden Dinge, also die Tanseuropäischen Netze und der ländliche Raum, gemeinsam? Erstens: Beide sind Opfer einer verantwortungslosen Sparpolitik des Rates geworden. Zweitens: Beide Male hat die Kommission sich von ihrer ursprünglichen Position verabschiedet und sich stillschweigend zum Schriftführer des Rates gemacht. Drittens: Beide Male müssen wir versuchen, durch In-Reserve-Stellung von Mitteln Druck auf den Rat und auch auf die Kommission auszuüben, um am Ende noch zu retten, was zu retten ist.

 
  
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  Salvador Garriga Polledo (PPE-DE).(ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Mein Glückwunsch geht zunächst an die beiden Berichterstatter, Herrn Elles und Herrn Grech, die in ihren jeweiligen Haushaltsplanentwürfen Umsicht haben walten lassen.

Umsicht bedeutet nicht notwendigerweise Übereinstimmung mit dem Rat und bedeutet nicht, unbedingt mit den willkürlichen Kürzungen einverstanden zu sein, die der Rat bei den Haushaltslinien festgelegt hat, die nicht von Interesse für ihn waren, mit anderen Worten, all jenen, die nicht mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu tun haben, einem Bereich, in dem das Parlament eine Kürzung vorgenommen hat.

Wir sind sehr einverstanden mit dem Kosten-Nutzen-Prinzip, das unser Berichterstatter für den Gesamthaushaltsplan vertritt, insbesondere in Zeiten wie diesen, Zeiten einer außerordentlichen finanziellen Beschränkung. Angesichts der vorherrschenden Ideologie der Europäischen Union, die einige von uns nicht teilen, der Verwendung von 1 % für den Haushalt, ist eine sorgfältige Analyse der Haushaltslinien, ihrer Ausführungsrate und des europäischen Zusatznutzens von grundlegender Bedeutung. Vielleicht verstehen wir den Begriff „Kosten-Nutzen-Verhältnis“ nicht genauso wie der Rat, aber auf jeden Fall ist es gut, es als Haushaltsgrundsatz anzunehmen.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um dem Ratsvorsitz für seine Anwesenheit während des größten Teils der Haushaltsdebatte zu danken; das ist normalerweise nicht der Fall, und deshalb gilt ihm mein Dank.

Fragen wie die Bekämpfung des Terrorismus, die Finanzierung einer echten gemeinsamen Migrationspolitik oder die Umsetzung der mit der Strategie von Lissabon verbundenen Maßnahmen werden vom Europäischen Parlament in seiner ersten Lesung als Priorität behandelt. Wir stimmen mit der von unserem Berichterstatter vorgeschlagenen Strategie bei den Zahlungsermächtigungen ebenso wie mit dem vorgeschlagenen Ansatz zur Finanzierung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik überein.

Schließlich, Herr Präsident, betrachten wir die Haushaltsreserven als ein sehr nützliches Instrument, nicht nur für die Verhandlung und für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, sondern auch damit wir als Haushaltsbehörde die Informationen einholen können, deren Bereitstellung der Kommission aus praktischen Gründen oft schwer fällt.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 11.30 Uhr statt.

(Die Sitzung wird um 17.05 Uhr unterbrochen und um 17.30 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS
Vizepräsident

 

15. Zusammensetzung des Parlaments: siehe Protokoll

16. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0437/2006).

Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.

Erster Teil

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 40 von Robert Evans (H-0809/06)

Betrifft: Überbuchung durch Fluggesellschaften

Erwägt die Kommission, auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004(1) über die Rechte von Fluggästen mehr zu unternehmen, um gegen die Praxis der Überbuchung durch Fluggesellschaften vorzugehen?

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident! Bei der Kommission gehen derzeit weniger Beschwerden wegen Überbuchungen ein als vor der Anhebung der Entschädigungszahlungen durch die Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Gegenwärtig betreffen nur 8 % der bei der Kommission eingegangenen Beschwerden zu Fluggastrechten Fälle von Überbuchung oder Nichtbeförderung, während 60 % sich auf Verspätungen oder Annullierungen beziehen. Dieser Trend ist unter anderem auf die Entwicklung der Billigfluggesellschaften und die zunehmende Nutzung von Chartergesellschaften zurückzuführen, die nicht dazu neigen, die Überbuchung in ihre Arbeitsweise aufzunehmen.

Seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung zeigen die Fluggesellschaften mehr Flexibilität bei der Suche nach Freiwilligen, die es akzeptieren, gegen bestimmte vereinbarte Vergünstigungen auf ihre Reservierung zu verzichten. Diese Praxis ist ein Anreiz für die Fluggesellschaften, das Problem unmittelbar vor Ort zu lösen.

Zudem möchte ich Herrn Evans darauf hinweisen, dass die Kommission gemäß Artikel 17 der Verordnung dem Parlament und dem Rat Anfang 2007 einen Bericht über die Funktionsweise und die Umsetzung dieser Verordnung vorlegen wird. Dieser Mitteilung wird eine von einem externen Berater erstellte Studie zugrunde liegen. Für die Benennung dieses externen Beraters hat übrigens eine Ausschreibung stattgefunden.

Die Überbuchung ist einer der Punkte, die in dieser Studie behandelt werden, und die Kommission wird selbstverständlich die Ergebnisse dieser Studie abwarten, ehe sie entscheidet, ob die Rechtsvorschriften angepasst werden müssen oder nicht. Herr Evans, es gibt also durchaus einen spürbaren Effekt dieser neuen Verordnungen über die Fluggastrechte, nämlich den Rückgang der Überbuchungen, die in manchen Fällen zugegebenermaßen zu einer für die Passagiere äußerst nachteiligen Praxis geworden waren.

 
  
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  Gary Titley (PSE).(EN) Ich möchte dem Kommissar für diese sehr ausführliche und klare Antwort danken. Doch es ist eine Tatsache, dass sich Bürger nach wie vor über Überbuchungen beschweren.

Sorge bereitet mir ferner, dass es noch immer Fluggesellschaften gibt, die diese Verordnung über die Rechte von Fluggästen ignorieren und ihren Fluggästen gegenüber behaupten, diese Verordnung träfe auf sie nicht zu. Wird die Kommission hart gegen einige dieser Gesellschaften durchgreifen, die offenbar meinen, dass Gesetze und EU-Regelungen für sie nicht gelten?

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Titley! Wir müssen in der Tat unbedingt dafür sorgen, dass diese Fluggastrechte durchgesetzt werden. Ich muss dazu sagen, dass ich derzeit versuche, alle Flughäfen dafür zu gewinnen, die Fluggastrechte öffentlich auszuhängen, denn alle Fluggäste müssen darüber informiert werden, dass sie die Folgen einer Überbuchung nicht tragen müssen, ohne dass ihnen eine angemessene Entschädigung gezahlt wird, wie es die Verordnung fordert. Hierfür gelten drei Schlüsselbegriffe: Information, Untersuchung und Prüfung, wie ich Ihnen bereits gesagt habe. Dann werden wir sehen, ob es erforderlich ist, Sanktionen zu verhängen oder die Staaten, die die Anwendung dieser Fluggastrechte nicht wirklich überwacht haben, vor Gericht zu bringen.

Soweit dazu, Herr Titley. Ich danke Ihnen für diese Frage, die deutlich macht, wie wichtig es ist, das europäische Recht anzuwenden.

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Herr Vizepräsident der Kommission, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir alle gemeinsam ein Problem gelöst haben oder zumindest eine Verbesserung erreicht haben, nämlich in der Frage der Überbuchungen. In dieser Richtlinie aus dem Jahr 2004 hatten wir beim Thema Verspätungen die Latte sehr niedrig gelegt, nachdem uns die Fluggesellschaften damals mitgeteilt hatten, sie könnten nach der Katastrophe von 9/11 mit harten Regelungen nicht wirklich wirtschaftlich weiter existieren. Eine systematische Praxis der Fluglinien besteht darin, Verspätungen einfach laufen zu lassen. Während des Tages summieren sich diese Verspätungen im Zuge mehrerer Lande- und Startmanöver zu vielen Stunden, und dies ohne jede finanzielle Entschädigung. Wir machen bei Bahnpassagieren harte Regelungen, die bis zur vollen Preiserstattung gehen können, und bei Flugpassagieren ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Ich möchte Herrn Rack kurz sagen, dass wir zahlreiche Beschwerden wegen übermäßiger Verspätungen erhalten, und dass wir daher diese Prüfung vornehmen wollten, um genau zu ermitteln, wie wir gewährleisten können, dass die neuen Fluggastrechte besser angewendet werden. Sie haben Recht. Als europäischer Bürger hat man das Recht zu verlangen, dass man als Fluggast und künftig auch als Eisenbahnpassagier angemessen behandelt wird. Seien Sie versichert, Herr Rack, dass sich der zuständige Kommissar das Ziel gesetzt hat, über die strikte Einhaltung der Passagierrechte zu wachen.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident, Herr Vizepräsident! Es freut mich, dass die Anzahl der Beschwerden anscheinend relativ gering ist. Ich habe allerdings erlebt – wir fliegen ja auch relativ oft –, dass es bei meinen letzten drei Flügen zu drei Überbuchungen gekommen ist.

Mich würde jetzt interessieren: Gibt es spezielle Fluglinien, die diesbezüglich öfter auffällig geworden sind? Kann man sagen, dass es gewisse Linien gibt, die Überbuchungen vielleicht sogar professionell praktizieren? Kann man dann nicht unter Umständen – abseits von Vertragsverletzungsverfahren – Schritte gegen diese Unternehmen erwägen, und zwar nicht nur auf der Schadensersatzebene, sondern gegen diese Unternehmen an sich? Wie sieht es mit einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit aus, um die Passagiere auf die Möglichkeit von Entschädigungszahlungen aufmerksam zu machen?

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, ich kann bestätigen, dass die Beschwerden wegen Überbuchungen zurückgegangen sind. Im Jahr 2001 betrug ihr Anteil über 16 %, heute liegt er bei 7 %. Ich teile Ihre Überzeugung, dass sich die Opfer dieser Praxis in jedem Mitgliedstaat an die mit der Untersuchung dieser Beschwerden beauftragte Stelle wenden sollten. Und wie ich bereits sagte, wird diese Untersuchung es uns ermöglichen, einen sehr viel umfassenderen Überblick über diese Probleme zu erhalten. So können wir feststellen, welche Beförderungsunternehmen diese Praxis regelmäßig anwenden und welche ernsthaft verwarnt werden müssen.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 41 von Michl Ebner (H-0812/06)

Betrifft: Jugendschutz in Chaträumen

Internetforen und Chaträume werden hauptsächlich von jungen Menschen genutzt. Sie dienen dem schnellen und unkomplizierten Meinungsaustausch. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass neue Medien genutzt werden, doch gestaltet sich der Jugendschutz im Netz als äußerst schwierig. Jeder Interessierte kann sich im jeweiligen Chat anmelden und muss dabei einige persönliche Angaben machen. Vielfach sind diese Angaben aber nicht prüfbar. Kinder und Jugendliche können demzufolge nicht wissen, mit wem konkret sie es zu tun haben. Es wäre beispielsweise möglich, dass sich Straftäter unter falschen Angaben in einen Chatraum einloggen.

Plant die Kommission in Bezug auf den Kinder- und Jugendschutz bei Chaträumen einzuschreiten? Gibt es hierzu eine Strategie, mit der die Kommission gegen den Missbrauch von Kinder- und Jugendchatforen vorzugehen gedenkt?

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitteilung, die die Europäische Kommission auf meinen Vorschlag hin im Juli angenommen hat, behandelt das allgemeine Thema einer Europäischen Strategie zum Schutz der Kinderrechte. Selbstverständlich wird im Rahmen dieser Europäischen Strategie der Gefahr, dass Kinder und Jugendliche Opfer krimineller Handlungen von das Internet nutzenden Pädophilen werden, besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Wir unterstützen durchgreifende Präventionsmaßnahmen. Insbesondere befürworten wir die Einrichtung einer internationalen Datenbank, in der alle wesentlichen Angaben über Straftäter und über diejenigen, die das Internet für pädophile Zwecke nutzen, erfasst werden können, um vor allem die Verbreitung von Bildern zu stoppen, die, offensichtlich aus Gründen der sexuellen Ausbeutung, Kinder und Jugendliche treffen, und um die Schuldigen, d. h. diejenigen, die das Internet für solche Zwecke nutzen, ermitteln und streng gegen sie vorgehen zu können.

Außerdem haben wir beschlossen, ein Programm mit der Bezeichnung „Safer Internet plus” zu finanzieren, das den Aufbau eines europäischen Netzes von Hotlines und insbesondere von Internet-Verbindungen beinhaltet, um Internet-Nutzern die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden zu ermöglichen. Durch dieses System einer sichereren Internet-Nutzung, das „Safer Internet plus“ genannt wird, können Internet-Nutzer den Polizeibehörden oder Internet-Providern alle potenziell gefährlichen „Treffer“ melden, d. h. also die Präsenz von Personen, die das Netz für pornografische Zwecke nutzen.

Darüber hinaus haben wir vor kurzem eine Mitteilung zur Bekämpfung des Menschenhandels angenommen, die auch ein spezielles Kapitel enthält, das den Kindern und der Gewalt gegen Kinder gewidmet ist. Ich befasse mich gegenwärtig mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie. Im Zuge der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses werden wir meines Erachtens in der Lage sein, Maßnahmen zu entwickeln, um den Rechtsrahmen weiter zu verstärken und noch strenger gegen die Internet-gestützte sexuelle Ausbeutung von Kindern vorzugehen. Über dieses Problem werde ich noch vor Jahresende in einer Mitteilung der Kommission berichten.

Zu guter Letzt wird das allgemeine Thema Computerkriminalität Anfang nächsten Jahres in einem Strategiepapier behandelt, das ein spezielles Kapitel zum Kinderschutz enthalten wird. Herr Ebner wird wissen, dass wir das Daphne-Programm wiederaufgelegt und seine Finanzierung gesichert haben. Das Programm Daphne II ist europäischen Initiativen zur Bekämpfung von Gewalt nicht nur gegen Kinder, sondern auch gegen Frauen gewidmet und wird für den neuen Programmplanungszeitraum mit einem Finanzierungsvolumen in Höhe von 50 Millionen Euro ausgestattet sein. Wir planen, über dieses System bewährte Verfahrensweisen der Verhütung von Gewalt gegen Kinder zu verbreiten und Informationskampagnen zur Förderung einer bewussteren Internet-Nutzung durch Kinder und Jugendliche durchzuführen.

 
  
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  Michl Ebner (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Frattini für seine sehr ausführliche Antwort. Ich muss anerkennen, dass er wirklich viel in diesem Bereich geleistet hat, und ich denke, es wird ihm gelingen, die Sicherheit und den Schutz zu erreichen, den wir uns für die Kinder wünschen.

Ich hoffe, dieses Programm und seine Aktivitäten werden erfolgreich sein, und ich persönlich wünsche mir, dass das Parlament seine Arbeit entschlossen unterstützen möge.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Ebner wirklich dankbar.

Gegenwärtig befinden wir uns in der Implementierungsphase. Der europäische Strategieplan wird jedoch noch andere wichtige Schritte umfassen. Wir denken daran, in naher Zukunft eine europäische Telefon-Helpline für Hilfe suchende Kinder einzurichten. Ihre ersten drei Ziffern werden in ganz Europa dieselben sein – 116 –, gefolgt von einer nationalen Nummer für jedes Land, und sie soll Kindern helfen, die verschleppt wurden, verschwunden oder in Schwierigkeiten sind.

Gemeinsam mit den wichtigsten internationalen Kreditkartenunternehmen prüfe ich gegenwärtig zudem die Möglichkeit, die Kreditkarten von Leuten zu sperren, die auf pädophile Websites zugreifen, um kinderpornografisches Material zu erwerben. Jeder wird anerkennen, dass eine solche Warnung an sich schon ein starkes Abschreckungsmittel für diese Art von Kriminalität ist.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE).(EN) Ich stelle meine Frage als Vater von Emily, die am Freitag fünf wird, und von Oliver, der zweieinhalb wird. Oliver surft noch nicht im Internet, aber Emily schon.

Ich teile die vom Kommissar und meinen Vorrednern vorgetragenen Ansichten über den Jugendschutz ohne jede Einschränkung, aber kann der Kommissar garantieren, dass entsprechende Maßnahmen nicht die allgemeine Nutzung des Internets einschränken würden? Mit Schlagzeilen in der Art, dass die Europäische Union uns an der freien Nutzung des Internets hindert, wäre doch niemandem gedient.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich denkt niemand daran, die Nutzung des Internet zu beschränken, ist es doch eines der vortrefflichsten Kommunikationsmittel, das Kinder und Jugendliche der ganzen Welt miteinander verbindet.

Gleichwohl müssen wir offenkundig sicherstellen, dass wir Kriminelle aufspüren und bestrafen, die das Internet nutzen, um engeren Kontakt zu Jugendlichen herzustellen, die selbstverständlich geschützt werden müssen. Nicht durch die Beschränkung der Internet-Nutzung, sondern indem wir mehr für die Prävention und die Kontrolle tun, können wir also den Kindern helfen, vollkommen sicher im Internet zu surfen.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 42 von Paulo Casaca (H-0827/06)

Betrifft: Steinigung von sieben Frauen im Iran

Laut Amnesty-International-Mitteilung MDE 13/111/2006 laufen sieben iranische Frauen – Parisa Akbari, Iran Eskandari, Khayrieh Valania, Shamameh Ghorbani, Kobra Najjar, Soghra Mola'i und Fatemeh – Gefahr, im Iran gesteinigt zu werden.

Trotz wiederholter – häufig von den Gemeinschaftsbehörden übermittelter – Versprechen im Hinblick auf einen Aufschub oder die Einstellung dieser barbarischen Praxis durch das iranische Regime dauerten die Verurteilungen von Frauen und Vollstreckungen solcher Urteile unaufhörlich an, und zwar auch nachdem die Europäische Union ihren „Dialog über Menschenrechte“ mit dem Regime aufgenommen hatte.

Kann die Europäische Kommission die Ursachen für das völlige Scheitern der Menschenrechtsziele erklären, die sie für die Dialogpolitik mit dem iranischen Regime ausgegeben hatte? Welche konkreten Schritte hat die Kommission unternommen, um die Ermordung dieser iranischen Frauen zu verhindern?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Kommission ist nach wie vor zutiefst besorgt über die Menschenrechtslage im Iran und erachtet die Praxis der Exekution durch Steinigung für besonders verabscheuungswürdig. Ihr sind die Berichte von Amnesty International über die Verurteilungen zum Tod durch Steinigung, auf die sich Abgeordneten beziehen, bekannt. Die Steinigung ist eine grausame, unmenschliche und entwürdigende Form der Bestrafung, die nach Ansicht der Kommission völlig unvertretbar ist. Die EU hat den Iran wiederholt aufgefordert, die Anwendung der Todesstrafe schrittweise einzuschränken, und besteht darauf, dass bei ihrer Vollstreckung die Mindeststandards der UNO eingehalten werden, einschließlich der Forderung, dass die Todesstrafe lediglich für die schwersten Verbrechen verhängt werden darf.

Im Dezember 2002 nahm die EU den Menschenrechtsdialog mit den iranischen Behörden auf, in den auch Vertreter der Zivilgesellschaft einbezogen wurden. Eines der praktischen Ergebnisse zum damaligen Zeitpunkt war die Bestätigung eines Aufschubs bei Steinigungen durch die iranische Seite. Bedauerlicherweise haben aufgrund mangelnder Bereitschaft seitens der iranischen Behörden seit dem Sommer 2004 keine Treffen im Rahmen des Dialogs stattgefunden. Für Mitte Dezember wurden jedoch vorläufige Termine für eine neue Runde der Menschenrechtsdiskussionen festgesetzt.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE). – (PT) Herr Präsident! Die iranischen Behörden haben also einen Aufschub zugesagt und nicht eingehalten, das ist ja nichts Neues.

Was ich Sie aber fragen möchte, Herr Kommissar: Warum verhandelt die Kommission weiter beharrlich mit einer fanatischen Clique, die den Iran tyrannisiert, statt mit der großen Mehrheit der Iraner, die anders denken? Ich würde Ihnen gern ein Buch empfehlen, das in Ihrer Sprache geschrieben ist und den Titel „We are Iran“ trägt, eine Sammlung von Aufzeichnungen einer großen Zahl von Iranern, die anders denken und mit denen die Kommission sprechen sollte.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Wir sprechen mit allen Teilen der Zivilgesellschaft im Iran. Der Herr Abgeordnete fordert uns einerseits auf, Protest einzulegen, bei den iranischen Behörden vorstellig zu werden, uns für die Menschenrechte einzusetzen und diese verabscheuungswürdige Praxis zu verurteilen, und andererseits kritisiert er uns dafür, dass wir einen Dialog führen. Das ist schwierig. Ohne einen Dialog ist es schwerer, wenn nicht gar unmöglich, die eigenen Ansichten zu vermitteln.

Ich halte die europäische Vorgehensweise für richtig. In enger Zusammenarbeit mit den EU-Botschaften in Teheran verfolgt die Kommission die Situation vor Ort sehr genau, insbesondere, was die Todesstrafe betrifft. Sobald sie von Todesurteilen gegen Jugendliche oder einer möglichen Verurteilung von Frauen zum Tod durch Steinigung erfährt, legt die EU bei den Justiz- oder sonstigen zuständigen Behörden offiziell Protest ein. Die EU verlässt sich also nicht nur auf den Dialog. Sobald ein entsprechender Fall bekannt wird, äußert sie sich sehr direkt und unmissverständlich dazu, und daran wird sich auch nichts ändern.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE).(EN) Herr Kommissar! Sie sagen, dass die Europäische Kommission die Menschenrechtslage im Iran sehr ernst nimmt. Diskutieren Sie diese Frage auch im Rahmen anderer Dialoge mit dem Iran? Es gibt inzwischen einen Dialog über das iranische Atomprogramm. Spielt die Menschenrechtsfrage in diesen Verhandlungen oder den Verhandlungen über den Handel eine Rolle? Das ist eine ernste Angelegenheit, und meines Erachtens reicht es nicht zu sagen, dass wir uns bemühen, die Verhandlungen über Menschenrechte wieder aufzunehmen. Sie müssen bei allen Dialogen mit dem Iran auf der Tagesordnung stehen. Wann beabsichtigen Sie das zu tun?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Kommission verfolgt Fälle von Menschenrechtsverletzungen über verschiedene Kanäle. Sie verlässt sich nicht einfach auf den Dialog, der zum letzten Mal im Juni 2004 stattfand und der demnächst wieder aufgenommen werden soll. Zusätzlich zu dem eigens dafür ins Leben gerufenen Dialog werden wir über verschiedene Kanäle diplomatisch vorstellig und werden dies auch künftig tun.

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Nach den Bemerkungen meiner Vorredner würde ich gern den Standpunkt der Kommission zur Vergewaltigung von schwangeren Frauen und kleinen Kindern erfahren, im Iran ein Mittel, um die Opposition zum Schweigen zu bringen. Dabei handelt es sich um eine Verletzung der Menschenrechte und der Rechte von Frauen, und ich würde gern wissen, ob die Kommission weiß, dass das geschieht, und welchen Standpunkt sie dazu vertritt.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Wir verfolgen einzelne Fälle. Wir wissen von einer Reihe von Frauen, denen der Tod durch Steinigung droht. Unsere Ansichten sind wohl bekannt und werden immer wieder zum Ausdruck gebracht. An unserer ablehnenden Haltung kann niemand mehr zweifeln. Sie können sicher sein, dass wir in besonderen Fällen individuell alle Möglichkeiten nutzen, um unseren Standpunkt zu vertreten und maximalen Druck auszuüben.

 
  
  

Zweiter Teil

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 43 von Lambert van Nistelrooij (H-0831/06)

Betrifft: Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft

Nach der Veröffentlichung des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Verordnung über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft (KOM(2006) 0382 endg.) wurde deutlich, dass der Vorschlag der Kommission wenig Informationen über die Auswirkungen der spezifischen Situation der Einwohner und Unternehmen an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Sachen Roaming-Kosten enthält.

Verfügt die Kommission über Angaben zu den Kosten, mit denen die „Binnengrenzregionen“ konfrontiert sind?

Was gedenkt die Kommission zu unternehmen, damit die Netzbetreiber den besonderen Bedürfnissen der Einwohner und Betriebe der „Binnengrenzregionen“ der EU entgegenkommen?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Ich bin dem Herrn Abgeordneten für diese Frage dankbar. Sie gibt mir die Gelegenheit zu einer Antwort, die für das Parlament, wie ich weiß, sehr wichtig ist, denn dieses Haus hat der Problematik des internationalen Roamings in den letzten Jahren eine sehr große Bedeutung beigemessen.

Bekanntlich bestehen für die Bürger zwei Probleme: erstens die hohen Preise, die sie für den Grenzübertritt zahlen müssen, und zweitens das Problem des unbeabsichtigten Roamings in einem ausländischen Netz, obwohl sie die Grenze nicht übertreten haben, sondern in einer Grenzregion leben. Auf Wettbewerbsmärkten erwartet man eine Konvergenz der Preise und Kosten, aber beim Roaming deutet seit vielen Jahren nichts auf einen realen Zusammenhang zwischen den Preisen und den ihnen zugrunde liegenden Kosten hin. Das kam auch in der Folgenabschätzung zu der von mir vorgelegten Verordnung sehr deutlich zum Ausdruck.

Die Frage ist ganz einfach: Wieso sollte ein französischer Kunde, der nur die Grenze nach Italien übertritt und ein Ortsgespräch führt, 50 Cent bis zu über einen Euro pro Minute bezahlen, wenn dasselbe Gespräch einen italienischen Kunden 10 bis 13 Cent pro Minute kostet? Es stimmt schon, dass zusätzliche Kosten entstehen, wenn man sein Telefon in ein Nachbarland mitnimmt, aber eine derart hohe Preisdifferenz lässt sich kaum rechtfertigen.

In jedem anderen Bereich der Telekommunikation – Festnetz und Breitband – stellen die europäischen Verbraucher erhebliche Verbesserungen bei Preis, Auswahl und Qualität fest, nur beim internationalen Roaming ändert sich nichts. Seit vielen Jahren ärgern sich Millionen von Bürgern über diese hohen Preise. Nach unseren Schätzungen leben rund 99 Millionen Bürger in einer Entfernung von maximal 50 km zur nächsten Grenze, und elf Millionen Bürger leben nur maximal 5 km von einer Grenze entfernt. Sie sind von diesen außerordentlich hohen Roaming-Preisen am stärksten betroffen.

In der von mir unterbreiteten Verordnung, die derzeit im Parlament und im Rat debattiert wird, werden drastische Senkungen bei den Roaming-Gebühren für alle Europäer, Verbraucher und Geschäftsreisende vorgeschlagen. Natürlich werden nach ihrer Inkraftsetzung diejenigen, die in den Binnengrenzregionen leben und reisen, am meisten von der Verordnung profitieren.

Unter technischen Gesichtspunkten ist festzustellen, dass in solchen Regionen wohnende Verbraucher aufgrund der Natur der Mobilfunknetze zwar Roaming-Gebühren zahlen müssen, aber wenn die Richtlinie angenommen wird, dann werden Garantien dafür bestehen, dass diese Preise wesentlich angemessener sein werden als heute.

Dann ist da noch das Problem des unbeabsichtigten Roamings, das immer dort auftreten kann, wo es Mobilfunkdienste und Landesgrenzen gibt. Auch deshalb ist es für die Betroffenen wichtig, dass die Gebühren mehr den Kosten entsprechen.

Ich kritisiere die Anbieter sehr oft für hohe Preise. Andererseits muss ich aber auch sagen, wenn die Anbieter Schritte in die richtige Richtung unternehmen, dann muss auch gelten: „Ehre wem Ehre gebührt“. So stelle ich beispielsweise mit Freude fest, dass Anbieter in Irland und im Vereinigten Königreich begonnen haben, Einheitstarife, die so genannten „All-Island-Tarife“, anzubieten. Das bedeutet beispielsweise, dass Verbraucher in Irland oder Nordirland jetzt einen einzigen Tarif zahlen, und zwar unabhängig davon, wo sie sich gerade befinden. Das ist ein gutes Beispiel für nachahmenswerte Praktiken. Ich würde mich freuen, wenn solche Initiativen in anderen Teilen in ganz Europa Anklang und Nachahmung finden würden.

 
  
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  Lambert van Nistelrooij (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Roaming-Kosten, insbesondere in den Grenzgebieten, erreichen pro Jahr etwa 5 Milliarden Euro an nicht akzeptablen und im Grunde unnötigen Ausgaben für die Unternehmen und die Bürger gleichermaßen. Deshalb bin ich Kommissarin Reding für ihr sehr entschiedenes Einschreiten in den vergangenen Monaten und auch heute zu Dank verpflichtet, aber eine freiwillige Lösung zwischen den Unternehmen in den Grenzgebieten für dieses Roaming-Problem, dessen man sich kaum bewusst ist und bei dem man mehrmals am Tag von einem Netz in ein anderes umgeleitet wird, stellt ein gewaltiges Problem dar. Ich befürchte daher, auf freiwilliger Basis werden die Dinge nicht schnell genug gelöst. Ich möchte die Kommissarin und die gesamte Kommission daher fragen, ob sie bereit sind, einen Fortschrittsbericht zu diesem Thema zu erarbeiten. Meines Erachtens müssen wir jetzt unsere Anstrengungen intensivieren, denn, wie ich weiß, würden auch die Grenzregionen gern ein Wörtchen mitreden.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Leider verfügen die nationalen Aufsichtsbehörden nicht über ausdrückliche Befugnisse, die Möglichkeit des unbeabsichtigten Roamings zu unterbinden oder einzuschränken. Wie das Problem des internationalen Roamings zeigt, lässt der Binnenmarkt in diesem Bereich noch auf sich warten. Deshalb müssen wir die Entwicklungen in diesem Bereich sehr genau verfolgen, um nachahmenswerte Beispiele aufzuspüren und herauszustellen. So haben beispielsweise Comreg und Ofcom in Irland die Einsetzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe vereinbart, um das Ausmaß des unbeabsichtigten Roamings durch Mobilfunknutzer zu untersuchen, und wir begrüßen und unterstützen dieses Vorgehen. Es ist allerdings noch nicht möglich, dieses Problem in größerem Rahmen über den üblichen Regelungsprozess in Angriff zu nehmen.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Frau Kommissarin! Die Auslandsaufschläge auf die neue Technologie UMTS sind noch kostspieliger als bei gewöhnlichen Handys. Wer im Ausland surft, ist schnell viel Geld los, auch wenn dies nur über ein Partnernetz erfolgt. Aus der Rechnung geht dann zumeist nicht hervor, ob nach Minuten oder Volumen abgerechnet wird.

Plant die Kommission im Zuge der Roaming-Verordnung, auch hier für mehr Transparenz zu sorgen?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Ich wurde vom Parlament unter anderem gebeten, auf die Frage der internationalen Roaming-Gebühren für Mobiltelefone einzugehen. Als ich diese Angelegenheit geprüft habe, bestand kein konkreter Handlungsbedarf in Bezug auf Datendienste wie SMS, und als sich die einzelstaatlichen Regulierungsbehörden an die Kommission mit der Bitte wandten, etwas zu unternehmen, ging es ihnen lediglich um die hohen internationalen Roaming-Gebühren für die Sprachtelefonie. Ich weiß aus zahlreichen Diskussionen, die ich vor allem mit Abgeordneten des Parlaments und mit Bürgern geführt habe, dass es auch in Bezug auf Daten Probleme gibt. Das Parlament hat im Zuge der Prüfung der Verordnung jetzt die Möglichkeit, einen Schritt weiter zu gehen als die Kommission. Ich möchte auch an die Wirtschaft appellieren, denn die Industrie beschwert sich immer, dass wir uns in die Preisbildung einmischen. Die Anbieter haben jetzt die Chance zu zeigen, dass sie es selbst schaffen, die Preise zu senken, sodass Regulierungsbehörden und Politiker nicht einzugreifen brauchen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE).(EN) Frau Kommissarin! Sie haben überzeugende Beispiele für die absurde Situation bei Roaming-Gebühren in verschiedenen Ländern geliefert, aber Sie sind nicht auf die neuen Mitgliedstaaten der EU eingegangen, wo die Lage noch schlimmer ist. Wird sich die Kommission speziell auch der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union annehmen, was die Beseitigung der enormen Unterschiede bei den Gebühren für die Mobiltelefonie generell und das Roaming angeht?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Die vorgeschlagene Verordnung über die internationalen Roaming-Gebühren gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, auch für die neuen Mitgliedstaaten. Im Oktober 2005 hat die Kommission eine Webseite eingerichtet, auf der im Interesse der Transparenz alle Preise veröffentlicht wurden, auch die Preise in den neuen Mitgliedstaaten. Diese Preise sollen nach einem Jahr überprüft werden, um festzustellen, wie sie sich in den einzelnen Mitgliedstaaten entwickelt haben. Wie ich bereits sagte, werde ich mit Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates als den Gesetzgebern eine Regelung erarbeiten. In einigen Wochen wird die Webseite aktualisiert werden, und man wird feststellen können, ob die Preise in den einzelnen Ländern insgesamt gesunken sind und welche Tendenzen im Verlaufe des letzten Jahres zu beobachten waren.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 44 von Stavros Arnaoutakis (H-0840/06)

Betrifft: Internet-Nutzung mit schneller Breitbandverbindung

Nach jüngsten Angaben der Europäischen Kommission bzw. der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien nutzen nur 13 % der Schulen in Griechenland das Internet über eine schnelle Breitbandverbindung. Mit diesem Anteil liegt Griechenland unter den 27 Staaten Europas auf dem hintersten Platz. Die Kenntnis und der Einsatz von Computern sind heutzutage eine Notwendigkeit, und eine schnelle Internetverbindung kann, wie die zuständige Kommissarin Viviane Reding am 29. September 2006 erklärte, ein grundlegendes Instrument für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sein.

Was beabsichtigt die Europäische Kommission zu unternehmen, um Länder wie Griechenland zu ermutigen, Schulen mit Computern mit schneller Internet-Verbindung auszustatten? Wie gedenkt die Europäische Kommission Maßnahmen zu fördern, die die Einführung der Informationstechnologie in Schulen, aber auch in Institutionen und Organisationen von Gebieten in Randlage und vor allem auf Inseln und im Gebirge zum Ziel haben?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Der Herr Abgeordnete hat Recht. Der griechische Markt für elektronische Kommunikation muss leider mit einer ganz erheblichen Verzögerung bei der Umsetzung des ordnungspolitischen Rahmens fertig werden. Er hätte 2003 in Kraft sein sollen, in Griechenland war das erst im Juni 2006 vollständig der Fall. Wir konnten sehr deutlich feststellen, dass dort, wo der Rahmen fehlt, kein Wettbewerb stattfindet. Wenn kein Wettbewerb stattfindet, wird weniger investiert. Das ist eines der Probleme in Griechenland.

Andererseits werden im Rahmen der EU-Strukturhilfe in Griechenland beträchtliche Summen zur Kofinanzierung von Investitionen bereitgestellt, die den Einzug der IKT in Griechenland und vor allem den Breitbandinternetzugang in Schulen und öffentlichen Organisationen in Gebieten in Randlage, Inselregionen und Berggebieten beschleunigen sollen. Ferner können aus dem Kohäsionsfonds in Griechenland Projekte zur Anschaffung von Informatikausrüstungen für Schulen oder öffentliche Organisationen in den Regionen, einschließlich solcher in Randlage, von Inselregionen und Berggebieten, finanziert werden.

Wie Sie auch wissen, hat Griechenland ein umfangreiches Projekt in Angriff genommen, mit dem der Zugang zu Breitbandverbindungen auf jene griechischen Regionen außerhalb von Athen und Thessaloniki ausgedehnt werden soll, die einen solchen Zugang noch nicht haben und unter normalen kommerziellen Bedingungen auch nicht erhalten würden.

Außerdem hat die griechische Regierung das Projekt DIODOS ins Leben gerufen, durch das ein sehr leistungsfähiges griechisches Bildungsnetzwerk im Bereich Internet eingerichtet wurde, über das eine Reihe von Internetanbietern fortgeschrittene Internetdienste für Forschungs- und Bildungseinrichtungen zu Preisen anbietet, die voraussichtlich nur etwa die Hälfte der aktuellen Einzelhandelspreise betragen.

Sie wissen sicher auch, dass sich die Kommission sehr intensiv um die Schließung der digitalen Kluft bemüht. Zu diesem Zweck hat die Kommission jüngst eine Mitteilung zur Überwindung der Breitbandkluft veröffentlicht, aus der hervorgeht, wie sie sich mittels politischer, haushaltspolitischer und ordnungspolitischer Instrumente konsequent für einen Breitbandzugang für alle Europäer einsetzt. Dabei spielen die Strukturfonds sowie auch – und das ist neu – die ländlichen Entwicklungsfonds eine Rolle, und zwar unter strikter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen. Die Mitteilung schlägt Maßnahmen zur Stärkung aktueller Politiken, der nationalen Breitbandstrategien sowie zum verstärkten Austausch bewährter Verfahren über eine Webseite vor. Unseres Erachtens ist es sehr wichtig, dass die Regionen die Möglichkeit haben, sich einen Eindruck von entsprechenden Maßnahmen in anderen Regionen zu verschaffen und zu prüfen, was sie übernehmen und auf ihre speziellen Bedürfnisse abstimmen könnten. Ausgehend davon hoffen wir, dass die in einigen Regionen und vor allem in Griechenland noch bestehenden zahlreichen Probleme schrittweise überwunden werden können.

 
  
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  Stavros Arnaoutakis (PSE).(EL) Herr Präsident! Ich danke der Kommissarin für ihre Antwort, die mich voll und ganz zufrieden gestellt hat. Besonders danken möchte ich ihr darüber hinaus für ihren Besuch in Zypern und bei der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA), wodurch viele Probleme im Interesse dieser Organisation gelöst werden konnten. Griechenland und Zypern danken Ihnen ganz besonders für Ihren Besuch in Heraklion.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Kreta ist nicht nur eine sehr schöne Insel, sondern bemüht sich auch, die dort bestehende Breitbandkluft zu schließen, und ich weiß, dass sich der Herr Abgeordnete als Vertreter Kretas für die Erreichung dieses Ziels einsetzt. Jegliche Hilfe, die wir bereitstellen können, muss natürlich über die griechische Regierung laufen, denn bei Strukturfonds oder ländlichen Entwicklungsfonds muss die Initiative von der Regierung ausgehen. Die Kommission ist bereit, bei der Überwindung des großen Rückstands, den die nichtstädtischen Gebiete in Griechenland noch aufweisen, zu helfen.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE).(EN) Ich möchte der Kommissarin danken. In Irland ist die Lage in den Schulen besser und die Kinder haben diesbezüglich kein Problem, solange sie in der Schule sind. Zuhause dagegen ist die Lage sehr schlecht; 25 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einem Breitbandanschluss. Hat die Kommission ernsthaft geprüft, ob diese Lücke durch neue Technologien wie WiMAX geschlossen werden könnte, auch wenn diese den Zugang zum Spektrum und den entsprechenden Frequenzen erfordert. Haben Sie darüber nachgedacht und haben Sie eine Antwort darauf? Viele meiner Wähler haben keinen Zugang zu einem Breitbandanschluss, und die Schüler müssen zuhause auf diese Technologie verzichten.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Es gibt natürlich etliche Verfahren und Technologien, mit denen die Breitbandkluft überwunden werden kann. Die Kommission hat stets konsequent den Standpunkt der technologischen Neutralität vertreten. Wir können nicht einzelne Technologien vorziehen, und bisweilen stellt ein Technologiemix den richtigen Ansatz dar. Glasfasernetze sind auch nicht immer die richtige Lösung. Manchmal erweisen sich Satelliten als effizienter. In den nordischen Staaten mit ihren zahlreichen geographischen Problemen und großen Entfernungen beispielsweise ist die Lösung ein Mix aus verschiedenen Technologien. Aus Statistiken über Schulen mit Breitbandinternetanschluss weiß ich, dass die Situation in Irland besser sein könnte. Das erstaunt mich, denn ich weiß, dass die Bildung in Bezug auf die neuen Technologien in Irland einen hohen Stand aufweist. Deshalb hoffe ich, dass die Breitbandkluft in Irland überwunden werden kann und künftig alle Schulen über die neuen Technologien Anschluss an die Welt finden.

 
  
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  Malcolm Harbour (PPE-DE).(EN) Ich habe mich gefreut, dass die Kommissarin in ihrer ersten Antwort die Bedeutung der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs und der Zugangsverpflichtungen im Rahmen des Breitbandangebots unterstrichen hat. Könnte sie dem Hohen Haus vielleicht bestätigen, dass sie den Forderungen bestimmter Anbieter und sogar Regulierungsbehörden nach Regulierungsferien für bestimmte Investitionen in den Breitbandbereich nicht nachgeben wird? Könnte sie ausgehend davon, dass sowohl sie als auch ich nächste Woche am globalen Forum über die Internetverwaltung teilnehmen werden, bestätigen, dass sie sich uns anschließen wird, wenn wir die Vorzüge des Wettbewerbs im globalen Maßstab propagieren werden, um die Zahl der Breitbandanschlüsse weltweit zu erhöhen und die Kosten zu senken?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Ich kann beide Fragen positiv beantworten. Die erste Antwort ist vollkommen klar: Ich werde keine Regulierungsferien zulassen, auch nicht in großen Ländern, weil Regulierungsferien gegen die Interessen unserer Bürger sind, die nur Zugang zu einem einzigen Anbieter und keinen Wettbewerb haben. Das hätte hohe Preise zur Folge und ist nicht im Interesse der Branche insgesamt. Ich werde mich also gegen Regulierungsferien stellen.

Auch die zweite Frage kann ich bejahen. Ich werde nächste Woche an der Konferenz zur Internetverwaltung in Athen teilnehmen. Ich werde dort mit Parlamentariern zusammentreffen, und ich begrüße es, dass das Europäische Parlament eine Delegation zu dieser sehr wichtigen Konferenz entsendet, denn die Stimme der Menschen in Europa muss dort Gehör finden.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 45 von Jim Higgins (H-0855/06)

Betrifft: Europäisches Register der Internet-Domänennamen

Kann die Kommission mitteilen, wie viele Anträge bei EURid auf Registrierung von .eu-Domänennamen bis zum Beginn der Sunrise-2-Phase eingereicht wurden? Wie hoch ist die durchschnittliche Ablehnungsquote in der EU (in % aller Anträge) und insbesondere die Quote der abgelehnten irischen Anträge? Kann die Kommission die Gründe für den Unterschied zwischen der EU-Quote und der Quote im Hinblick auf irische Antragsteller erläutern? Ist der Kommission bekannt, dass der Registrar die irischen Registrierstellen nicht mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet hat, um voll dem Antragsverfahren zu entsprechen? Ist das ADR-Verfahren nach Ansicht der Kommission, sofern sie der Auffassung ist, dass Informationen nicht verfügbar waren, ein faires Verfahren, um Abhilfe für die Probleme zu schaffen, auf die die irischen Antragsteller gestoßen sind? Ist die Kommission davon überzeugt, dass jetzt den Registrierstellen alle notwendigen Informationen vom Registrar gemacht werden?

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Darauf kann ich dem Herrn Abgeordneten antworten, dass den Informationen des Registers zufolge die Zahl der während der Sunrise-Periode eingereichten Anträge 346 218 betrug, von denen 181 306 während der ersten Phase und 164 912 während der zweiten Phase eingereicht wurden.

Die derzeitige Ablehnungsquote für Anträge aus Irland beträgt 46 %, während sie für die EU insgesamt bei 34 % liegt. Die vollständige Tabelle mit einer Aufschlüsselung sämtlicher Anträge nach früheren Rechten und Land des Antragstellers ist auf der Webseite des Registers zu finden.

Welche Art von Nachweisdokumentation von einem Antragsteller vorzulegen ist, richtet sich nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, in dem das Vorrecht besteht. Zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten bestehen gewaltige Unterschiede, die sich in den mehr oder weniger komplizierten Auflagen zum Nachweis der Existenz eines früheren Rechts widerspiegeln. Das wiederum hat eine höhere oder niedrigere Ablehnungsquote der Anträge in bestimmten Ländern wie Irland zur Folge.

Zu der Frage, ob das Register die irischen Registrierstellen nicht mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet hat, um dem Antragsverfahren in vollem Umfang zu entsprechen, ist festzustellen, dass sich die Kommission keiner speziellen diesbezüglichen Diskriminierung bewusst ist. Ab Oktober 2005 – also zwei Monate vor Beginn der Sunrise-Periode – veröffentlichte das Register auf seiner Webseite in allen Amtssprachen eine ausführliche Beschreibung sämtlicher technischer und administrativer Maßnahmen in Verbindung mit den Registrierungsverfahren. Diese Informationen können übrigens noch immer von jedem, den es interessiert, im Internet eingesehen werden. Im gleichen Zeitraum richtete das Register ein Call-Center ein, wo Bewerber in den 20 Amtssprachen rasch Rat einholen konnten.

Ein Wort zum alternativen Streitbeilegungsverfahren. Es dient der raschen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Inhabern von Domänennamen zu Fragen wie dem Cybersquatting oder geistigen Eigentumsrechten sowie in Bezug auf einzelne Entscheidungen des Registers. Sollte ein irischer Antragsteller der Meinung sein, dass eine dieser beiden Kategorien auf ihn zutrifft, dann stellt das alternative Streitbeilegungsverfahren nach Auffassung der Kommission in der Tat eine faire Möglichkeit zur Beilegung der Unstimmigkeit dar.

Die Kommission vertritt abschließend den Standpunkt, dass das öffentliche Register ausreichend Informationen bereitstellt, um Antragstellern und Registrierstellen während des Registrierzeitraums und danach die Eintragung von Domänennamen zu ermöglichen.

 
  
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  Jim Higgins (PPE-DE).(EN) Vielen Dank für Ihre Antwort, Frau Kommissarin. Trotz unserer Bilanz im Bereich Breitband ist es erfreulich, die lobenden Worte der Kommissarin zu den Entwicklungen beim Roaming in Nordirland und Irland zu hören, und ich hoffe, dass sie anderen Ländern als Vorbild dienen werden.

In ihrer Antwort gab die Kommissarin eindeutig den nationalen Regierungen und deren unzureichender Gesetzgebung die Schuld. Das trifft nicht nur auf Irland zu, sondern auch auf das Vereinigte Königreich. Herr Patrik Lindén, der Communications Manager von EURid, hat das in der Tat ganz offen festgestellt. Ich werde Ihre Antwort mitnehmen und in Irland auf jeden Fall darauf hinweisen, dass auf nationaler und lokaler Ebene ein Großteil der Verantwortung dafür, dass wir dem übrigen Europa weit hinterherhinken, tatsächlich bei unserer Regierung und bei unserer eigenen Gesetzgebung zu suchen ist.

 
  
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  Viviane Reding, Mitglied der Kommission. (EN) Laut dem für das .eu-Register aufgestellten Rahmen ist die Kommission nicht für Entscheidungen über die Auslegung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften in Verbindung mit der Validierung früherer Rechte zuständig. Diese Aufgabe wurde PriceWaterhouseCoopers, der vom Register ausgewählten Validierungsstelle, übertragen. Das ist ein Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament auch entschieden wurde, dass das nationale Recht diesbezüglich zu respektieren ist; und da zwischen den Rechtsvorschriften der einzelnen Länder riesige Unterschiede bestehen, würde ich keine Aussage darüber treffen wollen, welches Recht besser als die anderen ist. Das nationale Recht hat etwas mit den nationalen Gewohnheiten und der kulturellen Vielfalt unserer Länder zu tun, und deshalb ist es Sache der nationalen Regierungen, dieses Recht zu ändern oder so zu lassen, wie es ist.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 46 von Sarah Ludford (H-0784/06)

Betrifft: Gerechter Handel

In ihrer Reaktion auf den Bericht des Europäischen Parlaments über gerechten Handel und Entwicklung hob die Kommission im Juli hervor, die EU benötige einen kohärenten und kollektiven politischen Rahmen für gerechten Handel, und übernahm die Aufgabe, zu untersuchen, auf welche Weise sie die verschiedenen Systeme zur Zertifizierung und Gewährleistung unterstützen und den Verbrauchern dabei helfen könnte, genaue und transparente Informationen zu erhalten. Welche weiteren Schlussfolgerungen hat die Kommission im Hinblick auf eine den gerechten Handel unterstützende EU-Politik gezogen?

Insbesondere sind zwar die Systeme zum Vertrieb und zur Kennzeichnung von fair gehandelten Lebensmitteln und Getränken sehr gut entwickelt, doch gilt dies nicht für Bekleidung. So sollen etwa in Bangladesch Frauen für gerade 10 Euro pro Monat 80-Stunden-Wochen in Textilfabriken arbeiten, um Kleidung zu produzieren, die in den Geschäftsstraßen in den EU-Ländern zu Billigpreisen verkauft wird. Auf welche Weise wird die Kommission mit NRO zusammenarbeiten, um die Entwicklung von internationalen Standards für gerechten Handel und eine Zertifizierung für die Herstellung von Bekleidung zu unterstützen?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. Im Bereich des fairen Handels konnten enorme Fortschritte erzielt werden. So sind inzwischen entsprechend gekennzeichnete Produkte in den Regalen der Supermärkte zu finden, und der faire Handel hat Eingang in die Kaufgewohnheiten und –praktiken der Öffentlichkeit gefunden. Für handwerkliche Erzeugnisse und Bekleidung gilt dies jedoch noch nicht. Die Kommission wird auf der Grundlage des Berichts des Parlaments prüfen, ob in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.

Als ich im Juli hier im Parlament sagte: „Was wir zur Bekämpfung der Armut und zur Förderung der Entwicklung brauchen, ist ein allgemeiner und kohärenter politischer Rahmen“, beschränkte sich das nicht auf den fairen Handel, obwohl ich auf die hilfreiche Rolle verwies, die der Bericht über fairen Handel und Entwicklung spielen würde. Während die Kommission also prüft, wie die von der Fair-Trade-Bewegung ausgehenden Impulse noch besser genutzt werden können, gibt es eine Reihe weiterer Maßnahmen allgemeinerer Natur, die ergriffen werden können.

In Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern können wir uns für menschenwürdige Arbeit und internationale Arbeitsnormen sowie das Zusammenwirken zwischen menschenwürdiger Arbeit und anderen Politiken einsetzen. Dabei wird das neue thematische Programm „In die Menschen investieren“, das Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildung, den Transfer von Informationen und die Entwicklung eines Pakets von Indikatoren zur Überwachung der Fortschritte umfasst, ein wichtiges Instrument sein.

Die enge Verbindung zwischen menschenwürdiger Arbeit und der Verringerung der Armut wird in der EU immer besser verstanden. In dem 2005 veröffentlichen „Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik“ werden Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt als einer von neun Bereichen für Gemeinschaftsaktionen herausgearbeitet. Beschäftigung, menschenwürdige Arbeit und sozialer Zusammenhalt stehen auch im Mittelpunkt der EU-Strategie für Afrika.

Im Mai 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung über menschenwürdige Arbeit für alle an, die auf der Konferenz der Kommission zum Thema menschenwürdige Arbeit und Globalisierung im Dezember vorgestellt werden wird. Die Konferenz wird sich in einem umfassenden Rahmen mit diesen Fragen befassen.

Wir setzen uns ferner im Rahmen laufender handelsbezogener Aktivitäten auf bilateraler und regionaler Ebene für die Annahme internationaler Normen und Standards für alle Produkte einschließlich von Textilien ein. Ein Beispiel dafür ist ein Programm zur Qualitätsförderung in Bangladesch, in dessen Mittelpunkt die Verbesserung der dortigen Qualitätsstandards, Metrologie und Akkreditierungssysteme steht. Damit sollen die nationalen Labors in ihrem Bemühen um die regionale und multilaterale Anerkennung und Akzeptanz von Konformitätsbewertungszertifikaten unterstützt werden. Diese Maßnahmen dienen außerdem der Stärkung des Bangladesh Standards and Testing Institute im Bereich Normung und Metrologie.

Das Programm wird Bangladesch helfen, sich auf multilaterale Anforderungen einzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Exportindustrie zu steigern. Das Vorhaben zielt ferner auf die Schaffung öffentlich-privater Partnerschaften und vor allem die Information über Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme und Sozialstandards ab. So hat sich die Zahl der Unternehmen, die über eine Zertifizierung nach ISO 14000 und SA 8000 verfügen, erhöht. Ferner soll der Verbraucherschutzverband gestärkt werden, über den dann Druck zur Durchführung von Veränderungen und Kontrollen ausgeübt werden wird.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE).(EN) Vielen Dank für diese Antwort, Herr Kommissar. Mir ist völlig klar, dass der Bereich Handel und Entwicklung mehr umfasst als die Fair-Trade-Problematik. Ich würde jedoch immer noch gern von der Kommission hören, dass sie die Erarbeitung eindeutiger Kriterien unterstützt, mit denen beurteilt werden kann, ob es sich tatsächlich um fair gehandelte Waren handelt. Außerdem möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, wie man für mehr Preistransparenz sorgen kann, damit für die Verbraucher ersichtlich wird, dass der höhere Preis für solche Produkte von den Supermärkten an die Erzeuger zurückgeführt wird, und damit sie erkennen, dass sie ihr Schnäppchen mit einem Kleid für zehn Pfund oder 15 Euro auch auf Kosten menschenwürdiger Lebensbedingungen der Textilarbeiter machen.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich habe für die Vorschläge der Frau Abgeordneten Verständnis. Meines Erachtens ist die Verbraucherinformation, die Macht der Verbraucher, in diesem Zusammenhang tatsächlich der Schlüssel. Der faire Handel ist auf Verbraucher angewiesen, die von den Schwierigkeiten armer Erzeuger gehört haben und deshalb etwas tun wollen. Unser Beitrag besteht vor allem darin, dass wir die Verbraucher darüber aufklären, welche Angebote es gibt. Aber wir bemühen uns auch darum, die Fair-Trade-Bewegung zu unterstützen, wenn sie gezielte Ersuchen an uns richtet. Ich sehe deren Prüfung im Rahmen unserer Überlegungen über künftige Maßnahmen zur Unterstützung der Fair-Trade-Bewegung in den kommenden Wochen und Monaten erwartungsvoll entgegen.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident! Gerechter Handel ist nicht nur im Textilbereich ein Thema, sondern auch im Energiebereich. In Russland liefert man derzeit das Erdöl für 8 Dollar pro Barrel an die energieintensive Industrie, und das Gas steht zu einem sehr wettbewerbsfähigen Preis zur Verfügung. Welche Chancen sehen Sie hier für das Überleben unserer energieintensiven Industrie, und welche Auswirkungen wird das auf den Beitritt Russlands zur WTO haben?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Das ist eine sehr interessante Frage, die weit über den Rahmen der mir ursprünglich gestellten Frage hinausgeht und diesen möglicherweise völlig sprengt. Trotzdem ist sie faszinierend.

Meines Erachtens kann die Beziehung zwischen Europa und Russland in Bezug auf die Energienachfrage und das Energieangebot am besten dadurch verbessert, gestärkt, vertieft und befriedigender gestaltet werden, indem wir Russland vor allem drängen, andere, transparentere Maßnahmen im Hinblick auf den freien Transit zu ergreifen, die sich an den globalen Handelsregeln orientieren. Ich sehe keinen Grund, weshalb Energieerzeugnisse nicht ebenso wie alle anderen Erzeugnisse globalen Handelsregeln unterliegen sollten. Ich glaube aber auch, dass die Energiebeziehung zwischen Russland und der EU am besten dadurch gefestigt werden kann, dass man sie in einem umfassenderen System von Handelsgesprächen und -vereinbarungen verankert, deren Ziel eine Integration der russischen und europäischen Wirtschaft wäre, die von fairen und transparenten Marktregeln und vereinbarten Normen und Standards geprägt wäre.

Ausgehend davon sehe ich der Weiterverfolgung dieser Angelegenheit im Rahmen weiter reichender Handelsgespräche, zu denen es hoffentlich nach dem Beitritt Russlands zur WTO kommen wird, mit Interesse entgegen.

 
  
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  Philip Bushill-Matthews (PPE-DE).(EN) Herr Kommissar! Eines der vielen Hindernisse für die Entwicklung des fairen Handels ist der gelegentliche Versuch anderer Länder, Produkte unter dem Erzeugerpreis auf den europäischen Markt zu werfen. Schuhe sind dafür nur das jüngste Beispiel. Mir geht es bei meiner Frage nicht darum, ob die Entscheidung in Bezug auf Schuhe richtig oder falsch war, sondern darum, wie diese Entscheidung getroffen wurde. Soweit ich weiß, hatten zwölf Länder dagegen gestimmt, neun dafür und vier haben sich der Stimme enthalten. Könnten Sie bitte etwas zum Hintergrund dieses Prozesses sagen, Herr Kommissar?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich glaube, der Herr Abgeordnete hat sich jetzt bereit erklärt, in diesen Saal zurückzukehren und an unserer Aussprache zum Bericht Muscardini über Schutzmaßnahmen im Bereich des Handels teilzunehmen, die gegen Mitternacht oder auch danach stattfinden wird. Ich freue mich auf jeden Fall, ihn morgen in aller Frühe bei der Aussprache hier zu sehen. Leider ist er nicht auf der Liste vermerkt. Er wird die Aussprache also sicher verfolgen wollen, damit er sich dann auf andere Weise weiter mit dieser Problematik befassen kann.

Ich möchte seine Frage kurz beantworten. Unsere Aufgabe in der Kommission ist es, für die Einhaltung der Vorschriften zu sorgen, ob es nun die Vorschriften der WTO oder unsere eigenen EU-Vorschriften sind. Das sollten wir objektiv und transparent tun. Wie ich aber bei früherer Gelegenheit bereits mehrfach sagte, bin ich der festen Überzeugung, dass diejenigen von uns, die an den freien Handel glauben, sich, wann immer erforderlich, für den fairen Handel einsetzen sollten. Dieser Ansatz wird seinen Niederschlag im Grünbuch finden, das der Überprüfung des Einsatzes handelspolitischer Schutzinstrumente in der Gemeinschaft gewidmet ist und in den nächsten Monaten veröffentlicht werden wird. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Herrn Abgeordneten und bin auf seine Ansichten und seinen Beitrag zur Debatte über das Grünbuch gespannt.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 47 von Seán Ó Neachtain (H-0790/06)

Betrifft: Welthandelsgespräche

Kann die Kommission eine vollständige und umfassende Erklärung zum derzeitigen Stand der Welthandelsverhandlungen abgeben?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Am 5. September 2006 habe ich hier im Parlament eine umfassende Erklärung zum aktuellen Stand der Entwicklungsagenda von Doha, der DDA, abgegeben. Bedauerlicherweise sind seitdem keine weiteren wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen; die Verhandlungen sind nach wie vor ausgesetzt.

Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass sich alle Schlüsselteilnehmer der Gespräche, ob beim G-20-Treffen in Rio, an dem ich teilgenommen habe, oder der Tagung der Cairns-Gruppe in Australien, wo ich vertreten war – beide im September –, zum Abschluss der Runde bekannt und bereit erklärt haben, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sobald die politischen Umstände dies zulassen. Das wird allerdings kaum ausreichen, um die DDA wieder in Gang zu bringen. Alle Seiten müssen Flexibilität und Realismus zeigen und Angebote unterbreiten, die von einem echten Bemühen in allen Bereichen der Verhandlungen zeugen.

Es besteht ein schmales Zeitfenster für eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche ab den Zwischenwahlen in den USA am 7. November bis zum Frühjahr 2007, wenn der Kongress mit der Arbeit an einem neuen Landwirtschaftsgesetz beginnt.

Ich war Ende September in Washington, um den Standpunkt der USA zur DDA zu erkunden, um herauszufinden, welche Politik der Kongress in dieser Sache vertritt, und um unseren Standpunkt zu erläutern. Dabei bin ich mit Entscheidungsträgern der Regierung zusammengetroffen, mit einer Reihe wichtiger Vertreter des Gesetzgebers auf dem Capitol Hill sowie Wählergemeinschaften wie „National Farm Bureau“ und „National Association of Manufacturers“.

Die politische Lage in den USA ist schwierig. Meine Kontakte mit der Regierung haben mich ermutigt. Es war eine echte Bereitschaft zu spüren, die Runde noch während der Amtszeit von Präsident Bush abzuschließen, obwohl dazu erhebliche politische Anstrengungen erforderlich sein werden und es möglicherweise sogar einer Ausweitung der Trade Promotion Authority, der Befugnis des Präsidenten zum Abschluss von Handelsabkommen, durch den Kongress bedarf.

In den kommenden Wochen muss unsere Strategie also darin bestehen, die politischen Bedingungen für die Wiederaufnahme der Gespräche zu klären und die Voraussetzungen für Bewegung in der Sache zu schaffen – solange keine neuen Angebote vorliegen. Außerdem ist es nach wie vor unser Ziel, an der Entwicklungsproblematik festzuhalten, und zwar zum jetzigen Zeitpunkt im Rahmen der Gesamtverpflichtung.

Sollte die Entwicklungsagenda fehlschlagen oder die Aussetzung der Verhandlungen zu lange dauern, dann, das ist meine feste Überzeugung, kann es zu ernsthaften wirtschaftlichen und politischen Gefahren kommen. Die DDA hat in Bezug auf die Senkung von Agrarsubventionen, die Senkung der Zölle auf Agrar- und Industrieerzeugnisse, die Verbesserung der Regeln und Entwicklung noch eine Menge zu bieten, und folglich haben wir viel zu verlieren, wenn die Gespräche scheitern. Wir sollten die weiter reichenden systemischen Implikationen eines Scheiterns für das multilaterale System insgesamt nicht unterschätzen. Die Entwicklungsagenda von Doha sollte und wird daher im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stehen, und die EU ist in jeder Beziehung bereit, an den WTO-Verhandlungstisch zurückzukehren, sobald dies realistisch möglich ist.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN).(EN) Ich habe Ihnen in diesem Hohen Haus schon oft gesagt, dass 5 % des Welthandels auf Agrarerzeugnisse entfallen, und die 95 % von den 5 % bei Fair-Trade-Gesprächen blockiert werden. Ist es nicht an der Zeit, diese Blockierung zu beseitigen? Herr Kommissar, ist es nicht an der Zeit, nach Lösungen für den Großteil des Welthandels zu suchen und uns mit der Landwirtschaft gesondert zu befassen?

Wenn Sie zur europäischen Agrarwirtschaft weitere Abstriche machen, verletzen Sie die Vereinbarung, die die Mitgliedstaaten zu Agrarsubventionen und Agrarstützung getroffen haben. Wäre es also nicht an der Zeit, uns mit dem Großteil des Welthandels zu befassen und die Landwirtschaft auszuklammern?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Diesen Standpunkt kann ich nicht akzeptieren, weil ich meine, dass wir aus objektiven Gründen und weil dies im ursprünglichen Doha-Mandat verankert war ganz klar dazu verpflichtet sind, uns auf dem Verhandlungswege auf eine Umstrukturierung des Agrarhandels zu einigen.

Wir sind dazu verpflichtet, weil die Reform der Agrarwirtschaft hinter den progressiven Veränderungen zurückgeblieben ist, die über den übrigen Teil des internationalen Handelssystems hinweggefegt sind und sich bekanntlich recht günstig auf die Industriezölle ausgewirkt haben. Doch im Falle der Landwirtschaft gibt es entgegen allen üblichen Regeln ein System der Agrarstützung und in einigen Fällen Ausfuhrerstattungen, was den Handel sehr stark verzerrt.

Dank unserer Reformen in Europa überwinden wir allmählich die handelsverzerrende Wirkung unserer Mechanismen der Agrarstützung. Das ist gerade in den USA nicht der Fall. Meines Erachtens sollten wir uns von dieser Runde nicht verabschieden, ohne sämtliche Möglichkeiten für eine progressive Reform im Bereich der Agrarstützung und des Agrarhandels auszuloten, von der die Entwicklungsländer nachhaltig profitieren würden.

 
  
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  David Martin (PSE).(EN) Herr Kommissar! Befürchten Sie, dass die Vielzahl der bilateralen Handelsabkommen – und ich meine damit nicht nur die bilateralen Handelsabkommen der EU –, die im Moment abgeschlossen werden, eine Gefahr für die Wiederaufnahme der WTO-Gespräche darstellt?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich glaube nicht, dass eine solche Gefahr besteht, aber sicher besteht das Risiko eines Abzugs von Energie und Verhandlungskapazität. Die einzelnen Länder und Verhandlungsführer stehen immer vor der Frage, für welche Form der Verhandlung sie sich entscheiden sollten – die multilaterale oder die bilaterale. Aber angesichts des langfristigen Charakters der Verhandlungen, an denen wir uns beteiligen, sowie der klaren Abfolge von Initiativen, die wir zu ergreifen gedenken, gibt es ganz klar keine Bedingungen, unter denen ich eine Verwässerung oder Gefährdung unserer Verhandlungsbemühungen und unseres Engagements für die WTO durch Bestrebungen um den Abschluss bilateraler Freihandelsvereinbarungen zulassen würde.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Ich möchte mich dazu äußern und eine Frage stellen.

Das Festhalten von Handelspartnern aus Drittstaaten an Agrarverhandlungen ist nach wie vor erstaunlich, wenn man das geringe Volumen weltweit gehandelter Agrarerzeugnisse bedenkt.

Sind die Volkswirtschaften von Schwellenländern nach Ansicht des Herrn Kommissars wirklich bereit, zu dieser Verhandlungsrunde mit grundlegenden Verpflichtungen bei industriellen Erzeugnissen und Dienstleistungen beizutragen, oder zielen sie lediglich auf einen einseitigen Abbau aufseiten der Industrieländer?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Meines Erachtens können die Volkswirtschaften der Schwellenländer diese Art von Anforderungen, wie wir sie stellen, ökonomisch durchaus bewältigen, und zwar nicht nur, weil sie zu einer angemessenen und proportionalen Reaktion verpflichtet sind, da dieses Prinzip dem Welthandelssystem und den damit verbundenen Verhandlungen zugrunde liegt, sondern auch, weil sie davon profitieren. Sie würden von einer schrittweisen Öffnung ihrer Industriesektoren durch eine vernünftige Senkung der von ihnen angewandten Industriezölle profitieren. Ich sage „angewandten“, weil die gebundenen Zölle sinken werden. Sie werden schon jetzt in vielen Fällen von den Schwellenländern autonom gesenkt. Ich unterschätze nicht den Nutzen für die Weltwirtschaft insgesamt wie auch für uns in Europa, wenn diese autonomen Zollsenkungen durch einen Sperrklinkeneffekt konsolidiert werden, sodass die Liberalisierung unumkehrbar wird.

Ich denke, unsere Verhandlungspartner wissen, dass Gegenseitigkeit, Flexibilität und Bewegung im Bereich der Industriezölle und Dienstleistungen nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein politisches Diktat sind, wenn wir gegenüber unseren Wählern klar nachweisen wollen, dass sich die enormen Beträge, die wir in diese Runde investieren, um die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen, auch wirklich lohnen.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 52 von Bernd Posselt (H-0807/06)

Betrifft: Euro-Einführung in Schweden

Welche Maßnahmen plant die Kommission, um Schweden endlich dazu zu bringen, seinen vertraglichen Verpflichtungen entsprechend den Euro einzuführen?

Wie wirkt sich das negative Beispiel Schwedens auf die entsprechenden Debatten in Polen und der Tschechischen Republik aus?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Schweden ist gegenwärtig einer der elf Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung bei der Einführung der gemeinsamen Währung gilt. Die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, sind verpflichtet, den Euro als ihre Währung einzuführen, und dazu müssen sie tätig werden, um die im Vertrag festgeschriebenen Konvergenzkriterien zu erfüllen. Der Vertrag legt jedoch keine Fristen für die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die Mitgliedstaaten fest.

Im Konvergenzbericht 2004 stellte die Kommission fest, dass Schweden das Kriterium der Preisstabilität, das Kriterium der Finanzlage der öffentlichen Hand und das Kriterium der Konvergenz der langfristigen Zinssätze erfüllt hat. Aber in demselben Konvergenzbericht urteilte die Kommission, dass Schweden das Wechselkurskriterium nicht erfüllt hat, demzufolge das untersuchte Land die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muss.

Darüber hinaus wies die Kommission im Konvergenzbericht 2004 darauf hin, dass die schwedischen Rechtsvorschriften nicht völlig mit Artikel 108 und Artikel 109 des EG-Vertrags in Einklang standen. Angesichts dieser Beurteilung zog die Kommission den Schluss, dass der Status Schwedens als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, nicht geändert werden müsste.

In Übereinstimmung mit dem Vertrag werden die Kommission und die Europäische Zentralbank den nächsten Konvergenzbericht vor Ende dieses Jahres veröffentlichen. Die neuen Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald sie die im Vertrag festgelegten Kriterien erfüllen. Damit wird Slowenien am 1. Januar 2007 dem Euro-Währungsgebiet beitreten, Zypern und Malta möchten sich am 1. Januar 2008 anschließen, die Slowakei am 1. Januar 2009, und andere Mitgliedstaaten, die vorher konkrete Termine festgelegt hatten, führen zurzeit eine Überprüfung durch.

Auf jeden Fall sind, wie ich zu Beginn meiner Antwort sagte, mit Ausnahme der beiden Staaten, die in den Genuss einer „Opt-out-Klausel“ kommen, nämlich des Vereinigten Königreichs und Dänemarks, die übrigen Mitglieder der Europäischen Union, die die gemeinsame Währung noch nicht eingeführt haben und für die eine Sonderregelung gilt, verpflichtet, sie einzuführen und sich auf die Erfüllung dieser Kriterien vorzubereiten, aber es gibt keinen Termin, an dem sie erfüllt sein müssen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich hätte gern ganz konkret zwei zusätzliche Informationen.

Erstens: Wird die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat ohne vertragliche Regelung den Euro weiterhin jahrelang nicht einführt, so wie Schweden, auch einmal rechtliche Schritte einleiten, beim EuGH etwa, oder wird sie auch in 20 Jahren noch nichts unternehmen?

Meine zweite Frage ist: Was ist mit Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn? Zeichnet sich da irgendetwas ab, vor allem, was Ungarn betrifft?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Posselt, wir dürfen die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sich auf die Einführung der gemeinsamen Währung vorzubereiten, nicht mit den Maßnahmen verwechseln, die die Kommission und der Rat gegenüber den Mitgliedstaaten unternehmen können – und tatsächlich auch unternehmen –, wenn sie sich zum Beispiel im Bereich der Haushaltsdisziplin nicht an die Vorschriften des Vertrags halten, wie es bei Ungarn und anderen Mitgliedstaaten der Fall ist.

Die Vorbereitungen zur Einführung der gemeinsamen Währung haben mit der Haushaltsdisziplin zu tun, aber auch mit der Stabilität der Wechselkurse und der Entwicklung der Zinssätze, und das sind Dinge, die entsprechend der wirtschaftlichen Situation der Mitgliedstaaten von den Märkten entschieden werden. Dazu gehören auch Reformen in den Rechtssystemen, um den Status der Zentralbank des betreffenden Mitgliedstaats an die im EG-Vertrag für das Europäische System der Zentralbanken festgelegten Vorschriften anzupassen, und sie betreffen auch die Inflationsentwicklung.

Die Faktoren für die Einhaltung der Kriterien zur Einführung der gemeinsamen Währung sind daher zum Teil von politischen Entscheidungen abhängig, die direkt von den Regierungen oder Parlamenten der Mitgliedstaaten getroffen werden können, und zum Teil von Faktoren, die nicht immer in der Kontrolle der Mitgliedstaaten stehen. Folglich halten wir, wenngleich es theoretisch möglich ist, in der Zukunft Vertragsverletzungsverfahren gegen die Staaten einzuleiten, die keine Vorbereitungen treffen, dies gegenwärtig nicht für erforderlich oder gar wünschenswert.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Herr Kommissar! Wenn ein reiches und wirtschaftlich stabiles Land wie Schweden außer Stande ist, den Euro einzuführen, dann muss ich die Zukunft des Projektes „Euro-Währungsgebiet“ in Frage stellen. Es liegt auf der Hand, dass die meisten der derzeitigen Mitglieder des Euro-Währungsgebiets eines oder mehrere der Maastricht-Kriterien nicht erfüllen. Litauen beispielsweise hat das Inflationskriterium um 0,07 % verfehlt.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Euro-Währungsgebiet künftig entwickeln? Einigen Prognosen zufolge wird der Euro in 15 Jahren verschwinden. Welche Präventivmaßnahmen sollten ergriffen werden?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Frau Budreikaitė, ich glaube nicht, dass die Zukunft des Euro in Frage steht. Keinesfalls. Wenige Jahre nach seiner Einführung im Jahre 1999 und fünf Jahre, nachdem über 300 Millionen Europäer ihn erstmals in Form von Münzen und Scheinen in der Tasche haben konnten, ist der Euro heute eine Realität, die jene, die ihn benutzen, als Erfolg betrachten.

Aus meiner Sicht besteht die Frage deshalb nicht darin, ob der Euro eine Zukunft hat; die Frage ist, ob die Länder, die sich nicht ordnungsgemäß auf die Einführung des Euro vorbereiten, dies nicht künftig zu spüren bekommen. Das ist die wirkliche Frage. Immer wenn ich Kontakt mit den Behörden der Länder habe, die den Euro künftig einführen müssen, aber noch nicht die im Vertrag festgeschriebenen Kriterien einhalten, dränge ich sie, eine glaubhafte und wirksame Strategie anzuwenden, um diese Kriterien erfüllen und die gemeinsame Währung einführen zu können

Seit einigen Jahren nun freuen wir uns über eine üppige Liquidität auf den Finanzmärkten, die Zinssätze sind niedrig und die Erinnerung an Währungskrisen und das Auf und Ab der Wechselkurse verflüchtigt sich in Europa. Es gibt jedoch keine Garantie, dass jene Situationen, die wir in der Vergangenheit, vor der Existenz des Euro, erlebt haben, künftig nicht erneut auftreten werden. Hoffen wir also, dass dies nicht geschieht, aber es könnte passieren. Wir erleben 311 Millionen Europäer, die die Vorteile einer gemeinsamen Währung nutzen, und wir sehen auch, dass sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union Nutzen aus der Tatsache ziehen, dass sich zwölf von ihnen für die gemeinsame Währung entschieden haben.

Es gibt daher mehr als genug Gründe für die Mitgliedstaaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, zu der Überzeugung zu kommen, dass sie sich vorbereiten und wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen müssen, die auf die Einhaltung der Kriterien und auf die Stärkung einer Währung gerichtet sind, die schon heute, sieben Jahre nach ihrer Geburt, die zweitwichtigste der Welt ist.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Das schwedische Volk hat in einem Referendum mit großer Mehrheit den Beitritt des Landes zur Wirtschafts- und Währungsunion abgelehnt. Herr Posselt will rücksichtslos über das Ergebnis dieser Volksbefragung hinweggehen. Das ist mit einer demokratischen Sichtweise unvereinbar. Die schwedische Wirtschaft wurde nicht dadurch beeinträchtigt, dass wir außerhalb der gemeinsamen Währungsunion stehen.

Ich bitte den Kommissar zu erklären, dass er das Ergebnis der schwedischen Volksbefragung voll und ganz unterstützt und sich von Herrn Posselts bedauerlicher und undemokratischer Sichtweise distanziert.

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Frau Goudin, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass 2003 in Schweden ein Referendum durchgeführt wurde. Ich kenne das Ergebnis sehr genau. Leider war es negativ, aber wie allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses wird Ihnen bekannt sein, dass der Vertrag von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden muss und dass, wenngleich die Existenz eines Referendums offensichtliche politische Schwierigkeiten im Hinblick auf die Erfüllung des Vertrags schafft, die darin festgelegten Verpflichtungen trotzdem bestehen bleiben.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 53 von Justas Vincas Paleckis (H-0823/06)

Betrifft: Beitritt zur Eurozone

Bekanntlich haben sich alle neuen EU-Mitgliedstaaten mit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004 verpflichtet, der Europäischen Währungsunion beizutreten. In letzter Zeit ist zu beobachten, dass immer mehr neue Mitgliedstaaten den Zeitpunkt des Beitritts in immer weitere Ferne verschieben und bisweilen nicht einmal eine Prognose darüber abgeben, wann sie die Konvergenzkriterien erfüllen werden. Es lässt sich schwerlich leugnen, dass sich die Volkswirtschaften der neuen Mitgliedstaaten zwar rasch entwickeln, die festgelegten Anforderungen in Bezug auf einige Konvergenzkriterien (z. B. die Inflation) aber noch lange nicht erfüllt sein werden. Es ist fraglich, ob in dieser Situation strenge künstliche Maßnahmen zur Senkung der Inflation getroffen werden müssen, die lediglich die wirtschaftlichen Prozesse aus dem Gleichgewicht bringen würden.

Die einen Beitritt zur Eurozone anstrebenden Länder schätzen die Konsultationen der Kommission sehr, da sie den EU-Mitgliedstaaten dabei helfen, möglichst bald, ohne dass den wirtschaftlichen Prozessen in ihren Ländern Schaden zugefügt wird, die Kriterien für eine Mitgliedschaft in der Währungsunion zu erfüllen. Welche zusätzlichen Maßnahmen neben Konsultationen gedenkt die Kommission vor dem Hintergrund zu ergreifen, dass immer deutlicher wird, dass einige der neuen EU-Mitgliedstaaten aus verschiedenen Gründen noch lange nicht in der Lage sein werden, die Anforderungen für einen Beitritt zur Eurozone zu erfüllen, wenn diese streng angewandt werden? Wie beurteilt die Kommission die Aussichten einer Erweiterung der Eurozone in zeitlicher Hinsicht? Wie würde die Kommission reagieren, wenn einige neue Mitgliedstaaten versuchen würden, den Zeitpunkt der Einführung des Euro bis nach 2013 zu verschieben?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Paleckis, bei der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags beschlossen die zehn Mitgliedstaaten, die sich im Mai 2004 der Union anschlossen, den Euro einzuführen, sobald sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen würden. Von diesen Ländern und von Schweden, über das wir gerade diskutiert haben, wird erwartet, dass sie Maßnahmen ergreifen, um die Erfüllung dieser Voraussetzungen zu sichern. Aber wie ich in meiner vorangegangenen Antwort sagte, setzt der Beitrittsvertrag keine Frist dafür.

Viele der neuen Mitgliedstaaten haben Termine und Strategien für die Einführung des Euro festgelegt, wobei sie ihrer politischen Verpflichtung durch entschlossene Konvergenzpolitiken eine konkrete Form geben.

Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Politik liegt bei den Mitgliedstaaten, für die die Anwendung der Stabilitätspolitik zu einem größeren Ziel beiträgt als nur der Erfüllung der Konvergenzkriterien für die Einführung der gemeinsamen Währung. Diese Politik ist auch notwendig, um ein hohes und nachhaltiges Wachstum sowie die mittelfristige finanzielle Stabilität zu gewährleisten.

Obwohl die Kommission die Anstrengungen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung in Bezug auf den Beitritt zum Euro-Währungsgebiet gilt, unterstützt, kann man nicht das Tempo voraussagen, mit dem die Erweiterung dieses Gebiets erfolgen wird. Die Kommission ist der Ansicht, dass einer hoher Grad an nachhaltiger Konvergenz in Übereinstimmung mit dem EG-Vertrag eine notwendige Voraussetzung ist, um die Einführung des Euro sowohl für die derzeitigen Mitglieder des Währungsgebiets als auch für die künftigen Mitglieder zu einem Erfolg zu machen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE).(EN) Ich danke dem Kommissar für seine umfassende Antwort. Sie waren unlängst in Litauen, das den Euro bedauerlicherweise nicht einführen konnte, weil seine Inflationsrate um 0,07 % über dem Zielniveau lag. Wäre es aus Ihrer Sicht für Litauen sinnvoller, über einen Alleinbeitritt zum Euro-Währungsgebiet nachzudenken, oder sollte Litauen gemeinsam mit den beiden anderen baltischen Staaten – Lettland und Estland – beitreten?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. Herr Paleckis, als Litauen in der ersten Hälfte dieses Jahres gleichzeitig mit Slowenien die Kommission und auch die Europäische Zentralbank aufforderte, eine Stellungnahme über ihren Grad der Einhaltung der im EG-Vertrag festgelegten Kriterien für die Mitgliedschaft in der Währungsunion abzugeben, war die Antwort der Kommission, die später vom Rat gestützt wurde, im Fall von Litauen leider negativ und im Fall von Slowenien positiv. Sie war negativ bei Litauen, weil dieses Land zu jenem Zeitpunkt das Inflationskriterium nicht erfüllte.

Sie haben über die Differenz gesprochen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen der durchschnittlichen Inflationsrate Litauens während der letzten zwölf Monate und dem Referenzwert bestand, der nach dem Protokoll zum Maastricht-Vertrag für die höchste zulässige Inflationsrate zur Aufnahme als neues Mitglied des Euro-Währungsgebiets berechnet wurde. Es stimmt, dass die Differenz zu jenem Zeitpunkt sehr gering war, kleiner als 0,1 %. Heute, wenige Monate danach, weicht die durchschnittliche Inflationsrate Litauens in den letzten zwölf Monaten, nach den neuesten verfügbaren Daten, die Eurostat für die Teuerung im Monat September veröffentlicht hat, bedauerlicherweise um 0,7 % vom Referenzwert ab; in diesen wenigen Monaten hat sich die Differenz versiebenfacht.

Wie ich den italienischen Behörden bei meinem jüngsten Besuch in ihrem Land sagen konnte, kommt es jetzt nicht darauf an, die kleine Differenz der Vergangenheit zu diskutieren, auch ist es aus meiner Sicht nicht so wichtig, zunächst den Termin oder die Bedingungen für den Beitritt zu diskutieren. Wichtig für Litauen und für andere Mitgliedstaaten, die sich so bald wie möglich dem Euro anschließen möchten, ist es, jetzt zu entscheiden, welche Wirtschaftsstrategie und welche Maßnahmen innerhalb einer kohärenten wirtschaftspolitischen Strategie angenommen und implementiert werden müssen, um die Kriterien des Vertrags zu erfüllen.

Angesichts der Tatsache, dass die durchschnittliche Inflationsrate eine wachsende Divergenz vom maximalen Referenzwert aufweist, der gegenwärtig bei 2,8 % liegt, habe ich die litauischen Behörden gedrängt, diese Strategie zu definieren, und habe erneut die Unterstützung der Europäischen Kommission angeboten, gemeinsam mit den Behörden dieses Mitgliedstaats bei der Suche nach der besten und wirksamsten Strategie zu arbeiten, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne das ausgezeichnete Wirtschaftswachstum Litauens oder die hervorragenden Ergebnisse zu gefährden, die die litauische Wirtschaft in vielen anderen Aspekten erreicht hat.

Dies ist meines Erachtens nicht nur die Haltung der Europäischen Kommission, sondern auch aller Mitgliedstaaten, die wünschen, dass Litauen möglichst bald diese Voraussetzungen erfüllt und neues Mitglied des Euro-Währungsgebiets wird, wie dies bei Slowenien am 1. Januar der Fall sein wird. Wenn Litauen von anderen Mitgliedstaaten, den anderen baltischen Staaten begleitet wird, dann ist das umso besser. Wir dürfen jedoch nicht die Bedingungen für die Bewertung ändern, ob die Voraussetzungen des Vertrags erfüllt werden oder nicht, so sehr wir auch wünschen, dass die Beurteilung der Erfüllung dieser Kriterien positiv sein möge.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE).(EN) Herr Kommissar! Sie sagten, dass Slowenien am 1. Januar 2007 dem Euro-Währungsgebiet beitreten wird, Malta und Zypern werden 2008 folgen und die Slowakei 2009. Haben Sie bei Ihrem jüngsten Besuch in Litauen einen konkreten Termin vorgeschlagen, zu dem Litauen den Euro einführen könnte? Und haben Sie inzwischen einen Aktionsplan von der Regierung erhalten, der u. a. die Bekämpfung der Korruption umfasst?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Der einzige endgültige Termin ist der 1. Januar 2007 für Slowenien, wenn es auch stimmt, dass der Europäische Rat im Juni den Vorschlag der Kommission unterstützte und der Ecofin-Rat bestätigte, dass Litauen fast alle Voraussetzungen für den Beitritt zum Euro-Währungsgebiet erfüllt hat.

Ich sagte in meiner Antwort, dass Zypern und Malta ab dem 1. Januar 2008 Mitglieder des Euro-Währungsgebiets sein wollen, aber die Analyse und Bewertung der Einhaltung der Kriterien ist noch nicht erfolgt. Außerdem habe ich in meiner Antwort gesagt, dass die Slowakei ab 1. Januar 2009 in das Euro-Währungsgebiet aufgenommen werden möchte, und zu gegebener Zeit werden wir zu bewerten haben, ob das Land die Voraussetzungen erfüllt oder nicht.

In unserem nächsten Konvergenzbericht, der von der Kommission angenommen und dem Parlament im Dezember vorgelegt wird, werden wir bewerten, in welchem Maße die Länder, für die eine Ausnahmeregelung gilt, genau zu diesem Zeitpunkt die Bedingungen erfüllen. Der betreffende Mitgliedstaat muss die Bedingungen jedoch vor dem Termin erfüllen, an dem er sich dem Euro-Währungsgebiet anschließen möchte.

Die litauischen Behörden hatten einen Zieltermin und sie müssen jetzt einen neuen festlegen. Als ich Litauen im September besuchte, war über diesen Termin noch nicht entschieden. Soweit ich weiß, haben sie seit meinem Besuch kein Datum festgelegt.

Ich habe gegenüber den litauischen Stellen und den Behörden anderer Staaten in einer ähnlichen Situation darauf gedrängt, vor dem Termin eine Strategie zu bestimmen, denn ohne Strategie werden die beschlossenen Termine im Laufe der Zeit geändert werden müssen, da die Entscheidung über den Termin allein nicht ausreicht, um die geforderten Kriterien zu erfüllen.

 
  
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  David Martin (PSE).(EN) Herr Kommissar! Ich unterstütze Ihre Feststellungen zur Erfüllung der Konvergenzkriterien durch die Kandidatenländer voll und ganz. Aber verstehen Sie auch, dass es für sie sehr frustrierend ist, wenn sie darum kämpfen, diese Kriterien zu erfüllen, und zugleich sehen, wie jetzige Mitglieder des Euro-Währungsgebiets systematisch gegen ihre Verpflichtungen verstoßen? Ich weiß, dass Sie dieses Problem im Rat angesprochen haben. Aber welche weiteren Anstrengungen werden Sie unternehmen, um dafür zu sorgen, dass jetzige Mitglieder des Euro-Währungsgebiets ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Martin, ich verstehe die Verärgerung der Kandidaten für die Einführung der gemeinsamen Währung, wenn sie erkennen, dass ihre Bewerbung nicht erfolgreich ist, weil sie zum Beispiel nicht das Inflationskriterium erfüllen und gleichzeitig feststellen, dass manche Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, die ihm seit 1999 oder 2001 angehören, es auch weiterhin sind, obwohl sie in einigen Fällen das Inflationskriterium, in anderen das Defizitkriterium oder das Verschuldungskriterium nicht einhalten.

Auf jene Mitgliedstaaten, die die Kriterien der Haushaltsdisziplin – Defizit und Verschuldung – nicht erfüllen, werden die im Vertrag über die Mechanismen des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorgesehenen Instrumente angewendet. All jenen, die behauptet hatten, der neue Stabilitätspakt würde ineffektiv und übermäßig flexibel sein, möchte ich hier sagen, dass dieser Pakt nunmehr mit aller Strenge und umfassend angewendet wird. Seit Inkrafttreten des neuen Paktes ist keine einzige Unstimmigkeit im Rat hinsichtlich der Akzeptanz und Unterstützung der Kommissionsvorschläge aufgekommen und unter den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets hat es keine Klage darüber gegeben, dass sie die vom Rat auf Vorschlag der Kommission angenommenen Empfehlungen zur Wiederherstellung der Haushaltsdisziplin erfüllen müssen. Es gab sie außerhalb des Euro-Währungsgebiets, aber nicht innerhalb.

Bei einigen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets liegt die Inflationsrate allerdings über dem Referenzwert von 2,8 %, den ich vorhin nannte. Wir haben keine Instrumente zur Einleitung von Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets, wenn seine Inflationsrate den Referenzwert übersteigt. Es existiert ein sehr mächtiges Instrument, das aber weder in den Händen der Kommission noch des Parlaments oder des Rates liegt. Es ist das Marktinstrument, weil diese Mitgliedstaaten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und ihre Bürger und ihre Unternehmen unter dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit leiden, die, da sie die gemeinsame Währung eingeführt haben, nicht mehr einfach durch Änderung der Wechselkurse wiederhergestellt werden kann.

 
  
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  Der Präsident. Anfrage Nr. 54 von Gay Mitchell (H-0846/06)

Betrifft: Auswirkungen des Beitritts auf die Eurozone

Wie wird sich der Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU im kommenden Jahr nach Ansicht der Kommission voraussichtlich auf die Eurozone auswirken?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Mitchell, die Kommission erwartet nicht, dass der Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union unmittelbare Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Euro-Währungsgebiets haben wird.

Nach ihrem Beitritt am 1. Januar des kommenden Jahres werden sich beide Länder als Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, an der Wirtschafts- und Währungsunion beteiligen, und entsprechend der Festlegung im Vertrag wie die anderen Mitgliedstaaten der Union, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, umfassend an der mehrseitigen Überwachung der Wirtschaftspolitiken mitwirken.

Ab ihrem Beitritt zur Europäischen Union müssen Bulgarien und Rumänien, da sie keine Mitglieder des Euro-Währungsgebiets sind und keine Opt-out-Klausel haben, an der Erfüllung der Konvergenzkriterien arbeiten, um in der Zukunft den Euro einführen zu können. Für die übrigen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets kann ich jedoch keinerlei unmittelbare Auswirkung sehen, außer der sehr positiven Tatsache, dass die Union zwei neue Mitgliedstaaten haben wird.

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE).(EN) Vielen Dank für die Beantwortung der Anfrage. Ich teile die Ansicht des Kommissars, dass der Euro Transparenz in der Preisgestaltung garantiert und das Reisen erleichtert. Vor allem hat die Einheitswährung mehr als alles andere, was wir gemeinsam tun, bei den Europäern dafür gesorgt, dass sie sich in ihrem Streben geeint fühlen. All das ist zu begrüßen.

Mir ist klar, dass sich die europäische Wirtschaft abzukühlen scheint, aber für 2006 wird dennoch mit einem Wachstum von 2,5 % gerechnet, dem höchsten seit 2000. Das ist zu begrüßen, doch ein sich abschwächendes globales Wachstum sowie steigende Zinssätze könnten dem europäischen Wirtschaftswachstum im Wege stehen. Kann der Kommissar dem Hohen Haus mitteilen, ob er weitere Veränderungen beim Wirtschaftswachstum nach der bevorstehenden Erweiterung erwartet, und etwas zu den potenziellen Wirkungen sagen?

 
  
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  Joaquín Almunia, Mitglied der Kommission. (ES) Herr Mitchell, es stimmt, dass das Euro-Währungsgebiet und die Europäische Union insgesamt auch im Jahre 2006 ein Wachstum aufweisen und wir den Beginn einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung beobachten. Aber trotz dieses Aufschwungs haben wir noch immer Wachstumszahlen, die unter denen liegen, die wir beim Eintritt der Wirtschafts- und Währungsunion in die dritte Phase erwartet hatten. Es gibt auch Kreise, die bis zu einem gewissen Grad versuchen, eine Wechselwirkung zwischen diesem, im Vergleich zu anderen Regionen der Weltwirtschaft, niedrigen Wachstum und der Existenz der gemeinsamen Währung oder der Wirtschafts- und Währungsunion herzustellen.

Ich glaube, dass die strengsten Analysen, nicht nur die der Kommission, sondern auch die anderer Institutionen außerhalb der Europäischen Union, ebenso wie wir zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die Wachstumshemmnisse in Europa und insbesondere in den wichtigsten Volkswirtschaften des Euro-Währungsgebiets im Wesentlichen struktureller Art sind. Deshalb müssen wir den Akzent nicht nur auf die Einhaltung der Regeln für das Funktionieren und der Vorschriften für die Haushaltsdisziplin sowie die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion setzen, sondern auch auf Wachstumspolitik mit strukturellem Charakter, die wir in unserem Jargon als die Politikbereiche der Lissabon-Strategie bezeichnen. Es scheint, dass unsere Volkswirtschaften eine Kombination aus stabilitätsorientierten, gesunden makroökonomischen Politiken und ehrgeizigen Politiken für strukturelle Reformen erfordern.

Aus dieser Sicht war die Erweiterung, der Beitritt von zehn neuen Mitgliedern im Mai 2004 ein Ansporn, ein Impuls und ein positiver Anreiz für die europäischen Volkswirtschaften als Ganzes. Vor einigen Monaten, im Mai 2006, zwei Jahre nach dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten, veröffentlichte die Kommission unter meiner Verantwortung eine Mitteilung über die wirtschaftlichen Folgen der Erweiterung. Unsere Bewertung der wirtschaftlichen Konsequenzen der Erweiterung war sehr positiv; sie war es für die neuen Mitgliedstaaten und auch für die alten, für die Europäische Union der Fünfzehn, weil die neuen Mitgliedstaaten insgesamt unter anderem eine stärkere Fähigkeit zur Umsetzung struktureller Reformen und der notwendigen strukturellen Veränderungen zeigen. Es ist wahr, dass sie von einer weniger fortgeschrittenen Situation ausgingen. Mit ihnen ist zudem eine Dynamik, ein positiver Druck eingetreten, die auch die Volkswirtschaften der früheren Europäischen Union der Fünfzehn ermutigt, die Umsetzung von Strukturpolitiken zu beschleunigen.

In der Tat bin ich der Ansicht, dass in dieser Erholungsphase einige der positiven Auswirkungen der auf ein stärkeres Wachstum gerichteten strukturellen Reformen sichtbar werden können. Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, inwieweit die in den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres festgestellten Verbesserungen bei der Produktivität ausschließlich auf mit dem Wirtschaftszyklus verknüpfte Faktoren zurückzuführen sind. Die Europäische Zentralbank tendiert dazu, praktisch die gesamte in den letzten Quartalen festgestellte Produktivitätssteigerung der Konjunktur zuzuschreiben, aber meines Erachtens gibt es Anzeichen dafür, dass auch die in den letzten Jahren eingeleiteten strukturellen Reformen, deren Tempo sich infolge der positiven Auswirkung der Erweiterung allmählich beschleunigt, beginnen, eine positive Rolle bei dieser Verbesserung der Produktivität zu spielen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

Die Fragestunde mit Anfragen an die Kommission ist geschlossen.

(Die Sitzung wird um 19.15 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JANUSZ ONYSZKIEWICZ
Vizepräsident

 
  

(1) ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1.


17. Programm „Jugend in Aktion“ (2007-2013) (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Kultur und Bildung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des Programms „Jugend in Aktion“ im Zeitraum 2007-2013 (06236/3/2006 – C6-0273/2006 – 2004/0152(COD)) (Berichterstatterin: Lissa Gröner) (A6-0341/2006).

 
  
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  Lissy Gröner (PSE), Berichterstatterin. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anwesenheit hier im Plenum ist sicher kein Indiz für die Wichtigkeit des Themas, das wir heute behandeln. Das Aktionsprogramm „Jugend in Aktion“ für die Jahre 2007-2013 ist sicher ein Meilenstein für unsere jungen Europäerinnen und Europäer. Ich bedanke mich bei der Kommission und beim Rat für die sehr konstruktive Zusammenarbeit.

Wir haben in der ersten Lesung 58 Änderungsvorschläge behandelt, die im Wesentlichen in den Entwurf eingearbeitet wurden, und wir gelangen mit diesem Ergebnis der informellen Verhandlungen jetzt zu dem Gemeinsamen Standpunkt, den wir annehmen und auf den wir uns in zweiter Lesung einigen können.

Alle drei Institutionen haben sich sehr bemüht, mit den und für die jungen Menschen, die Hauptzielgruppe der 15- bis 18-Jährigen in der Europäischen Union – vielleicht 170 Millionen Bürgerinnen und Bürger –, eine Lösung zu finden, die Europa für sie erfahrbar macht, die Bürokratie beim Programm abzubauen hilft und benachteiligten Jugendlichen den Zugang zum Programm erleichtern soll.

Wir haben mit dem Programm folgende allgemeine Ziele verfolgt: erstens die Förderung des Bürgersinns. Wir wollen jungen Menschen die bürgerliche Zusammenarbeit erleichtern, aber auch die Möglichkeit bieten, auf europäischer Ebene gemeinsam zu arbeiten, beispielsweise Wahlmüdigkeit zu überwinden und das Interesse an Politik zu wecken.

Zweitens: Wir wollen Solidarität und Toleranz unter jungen Menschen fördern, insbesondere zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in der EU. Neue Lebensentwürfe und Modelle des Zusammenlebens junger Menschen können hier gemeinsam weiterentwickelt werden.

Wir wollen das gegenseitige Verständnis zwischen jungen Menschen fördern und die multikulturelle Vielfalt, die ja unser Reichtum in Europa ist. Wir wollen zudem die Systeme zur Unterstützung von Jugendorganisationen fördern sowie die Organisationen der Zivilgesellschaft im Jugendbereich und den Zusammenhalt im Jugendbereich auch über die europäischen Grenzen hinaus unterstützen. Dafür haben wir ein Budget von 885 Millionen Euro ausgehandelt.

Als Berichterstatterin habe ich vorgeschlagen, Mindestbudgets für die folgenden fünf Aktionslinien vorzulegen: „Jugend für Europa“ – der klassische Jugendaustausch – soll 30 % der Finanzmittel erhalten.

Beim „Europäischen Freiwilligendienst“ geht es darum, in einem anderen Land als dem Wohnsitzland eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Tätigkeit auszuüben, die mindestens zwei bis höchstens zwölf Monate dauern soll. Diese Aktion soll mindestens 23 % der Mittel ausmachen.

„Jugend für die Welt“ ist eine neue Aktionslinie, die im Geiste der Offenheit das Verständnis für andere Völker wecken soll. Das ist sehr wichtig für verschiedene Ebenen. Dafür sollten 6 % der Gesamtmittel eingesetzt werden.

Die „Unterstützungssysteme für die Jugend“ sollten mindestens 15 % bekommen. Hier seien das Europäische Jugendforum und die Vernetzung der Jugendorganisationen und der in diesem Bereich Tätigen genannt, die damit gefördert werden.

Die Unterstützung der europäischen Zusammenarbeit im Jugendbereich soll 4 % der Mittel bekommen. Das wäre insgesamt eine Aufteilung von 76 % der Aktionslinien, was genügend Flexibilität für die Kommission bietet, je nach Bedarf noch weiter aktiv zu werden.

Es ist ein guter Ansatz, sich den Herausforderungen zu stellen. Wir haben Mittel, um die besondere Aktion „Europäische Jugendwoche“ zu fördern. Wir wollen, dass der Pakt für die Europäische Jugend, der vom Rat im Jahr 2005 geschlossen wurde, mit Leben erfüllt wird.

Es kann nicht angehen, dass wir tatenlos zusehen, wenn Unruhen unter Jugendlichen ausbrechen und Jugendliche in der Europäischen Union ohne Arbeit, ohne Perspektiven sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugendlichen eine Perspektive bekommen, und wir wollen, dass die Mitgliedstaaten diese Aktionen sehr intensiv unterstützen. Alleine können wir das Problem nicht lösen.

Deshalb geht mein Appell an die Mitgliedstaaten, sich zu engagieren. Ich empfehle dem Hohen Haus, dem gefundenen Kompromiss zuzustimmen und den Gemeinsamen Standpunkt ohne Änderungen anzunehmen.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wir sind uns nicht sehr oft so einig wie jetzt. Ich möchte denjenigen, die dies ermöglichten, meinen Dank aussprechen, da dieser Konsens nicht automatisch zustande kam. Ich bin sicher, dass er es uns wahrscheinlich möglich macht, das Programm „Jugend in Aktion“ in den nächsten Wochen zu verabschieden, und zwar im uneingeschränkten juristischen Sinne. Besonders danken möchte ich Frau Gröner, der Berichterstatterin für das Programm, sowie dem Ausschuss für Kultur und Bildung, der sich während des gesamten Verfahrens sehr konstruktiv mit den einschlägigen Themen befasst hat. Auch dem Ausschuss und seinem Vorsitzenden, Herrn Sifunakis, gilt mein Dank für ihre Unterstützung.

Durch diesen Konsens und den Fortschritt in der Arbeit wird eine uneingeschränkte Kontinuität des derzeitigen Programms „Jugend“ und des nächsten Programms „Jugend in Aktion“ gewährleistet – es wird also keine Unterbrechung geben. Somit liegt der Fall jetzt ganz anders als vor sieben Jahren, als das Programm „Jugend“ über einen erheblichen Zeitraum von mehreren Monaten ausgesetzt war.

Das neue Programm ist zwar nur eine teilweise, aber doch wichtige Antwort auf die Prioritäten der Union: Bürgerschaft, Wachstum und Frieden. Erstens, was die Bürgerschaft angeht, wird das Programm es den jungen Europäern ermöglichen, zu bestätigen, dass sie hilfsbereite, verantwortungsbewusste, aktive und tolerante Bürger in pluralistischen Gesellschaften sind. Eine wesentliche Aufgabe unserer Gesellschaften besteht doch darin, junge Menschen mehr für die Belange lokaler, nationaler und europäischer Gemeinschaften zu interessieren und sie in deren Leben einzubeziehen und eine aktive Bürgerschaft zu fördern. Darüber hinaus muss jungen Menschen stärker bewusst gemacht werden, dass sie ein Teil Europas sind, und ihnen dabei geholfen werden, einen europäischen Bürgersinn zu entwickeln.

Zweitens ist es ebenso notwendig, auf die Erwartungen junger Menschen zu reagieren, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, ihren Bildungs- und Ausbildungshorizont auf weniger formaler Ebene zu erweitern. Nicht formale Bildungsaktivitäten müssen auf europäischer Ebene gefördert und anerkannt werden, da sie zum Wachstum Europas beitragen. Daher bin ich sehr froh darüber, dass wir dem Freiwilligendienst in Europa mehr Raum geben können.

Zu guter Letzt tragen die Bereitschaft junger Menschen, neue Beziehungen zwischen jungen Europäern und jungen Menschen in der ganzen Welt aufzubauen, ihr Interesse an gegenseitigem Verständnis, ein Geist der Toleranz und Offenheit maßgeblich zum Weltfrieden bei.

Die Fortschritte bei den Verhandlungen über dieses Programm waren von der Einigung über die Finanzielle Vorausschau im Mai abhängig. Nach der Annahme dieses Haushaltsrahmens und der Entscheidung, das Programm „Jugend in Aktion“ mit 885 Millionen Euro zu laufenden Preisen auszustatten, haben die Organe und Einrichtungen bewiesen, dass sie schnell und konstruktiv reagieren können, damit ein neues Programm ohne weitere Verzögerungen angenommen werden kann. Damit haben sie meines Erachtens den jungen Menschen in Europa eine ganz klare Botschaft übermittelt.

 
  
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  Rolf Berend, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Empfehlung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt beinhaltet zahlreiche Änderungsanträge des Parlaments aus erster Lesung.

Die Haushaltsmittel für das Programm „Jugend in Aktion“ belaufen sich – wie Frau Gröner schon sagte – für den Zeitraum 2007-2013 auf 885 Millionen Euro. Grundlage ist die Interinstitutionelle Vereinbarung über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013. Ich möchte trotzdem in Erinnerung rufen, dass im ursprünglichen Vorschlag der Kommission 913 Millionen Euro vorgesehen waren. Das Europäische Parlament hat eine Aufstockung auf 1,1 Milliarden Euro gefordert. Nun sind wir im Gemeinsamen Standpunkt bei 885 Millionen Euro gelandet. Das entspricht zwar nicht unseren Wunschvorstellungen, aber es gibt uns Planungssicherheit für die nächsten Jahre, und es ist gut, dass wir dies heute bzw. morgen so verabschieden können.

Die Hauptzielgruppe für „Jugend in Aktion“ ist die Altersgruppe von 15 bis 28 Jahren. Gewisse Aktionen stehen auch 13jährigen bzw. Personen mit 30 Jahren offen. Meine Fraktion begrüßt, dass wichtige Themen des Gemeinsamen Standpunkts durch die Initiative des Europäischen Parlaments hervorgehoben werden konnten, wie z. B. die Beteiligung junger Menschen am demokratischen Leben, die Förderung grundlegender Werte wie Menschenwürde, Menschenrechte, Toleranz, Nichtdiskriminierung, angemessener Versicherungsschutz der Teilnehmer – ein sehr wichtiger Punkt –, die europäischen Jugendwochen, Seminare und strukturierten Dialoge zwischen jungen Menschen, die Austauschmaßnahmen für Jugendliche in Europa und den Nachbarländern und nicht zuletzt auch die finanzielle Unterstützung des Europäischen Jugendforums mit 2 Millionen Euro.

Ich möchte mit einem Dank an Frau Gröner sagen, dass wir hoffen, dass der Gemeinsame Standpunkt des Rates ohne Änderung morgen im Parlament auf große Zustimmung trifft.

 
  
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  Christa Prets, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten der Debatten um die demographische Herausforderung des 21. Jahrhunderts, der Jugendkrawalle in Frankreich und eines zunehmenden Trends zu nationalistischen Parteien ist es enorm wichtig, die Jugend mit einzubinden, um auf ein Verständnis für andere Denkweisen und Kulturen hinzuarbeiten und damit die Grundlagen zu schaffen, dass die Solidarität innerhalb Europas gestärkt wird.

Gerade für Jugendliche, die nicht innerhalb einer formalen Ausbildung über Programme wie Erasmus, Comenius oder Leonardo mobil werden oder mobil werden können, soll es eine Chance geben, wertvolle Erfahrungen des interkulturellen Dialogs zu machen. Die informelle Bildung muss dabei viel mehr an Anerkennung und Bedeutung gewinnen. Ich bin davon überzeugt, dass der Schwerpunkt des Programms richtig gesetzt wurde, nämlich auf die Aktion „Jugend für Europa“, die sich für den Jugendaustausch und die Jugendinitiativen einsetzt. Wir sollten auch das Europäische Jugendforum einladen, seine Arbeit regelmäßig in den Ausschüssen vorzustellen, so dass alle Mitglieder von der wertvollen Arbeit erfahren und profitieren können.

Bei verschiedenen Diskussionen mit Jugendorganisationen wurden die verschiedensten Probleme angesprochen, so zum Beispiel auch die unterschiedlichen Modalitäten der Visavergabe und die mangelnde Reflexion über diese Unterschiede. Ich bitte Sie, die Jugend hier mehr einzubinden.

 
  
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  Jolanta Dičkutė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte den Bericht Gröner sowie den Gemeinsamen Standpunkt, auf den wir uns einigen konnten, begrüßen. Ich freue mich, dass junge Menschen in den an die Europäische Union angrenzenden Ländern – Russland, Belarus, der Ukraine und den Ländern des nördlichen Kaukasus – schon nächstes Jahr Gelegenheit haben werden, vom neuen Programm zu profitieren.

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wirkt sich auf viele Aspekte des Lebens in den Mitgliedstaaten positiv aus. Junge Menschen mit ihren jetzigen und künftigen Problemen und Herausforderungen bilden da keine Ausnahme. Die 75 Millionen jungen Menschen, die in der Europäischen Union leben, haben in vielerlei Hinsicht Glück. Sie genießen Freizügigkeit, haben die Möglichkeit, in verschiedenen Ländern der Europäischen Union zu lernen und zu arbeiten, ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, am interkulturellen Austausch teilzunehmen usw. Diese Vorteile bilden jedoch gleichzeitig die Herausforderungen und Aufgaben, denen sich die alternde Bevölkerung im heutigen Europa gegenüber sieht und die von ihr gelöst werden müssen. Ich verweise nicht zufällig auf die Überalterung von Europa; ich will damit betonen, dass wir uns der Bedeutung der jungen Menschen bewusst sein müssen und sie nicht unterschätzen dürfen. Wir müssen alles tun, um sie in die Politik und die Entwicklungsprozesse der Europäischen Union aktiv einzubeziehen.

Die Umsetzung der Ziele der Lissabon-Strategie wird als Faktor von großer Bedeutung für junge Menschen überbetont; dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass junge Menschen selbst eine sehr wichtige Rolle bei der Umsetzung dieser Ziele spielen. Die Investition in junge Menschen ist für die Beschleunigung der Entwicklung und den Abbau der Arbeitslosigkeit in Europa von entscheidender Bedeutung. Sehr wichtig ist natürlich auch, dass die Mitgliedstaaten selbst die Empfehlungen des Rates entsprechend unterstützen und konkrete Maßnahmen ergreifen. Wir kennen viele Beispiele für gute Programme, von denen jedoch viele nicht vollständig durchgeführt wurden. Das erfordert einen engeren Dialog und mehr Zusammenarbeit zwischen jungen Menschen und Politikern sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene. Wir müssen in jungen Menschen eine Quelle der positiven Energie und keine Belastung sehen.

Unser Ziel ist es, das Vertrauen der jungen Menschen in die Ziele dieser bedeutenden europäischen Institution und der Mitgliedstaaten zu stärken, um sämtliche Zweifel daran, worin die erklärte Rolle der jungen Menschen in Bezug auf Wachstum, Entwicklung und Stabilität der Europäischen Union besteht, auszuräumen.

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Zuerst möchte ich Lissy Gröner meinen Dank für ihre Arbeit an diesem Bericht aussprechen. Wir sind alle davon überzeugt, dass Europa eine Chance sein soll für junge Menschen, dass diese jungen Menschen sich in Europa frei bewegen können, ihren Horizont erweitern, mehrere Sprachen lernen, ihre Ausbildung verbessern, ihre Bildung fördern und insgesamt verantwortliche und verantwortungsbewusste Menschen in der offenen europäischen Gesellschaft werden sollen.

Aber natürlich geht es auch darum, gerade bei jungen Menschen Akzeptanz für Europa zu schaffen. Wir müssen uns bewusst machen, dass es gerade die jungen Menschen sind, die Europa aufbauen und in Zukunft auch weiterentwickeln sollen, d. h. es geht vor allem darum, dass sie selbst herausfinden, was ihre Ziele für die Zukunft Europas sind.

Ohne andere Politikbereiche wird diese Aufgabe, die Chancen für junge Menschen zu verbessern, nicht gelingen. Die Wirtschaftspolitik ist hier ganz zentral, ebenso die Bildungs- und Sozialpolitik und natürlich auch die Fragen der Lissabon-Strategie, wie sie soeben erwähnt wurden. Ich wünsche mir sehr, dass wir diesen Politikbereich wertschätzen und nicht vernachlässigen, denn an den jungen Menschen hängt die Zukunft Europas.

 
  
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  Ljudmila Novak (PPE-DE).(SL) Der Bericht „Jugend in Aktion“ ist von großer Bedeutung für die Stärkung des europäischen Bewusstseins und des europäischen Bürgersinns bei jungen Leuten. Wir alle wissen, dass unsere Bürger sich bisweilen schwer damit tun, sich mit der europäischen Dimension zu identifizieren, und dass die europäischen Institutionen im fernen Brüssel ihnen eher unnahbar erscheinen.

Durch diesen Bericht haben wir Wege erdacht, um die europäische Bürgerschaft greifbarer zu machen, indem Solidarität, Initiative und Kreativität gefördert werden. Da junge Menschen äußerst aufnahmebereit für neue Ideen sind, haben wir uns auf junge Leute von 13 bis 30 Jahren konzentriert. Junge Leute übernehmen immer mehr verantwortungsvolle Positionen in der Politik, und es ist richtig, dass wir für sie die Werkzeuge und Bedingungen sichern sollten, die ihre Aufmerksamkeit auch auf Europas gemeinsame Ziele lenken werden.

Von den fünf in diesem Programm geplanten Aktionen möchte ich die zweite hervorheben: den Europäischen Freiwilligendienst. Freiwilligenarbeit ist von großer Bedeutung für die Entwicklung und die Zukunft der Gesellschaft. Sie trägt zur Entwicklung bestehender Systeme, des Zusammenhalts, des sozialen Fortschritts und zu anderen Entwicklungen in der Gesellschaft bei und muss daher gefördert werden und angemessene Beachtung erhalten. Junge Menschen, die sich in diesem Bereich aktiv betätigen, sind damit ein leuchtendes Vorbild, insbesondere für eine Verbrauchergesellschaft, die viel zu sehr mit Geld und persönlicher Erfüllung beschäftigt ist und sich zu wenig mit den Menschen um uns herum befasst, deren Leben mit ein klein wenig Mühe erheblich verbessert werden könnte.

Politik ist gleichfalls eine Art von Freiwilligenarbeit, zumindest wenn man damit beginnt. Als die meisten von uns jung waren, war Freiwilligenarbeit der schnellste Weg in die Politik. Ich unterstütze diesen Bericht und hoffe, dass junge Menschen in der Lage sein werden, so viel wie möglich davon zu profitieren, nach den in diesem Bericht enthaltenen Idealen und ihrer Erfüllung zu streben, um ihres persönlichen Wachstums und des Nutzens für die Gesellschaft willen.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich unserer Berichterstatterin, Frau Gröner, für ihre hervorragende Arbeit an diesem Bericht danken. Wir sind uns sicher alle einig, dass die jungen Menschen für die Gestaltung der Zukunft Europas unerlässlich sind. Meiner Ansicht nach sollten wir nicht vorrangig darüber diskutieren, ob junge Menschen mithilfe von EU-Programmen unterstützt werden sollten. Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass Programme für junge Menschen und Studenten die beste Möglichkeit sind, im Rahmen von Maßnahmen der EU eine echte Integration auf der Bürgerebene zu erreichen. Dennoch möchte ich ein paar Punkte zur Sprache bringen.

Erstens scheint der dem Programm zugeteilte Etat noch immer nicht ausreichend zu sein. Ich weiß, wie sehr der Kommissar daran gearbeitet hat, hoffe jedoch immer noch, dass der endgültige Etat in den kommenden Jahren höhere Beträge aufweist.

Zweitens bin ich sehr dafür, das Mindestalter auf 13 Jahre zu senken. Wenn man in jungen Jahren Chancen erhält, ergreift man in späteren Jahren eher die Initiative. Ich denke nicht, dass 13-Jährige zu jung für die Teilnahme an „Jugend in Aktion“ sind.

Was auch noch zur Optimierung des Programms beitragen würde, wäre die Erweiterung der Liste von Ländern, mit denen die Jugendorganisationen zusammenarbeiten können, um möglichst viele Länder. Länder wie China und Russland spielen in der Weltpolitik und Weltwirtschaft eine maßgebliche Rolle. Es kann nur von Vorteil sein, zu diesen Ländern frühzeitig enge Beziehungen zu knüpfen.

Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die Bedeutung der größeren Mobilität. Ein entscheidender Schritt wäre die Vereinfachung der derzeitigen Visabestimmungen in Ländern, die nicht dem Schengener Abkommen angehören. Viel zu oft müssen Austauschprogramme für Studenten oder Programme, bei denen die Teilnehmer im Ausland arbeiten, und Reisen von Schulklassen ausfallen, weil sich die Visabeschaffung als zu schwierig erweist. Manchmal verhindern die komplizierten Verfahren und hohen Kosten sogar den Beginn eines Projekts. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, fordere ich eine in allen EU-Ländern einheitliche Dokumentation für die Visabeschaffung. Wir sollten auch versuchen, die Kampagne „Get Visible“ zu fördern, die einen gesonderten Visatyp für NRO-Vertreter empfiehlt. Dadurch hätten junge Menschen erheblich mehr Möglichkeiten, an Programmen, die auf freiwilliger Arbeit basieren, an Austauschprogrammen und an der Arbeit von Jugendorganisationen teilzunehmen.

Das Programm „Jugend in Aktion“ endet im Jahr 2013. Es wäre kurzsichtig von mir, zu behaupten, dass diese Zeitspanne ausreicht. Es ist aber ein guter Anfang. Herr Kommissar, ich danke Ihnen aufrichtig für die harte Arbeit, die Sie zu diesem Thema geleistet haben.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (SK) Ich möchte allen danken, die zu der Debatte beigetragen haben, die, in etwas anderer Weise, in späteren Phasen fortgesetzt werden wird, insbesondere wenn es um die Implementierung des Programms geht. Ich denke, der Konsens ist offensichtlich. Ich möchte hier nicht lange sprechen oder antworten, aber ich halte es für sehr wichtig, dass die Intensität und das Maß an Zusammenarbeit und Engagement in Bezug auf junge Leute in der EU wächst, nicht nur aufgrund demographischer Aspekte, sondern auch in Reaktion auf die allgemeinen Perspektiven für die europäische Zusammenarbeit, Solidarität und Integration.

Der Europäische Pakt für die Jugend wurde vor kurzem angenommen, einige Jahre nach dem Weißbuch. Wir haben jetzt eine Gelegenheit, ein neues Programm für junge Leute zu initiieren, das Verbesserungen bewirken würde, sowohl bezüglich der Quantität als auch der Qualität. Dies ist sehr bedeutsam, denn unter anderem wurde die Altersgruppe erweitert und der Haushalt bedeutend aufgestockt.

Natürlich haben wir mehr vorgeschlagen, aber dieses Thema sollte auch hinsichtlich der Grenzen und des Spielraums der Finanziellen Vorausschau betrachtet werden. Darüber hinaus bieten das Programm für lebenslanges Lernen und das Programm für Bürgerschaft oder bürgerliche Zusammenarbeit in Verbindung mit einigen externen Programmen und Aktionen der Gemeinschaft deutlich wachsende Möglichkeiten für junge Menschen. Ich war beispielsweise in Kanada, um ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Kanada auszuarbeiten, das nicht nur eine universitäre Zusammenarbeit abdecken wird, sondern auch den Jugendbereich.

Die Zahl dieser spezifischen Formen der Zusammenarbeit mit Partnerländern im Jugendbereich nimmt immer mehr zu. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie Früchte tragen werden.

Drittens ist es sehr wichtig, Politiken für junge Menschen nicht nur zu formulieren, sondern zusammen mit ihnen umzusetzen, da dies im Hinblick auf die Zivilgesellschaft im gemeinsamen Europa der Zukunft effektiver, erfolgreicher und durchdachter sein wird.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.

Anlage – Erklärung der Kommission

Die Kommission möchte die Aufmerksamkeit des Legislativorgans auf die Notwendigkeit lenken, dass der im Basisakt genannte Finanzrahmen spätestens bei der endgültigen Veröffentlichung im Amtsblatt in laufenden Preisen ausgedrückt werden muss. Das entspricht der üblichen Haushaltspraxis und ermöglicht, dass die Entscheidung der Legislativbehörde in voller Transparenz respektiert wird. Für das Programm „Jugend in Aktion“ beläuft sich der Betrag in laufenden Preisen auf 885 Millionen Euro.

 

18. Integriertes Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Kultur und Bildung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens (06237/3/2006 – C6-0274/2006 – 2004/0153(COD)) (Berichterstatterin: Doris Pack) (A6-0344/2006).

 
  
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  Doris Pack (PPE-DE), Berichterstatterin. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Das neue Programm „Lebenslanges Lernen“ sollte eine adäquate Antwort auf die aktuellen Notwendigkeiten im Rahmen des Lissabon-Prozesses sein. Bildung – so sagen wir immer, so sagen alle – ist das A und O der gemeinsamen Anstrengung unserer Länder, im Globalisierungswettbewerb an herausragender Stelle zu stehen.

Leider hat die Kürzung des Gesamtbudgets durch den Rat auch zu Kürzungen bei diesem Mehrjahresprogramm geführt. Der Kommissar ist unschuldig an den Kürzungen. Er hat mit uns für mehr gestritten. Leider haben die Länder das nicht gewollt. Wir hatten am Ende 14,37 Milliarden Euro für sieben Jahre vorgesehen, nach unseren Verhandlungen werden uns in der Finanziellen Vorausschau noch genau 6,97 Milliarden Euro zugestanden. Ich danke dennoch allen Kollegen, dass wir gemeinsam erfolgreich für eine zusätzliche Erhöhung der ursprünglich in der Finanziellen Vorausschau für dieses Programm vorgesehenen Mittel um 800 Millionen Euro gekämpft haben.

So viel zu den hehren Zielen und der harten Landung auf der Erde.

Das Programm „Lebenslanges Lernen“ baut auf den beiden Programmen Sokrates und Leonardo auf, es entwickelt sie weiter und schafft Synergieeffekte. Wir haben aus den letzten Programmen gelernt, und unsere jeweiligen nationalen Agenturen haben die Probleme, die sie mit den Programmen hatten, an uns herangetragen, und sie wurden eigentlich alle berücksichtigt. Das Programm „Lebenslanges Lernen“ umfasst das Schulprogramm Comenius, das Hochschulprogramm Erasmus, das Berufsbildungsprogramm Leonardo, die Erwachsenenbildung Grundvigh, die Jean-Monnet-Aktivitäten zur Förderung der europäischen Integration und transversale Maßnahmen.

Da das Programm Comenius meines Erachtens die Basis für alle weiteren Bildungsprogramme darstellt, habe ich darauf gedrungen, hier mehr Mittel als ursprünglich von der Kommission vorgesehen einzusetzen. Außerdem habe ich Wert auf eine verstärkte Zusammenarbeit in den Grenzregionen durch ein neues „Comenius Regio“ gelegt. Einen neuen Akzent setzt das Programm auch auf die Schülermobilität in der Sekundarstufe 1. Ein Schuljahr in einer anderen Schule in der EU – das ist eine unschätzbare Erfahrung! Die Anforderungen von Wanderarbeitnehmerkindern an die Schule haben wir ebenfalls darin berücksichtigt.

Im Programm Leonardo werden die Mobilität der Arbeitnehmer sowie Partnerschaften, wie sie bisher nur bei Erasmus möglich waren, verstärkt gefördert. Beim Hochschulprogramm Erasmus werden die Stipendien auf 200 Euro pro Monat aufgestockt, da die bisherige Förderung zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig war. Unseren ursprünglichen Vorschlag von 300 Euro konnten wir nicht aufrechterhalten, da dann die Zahl der TeilnehmerInnen drastisch hätte reduziert werden müssen. Erasmus umfasst ebenfalls vorbereitende Sprachkurse und Mobilitätshilfen.

Das Grundvigh-Programm wurde finanziell besser ausgestattet als bisher, und es sind neuerdings auch individuelle Austauschaktionen im Rahmen dieses Programms möglich. Das Programm ist als Antwort auf die augenblickliche Arbeitsmarktlage und auf die Demographie gedacht.

Das Parlament hat neben dem Europa-Kolleg in Brügge, dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, dem Institut für öffentliche Verwaltung in Maastricht und der Europäischen Rechtsakademie in Trier noch zwei weitere Institutionen für eine Sonderförderung vorgesehen: die Europäische Agentur für Entwicklung in der sonderpädagogischen Förderung in Middelfart und das Centre Internationale de la Formation Européenne in Nizza.

Ich begrüße es außerordentlich, dass die Teilnahme an diesen Programmen wie bisher schon zusätzlich allen Mitgliedern des EWR sowie der Schweiz und der Türkei offensteht und dass die westlichen Balkanstaaten neuerdings eingeladen werden, sich daran zu beteiligen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unterstreichen: Es wird jetzt allerhöchste Zeit, dass die Visa-Erleichterungen für Südosteuropa endlich Gestalt annehmen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, das Programm „Lebenslanges Lernen“ wird zur Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungsprogramme in der EU beitragen, es wird die Mobilität stärken, Partnerschaften und interregionale Zusammenarbeit stützen, den Austausch von bewährten Verfahren organisieren und das Sprachenlernen fördern. Dieses Programm hilft, die Europäische Union besser zu verstehen, das Zusammenleben in der Union zu erleichtern und interkulturellen Dialog und Toleranz zu üben. Eigentlich ist es die beste Kommunikationsstrategie in der EU.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Wie unsere deutschen Freunde sagen: Bildung ist mehr. Mit ihr erschließen sich im Leben viel mehr Möglichkeiten als ohne sie, und sie befähigt Menschen und Gesellschaften, eine wirtschaftlich, sozial, kulturell und politisch bessere Zukunft anzustreben. Deshalb bin ich überzeugt, dass ein integriertes Programm für lebenslanges Lernen in quantitativer und qualitativer Hinsicht viele neue Chancen bieten könnte, denn wenn wir es in Verbindung mit all dem betrachten, was wir in Europa insgesamt tun, dann ist es viel mehr als nur ein Programm. Wir einigen uns in diesem Moment darauf, bis Ende des Jahres die Strategien für das lebenslange Lernen in den Mitgliedstaaten festzulegen.

Wir haben ein Programm, das ab Januar 2007 läuft, und wir haben einen Richtwert für unsere Zusammenarbeit, um die Beteiligung Erwachsener an den Systemen des lebenslangen Lernens in den Mitgliedstaaten zu erhöhen. Wie Frau Pack sagte, ist lebenslanges Lernen kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit; ich bin sicher, dass die Menschen mit seiner Hilfe Erfahrungen machen, die ihr Leben bereichern und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Durch das Lernen können Einrichtungen in ganz Europa einander Wissen übermitteln, innovativ sein, Verbesserungen einführen und modernisieren. Es erhöht die Transparenz der Systeme der Mitgliedstaaten, denn wenn die Zusammenarbeit offen stattfindet, dann sehen wir, wie die Systeme sich bewegen und immer kompatibler werden. Kurzum: Wir haben hier ein wertvolles europäisches Instrument, das unseren Bürgern unmittelbar zu Diensten steht.

Mit dem neuen Programm werden sich mehr Möglichkeiten und, da bin ich sicher, sogar noch mehr Vorteile ergeben. Daher freut es mich sehr, dass sich Parlament, Rat und Kommission fast unmittelbar nach der endgültigen Festlegung des Finanzrahmens Anfang dieses Jahres auf den Wortlaut des Beschlusses zum Programm einigen konnten. Ich weiß, es war nicht leicht, doch wenn das Parlament das Programm ohne Änderungen annimmt, wie Ihre Berichterstatterin vorschlägt, dann kann es ab Januar 2007 fristgerecht umgesetzt werden.

In Anbetracht des Umfangs des Programms ist dies eine große Leistung. Wenn wir das letzte Programm mit dem jetzigen umfangreichen Programm vergleichen, können wir sehen, wie hart daran gearbeitet wurde. Ich möchte besonders Frau Pack, der Berichterstatterin, für ihr enormes Fachwissen und ihren Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet danken, die eine so rasche Einigung in der zweiten Lesung ermöglichten.

Was den Text selbst angeht, so stimmt die Kommission voll und ganz zu, dass er nicht geändert werden sollte. Die Mittelausstattung wird für sieben Jahre knapp 7 Milliarden Euro zu laufenden Preisen betragen. Aber wir sollten sie auch in einem allgemeineren Zusammenhang betrachten, wo die Möglichkeiten zunehmen. Ich möchte keine Einzelheiten nennen, aber ich halte des Öfteren Minister an, sich die Strukturfonds anzusehen, um herauszufinden, wie sie der Mobilität von Schülern und Studenten dienen könnten und wie andere Programme, z. B. Erasmus Mundus, ebenfalls dazu beitragen könnten, einen attraktiveren europäischen Bildungsraum zu schaffen.

Unsere Dienststellen arbeiten auf Hochtouren an der Fertigstellung der Durchführungsmodalitäten, damit wir die erste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen noch vor Jahresende veröffentlichen können und gewährleisten können, dass das Programm einfacher und für die Nutzer zugänglicher wird. Vielen Dank dafür, dass sie es uns ermöglichen, dass wir jetzt schon so weit sind.

 
  
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  Ivo Belet, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Selbstverständlich ist es begrüßenswert, dass wir für diese wichtigen Bildungsprogramme grünes Licht geben können, denn Bildung ist mehr, wie Sie sehr richtig sagten.

Trotzdem habe ich wie die Berichterstatterin gemischte Gefühle. Wie auch Frau Pack vertrete ich den Standpunkt, dass die Mitgliedstaaten bei diesen Programmen nie hätten kürzen dürfen, auf jeden Fall nicht so drastisch, wie es derzeit geschieht. Diese Programme können uns helfen, die jungen Menschen zu europäischen Bürgern, den Europäern der Zukunft, zu formen. Warum nur haben wir bei diesen Programmen derart einschneidende Kürzungen vorgenommen? Das ist überaus kurzsichtig und auf jeden Fall eine vertane Chance für die Zukunft der EU. Meines Erachtens haben die Mitgliedstaaten perfekt veranschaulicht, wie man sich ins eigene Fleisch schneiden kann.

Der Kommissar wird mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass jeder Erasmus-Student, jeder Comenius-Student – und ich habe im Laufe der Jahre eine Vielzahl getroffen – , jeder Student eine Erfahrung macht, die ihn für den Rest seines Lebens prägt. Sie weitet seinen Horizont, verbessert seine Chancen auf Arbeit, bringt ihn mit anderen in Kontakt, er erlebt Vielfalt und lernt, damit umzugehen. Auf diese Weise tragen diese Programme auch zu Toleranz und – das liegt auf der Hand – zur europäischen Bürgerschaft bei.

Im Grunde hätte das Parlament diesen begrenzten Haushalt ablehnen sollen, aber das ist natürlich etwas anderes. Nicht zuletzt aus sozialen Gründen hätte es so verfahren sollen, denn ziemlich vielen Studenten, die aus sozial schwächeren Kreisen und Familien stammen, wird es jetzt schwerer fallen, an Erasmus teilzunehmen. Aber wie bereits erwähnt, hat es keinen Sinn, Vergangenes zu bereuen. Dazu ist es zu spät. Nunmehr müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen und das Beste aus dem machen, was wir haben.

Ich denke, die Schulen sind kreativ genug, zusätzliche Einnahmequellen zur Finanzierung dieser Programme zu suchen und zu finden. Möglicherweise kann die Wirtschaft, vielleicht mit Unterstützung seitens der Europäischen Union oder nationaler Behörden, behilflich sein. Weshalb sollten Unternehmen keine Austauschprojekte fördern? Eine Betriebsstätte in meiner Nähe – Ford – könnte beispielsweise Schüler oder Studenten im letzten Schul- oder Studienjahr zu einem Besuch ihrer Schwesterfirmen in anderen Ländern jenseits der Grenze einladen. Das ist nur so ein Gedanke, aber vielleicht bestehen da Möglichkeiten.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir den Austausch von Studenten und Schulen bestmöglich fördern. Ich möchte bereits in diesem frühen Stadium der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Rat und die Mitgliedstaaten beim nächsten Mehrjahresprogramm zu der Erkenntnis gelangen, dass man bei solchen Programmen nicht ungestraft den Rotstift ansetzt. Und Ihnen, Herr Kommissar, wünsche ich bei Ihren Anstrengungen zur Durchführung des nächsten Programms 2007-2013 viel Erfolg.

 
  
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  Christa Prets, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich freue mich, dass wir hier heute einen Kulturtag feiern können, denn fünf wirklich große Programme stehen zur Debatte und auch zur Abstimmung. Das kommt hier im Hause nicht sehr oft vor. Es zeigt aber gleichzeitig, wie wichtig und notwendig es ist, derartige Programme auf den Weg zu bringen.

Für alle fünf Programme – Bildung, Jugend, Kultur, Medien und aktive Bürgerschaft – zusammen steht uns knapp 1 % des gesamten Budgets für den Europäischen Haushalt 2007 bis 2013 zur Verfügung. Das relativiert wieder alles und ernüchtert uns auch ein bisschen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir für diese ambitionierten Programme sicherlich mehr finanzielle Unterstützung gebraucht hätten. Wie schon erwähnt – wir hatten uns alle mehr vorgenommen. Es waren die Länder, die hier blockiert haben.

Generell glaube ich aber doch, dass das Programm „Lebenslanges Lernen“ richtige Ansätze zeigt: Vereinfachung, Pauschalbeträge, mehr Dezentralisierung. Das entspricht unseren Forderungen. Der Aufwand muss im Verhältnis zur finanziellen Unterstützung stehen. Ziel wäre es natürlich gewesen, hier auch die anderen EU-Förderprogramme horizontal einzubauen. Ich möchte aber auch an die Kommission appellieren, dass sie die Vereinfachung auch an die Nationalagenturen und an die Antragsteller weitergibt. Die Umstrukturierung der Nationalagenturen ist im Gange und wird sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sie braucht aber auch einen Dialog und die Unterstützung der Kommission. Wir selbst sollten ebenfalls verstärkt in einen Dialog treten, denn es gibt noch einige Probleme zu bewältigen.

Es ist zu hoffen, dass der steigende Trend zur Mobilität anhält. Wir haben uns ja zum Ziel gesetzt, bis 2012 drei Millionen Studenten auf den Weg zu bringen. Dazu müssen wir uns noch enorm anstrengen und viele Verbesserungen einfordern. Auch ist es notwendig, die Qualität der Schulsysteme zu analysieren und deren Sicherung nicht nur von der EU einzufordern, sondern auch von den Mitgliedstaaten selbst.

 
  
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  Jolanta Dičkutė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte zunächst Frau Pack für einen ausgezeichneten Bericht danken. Das lebenslange Lernen bildet einen festen Bestandteil jeder modernen und sich entwickelnden Gesellschaft, beruht doch das Wohlergehen einer Nation auf der Bildung, den Erfahrungen und Qualifikationen, die ihre Bevölkerung erwirbt. In vielen Fällen bestimmt das Bildungsniveau einer Person ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen, ist Quelle des Einkommens und sorgt für bessere Chancen in Bezug auf die Teilnahme dieser Person am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben.

Derzeit gewinnen Erwachsenenbildung sowie die berufliche Bildung und Entwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung in Litauen ebenso wie in der Europäischen Union insgesamt ständig an Bedeutung, auch wenn dies noch nicht überall die Norm ist. Den Angaben für 2004 zufolge liegt jedoch leider unser Land in Bezug auf die Fortbildung der Bürger in der Altersgruppe der 24- bis 65-Jährigen mit 28 % weit hinter dem EU-Durchschnitt von 42 % zurück. Viele Bürger unseres Landes teilen die Meinung, dass ständig wachsende Arbeitsmarkterfordernisse und bessere Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und der Verbesserung der Lebensverhältnisse die Hauptmotivation für kontinuierliches Lernen sind. Doch für die Hälfte unserer Bürger ist ihr Alter zu einer Barriere geworden, denn sie glauben, dass sie zu alt zum Lernen sind. In Litauen ist die negative Haltung gegenüber dem Wissenserwerb älterer Menschen noch immer verwurzelt. In einigen Fällen findet sogar eine Diskriminierung bestimmter sozialer Gruppen statt.

Die Einstellung, dass nur ein kompetenter Mitarbeiter gute Ergebnisse erzielen, zum Wettbewerbsvorteil des Unternehmens beitragen und vor allem sein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein entwickeln kann, setzt sich bereits immer mehr durch. Es sind allerdings vor allem öffentliche Einrichtungen und weniger Privatunternehmen, die der Bildung ihrer Mitarbeiter die meiste Aufmerksamkeit schenken. Das ist ein enormes Problem, da Privatbetriebe fast 70 % aller Arbeitnehmer beschäftigen. Immer neue Technologien und die Herausforderungen des Wettbewerbs erfordern qualifizierte Arbeitnehmer, wobei die Qualifizierung ein kontinuierlicher Prozess sein muss.

Folglich entwickelt sich die Finanzierung zu einem äußerst wichtigen Problem. Meines Erachtens werden dieses Programm und die Hilfe aus den Europäischen Strukturfonds zum Abbau der zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede sowie zur Umsetzung der Strategie für ein lebenslanges Lernen beitragen.

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Auch jetzt gilt mein Dank als Erstes Frau Pack für ihre exzellente Arbeit an diesem Bericht. Es ist schon erwähnt worden, dass sie eine der ganz erfahrenen Bildungspolitikerinnen in diesem Hause ist. Das hat sich auch bei den Schwerpunkten und Akzentsetzungen, die sie diesem Bericht hinzugefügt hat, gezeigt.

Europa ist in der Tat ein rohstoffarmer Kontinent. Umso wichtiger ist es, dass wir das Potenzial unserer Menschen entwickeln. Es ist ungeheuer, welchen Aufschwung beispielsweise China und Indien nehmen und wie viele Absolventen sie jedes Jahr produzieren. Wenn Europa in der globalen Ökonomie weiterhin eine Chance haben will, müssen wir mehr für Bildung, Forschung und Entwicklung tun. Der europäische Haushalt ist aus meiner Sicht eigentlich nicht zukunftsgerichtet. Wir investieren nach wie vor zu viel in die klassische Landwirtschaftspolitik und zu wenig in Bildung, Entwicklung und Forschung.

Meine Vorrednerinnen haben schon beklagt, dass wir für diesen Bereich insgesamt im Haushalt zu wenig ausgeben, wenn es nur 1 % in den nächsten sieben Jahren ist. Ich bin darüber sehr enttäuscht. Ich hätte mir wirklich mehr gewünscht. Unser Ziel sollte es sein, jedem Studenten und jeder Studentin in Europa zu ermöglichen, am Erasmus-Programm teilzunehmen. Das ist die große Chance für junge Menschen. Es bedeutet wirkliche Europäisierung, die Erfahrung zu machen, in den verschiedenen Mitgliedstaaten studieren zu können. Von dem, was man dort lernt, profitiert man sein ganzes Leben und trägt das natürlich auch in seinen Freundes- und Bekanntenkreis sowie in seine Arbeitswelt weiter. Darum sind das individuell, aber auch gesellschaftspolitisch sehr wertvolle Erfahrungen. Dass es jetzt 200 Euro sind, ist zwar besser als 150, aber es ist eigentlich nicht das, was man bei einer offensiven Bildungspolitik bräuchte.

Richtig finde ich allerdings, was Frau Pack gesagt hat, dass man bei den Kleinen anfangen und bei ihnen mehr investieren muss. Das zeigen alle Studien. Darum ist es richtig, innerhalb von lifelong learning mehr für Comenius auszugeben.

 
  
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  Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich begrüße den vielschichtigen Ansatz, den Frau Pack für diesen Bericht gewählt hat, ganz herzlich. Ich möchte einige wenige Aspekte dieser Problematik hervorheben.

Eine der Gefahren der modernen Welt besteht darin, dass sich die Menschen nicht dynamisch anpassen können, weil die Bildung zu einseitig ausgerichtet und übermäßig spezialisiert ist. Sie vermittelt den Menschen eine beschränkte Sicht auf die Welt und hindert sie daran, ihr Potenzial auf dem Arbeitsmarkt auszuschöpfen. Die Welt hat sich drastisch verändert, und die traditionelle Vorstellung, dass man eine einzige Ausbildung absolviert, die einem eine Langzeitbeschäftigung und kontinuierliche Karriere bis zur Rente garantiert, gilt heute nicht mehr. Die Menschen müssen in der Lage sein, rasch auf ihr sich veränderndes Umfeld zu reagieren, und einzelne europäische Bildungsprogramme sollten ihnen dabei helfen.

Das lebenslange Lernen ermöglicht den Menschen, mit der Entwicklung von Wissenschaft und Technologie Schritt zu halten, und erleichtert ihnen das Verständnis der Welt im Allgemeinen. Bei der Entwicklung von Bildungsprogrammen muss außerdem dafür gesorgt werden, dass lebenslanges Lernen kein Luxus für einige Auserwählte ist, sondern dass alle Schichten der Gesellschaft unabhängig von ihrem sozialen Status oder vom Geschlecht Zugang zum lebenslangen Lernen haben.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Zweck dieses Beschlusses ist die Auflegung eines integrierten Aktionsprogramms im Bereich des lebenslangen Lernens durch das Parlament und den Rat, das im Zeitraum 2007 bis 2013 umgesetzt werden soll. Das Programm zielt u. a. ab auf die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit zwischen Hochschuleinrichtungen und Schulen sowie die Förderung der Mobilität von Studenten, Mitarbeitern, Schülern und Lehrern. Das Programm setzt sich aus den folgenden vier sektoralen Programmen zusammen: Comenius für Schulen, Erasmus für die Hochschulbildung, Leonardo da Vinci für die berufliche Bildung und Grundtvig für die Erwachsenenbildung.

Das ursprünglich für das Programm vorgesehene Budget wurde gekürzt. Das hatte Einschnitte bei den quantitativen Zielen der einzelnen Programmkomponenten wie auch des prozentualen Anteils der Ressourcen zur Folge. Da jetzt weniger Mittel zur Verfügung stehen, können viele der ursprünglich geplanten Maßnahmen nun nicht mehr durchgeführt werden. Dazu zählen die Förderung der kurz- und langfristigen Mobilität von Lehrern im Rahmen von Erasmus sowie Studienreisen und innovative und experimentelle Projekte im Rahmen des sektorübergreifenden Programms. Gemäß den Bestimmungen der neuen Finanziellen Vorausschau für 2007 bis 2013 wurde die Mittelausstattung für die Durchführung des Programms im Bereich des lebenslangen Lernens fast halbiert. Die ursprünglich vorgesehenen 13,62 Milliarden Euro wurden auf 7,171 Milliarden Euro zusammengestrichen. Durch die Kürzung des Programmbudgets werden weniger Zuschüsse für entsprechende Vorhaben zur Verfügung stehen, und es wird für ärmere Studenten weniger Möglichkeiten geben, um an ausländischen Einrichtungen zu studieren.

Abschließend möchte ich Frau Pack für all ihre Arbeit sehr herzlich danken.

 
  
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  Andrzej Tomasz Zapałowski, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Das Programm für lebenslanges Lernen ist ein ausgezeichnetes Unterfangen, und die darin verankerten Ziele sind von großer Relevanz. Anliegen des Programms ist die Umsetzung der gemeinsamen Sozialpolitik, einer der Säulen der Union. Doch wie ähnliche ausgezeichnete Vorhaben ist auch dieses Programm Opfer von Kürzungen geworden.

Das Programm sieht u. a. vor, den Beitrag des Lernens zum sozialen Zusammenhalt zu fördern, was zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen in unserer Gemeinschaft beitragen sollte. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie kann das erreicht werden, wenn die neuen Mitgliedstaaten noch immer an die Übergangsfristen für den Zugang zum Arbeitsmarkt gebunden sind und man sie damit an einem gleichberechtigten Zugang zu Wissen und Technologie hindert? Ein weiteres Hauptziel wird ebenfalls unterminiert, und zwar das Ziel der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, Mobilität und Innovation auf dem genannten Markt. Wie kann von derartigen Werten die Rede sein, wenn es an der gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen mangelt und die Betroffenen gleich zu Beginn ihres beruflichen Werdegangs benachteiligt werden?

Ich möchte abschließend feststellen, dass wir es hier erneut mit einem ausgezeichneten Programm zu tun haben, dessen Regelungen und Ziele vor allem auf die Länder der alten Union ausgerichtet sind.

 
  
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  Erna Hennicot-Schoepges (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar! Doris Pack hat mit dem integrierten Aktionsprogramm für die Entwicklung der Programme, über die wir heute diskutieren, die Rolle der treibenden Kraft übernommen. Ohne ihren Elan wären die erzielten Fortschritte nicht möglich gewesen.

Erasmus ist gewiss das populärste Programm. Die neue Version wird trotz der Aufstockung der Finanzmittel immer noch von den allgemeinen Mobilitätsbedingungen wie Übertragbarkeit der Stipendien, soziale Sicherheit, aber auch Anerkennung der Abschlüsse abhängig sein. Wenn die Mobilität nicht die Aufnahme des Studiums in die Bewerbungsunterlagen sichert, besteht die Gefahr, dass der Weg über Erasmus ein zusätzliches Studienjahr bedeutet. Ich frage Sie, Herr Kommissar, wie es um die Integration eines Erasmus-Jahres in den Bologna-Prozess steht.

Was das Programm Leonardo betrifft, so ist die Mobilität der in der Berufsausbildung stehenden Kandidaten ein zentrales Anlegen des Handwerks sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, die es ebenfalls für diese Aspekte zu sensibilisieren gilt. Das Programm Leonardo könnte dazu dienen, die Mobilität der Arbeitskräfte vorzubereiten. Zu diesem Zweck müsste die Kommission Maßnahmen für die Sensibilisierung der Unternehmen einleiten und auch dafür sorgen, dass die bereitgestellten Mittel tatsächlich ausgegeben werden.

Lassen Sie mich daran erinnern, dass unsere Vorfahren gern auf Wanderschaft gingen. Künstler und Handwerker waren diejenigen, die am meisten reisten; sie waren es, die die Gesellschaft voranbrachten. Der grenzüberschreitende Austausch ist das beste Mittel, um die Grenzen aus den Köpfen unserer Mitbürger verschwinden zu lassen und zu beweisen, dass wir bessere Ergebnisse erreichen können.

Schließlich kann ich gar nicht oft genug wiederholen, Herr Kommissar, dass wir angesichts der Bedeutung, die Kommissionspräsident Barroso der Kultur beimisst, den Mut haben sollten, sie zu einer europäischen Politik zu machen. Wer mehr Mittel beansprucht, muss in der Lage sein, wichtige politische Projekte vorzulegen, die als solche anerkannt werden. Die Wiederbelebung der Debatte über die besten Wege, um die Kommission voranzubringen, wäre eine gute Gelegenheit, sich laut und vernehmlich für eine solche Politik einzusetzen.

 
  
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  Maria Badia i Cutchet (PSE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Glückwünschen an die Berichterstatterin, Frau Pack, zu ihrer guten Arbeit sowie an alle Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Bildung an, deren Beiträge diesen Text bereichert haben.

Allerdings möchte ich auch meine Bedenken hinsichtlich der Umsetzung des Programms im Bereich des lebenslangen Lernens zum Ausdruck bringen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir nicht genug tun konnten, um das System der Mobilität der Studenten in Europa zu verbessern. Wir stimmten alle für die Erhöhung der Mittel der Programme Erasmus, Leonardo, Comenius usw. in der Überzeugung, dass es sich langfristig um eine sehr produktive Investition handeln würde. Die Teilnehmer mit finanziellen Mitteln auszustatten und gleichzeitig das Verfahren für den Erhalt von Stipendien zu erleichtern, würde uns den in der Lissabon-Strategie festgelegten Zielen näher bringen.

Je mehr Zeit vergeht, umso schwerer fällt es mir jedoch, optimistisch zu bleiben. Aus Umfragen wird deutlich, dass die fünfzehnjährigen Schüler Leseschwächen haben und häufig dem Unterricht fernbleiben und dass viele junge Menschen ihr Studium nicht in der vorgesehenen Zeit abschließen. Angesichts dieser Informationen frage ich mich, wie wir die Herausforderungen der Globalisierung bestehen wollen. Wenn wir eine wissensbasierte Gesellschaft, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und einen stärkeren sozialen Zusammenhalt schaffen wollen, müssen wir von Anfang an ein starkes Fundament errichten, und das kann nur mit einer wirkungsvollen Bildung erreicht werden. Kurz gesagt, um die künftigen Aufgaben zu meistern, kommt es darauf an, mehr in die Bildung zu investieren.

Es ist möglich, das Funktionieren der bestehenden Programme zu verbessern und neue Programme einzurichten. Wenn wir unsere Kraft in diese Aufgabe legen, werden uns die Zahlen nach und nach zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Jetzt kommt es aber auch darauf an, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass wir mehr Geld für die allgemeine und berufliche Bildung aufwenden müssen.

 
  
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  Šarūnas Birutis (ALDE). – (LT) Herr Kommissare, meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals unterstreichen, dass das von uns diskutierte Programm günstigere Voraussetzungen für eine kontinuierliche berufliche Bildung unserer Bürger und ihre Entwicklung zu aktiven Mitgliedern einer wissensbasierten Gesellschaft schafft.

Meines Erachtens wird uns die ursprüngliche Fassung des Kommissionsvorschlags, auf die wir nun zurückgegriffen haben, in die Lage versetzen, ein Programm, das sämtliche im Bereich Bildung laufenden Initiativen zusammenfasst, reibungsloser umzusetzen. Ein einheitliches System wird für Klarheit und vor allem dafür sorgen, Redundanz in bestimmten Bereichen zu vermeiden.

Jene Staaten, die an Programmen im Bereich des lebenslangen Lernens teilnehmen können, konnten ganz offensichtlich von dieser Initiative der Europäischen Union profitieren. So sind Programme wie Erasmus, Leonardo da Vinci oder Jean Monnet in Litauen gut bekannt, was darauf hindeutet, dass Initiativen der Europäischen Union im Bereich Bildung recht wirksam umgesetzt werden.

Ich hoffe, dass Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass das Programm im Bereich des lebenslangen Lernens von immenser Bedeutung ist, und zwar sowohl in Bezug auf die Förderung von Wettbewerb und Unternehmergeist als auch für die Entwicklung eines kollektiven europäischen Bürgersinns auf der Grundlage der Werte der Europäischen Union wie gegenseitige Verständigung und Achtung der Menschenrechte und Demokratie.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Das Programm im Bereich des lebenslangen Lernens in der Union hat meine volle Unterstützung.

Wir stellen immer wieder fest, dass Europa wettbewerbsfähiger werden muss. Die Wettbewerbsfähigkeit muss auf dem Fundament des aus Bildung, Forschung und Innovation bestehenden Wissensdreiecks errichtet werden. Die Bildung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Die Bildungssysteme der Union liegen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, aber ein besser abgestimmtes europäisches Bildungsprogramm ist sehr zu begrüßen. Wir verfügen jetzt über das Siebte Forschungsrahmenprogramm, und ein neues Gemeinschaftsprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation wurde erst unlängst aufgelegt. Die Ecken des Wissensdreiecks der Union sind folglich vorhanden. Es stellen sich Fragen zu den Seiten des Dreiecks: Sind die Programme angemessen miteinander verbunden und ergänzen sie sich gegenseitig? Wir dürfen die Programme nicht als drei separate Programme mit drei einzelnen Hauptzielen für die Europäische Union sehen, sondern es geht um ein gemeinsames Ziel, nämlich die Entwicklung einer Wissensgesellschaft.

Ich befürworte die vorgeschlagenen Änderungen für das Programm im Bereich des lebenslangen Lernens. Dazu zählen beispielsweise die Abänderung des Programms Leonardo da Vinci, die den Innovationstransfer erleichtern soll, sowie die Abänderung des Programms Grundtvig, durch die die Innovationsmobilität im Bereich der Erwachsenenbildung angekurbelt werden soll. Allzu oft werden durch das Programm innovative Lernmethoden eingeführt, anstatt den Bereich für Innovationen selbst und für künftige Wissenschaftler zu öffnen. Es gibt kein System für die Einstellung hoch talentierter Personen, vor allem von Teilnehmern an den Programmen Comenius und Erasmus für junge Menschen, das ihnen die Fortsetzung ihrer Entwicklung im Rahmen des Marie-Curie-Programms ermöglicht. Das Programm für lebenslanges Lernen sollte sich im Einklang mit den Forschungsschwerpunkten des Siebten Rahmenprogramms befinden. Ziel aller unserer Maßnahmen sollte es sein, die Kontinuität des Wissensdreiecks von der Schule bis hin zum Europäischen Technologieinstitut zu gewährleisten.

Ich beglückwünsche den Kommissar zu diesem Programm und bitte ihn nachdrücklich, dafür zu sorgen, dass diese Bemerkungen bei seiner Umsetzung Berücksichtigung finden.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (SK) Ich bin sicher, dass ich nicht viel hinzufügen muss; wir sollten eher mehr unternehmen, um das umzusetzen, was wir bereits mehrfach vereinbart haben. Bildung ist mehr als ein bestimmter Zeitabschnitt im Leben. Wir können durch einen wesentlich kohärenteren Ansatz mit den Beschäftigungs- und Wachstumsproblemen fertig werden, und darum geht es bei der Lissabon-Strategie. Bildung kann nicht von Forschung und Innovation isoliert werden (was Kreativität und die Förderung von Wissen einbindet). Es ist auch erforderlich, Wissen praktisch anzuwenden, und zwar in innovativer Weise.

Ich denke, die Kommission bewegt sich in diese Richtung. Der Vorschlag zur Gründung des Europäischen Instituts für Technologie auf dem Gipfel in Lahti vergangene Woche war ein Beispiel hierfür. Es gibt weitere entsprechende Beispiele im gesamten Programm und in dem Grundsatz, Bildung in den Mittelpunkt der Lissabon-Strategie zu stellen und darauf abzuzielen, Europa zu formen und Wissen für Wachstum und Beschäftigung hervorzubringen.

Die vier Pfeiler des Programms für lebenslanges Lernen haben sehr inspirierende Namen – Comenius (Jan Amos Comenius), Leonardo da Vinci, Erasmus von Rotterdam und Grundtvig. Ich halte dies für ein wichtiges Signal. Wir werden nicht in der Lage sein, alle finanziellen Probleme durch dieses Programm zu lösen, aber wir können jede Menge Anregungen liefern, insbesondere für Maßnahmen auf nationaler Ebene, damit Bildung, die im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegt, ins Zentrum der nationalen Vorgehensweisen oder der Lissabon-Strategie rückt. Es werden dann weitaus mehr Gelder zur Verfügung stehen, und wir würden es gewiss schätzen, über mehr Mittel für Mobilität und Zusammenarbeit im Bereich der Bildung zu verfügen.

Ich denke, das bevorstehende zwanzigste Jubiläum von Erasmus, dem beliebtesten Programm in der Europäischen Union, ist eine großartige Gelegenheit für eine Evaluierung der Situation, aber auch eine Herausforderung für uns, gemeinsam mehr für Bildung, junge Menschen und die Zukunft zu tun.

Was die Erteilung von Visa und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern betrifft, so sollten die Mitgliedstaaten mit Wirkung vom 1. Januar 2007 die Entscheidung über Visa-Erleichterungen für Studenten, Lehrende und Forscher in der gesamten Europäischen Union, mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark, durchführen bzw. umsetzen.

In Beantwortung der Frage, ob wir eine Harmonisierung oder eine andere Art der Politik benötigen, möchte ich sagen, dass wir eher Komplementarität und Kompatibilität als Harmonisierung unserer Bildungssysteme brauchen, und dies wird schrittweise durch Maßnahmen wie den Bologna-Prozess erreicht.

Wir fordern beständig nicht nur mehr Investitionen, sondern auch bessere Investitionen. Die oberste Priorität sind „bessere Investitionen“, „mehr Investitionen“ stehen an zweiter Stelle. „Besser“ bedeutet auch das Aufbringen öffentlich-privater Mittel. Dies erfolgt häufig in Gestalt von Mobilitäts- oder Bildungssponsoring durch die Wirtschaft und die Industrie.

So viel zu meinen Überlegungen als Antwort auf einige der hier vorgebrachten Punkte. Ich möchte noch einmal der Berichterstatterin, Frau Pack, dem gesamten Ausschuss und allen, die zu dem hohen Maß an Konsens und Engagement beigetragen haben, danken.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! Ich gratuliere unserer Berichterstatterin, dass sie diesen bedeutenden Bericht durch das Parlament gesteuert hat. Nächstes Jahr feiert das Programm Erasmus sein 20-jähriges Bestehen. Es wurde von einer meiner Vorgängerinnen, Winnie Ewing, ins Leben gerufen, als sie Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung war – und es gibt vieles, wofür wir ihr danken müssen. Seit 1987 haben über 1,2 Millionen Studenten an Austauschuniversitäten außerhalb ihres Heimatlandes Kurse absolviert. Im akademischen Jahr 2004/2005 nahmen mehr als 144 000 Studenten die Gelegenheit wahr, im Rahmen des Erasmus-Programms ihr Studium im Ausland fortzusetzen. Die Vorteile und unschätzbaren kulturellen und sprachlichen Erfahrungen, die sich für die Studenten hier bieten, sind einzigartig. Als ehemaliger Erasmus-Austauschstudent kann ich mich dafür verbürgen.

Erasmus ist einer der Erfolge, mit denen die EU ihre Bedeutung unter Beweis stellen kann. Doch während immer mehr Studenten aus dem Ausland nach Schottland kommen, allein 2163 im akademischen Jahr 2004/2005, gehen viel weniger schottische Studenten – 1018 im selben Zeitraum – zum Studieren ins Ausland. Ich möchte, dass mehr Schotten an diesem Programm teilnehmen und die Chance erhalten, im Ausland zu studieren. Erasmus ist eine Möglichkeit, mit der wir unsere Jugend dazu bringen können, eine internationale Perspektive zu gewinnen.

 
  
  

Anlage – Erklärung der Kommission

Die Kommission möchte die Aufmerksamkeit des Legislativorgans auf die Notwendigkeit lenken, dass der im Basisakt genannte Finanzrahmen spätestens bei der endgültigen Veröffentlichung im Amtsblatt in laufenden Preisen ausgedrückt werden muss. Das entspricht der üblichen Haushaltspraxis und ermöglicht, dass die Entscheidung der Legislativbehörde in voller Transparenz respektiert wird. Für das Programm „Lebenslanges Lernen“ beläuft sich der Betrag in laufenden Preisen auf 6,970 Millionen Euro.

 

19. Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ (2007-2013) (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Kultur und Bildung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ zur Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft (09575/1/2006 – C6-0316/2006 – 2005/0041(COD)) (Berichterstatter: Hannu Takkula) (A6-0342/2006).

 
  
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  Hannu Takkula (ALDE), Berichterstatter.(FI) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst möchte ich all jenen danken, die an der Ausarbeitung dieses Berichts mitgewirkt haben, insbesondere den Schattenberichterstattern und den Mitgliedern der mitberatenden Ausschüsse, die Stellungnahmen dazu abgegeben haben. Mein besonderer Dank gilt meinen geschätzten Kolleginnen und Koordinatorinnen, Frau Pack und Frau Prets, weil ich als Mitglied der kleinsten Fraktion allein nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Bericht ohne ihre Unterstützung zu erstellen. Dankbar bin ich auch für den ausgezeichneten Mannschaftsgeist und das echte Miteinander, die in unserem Ausschuss herrschten.

Das Programm enthält vier Aktionsbereiche. Der erste betrifft ein Europa der aktiven Bürger und umfasst Städtepartnerschaften und Bürgerprojekte. Städtepartnerschaften haben sich bereits als Erfolgsmodell erwiesen, und ich hoffe, dass diese Erfolgsgeschichte anhält und mit diesem Programm weiter an Stärke gewinnt. Daneben sind auch die Bürgerprojekte sehr wichtig. Eine zentrale Idee bei der Ausarbeitung dieses Programms bestand darin, auch auf Ebene der Europäischen Union ein bürgernahes Programm zu schaffen, das nichts Elitäres hat und das von den einfachen Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union, als ihr Programm empfunden wird.

Der zweite Aktionsbereich beinhaltet die aktive Zivilgesellschaft in Europa. Er umfasst die strukturelle Förderung von Forschungseinrichtungen in der EU, die sich mit europäischer Politik beschäftigen, so genannten Think-Tanks, und von Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene sowie die Unterstützung für Projekte, die von diesen Organisationen der Zivilgesellschaft koordiniert werden. Ich erachte es für sehr wichtig, dass auch offene Zentren der Erwachsenenbildung und Volkshochschulen, also Einrichtungen, die nicht auf Abschlüsse zielen, eine stärkere Rolle spielen, weil mit dieser Art von Einrichtungen die Normalbürger vor Ort am besten zu erreichen sind. Auf diese Weise wird sich dieses Programm hoffentlich auch für die Menschen in der gesamten Europäischen Union öffnen, und sie werden das Gefühl bekommen, dass da etwas ist, was sie selbst angeht.

Der dritte Aktionsbereich heißt „Gemeinsam für Europa“ und umfasst Veranstaltungen mit großer Öffentlichkeitswirkung sowie Studien, Informationen und Mittel zu ihrer Verbreitung. Wir alle wissen, dass es wichtig ist, die Europäische Union auf geeignete Art und Weise zu fördern und sie den Menschen näherzubringen, da es schließlich auch im Bereich der Information und Kommunikation Mängel gibt. Die Menschen machen die Erfahrung, dass sie weit entfernt von den Entscheidungsprozessen sind, und folglich empfinden sie auch die Programme der Europäischen Union als weit entfernt. Es wird uns einige Mühe kosten, den Menschen die Union näherzubringen, sei es durch die Vermittlung von Informationen oder die verschiedenen Veranstaltungen.

Ein vierter Aktionsbereich wurde dem Programm hinzugefügt, und dieser umfasst die Bewahrung der „aktiven europäischen Erinnerung“. Darüber ist im Ausschuss heftig diskutiert worden. Als diese Aktion aus dem Programm Kultur-2000 übernommen wurde, ließen wir uns von dem Gedanken leiten, dass die Erinnerung an den Nazismus und den Stalinismus aufrechterhalten werden muss, damit Europa nie wieder solche Schrecknisse erlebt. Wir halten es für sehr wichtig, dass zukünftige Generationen auch in der Lage sind zu verstehen, was die europäische Identität ist, was Frieden und Stabilität bedeuten, und deshalb ist es wichtig, auch für die aktive Erinnerung zu sorgen.

Natürlich hätten wir es gern gesehen, dass der Haushalt auf der Höhe der Zeit gewesen wäre, als wir dieses Programm zusammenstellten. Allerdings wissen wir, dass es aus irgendeinem Grund im Europäischen Parlament oder zumindest in der Europäischen Kommission bzw. im Rat, derzeit noch kein ausreichendes Verständnis für kulturelle Projekte und deren Stellenwert gibt. Ich selbst bin der Überzeugung, dass Kultur und unsere Zivilgesellschaft das Fundament einer dynamischen und florierenden Wirtschaft bilden. Wir im Ausschuss für Kultur und Bildung sollten als kulturbewusste Menschen ein Auge darauf haben, dass der Haushalt in Zukunft unserem Anliegen dienlicher ist. Dieses Mal waren wir gewissermaßen gezwungen, ihn unter dem Druck des Rates gegenüber dem ursprünglichen Antrag der Kommission zu kürzen, aber ich hoffe, dass wir das Programm hier auf den Weg bringen können und dass es von Erfolg gekrönt sein wird.

Abschließend möchte ich betonen, dass ich dankbar bin für die Zusammenarbeit und den breiten Konsens, der zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament erzielt worden ist. Besonders froh bin ich darüber, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft, die offenen Universitäten und die Amateursportvereine mit in das Programm aufgenommen wurden. Ich hoffe, dass dieses Programm, wenn es denn Anfang 2007 startet, zu einer weiteren Erfolgsgeschichte wird.

(Beifall)

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Erst vor einem halben Jahr habe ich hier zu demselben Programm gesprochen und um eine rasche Einigung gebeten. Damals trug der Vorschlag noch einen anderen Titel: „Bürger für Europa“. Jetzt, ein halbes Jahr später, sind wir hier den endgültigen Entscheidungen mit dem neuen Titel „Europa für Bürgerinnen und Bürger“, der auf Ihre Vorschläge zurückgeht, sehr nahe gekommen; dies war meines Erachtens aber eine bemerkenswerte Verschiebung, sowohl in Bezug auf den Konsens, als auch hinsichtlich der Bereitschaft, sich auf den endgültigen Abschluss hinzubewegen.

Dieses Programm ist für die Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft von sehr großer Bedeutung. Mit der Qualität und Intensität der Verhandlungen, die die Einrichtungen zu dem Programm geführt haben, bin ich sehr zufrieden. Danken möchte ich insbesondere und aufrichtig dem Ausschuss für Bildung für seine Bemühungen um die Beschleunigung des Verfahrens sowie dem Berichterstatter, Herrn Takkula, für seine ausgezeichnete Arbeit und Zusammenarbeit.

Diese Schritte bei den interinstitutionellen Verfahren waren begleitet von informellen trilateralen Treffen. Diese führten zu einem für alle drei Organe akzeptablen Kompromiss in Form von vier Abänderungen, über die Sie morgen abstimmen werden.

Was den Haushalt angeht, so haben wir einen Etat in Höhe von 190 Millionen Euro zu Preisen von 2004 vereinbart, was 215 Millionen Euro zu laufenden Preisen entspricht. Dies ist weniger als von der Kommission ursprünglich vorgeschlagen, ermöglicht es uns aber noch, die Struktur des Programms beizubehalten, nur dass die Anzahl der Leistungen reduziert wird.

Ich möchte noch einmal meinem Bedauern Ausdruck geben, dass der Rat einen zusätzlichen Schritt in das Komitologieverfahren eingeführt hat. Dadurch wird sich das Auswahlverfahren für bestimmte Projektkategorien verzögern. Um jedoch eine rasche Einigung zu erzielen, hat die Kommission den Standpunkt des Rates, den Sie unterstützen, akzeptiert. Für heute haben Sie die Annahme von vier Abänderungen vorgesehen: Zwei davon betreffen die Aufteilung des Etats auf die verschiedenen Aktionen; einer ist technischer Art und wird das Inkrafttreten des Programms beschleunigen; und der letzte macht die Förderung der Toleranz zu einem weiteren Programmziel. Dies steht voll und ganz im Einklang mit der Philosophie des Programms.

Ich möchte noch einmal wiederholen, dass die Kommission uneingeschränkt hinter dem vereinbarten Kompromiss steht und dem Parlament daher die Annahme dieser vier Abänderungen empfiehlt. Wenn Sie sie annehmen, hat der Rat sich zu einer raschen Annahme des gesamten Textes verpflichtet, und dann müsste das Programm am 1. Januar 2007 in Kraft treten können.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommission, sobald das Programm angenommen ist, alle erforderlichen Schritte unternehmen wird, um es so effizient und effektiv wie möglich umzusetzen. In der Tat bereiten sich meine Dienststellen schon aktiv auf sein Inkrafttreten vor. Wir werden in enger Kooperation mit dem Programmausschuss und in einem intensiven Dialog mit den beteiligten Organisationen arbeiten.

Abschließend möchte ich noch einmal wiederholen, was Herr Takkula sagte, dass nämlich die Kultur die Grundlage unserer Gesellschaften bildet, weswegen wir die Rechtsgrundlage für dieses Programm in Verbindung mit dem kulturbezogenen Artikel 151 des Vertrags festgelegt haben. Das wurde viel diskutiert, aber ich halte es für richtig und denke, dass wir damit die richtige Richtung einschlagen, damit Kultur und Bürgerschaft künftig für eine Verantwortung auf allen Ebenen unseres öffentlichen und privaten Engagements sowie in den Bereichen Erweiterung und Zukunft unserer Union Hand in Hand gehen.

 
  
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  Rolf Berend, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort des Dankes an den Berichterstatter, Herrn Takkula, für diesen sehr guten Bericht über Europa für Bürgerinnen und Bürger. Auch wenn sich der Gesamtbetrag nun auf 190 Millionen Euro reduziert hat – ursprünglich waren vom Parlament und von der Kommission gemeinsam 235 Millionen Euro vorgesehen –, müssen wir – weil der Rat kein Einsehen hatte – mit diesem Betrag auskommen.

Wir unterstützen die zwei Änderungsanträge des Berichterstatters, die einerseits eine Herabsetzung um 2 Prozentpunkte und andererseits eine Anhebung um 2 Prozentpunkte zum Inhalt haben. Wir begrüßen vor allen Dingen auch, dass in der neuen Aktion 4 im Rahmen von Gedenkstätten die Erinnerung sowohl an die Verbrechen des Nazi-Regimes als auch an die des stalinistischen Regimes wachgehalten wird.

Herr Kommissar, lassen Sie mich aber noch auf ein Problem zu sprechen kommen, das gerade von den Nutznießern der Programme und von den Praktikern angesprochen wird. Das Europäische Parlament weist darauf hin, dass in seiner Entschließung vom 5. April 2006 sowohl Konferenzen als auch Seminare angeführt sind. Gerade die bilateralen Seminare – Arbeitstagungen, Fachtagungen – sind im Hinblick auf die Qualifizierung der Programme und der Mitarbeiter wesentlicher Bestandteil der Partnerschaftsarbeit und sollten neben multilateralen Konferenzen in die Förderung einbezogen werden.

Im Übrigen geht das Parlament davon aus, dass die Kommission kommunale und zivilgesellschaftliche Antragsteller in den Vergabeverfahren gleich behandelt. Mit dem zuletzt Gesagten soll verhindert werden, dass die Kommission wie geplant für zu viele gesellschaftliche Organisationen andere – in diesem Fall überaus schwierige – und von ihnen nicht leistbare zusätzliche Vorgaben wie Bürgschaften und besondere Banksicherheiten fordert.

 
  
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  Emine Bozkurt, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Takkula, für seinen ausgezeichneten Bericht und die angenehme Zusammenarbeit danken. Ich begrüße dieses Programm mit offenen Armen, denn es kommt den Bürgern, uns im Parlament und der Europäischen Union als Ganzes zugute. Schließlich zeigt das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ endlich, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht für Europa da sein sollten, sondern genau umgekehrt. Europa ist für seine Bürgerinnen und Bürger da. Nur dann, wenn die Europäische Union konkrete Ergebnisse für ihre Bürger erzielt, können wir auf Unterstützung für diese Europäische Union zählen. Selbstverständlich können wir versuchen, unsere Bürger besser an die EU zu binden, indem wir Austauschprogramme und Veranstaltungen organisieren, aber die Wirkung ist immer besser, wenn die Bürger selbst Eigeninitiative entwickeln, und hier setzt dieses Programm an.

Mein Dank gilt Herrn Takkula, den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen sowie der Kommission und dem Rat für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Behandlung dieses Dossiers. Eins muss ich aber noch loswerden: Die Europäische Union hat erkannt, dass zwischen ihren Bürgern und den Institutionen eine Kluft besteht. In diesem Programm wird dies zugegeben und versucht, das wiedergutzumachen. Aber weshalb haben wir dann an diesem Programm und an anderen äußerst wichtigen Programmen gespart? Es ist doch eindeutig Zeitverschwendung, wenn wir über die Beteiligung der Bürger reden, aber die nötige Finanzspritze fehlt.

Auf jeden Fall werde ich alles in meinen Möglichkeiten stehende tun und dieses Programm bei den Leuten in den Niederlanden bekannt machen. Ich hoffe, andere Kolleginnen und Kollegen werden in ihren Ländern ebenfalls die Menschen auf dieses Programm aufmerksam machen. Wenn wir alle daraus einen riesigen Erfolg machen, können der Rat und die Kommission vielleicht beim nächsten Mal gar nicht anders, als das Budget des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ auf ein annehmbares Niveau aufzustocken.

Es steht außer Zweifel, dass das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ ein Erfolg werden kann. In Europa sind unzählige Menschen bereit, aktiv an der europäischen Integration mitzuwirken. Dieses Programm bietet ihnen die Chance, an dem Prozess teilzunehmen und Dinge zu organisieren. Daher ist es ungemein wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas das Gefühl haben, in die Entwicklung der EU eingebunden zu sein. Und genau das macht dieses Programm möglich. An die Bürgerinnen und Bürger Europas möchte ich daher den Appell richten, diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen.

 
  
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  Marian Harkin, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich gratuliere dem Berichterstatter zu seiner hervorragenden Arbeit bei der Ausarbeitung dieses Berichts über die Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft.

Viele von uns, denen die Zukunft Europas wirklich am Herzen liegt, sind überzeugt, dass eine aktive Bürgerschaft eine tragende Rolle bei der Fortsetzung des europäischen Projekts spielen wird. Die EU befindet sich in ständiger Entwicklung; Entwicklung von Jahrhunderten der Teilung hin zu einer Zeit der Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit dient all unseren Bürgern. Andernfalls hat die EU keine Daseinsberechtigung.

Es kommt auch darauf an zu verstehen, dass diese Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten stattfindet. Das ist sicher wichtig, aber nicht genug. Es muss auch eine Zusammenarbeit zwischen unseren Bürgern stattfinden, damit auch sie untrennbar mit dem Prozess verbunden sind – nicht als Zuschauer, sondern als Akteure auf der Bühne; nicht als Beobachter, sondern als Mitwirkende. Es geht uns hier um eine partizipative Demokratie neben der repräsentativen Demokratie – mitunter ein auf beiden Seiten unbequemes Bündnis, aber eines, das wir fördern müssen, denn sonst geben wir gegenüber unseren Bürgern nur Lippenbekenntnisse ab, und sie verdienen etwas viel Besseres.

Es freut mich, dass die nicht-formalen Bildungsprogramme in diesen Bericht einbezogen wurden. Vielleicht könnten wir dies auf die Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeiten durch die Einführung eines entsprechenden europäischen Passes ausweiten. Das Ehrenamt spielt in der aktiven Bürgerschaft eine bedeutende Rolle, werden doch viele im Bericht genannte Tätigkeiten wie Städtepartnerschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und Amateursportvereine von ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen. Darüber hinaus muss der interkulturelle Dialog gefördert werden. Wir alle haben unsere Vorurteile, unsere falschen Vorstellungen von anderen, und nur, wenn wir uns miteinander beschäftigen, beginnen wir, die Menschlichkeit des anderen anzuerkennen, und das ist das Fundament für Zusammenarbeit und gegenseitige Achtung.

Das Einzige, was ich bedauere, ist, dass die bereitgestellten Finanzmittel nicht ausreichen werden, um die gewaltige und bedeutende Aufgabe zu erfüllen, die wir uns gestellt haben. Aber ich stimme meiner Vorrednerin zu: Krempeln wir die Ärmel hoch und packen wir es an!

 
  
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  Helga Trüpel, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Auch als erstes wieder meinen Dank an den Berichterstatter, Hannu Takkula.

Ich finde es sehr erfreulich, dass bei der Benennung des Programms, das am Anfang „Bürger für Europa“ hieß, ein Umdenken stattgefunden hat und es jetzt „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ heißt. Das bedeutet, dass Europa auch eine Bringschuld hat und auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen muss. Es geht darum, die Bürger zu erreichen, sie zu involvieren, sie vor Ort abzuholen, sie ernst zu nehmen, ihren Interessen zu lauschen und sie für Europa und die Debatten um Europas Zukunft zu gewinnen.

Städtepartnerschaften sind ein gutes Mittel, um dazu beizutragen. Aber auch die allgemeine Auseinandersetzung mit dem europäischen Globalisierungsblues und die Frage: „Wie finden wir eine Balance zwischen einem zu starken Neoliberalismus auf der einen Seite und einem Etatismus oder zu harten Protektionismus auf der anderen Seite?“ werden Teil der Debatten im Rahmen dieses Programms sein.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, nämlich die Einbeziehung der Vernichtungslager – seien es nun stalinistische oder die der Naziherrschaft – in dieses Programm. Ich finde es politisch richtig, die Geschichte dieses besonderen europäischen Totalitarismus weiter aufzuarbeiten. Er hat Europa zerstört und viel Unglück über die ganze Welt gebracht. Daraus die entsprechenden Lehren zu ziehen und ein wirklich offenes demokratisches Europa aufzubauen, ist nach wie vor unsere Zukunftsaufgabe. Dazu soll dieses Programm auch einen Beitrag leisten.

 
  
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  Miguel Portas, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Wir teilen die Anliegen und die Zielsetzungen des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ und haben deshalb dafür gestimmt. Die Wahrheit sieht doch so aus, dass es der Europäischen Union weder an einem „Europa für Unternehmen“ noch an einem „Europa für den Markt“ mangelt, ganz im Gegenteil. Wir haben bisher viel zu wenig „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ gesehen, zu wenig Unterstützung für eine Unionsbürgerschaft mit aktiver Stimme bei den großen Themen, auf denen wir unser gemeinsames Hoheitsgebiet errichten. In diesem Bereich fehlt es an mutigen Entscheidungen, Rechtsvorschriften sind dünn gesät, und Unterstützung ist praktisch nicht vorhanden. Dieses Programm allein wird diese Situation nicht umkehren. Wir unterstützen das Programm, sehen seine schwache Mittelausstattung aber kritisch. Eine Kürzung von 60 % gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag ist ganz klar zu viel, entspricht aber durchaus der restriktiven und veralteten Regel, wonach alle Programme auf dem Gebiet von Bildung, Kultur und Jugend unterfinanziert sind. Eine chronische Unterfinanzierung ist nicht die Folge knapper Ressourcen, sondern einer bewussten politischen Strategie für die Art Union, die die Mitgliedstaaten aufbauen wollen, was sich erneut zeigte, als die Finanzielle Vorausschau für den Zeitraum 2007-2013 angenommen wurde, in der Bereiche wie die Kultur zu kurz kommen.

So etwas wie eine wirksame Politik ohne ausreichende Finanzierung gibt es nicht. Worte und hehre Absichten sind gut und schön, aber die Politik muss doch aus viel mehr bestehen.

Herr Takkula, wir stimmen Ihnen zu, wenn Sie für Transparenz bei der Gewährung von Mitteln für Projekte eintreten. Dies sollte anhand klar definierter Kriterien mit transparenten Anwendungsverfahren und unabhängigen Gutachtern geschehen. Leider ist das bisher nicht der Fall. Wir stellen erfreut fest, dass die außerhalb des Anwendungssystems erfolgende skandalöse Gewährung von Finanzierungen an Organisationen, die sich über einen fairen Wettbewerb stellen und dennoch weiter erhebliche langfristige Finanzierungen erhalten, schrittweise eingestellt werden wird. Sie schadet dem Ansehen der Union. Die Tatsache, dass diese Organisationen oft mit bedeutenden Persönlichkeiten verbunden sind, die in den europäischen Institutionen Karriere gemacht haben, macht alles nur noch schlimmer. Ich komme aus einem südeuropäischen Land, und ich muss sagen, dass ich die frische Brise, die in dieser Angelegenheit aus dem Norden weht, aufrichtig begrüße.

Was schließlich die neue Linie der Finanzierung von Gedenkstätten für Diktaturen anbelangt, so möchte ich noch einmal erklären, dass wir die befolgten Kriterien durchweg ablehnen. Der Ausschluss von Gedenkstätten für Diktaturen, die im Süden Europas jahrzehntelang mehrere Völker unterdrückt haben, beweist einen Mangel an Respekt für die Tausenden Opfer dieser Diktaturen. Ohne den Sieg über die faschistischen Regimes in Südeuropa würden die Grenzen der EU heute ganz anders aussehen, und ihr Territorium wäre kleiner. Die Ausklammerung dieser Diktaturen und des Gedenkens an sie ist das falsche Signal für die Bürger, denn sie legt nahe, dass es einige Diktaturen gibt, deren Andenken nicht vergessen werden sollte, und andere, die nicht so schlimm oder sogar akzeptabel sind. Das ist auch das falsche Signal für die Welt. Eine pragmatische Haltung zu Diktaturen deutet auf Doppelmoral hin und vergiftet und diskreditiert die Außenpolitik der EU. Ein Kriterium basierend auf eindeutig demokratischen Grundsätzen wäre besser gewesen als ein mittelmäßiges, kleinliches Kriterium, bei dem man nicht in der Lage war, über die Mittelknappheit hinauszublicken.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Wir alle leisten unseren Beitrag zur Schaffung der Europäischen Union, aber dabei bringen wir unsere jeweiligen Anschauungen, Erfahrungen und Beobachtungen ein. Sie machen deutlich, dass uns bei allen Gemeinsamkeiten auch vieles trennt.

Viele europäische Bürger betrachten die Union mit Skepsis und haben bezüglich der europäischen Integration Zweifel. Das hat zur Folge, dass zwar einige die europäische Integration rasch vorantreiben wollen, andere aber meinen, dass dieser Prozess, wenn er überhaupt stattfinden soll, langsam und wohl durchdacht vonstatten gehen muss. Ihrer Ansicht nach sollte dies ein langfristiger Prozess sein, der nationale Traditionen und die Erfahrungen der Gegenwart berücksichtigt.

Ich begrüße die Tatsache, dass das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ viele der von den Abgeordneten dieses Hauses unterbreiteten Vorschläge enthält, und zwar insbesondere im Teil über Gedenkstätten für die Opfer von Diktaturen. So ist finanzielle Unterstützung vorgesehen für Orte des Gedenkens der Opfer sowohl des Naziregimes als auch stalinistischer Verbrechen. Im Verlaufe der Aussprache über das Programm wurde vielfach die mangelnde Identifikation der Bürger mit dem Prozess der europäischen Integration beklagt. Dabei wurde zu Recht eine Unterscheidung zwischen den Bürgern der alten, der neuen und der künftigen Mitgliedstaaten getroffen. Zu wenig Beachtung wurde dabei jedoch der wichtigen Tatsache geschenkt, dass, während eine Gruppe so schnell wie möglich ein europäisches Einheitsmodell der nationalen Identität schaffen will, eine andere Gruppe für ein Europa der Nationen plädiert, in dem nationale Identitäten respektiert werden. Diese Gruppe würde gemeinsame kulturelle Werte auf der Grundlage der kulturellen Vielfalt und des Dialogs bestimmen.

 
  
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  Witold Tomczak, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Der Entwurf des Dokuments „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ ist ein Beispiel für detailliertes Wunschdenken. Irgendjemand hatte die Idee, dass man den Bürgern die Union näher bringen und sie in die europäische Integration einbeziehen kann, wenn man mehr Geld in Informationskampagnen und die Einbeziehung der Europäer in Unionsereignisse investiert.

In der sowjetischen Einflusssphäre, wo unser Leben von einer einzigen orthodoxen sozialistischen Ideologie beherrscht wurde, kam eine ähnliche Logik zur Anwendung. Man glaubte, die Investition hoher Beträge sei eine Garantie für die Herausbildung des so genannten sozialistischen Bewusstseins. Das Sowjetsystem hat sich hartnäckig bemüht, im Bewusstsein von Russen, Ukrainern, Georgiern und anderen eine einheitliche sowjetische Identität zu verankern. Ganze Völker wurden ihres Rechts auf eine eigene unverwechselbare Identität beraubt.

Jetzt hat jemand entschieden, dass die Integration einfacher geht, wenn man das entsprechende Dokument „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ anstelle von „Bürger und Bürgerinnen für Europa“ nennt. Das kennen wir doch alles. Die Sowjetbürger sollten auch nicht für die Sowjetunion sein. Die Sowjetunion sollte für die Sowjetbürger sein. In der Realität sah das so aus, dass Bürger, die als Russen, Polen oder Ungarn dachten und handelten, für Lenin, Stalin und andere ein Hindernis waren. Menschen, die im Multikulturalismus sowjetischer Machart aufwuchsen, waren gefügiger und ließen sich leichter zu Sklaven im Dienste des Sowjetreiches formen.

Wir sollten nicht vergessen, dass die wahre Freiheit des Einzelnen und der Völker ihren Ursprung in den nationalen Kulturen hat, die ihre Quelle bilden. Aus diesem Grund gehört dieses Dokument ebenso auf die Müllhalde wie das Erbe der ehemaligen Sowjetunion.

 
  
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  Roger Helmer (NI).(EN) Herr Präsident! Wie unser Identitätsgefühl entsteht unser Bürgersinn aus unserer Geschichte, unserer Kultur, unserer Sprache und unserer Lebenserfahrung. Er entsteht von unten nach oben. Dieses Bürgerschaftsprogramm wird von oben nach unten durchgeführt. Es soll einen Bürgersinn schaffen, wo keiner vorhanden ist. Somit ist es zum Scheitern verurteilt und gänzlich ungeeignet.

Ich wurde als Brite geboren. Ich habe nie darum gebeten, Unionsbürger zu sein. Ich will keine Unionsbürgerschaft und lehne sie auf ganzer Linie ab und verwahre mich gegen sie. Die Europäische Verfassung, die das Konzept der Unionsbürgerschaft beinhaltet, wurde in Frankreich und den Niederlanden entschieden abgelehnt, und sie würde auch abgelehnt werden, wenn im Vereinigten Königreich über sie abgestimmt würde. Die Förderung dieses gescheiterten Konzepts ist also höchst umstritten. Wir benutzen Steuergelder, um ein heiß diskutiertes Thema einseitig zu fördern, und das ist falsch, undemokratisch und skandalös. Ich fordere meine Kolleginnen und Kollegen auf, diesen Bericht ohne Umschweife abzulehnen.

 
  
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  Christopher Beazley (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Die Annahme eines gemeinsamen Standpunkts des Rates zu diesem Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ zu erreichen ist ein sehr wichtiger Erfolg, und ich gratuliere dem Berichterstatter, Herrn Takkula, zu seiner Arbeit und seinem Engagement und insbesondere zur Ausweitung des Geltungsbereichs des Programms.

Ich möchte auf zwei Aspekte des Programms näher eingehen: Städtepartnerschaften und die Gedenkstätten für die Opfer der Hitler- bzw. Stalindiktatur. Ich möchte Kommissar Figeľ dringend bitten, seine Arbeit mit der seiner Kollegin Margot Wallström zu koordinieren, die für Information und öffentliche Beziehungen zuständig ist, um den größtmöglichen Nutzen aus diesem äußerst wichtigen Bericht und Programm zu ziehen.

Erstens bin ich, was die Städtepartnerschaften angeht, völlig anderer Meinung als mein Vorredner. In meinem Heimatland gibt es Städtepartnerschaftsvereine, die seit 50 Jahren bestehen, und andere, die gerade erst gegründet wurden. Ich wünsche mir, dass die Kommissarinnen und Kommissare – denn sie sind die einzigen, die dies tun können – für das Engagement und die ehrenamtliche Arbeit dieser Organisationen fair, frei und offen Werbung machen können. In meiner eigenen Kreisstadt Hertford zu hören, wie die einheimische Bevölkerung und Schulkinder die deutsche, französische, britische und europäische Hymne singen, hat so unendlich viel mehr gesagt als die absurde europafeindliche Propaganda, die wir in vielen unserer Boulevardzeitungen lesen müssen. Wir kämpfen momentan um die Herzen und Seelen der Öffentlichkeit und dürfen einfach nicht zulassen, dass die Skeptiker die besten Lieder haben. Wir haben das beste Lied, aber wir müssen es auch singen.

Zweitens, bei den Gedenkstätten freut mich sehr, dass Herr Takkula die Opfer stalinistischer Verbrechen in den Bericht aufgenommen hat, hat doch die Hälfte unserer Europäischen Union unter dieser Diktatur gelebt. Stellen Sie sich nur einmal die Fassungslosigkeit der neuen Unionsbürger vor, würde man ihrem Leid keine Beachtung schenken, während man derer, die unter Hitlers Drittem Reich zu leiden hatten, gedenkt.

Daher empfehle ich dem Parlament und der gesamten Europäischen Union diesen Bericht und dieses Programm und hoffe, dass dieses Mal wir als Sieger aus dem Streit hervorgehen.

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE).(EN) Herr Präsident! Ungarn hat den 50. Jahrestag der Revolution von 1956 begangen. Die alten Frauen und Männer in Ungarn erinnern sich an die revolutionären Ereignisse, die sie miterlebt haben, und die junge Generation versucht sich vorzustellen, was vor 50 Jahren geschah, als die antistalinistische Revolution die Ungarn, die reformierten Kommunisten und Demokraten einte. Doch letzte Nacht haben rund tausend rechtsextreme Randalierer alles verändert. Sie haben die Polizei angegriffen, Geschäfte angezündet, einige haben Steine und Flaschen auf eine Synagoge geworfen und unter dem Banner der ungarischen Nazibewegung antisemitische Sprüche gerufen.

Diese tragischen Vorfälle beweisen, wie wichtig es ist, sich an die Tragödien und Verbrechen des 20. Jahrhunderts zu erinnern und sich daran erinnern zu dürfen. In Herrn Takkulas Bericht werden wir zu Recht aufgefordert, der Opfer des nazistischen bzw. stalinistischen Regimes zu gedenken. Gedenken allein ist jedoch nicht genug: Wir müssen auch gegen die extremistischen Ideologien der heutigen Zeit vorgehen. Der Stalinismus ist, Gott sei Dank, vorbei, aber die Gefahr neonationalsozialistischer Extremisten besteht noch immer. Jede demokratische Partei muss rechtsextreme Ideologien und Gewalt verurteilen. Wir müssen von der Weimarer Republik lernen. Das kleinste Zugeständnis an die Rechtsextremen könnte Tragödien ungeheuerlichen Ausmaßes zur Folge haben.

 
  
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  Maria da Assunção Esteves (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Eurobarometer-Daten sind äußerst besorgniserregend. Die meisten EU-Bürger sind mit dem institutionellen System der EU nicht vertraut. Die Rolle der Kommission wird entweder als vage oder als sehr vage angesehen. Der Rat ist als Organ praktisch unbekannt. Die Vorstellungen der Bürger sind extrem konfus. Viele Bürger sind nicht in der Lage, eine durchdachte Meinung zu Europa zu äußern. Ein Fakt springt bei all diesen Daten besonders ins Auge: Die Bürger wollen mehr Informationen und haben sich für das Fernsehen als bestes Mittel, diese Informationen zu erhalten, entschieden.

Wir haben festgestellt, dass eine theoretische oder gemäßigte Staatsbürgerschaft, ein vages Gefühl der Zugehörigkeit, Europa schwächer macht. Europa wird eher als abstraktes Gebilde denn als wichtige Präsenz in unserem Leben betrachtet.

Was wir brauchen, ist keine theoretische oder gemäßigte, sondern eine starke, praktische Staatsbürgerschaft, ein Gefühl der Loyalität, ein Gefühl, dass Europäer sich mit einer Gemeinschaft identifizieren können, deren Schicksal in ihren universellen Werten liegt. Ohne dieses Gefühl der Loyalität und Identifikation kann kein politisches Vorhaben gelingen.

Die Staatsbürgerschaft ist die größte Herausforderung für eine postnationale Gesellschaft wie Europa. Die Unionsbürgerschaft ist ein Produkt der Vernunft, nicht der Tradition. Sie muss aufgebaut werden, sie wird nicht spontan geboren. Dies ist ein neues politisches Zeitalter, das sich durch Teilhabe und durch neue Formen der Staatsführung auszeichnet. Es ist im Grunde eine Zeit, in der die Souveränität von Staaten zur Souveränität von Menschen geworden ist.

Wie dem auch sei, ist es nicht paradox, dass die Politik die Menschen nicht dazu ermutigt, sich mit einem Projekt zu identifizieren, bei dem sie im Mittelpunkt stehen?

Das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ bietet kein ausreichendes Budget und keine hinreichend prägnante Informationsstrategie. Veröffentlichungen zu den Organen – insbesondere im Fernsehen –, in denen die Organe und das europäische Projekt gezeigt werden, dürfen nicht länger aufgeschoben werden.

Europa zu erklären ist unerlässlich, damit sich ein Gefühl für Europa herausbilden kann.

 
  
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  Ljudmila Novak (PPE-DE).(SL) Die größte Errungenschaft der Europäischen Union bis zum heutigen Tage besteht darin, den Frieden und das Zusammenleben zwischen den Nationen Europas zu sichern. Kritiker der Europäischen Union beklagen jedoch häufig, dass die von den europäischen Institutionen geleistete Arbeit zu teuer und nicht bürgernah ist.

Das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ bietet neue Initiativen, die die europäischen Bürger einander näher bringen sollen, auch diejenigen, die nicht in eine offizielle Form von Bildung eingebunden sind, sondern neues Wissen erwerben, Erfahrungen machen und Kontakte mit anderen Bürgern der Europäischen Union knüpfen wollen. Die Teilnahme an diesem Programm steht Partnerstädten offen, damit ist das Programm auch den Menschen zugänglich, die nicht jeden Tag an größeren EU-Projekten beteiligt sind. Indirekte Kontakte und persönliche Erfahrungen können jedoch in nennenswerter Weise zu einem Verständnis der Union beitragen, wie ich bei einem Zusammentreffen mit Besuchergruppen aus Slowenien im Europäischen Parlament feststellen konnte.

Auch der Sport besitzt eine große vereinigende Kraft und ermöglicht Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg. Der aktive Hochleistungssport ist einem rasch immer kleiner werdenden Kreis von Menschen vorbehalten. Dieses Programm unterstützt die internationale Beteiligung der breiteren Massen. Größere Projekte bringen größeren Nutzen, kleinere Projekte hingegen bringen vielen Einzelpersonen große Freude.

Die Programme werden umso erfolgreicher sein, wenn die Bürger leichter Zugang zu ihnen haben und nicht bei jeder Bewerbung Berge von Formularen ausfüllen müssen. Unsere Bürger sind oft von der Europäischen Union enttäuscht, eben weil sie auf zu viele administrative Hindernisse stoßen, wenn sie sich um finanzielle Unterstützung bemühen. Deshalb müssen wir bei lohnenden Programmangeboten danach streben, die Verfahren anzugleichen sowie eine größere Bekanntheit derartiger Mittel und den leichteren Zugang zu ihnen zu gewährleisten, und zwar sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. – (SK) Ich möchte Ihnen allen für Ihren Beitrag danken und insbesondere auch für das Engagement, dass Sie hinsichtlich der Bedeutung der Zusammenarbeit als Mitbürger der EU bei der Behandlung bestimmter Probleme oder Ideen gezeigt haben.

Das Programm selbst stellt die Rechtsgrundlage für die Implementierung dar und wird die Bedingungen festlegen, die auch die Kommission erfüllen muss. Es ist wichtig, dass diese Bedingungen so bald wie möglich bekannt sind und umgesetzt werden. Das Parlament wird über den Lenkungsausschuss und die Programmevaluierung daran beteiligt sein.

Was Freiwilligenarbeit und Verbesserungen bei der Anerkennung der außerschulischen Bildung betrifft, sind wir an Fortschritten in diesen Bereichen interessiert und bemühen uns darum, insbesondere aus der Sicht junger Menschen. Dies geschieht durch den Jugendpass, der der Freiwilligenarbeit mehr Transparenz und größeren Wert verleihen soll.

Ich stimme zu, dass ein Bewusstsein für die bisher erzielten Ergebnisse sowie für die Erfolge und die Art dieser Kooperation, insbesondere beispielsweise im Bereich der Städtezusammenarbeit, geschaffen werden muss. Mehr als 10 000 Gemeinden in der EU arbeiten im Rahmen des Bürgerprogramms zusammen. Vor drei Wochen haben wir 11 goldene Sterne für die besten Projekte verliehen – diejenigen Projekte, die inspirieren und die realen Menschen helfen, reale Probleme in Städten in der gesamten EU zu lösen. Solche Projekte könnten mehr Nachahmung finden, wenn die Menschen besser über sie informiert wären. In dieser Hinsicht stimme ich Herrn Beazley zu.

Das Programm wird auch Gelegenheiten für besondere Ereignisse schaffen. Ich möchte hier beispielsweise die Feiern anlässlich des 25. Jahrestages der polnischen Solidaritäts-Bewegung im vergangenen Jahr nennen, die aus einer speziellen Haushaltslinie und einem speziellen Haushaltstitel finanziert wurden. Es wird möglich sein, diesen Ansatz in den nächsten sieben Jahren mit Hilfe des Bürgerschafts-Programms umzusetzen.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ebenso wie wir ein „unternehmerfreundliches“ oder „marktfreundliches“ Europa benötigen, brauchen wir auch ein „bürgerfreundliches“ Europa, dass seinen Bürgern gegenüber sowohl wohl gesonnen als auch hilfreich ist, und dessen Fundament auf der Zivilgesellschaft und einem gewissen Grad von Reife ruht. Ich möchte auch betonen, dass der Name des Programms nur eine Seite der Medaille ist, da das wechselseitige Verhältnis zwischen „Bürger für Europa“ und „Europa für Bürger“ sehr wichtig ist. Dies ist unser Raum und gleichzeitig dient er uns. Wir müssen diesen Raum formen und entwickeln und die Verantwortung für ihn übernehmen.

Ich möchte noch einmal der Berichterstatterin und dem gesamten Parlament für das ausgesprochen konstruktive Herangehen an das Programm danken.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Katalin Lévai (PSE). – (HU) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir, meine Glückwünsche zur Auflegung des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ (2007-2013) zum Ausdruck zu bringen und Herrn Takkula zur jüngsten Fassung des Berichts zu gratulieren.

Europas institutionelle, soziale und politische Beziehungen bilden heute ein dichtes Netzwerk, dessen Fäden seit der Erweiterung noch enger miteinander verwoben sind. Die Herausbildung aktiver europäischer Bürger spielt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle, und ohne derartige Bürger wird es nicht möglich sein, die weitere demokratische und ausgewogene Entwicklung der Europäischen Union zu gewährleisten.

Wenn wir europäische Bürger wollen, die Verantwortung für sich und ihre Gesellschaft übernehmen, dann müssen wir den Schwerpunkt auf Werte legen, die heute als „verloren“ gelten, wie Freiheit, Fairness, Toleranz und Solidarität, und die die Grundwerte und das einende Band der europäischen Gesellschaft bilden. Meines Erachtens steht die ausgewogene Integration der Bürger im Mittelpunkt, aber vor allem müssen wir meiner Ansicht nach den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Weltanschauungen fördern. Nur so kommen wir unserem gemeinsamen Ziel näher, indem wir bei der Formulierung unserer Zielvorstellungen die Unterschiede anderer akzeptieren und unsere Vielfalt respektieren. Nur gegenseitige Verständigung, Solidarität und ein Gefühl der Zugehörigkeit kann den Bürgern Europas ein Gefühl der Identität geben. Ich unterstütze die Bemühungen um die Entwicklung einer europäischen Bürgerschaft auf der Grundlage gemeinsamer Werte sowie einer gemeinsamen Geschichte und Kultur.

Es ist wichtig, die Werte und Leistungen der Bürger von heute zu fördern und zu würdigen, doch darüber darf die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten. Wenn wir unser gemeinsames kulturelles Erbe pflegen, stärken wir damit das Fundament unserer gemeinsamen Zukunft.

Ich meine, dass europäische Bürgerschaft nicht mehr bedeutet, als Verantwortung für uns, unser Land und die Europäische Union zu übernehmen und unsere Rechte frei auszuüben, während wir anderen die gleichen Rechte zugestehen. Wir müssen das richtige Maß finden zwischen demokratischen Rechten und Pflichten.

Einer solchen europäischen Bürgerschaft schließe ich mich gern an.

 
  
  

Anlage – Erklärung der Kommission

Die Kommission möchte die Aufmerksamkeit des Legislativorgans auf die Notwendigkeit lenken, dass der im Basisakt genannte Finanzrahmen spätestens bei der endgültigen Veröffentlichung im Amtsblatt in laufenden Preisen ausgedrückt werden muss. Das entspricht der üblichen Haushaltspraxis und ermöglicht, dass die Entscheidung der Legislativbehörde in voller Transparenz respektiert wird. Für das fragliche Programm beläuft sich der Betrag in laufenden Preisen auf 215 Millionen Euro.

 

20. Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Perfluorooctansulfonaten (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Carl Schlyter im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Perfluorooctansulfonaten (Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates) (KOM(2005)0618 – C6-0418/2005 – 2005/0244(COD)) (A6-0251/2006).

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte zunächst dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Schlyter, für seine intensive Arbeit an diesem Vorschlag danken, die es ermöglicht hat, eine Übereinkunft mit dem Rat in erster Lesung zu erreichen.

Das ist eine wichtige Richtlinie. Es geht darum, das Inverkehrbringen und die Verwendung von perfluorierten Octansulfonaten (PFOS) und damit zusammenhängenden Substanzen zu beschränken. Diese Substanzen sind persistent, bioakkumulierend und giftig. Sie haben das Potenzial, zu unannehmbaren Risiken für die Gesundheit der Menschen und für den Zustand der Umwelt zu führen.

Die vorgeschlagene Richtlinie basiert auf gezielten Risikobewertungen und Folgenabschätzungen möglicher Maßnahmen. Einbezogen wurden ausführliche Beratungen mit allen Betroffenen. Die Richtlinie verbietet im Prinzip die Vermarktung und Verwendung von PFOS und damit zusammenhängenden Substanzen mit sehr begrenzten Ausnahmemöglichkeiten. Ausnahmeregelungen werden für unverzichtbare Anwendungen in kleinen Mengen vorgesehen, die nach der Stellungnahme des wissenschaftlichen Ausschusses der Kommission für Gesundheit und Umweltrisiken keine unannehmbaren Risiken darstellen.

Verwendungsmöglichkeiten im großen Maßstab – zum Beispiel im Bereich von Textilien und Teppichen – sind schon früher von der Industrie beendet worden, und diese Richtlinie wird zuverlässig verhindern, dass solche Verwendungen wieder eingeführt werden.

Die vorgeschlagene Richtlinie sorgt nicht nur für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, sie wird auch der Stärkung des Binnenmarktes dienen, da sie überall in der Gemeinschaft harmonisierte Regeln für die Vermarktung und die Verwendung von PFOS und damit zusammenhängenden Substanzen einführt.

Im Hinblick auf die Ausnahmeregelungen, die im Vorschlag enthalten sind, stimme ich damit überein, dass die Verwendung von PFOS und damit zusammenhängenden Substanzen in Fotoresists, in fotografischen Materialien, bei der Galvanisierung mit sechswertigem Chrom und anderen Metallen sowie hydraulischen Flüssigkeiten erlaubt bleiben sollte, weil die Risiken, die mit diesen Verwendungsmöglichkeiten zusammenhängen, akzeptabel sind, weil es keine gleichwertigen Alternativen gibt und weil es nicht sicher ist, dass die toxikologischen Profile von möglichen Alternativen günstiger sind.

Hinsichtlich der Feuerbekämpfungsschäume kann ich dem zustimmen, dass das Inverkehrbringen und die Verwendung von neuen Feuerbekämpfungsschäumen verboten werden sollten und dass ein Zeitraum von 54 Monaten für die weitere Verwendung von bereits bestehenden Vorräten gewährt wird.

Andererseits möchte ich zu diesem Zeitpunkt eine Ausdehnung der vorgesehenen Beschränkungen auf andere perfluorierte Alkylverbindungen wie zum Beispiel PFOA nicht unterstützen, da dies angesichts des Fehlens einer abgeschlossenen Risikobewertung und ausreichender Kenntnisse über derzeitige Verwendungsmöglichkeiten und Alternativen verfrüht ist, aber wir können auf dieses Thema zurückkommen.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass der Wandlungsprozess sehr von der engen Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission profitiert hat. Die Kommission kann daher auch allen Kompromissanträgen zustimmen, die vom Berichterstatter, Herrn Schlyter, vorgeschlagen werden.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE), Berichterstatter. – (SV) Herr Präsident! Ich möchte zunächst allen Schattenberichterstattern für eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit danken. Dadurch konnten wir bei der ersten Lesung eine Lösung zusammen mit dem Rat finden, der auch eine gute Arbeit zu diesem Thema geleistet hat.

Diese Lösung verbessert den ursprünglichen Vorschlag der Kommission, und es freut mich, dass auch diese sich jetzt hinter den Kompromiss stellt. PFOS und PFOS-Derivate sind hochfluoriert und extrem schwer abbaubar. Darüber hinaus sind sie hochgradig bioakkumulierbar. Wir wissen, dass chlororganische Verbindungen giftig sind und Umweltprobleme verursachen und haben auch die Schädlichkeit bromorganischer Verbindungen beobachtet. Flammschutzmittel stellen eine größere Bedrohung für uns dar als die Brände, die sie verhindern sollen.

Jetzt ist die Reihe an die fluororganischen Verbindungen gekommen, die extrem stabil sind. Verbindungen von Fluor und Kohlenstoff gehören zu den stärksten in der organischen Chemie. Eigenschaften wie Stabilität und Grenzflächenaktivität machen PFOS zu einer gefragten Chemikalie. Sie wird, wie der Herr Kommissar betont hat, seit vielen Jahren zur Oberflächenbehandlung von Chemikalien und Textilien verwendet. Der größte Hersteller erkannte die Risiken für seine Mitarbeiter und die Verbraucher, da bei den Arbeitern hohe Werte dieser Chemikalie festgestellt wurden. So wurde beschlossen, das PFOS-Produkt Scotchguard vom Markt zu nehmen.

Die Kommission will mit ihrem Vorschlag eine Wiedereinführung von PFOS verhindern, während der Kompromiss noch weiter geht. Wir haben damit schärfere Vorschriften für die Konzentration erreicht und legen den Konzentrationswert für Zubereitungen auf 0,005 Prozent fest. Das ist angemessen, da PFOS eben wegen seiner Eigenschaften als grenzflächenaktiver Stoff in geringen Konzentrationen verwendet wird. Würde der Grenzwert auf 0,1 Prozent festgelegt, bestünde die Gefahr, dass mehrere Anwendungen durch das Netz der gesetzlichen Vorschriften schlüpfen. Die Definition von Grenzflächen mit 1 Mikrogramm pro Quadratmeter verfolgt das gleiche Ziel.

Durch den Kompromiss mit dem Rat wird auch PFOS in Feuerlöschschäumen verboten. Das ist völlig logisch. Es gibt bereits Alternativen ohne fluororganische Verbindungen auf dem Markt. Angemessen ist auch ein Abbau der Lager, deren Frist im Kompromiss durch das Parlament auf 54 Monate verlängert wurde. Alle haben ein Eigeninteresse an einer Beschleunigung des Abbaus. Der große Ölbrand in Großbritannien, bei dem Millionen Liter Wasser mit PFOS verunreinigt wurden, hat die Kosten der Verwendung von PFOS aufgezeigt. Die einzige Möglichkeit, PFOS zu zerstören, ist die Hochtemperaturverbrennung. Jeder kann sich selbst ausrechnen, wie viel Arbeit mit der Hochtemperaturverbrennung von Millionen Litern Wasser verbunden ist.

Die Verchromung ist ein weiterer großer Bereich. Hier begrenzt der Vorschlag nun die nicht dekorative Hartverchromung mit sechswertigem Chrom als Prozessmittel. Diese Ausnahme soll außerdem nach einer Bestandsaufnahme der übrigen grundlegenden Anwendungen überprüft werden. Diese ist von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren durchzuführen. Auch hier gibt es Alternativen, beispielsweise größere geschlossene Systeme, bessere Belüftung und in der Zukunft hoffentlich auch andere Verfahren. Was die übrigen Ausnahmen wie Fotolithografie, Antireflexionsbeschichtungen und industrielle fotografische Beschichtungen betrifft, so handelt es sich um sehr geringe Mengen. Aber auch diese Ausnahmeregelungen werden wegfallen, sobald technisch und wirtschaftlich praktikable Alternativen vorliegen.

Ich möchte auch noch die PFOA erwähnen, das heißt die Säuren und Salze der gleichen Stoffgruppe. In Deutschland wissen viele Menschen im Ruhrgebiet, was es heißt, verunreinigtes Wasser zu haben. Sie erhalten jetzt ihr Trinkwasser aus Tankwagen, eine kostspielige und unhaltbare Lösung. Wir können versuchen, diese Verunreinigungen durch den Anhang zum Kompromiss über PFOA zu stoppen, dem zufolge die Kommission die Entwicklung von Alternativen laufend analysiert und bewertet. Wenn sichere Substitute vorliegen, werden diese die PFOA ersetzen. Meiner Ansicht nach sind wir hier unserer Zeit einen Schritt voraus. Wir müssen diese Frage in den Griff bekommen, denn das nächste große Umweltproblem kann die fluororganische Chemie mit ihren einzelnen Varianten sein. Dies ist ein erster Schritt zum Schutz von Mensch und Umwelt vor einigen dieser Stoffe.

Lassen Sie mich außerdem unterstreichen, dass dies ein Übereinkommen nach der ersten Lesung ist. Eine Billigung dieses Kompromisses durch das Parlament würde auch bedeuten, dass der Rat ihn unterstützt und wir noch vor dem Inkrafttreten von REACH fertig werden könnten. In diesem Fall würde dieser Kompromiss eine Anlage zu REACH darstellen. Wenn es uns nicht gelingt, diese Übereinkunft morgen zu erreichen, wird dieser Vorschlag einfach unter den Tisch fallen, da REACH dann ohne sie ihn Kraft tritt.

 
  
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  Avril Doyle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich hoffe, wir bewegen uns hier auf eine Einigung in erster Lesung hin. Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Schlyter, für seine hervorragende Zusammenarbeit bei diesem Bericht danken. Mit Freude habe ich vernommen, dass die Kommission allen Kompromissänderungsanträgen unseres Berichterstatters zustimmt. Das verheißt in der Tat Gutes für eine Einigung in erster Lesung.

Perfluorooctansulfonate – PFOS – sind Chlorverbindungen, die bei der Herstellung zahlreicher Konsumgüter wie z. B. Textilien und Papieren eingesetzt werden. Sie sind unter anderem für ihre wasserabweisenden Eigenschaften bekannt und werden täglich in zahlreichen Konsumgütern verwendet. Darüber hinaus kommen sie in einigen speziellen industriellen Anwendungen in Produkten zum Einsatz, deren Spektrum von Mikrochips, Feuerlöschschäumen, Verchromung bis hin zu Hydraulikflüssigkeiten für die Luft- und Raumfahrt reicht. Diese chemischen Stoffe sind bekanntermaßen sehr giftig, persistent und bioakkumulierbar.

Wir haben mehrere wichtige Änderungen am Entwurf des Vorschlags erreicht, mit dem die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor allem in dem Bereich besser geschützt werden, in dem der maximale Schwellenwert für den PFOS-Anteil, der als Stoff oder Zubereitung in den Handel kommen kann, gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission wesentlich reduziert wurde.

Ich begrüße es, dass die PFOA – Perfluoroctansäure – in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie einbezogen wurde. Einer kürzlich veröffentlichten OECD-Studie zufolge verhält sich dieser Stoff von der Struktur und Toxizität her ähnlich wie PFOS, weswegen seine Verwendung schrittweise eingestellt werden sollte. Die Industrie hat freiwillig vorgeschlagen, den Einsatz von PFOA bis 2014 zu reduzieren, was allein schon ein eindeutiges Zeichen dafür ist, dass wir mit unserem Gefühl richtig lagen, als wir auf der Einbeziehung von PFOA in diese Rechtsvorschrift bestanden haben.

Mit den von diesem Hohen Hause herbeigeführten Änderungen wurde der Vorschlag verbessert, und der Bericht von Herrn Schlyter ist sowohl ausgewogen als auch objektiv. Im Bericht wird anerkannt, dass Ausnahmeregelungen für den beschränkten speziellen Einsatz für kritische Anwendungen von Stoffen, für die bislang keine Alternativen verfügbar sind, erforderlich sind. So sind PFOS beispielsweise in sehr kleinen Mengen im Halbleitersektor und für Hydraulikflüssigkeiten für die Luft- und Raumfahrt unerlässlich. Die Tatsache, dass die schrittweise Einstellung ihrer Verwendung auf einer Einzelfallüberprüfung beruhen wird, bei der neue Informationen über Einzelheiten für den Einsatz und über weniger bedenkliche Alternativen berücksichtigt werden, stellt eine konstruktive und realistische Möglichkeit dar, die betreffenden Industrien dazu anzuhalten, sich aktiv um Alternativen zu bemühen.

Abschließend sei gesagt, dass dieser Rechtsakt offenbar noch während des finnischen Ratsvorsitzes verabschiedet werden wird, und wir können es vermeiden, diese giftigen Stoffe in die REACH-Warteschlange einzureihen.

 
  
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  Gyula Hegyi, im Namen der PSE-Fraktion. – (HU) Ich begrüße das vom Rat und vom Europäischen Parlament geschnürte Kompromisspaket, das in vielerlei Hinsicht strengere Maßstäbe anlegt als der Vorschlag der Kommission. Es ist erfreulich festzustellen, dass im Parlament im Wesentlichen Einigkeit über das Verbot bzw. die Beschränkung der Verwendung gefährlicher Substanzen herrscht.

Gesundheit, Umweltschutz und der Wunsch nach einem Leben in Gesundheit sind wichtiger als die einseitigen Interessen der Industrie. Inzwischen zweifelt niemand mehr an den Problemen, die von chemischen Substanzen verursacht werden. Der Bereich der chemischen Substanzen bedarf einer strengeren Regulierung, und genau das ist das Ziel der REACH-Regelung, mit der nicht nur eine einzige Substanz geregelt werden soll, sondern ca. 30 000 Verbindungen. Was den heute vorliegenden Vorschlag betrifft, so wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass Perfluorooctansulfonat eine gefährliche Substanz ist. Sie ist eine die menschliche Gesundheit gefährdende persistente Substanz, die nicht biologisch abgebaut wird, sondern bioakkumulierbar ist, sich also in den Körperzellen einlagert. Ihre Verwendung muss daher beschränkt werden.

Meines Erachtens ist es ein Erfolg, dass diese Substanz in mehr Bereichen verboten wird, als ursprünglich vorgeschlagen, und dass sie in anderen Bereichen nur für eine Übergangsfrist weiter verwendet werden darf. So darf im Falle von gefährlichen Bränden für einen gewissen Zeitraum auch weiterhin Feuerlöschschaum eingesetzt werden. Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, dann müssen wir natürlich zu den zur Verfügung stehenden Mitteln greifen. Langfristig ist es jedoch unbedingt erforderlich, dass diese Chemikalie durch Substanzen ersetzt wird, die für den menschlichen Körper keine Gefahr darstellen. Meines Erachtens ist die Aufnahme des Substitutionsprinzips in die Richtlinie besonders positiv zu bewerten, denn das bedeutet, wie sicher jeder weiß, dass toxische Chemikalien durch andere, unbedenkliche Substanzen ersetzt werden müssen und dass die Entwicklung und Einführung derartiger Substanzen in der Verantwortung der Hersteller liegt. Langfristig wäre die Verwendung von PFOS nur dort möglich, wo es keine Alternativen gibt und wo sie nicht mit dem menschlichen Körper in Berührung kommen.

Ich hoffe, dass jene, die nun für das Substitutionsprinzip in dieser Richtlinie stimmen werden, auch für das Substitutionsprinzip im Hinblick auf andere in der REACH-Richtlinie erfassten Verbindungen stimmen werden.

 
  
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  Holger Krahmer, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kollegen! An erster Stelle möchte ich mich beim Berichterstatter Carl Schlyter für die gute Zusammenarbeit bedanken. Es ist bekannt, dass wir beide nicht immer einer Meinung sind. Doch die Tatsache, dass wir morgen für einen Kompromiss stimmen werden, der eine Einigung in erster Lesung ermöglicht, ist doch erfreulich!

Ich begrüße es auch, dass der Kompromiss einige der Forderungen aus dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit wie die voreilige Einbeziehung von PFOA ohne eine vorausgegangene Risikobewertung nicht berücksichtigt. Die Toxizität von PFOS ist unstrittig und wird auch von der Industrie nicht in Frage gestellt. Schließlich war es die Industrie selbst, die in besonders kritischen Anwendungen wie Konsumgütern auf die Verwendung von PFOS verzichtet hat.

Aber in einigen Branchen am oberen Ende der Wertschöpfungskette wie in der Luft- und Raumfahrt oder in der Halbleiterindustrie kann derzeit auf die Verwendung von PFOS nicht verzichtet werden. Ein Verbot von PFOS oder eine zeitlich streng begrenzte Ausnahme würde einigen Spitzentechnologiebranchen die Planungssicherheit nehmen. Hier hat die Kommission in ihrem Vorschlag bereits sinnvolle Ausnahmeregelungen vorgesehen, die unbedingt beibehalten werden müssen, solange es kein adäquates Substitut gibt.

Das Problem mit PFOS ist aber nicht die Verwendung des Stoffes in diesen Branchen, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich der Stoff nach wie vor in alten Textilien wie Teppichen oder Kleidungsstücken befindet und von dort aus in die Umwelt gelangt.

Lassen Sie mich auch im Hinblick auf die bevorstehende REACH-Debatte noch einige abschließende Worte zur Stoffpolitik der EU sagen. In der Chemikaliengesetzgebung der EU muss eine Balance zwischen der sozioökonomisch sinnvollen Verwendung bestimmter Substanzen und hohen Umweltstandards gefunden werden. Ausnahmen müssen, wie bei PFOS, immer dann möglich sein, wenn keine adäquaten Alternativen existieren. Das Ziel der Chemikalienpolitik muss schließlich die sichere, risikobasierte Handhabung von Chemikalien sein, und nicht die ideologische Politik pauschaler Stoffverbote.

Ich hoffe, Herr Kommissar, dass Sie sich auch in Zukunft weiterhin für eine vernünftige Chemikalienpolitik einsetzen werden.

 
  
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  Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Damen und Herren! Wir treffen heute einen Beschluss über eine Begrenzung der gefährlichen und schädlichen Substanzen Perfluorooctansulfonate und der eng damit verwandten Perfluoroctansäure – PFOS und PFOA.

Ich freue mich besonders über die breite Unterstützung für die solide Arbeit meines Landsmannes, Herrn Schlyter. Gute Arbeit, Carl!

Ich meine, wir sollten uns an diese gemeinsame Sicht der Dinge erinnern, wenn wir im Laufe des Herbstes einen weiteren – sowohl für die Umwelt als auch für unsere Gesundheit – außerordentlich wichtigen Beschluss fassen, nämlich den neuen europäischen Rechtsrahmen für Chemikalien, REACH. Auch dabei hoffe ich auf eine große Unterstützung quer durch das politische Spektrum von links nach rechts und von der Kommission bis zum Ministerrat.

Wie bereits angeführt, ist PFOS ein gefährlicher Stoff. Er ist bioakkumulierbar, das heißt, er verbleibt für lange Zeit in der Umwelt und in unseren Körpern. Bei einer an Personen in 17 Ländern durchgeführten Untersuchung des WWF wurden PFOS und sechs weitere Perfluorverbindungen in den Körpern nachgewiesen. Es ist also höchste Zeit, dass wir hier Beschränkungen einführen. Daher freue ich mich, dass Herr Schlyter und ein im Prinzip einhelliger Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit die Schwellenwerte für die auf dem Markt zugelassene Menge an PFOS erhöht haben. Ich hätte mir vom Ausschuss deutlichere Fristen dafür gewünscht, wann PFOS vom Markt zu nehmen ist. Abgesehen von diesem Vorbehalt halte ich den Bericht für ausgezeichnet, sodass ich persönlich und auch meine Fraktion, die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke, ihm gern zustimmen.

Ich möchte dort abschließen, wo ich begonnen habe. Es ist gut, dass das Parlament Beschränkungen für gesundheits- und umweltgefährdende Stoffe beschließt. Ferner ist eine derart breite Unterstützung für diese Maßnahmen eine ausgezeichnete Sache. Ich hoffe daher, dass wir dies bei dem im Herbst anstehenden Beschluss über REACH nicht vergessen. Lassen Sie uns auch dann eine breite Unterstützung für wirkungsvolle Chemikalienvorschriften erreichen.

 
  
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  Peter Liese (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich dem Dank an den Berichterstatter anschließen.

Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie sind Mutter oder Vater eines kleinen Kindes und das Gesundheitsamt in dem Kreis, in dem Sie wohnen, sagt, Sie dürfen das Trinkwasser, das Sie seit Monaten, seit Jahren selbst trinken, nicht mehr für die Zubereitung von Säuglingsnahrung und für die Kinder verwenden, weil es sehr hohe Konzentrationen von PFOS enthält! Oder stellen Sie sich vor, Sie sind Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt und müssen mehrere Millionen Euro öffentlicher Mittel, Gelder von Steuer- und Gebührenzahlern, dazu verwenden, die Trinkwasserversorgung wieder PFOS-frei zu machen! Dann hätten Sie sicherlich ein größeres Problem.

So ist es vor einigen Wochen in meiner Wahlregion, in Südwestfalen, geschehen. Wir haben erhebliche Probleme mit dem Stoff PFOS, und das hat keine lokalen Ursachen, sondern wir haben festgestellt, dass die Spur dieser massiven Verunreinigung ins europäische Ausland – wahrscheinlich nach Belgien und in die Niederlande – führt.

Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass – wenn man etwas genauer untersucht – auch in vielen anderen Regionen Europas solche Probleme für die Eltern und für die Kommunalpolitiker auftreten, wie sie zurzeit bei mir zuhause existieren. Wir müssen deshalb jetzt in diesem konkreten Fall genau die Ursache ermitteln und wenn es möglicherweise illegale Umdeklarationen gab, muss dem nachgegangen werden. Aber wir müssen auch das Problem an der Wurzel packen, denn die Konzentration ist in diesem Fall besonders hoch. Der Stoff wird aber auch in der Antarktis nachgewiesen und schon an der Quelle des Rheins, wo es noch gar keine Industrie gibt.

Man muss sehr genau hinschauen. Deswegen bin ich froh, dass wir es geschafft haben, den Kommissionsvorschlag zu präzisieren und zu verbessern, und dass wir einige Ausnahmen, die nicht gerechtfertigt waren – wie zum Beispiel die Ausnahme für Feuerlöschschäume, für die es Ersatzmittel gibt –, gestrichen haben. Wir haben jetzt einen guten Kompromiss erreicht und sollten ihm zustimmen.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE).(EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Herr Schlyter hat es wirklich verdient, dass wir ihn zu diesem hervorragenden Bericht, den ich uneingeschränkt befürworte, beglückwünschen. Der wohl wichtigste Aspekt dieses Gesetzesvorschlags ist die Erkenntnis, dass die Geschichte der PFOS für die EU und den internationalen Verbraucherschutz leider alles andere als glorreich verlaufen ist und sich so nie mehr wiederholen darf. Obwohl allgemein bekannt war, dass PFOS persistente, bioakkumulierbare und giftige Verbindungen sind, wurden sie jahrzehntelang bei zahlreichen Konsumgütern und verschiedenen industriellen Anwendungen eingesetzt. Dies hat zu einer irreversiblen Kontaminierung der Umwelt wie auch von Tier und Mensch geführt.

Hoffen wir also alle, dass die hier vorliegende Richtlinie so bald wie möglich uneingeschränkt umgesetzt wird, aber zugleich dürfen wir nicht vergessen, dass auch entsprechende Rechtsvorschriften erforderlich sein werden, die sich mit den mehreren hundert weiteren perfluorierten Verbindungen befassen, die ebenfalls sehr giftig sind und uns heutzutage mehr oder weniger leicht vergiften können und dies auch auf absehbare Zeit weiterhin tun werden.

 
  
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  Thomas Ulmer (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank an Herrn Kollegen Schlyter für den engagierten Bericht. PFOS, ein halogenierter Kohlenwasserstoff, ist eine für den Menschen toxische Substanz, die sowohl karzinogen als auch erbgutschädigend ist.

Für diese Kategorie von Stoffen gibt es keine wissenschaftlichen Grenzwerte, sondern nur empirische Schwellenwerte. Diese Substanzen sind nicht biologisch abbaubar, sie sind fettlöslich und sie bestehen, einmal produziert, praktisch für immer. Der Mensch kann sie auch, einmal aufgenommen, so gut wie nicht mehr ausscheiden.

PFOA hat aus medizinischer und toxikologischer Sicht mit größter Wahrscheinlichkeit eine sehr ähnliche oder identische Wirkung, wenn auch die wissenschaftliche Datenlage hier noch nicht endgültig beweiskräftig ist. Hier wird REACH wohl greifen, und das Substitutionsprinzip wird eine entscheidende Rolle spielen, wobei ich persönlich immer Bedenken habe. Bei aller Begeisterung für die Wirtschaft sowie für Wertschöpfung möchte ich als Christ nicht Wertschöpfung gegen Menschenleben aufrechnen.

Erschreckend sind für mich die Messergebnisse dieser Chemikalien sowohl in Meeres- als auch in Flussfischen. Wir gehen jetzt mit gutem Recht und gutem Gewissen über den ursprünglichen Vorschlag der Kommission und des Rates hinaus. Der Schwellenwert wird massiv um nahezu zwei Zehnerpotenzen abgesenkt. Die Ausnahmen für das Verchromen wurden deutlich reduziert. Die Ausnahme für Feuerlöscher wurde sinnvollerweise gestrichen, da hier unbegrenzte Mengen in die Umwelt freigesetzt werden können. Die Ausnahme für geschlossene Systeme wurde gestrichen, da hier kaum ein Dichtigkeitsnachweis zu führen ist.

Insgesamt möchte ich für die gute Zusammenarbeit danken und vor allen Dingen für die rasche Bearbeitung, denn wir waren innerhalb von drei Monaten in der Lage, einen tragfähigen Kompromiss zu erarbeiten.

 
  
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  Günter Verheugen, Vizepräsident der Kommission. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Frage der PFOA eingehen und dann noch eine sehr grundsätzliche Bemerkung machen.

Das letzte Wort in der Angelegenheit PFOA ist nicht gesprochen. Es war nicht möglich, das Verbot dieser Substanzen in diese Richtlinie aufzunehmen, weil wir über keine ausreichende Risikobewertung und auch über keine Folgenabschätzung verfügen. Aber es läuft zurzeit eine internationale Risikobewertung auf der Ebene der OECD. Wir werden die Ergebnisse selbstverständlich sorgfältig betrachten und, falls notwendig, die entsprechenden Vorschläge machen.

Ich wohne in demselben deutschen Bundesland wie der Herr Abgeordnete Liese und habe den Fall, den er geschildert hat, selber mit großem Interesse verfolgt. Ich kann heute dazu nur Folgendes sagen: Die Untersuchungen der deutschen Behörden sind ja nicht abgeschlossen, ich gewinne aber sehr stark den Eindruck, dass wir es hier schlicht und einfach mit einem Fall von Umweltkriminalität zu tun haben. Hier sind entgegen dem bestehenden Recht Giftstoffe in die Umwelt eingebracht worden. Ob man das mit diesen Richtlinien hätte verhindern können, steht auf einem anderen Blatt. Doch die Risiken, die Herr Liese beschrieben hat, sind auf diese Art und Weise noch einmal ausdrücklich bestätigt worden, und deshalb fand ich es wichtig, dass er auf diesen Fall hingewiesen hat.

In einer modernen Industriegesellschaft wird es immer unumgänglich sein, mit bestimmten Risiken zu leben. Die Frage, welche Risiken wir für akzeptabel halten und welche nicht, ist eine Frage, die wir immer wieder neu entscheiden müssen. Es gibt eine Reihe von Beurteilungsmaßstäben, die uns dabei helfen können.

Ich will Ihnen aber einen nennen, den ich nicht akzeptiere – und hier spricht der Industriekommissar. Ich akzeptiere nicht das Argument, wir müssten das Risiko hochtoxischer Substanzen in unserer Umwelt akzeptieren, weil es Investitionen gegeben hat. Ich akzeptiere nicht das Argument, wir müssten solche Substanzen akzeptieren, weil damit Erträge erwirtschaftet werden. Ich akzeptiere nicht einmal das Argument – auch wenn ich mir jetzt keine Freunde mache –, wir müssten diese Substanzen verwenden, weil damit Arbeitsplätze erhalten werden. Ich halte diese Gegenüberstellung von Arbeitsplätzen in der Industrie und der Verwendung von giftigen Substanzen, die substituierbar sind, für völlig unangemessen. In einer solchen Situation kann die Entscheidung immer nur die sein, Mensch und Umwelt vor Risiken, die nicht unvermeidbar sind, bedingungslos zu schützen.

Das ist die Linie, die jedenfalls meiner Politik in all diesen Fragen zugrunde liegt. Sie werden das merken, wenn wir in kurzer Zeit in diesem Plenum über die wichtigste, die umfangreichste und modernste Chemikaliengesetzgebung der Welt zu sprechen haben, nämlich über REACH.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.30 Uhr statt.

 

21. Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft (2004) (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Cristiana Muscardini im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über den Jahresbericht der Kommission an das Europäische Parlament über die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft (2004) (2006/2136(INI)) (A6-0243/2006).

 
  
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  Cristiana Muscardini (UEN), Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, Her Kommissar, meine Damen und Herren! Der von den Kommissionsdienststellen vorgelegte Jahresbericht 2004 über die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen von Drittländern gegen die Gemeinschaft hat eine Tatsache enthüllt, die große Besorgnis in unserem Parlamentsausschuss hervorgerufen hat. Aus diesem Bericht geht ein ungewöhnlicher Anstieg der Fälle handelspolitischer Schutzmaßnahmen hervor, und zwar nicht nur von den Staaten, die traditionell zu derartigen Maßnahmen greifen, sondern auch von anderen WTO-Mitgliedern, die zu den Schwellenländern gehören. Die Regeln und die Rechtsprechung der WTO werden in vielen Fällen teilweise oder gänzlich missachtet, und der Industrie der Gemeinschaft wird so ein nicht hinnehmbarer Schaden zugefügt.

Was die entwickelten Länder, insbesondere die Vereinigten Staaten, betrifft, so entstehen die Hauptprobleme durch eine einseitige und zu wenig auf die Regeln der WTO bedachte Anwendung. Bestimmte Schwellenländer erheben Ausgleichszölle, mit denen nicht etwa unlauteren Handelspraktiken entgegengetreten, sondern vielmehr bestimmten Bereichen ihrer Industrie ein zusätzlicher Schutz gegen Waren aus dem Ausland geboten werden soll. In vielen Fällen sind die Untersuchungsstandards niedrig oder dergestalt, dass sie Zweifel an ihrer vollständigen Vereinbarkeit mit den WTO-Regeln aufkommen lassen.

In dem Bericht der Kommission werden einige dieser symptomatischen Fälle aufgeführt, wie zum Beispiel das „Zeroing“ der Vereinigten Staaten, die indischen Antidumpingfälle, südamerikanischen und australischen Fälle im Agrarsektor und ganz allgemein der extensive und unfaire Gebrauch von Schutzmaßnahmen. In vielen Fällen, die gegen die Europäische Gemeinschaft vorgebracht wurden, gelang es der Gemeinschaft, einen angemessenen Ausgleich bei der Streitbeilegung in der WTO zu erreichen.

Doch ein solcher Erfolg stellt sich oft zu spät ein, so dass für die europäische Industrie ein irreparabler Schaden entsteht. In Anbetracht der Situation, die uns die Kommission in ihrem Bericht beschrieben hat, hätte der Ausschuss für internationalen Handel instinktiv reagieren und vorschlagen können, dieselben Methoden und Verhaltensweisen wie unsere Handelspartner an den Tag zu legen, die gegen die Antidumping-, Antisubventions- und Schutzbestimmungen verstoßen, doch er hat es nicht getan. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass die Achtung der auf internationaler Ebene und in einem multilateralen Rahmen festgelegten Handelsregeln die Hauptstütze des Wirtschaftswachstums und ganz allgemein des friedlichen Miteinanders der Nationen bildet. Zweimal falsch ergibt nicht einmal richtig. Eingedenk dessen wollen wir bekräftigen, dass die Regeln eingehalten und im Falle ihrer Nichteinhaltung umgehend Sanktionen verhängt werden müssen, um das Recht durchzusetzen. Wenn die Sanktionen nicht schnell greifen, ist der Schaden nicht wieder gutzumachen.

Zur Verteidigung der Legalität und des Bereichs der europäischen Industrie, der sich zu Unrecht von diesen ungesetzlichen Maßnahmen getroffen fühlt, fordern wir die Kommission auf, innerhalb der WTO entschlossen die Verhandlungen fortzuführen, damit bei handelspolitischen Schutzmaßnahmen anderer WTO-Mitglieder weniger Willkür herrscht, und sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die Beschlüsse des Streitbeilegungsgremiums der WTO schneller und wirksamer umgesetzt werden. Diese Punkte sollten in die Entwicklungsagenda von Doha aufgenommen werden, sofern die Verhandlungen – wie wir hoffen – wiederaufgenommen werden.

Deshalb fordern wir die Kommission auf, dieser Frage im Rahmen der vor kurzem von Herrn Mandelson vor dem Ausschuss für internationalen Handel angekündigten Maßnahmen zur Steigerung der äußeren Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie die gebührende Bedeutung beizumessen.

Schließlich empfehlen wir der Kommission, Handelspartnern, die sich wiederholt und mit schwer wiegenden wirtschaftlichen Folgen für die europäische Industrie nicht an die Regeln und die Rechtsprechung der WTO halten, keine Präferenzbehandlung einzuräumen.

Der Ausschuss für internationalen Handel ist der Auffassung, dass wir angesichts ernster Situationen nicht völlig untätig bleiben können. Wenn wir die Unterstützung der Öffentlichkeit für die neuen Regeln des internationalen Handels gewinnen wollen, müssen wir uns für mehr Transparenz und Konsequenz sowie eine striktere Einhaltung von Recht und Gesetz durch alle Akteure einsetzen, indem wir Maßnahmen ergreifen, die von Grenzkontrollen bis hin zur Verhängung gemeinsamer Sanktionen gegen diejenigen reichen, die im Gebiet der Union mit gefälschten oder illegalen Waren handeln.

Wir können die Schlussfolgerungen dieses Berichts mit der jüngsten Initiative der Kommission für eine Reform der Antidumping- und Antisubventionspolitik der Europäischen Gemeinschaft in Zusammenhang bringen. Ziel dieser Reform ist die Beschränkung der Anwendung solcher Instrumente durch die Kommission im Rahmen der Bemühungen um eine sorgfältigere und umfassendere Berücksichtigung des Gemeinschaftsinteresses.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin, Frau Muscardini, und dem Ausschuss für internationalen Handel für ihre ausgezeichnete Arbeit zu diesem bedeutenden Thema danken.

Die Europäische Union ist einer der weltweit größten Exporteure, und damit sind wir Handelsschutzmaßnahmen von Drittländern ausgesetzt. Wenn solche Maßnahmen unter Einhaltung der WTO-Regeln eingeleitet werden, können und sollten wir uns nicht beklagen, und das tun wir ja auch nicht. Aber so liegen die Dinge nicht immer, und diese Maßnahmen können ganz schnell zu einer ernsten und unbegründeten Behinderung unserer rechtmäßigen Marktzugangsmöglichkeiten werden.

Deshalb müssen wir die Maßnahmen von Drittstaaten zum Schutz vor unseren Exporten genau überwachen und einschreiten, um deren negative Auswirkungen auf unsere Unternehmen auf ein Minimum zu beschränken. Und wir sollten natürlich wachsam sein. Wenn möglich, bevorzugen wir den diplomatischen Weg als den schnelleren und effektiveren Weg zur Lösung dieser Probleme, wenn wir Partner haben, die an einer Lösung interessiert sind. Wenn die Diplomatie aber versagt, zögern wir nicht, auf WTO-Gremien zurückzugreifen, was unser gutes Recht ist.

Sowohl durch Diplomatie als auch durch Streitbeilegungsverfahren konnten beachtliche Erfolge erzielt werden. Nehmen wir zum Beispiel die im Bericht genannten indischen Fälle. Diplomatie hat erreicht, dass immerhin zwölf Maßnahmen eingestellt wurden. Wir hoffen auch auf spürbare Erfolge bei den von Ihnen aufgeführten Fällen im Agrarsektor.

Es ist allgemein bekannt, dass die USA in diesem Zusammenhang für uns immer wieder ein Problem sind. Sie sind für den freien Handel, wenden aber Handelsschutzmaßnahmen in einer Weise an, die viele für unangemessen halten. Dies gilt besonders für den Stahlsektor, wo wir seit Jahren bei vielen ihrer Dumping- und Subventionsmaßnahmen gegen gewisse Vorgehensweisen argumentieren. Wir sind in Genf ein ganzes Stück vorangekommen, aber – ehrlich gesagt – ist es sehr mühselig, sogar in Streitfällen, die sie verloren haben, sie dazu bringen, die Abhilfemaßnahmen durchzuführen.

Wir können nicht alles mit Diplomatie oder im Rechtsweg lösen. Darum begrüßen wir Ihre Unterstützung der Vorschläge, die wir in der Doha-Runde zur Verschärfung der Bestimmungen und der Disziplin in Bezug auf die Anwendung von Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen vorgelegt haben.

Die Doha-Runde ist ausgesetzt, was ich zutiefst bedauere und missbillige, aber wir setzen alles daran, sie wieder aufzunehmen. Für den Handelsschutz könnten wir damit bessere Regelungen entsprechend der EU-Praxis anstreben und den Ländern einen Missbrauch des Systems erschweren, was einige, fürchte ich, nur allzu bereitwillig tun würden. Wir brauchen strengere Regeln im Antidumpingsystem.

Wir brauchen eine größere Transparenz bei der Anwendung handelspolitischer Schutzinstrumente. Wir brauchen weniger Willkür seitens der Regierungen. Ein solches Verhalten bringt einfach die Bestimmungen in Misskredit. Es bringt das System in einen schlechten Ruf und lässt das multilaterale Handelssystem und seine wichtigste Institution, die WTO, nicht gut dastehen.

Wir stimmen Ihnen zu, dass der Streitbeilegungsmechanismus ein wesentliches Merkmal des WTO-Systems ist, das geschützt werden muss. Wir arbeiten jedoch auch intensiv an seiner Verbesserung, damit schneller Rechtsmittel eingelegt werden können.

Wir werden jedes bilaterale Handelsabkommen mit Drittländern nutzen, um sicherzustellen, dass unsere Partnerländer spezielle Verpflichtungen zur gerechten Anwendung der Handelsschutzinstrumente eingehen. Dies ist keine Alternative zur Stärkung und Verbesserung der WTO-Bestimmungen. Vielmehr wird das dadurch untermauert. Es ist eine Möglichkeit, eine Absicherung zu bekommen, damit wir alle verfügbaren Methoden nutzen können, die Anwendung dieser Instrumente vernünftig und diszipliniert vonstatten gehen zu lassen. Dies würde besonders für jene Länder gelten, die sie am meisten missbrauchen.

Bewährte Praktiken sind ebenso wichtig wie bewährte Bestimmungen. Daher verwenden die Dienststellen der Kommission einen Großteil ihrer Zeit und Ressourcen darauf, Drittländer, die die handelspolitischen Schutzmaßnahmen erstmals anwenden, technisch zu unterstützen. Wir streben an, dass sie diese Maßnahmen gerecht und ausgewogen und im Einklang mit unseren hohen Standards einsetzen.

Diese Bemühungen tragen offenbar Früchte. Ende 2005 haben wir eine willkommene Abweichung von der Tendenz vorhergehender Jahre festgestellt, denn die Anzahl der Fälle, in denen handelspolitische Schutzmaßnahmen gegen die Exporteure der Gemeinschaft ergriffen wurden, war von 33 im Jahr 2004 auf 19 im Jahr 2005 gesunken. Der Marktzugang einschließlich einer gerechten und angemessenen Anwendung der Handelsschutzinstrumente der WTO durch unsere Handelspartner steht auf unserer Prioritätenliste sehr weit oben, und wir werden weiterhin alle erforderlichen Schritte unternehmen, um zu gewährleisten, dass unsere Exporte nicht ungebührlich benachteiligt werden.

Natürlich ist es schwierig, jeden Einzelfall mit unseren aktuellen Mitteln zu verfolgen, und ich würde natürlich gern mehr für unsere Exporteure tun, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen, die in diesem Bereich oft sehr unerfahren sind. Die EU muss weiterhin ein Vorbild sein, dem andere folgen können.

Im Bericht wird daran erinnert, dass wir Instrumente zum Schutz des Handels moderat handhaben. Diesen Ruf haben wir zu Recht, und das muss so bleiben. In diesem Sinne habe ich vor Kurzem den Anstoß zu einem Reflexionsprozess gegeben, wie die europäischen Instrumente zum Schutz des Handels – wie etwa das Antidumpinginstrument – in der modernen Weltwirtschaft funktionieren. Anfang 2007 wird auf der Grundlage des in den nächsten Monaten erwarteten Grünbuchs eine umfassende öffentliche Konsultation stattfinden.

Aufgrund dieser Konsultation wird die Kommission auf zahlreiche Meinungen zurückgreifen und ermitteln können, ob unsere Bestimmungen und Praktiken noch verbesserungswürdig sind. Unsere Handelsschutzinstrumente können wesentlich zur Sicherung eines freien und fairen Handels beitragen, und das gibt unserer Wettbewerbsfähigkeit Auftrieb. Dazu wird eine intensive und enge Zusammenarbeit mit allen Interessengruppen, einschließlich der Mitgliedstaaten und der Industrie, und, das möchte ich hinzufügen, auch die Unterstützung und Beteiligung des Europäischen Parlaments gehören.

 
  
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  Syed Kamall, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich begrüße den Tenor sowohl des Berichts der Kommission als auch des Berichts von Frau Muscardini, die ein möglichst offenes und faires Welthandelssystem befürworten. Wenn wir jedoch an die Antidumpingmaßnahmen von Drittländern denken, müssen wir in der Gemeinschaft die moralische Führung übernehmen und Heuchelei vermeiden.

Wir können dem zustimmen, dass Handelsschutzmechanismen häufig als Vorwand benutzt werden, um heimische Märkte vor Konkurrenz zu schützen; aber wir sollten auch zugeben, dass die EU sich mitunter der Verwendung dieser Mechanismen zum Schutz nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen vor Anbietern aus Drittländern schuldig macht, wofür Schuhe und Textilien aktuelle Beispiele sind. Glücklicherweise setzen wir diese Mechanismen immer noch sehr sparsam ein.

Angesichts des möglichen Scheiterns der Doha-Entwicklungsrunde müssen wir mit unseren Handelspartnern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass ihre Rechtsvorschriften und Praktiken weitestgehend den WTO-Regeln entsprechen. Um aber in diesen Bereichen eine moralische Autorität zu haben, müssen unsere eigenen Untersuchungen über Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen transparent und unparteiisch durchgeführt werden.

Besorgt stimmt mich die Forderung nach einem „Gemeinschaftsansatz“, um die kleinen und mittelständischen europäischen Exportunternehmen zu schützen, die sich im Ausland mit Protektionismus auseinandersetzen müssen. Während der „Büstenhalter-Kriege“ im letzten Jahr gab es einen „Gemeinschaftsansatz“ zur Unterbindung von Importen aus China, was dazu führte, dass KMU in der Londoner Modebranche Verträge verloren und Kunden Entschädigungen leisteten, die auf unerledigte Aufträge warten mussten. Wenn das ein Gemeinschaftsansatz ist, dann wollen wir in London weniger davon.

Wenn es zur Schlichtung kommt, sind wir uns wohl alle einig, dass eine Ad-hoc-Schiedsinstanz aus ausgewiesenen Experten gebildet werden sollte. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die in dieser Instanz tätigen Experten Fachleute auf dem untersuchten Sektor sind, die sich mit der Struktur der Industrie und den verbundenen Kosten auskennen, nicht einfach nur Fachleute für allgemeinere Handelsfragen.

Alles in allem möchte ich sowohl der Kommission als auch der Berichterstatterin zu diesem Bericht gratulieren.

 
  
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  Francisco Assis, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident! Die Zunahme des internationalen Handels in den letzten Jahren hat unter anderem zu mehr Wettbewerb geführt und viele Länder dazu verleitet, auf handelspolitische Schutzmaßnahmen zurückzugreifen, um ihre Märkte zu schützen. Es sollte daher nicht verwundern, dass im Zusammenhang mit immer mehr Sachlagen Antidumping-, Antisubventions- und Schutzmaßnahmen eingeführt wurden.

Wie in dem uns vorliegenden Bericht eindeutig nachgewiesen wird, sind bei vielen Gelegenheiten europäische Ausfuhren Ziel solcher Maßnahmen von Drittländern. Diese Fälle haben in alarmierendem Umfang zugenommen. Daran sind Länder beteiligt, die „traditionell“ solche Maßnahmen anwenden, aber auch einige der neuen Akteure in den internationalen Handelsbeziehungen.

Deshalb muss man sich ernsthaft mit diesem Phänomen auseinandersetzen, das einer Reihe europäischer Branchen erheblichen Schaden zufügen könnte. Das bedingt zuallererst, dass man die Fälle, in denen sich der Einsatz dieser Instrumente voll und ganz aus der legitimen Anwendung der Grundsätze fairer Handelsbeziehungen ergibt, sorgfältig von den Fällen trennt, in denen ihr Einsatz ein rein rechtlicher Vorwand ist, um illegale protektionistische Maßnahmen im schlimmsten Wortsinne zu verschleiern. Diese Unterscheidung ist nur dann ganz eindeutig zu treffen, wenn wir uns zu mehr Transparenz in den Verfahren bekennen, mit denen bewertet werden soll, ob Handelsschutzmaßnahmen legitim eingesetzt werden oder nicht. Deshalb geht es darum, eine lückenlose Einhaltung der Regeln und der Rechtsprechung der Welthandelsorganisation zu gewährleisten. Zu diesem Zweck muss sich die Kommission um eine Optimierung dieser Verfahren bemühen, um damit von der widerrechtlichen Verwendung dieser Instrumente abzuschrecken.

Davon abgesehen muss darauf hingewiesen werden, wie wichtig die Hilfe der Kommission für die Mitgliedstaaten und für die europäische Wirtschaft in Handelsschutzfällen ist, die auf Drittländer zurückgehen. Diese Unterstützung spielt besonders für KMU eine wichtige Rolle, die naturgemäß weniger gut für den Umgang mit derartigen Situationen gerüstet sind.

Abschließend begrüßen wir die Bereitschaft der Kommission, in der WTO eine aktive Rolle bei der gemeinsamen Überprüfung der Bestimmungen zur Regelung handelspolitischer Schutzmaßnahmen zu spielen, wo es darum geht, den Wert des Multilateralismus zu stärken. Man darf jedoch in dieser Debatte zu keinem Zeitpunkt vergessen, dass die EU der offenste Handelsraum der Welt ist und dass die Europäer ebenfalls rechtmäßige Interessen haben, die zu schützen sind.

 
  
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  Daniel Caspary (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Kollegen! Geschätzte Kollegin Muscardini, herzlichen Glückwunsch zu diesem gelungenen Bericht!

Der freie Zugang zu ausländischen Märkten ist von existenzieller Bedeutung für sehr viele europäische Unternehmen. Dieser freie Zugang ist heute in vielen Fällen nicht gegeben. In diesen Fällen behindern Drittländer schlicht vertragswidrig oder im Widerspruch zu den WTO-Regeln den Marktzugang von europäischen Unternehmen. Die Drittländer nutzen hierbei das gesamte Spektrum von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen geschickt zu ihrem Vorteil und unserem Nachteil aus. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und somit auch der Arbeitsmarkt der Europäischen Union leiden enorm unter diesen Schwierigkeiten. Dieses Vorgehen einiger unserer Handelspartner ist nicht akzeptabel.

Sehr geehrter Herr Kommissar, wir können es als Europäische Union nicht zulassen, dass andere Länder uns gegenüber so vorgehen. Alle Welthandelspartner müssen sich an die Regeln halten. Auch wir als Europäische Union dürfen gegenüber Drittländern nicht so vorgehen. Auch wir müssen uns an alle Regeln halten, um glaubwürdig und ohne offene Flanken gegen die Regelbrecher vorgehen zu können. Ein fairer und freier Welthandel ist nur möglich, wenn es ein Regelwerk gibt, das verbindlich ist und an das sich wirklich alle halten.

Was ist also zu tun? Ich fordere die Kommission auf, alles daranzusetzen, dass wir Europäer uns an die Regeln halten. Ich fordere die Kommission auf, Maßnahmen zum Schutz unserer Unternehmen zu ergreifen, wenn feststeht, dass die Regeln von einzelnen Handelspartnern nicht eingehalten werden. Ich fordere die Kommission auf, hierbei das bestehende oder auch ein verbessertes Streitbeilegungsverfahren konsequent zu nutzen, wenn es bei konkreten Fällen kurzfristig keine gütliche Einigung gibt.

Die Einhaltung der Regeln durch alle Handelspartner muss ein Schwerpunkt unserer künftigen Bemühungen sein. Nur wenn sich wirklich alle an die Regeln halten, können die Menschen auf Dauer von den Vorteilen des Welthandels profitieren.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich danke der Berichterstatterin für einen sehr umfassenden Bericht über die von Drittstaaten gegen die Europäische Union ergriffenen Schutzmaßnahmen. Leider bestätigt sich beim Studium von Frau Muscardinis Bericht und dem Bericht der Kommission, dass die europäische Handelspolitik dem Schutz der Produzenten auf Kosten der Verbraucher Vorrang einräumt. Das ist gerade im Agrarsektor der Fall.

Einfuhrquoten, Anti-Dumpingzölle und administrative Hemmnisse für landwirtschaftliche Erzeugnisse kosten jeden europäischen Haushalt annähernd 1.500 US-Dollar im Jahr. Natürlich gibt es Situationen, in denen es zulässig sein mag, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, aber nur in sehr wenigen und klar definierten Fällen. Die Bedingungen, in denen derartige Maßnahmen ergriffen werden können, müssen vorher festgelegt werden. Entsprechende Maßnahmen müssen rechtzeitig geplant und öffentlich gemacht werden, um Unternehmern Gelegenheit zu geben, entsprechende Vorkehrungen für ihre Bestellungen oder Lieferungen zu treffen.

Leider zahlen die Marktteilnehmer derzeit noch immer einen zu hohen Preis für schlecht geplante handelspolitische Maßnahmen und die plötzliche Erhebung von Schutzzöllen, was zu rechtlichen und marktwirtschaftlichen Unsicherheiten führt und den Beteiligten die rasche Anpassung an Veränderungen erschwert. Folglich kommt es auf eine stabile und kalkulierbare Handelspolitik an. Vorzugskonditionen müssen verständlich und einfach anzuwenden sein. Ihre Anwendung sollte vorher mit allen Handelspartnern eingehend diskutiert werden, damit jeder Unternehmer ordnungsgemäß informiert ist und keine Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunft und seine Bestellungen aufkommen.

Ich möchte abschließend kurz auf den Handel mit Entwicklungsländern, die Welthandelsorganisation und die Europäische Union eingehen. Die Entwicklungsländer sollten in der Lage sein, alle aus der WTO-Mitgliedschaft resultierenden Möglichkeiten zu nutzen. Diese Länder sollten als gleichberechtigte Partner behandelt werden. Es ist daher nicht akzeptabel, dass die Industriestaaten die Interessen großer Unternehmen, die ihren Sitz größtenteils in der EU und den USA haben, schützen.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE).(EL) Herr Präsident! Nachdem ich der Berichterstatterin Frau Muscardini und dem Kommissar für seine ausführliche Erklärung gedankt habe, möchte ich einleitend sagen, dass die Aufrechterhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union im neuen globalisierten Umfeld erstens eine stärkere Intervention Europas auf Märkten von Drittländern und zweitens einen wirksamen Schutz vor unlauteren Handelspraktiken unserer Partner erfordert.

Wie bereits gesagt worden ist, wendet die Gemeinschaft handelspolitische Schutzinstrumente beharrlich noch immer sehr maßvoll an. Andererseits nimmt der wachsende Einsatz solcher Instrumente gegen die Gemeinschaft ein besorgniserregendes Ausmaß an.

Die Union ist als Markt offen für den internationalen Wettbewerb, und das soll auch so bleiben. Wir sind gegen Protektionismus. Gleichzeitig sind wir aber auch gegen eine Verzerrung von Wettbewerb und dagegen, dass unsere Partner Wettbewerbsvorteile erzielen, indem sie sich auf heimtückische Praktiken stützen, die gegen internationale Handelsregeln verstoßen.

Ein einseitiger Abbau seitens der Union ergibt keinen Sinn. Handelspolitischer „Pazifismus“ funktioniert doch nur, wenn alle Beteiligten sich daran halten. Niemand bestreitet, dass immer mehr Handelsschutzinstrumente gegen die Gemeinschaft zum Einsatz kommen. Daher sollte die Kommission sehr wachsam sein und dafür sorgen, dass missbräuchliche und regelwidrige Maßnahmen eingestellt werden, durch Konsultationen bzw. Anrufung der Justizorgane der WTO, je nach Notwendigkeit.

Auch gegen europäische Agrarprodukte kommen relativ viele Handelsschutzinstrumente zum Einsatz. Daher ist es Aufgabe der Kommission, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Handelspartner die grundlegende Reformierung der GAP berücksichtigen, wenn sie Antisubventionsmaßnahmen einleiten.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich bin in keiner Phase meiner politischen Laufbahn, in keinem Zusammenhang ein einseitiger Abrüstungsbefürworter gewesen. Ich bin seit jeher ein Multilateralist, ob es nun um die Abrüstung oder die Schaffung internationaler Regeln zur Einrichtung von Institutionen, die weltweit Einfluss nehmen können, geht oder um die Gestaltung von Prozessen zur Erzielung von Übereinkünften oder zur Beilegung von Streitfragen in der Welt. Das sind meine Prinzipien und das ist mein Ansatz bei diesem Thema, ebenso wie bei anderen im Laufe meiner politischen Karriere.

Wir haben heute Abend einen Aufruf zu moralischer Führung gehört. Die Moral, die ich mit diesem handelspolitischen Thema verbinde, ist mein Glauben an den freien Handel. Ich spreche von Moral, weil ich glaube, dass freier Handel der beste Weg ist, um das Wirtschaftswachstum voranzubringen, den Lebensstandard zu heben, den Menschen neue Chance zu eröffnen und die Armut in unserer Welt zu bekämpfen. Das meine ich mit Moral.

Doch eine Form, in der wir „auf moralische Weise“ freien Handel betreiben, ist das Eintreten für fairen Handel. Wenn ich mich umschaue und feststelle, wie besorgt, unsicher und unzufrieden die Menschen angesichts dessen sind, was in der Weltwirtschaft vor sich geht, und spüre, wie sich die Menschen durch die dramatischen Veränderungen in der Architektur und Landschaft der Weltwirtschaft zunehmend verunsichert und bedroht fühlen, dann sehe ich, dass sie sich allmählich fragen, ob freier Handel eine gute Idee ist. Ich sehe, wie sie sich allmählich fragen, ob es nicht besser wäre, man würde sich vor der Weltwirtschaft schützen, ob die Errichtung von Schranken zwischen uns und unseren Handelspartnern nicht vielleicht der geeignetere Weg wären, um unsere Arbeitsplätze und unsere Existenz zu sichern.

Ich spreche mich ganz klar gegen diese Reaktion und dieses Gefühl aus, aber ich werde nie dieses Argument gegen Protektionismus unterstützen, auch wenn man mich für schwach ansieht oder hält, wenn es darum geht, für die Einhaltung und Anwendung international vereinbarter Handelsregeln einzutreten, die sich gegen wettbewerbsfeindliches Verhalten, staatlichen Interventionismus oder Handelsverzerrungen richten, die einem Handelspartner unfaire, unangemessene und inakzeptable Vorteile im Handel mit anderen gewähren sollen. Deshalb ist es angebracht und richtig, im Rahmen der von unseren multilateralen Institutionen geschaffenen Regelungen handelspolitische Schutzinstrumente anzuwenden.

Allerdings dürfen diese Regelungen nie als Waffe gegen die Billigkonkurrenz anderer oder wenn andere ihre Wettbewerbsvorteile rechtmäßig nutzen eingesetzt werden. Das ist nicht richtig und nicht tragbar, aber – wenn ich das Herrn Kamall sagen darf – das war weder bei den Textilien noch bei den Schuhen der Fall. Bei den Schuhen, ja, da war es eine Antidumpingmaßnahme, die man nach eingehender Prüfung, Untersuchung, Empfehlung, Diskussion, Aussprache und schließlich Entscheidung unserer Mitgliedstaaten beschlossen hatte, ganz wie es sein muss. Ich stehe zu der Objektivität und Transparenz, mit der man zu dieser Entscheidung gelangt ist, und sie wurde gewiss nicht zu protektionistischen Zwecken getroffen.

Aber bei den Textilien habe ich nie gesagt, dass es unlauterer Handel war. Ich habe nie behauptet, dass der intensive Wettbewerb, dem wir hier ausgesetzt waren, durch die Preis- oder Marktverzerrungen seitens der Chinesen entstanden ist. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass wir in Europa durch die endgültige Aufhebung der Quoten plötzlich und unerwartet mit so etwas wie einer Lawine konfrontiert waren, die, hätte man nichts dagegen unternommen, wahrscheinlich unseren Markt unter sich begraben und das, was wir produzieren, wie wir verkaufen, unsere Profite, unseren Lebensunterhalt und daher unsere Arbeitsplätze so plötzlich so gravierend verzerrt hätte, dass es meiner Meinung nach angemessen war – und letzten Endes stimmten auch unsere chinesischen Handelspartner zu, dass es richtig und angemessen war –, freiwillige Kooperationsmaßnahmen zu ergreifen, um die drastische Zunahme der chinesischen Textilausfuhren abzubremsen.

Sie haben Recht, dass wir jederzeit, bei jeder Gelegenheit und in jedem Fall unparteiisch, transparent und aufrichtig vorgehen sollten, wenn wir Analysen vorlegen, Schlussfolgerungen ziehen und die Maßnahmen, die wir befürworten, zu rechtfertigen suchen.

Es stimmt, dass, wie Frau Handzlik sagte, jegliches wie auch immer geartetes Eingreifen in den Markt – rechtmäßige, Antidumping- oder sonstige handelspolitische Schutzmaßnahmen – zwangsläufig eine gewisse Unsicherheit schafft und die Fähigkeit der Unternehmen vorauszuplanen schwächt. Herr Kamall hat eine ähnliche Feststellung getroffen. Ich nehme das wirklich sehr ernst, weil ich nicht will, dass meine Maßnahmen, denen die Mitgliedstaaten zugestimmt haben, eine schlimme Lage noch weiter verschlimmern, indem die Fähigkeit der Unternehmen, vorauszuplanen und ihre Produktion zu organisieren, noch weiter gestört oder unterminiert wird, was natürlich erschwert wird, wenn die Liefer- und Produktionsketten durch solche Interventionen beeinträchtigt oder gestört werden. Daher müssen wir die Störung so gering wie möglich halten. Eines der Dinge, die ich im Zusammenhang mit unserem Grünbuch und unserer Untersuchung dieser Angelegenheit sehr ernst nehmen möchte, ist die Frage, wie wir die Störung möglichst gering halten und potenziell betroffenen Unternehmen die größtmögliche Berechenbarkeit bieten können.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen. Herr Caspary sagte – wenn ich seine Worte aufgreifen und etwas ausschmücken darf –, dass wir uns an die Regeln halten und jederzeit versuchen sollten, sie zu stärken und zu verbessern. Dem stimme ich zu. Das ist genau das, was wir in der Entwicklungsagenda von Doha tun und warum wir ein multilaterales System und multilaterale Prozesse haben, die die Regeln bestimmen, und eine Institution, mit der wir eben über die Stärkung und Verbesserung verhandeln können, die Sie wollen. Deshalb ist das WTO-System ja so wichtig.

Abschließend möchte ich nur noch sagen, dass ungeachtet der Störungen, Eingriffe, Ablenkungen oder Richtungswechsel auf einer handelspolitischen Agenda, die sehr breit und sehr komplex angelegt ist, mein Blick stets sehr aufmerksam auf die Entwicklungsagenda von Doha, die Bedeutung der Agenda, die wir in der Runde verfolgen, und die maßgebende Bedeutung eines erfolgreichen Abschlusses dieser Verhandlungen gerichtet sein wird. Ich möchte dies nicht nur in Bezug auf den Marktzugang, sondern auch auf die Handelsregeln und deren Stärkung tun – und diesem Ziel bleibt die Kommission verpflichtet.