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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 25. Oktober 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

4. Ergebnis des informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs (Lahti, 20. Oktober 2006) (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen der Bericht des Rates und die Erklärung der Kommission zu den Ergebnissen des informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs, der am 20. Oktober 2006 in Lahti stattfand.

 
  
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  Matti Vanhanen, amtierender Ratspräsident. (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am vergangenen Freitag, dem 20. Oktober, hatte ich die Ehre, Gastgeber des informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs in Lahti und des anschließenden Dinners zu sein, zu dem wir den russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeladen hatten.

Sowohl das Treffen der Staats- und Regierungschefs als auch das im Anschluss organisierte Essen waren ein großer Erfolg. Diese informellen Treffen von führenden Repräsentanten der EU bieten eine ausgezeichnete Gelegenheit für einen politischen Konsens, um die Union in ihren entscheidenden Aufgaben weiter voran zu bringen.

Auf dem Gipfel konzentrierten wir uns vor allem auf die Außenbeziehungen im Energiebereich. Wir diskutierten auch die Einwanderung und die Lage in Sudan/Darfur. Eine gesonderte Arbeitssitzung war der Suche nach Wegen gewidmet, um die Innovationspolitik zu fördern und somit die Wettbewerbsfähigkeit und das wirtschaftliche Wachstums der Union zu gewährleisten. Die Ausarbeitung einer Innovationspolitik ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der EU und für unsere Fähigkeit, gute Arbeitsplätze in Europa zu behalten.

Die offenen und ausgiebigen Diskussionen während des Arbeitsessens ermöglichten uns trotz der Zweifel, die unter bestimmten Teilnehmern geherrscht hatten, unsere Reihen für das Dinner zu schließen. Die Atmosphäre beim Lunch war ausgezeichnet, und man spürte ganz klar die Solidarität unter den Mitgliedstaaten. Wir legten großen Wert darauf, mit einer Stimme sprechen zu können, und ich möchte diese Entschlossenheit, einen Konsens zu erreichen, den Geist von Lahti nennen.

Die Diskussion beim Essen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verlief sehr aufrichtig und offen. Abgesehen von den Energieproblemen diskutierten wir auch aktuelle internationale Fragen und die Meinungsfreiheit in Russland.

Auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs fand eine umfassende, breite Energiedebatte statt. Die Hauptpunkte betrafen die Grundsätze der Entwicklung von Energiebeziehungen zwischen der EU und Russland und ihre Umsetzung, engere Beziehungen zu strategisch bedeutenden Drittländern, den Kampf gegen den Klimawandel durch die Energiepolitik und den wirksameren Informationsaustausch mittels eines Netzes von Energiekorrespondenten.

Hinsichtlich der Energiebeziehungen zwischen der EU und Russland waren wir uns einig in der Notwendigkeit einer engeren Partnerschaft. Sie sollte auf den in der Energiecharta und der G8-Erklärung niedergelegten Grundsätzen, vor allem auf Offenheit, marktorientierten Lösungen und Gegenseitigkeit beruhen. Diese Grundsätze sollten bereits jetzt in der Praxis angewendet werden, und sie sollten auch im bevorstehenden Abkommen zwischen der EU und Russland konkret verankert sein. In Lahti legten wir uns auf eine gemeinsame Politik in den Energiebeziehungen zwischen der EU und Russland fest.

Konsens herrschte in Lahti auch darüber, dass wir in unseren Bemühungen, bis zum Jahresende engere Beziehungen mit Produzenten und Transitländern in der Nachbarschaft der Union zu schmieden, fortfahren und sie verstärken sollten. Das Ziel besteht darin, die für den Binnenmarkt geltenden Prinzipien so weit gehend wie möglich auf die Nachbarregionen der Union anzuwenden.

In vielen Ansprachen wurde der Klimawandel als die dringlichste internationale Herausforderung bezeichnet. Insbesondere muss die EU bei der Förderung nachhaltiger Energieformen die Führung übernehmen. Was Innovationen und Technologien auf dem Gebiet der Energieeffizienz angeht, haben europäische Unternehmen viel zu bieten. Wir waren uns einig, dass Fragen der Energie und des Klimas bei EU-Gipfeln mit den Entwicklungsländern künftig eine dominierende Rolle spielen sollten, so wie es während des finnischen EU-Ratsvorsitzes der Fall war.

Wenn eine zuverlässige Energieversorgung gesichert werden soll, müssen gewaltige Investitionen in die Übertragungsnetze und die weitere Infrastruktur getätigt werden. Dazu muss die Kooperation mit internationalen Finanzinstituten auf dem Gebiet von Energieinfrastrukturprojekten ausgebaut werden. Die Energiesicherheit muss eines der zu berücksichtigenden Kriterien sein, wenn die Europäische Investitionsbank den Entwicklungsländern Kredite ausreicht.

Es ist wichtig, dass die Union über umfassende Informationen verfügt, auf denen sich ihre energiepolitischen Entscheidungen und ihre Reaktionen auf Problemsituationen in Drittstaaten stützen können. In Lahti kamen wir überein, dass wir uns bis Jahresende um rasche Fortschritte bei der Errichtung eines Netzes von Energiekorrespondenten bemühen sollten. Die Einzelheiten sind vom Rat zu vereinbaren. Eine Verbesserung der Art und Weise, wie Informationen zusammengetragen und ausgewertet werden, wird dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und Institutionen zu verstärken und eine größere Solidarität in Energiefragen zu fördern.

Die auf dem Gipfel geführten Diskussionen zum Thema Außenbeziehungen im Energiebereich werden auch den Weg für die nächste Frühjahrstagung des Europäischen Rates ebnen, auf dem ein vorrangig zu behandelnder Aktionsplan zur Energiepolitik für Europa verabschiedet werden soll.

Auf der Arbeitssitzung während des Gipfeltreffens der Staats- oder Regierungschefs berieten wir, wie es mit der Innovationspolitik weitergehen sollte. Die Hauptthemen waren Rechte an geistigem Eigentum, insbesondere an Patenten, die Kooperation zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor, das Europäische Technologieinstitut und Normen. Wir kamen überein, dass die Union eine klare Strategie zu den geistigen Eigentumsrechten braucht. Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit wird der Kommission mehr Details darüber liefern, was er im Bereich der Rechte an geistigem Eigentum erwartet. In Lahti betonten wir, der Kommissionsvorschlag solle sich insbesondere mit der Qualität des Systems der geistigen Eigentumsrechte befassen. Die Kommission wird ihren Vorschlag vor der Frühjahrstagung des Europäischen Rats vorlegen.

Zu den besonders deutlichen Botschaften, die von Lahti ausgingen, gehörte die, dass das europäische Patentsystem kosteneffektiver und berechenbarer gestaltet werden muss. Auch Systeme zur Streitbeilegung bedürfen einer Verbesserung. Wir müssen hier versuchen, rasch voranzukommen. Zum Jahresende hin wird die Kommission eine Mitteilung mit konkreten Vorschlägen zur Entwicklung des europäischen Patentsystems herausbringen. Sobald der Kommissionsvorschlag beim Rat eingegangen ist, wird dieser die verschiedenen Optionen erörtern.

Die Frage, wie das Patentsystem effektiver zu gestalten sei, war für den Rat schwierig zu beantworten, doch ist die Entwicklung des Systems für unsere Innovationsfähigkeit lebenswichtig. Ich persönlich denke, jeder sollte die Interessen der Allgemeinheit im Sinn haben und bereit sein, Flexibilität an den Tag zu legen, und nicht hartnäckig auf nationalen Positionen beharren. Und jeder sollte beispielsweise einer Vereinfachung der Sprachregelung zustimmen.

Wir waren uns auch einig, dass wir die Zusammenarbeit zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor fördern müssen. Die europäischen Technologieplattformen und die gemeinsamen Technologieinitiativen bieten gute Möglichkeiten zur Entwicklung von Schlüsseltechnologien. Wenn wir Fortschritte erzielen wollen, muss das Siebte Rahmenprogramm der EU unverzüglich verabschiedet werden. Auch sollten die Programme eine gemeinschaftliche Finanzierungsquelle für Gemeinsame Technologieinitiativen sein.

Ich bin sehr froh, dass der Gipfel von Lahti die Weiterentwicklung von ARTEMIS, einer der fortschrittlichsten Technologieplattformen, bestätigte und den Wunsch der Kommission unterstützte, sie als Gemeinsame Technologieinitiative zu implementieren. Die Unternehmen des Sektors investieren zurzeit riesige Summen in die gemeinsame Initiative. Auch die finnische Regierung hat hier mit ihrer Zusage, über einen Zeitraum von sieben Jahren siebzig Millionen Euro beizutragen, ein gutes Beispiel gegeben. Schließlich ist ARTEMIS eine der größten Gemeinsamen Technologieinitiativen in einem sehr wichtigen und viel versprechenden technologischen Bereich.

In der vergangenen Woche legte die Kommission einen Legislativvorschlag zum Europäischen Technologieinstitut vor. Lahti gab grünes Licht für eine rasche und eingehende Prüfung des Vorschlags durch den Rat. Ich betrachte dies als eine sehr wertvolle Initiative und denke, dass sie der Entwicklung der Forschungskooperation zwischen Universitäten und Unternehmen einen echten Mehrwert verleihen könnte.

Schließlich möchte ich in diesem Bereich die Normung erwähnen, ein Thema, auf das wir auf unserem Treffen ebenfalls eingingen. Wie ich bereits unterstrichen habe, ist die Normung im Leben der Unionsbürgerinnen und -bürger sehr wichtig. Zum Beispiel ermöglichte es die europaweite Einführung von Telefonen des GSM-Standards, dass Europa in diesem Bereich führend in der Welt wurde. Wenn sich Europa nicht auf gute Normen einigen kann, werden andere sie festlegen.

Wir alle wissen, dass Innovation Erfolg und Wachstum bringen kann, doch das Problem bestand darin, wie man konkret vorankommt. Die Orientierung, die wir in Lahti erhielten, wird uns jetzt helfen, Fortschritte bei der Schaffung eines Umfelds zu erzielen, das der Wettbewerbsfähigkeit förderlich ist.

In unserer Diskussion über Einwanderung wurde der Wille zur Kooperation und zur Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bei der Lösung von Einwanderungsproblemen unterstrichen. Dies ist eine Sache, die die gesamte Union angeht. Einerseits brauchen wir rasche, kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung der akuten Krise, in der wir uns zurzeit befinden, andererseits wurde in unseren Diskussionen auch die Notwendigkeit einer abgestimmten und umfassenden Einwanderungspolitik unterstrichen. Die Politik sollte sowohl die legale als auch die illegale Einwanderung umfassen. Wir müssen auch mehr tun, um den Einwanderern bei der Integration zu helfen.

Besonders deutlich trat das Erfordernis zutage, mit afrikanischen Ländern sowie mit anderen Herkunfts- und Transitländern eng zusammenzuarbeiten. Dem auf den Menschen lastenden Druck, ihr Land zu verlassen, begegnet man am besten durch Förderung der Entwicklung in Afrika und anderswo.

Die Tagungsteilnehmer sicherten der Grenzschutzagentur der EU ihre volle Unterstützung zu, und man bestätigte, dass zur Bewältigung ihrer Arbeit mehr Mittel erforderlich seien.

Auf der Tagung wurde auch über die Notwendigkeit gesprochen, unser System der Entscheidungsfindung weiterzuentwickeln, um die Union in die Lage zu versetzen, auf dringliche Probleme unverzüglich und wirksamer zu reagieren.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihren gewichtigen und umfassenden Beitrag in Lahti. Sie haben klargestellt, dass das Europäische Parlament im Bereich Justiz und Inneres einen effektiveren Entscheidungsprozess wünscht. Die finnische Ratspräsidentschaft teilt diese Ansicht uneingeschränkt.

(Beifall)

Mit dem Thema Einwanderung werden sich die Justiz- und Innenminister sowie die Außenminister erneut befassen. Wir werden auf der Dezembertagung des Europäischen Rats auf die Frage zurückkommen.

In Lahti sprachen wir auch über die ernste Lage in Sudan/Darfur. Wir brachten unsere tiefe Besorgnis über die humanitäre Situation und die Menschenrechte in Darfur zum Ausdruck. Als Vertreter des Ratsvorsitzes werde ich diese dringliche Botschaft an den sudanesischen Präsidenten weiterleiten. Wir müssen den Druck auf die sudanesische Regierung beibehalten, den Kämpfen ein Ende zu setzen, den UN eine friedenssichernde Operation zu ermöglichen und Verhandlungen mit den Rebellen aufzunehmen.

Die informellen Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin waren für die Entwicklung unserer strategischen Partnerschaft außerordentlich nützlich. Dazu gehören der Wille zur Zusammenarbeit und die Bereitschaft, alle Fragen zu erörtern. Die Partnerschaft sollte nicht als statisch, sondern als ein laufender Prozess betrachtet werden. Nach unserer Überzeugung muss eine echte, dauerhafte Partnerschaft auf gemeinsamen Werten beruhen.

Herr Präsident, ich möchte Ihnen auch für Ihren Beitrag zu unserer Debatte während des Abendessens und für Ihre Unterstützung in dieser entscheidenden Angelegenheit danken. Werte sind das Fundament, auf dem alles andere aufbaut.

In unseren Gesprächen mit Präsident Putin ging es darum, wie wir die Ziele der Zusammenarbeit im Bereich der Energie durch ein neues Abkommen fördern könnten. Unsere Gespräche werden auch den Weg für den Gipfel EU-Russland im November ebnen. Die Absicht besteht darin, während des Gipfels von Helsinki ein Abkommen über die Aufnahme von Verhandlungen zu erreichen, die in einen neuen, umfassenden Pakt zwischen der EU und Russland münden.

Bei internationalen Fragen waren wir uns mit Präsident Putin einig, dass wir eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland anstreben sollten. Die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit wurde durch die jüngsten Ereignisse im Iran, in Nordkorea und im Nahen Osten sehr deutlich.

Während des Abendessens sprach ich den schockierenden Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja an. Ich sagte zu Präsident Putin, die Menschen in den Mitgliedstaaten seien besorgt darüber, dass sich die Lage bezüglich der Rede- und Meinungsfreiheit in Russland verschlechtert habe. Im Namen der Union brachte ich zum Ausdruck, dass dieser Mord, der uns alle zutiefst erschreckt hatte, untersucht und die Verantwortlichen dem Gericht überstellt werden sollten. Ich erwähnte auch, dass uns das Thema Tschetschenien Sorge bereite.

Auch die Beziehungen zwischen Russland und Georgien fanden Erwähnung. Ich wies Präsident Putin darauf hin, dass die Union über die wachsenden Spannungen besorgt sei, und sprach von der Bereitschaft der Union, auf eine Lösung der Krise hinzuwirken.

Wir arbeiten zurzeit auf einer äußerst breiten Front im Rahmen der „gemeinsamen Räume“ an einer strategischen, fassbaren Partnerschaft mit Russland. Die wichtigsten Themen während des finnischen Ratsvorsitzes sind Energie, Umwelt, Verkehr, Justiz und Inneres sowie die Menschenrechte.

Die Europäische Union muss in der Lage sein, zu ihren Partnern mit einer Stimme zu sprechen. Gespalten und uneins sind wir schwach. Wir werden nicht imstande sein, unsere Interessen wahrzunehmen oder die Werte zu befördern, auf denen die Union beruht. In Lahti bewiesen wir Präsident Putin mit Erfolg, dass die Union in ihren Auffassungen entschlossen und einig ist. Als Vertreter der Ratspräsidentschaft bin ich stolz auf diese Errungenschaft, und ich denke, wir sind in unseren Beziehungen zu Russland einen Schritt vorangekommen. Das heißt nicht, dass Russland mit uns in allem übereinstimmt. Ja, wir führten eine lange Diskussion, in der Präsident Putin unsere Fragen im Detail beantwortete und auch nach Schwächen im Handeln der EU suchte. Daran sind wir mit Russland gewöhnt, das gehört zu einem normalen Dialog.

Jetzt nach dem Gipfel von Lahti besteht die entscheidende Frage nun darin, wie wir die Worte in Taten ummünzen und bei den erörterten Themen vorankommen. Wir verlassen uns dabei auf die vorbereitenden Kanäle, derer wir uns üblicherweise bedienen.

Der größte Teil der Arbeit wird im Rat auf der Grundlage von Initiativen der Kommission geleistet. In vielen Fragen werden wir uns in den verbleibenden Wochen unserer Ratspräsidentschaft auf die politischen Leitlinien stützen, die wir erhalten haben. Auch das Europäische Parlament wird eine zentrale Rolle bei der beschleunigten Umsetzung der Vereinbarungen von Lahti spielen.

Ich danke Ihnen für diese Gelegenheit, die Ergebnisse des informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs in Lahti vorlegen zu können. Gern werde ich alle Fragen beantworten, die sich aus meiner Einführung zum Thema möglicherweise ergeben haben.

(Beifall)

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Premierminister Vanhanen hat Ihnen einen umfassenden Überblick über die Ergebnisse des informellen Ratstreffens in Lahti vom letzten Freitag gegeben. Auf einige Punkte möchte ich näher eingehen.

Der Gipfel von Lahti sollte als Teil eines Prozesses angesehen werden. Bekanntlich haben wir schon mehrfach darauf verwiesen, dass wir die Integration durch praktische, konkrete Maßnahmen vorantreiben sollten, was wir auch gemeinsam mit Parlament und Rat umgesetzt haben. Wir haben uns ein ehrgeiziges Programm vorgenommen, beispielsweise im Hinblick auf Sicherheit, Energie oder Forschung, und nun müssen wir es in die Tat umsetzen. Genau das haben wir in Lahti getan.

Erstens, in Bezug auf Innovationen stimmt wohl jeder mit mir überein, dass Innovationen wichtig sind und Europa hinterher hinkt. Es besteht Einigkeit darüber, dass mehr Unterstützung und Anreize für Innovationen gewährt und Hemmschwellen für Innovatoren abgebaut werden müssen. Das wurde auf dem Europäischen Rat sowie in Entschließungen dieses Parlaments bekräftigt. Es waren klare, praktische Schritte erforderlich, um zu demonstrieren, dass Europa bereit ist, eine führende Rolle einzunehmen. Das haben wir in Lahti erreicht.

Im Zusammenhang mit gemeinsamen Technologieinitiativen wurden beispielsweise Schlüsselprojekte wie das Artemis-Programm auf angeschlossenen Computern zurückgestellt, weil die Ländermittel fehlten. Jetzt liegen uns mehrere eindeutige Zusagen für eine direkte Unterstützung vor.

Was Verfahren zur Festlegung europäischer Normen für Produkte betrifft, so haben wir uns darauf geeinigt, dass diese beschleunigt werden sollten. Zudem glaube ich, dass durch geistiges Eigentum, einschließlich Patente, viele Impulse gesetzt werden, und die Kommission wird das bis zum Jahresende weiter vorantreiben.

Wichtig ist, dass die Kommission für das Europäische Technologieinstitut (ETI) grünes Licht erhalten hat. Für die Unterstützung von Seiten der Abgeordneten, die sich im Plenum vor zwei Wochen für dieses Institut ausgesprochen haben, bin ich sehr dankbar. Es besteht ein wachsender Konsens darüber, dass das ETI in Sachen Innovation in Europa führend sein wird. Aus der ganzen Geschäftswelt und wissenschaftlichen Gemeinschaft Europas wird uns begeisterte Unterstützung zuteil.

Die Aufmerksamkeit, die das Parlament dieser bedeutenden Initiative gewidmet hat, war eine große Hilfe bei der Erarbeitung der Einzelheiten des Vorschlags. Natürlich müssen jetzt die Details erörtert werden, darunter der Haushalt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und dem Rat, um die Verordnung schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Ich bin sicher, dass das ETI zu einem Aushängeschild für höchstes Innovationsniveau in Europa avancieren wird. Wir sollten das ETI ersuchen, die immensen Herausforderungen des Klimawandels und alles, was mit umweltfreundlichen Energiequellen zusammenhängt, zu seiner obersten Priorität zu machen. Das ist für uns als Gesellschaft eine wichtige Aufgabe. Wir sollten die europäischen Wissenschaftler bitten, uns bei der Lösung dieser Probleme zu helfen, so dass wir unsere führende Rolle bei der vielleicht bedeutendsten Herausforderung des 21. Jahrhunderts behalten können.

Das zweite Schwerpunktthema in der Debatte war Energie. Die Kommission hat in enger Zusammenarbeit mit dem Ratsvorsitz drei praktische Schritte nach vorn benannt, und wir haben für alle drei Unterstützung erhalten.

Erstens hat sich der Europäische Rat darauf verständigt, unsere Energiebeziehungen mit unseren Nachbarn, insbesondere Förderländern wie Russland, Norwegen oder Algerien, sowie wichtigen Transitstaaten wie Türkei und Ukraine, zu intensivieren.

Zweitens einigte sich der Europäische Rat darauf, ein Netzwerk von Energiekorrespondenten einzurichten, um uns besser gegen plötzliche Energieversorgungsschocks zu wappnen.

Drittens hat sich der Europäische Rat auf einen besonderen gemeinsamen Ansatz gegenüber Russland geeinigt. Wir haben Präsident Putin klar zu verstehen gegeben, dass wir eine enge Energiepartnerschaft mit einem solchen Schlüsselpartner wünschen, dass diese Partnerschaft jedoch auf den Grundsätzen basieren muss, zu denen sich Russland bereits auf dem G8-Gipfel in Russland in diesem Jahr verpflichtet hat, sowie ferner auf der Energiecharta: Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung neben Marktöffnung und Marktzugang. Diese Grundsätze sind nicht ausschließlich auf die Energie beschränkt. Sie sind grundlegende Elemente bei der Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und eine unerlässliche Investition in eine langfristige Partnerschaft.

Diese Botschaft gewann durch unsere Geschlossenheit noch an Nachdruck. In Lahti herrschte ein deutlicher Geist der Solidarität sowie Einvernehmen darüber, dass die Europäische Union geschlossen agiert und dass die Bürger Europas die gleichen Zuverlässigkeitsstandards von unseren russischen Partnern erwarten sollten, ganz gleich, um welchen Mitgliedstaat es sich handelt. Premierminister Vanhanen sprach im Namen des gesamten Europäischen Rates und legte die allgemeinen Fragen im Zusammenhang mit unseren weit reichenden Beziehungen zu Russland dar, während ich die Ehre hatte, zu Energiefragen sprechen zu dürfen.

Für dieses Treffen und für den Erfolg des Gipfels von Lahti war es von großer Bedeutung, dass die Erklärungen des Ratsvorsitzes und der Europäischen Kommission von allen Mitgliedern des Europäischen Rates eindeutig unterstützt wurden. Der Solidaritätsgedanke ist wichtig wie nie zuvor. Solidarität und Zusammenhalt sind mehr denn je die Schlüsselworte unserer Europäischen Union.

Die Fortschritte in Sachen Energie im Rahmen unseres neuen globalen Abkommens mit Russland werden dazu beitragen, dass von diesem gemeinsamen Ansatz nicht abgewichen wird. Kurz gesagt lautet die Botschaft: Energie ist ein europäisches Thema und bedarf europäischer Lösungen. Der Rat anerkennt zunehmend, was Ihnen im Parlament schon lange bekannt ist, nämlich dass die Europäische Union bei der Schaffung von Energiesicherheit eine zentrale Rolle zu spielen hat und den Klimawandel mithilfe der Energiepolitik bewältigen muss. Das ist ein gutes Vorzeichen für das Energiepaket, das die Kommission im Januar vorlegen will.

Die Europäische Union darf ihre Beziehungen zu Russland nicht nur auf Energie beschränken. Beim Abendessen mit Präsident Putin sprach die Europäische Union auch andere Fragen an: Menschenrechte, Handel, Visa- und Kulturfragen sowie internationale Belange von gemeinsamem Interesse. Wir gingen auf sensible Fragen wie Georgien ein. Premierminister Vanhanen verwies erneut auf die Besorgnis der Europäischen Union angesichts der Ermordung von Anna Politkowskaja, der in der vorangegangenen Aussprache im Europäischen Parlament so ausführlich Ausdruck verliehen wurde. Bei den Verhandlungen zu einem neuen globalen Abkommen mit Russland muss dieses breite Themenspektrum erhalten bleiben. Das ist für ein umfassendes Abkommen von ausschlaggebender Bedeutung.

Drittens gab es in Lahti einen kurzen, aber wichtigen Gedankenaustausch zum Thema Einwanderung. Es herrschte abermals Einigkeit darüber, dass dies ein kollektives Problem sei, das einer kollektiven Antwort bedarf. Ich konnte darlegen, dass die Kommission in den kommenden Wochen Vorschläge zur Verbesserung der Seeüberwachung der südlichen Grenzen der Union vorlegen wird. Ferner werden wir den globalen Ansatz in Bezug auf die Migration im Gefolge des Europäischen Rates im Dezember aktualisieren und an der Lösung des Problems an der Quelle auf der Ministerkonferenz Europa-Afrika über Migration und Entwicklung im kommenden Monat arbeiten.

Allerdings könnten wir in diesem Bereich noch viel mehr tun, wenn der politische Wille und die Absicht bestehen, uns mit den nötigen Werkzeugen und Mitteln auszustatten. Insbesondere sind wir der Ansicht, dass unser Entscheidungsfindungssystem angepasst werden sollte. Das ist bereits im Rahmen der bestehenden Verträge machbar. Wir können nicht weiterhin so lange auf Entscheidungen warten, die so oft aufgrund der Einstimmigkeitsregel blockiert werden. Offen gesagt: Es ist vollkommen absurd, dass wir in einem gemeinsamen Raum der Freizügigkeit noch immer 25 verschiedene Migrationspolitiken anwenden. Wir brauchen eine europäische Migrationspolitik.

(Beifall)

Abschließend wurde auch auf Darfur eingegangen. Ich bin weiterhin fest entschlossen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um eine weitere humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Aus diesem Grunde war Lahti ein weiterer Meilenstein auf unserem gemeinsamen Weg hin zur Einstellung der Europäer auf die Globalisierung. Davon werden wir nicht abweichen. Die Erwartungen unserer Bürger an ein Europa, das praktische Ergebnisse bietet, steigen. Darauf müssen wir weiter eingehen. Ich danke Herrn Vanhanen für seinen ausgezeichneten Vorsitz und der finnischen Ratspräsidentschaft für unsere enge Zusammenarbeit. Möge sie sich bis zum Ende der Ratspräsidentschaft und darüber hinaus fortsetzen. Auf diese Weise werden wir praktische Ergebnisse für unser Europa erzielen.

(Beifall)

 
  
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  Ville Itälä, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FI) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident Vanhanen, Herr Präsident Barroso! Bei der Einschätzung der Erfolge des Gipfels von Lahti können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass es lobenswerte Ergebnisse sind. Die Vorzeichen für den Gipfel waren nicht gut. Viele Zeitungen, insbesondere die renommierte Financial Times, haben im Vorfeld ein düsteres Bild gezeichnet und gemeint, es sei ein großes Risiko, den russischen Präsidenten Putin mit einzuladen, da die EU in der Frage der Energie und der russischen Politik gespalten und uneins sei. Man sagte, es würde auf einen Sieg für Präsident Putin hinauslaufen. Doch es ist anders gekommen. Es war gut zu sehen, dass die führenden Vertreter der EU einig handelten und sich während der Gespräche beim Essen solidarisch zeigten.

In meinen Reden hier habe ich gesagt, die EU sollte eine einheitliche, auf Konsens beruhende langfristige Politik gegenüber Russland verfolgen. Nun sind die ersten Schritte erfolgreich eingeleitet worden. Das wird der Öffentlichkeit übrigens zeigen, dass die EU auch in schwierigen Situationen handlungsfähig ist.

Wir müssen uns natürlich eingestehen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, bevor sich die Dinge konkretisieren und Russland die Energie-Charta ratifiziert, was den Markt öffnen und zur Einhaltung gemeinsamer Vorschriften zwingen wird. Dies war zwar nur ein kleiner Schritt nach vorn, doch es war ein wichtiger Schritt hin zu einer geschlossenen, langfristigen Politik gegenüber Russland.

Wichtig war auch, dass wir es wagten, offen über Menschenrechte und den Mord an Anna Politkowskaja zu sprechen, und dieser Frage nicht auswichen. Wir können die Menschenrechte nicht auf dem Altar der Energiepolitik opfern.

Die Diskussion war auch von Seiten des Präsidenten Putin freimütig, wenngleich er seine Ansichten nicht änderte. Das erwartete auch kaum jemand von ihm. Zusammenarbeit lässt sich nur auf gegenseitigem Vertrauen und einem gemeinsamen Willen aufbauen. Jetzt hat sich ein Weg zu mehr Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energie und in anderen Bereichen eröffnet.

Was ich in der Diskussion während des Essens mit Putin vermisste, waren Probleme im Zusammenhang mit der Ostsee. Es wäre eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen, die Ostseeproblematik gegenüber Russland anzusprechen. Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass man im Laufe eines einzigen Essens nicht über alles reden kann. Als generelle Schlussfolgerung aus dem Gipfel von Lahti kann ich nur sagen: „Gut gemacht, Herr Ministerpräsident Vanhanen“.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer Bemerkung zum russischen Präsidenten Putin beginnen, der ja in den Reden von Herrn Vanhanen und in Ihrer Rede, Herr Kommissionspräsident, eine herausragende Rolle gespielt hat.

Es muss ja ein beeindruckender Abend mit ihm gewesen sein! Wenn ich die Berichte höre und auch lese, war die Begegnung mit Präsident Putin eine tolle Sache. Ich finde es gut, dass Herr Putin so offen ist. Ich habe damit keine Probleme, meine Fraktion übrigens auch nicht. Ich will zunächst einmal Folgendes sagen: Bemerkungen von Herrn Putin zur Rede unseres Parlamentspräsidenten Josep Borrell Fontelles ehren uns. Es zeigt, er hat wenigstens zugehört. Wir wissen ja nie, ob alle zuhören, aber Putin scheint zugehört zu haben.

Bemerkungen, die er zu dieser Rede gemacht hat, weisen wir jedoch zurück, sofern sie verletzender Natur sind, denn der Präsident dieses Parlaments spricht für alle Abgeordneten dieses Parlaments und, Herr Präsident, wir danken Ihnen für Ihre Ausführungen!

(Beifall)

Ein zweiter Punkt: Ja, es ist doch gut, wenn Wladimir Putin darüber redet, was er von Italien hält. Es ist doch gut, wenn Wladimir Putin darüber redet, was er in Spanien zu kritisieren hat. Ich finde das gut, denn die europäische Gesellschaft ist eine offene Gesellschaft! In unserer Gesellschaft kann jeder Kritik üben, woran er will! Das unterscheidet unsere Gesellschaft offensichtlich von der russischen Gesellschaft, da kann nämlich nicht jeder Kritik üben, woran er will!

(Beifall)

Deshalb ist ein offener Meinungsaustausch mit dem russischen Präsidenten fruchtbar. Deshalb sagen wir auch, was in Tschetschenien läuft, ist nicht korrekt, und es muss verurteilt werden, wenn Menschenrechte verletzt und Menschen erniedrigt werden. Übrigens werden auch russische Menschen, auch Soldaten der russischen Armee dort unwürdig behandelt. Natürlich ist es völlig klar – wir werden das in der Entschließung zu Frau Politkowskajas Tod zum Ausdruck bringen –, dass man nicht von einer funktionierenden Demokratie sprechen kann, wenn Journalisten Angst um ihr Leben haben müssen, wenn sie über Missstände in ihrem Land reden. Das ist völlig klar!

Deshalb: Der offene Meinungsaustausch von unserer Seite mit Wladimir Putin und allen Russen, russischen Politikerinnen und Politikern, die uns begegnen, ist ein Teil unseres Verständnisses vom Umgang mit Partnern. Wir kritisieren auch, was in den USA läuft. Wir nehmen uns das Recht heraus, zu kritisieren, was in anderen Regionen dieser Welt läuft, so, wie auch wir kritisiert werden können.

Deshalb kritisiere ich auch, dass in den Reden von Herrn Ministerpräsidenten Vanhanen und des Herrn Kommissionspräsidenten viele schöne Sachen angesprochen wurden. Das klang alles ganz toll! Sie kennen das ja, das sage ich in jeder Rede, die ich zu Ihren Ausführungen halte: Toll! Super! Wenn das alles umgesetzt wird, was Ihr uns hier erzählt, dann wird Europa wirklich ein Eldorado der Technologie, dann werden wir ein Eldorado der Bildung, der Qualifizierung. Wir werden die wissensbasierte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, meinetwegen auch des 22. Jahrhunderts werden. Super! Immer ran! Aber, Jungs, irgendwann müsst Ihr auch liefern!

Also, die Ankündigungen: Toll! Nur, das betrifft nicht nur Sie, am wenigsten allerdings den Herrn Kommissionspräsidenten, der macht nämlich richtige Vorschläge, der versucht auch, auf diese Ziele hinzuarbeiten. Aber Ihr im Rat, Sie, Herr Vanhanen, und die Staats- und Regierungschefs, Ihr müsst das, was Ihr über Energiepolitik erzählt, auch in Euren nationalen Energieplänen umsetzen!

(Beifall)

Und, Kolleginnen und Kollegen, wer nicht von russischer Energie abhängig werden will, muss die Energieverschwendungswirtschaft in Europa, in den Vereinigten Staaten, in den Industriestaaten beenden! Wer die Klimakatastrophe begrenzen will, der muss den CO2-Ausstoß reduzieren! Das gelingt aber nicht mit russischem Erdgas, sondern mit mehr Energieeffizienz, das gelingt mit mehr erneuerbarer Energie, das gelingt mit Energieanlagen, mit der Kraft-Wärme-Koppelung, mit Kraftwerken, die den höchsten Effizienzgrad haben. Dazu brauchen wir übrigens mehr Technologie. Hier schließt sich der Kreis: Wir sind wieder beim Lissabon-Prozess. Denn, wenn wir Technologie haben wollen, müssen wir in die Köpfe unserer Leute investieren, in die Universitäten.

Das ist alles richtig! Nur diskutieren wir das hier jedes Mal aufs Neue. jedes Mal aufs Neue das Gleiche. jedes Mal aufs Neue die gleichen Ankündigungen und auch jedes Mal aufs Neue die gleiche Rede von mir. Die ist auch nicht neu. Die habe ich in abgewandelter Form auch schon mehrfach gehalten. Ich habe aber keine Lust, mich zu langweilen, nicht einmal über meine eigenen Reden. Deshalb meine Bitte: Lassen sie den Ankündigungen in der Kommission und im Rat endlich Taten folgen!

(Beifall)

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Heute liegt keine Entschließung zur Aussprache vor. Jedoch hat es zum wiederholten Male keine Schlussfolgerungen zum Gipfel gegeben. Es geht mir nicht darum, dass solche Veranstaltungen sich nicht lohnen würden – im Gegenteil, es besteht ein dermaßen hoher Bedarf an umfassenderen Maßnahmen auf europäischer Ebene, dass die Union jährlich vier formelle Tagungen abhalten könnte und sollte, wie es im Vertrag von Nizza vorgesehen ist.

Was stand in Lahti auf der Speisekarte? Ich beziehe mich nicht, Herr Premierminister, auf die Artischockensuppe oder die gebratene Gans, die es zum Mittagessen gab, um zu beweisen, dass Sie prosciutto di Parma zu ersetzen in der Lage sind, sondern auf das ETI und die europäischen Patente, auf die Energiesicherheit, auf Einwanderung, auf die Beziehungen mit Russland – strategische Themen, die ernsthaft erörtert werden müssen, aber auch auf strategische Entscheidungen, die auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Politikgestaltung verweisen.

Worin besteht der Nutzen einer europäischen Technologieuniversität, die innovative Ideen hervorbringt, wenn wir als Union nicht in der Lage sind, uns auf ein einfaches und schnelles Patentanmeldeverfahren zu einigen? Wozu eine gemeinsame Strategie im Hinblick auf den Klimawandel, wenn wir nicht gewillt sind, unsere Art des Verbrauchs und der Erzeugung von Energie radikal zu ändern? Und welche Aussichten bestehen für eine gemeinsame Einwanderungspolitik, wenn wir es nicht schaffen, unsere Entwicklungs- und Handelspolitiken so einzusetzen, dass die zermürbende Armut und Not gelindert werden? Grünbücher und Aktionsprogramme zuhauf weisen den Weg nach vorn, aber die Mitgliedstaaten können wie das sprichwörtliche Pferd zwar zum Wasser geführt werden, doch trinken müssen sie schon selbst. Darum kommt Europa nicht voran und darum brauchen wir mehr, nicht weniger Europa.

Meine Fraktion begrüßt, dass sich Präsident Borrell und Premierminister Vanhanen sowie die anderen Premierminister zum Mord an Anna Politkowskaja geäußert haben. Wenn die Einladung an Präsident Putin und die Öffentlichkeitswirksamkeit, die ihm zuteil wurde, vielen von uns auf den Magen schlagen, so tragen der finnische Ratsvorsitz und der finnische Präsident daran gewiss keine Schuld. Der Fehler wurde begangen, als das Land von Präsident Putin zum Mitglied des Europarats sowie der G8 gemacht wurde, bevor es die Rechtsstaatlichkeit in seiner Kultur verankert hat.

Herr Putin, „Mafia“ ist kein russischer Ausdruck, aber allzu oft verbindet man mit Ihrem Land organizovanniye zhuliki.

Die Europäische Union sollte erst dann ein Übereinkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Russland unterzeichnen, wenn Freiheit, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit sowie sich daraus ergebende Rechtssicherheit für Investoren etabliert worden sind.

(Beifall)

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gipfel in Lahti hat ganz klar gezeigt, dass zwischen weltpolitischem Geschehen und innenpolitischen Entscheidungen ein immer engerer Zusammenhang besteht.

Die Unterstützung eines demokratischen Russlands und derer, die – wie Anna Politkowskaja – gegen den autoritären Kurs von Herrn Putins Machtsystem gekämpft haben und weiter dagegen kämpfen, steht unseres Erachtens in völligem Einklang mit dem Bemühen, die Energieversorgung unseres Kontinents, die Einhaltung des Kyoto-Protokolls sowie die Förderung der Energieeffizienz und die Entwicklung erneuerbarer Energien sicherzustellen.

Die Massaker in Tschetschenien, die Schließung von über 90 Nichtregierungsorganisationen, die willkürlichen Prozesse, die gezielten Ermordungen und die zunehmende Korruption bei der Beschaffung von Erdgas mit einem Schleier des Schweigens zu überdecken, stellt keine Gewinnstrategie dar. In dieser Hinsicht beglückwünscht unsere Fraktion Präsident Borrell. Gleichwohl erklären wir in aller Höflichkeit unser Nichteinverständnis damit, dass die Neubelebung der Atomenergie von ihm und der finnischen Regierung eindeutig befürwortet wird. Ob es uns gefällt oder nicht, zwischen der so genannten friedlichen Nutzung der Kernenergie und der Weiterverbreitung von Kernwaffen besteht ein klarer Zusammenhang – wie durch die Lage im Iran deutlich belegt wird. Rechte und Energie dürfen daher nicht gegeneinander eingetauscht werden.

Die Ereignisse in der Ukraine und diejenigen, die jüngst in Georgien stattgefunden haben, veranschaulichen, dass durch eine Beschwichtigungspolitik Herr Putin nicht zuverlässiger, sondern lediglich in seiner Entschlossenheit bestärkt wird, im ausschließlichen Interesse seines Machtklüngels zu handeln. Wir haben bereits viel kostbare Zeit in dieser Frage verloren, weshalb wir die durch das Auslaufen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens Ende dieses Jahres gebotene großartige Gelegenheit nicht ungenutzt lassen dürfen. Schon heute erklären wir, dass wir uns jeglichem Versuch, die Konditionalität und insbesondere den Hinweis auf die Menschenrechtsklausel aus diesem Abkommen zu streichen, entschieden widersetzen werden.

Wir müssen eine Strategie entwickeln, die auf die Verringerung des Mangels an Nachhaltigkeit im Bereich des Konsums sowie der außerordentlichen Ineffizienz unseres Verkehrs-, Bau- und Energiewesens ausgerichtet ist und ferner im Hinblick auf die Entwicklung erneuerbarer Energie entschlossen auf die Hochleistung in unseren Unternehmen setzt. Dies ist der beste Weg zu weniger Abhängigkeit und zur Verteidigung von Frieden, Abrüstung und Demokratie.

Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zu einem weiteren äußerst wichtigen Thema, das Gegenstand der Beratungen war, nämlich die Einwanderung. Der Grund, weshalb man in dieser Frage nicht weiterkommt, liegt nach meinem Dafürhalten beim Rat und bei den Mitgliedstaaten untereinander, denn bisher waren sie nicht imstande, die Regelung der legalen Einwanderung in Angriff zu nehmen, ernsthafte Kooperationsabkommen auf europäischer Ebene auszuhandeln und zu finanzieren, um es den Entwicklungsländern tatsächlich zu ermöglichen, nicht ihre besten Kräfte in unsere Länder schicken zu müssen, und zu gewährleisten, dass die EU-Politik, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei, keine verheerenden Auswirkungen hat, durch die lediglich noch mehr Menschen auf jene Boote an den Küsten ihrer wie unserer Länder getrieben werden.

(Beifall)

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (FI) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Kommissar! Das informelle Treffen in Lahti war ursprünglich anberaumt worden, um über die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationspolitik der EU zu beraten.

Der russische Präsident Wladimir Putin wurde nach Lahti eingeladen, um ein Solo mit dem EU-Orchester zu spielen. Man wollte mit ihm über die Energie sprechen. Gleichzeitig war es eine Gelegenheit, über die Menschenrechtsfragen in diesem Land zu reden. Menschenrechtsfragen und die Pressefreiheit können nicht ausgeklammert werden, wenn es um die Politik gegenüber Russland geht. Man kann sich allerdings unmöglich mit dem Land über diese Fragen einigen, genau so wie es unmöglich ist, mit Repräsentanten einer gewissen Supermacht jenseits des Atlantiks eine Einigung in solchen Fragen zu erreichen wie der Beendigung der Folterung von Kriegsgefangenen oder der Führung von Kriegsverbrecherprozessen gegen US-Bürger vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Präsident Putin will eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland. Das erinnert einen an die strategische Partnerschaft zwischen der NATO und Russland und die auf diesem Gebiet verabschiedeten institutionellen Lösungen. Innerhalb dieses Rahmens ist Russland zu einem Energiedialog bereit und wird sich sogar auf ein rechtsverbindliches Instrument einlassen. Unklar blieb jedoch, ob das dann eine Öffnung der Märkte auf beiden Seiten oder nur in einer Richtung bedeuten würde. Und wenn sie nur einseitig wäre, in welcher Richtung würden sie geöffnet? Lahti beantwortete diese Frage nicht, und das nächste Mal, da sie diskutiert wird, ist der EU-Russland-Gipfel im November. Der Gipfel von Lahti war eine Art Generalprobe dafür.

Finnland, das den Ratsvorsitz innehat, bezieht Erdgas aus Russland billiger als andere EU-Länder. Der Strom für Industrie und Haushalte in Finnland ist mit der billigste in der EU. Die Harmonisierung der Strommärkte in der EU würde einen Anstieg der Strompreise in dem Land bedeuten, das Ministerpräsident Vanhanen vertritt, während sich die Ministerpräsidenten einiger anderer Länder über eine solche gemeinsame Energiepolitik gewiss freuen könnten.

Die Regierung von Herrn Vanhanen nutzte den Gipfel von Lahti dazu, um sich der Unterstützung seitens der anderen EU-Länder für Strompreiserhöhungen zu versichern und um den jämmerlichen Zustand der Demokratie zu bemänteln, sodass das finnische Parlament gezwungen ist, auf Vorschlag der Regierung eine Verfassung zu ratifizieren, mit der man bei Referenden in anderen EU-Ländern gescheitert ist. Alle europäischen Föderalisten sind begeistert darüber, aber das ist keine Demokratie. Die EU-Elite mag heute mit einer Stimme sprechen, aber sie hört nicht auf das Volk.

 
  
  

VORSITZ: JACEK EMIL SARYUSZ-WOLSKI
Vizepräsident

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Mein Dank gilt Premierminister Vanhanen und Präsident Barroso für ihre Ausführungen heute Morgen. Ich möchte hier nur auf zwei Dinge eingehen, die ich bereits dem Premierminister gegenüber erwähnt habe, aber sie sind sicherlich für Herrn Barroso auch interessant.

Die Mehrheit in diesem Parlament befürwortet und unterstützt die Notwendigkeit eines Europäischen Technologieinstituts, doch welche Vorkehrungen dafür werden getroffen? Wir können unendlich lange darüber reden, aber es muss konkrete Maßnahmen geben, um es auf den Weg zu bringen und der Innovation und Forschung in Europa ein zentrales Instrument an die Hand zu geben.

Zweitens müssen im Hinblick auf den gesamten Patentbereich die Ideen und Schöpfungen, die aus der innovativen Strategie und Politik erwachsen, geschützt werden. Ansonsten wandern alle Forschungsmittel, alle Forscher, alle Topabsolventen auf Doktorandenebene in die USA, nach Japan oder sonst wohin ab, da dort ihre Ideen geschützt werden und höhere Investitionen fließen.

Nach meinem Ermessen sind dies die beiden Hauptfragen im Hinblick auf die künftige Erfüllung der Strategie von Lissabon.

Meinen Glückwunsch an Premierminister Vanhanen. Alle sagten, Sie würden es nicht schaffen, dass Europa gegenüber Russland mit einheitlicher Stimme auftritt, doch Sie haben das Gegenteil bewiesen. Ich gratuliere!

 
  
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  Godfrey Bloom, im Namen der IND/DEM-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Ich weiß nicht genau, wie ich mich diesem Thema nähern soll. Energie ist das Herzblut eines jeden Nationalstaats und ich bin natürlich hier, um einen Nationalstaat zu vertreten.

Nach meiner Meinung ist es für das Volk des Vereinigten Königreiches kaum vermittelbar, dass dessen Energiepolitik im Grunde von Ausländern bestimmt wird. Seit Menschengedenken kämpfen wir die Atlantikschlacht, und für die Freiheit mussten wir auf Messers Schneide leben, da die Staaten auf dem Festland sich mit dem Zusammenleben offensichtlich schwer tun.

Der Gedanke, die Idee oder das Konzept, dass die Energie des Vereinigten Königreichs möglicherweise unter die Kontrolle eines wie auch immer gestalteten Übereinkommens mit einem Verbrecher wie Putin fallen könnte, ist absolut grotesk! Es wäre kompletter Wahnsinn, etwas von einem Stück Papier zu erwarten, das Putins Unterschrift trägt, genauso wenig, wie das der Fall bei einem von Hitler unterzeichneten wäre. Der Mann ist ein Verbrecher. Wenn Sie erwarten, dass die Menschen im Vereinigten Königreich irgendeine Art von Vertrag über ihr Herzblut abschließen, das Herzblut eines Nationalstaats, und diesen Vertrag mit Leuten schließen, die kein grundsätzliches Interesse am Wohlergehen des Vereinigten Königreiches haben, dann kann ich Ihnen versichern, dass dies nicht passieren wird.

Wir sollten auch damit anfangen, die Wahrheit auszusprechen. Es scheint eine Art abstrakte Vorstellung über erneuerbare Energien zu geben. Wissenschaftlich erwiesen ist jedoch, dass der Großteil unserer Technologien für erneuerbare Energien nicht funktioniert. Windparks sind absurd. Jeder unabhängig befragte Wissenschaftler wird Ihnen bestätigen, dass es vollkommener Quatsch ist, vom Vereinigten Königreich die Art von Energiemengen zu erwarten, die die Europäische Union fordert, nämlich 20 % aus erneuerbaren Energiequellen, aus Windparks. Wir müssen den Menschen endlich die Wahrheit sagen. Wir verfügen noch nicht über die Technologien für erneuerbare Energien. Wir sollten da ganz ehrlich sein, auch wenn in diesem Hohen Hause Ehrlichkeit keineswegs großgeschrieben wird.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (NI).(PL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Präsidenten, Herrn Borrell, dafür danken, dass er Präsident Putin in Lahti klargemacht hat, dass die Europäische Union Menschenrechte nicht für Energie verkaufen wird. Diese wichtige Aussage wurde auch in meinem Namen getroffen und ich denke ebenso im Namen aller polnischen Mitglieder des Europäischen Parlaments wie überhaupt aller Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus den neuen Mitgliedstaaten.

Präsident Borrell hat zusammen mit dem polnischen Präsidenten und den Ministerpräsidenten von Lettland, Dänemark und Schweden Europas Ehre verteidigt. Wir müssen unseren russischen Partnern in die Augen schauen, wenn wir über Menschenrechte reden. Wir können nicht zulassen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, das heißt, wir können nicht auf der Achtung der Menschenrechte nur in den Ländern bestehen, mit denen wir gerade keinen Handel treiben. Ein vereintes Europa bedeutet mehr als nur Wirtschaft und Geschäft. Es ist auch ein System von Werten, die bei uns immer an erster Stelle stehen sollten und nicht nur dann, wenn es uns gerade passt. Wenn wir notwendige und wichtige Geschäfte mit Russland tätigen, täten wir gut daran, uns der Worte Lenins, des Archetypus des russischen Politikers, zu erinnern, der da sagte: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen werden.“

Gestern wurde ich von einigen polnischen Journalisten gefragt, ob der Gipfel in Lahti einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der Union und Russland markieren würde. Ich weiß es nicht. Es könnte durchaus sein. Bislang haben einige Mitgliedstaaten der Union es vorgezogen, über den Kopf der anderen hinweg mit Moskau Geschäfte zu machen. Herr Schröder hat Herrn Putin umarmt, das Ehepaar Blair hat es sich mit dem Ehepaar Putin gutgehen lassen, Herr Berlusconi hat ein Loblied auf den führenden Mann Russlands gesungen, und Präsident Chirac bekam feuchte Augen, als er über den Präsidenten der Russischen Föderation sprach. Damit muss Schluss sein. Die Europäische Union muss mit einer Stimme sprechen.

 
  
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  Camiel Eurlings (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Als Vorsitzender der Russland-Delegation dieses Parlaments darf ich zunächst meiner Wertschätzung gegenüber der Tatsache Ausdruck verleihen, dass der finnische Ratsvorsitz unserer Partnerschaft mit Russland so große Aufmerksamkeit gewidmet hat.

Diese Partnerschaft könnte unser beider Interessen dienen. Wie der Premierminister sagte, könnten wir uns bei der Erzielung einer guten Diplomatie im Nahen Osten gegenseitig unterstützen. Würden wir demokratische Grundsätze teilen, wäre das die beste Garantie für Stabilität in unseren bilateralen Beziehungen. Darüber hinaus sind wir sowohl wirtschaftlich als auch in Sachen Energie aufeinander angewiesen. Diese Partnerschaft kann nur dann funktionieren, wenn sie auf gemeinsamen Grundsätzen, Ausgewogenheit und einem Grundvertrauen basiert. Zu diesen Fragen möchte ich im Nachgang zu dem informellen Treffen einige Bemerkungen machen.

Es muss absolut klargestellt werden, dass der Boykott Georgiens und die Behandlung georgischer Menschen in Russland nicht hinnehmbar sind. Hier handelt es sich um Einmischung von Seiten Russlands nach einem Muster, wie wir es bereits aus Belarus und Ukraine kennen. Europäische Grundsätze sollten klipp und klar bedeuten, dass unsere gemeinsamen Nachbarn eigenverantwortlich darüber entscheiden können, wie ihre Zukunft aussehen soll.

Zweitens ist der Mord an Anna Politkowskaja der jüngste Vorfall in einer langen Reihe von mindestens 19 Journalisten, die seit dem Amtsantritt von Präsident Putin verschwunden sind oder ermordet wurden. Ich begrüße die Erklärung der Duma und die Äußerungen von Putin, aber das Einzige, was uns wirklich überzeugen könnte, wäre, wenn die Mörder gestellt und der Justiz übergeben werden. Zudem würden die Duma und der Präsident viel an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie Maßnahmen zur Erweiterung der eingeschränkten Pressefreiheit zustimmten.

Drittens wurde die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit angesprochen, ein oft diskutiertes Thema. Hier muss es Gegenseitigkeit geben. Es kann nicht sein, dass Russland in unsere Erdöl- und Gasinfrastruktur investieren und sogar eine Minderheitsbeteiligung am Airbus erwerben will, aber gleichzeitig unsere Unternehmen wie Shell oder Mobil von russischen Förderfeldern vertrieben werden. Dies sage ich, weil ich glaube, dass Europa sich in diesen grundsätzlichen Fragen einigen sollte.

In Finnland hat Europa erstmals Stärke gezeigt. Putin musste wegen eines einheitlich auftretenden Europa in die Defensive gehen. Wir sollten uns davon ermutigen lassen und uns zukünftig geschlossener zeigen, denn das ist der einzige Weg zu einer ausgeglichenen Partnerschaft, welche im Interesse beider Seiten liegt.

Abschließend sollten wir, wenn wir wie Herr Schulz meinen, dass die Innovationen nicht weit genug gehen, den Kommissionspräsidenten unterstützen, denn er bemüht sich sehr, und wir sollten unsere eigenen Regierungen unter Druck setzen, die Kommission bei der Erzielung greifbarer Ergebnisse zu unterstützen.

Zum Schluss beglückwünsche ich Herrn Blair und Herrn Balkenende für ihre Initiative zum Klimawandel. Sie verdient unsere volle Unterstützung.

(Beifall)

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Ich glaube, dass der Gipfel in Lahti einen wichtigen Schritt nach vorn bedeutet. Ich hoffe, dass der von Ihnen beschworene Geist von Lahti auch wirklich — wie Kollege Schulz gesagt hat — konkrete Ergebnisse mit sich bringt.

Herr Kommissionspräsident, Sie haben eine außenpolitische Vorlage im Bereich Energiepolitik gemacht, die ich sehr begrüße. Ich unterstütze Sie voll. Ich bitte Sie nur, stark zu bleiben, wenn wieder einige Länder davon ausscheren, weil sie merken, dass sie diese Gemeinsamkeit in der Energie- und der gemeinsamen Außenpolitik vielleicht doch nicht wünschen. Ebenfalls bitte ich Herrn Vanhanen, das seinen Ratsmitgliedern zu sagen. Was hier festgelegt worden ist — ich höre von der Diskussion in Lahti sehr positive Berichte —, muss jetzt auch umgesetzt werden. Das ist die einzige Chance, damit wir unsere Interessen durchsetzen können.

Es wurde von der Abhängigkeit von Russland gesprochen. Wir sollten aber durchaus bedenken, dass auch Russland von der Europäischen Union, vom Verbrauch an Erdöl und Gas abhängig ist, gerade da die Leitungen fast ausschließlich in die Richtung der Europäischen Union führen. Daher sollten wir durchaus mit Stolz und Selbstbewusstsein in diese Verhandlungen und Gespräche gehen und nicht Angst haben, bestimmte Themen anzuschneiden. Wir sollten gerade hier eine Interdependenz, eine gegenseitige Abhängigkeit festschreiben, natürlich inklusive jener Regionen, Herr Kommissionspräsident, die Sie erwähnt haben, und die wir nicht vergessen sollten, z. B. die Ukraine oder andere Länder im Bereich des Schwarzen Meeres und insbesondere auch die Türkei. Auch mit ihnen müssen wir eine gemeinsame Politik formulieren. Dann werden wir eine wirkliche Partnerschaft mit Russland erreichen können.

Was die Streitpunkte betrifft, so dürfen wir nicht vergessen, dass wir in den Beziehungen zu Russland, insbesondere im zukünftigen Partnerschaftsabkommen, auch ein klares Streitschlichtungsverfahren brauchen. Für Konflikte, die es immer geben kann und die wir auch künftig nicht vermeiden können, muss es wie in der Welthandelsorganisation ein Streitschlichtungsverfahren geben, so dass wir diese Dinge letztendlich gemeinsam oder durch einen unabhängigen Streitschlichter lösen können.

Unser Ziel ist Partnerschaft. Wie schon Kollege Schultz gesagt hat, ist es klar und eindeutig, dass Putin ein starker Mann ist. Viele Russen sehen das positiv, aber wenn die Europäische Union sich einig ist, dann ist sie stärker als Putin. Dann können wir wirklich zu einer guten, korrekten und gleichberechtigten Partnerschaft kommen.

(Beifall)

 
  
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  Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE),(NL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Finnland hat den EU-Vorsitz zu einem ausgesprochen schwierigen Zeitpunkt inne, denn die Staats- und Regierungschefs sind über die Zukunft der Europäischen Union zutiefst uneins. Schlimmer noch – einige von ihnen wissen nicht einmal, in welche Richtung sie sie eigentlich führen wollen.

Ein renommierter Gast, wie Präsident Bush oder jüngst Präsident Putin, mag sich da als eine Lösung erweisen. Für die Aufnahme eines offenen und eingehenden Dialogs mit Russland ist jedoch Finnland aufgrund seiner Geschichte wohl der Mitgliedstaat, der dazu am besten in der Lage ist.

Lassen Sie mich den Ratsvorsitzenden daher zum Verlauf des informellen Gipfels sowie dazu beglückwünschen, dass es ihm gelungen ist, sowohl im Bereich der Energiepolitik als auch in Bezug auf Russland Einmütigkeit herzustellen. Eines muss mir allerdings von der Seele: 25 plus 2 Staats- und Regierungschefs, die sich alle um den Führer einer Großmacht drängen! Das finde ich nun doch etwas betrüblich. Mein Herzenswunsch ist es, dass die Staats- und Regierungschefs die Europäische Union endlich erwachsen werden lassen mögen.

 
  
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  Claude Turmes (Verts/ALE).(EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Premierministern Blair und Balkenende dafür danken, dass sie Europa beim Klimawandel voranbringen. In ihrem Schreiben haben sie die Atomkraft ausdrücklich nicht erwähnt. Nur 6 % unserer Energie werden aus Atomkraft erzeugt, und dieses Thema würde Europa stärker spalten als uns mit einer Stimme sprechen lassen.

Herr Barroso, meiner Ansicht nach tragen Sie jetzt historische Verantwortung dafür, im Januar einen umfassenden Energiebericht vorzulegen. In diesem Bericht muss ein CO2-Ziel für Europa für 2020 gesetzt werden. Ohne ein solches Ziel haben wir keine Investitionssicherheit für unsere Industrie; und worum anders geht es bei den verbesserten Rechtsvorschriften in diesem geplanten Dokument als um die Zusammenführung von Energie- und Klimapolitik?

Der zweite Schwerpunkt dieses Energieberichts muss darin bestehen, den oligopolistischen Strukturen in unseren Energie- und Transportsektoren ein Ende zu bereiten. Die Unternehmen und Bürger Europas verlieren Milliarden von Euro aufgrund des fehlenden Wettbewerbs, und ebendiese Unternehmen verhindern den Anstieg von Innovationen, den wir in diesen Sektoren haben könnten. Und solange diese Oligopole nicht aufgespalten werden, sind wir auf konkrete Politiken in den einzelnen Sektoren für erneuerbare Energien angewiesen. Eine solche Strategie ist die Basis für eine ausländische Energiepolitik. Da durch diese Technologien der Druck auf Ressourcen verringert wird, stellen sie ein Friedensprojekt für die Welt dar und eröffnen gleichzeitig Geschäftsmöglichkeiten für Europa.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Die zunehmende Verdrängung der sozialen Folgen der Beschleunigung des Neoliberalismus durch die europäischen Organe ist alarmierend. Durch dieses Phänomen bleiben nicht nur die Raten bei Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung hoch, sondern es führt auch zu einer Zunahme von unsicherer, schlecht bezahlter Arbeit. Hinzu kommen noch Versuche, das Konzept „Flexicurity“, also „Flexibilität durch Sicherheit“, wieder zurückzubringen, das Arbeitnehmer zwingt, ihre Grundrechte aufzugeben und verstärkt unsichere Arbeit anzunehmen.

Mithilfe der Maßnahmen, die umgesetzt werden, und anderer, die vorgebracht werden, wie die Liberalisierung und Deregulierung von Dienstleistungen und die Aushöhlung öffentlicher Dienstleistungen, wird das Europäische Sozialmodell mit Füßen getreten, und wir sind ganz entschieden dagegen. Die Proteste gegen diese Politik werden immer stärker, wie die von der CGTP (Allgemeiner Verband der portugiesischen Arbeitnehmer) organisierte gewaltige Demonstration am 12. Oktober in Lissabon gezeigt hat. Mit rund 100 000 teilnehmenden Arbeitnehmern war es die größte Demonstration seit den 1980er-Jahren. Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit ist, ihre gerechtfertigten Beschwerden zu beherzigen?

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (IND/DEM).(PL) Herr Präsident! Wie allgemein bekannt ist, wurde auf dem Gipfel in Lahti kein Durchbruch erzielt. Es gab keine nennenswerten Fortschritte in den Gesprächen mit Russland über die Zusammenarbeit im Bereich Energiepolitik. Weitaus bedauerlicher ist jedoch, dass die Europäische Union – entgegen anders lautenden Erklärungen – sich nicht als eine einheitliche Macht präsentiert hat, die Russland sehr ernst nehmen muss. In diesem Zusammenhang verdienen einige Länder, darunter auch Polen, für ihre Haltung Lob. Das gilt auch für den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Borrell, dem es zu verdanken ist, dass die Stimme der neuen Mitgliedstaaten – der Nachbarn Russlands – in Lahti gehört wurde.

Dies wurde auch als Aufforderung verstanden, in puncto Energiepolitik in der Europäischen Union eine einheitliche Position zu vertreten. Nur wenn wir Russland gegenüber eine feste und entschlossene Haltung einnehmen, können wir auf erfolgreiche Verhandlungen über die Energieversorgungssicherheit in Europa hoffen. Bedauerlicherweise haben das noch immer nicht alle Mitgliedstaaten begriffen.

 
  
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  Mario Borghezio (NI). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Fülle hochtrabender, pathetischer Worte zur Verteidigung der Menschenrechte gehört, auch von den Bänken jener Parteien, die sich jahrzehntelang in Schweigen hüllten, als es im Osten zu Volksaufständen in Berlin, Budapest usw. kam. Damals hat Europa und haben jene Parteien geschwiegen, während sie heute alle für die Menschenrechte eintreten und Vladimir Putins Russland auf die Anklagebank setzen.

Wenn es stimmt, dass Menschenrechte nicht gegen Wirtschaftsinteressen eingetauscht werden dürfen, und davon bin ich vollkommen überzeugt, so ist es gleichermaßen zutreffend, dass unsere Aufmerksamkeit und unsere entschlossene Verteidigung der Werte, auf die sich Europa gründet und die heute in Russland oft mit Füßen getreten werden, aber nicht nur dort – das gleiche Pathos wünschte ich mir übrigens, wenn über Menschenrechtsverletzungen beispielsweise in der Türkei gesprochen wird, einem Land, das manch einer mit Begeisterung, sogar auf der Stelle, in die Europäische Union aufnehmen würde –, uns nicht die Augen vor einer offenkundigen Tatsache verschließen dürfen, nämlich dass ebenso wie Russland auf uns zur Zusammenarbeit im Energiebereich angewiesen ist, wir ein wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen mit Russland brauchen.

Ich weise darauf hin, dass Herr Putin selbst erklärt hat, er lehne die Grundsätze der Energiecharta nicht ab, sondern möchte, dass ein neues Dokument ausgearbeitet wird, in dem diese Grundsätze übernommen und teilweise geändert werden sollen. Dies bedeutet infolgedessen eine eindeutige Öffnung. Die Bedeutung eines Abkommens mit Russland wird durch geoökonomische und geostrategische Aspekte unterstrichen. Ein solches Abkommen liegt uns vor, und es betrifft die wirtschaftliche Zukunft unserer Region. Vonnöten ist somit Realitätssinn, ohne dass natürlich auf den Schutz der Menschenrechte verzichtet werden darf, der gleichwohl ein Instrument darstellt, um auch in diesem Fall Druck auszuüben, zumal Herrn Putins Politik in Richtung eines für Europa besorgniserregenden Wirtschaftsnationalismus sowie dazu tendiert, sich der Zusammenarbeit zu verschließen und Verträge mit westlichen Unternehmen auslaufen zu lassen. Eine solche realistische Strategie muss von uns nachdrücklich und sehr verantwortungsbewusst unterstützt werden.

 
  
  

VORSITZ: PIERRE MOSCOVICI
Vizepräsident

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Was Herr Bloom von der britischen Independence Party vorhin sagte, hat mich etwas überrascht, denn ich dachte, die Dinosaurier wären vor Jahrmillionen ausgestorben.

Ich möchte mich auf die zentrale Frage des Gipfels von Lahti konzentrieren: auf die Frage der Energiesicherheit in Europa und unsere weiteren Beziehungen zu Russland.

Der jüngste Streit zwischen der Ukraine und Russland um Gaslieferungen gab uns Anlass zur Besorgnis. Zweifellos sind die Beziehungen zwischen der EU und Russland von lebenswichtiger Bedeutung, und man muss Wege zu ihrer Stärkung finden. Wir werden in den kommenden Jahrzehnten auf Russlands Energieressourcen angewiesen sein, und Russland seinerseits wird zur Entwicklung seines Wirtschaftspotenzials Zugang zu den EU-Märkten brauchen. Für beide Seiten steht viel zu viel auf dem Spiel, als dass man es sich leisten könnte, eine diplomatische Schau abzuziehen.

Mit Genugtuung habe ich vermerkt, dass Präsident Putin sagte, er wolle Beziehungen auf der Grundlage gemeinsamer Werte aufbauen. Zu diesen Werten muss Russlands unerschütterliche Verpflichtung zum Pluralismus und zum demokratischen Prozess gehören. Wenn wir diese große Nation in den kommenden Jahren als strategischen Partner gewinnen wollen, müssen wir in Europa sicher sein, dass sie sich an die gleichen Werte und Normen von Demokratie und Menschenrechten hält wie wir. Derweil sollten wir Herrn Putin vielleicht beim Wort nehmen und ihn dazu veranlassen, Sorge zu tragen, dass die Demokratie in Russland erblüht. Einige sind indes der Ansicht, dass der demokratische Prozess in Russlang in jüngster Zeit sogar stagniert. Ich hoffe auf mehr Bewegung in die richtige Richtung.

Ich gratuliere Präsident Barroso zu der Aussage, die Beziehungen zu Russland erforderten Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Gegenseitigkeit. Hoffentlich hat Herr Putin zugehört.

Ein wenig enttäuscht war ich, was die Menschenrechtsfragen betrifft. Ich war enttäuscht darüber, dass mein eigener britischer Premierminister, der behauptet hatte, er würde die Fragen gegenüber Herrn Putin zur Sprache bringen, das offenbar nicht getan hat. Er muss jetzt einen anderen geeigneten Anlass dafür finden.

Vor einer offenen Debatte über diese Probleme braucht man sich nicht zu fürchten. Sie ist für ein zukünftiges produktives Verhältnis zwischen Europa und Russland ganz notwendig.

 
  
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  Robert Goebbels (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Informelle Gipfeltreffen führen lediglich zu virtuellen Schlüssen. Dies ist die Welt der Vorstellung und des Traums!

Stellen wir uns einen Augenblick lang vor, der Traum würde Wirklichkeit. Europa ist ein wirtschaftlicher Riese. Wir sind weltweit der größte Exporteur, sogar ohne den Handel zwischen den 25 EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Europa ist der wichtigste Ort für internationale Direktinvestitionen. Ohne die Fusionen und Übernahmen mitzuzählen, hat IBM 2005 weltweit 8000 Investitionen in neue Produktionskapazitäten vorgenommen, davon 900 in China, 600 in Indien, 1 200 in den USA und 3 200 in der EU, die so 40 % der produktiven Investitionen weltweit ausmachen.

Zwar hat Europa Marktanteile verloren, jedoch weniger als die USA und Japan. Zwar ist China unser wichtigster Handelspartner geworden, aber der Umfang der europäischen Ausfuhren nach China hat sich verdoppelt. Tatsächlich war es 2005 so, dass 60 % der chinesischen Ausfuhren durch in China ansässige ausländische Unternehmen realisiert wurden. Die Triade-Länder verkaufen sich gegenseitig zum größeren Vorteil unserer Verbraucher sowie der Aktionäre der multinationalen Unternehmen die von ihnen in China hergestellten Waren. Es stimmt, bei uns gibt es zu viel Arbeitslosigkeit, und doch schaffen wir neue Arbeitsplätze. Die niedrigsten Löhne finden Sie in Bereichen wie dem Gaststättengewerbe, in Wachschutz- sowie Reinigungsunternehmen, im Einzelhandel oder im Handwerk vor, die dem weltweiten Wettbewerb gar nicht unterliegen.

Sicherlich könnte Europa besser sein, aber dazu müssten die Zwerge, die uns regieren, endlich ihre eigenen Entscheidungen umsetzen, nämlich in Innovation, Forschung und transeuropäische Netze investieren. Für die Union bedürfte es eines richtigen Haushalts, der es ihr ermöglichen würde, die rasche Integration der neuen Mitglieder zu unterstützen und so einen Binnenmarkt zu schaffen, der bessere Aussichten für alle bietet. Wenn sich die Obersten zudem an ihre eigenen Unterschriften halten würden, könnte man vielleicht einen neuen europäischen Energievertrag vereinbaren. Wenn ferner auf den Gipfeltreffen keine virtuellen Entscheidungen mehr getroffen würden, könnte Präsident Barroso ein europäisches Technologieinstitut errichten, das mit echten Mitteln ausgestattet wäre!

Muss das alles ein Traum bleiben, Herr Ratspräsident?

 
  
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  Lena Ek (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die gemeinsamen Verhandlungen und Gespräche der Europäischen Union mit Russland über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, über den Mord an Anna Politkowskaja und an anderen Journalisten in Russland und natürlich über Energie.

Es gibt ein altes russisches Sprichwort, das lautet: „Liebe deinen Nachbarn, aber errichte einen Zaun“. Die laufenden Energieverhandlungen mit Russland müssen sich auf Gegenseitigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Transparenz gründen. Doch was heute in Russland im Energiebereich abläuft, ist das genaue Gegenteil, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das beweist auch die absolute Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik, nicht nur auf dem Gebiet der Versorgungssicherheit, sondern auch zur Bekämpfung der globalen Erwärmung. Sehr bald werden wir mit Russland, das das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und ratifiziert hat, über den Emissionshandel verhandeln. Das wird der wahre Prüfstein sein, sowohl für die Einheit der Europäischen Union als auch dafür, was Russland…

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE). – Herr Präsident! Es mag schwer sein, europäische Energiesicherheit mit unseren europäischen Grundwerten zu verbinden. Aber wollen wir daran scheitern? Auftragsmorde sind in Russland ebenso an der Tagesordnung wie die Unterdrückung von nichtstaatlichen Organisationen und die Einschränkung demokratischer Grundrechte. Der Fall Yukos, die Inhaftierung von Chodorkowski und Lebedjew, der Krieg in Tschetschenien bleiben – was die Energiepolitik und die Menschenrechte anbelangt – aktuelle Beispiele für die Willkür der Regierung Putin. Mit dem Mord an Anna Politkowskaja wird wieder einmal auf tragische Weise deutlich, dass Russland bei Verbrechen an kritischen Journalisten den zweiten Platz gleich hinter Kolumbien einnimmt.

Russland steht momentan am Scheideweg zwischen kleinen Schritten zur Demokratie und autoritären Strukturen. Nur Kritik reicht nicht mehr aus. Energiepolitik und Menschenrechte müssen zusammen verhandelt werden und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Verlässliche Garantien bei der Energiesicherheit gibt es laut Putin nicht. Wir müssen trotzdem unser europäisches Werteverständnis verlässlich gewährleisten.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte auf zwei Themen eingehen, die auf dem informellen Gipfel in Lahti diskutiert worden sind. Bei dem ersten geht es um die Innovationspolitik, die Ihrer Ansicht nach, Herr Vanhanen, die Quelle der europäischen Entwicklung darstellen wird. Meines Erachtens meinen wir jedoch nicht dieselbe Innovationspolitik, da Sie davon reden, die Hindernisse für grenzübergreifende Wirtschaftsaktivitäten sowie die Faktoren zu beseitigen, die den Wettbewerb verzerren.

Vielleicht sollten wir uns aber mehr auf ein soziales Entwicklungsmodell konzentrieren? Wie Sie übrigens sehen können, haben die europäischen Bürger eine außerordentlich geringe Meinung von der Union. Vielleicht ist es an der Zeit, über eine nachhaltigere Strategie nachzudenken, mit der das Vertrauen wiederhergestellt werden könnte?

Das zweite Thema betrifft Zypern. Nur eine Frage, Herr Ratspräsident: Haben Sie über die Möglichkeit diskutiert, dass die Türkei sich auch im Dezember weiterhin weigern könnte, die Republik Zypern anzuerkennen, und sie die Häfen und Flughäfen auch in Zukunft geschlossen halten könnte?

 
  
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  Inese Vaidere (UEN). – (LT) Meine Damen und Herren! Erstens möchte ich betonen, dass der Gipfel in Lahti ein Gradmesser für das geschlossene Auftreten Europas war. Wenn es uns jetzt gelingt, in Sachen Energie mit einer Stimme zu sprechen, dann ist das ein Schritt auf dem Weg zur Einheitlichkeit in allen außenpolitischen Fragen. Ein weiterer Indikator ist zweitens, ob und wie es uns gelingt, Einfluss auf Russlands Politik zu nehmen. Wenn Russland mit der Europäischen Union über Energiefragen spricht, dann weiß es sehr gut, wie es mit unseren Ängsten spielen kann, während wir unsererseits vergessen, dass Russland an uns interessiert ist, denn es möchte seine Energie vorteilhaft verkaufen, Visa-Erleichterungen erreichen und all das nutzen, was die europäische Zivilisation zu bieten hat, wenn wir es einmal so ausdrücken wollen. Dieser Aspekt sollte effektiv genutzt werden, um Fortschritte auf dem Gebiet der Pressefreiheit, der Demokratie, der Menschenrechte und der Gleichbehandlung von Investitionen zu bewirken. Drittens ist da noch die Innovationspolitik. Gegenwärtig wird das Potenzial der neuen Mitgliedstaaten noch nicht voll ausgeschöpft. Das Europäische Institut für Technologie sollte deshalb in einem neuen Mitgliedsstaat eingerichtet werden. Der geeignetste Standort für das Institut wäre die lettische Hauptstadt Riga als Zentrum der Technologie und des Umweltschutzes in den baltischen Staaten. Vielen Dank.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident! Ich glaube, wir bewegen uns immer noch in die falsche Richtung. Warum wenden wir uns gegen Russland? Auch diese letzte Konferenz war ein Krieg gegen Russland. Das ist der Tenor aller Überschriften. Amerika will sein kleines Spielchen spielen und uns dazu bringen, die Schüsse abzufeuern. Damit treiben wir aber Russland dazu, eine chinesisch-russische Achse aufzubauen, die uns zwischen Amerika, Russland und China einklemmen wird. Warum? Was für einen Streit haben wir mit ihnen auszufechten? Wollen wir die historischen Fehler wiederholen, die wir vor 200 Jahren gemacht haben? Warum also Russland? Wozu müssen wir hier einen Keil hineintreiben?

Was das über die Menschenrechte Gehörte angeht, sollten wir uns, so denke ich, nichts vormachen. Wir haben bei der Tschetschenien-Frage die Augen verschlossen, weil wir wollten, dass auch Russland seinerseits die Augen gegenüber Israel und Palästina schließt. Eine Hand wäscht die andere. Können wir also eine neue Politik formulieren und uns aus der Abhängigkeit von den Amerikanern befreien? Ich habe gehört, wie jemand von den Zwergen sprach, die Europa beherrschen. Selbst die Zwerge sollten sich endlich zu ihrer vollen Größe aufrichten. Wir dürfen uns von den Amerikanern nicht einen Weg vorschreiben lassen, der nur Europa Probleme bereitet. Das müssen wir uns klarmachen.

 
  
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  Philip Claeys (NI).(NL) Herr Präsident! Der informelle Gipfel von Lahti hat die der Europäischen Union gesetzten Grenzen nochmals auf schmerzhafte Weise offenbart. Präsident Putin konnte nicht dazu bewogen werden, das Energieabkommen zu unterzeichnen, durch das ein besserer Zugang zu den russischen Erdöl- und Erdgasfeldern ermöglicht werden sollte. Für EU-Unternehmen, die in Russland investieren, besteht nach wie vor ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, vor allem was die Einhaltung und Durchsetzung von Verträgen anbelangt.

Präsident Putin ist in dem Wissen nach Lahti gekommen, dass die Europäische Union nicht imstande sein würde, über die Menschenrechtssituation in Russland und über die Haltung Russlands beispielsweise gegenüber Georgien mit einer Stimme zu sprechen. Offensichtlich ist unser Mangel an politischer Einmütigkeit ebenso strukturell wie unsere Abhängigkeit von russischen Energiequellen.

Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass auf dem informellen Gipfel nicht über den Verhandlungsprozess mit der Türkei gesprochen wurde, nachdem sich die Türkei geweigert hat, die geltenden Kriterien zu erfüllen, und sich die Beziehungen zur Türkei allgemein verschlechtert haben, wenn auch der EU-Beitritt noch von einem Drittel der türkischen Bevölkerung befürwortet wird. Den Rat möchte ich um Auskunft darüber ersuchen, inwieweit die Mitgliedstaaten bereit sind, Scheinlösungen zu akzeptieren, wie die Unterstellung zyprischer Seehäfen unter die Kontrolle der Vereinten Nationen.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte näher auf das eingehen, was sich die Bürgerinnen und Bürger von diesem informellen Gipfeltreffen in Lahti gemerkt haben – nämlich den Besuch des russischen Präsidenten in einem Augenblick besonderer Spannungen in den Beziehungen zwischen Europa und Russland, sowohl im Zusammenhang mit der Energiestrategie als auch mit den Menschenrechten nach der Ermordung russischer Journalisten in den letzten Tagen.

Ich begrüße es, dass Europa den Mut hatte, seine Fragen zur Meinungsfreiheit in Moskau offen zur Sprache zu bringen, auch wenn man sich vor den Kameras mit eher diplomatischen Äußerungen begnügte. Das europäische Aufbauwerk beruht auf der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der demokratischen Werte. Wir haben die Pflicht, dies geltend zu machen, sowohl bei uns selbst, als auch gegenüber unseren Partnern. Das bedeutet nicht, im Gegensatz zu dem, was der russische Präsident verlauten ließ, dass sich Europa etwa für perfekt hielte. Sicherlich haben wir unsere Fehler, aber wir haben angesichts Besorgnis erregender Verstöße auch die Pflicht, unsere Zweifel und unsere Missbilligung zum Ausdruck zu bringen. Europa ist eben nicht einfach eine Wirtschaftsgemeinschaft.

Was das Energiethema anbelangt, stellte der russische Präsident klar, dass er die Grundsätze der Energiecharta nicht ablehnt und dass er ein Dokument befürworten würde, in dem diese Grundsätze enthalten wären, wobei einige Bestimmungen der Charta überarbeitet werden müssten. Meiner Ansicht nach wäre dies eine vorrangige Aufgabe, die im Rahmen der strategischen Partnerschaft EU-Russland in Kürze und auch auf dem von Präsident Chirac für nächstes Jahr vorgeschlagenen europäischen Energiegipfel verhandelt werden sollte.

Was schließlich die Einwanderung anbelangt, so sind die verschiedenen Positionen noch zu weit voneinander entfernt, als dass es bald gelingen würde, die gemeinsame Politik festzulegen, derer wir so dringend bedürfen. Die Mitgliedstaaten scheinen es für entschieden weniger dringlich zu halten als die Bürger, in dieser Frage voranzukommen und die verschiedenen, innerhalb des Schengen-Raums praktizierten nationalen Politiken aufeinander abzustimmen, vor allem, was die illegale Einwanderung anbelangt. Im Dezember wird die finnische Ratspräsidentschaft über die auf diesem informellen Gipfeltreffen angesprochenen Fragen konkrete Schlüsse ziehen müssen. Allerdings ist der Vorsitz ohne den politischen Willen der Mitgliedstaaten zur Machtlosigkeit verurteilt, auch wenn er selbst voll guten Willens ist, wie er derzeit von Finnland demonstriert wird.

 
  
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  Riitta Myller (PSE). – (FI) Herr Präsident! Der außerordentliche Gipfel in Lahti ist als Erfolg zu werten. Die EU hielt für den russischen Präsidenten eine gemeinsame Botschaft zur Energiepolitik, zur Demokratie und zu den Menschenrechten bereit. Die Diskussion darf jedoch lediglich als ein Anfang betrachtet werden. Wie der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz, sagte, bedarf es jetzt einer konkreten Aktion. Ob aus Worten Taten werden, wird man in sehr naher Zukunft sehen, wenn wir mit den Verhandlungen über die eigentlichen Details des Abkommens zwischen der EU und Russland beginnen. Es war wichtig, dass wir auf dem Gipfel von Lahti mit Russland und nicht nur über Russland gesprochen haben.

Gut war, dass es bei den Diskussionen über Energie auch um die Zukunft ging. Es mag zwar den Anschein haben, als sei kurzfristig die Verfügbarkeit von Energie das Wichtigste, doch war es gut, auch an die Zukunft zu denken. Zum Glück war dieses Thema von der Beratung über Innovation auf der Tagesordnung von Lahti übrig geblieben.

Unsere Herausforderungen im Bereich der Energiepolitik und die Antwort auf die Probleme der Zukunft liegen auf dem Gebiet der Innovation und darin, wie wir mit der Nutzung erneuerbarer Energieträger beginnen und Technologien zur signifikanten Energieeinsparung entwickeln können. Wir müssen eine Phase erreichen, in der Kohlendioxidemissionen langfristig um 60-80 % reduziert werden, und das kann nur geschehen, wenn wir als Europäer einen echten gemeinsamen Willen zur Investition in erneuerbare Energien und zu Energieeinsparungen besitzen.

Ferner stand auf der Tagesordnung von Lahti, nicht auf der Tagesordnung des eigentlichen Gipfels, sondern auf der einer gesonderten Tagung zum Arbeitsmarkt, ein soziales Europa. Beschäftigung und höhere Beschäftigungsraten sind ein ganz wichtiger Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union und sollten daher auf allen Tagungen eine deutlich sichtbare Rolle spielen.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE).(FI) Herr Präsident! Kurz vor dem informellen EU-Gipfel war Finnland wegen der Einladung Präsident Putins zur Tagung kritisiert worden. Die Einladung hatte ihre Richtigkeit, denn eins der Tagungsthemen betraf die Beziehungen zwischen der Union und Russland. Herr Putin war Gast in Lahti, wenngleich kein Ehrengast. Die Finnen waren zwar höflich, doch ließen sie sich nicht auf eine Show ein, sondern sprachen vielmehr die Fragen der Ermordung von Anna Politkowskaja, der Menschenrechte in Russland und des unbefriedigenden Zustands der Demokratie in dem Land an. Einige hatten zuvor vermutet, die Fragen würden nicht erwähnt werden.

Der Dialog zwischen der EU und Russland ist von Wichtigkeit. Finnland hat die Verantwortung übernommen und nimmt sie auch wahr, diesen Dialog am Leben zu halten. Die gegenseitige Abhängigkeit ist gut für Russland und für die EU, solange sie in geregelten Bahnen verläuft. Europa braucht die russischen Märkte, denn Russland ist nahe und hat eine rasch wachsende Wirtschaft, aber Russland braucht auch die EU.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der informelle Ratsgipfel zeigt, wie intensiv der internationale Wettbewerb mit der einheitlichen Strategie der Europäischen Union geführt wird und wie stark die Gegensätze zwischen den Mitgliedstaaten sind, die darum wetteifern, die Kontrolle über die Energiequellen und -transportleitungen zu erlangen, und er kündigt darüber hinaus neues Leiden für die Völker an.

Die Leitlinien des Rates umfassen Maßnahmen auf allen drei Ebenen – auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer –, um den EU-Monopolen zu ermöglichen, ein strategisches Abkommen mit Russland zu schließen und durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen in den Drittländern einen größeren Teil der Beute zu ergattern.

Auf der Grundlage der Energiesicherheitsdoktrin wird die Europäische Investitionsbank aufgefordert, seine schwarze Liste von Drittländern zu erweitern, damit diese sich den drückenden Bedingungen beugen, die ihnen von den Monopolen auferlegt wurden, um die Kontrolle über die Energiequellen zu gewinnen.

Herr Solana hat angekündigt, dass in den nächsten 20 Jahren 200 neue Kernkraftwerke gebaut werden. Demzufolge lautet das Ziel, dass die Europäische Union beim Ausverkauf und bei der Ausbeutung dieser Werke voranschreitet und dass das Oligopol des angereicherten Urans aufrechterhalten wird, wobei die wahren Gründe des aggressiven Verhaltens der Imperialisten verschleiert werden, die darin bestehen, die Kontrolle über ....

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Guntars Krasts (UEN). – (LT) Das Bestreben des finnischen Ratsvorsitzes, die Kontinuität zu wahren, indem er die Gespräche über die Fragen fortsetzt, die im vergangenen Jahr vom britischen Ratsvorsitz aufs Tapet gebracht wurden, ist zu begrüßen. Diese Themen verdienen es, ernsthaft diskutiert zu werden, und zwar vor allem deshalb, weil in den vergangenen zwölf Monaten auf diesen Gebieten kaum etwas erreicht wurde. Der zu diesem Anlass eingeladene Gast – der russische Präsident – ist ein Beweis dafür, wie ernst es dem Ratsvorsitz mit der Sicherheit der Energieversorgung ist. Dieses Vorgehen ist in jeder Hinsicht zu begrüßen, denn damit hatten die Staats- und Regierungschefs nicht nur die Möglichkeit, die Meinung des russischen Staatschefs zu den Chancen für die Ratifizierung der Energiecharta und das Risiko für europäische Investitionen im Energiesektor Russlands zu hören, sondern auch seine Auffassungen zu Russlands Druck auf Georgien und zu den Menschenrechten. Es war ein nützlicher Auftakt zu dem für nächsten Monat vorgesehenen Gipfeltreffen von Europäischer Union und Russland. Lassen Sie uns hoffen, dass dieses Treffen zu einem besseren Verständnis unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union darüber geführt hat, dass der effektivste Weg, Russland zu einem an Europa interessierten Partner zu machen, darin besteht, dem Land als einheitliches Kartell von Energieverbrauchern gegenüberzutreten. Russlands gegenwärtige und zukünftige Wirtschaft basiert auf dem Export von Energieressourcen. Es steht außer Zweifel, dass die Erfolge des Ratsvorsitzes und der Kommission an ihrer Fähigkeit gemessen werden, ein partnerschaftliches Vorgehen der Mitgliedstaaten sowie eine einheitliche Außenpolitik der Union herbeizuführen. Vielen Dank.

 
  
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  Francisco José Millán Mon (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ich freue mich, dass in Lahti das Problem der Einwanderung Beachtung fand, doch ich bedauere, dass andere Punkte stärker in den Vordergrund gerückt wurden.

Als die finnische Präsidentschaft im Juli ihr Programm vorstellte, rief ich in diesem Haus dazu auf, die illegale Einwanderung als Priorität zu behandeln. Seither hat es wenig Anlass zu Optimismus gegeben. Was vor Ort, an den Küsten der Kanarischen Inseln geschieht, ist sehr ernst. Das Frontex-System und die Solidarität unter den europäischen Partnern im Allgemeinen waren der Aufgabe nicht gewachsen, aber vielleicht haben einseitige Regelungen nicht das bestmögliche Klima geschaffen, um die Partner zur Zusammenarbeit zu bewegen.

Die illegale Einwanderung ist ein Problem für uns alle in einem Raum ohne Binnengrenzen, wie dem Schengen-Raum. Auf europäischer Ebene geht es im Wesentlichen darum, Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen. Die Ideen und Pläne sind weitgehend festgelegt, beispielsweise in den Schlussfolgerungen der Europäischen Räte von Sevilla 2002 sowie von Thessaloniki und Brüssel 2003.

In diesen Schlussfolgerungen sind das Prinzip, die Einwanderung in die außenpolitische Aktion der Europäischen Union aufzunehmen, und die Notwendigkeit, mit den Drittländern bei der illegalen Einwanderung zusammenzuarbeiten, festgeschrieben. Es gibt auch einen Mechanismus zur Bewertung des Grades der Zusammenarbeit seitens der Drittländer, und die Bewertungskriterien gehören ebenfalls dazu. Ich glaube jedoch, dass dieser Mechanismus selten und in sehr bürokratischer Form angewendet worden ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch darauf hinweisen, dass für die Beschlüsse zur illegalen Einwanderung im Rat keine Einstimmigkeit mehr erforderlich ist, dass aber dieses Problem 2004 und 2005 verdrängt wurde, bis der Ansturm auf die Grenzzäune von Ceuta und Melilla einsetzte. Die Union darf nicht erst reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, und dann diese Themen, die vorher Priorität besaßen, in Vergessenheit geraten lassen. Wir haben das Rückübernahmeabkommen mit Marokko vor fünf Jahren ausgehandelt.

Herr Präsident, es geht nicht, dass wir den Terrorismus erst nach dem 11. September ernst nehmen, die Energiekrise erst nach der Krise zwischen Russland und der Ukraine und die illegale Einwanderung erst nach den Toten an den Zäunen von Ceuta und Melilla.

Die Europäische Union wird man an ihren Ergebnissen messen. Ich hoffe, dass es in den verbleibenden Monaten des finnischen Vorsitzes sowie im Europäischen Rat im Dezember Resultate geben wird und dass natürlich die Fortschritte der vorangegangenen Europäischen Räte Berücksichtigung finden.

 
  
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  Martine Roure (PSE).(FR) Herr Präsident! Das Thema der Einwanderung hätte in Lahti wirklich ausführlicher behandelt werden müssen. Das war wohl, wie mir scheint, die Forderung aller an Europa angrenzenden, insbesondere der südlichen Länder. Wir sind sehr besorgt, denn augenscheinlich wird die Erarbeitung einer echten gemeinsamen Einwanderungspolitik von den Mitgliedstaaten weiterhin verschleppt. Zudem wollen einige die Frage der Einwanderung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des energischen Durchgreifens gegen diese behandeln. Ich jedoch bin der Auffassung, dass vor allem im Hinblick auf die humanitären Belange dringender Handlungsbedarf besteht. Wir müssen die Ausbeutung der Einwanderer durch Netzwerke bekämpfen, die versuchen, die Arbeitskosten zu drücken und das Arbeitsrecht sowie die Regeln des sozialen Schutzes zu umgehen.

Wir hatten gestern im Europäischen Parlament eine aufschlussreiche Anhörung, bei der wir feststellen konnten, dass die Einwanderer auf europäischem Boden wie Sklaven angesehen werden. Sie sind weitgehend unterbezahlt, werden zu außerordentlich belastenden Arbeitszeiten gezwungen und unter entsetzlichen Bedingungen untergebracht. Sie werden misshandelt. Manche von ihnen erlitten Körperverletzungen. Eben weil sich Spanien diesen untragbaren Lebensbedingungen und rechtlosen Personen gegenübersah, hat es entschieden, geschlossen all jene zu legalisieren, die auf seinem Hoheitsgebiet arbeiteten, und ich begrüße hier den außerordentlichen Mut, den dieses Land bewiesen hat. Massenhafte Legalisierungen sind aber keine Lösung und dürfen keine Lösung sein. Doch im vorliegenden Fall war es nicht möglich, anders zu handeln. Es musste einfach getan werden.

Derzeit müssen wir in unseren jeweiligen Ländern wachsam sein und dafür sorgen, dass alle Einwanderer, die Arbeit haben, über Rechte verfügen und genauso angesehen werden wie alle anderen Arbeitnehmer. Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU und ihrer Werte. Wenn wir im Bereich der Einwanderung wirklich effizient sein wollen, müssen die Mitgliedstaaten es endlich akzeptieren zusammenzuarbeiten, um eine echte legale Einwanderungspolitik und eine echte, möglichst nahe bei der Bevölkerung verankerte Politik der gemeinsamen Entwicklung zu praktizieren. Außerdem gilt es, in den Mitgliedstaaten sehr darauf zu achten, dass keine Diktatoren bereichert werden und der Korruption kein Vorschub geleistet wird.

 
  
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  Henrik Lax (ALDE). – (SV) Präsident Putin! Wir sind besorgt über die Entwicklungen in Russland, und Ihre auf dem Gipfeltreffen getroffenen Äußerungen zu Georgien dämpfen diese Unruhe nicht.

Viele von uns in der EU wollen ein erfolgreiches Russland sehen, einen Teil einer auf Demokratie und Gerechtigkeit basierenden Welt. Wir möchten, dass Sie uns, die wir das Beste für Russland wollen, helfen, aber das tun Sie nicht. Wir müssen unseren Blick auf eine gemeinsame Freihandelszone ausrichten und auf Freizügigkeit hinarbeiten.

Aber, Präsident Putin, was sollen wir tun, wenn Sie vor einem kleinen Land wie Georgien die Muskeln spielen lassen? Was sollen wir tun, wenn Sie die Grenzabkommen mit Estland und Lettland nicht anerkennen? Was sollen wir tun, wenn Sie die Arbeit von Anna Politkowskaja herabwürdigen? Unsere Zusammenarbeit muss auf gemeinsamen Werten und Spielregeln aufbauen, aber jetzt nach dem Gipfeltreffen hat man leider das Gefühl, dass wir weiter voneinander entfernt sind als zuvor.

 
  
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  Herbert Reul (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Lahti wurde ein wichtiger Schritt in der Energiepolitik vollzogen, aber ein Meilenstein war das nach meiner Einschätzung nicht. Vielleicht wäre es überhaupt klüger, wenn wir in der europäischen Politik nicht immer mit großen Worten um uns werfen würden und dann die Menschen enttäuschen, wenn wir keine Erfolge erzielen. Ich finde den Hinweis von Kommissionspräsident Barroso klüger, sich realisierbare Projekte vorzunehmen und sie Stück für Stück abzuarbeiten.

Beim Thema Versorgungssicherheit in der Energiepolitik ist etwas Wichtiges passiert. Erstens wurde nämlich das Thema Versorgungssicherheit in den Mittelpunkt der Energiepolitik gerückt und ein Beitrag dazu geleistet, dass wir vielleicht auch hier im Parlament Abstand davon nehmen – ich hoffe es –, das Thema Energiepolitik nur unter dem Gesichtspunkt von Klimapolitik zu diskutieren.

Die Versorgungssicherheit hat einen hohen Stellenwert. Spätestens seit den Entwicklungen in der Ukraine, seitdem deutlich wird, dass Russland, dass Präsident Putin Energiepolitik als politisches Mittel einsetzt, sind wir alle wohl ein Stück mehr bereit – und davon war in Lahti ja einiges zu spüren –, uns ernsthafter um diese Frage zu kümmern. Da wird nicht nur geredet, sondern offensichtlich hat sich in Russland auch einiges verändert. Wer Putin ernst nimmt – und das müssen wir tun –, muss sich mit diesen Positionen auseinandersetzen. Im Übrigen gilt auch für uns, dass wir ernster genommen werden, wenn wir gemeinsam agieren. Insofern war Lahti ein Erfolg, weil man mit einer Stimme gesprochen hat. Der zweite Schritt wäre, dass man verstärkt dafür wirbt, Europa Kompetenzen im Bereich Energiepolitik zu geben. Drittens müssen wir in stärkerem Maße konsequent sein bei dem, was wir uns dann im Einzelnen vornehmen.

Versorgungssicherheit hat mit dem außenpolitischen Gesichtspunkt zu tun, aber auch damit, dass wir diejenigen Industrien, die sich darum kümmern, stärken. Wir müssen verstärkt darauf schauen, ob wir mit Regelungen, Verordnungen und Kontrollen wirklich Versorgungssicherheit gewährleisten, oder eher Unsicherheit erzeugen. Diejenigen, die für uns verhandeln, diejenigen, die in der Welt kaufen, müssen investieren, und Investitionen werden von Unternehmen nur dann getätigt, wenn ein Stück Verlässlichkeit existiert.

Last but not least gehört auch die Vielfalt der Energiearten dazu. Kernenergie auszuklammern, wäre eine Dummheit. Man würde der Versorgungssicherheit damit einen Bärendienst erweisen.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE).(HU) Der Gipfel von Lahti war ein großer Erfolg und hat gezeigt, dass die wahre Stärke der Europäischen Union in ihrer Geschlossenheit liegt. Ohne den Lahti-Gipfel hätte der russische Präsident gegenüber einigen Mitgliedstaaten weniger Entgegenkommen gezeigt. Ich gratuliere unseren finnischen Kolleginnen und Kollegen. Viele Länder könnten von der finnischen Diplomatie lernen, der es selbst in den schwierigsten Zeiten immer gelungen ist, den Dialog mit Russland aufrechtzuerhalten.

Offenbar gibt es zwischen der EU und Russland eine gegenseitige, wenngleich asymmetrische Abhängigkeit bei der Energieversorgung. Als importierende Länder sind wir abhängiger, aber auch Russlands Abhängigkeit sollten nicht übersehen werden. Unser Ziel ist es, die Abhängigkeit von russischen Energiequellen zu senken. Für die meisten EU-Mitglieder – darunter auch Ungarn – gibt es mittelfristig jedoch keine sinnvolle Alternative. Was die erneuerbaren Energien betrifft, so fehlt der Europäischen Kommission, Herr Barroso, ein brauchbares Konzept.

Unsere Kritik am russischen Rechtsstaat ist berechtigt. Aber können wir, Herr Barroso, von Rechtsstaatlichkeit reden, wenn innerhalb der Europäischen Kommission keine Rechtssicherheit existiert? Wenn die Union mitten in der Maisernte die Interventionsbestimmungen für Mais ändert? Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit nichts zu tun. Mit Recht kritisieren wir Russland, aber wir müssen uns selbst an den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit halten. Ich gratuliere zum Gipfel und fordere Herrn Barroso auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Anderenfalls wird Ungarn den Europäischen Gerichtshof anrufen, da von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit keine Rede sein kann. Geben wir Wladimir Putin und den russischen Demokraten ein gutes Beispiel!

 
  
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  Šarūnas Birutis (ALDE).(LT) Es freut mich außerordentlich, dass es durch den Gipfel von Lahti endlich gelungen ist, Europa zu bewegen, seine Anstrengungen zu bündeln, Solidarität zu beweisen und im Dialog mit Russland zu Fragen von Energie und Demokratie einen festen Standpunkt einzunehmen. Endlich folgen den Worten, der Energiesektor sei ein integraler Teil der Außenpolitik, sichtbare Taten.

In der Debatte über Sicherheit und Transparenz im Energiesektor wirkten die Ereignisse im Zusammenhang mit der Erdölleitung „Drushba“, als Russland die Ölversorgung stoppte, eher wie ein politischer als ein technischer Unfall. Moskau äußerte seinen Unmut über den Verkauf der litauischen Firma „Mažeikių nafta“ an das polnische Unternehmen „PKN Orlen“.

Dass Europa auf dem Gipfel mit Russland seine Position, im Energiesektor müssten Regeln beachtet werden, so klar zum Ausdruck gebracht hat, ist ein großer Erfolg. Ich kann meine Bewunderung für die veränderte Haltung Finnlands, Frankreichs und vor allem Deutschlands nicht verhehlen. Hoffentlich hat die Schröder-Politik damit ein Ende.

Der gegenwärtige Standpunkt von Entscheidungsträgern wie Kommissionspräsident Barroso und Angela Merkel lassen auf ein vereinigtes Europa mit einer gemeinsamen Energiepolitik und einer gemeinsamen Zukunft hoffen.

 
  
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  Jacek Protasiewicz (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Die Medienberichte über den Gipfel in Lahti wurden von dem – wie Ministerpräsident Vanhanen es nannte – aufrichtigen Gespräch mit dem russischen Präsidenten beherrscht. Ich möchte jedoch ein anderes wichtiges Thema in den Vordergrund rücken, über das auf dem Gipfel gesprochen wurde, nämlich Innovation und technischer Fortschritt. Ich teile voll und ganz Präsident Barrosos Meinung, dass die Bürger der Union umso mehr Achtung und Wertschätzung entgegenbringen, je stärker sie sich auf praktische Aufgaben und bürgernahe Maßnahmen konzentriert.

Herrn Barrosos Initiative zur Errichtung eines Europäischen Technologieinstituts ist ein gutes Beispiel für ein solch konkretes Projekt, das bei den europäischen Bürgern auf positive Resonanz stoßen dürfte. Es war wohl ein nicht beabsichtigter, gleichwohl aber sehr symbolischer Umstand, dass die Entscheidung für das geplante Institut in dem innovativsten Land unserer Gemeinschaft, nämlich in Finnland fiel. Wichtig ist aber auch, die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in die Entwicklung moderner Technologien einzubeziehen. Bis jetzt wird in diesen Ländern viel zu wenig in Innovationen investiert. Dank der von der Kommission vorgeschlagenen Struktur des Europäischen Technologieinstituts mit einer Zentrale und einem Netz aus über ganz Europa verteilten Wissens- und Innovationsgemeinschaften wird es möglich sein, die universitären Einrichtungen in Mittel- und Osteuropa in die Arbeit des Instituts einzubeziehen.

Die Mittelausstattung des Europäischen Technologieinstituts und die Finanzierungsquellen spielen in den Debatten über die Pläne für dieses Institut eine zentrale Rolle. In meinem Heimatland Polen besteht, wie ich festgestellt habe, die Bereitschaft, Mittel aus den Strukturfonds für die Errichtung des Instituts einzusetzen. Damit bringen die polnischen Behörden ihr Bestreben zum Ausdruck, die Ziele der regionalen Entwicklung mit den Herausforderungen der heutigen Zeit zu verbinden, zu denen vor allem die Investition in Wissen und die Entwicklung einer auf modernen Technologien basierenden Wirtschaft zählen. Gemeinsam mit den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften empfiehlt die polnische Regierung Wrocław als Sitz des Verwaltungsrates des neuen Europäischen Technologieinstituts. Die polnischen Behörden schlagen ebenfalls vor, Wrocław zu einem der bedeutendsten Forschungszentren zu machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Stadt dafür bestens geeignet ist. Die Region um Wrocław und die Stadt selbst haben ein dynamisches und innovatives universitäres Umfeld mit über hunderttausend begabten und ehrgeizigen jungen Studenten sowie zahlreichen neuen Investitionen in die Entwicklung der Industrie zu bieten.

 
  
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  Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Heute sollen wir über die Ergebnisse von Lahti diskutieren.

Welche Ergebnisse? Was die Energie und die Beziehungen zu Russland betrifft, so haben die Ministerpräsidenten gesagt, sie bestünden darauf, dass Russland die Grundrechte achtet. Dann machten sie den Rückzieher und meinten, dass die Realpolitik die einzige Lösung sei, um den Energiebedarf der Union abdecken zu können. Am Ende ist es ihnen gelungen, Russland dazu zu bringen, ihnen sowohl beim Thema Energie als auch bei den Menschenrechten den Rücken zuzukehren.

Noch enttäuschender waren die Ergebnisse bei dem wichtigen Thema Migration. Wir sollten, so sagten uns die Ministerpräsidenten, unsere Aufmerksamkeit auf die Verbesserung des Grenzschutzes richten. Gut, aber warum haben wir dann das Frontex-Budget gekürzt? Was aber noch wichtiger ist, je mehr sie daran festhalten, die Migration ausschließlich als eine polizeiliche Angelegenheit zu betrachten und sie mit Unterdrückung bewältigen zu wollen, umso mehr untergraben sie unsere Zukunft. Zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des unmenschlichen Menschenhandels benötigen wir zuallererst einen migrationspolitischen Rechtsrahmen. Sie aber streiten miteinander und weigern sich, einen solchen anzunehmen. Wir brauchen eine ernsthafte Außenpolitik, wir brauchen wirtschaftliche Entwicklung sowie eine Vermittlungspolitik, die zu formulieren sie nicht im Stande sind. Zudem brauchen wir eine mutige Politik zur Integration und Gleichbehandlung von Migranten, die zu planen sie sich weigern.

 
  
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  Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident! Es ist richtig: Wir brauchen eine Partnerschaft mit Russland, und eine Wertegemeinschaft wäre schön. Aber wie sieht es in der Wirklichkeit aus? In Russland ist die Vertikale der Macht durchorganisiert, die Duma ist domestiziert, die Gouverneure werden ernannt, nicht gewählt, die Pressefreiheit ist eingeschränkt, die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen, auch der politischen Stiftungen für Demokratie und Menschenrechte, wird immer schwieriger. Insofern kann es derzeit keine Wertegemeinschaft mit der russischen Regierung geben, vielleicht mit dem Volk, ja, aber das war nicht in Lahti.

Deswegen, Herr Premierminister Vanhanen, hat Präsident Barroso Recht, wenn er sagt: Einigen wir uns auf bestimmte Prinzipien für stabile Beziehungen: Transparenz, Rechtssicherheit, Inländerbehandlung, Gegenseitigkeit bei Marktöffnung und -zugang. Darauf können wir ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen aufbauen und gleichzeitig hoffen und darauf hinarbeiten, dass wir eines Tages auch eine strategische Partnerschaft mit Russland auf Basis gemeinsamer Werte erreichen können.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir diese Debatte in Brüssel führen sollten und nicht in Straßburg.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Zweifellos war der Gipfel von Lahti für die EU ein Erfolg. Auf die Schwerpunkte Wettbewerbsfähigkeit und Innovation folgte ein konstruktiver Dialog mit Russland, und auch die Frage der Menschenrechte wurde angesprochen. Unsere Staats- und Regierungschefs bewiesen Geschlossenheit und vertraten unsere gemeinsamen Werte. Wie der stellvertretende Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Michel Barnier, vor einigen Wochen in Lyon sagte, kann von uns niemand als nationaler Politiker an einem Tisch sitzen, an dem globale Entscheidungen getroffen werden. Das ist in der Tat so, und das trifft auch auf die Beziehungen zwischen der EU und Russland zu.

Die Redefreiheit ist in Russland stark gefährdet. In einer der allerjüngsten Studien von Reporter ohne Grenzen – in der viele EU-Mitgliedstaaten auf den obersten Plätzen zu finden sind – wurde Russland unter 168 Ländern auf Platz 147 gesetzt.

Ich stimme dem Präsidenten des Parlaments, Herrn Borrell Fontelles, selten zu, doch muss ich sagen, dass er die Frage der Menschenrechte und der Demokratie in Russland im Gespräch mit Präsident Putin zu Recht mit großem Nachdruck vorgetragen hat. Wir müssen, wem wir auch gegenübertreten, einen klaren Standpunkt zu den Menschenrechten einnehmen.

Eine unabhängige und wirksame Ermittlung und Verurteilung der feigen Mörder der mutigen Journalistin Anna Politkowskaja ist ein echter Prüfstein für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Russland und für die Beziehungen dieses Landes zur EU. Die demokratische Welt darf einfach nicht schweigen, wenn die Freiheit bedroht ist und deren stärkste Befürworter niedergeschossen werden.

Wenn wir jetzt nicht handeln, könnten wir weitere dreißig Jahre Freiheit verlieren, wie es unseren ungarischen Bürgerinnen und Bürgern geschah, als die westliche Welt nicht mutig genug jene Menschen unterstützte, die sich vor fünfzig Jahren in einer Revolution erhoben. Die praktische Zusammenarbeit mit Russland ist wichtig, aber nichts ist wichtiger als das Voranschreiten Russlands auf dem Weg zu Freiheit und Menschenrechten.

 
  
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  Nicola Zingaretti (PSE). – (IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn mit China über Handelsfragen, mit den USA über Landwirtschaft oder mit Russland über Energie gesprochen oder wenn in Krisensituationen wie im Libanon bzw. im Nahen Osten allgemein eingegriffen wird, zeigt sich seit Längerem stets das gleiche Problem: Kein europäisches Land vermag für sich alleine etwas auszurichten, sich durchzusetzen sowie die Ziele und ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen. Daher gilt auch für den Energiebereich und für die Frage unseres Verhältnisses zu Russland mit seiner immer besorgniserregenderen Führung der Grundsatz: Europa muss geschlossen auftreten und mit einer Stimme sprechen.

Wenn auch der Gipfel von Lahti nur zu virtuellen Ergebnissen, wie Herr Goebbels sagte, geführt hat, so bleibt nunmehr eine Menge zu tun, und dazu brauchen wir eine starke und beherzte Kommission, die die nationalen Egoismen zu überwinden und im Namen aller zu sprechen imstande ist, ein Parlament, das die Gemeinschaftsinteressen maßgeblich zu vertreten am besten in der Lage ist, sowie einen Rat und Regierungen, die begreifen, dass die gegenseitige Abhängigkeit zwischen unseren Ländern den Schlüssel zur Stärkung unserer Verhandlungsmacht bedeutet.

Dafür gibt es Belege und Beispiele, von denen ich die Entscheidung der italienischen Regierung anführen möchte, die beim Vernehmen der Nachricht, dass Italien ab Januar einen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben wird, umgehend erklärte, dieser Sitz werde im Dienste Europas stehen. Dies ist ein konkreter Schritt, der einen beispielhaften Beitrag eines Mitglieds des Rates darstellt.

 
  
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  Nikolaos Vakalis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte, was Lahti betrifft, die Aufmerksamkeit des Hauses auf den Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Instituts für Technologie (EIT) richten.

Die ersten Botschaften, die von der Seite des Rates kamen, sind positiv, und das trifft auch auf das Parlament zu. Was ich betonen möchte, Herr Vanhanen und Herr Barroso, ist, dass wir ein neues und innovatives Instrument benötigen, das Bildung, Forschung und Innovation erfolgreich miteinander verbindet. Wir brauchen einen Motor, der es uns ermöglichen wird, Forschung in innovative Produkte und Dienstleistungen umzuwandeln. Wir brauchen jedoch keine Institution, die die langjährige Universitätstradition Europas zunichte macht, sondern eine, die sie respektiert und den maximalen Nutzen aus ihr zieht. Eben aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir wissen, welche Meinung unsere Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen haben, bevor wir eine Entscheidung über dieses neue Institut fällen.

Zahlreiche Akteure haben bereits ihre Standpunkte dargelegt. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als würden sich die Botschaften, die wir empfangen, in einigen bedeutenden Punkten widersprechen. Ich glaube jedoch, dass die Positionen nicht unverrückbar sind, sondern vielmehr Besorgnisse zum Ausdruck bringen. Deshalb ist es auch sehr wichtig, dass wir allen Partnern viel von unserer Zeit widmen und wir uns bereitwillig und in einem Klima der Zusammenarbeit mit ihnen beraten.

Das ursprüngliche Konzept in dem Vorschlag für eine Verordnung lässt zahlreiche Fragen in Bezug auf entscheidende Themen offen, darunter beispielsweise: Wie wollen wir eine nachhaltige Finanzierung für das EIT gewährleisten? Wie wollen wir Privatpersonen überzeugen, in ein Konstrukt zu investieren, das es vorher so noch nie gegeben hat? Wie wollen wir die substanzielle Beteiligung der Universitäten sicherstellen und sie überzeugen, dass das EIT nicht in Konflikt mit ihnen geraten oder ihre Aktivitäten schwächen wird? Wie wollen wir sie überzeugen, dass ihre Forschungsaktivitäten nicht beschnitten werden, wodurch das Gegenteil dessen erreicht werden würde, was angestrebt ist?

All diese Details gilt es zu klären, denn daran wird der Erfolg des Vorhabens gemessen, nicht an der generellen Idee, die allgemein anerkannt ist.

 
  
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  Andres Tarand (PSE). – (ET) In seiner heutigen Rede erklärte Herr Barroso, die georgische Frage sei berührt worden. Wir alle wissen, dass eine Berührung entweder eine zärtliche Geste oder die Umarmung eines Bären sein kann.

Auf der Pressekonferenz in Lahti am vergangenen Freitagabend stellten wir alle zu unserer großen Überraschung fest, dass zwischen Georgien und Russland nichts vorgefallen sei und dass es stattdessen einen Konflikt zwischen Georgien einerseits und Abchasien sowie Ossetien andererseits gebe. Laut Präsident Putin ist dort bald mit Blutvergießen zu rechnen.

Letzten Monat teilte Putin jedoch westlichen Journalisten mit, dass im Falle einer Abspaltung des Kosovo von Serbien auch Ossetien, Abchasien und Transnistrien ihre Loslösung erklären würden. Da es sich hierbei jedoch nicht um Inselstaaten handelt, würde die Abtrennung eigentlich eine Einverleibung in Russland bedeuten. Das stellt eine ernsthafte Revision des Helsinki-Abkommens von 1975 dar.

Herr Präsident! Wir wissen, dass es sich bei dem Konflikt zwischen Russland und Georgien nicht um eine Provokation seitens Georgiens handelt, sondern vielmehr um ein neues Erwachen der Großmacht Russland, das einerseits auf dem Schüren des russischen Nationalismus beruht und andererseits auf der Instrumentalisierung von Energielieferungen zur Wiederherstellung des Imperiums. Die Erdölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan spielt dabei auch keine unerhebliche Rolle.

Ich fordere alle Institutionen der Europäischen Union auf, Georgien entschlossener zu verteidigen als...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort)

 
  
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  Josef Zieleniec (PPE-DE).(CS) Mit Bestürzung habe ich festgestellt, dass auf dem Gipfel von Lahti die Chance vertan wurde, eine Lösung für das Energieproblem sowohl im Hinblick auf die Beziehungen der EU mit Russland als auch hinsichtlich des Verständnisses der Mitgliedstaaten untereinander zu finden. Unter dem Druck der Medien haben europäische Politiker klar gemacht, dass sie die Bedeutung einer gemeinsamen Haltung in Energiefragen würdigen. Dennoch befürchte ich, wenn es um das Vorantreiben von Energiethemen geht, ist der Weg zu Einigkeit und Harmonie noch lang.

Dies zeigt sich anhand der Tatsache, dass einige EU-Mitgliedstaaten lieber bilateral über die eigene Energiesicherheit verhandeln als für die Gemeinschaft insgesamt. Lassen Sie mich betonen, dass bei der Energiefrage ökologische, wirtschaftliche und vor allem geostrategische Faktoren eine Rolle spielen. Europa ist von externen Energiequellen abhängig. Unser Unvermögen, eigene Interessen und Ansätze zu harmonisieren, schwächt unsere Verhandlungsposition auf dem globalen Energiemarkt, verstärkt unsere Anfälligkeit und schadet ernsthaft unserer Autorität als Europäer, die in einem außenpolitischen Kontext agieren. Damit wird unser Vermögen, Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Markttransparenz in der Welt zu fördern, eingeschränkt.

Aus diesem Grund möchte den Rat und die Kommission aufrufen, praktische Schritte zu unternehmen, um eine europäische Energiepolitik vorzubereiten und umzusetzen, die eine potentielle Lösung darstellt und den Weg für eine gemeinsame EU-Energiepolitik ebnet. Eine solche Strategie würde unsere Ziele im Energiebereich sowie die zu ihrer Erreichung nötigen Maßnahmen klar definieren. Damit würde gleichzeitig ein klarer Mechanismus für die gemeinsame Entscheidungsfindung bei Energieprojekten und für die Kommunikation innerhalb und außerhalb der EU festgeschrieben werden, wodurch unsere Solidarität in Energiefragen wiederum gestärkt wird. Es geht um unsere Zukunft in einer globalisierten Welt und unsere Fähigkeit, die Stabilität und den Wohlstand des Kontinents zu schützen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das Energieproblem ein entscheidender Prüfstein für die Handlungsfähigkeit der EU sein wird.

 
  
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  Bernard Poignant (PSE).(FR) Herr Präsident! In Finnland vertrat Präsident Borrel die Menschenrechte, was ihm zur Ehre gereicht. Kommissionspräsident Barroso vertrat die Energierechte Europas, was seine Pflicht ist. Präsident Chirac setzte sich, wie jedes Staatsoberhaupt es tun würde, für die Gasabnehmer seines Landes ein, was mir normal erscheint. Aber das europäische Bewusstsein fühlt sich dadurch gestört, und es hätte sich genauso gestört gefühlt, wenn es sich um saudisches bzw. iranisches Erdöl oder Erdöl aus irgendeinem afrikanischen Land gehandelt hätte.

Mir geht es nicht darum zu wissen, ob man Gas beim Teufel kaufen kann. Es wird gekauft werden. Die Frage ist eher, wie man ohne das Gas des Teufels auskommen kann. Meines Erachtens muss in den kommenden Jahren und, was Sie anbetrifft, Herr Ratspräsident, in den nächsten Monaten, die Unabhängigkeit Richtschnur für uns sein. In den nächsten 10 bis 20 Jahren müssen Erdöl und Erdgas die gleiche Bedeutung für unsere Unabhängigkeit haben, wie sie Kohle und Stahl für unseren Frieden hatten.

(Beifall)

 
  
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  Rihards Pīks (PPE-DE). – (LV) Ich danke Ihnen, Herr Präsident, Herr Vanhanen und Herr Barroso! Zuerst möchte ich dem finnischen Ratsvorsitz Dank sagen, dass er dieses Gipfeltreffen organisiert hat, denn ein informeller Gipfel ist ein gutes Forum, um schwierige Themen zu besprechen. Zweitens denke ich, dass es Herrn Vanhanens Standhaftigkeit und Initiative ermöglicht haben, zu einem einheitlichen Standpunkt zu gelangen, zumindest in Energiefragen. Allerdings möchte ich Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, auf zwei Dinge lenken. Erstens bin ich der Ansicht, dass die Bestimmungen der Energiecharta unbedingt in das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland aufgenommen werden sollten. Das ist deshalb umso wichtiger, als es Herr Putin als strategisches Abkommen bezeichnete. Was sollten wir also tun? Die traurigen Erfahrungen meines Landes und meines Volkes sind ein Beleg dafür, dass Russland niemals davor zurückschreckte, Gewalt und Druck anzuwenden, wenn es die Möglichkeit dazu hatte. Aus diesem Grunde meine ich, dass wir erstens mehr tun müssen, um ein einheitliches Gas- und Stromnetz in der Europäischen Union zu schaffen. Zweitens müssen wir im Hinblick auf alternative Energiequellen mehr tun. Drittens müssen wir uns mit Energiesparprogrammen befassen. Hier stimme ich Herrn Schulz zu, der dazu eine äußerst leidenschaftliche Rede gehalten hat. Und noch eine Frage wurde auf der Pressekonferenz angesprochen. Herr Putin antwortete auf eine entsprechende Frage, dass das Thema Abchasien, Georgien und Südossetien nur Russland etwas anginge. Das ist zynisch, um es gelinde auszudrücken. Wir wissen nur zu gut, dass die russische Armee auch in Transnistrien stationiert ist, dass Russland Waffen geliefert hat und dass das Führungspersonal all dieser Enklaven aus offiziellen Organisationen Russlands stammt. Meiner Meinung nach sollte Europa die Initiative ergreifen… (Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Matti Vanhanen, amtierender Ratspräsident. (FI) Herr Präsident! Zunächst danke ich Ihnen für diese Aussprache, die gezeigt hat, dass auch das Parlament in den Hauptbereichen der Politik sehr geschlossen auftritt und dass es sich in vollem Einklang mit den Auffassungen des Europäischen Rats und der Kommission befindet. Insofern, denke ich, wird es der Union leichter fallen, ein grundlegendes Konzept für ihre Energieaußenpolitik zu finden.

Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass wir auf der Ebene des Europäischen Rats mit der Debatte über die Energieaußenpolitik erst im März dieses Jahres bei einem Essen auf einem Gipfeltreffen während des österreichischen Ratsvorsitzes begonnen hatten. Damals gelangten wir zu dem Schluss, dass die Union eine Energieaußenpolitik brauche. Während dem darauf folgenden Ratsvorsitz übernahm Finnland zusammen mit der Kommission die Aufgabe, unsere Energieaußenpolitik zu gestalten. Und genau daran arbeiten wir zurzeit auch.

Die Kommission hatte für den Gipfel von Lahti ein ausgezeichnetes Papier ausgearbeitet, und beim Mittagessen diskutierten wir das Vorgehen etwa drei Stunden lang so gründlich, dass Präsident Barroso und ich am Abend, als wir mit Präsident Putin zusammentrafen, für die gesamte Gruppe sprechen konnten. In den kommenden Monaten werden wir diese Energieaußenpolitik auch als EU-Konzept nicht nur in Bezug auf Russland, sondern in Bezug auf alle unsere Partner und alle Drittländer festschreiben.

In einer Reihe von Redebeiträgen wurde hier darauf hingewiesen, dass der Gipfel von Lahti ein Schritt oder ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen sei. Das denke ich auch. Ich stimme auch den Bemerkungen zu, dass wir nun auch zu praktischen Aktionen kommen müssen. Die nächste wichtige Etappe werden die kommenden Wochen sein, wenn sich der Rat auf das Verhandlungsmandat einigen muss, auf dessen Grundlage die Union Gespräche mit Russland über das künftige Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit, oder wie immer dieses neue Abkommen auch benannt werden mag, aufnehmen soll. Auf dem Gipfel EU-Russland im November muss ein Konsens erreicht und eine Entscheidung über die Aufnahme von Gesprächen getroffen werden. Insofern war der Gipfel von Lahti ein praktischer Testlauf. Dieser Gipfel ließ jedoch Herrn Putin auch wissen, dass wir auf der Tagung im November, auf der Präsident Barroso, der Hohe Vertreter Javier Solana und ich die Union vertreten werden, im Namen der gesamten Union sprechen werden. Die Aussprache, die wir jetzt im Parlament geführt haben, wird dem einen festen Rückhalt geben. Wir können sagen, alle Organe der Union befinden sich hier an vorderster Front.

Wir sind voneinander abhängig. Diese Abhängigkeit muss auf der Grundlage der Reziprozität zu beiderseitigem Nutzen gestaltet werden. Abhängigkeit muss auch auf gemeinsamen Werten beruhen, wie es so viele Male in diesem Plenum gesagt wurde. Das ist ein klares Ziel und eine klare Politik der Union. Wenn wir jedoch von Zusammenarbeit mit Russland sprechen, sollten wir Russland oder die Russen nicht als Monster sehen. Sie wollen Zusammenarbeit, sie wollen ihren Lebensstandard und ihren Wohlstand verbessern, und sie wollen mit uns kooperieren. Das war auch die ausdrückliche Botschaft, die Präsident Putin uns übermittelte. Er betonte, dass Russland und die Russen faktisch stärker von Europa abhängig sind als Europa von Russland. Insbesondere brauchen sie die Zusammenarbeit in ganz vielen Bereichen der Technologie, um in ihrer eigenen Entwicklungsarbeit Fortschritte zu erzielen, und wir müssen uns auch darauf einstellen.

Was Investitionen angeht, so möchte ich alle daran erinnern, dass europäische Unternehmen im russischen Energiesektor bereits Investitionen von vielen Milliarden Euro getätigt haben. Mehrere größere Investitionsvorhaben sind noch nicht abgeschlossen, einige haben Schwierigkeiten mit der russischen Verwaltung und andere sind reibungsloser bis zur Fertigstellung abgelaufen. Daher brauchen wir gemeinsame Spielregeln, Regeln, die für alle gleichermaßen gelten. Ebenso müssen für russische Unternehmen in Bezug auf Europa die gleichen Regeln gelten.

Ich möchte Ihnen für diese Aussprache und das Feedback danken. Im Dezember werden wir auf viele dieser Themenbereiche zurückkommen, mit einigen ausdrücklichen Schlussfolgerungen, und dann werden wir auch ganz gewiss auf die Fragen der Einwanderung eingehen, die hier in mehreren Redebeiträgen angesprochen wurden. Bei Fragen der Einwanderung, ob legal oder illegal, müssen wir untereinander solidarisch sein und eine gemeinsame Politik vertreten, und wir werden definitiv auch darauf zurückkommen.

(Beifall)

 
  
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  José Manuel Barroso, Kommissionspräsident. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach wurde praktisch alles bereits gesagt. Gestatten Sie mir, einfach nochmals auf einige Punkte einzugehen, die bereits in der Aussprache angeschnitten wurden.

Zunächst zum Europäischen Technologieinstitut. Wie Ministerpräsident Vanhanen ausgangs des Gipfeltreffens von Lahti sagte, hat der Europäische Rat grünes Licht für diese Initiative gegeben, kein gelbes, sondern grünes Licht. Nun gilt es sie umzusetzen. Daher haben wir bereits einen Legislativvorschlag vorgelegt, der vom Rat und vom Parlament geprüft werden soll und der unter anderem die Frage der Finanzierung beinhalten wird, die Sie in der Aussprache gestellt haben. Unser Ansatz ist, dass die Finanzierung nicht nur durch die Gemeinschaftsorgane, sondern auch durch die Mitgliedstaaten erfolgen sollte, die die Initiative unterstützen wollen: Damit würde sich ihnen eine Möglichkeit bieten, die Ziele von Lissabon im Bereich der Innovation und der Forschung zu verwirklichen. Wir erwarten auch Unterstützung aus dem privaten Sektor. Dazu sei mir gestattet zu sagen, dass uns aufgrund unserer informellen Kontakte bekannt ist, dass seitens des privaten Sektors großes Interesse besteht, bestimmte Maßnahmen dieses Instituts zu finanzieren, was übrigens ganz normal ist, denn in vielen unserer Mitgliedstaaten liegen die gleichen Ideen vor. Öffentlich-private Partnerschaften bestehen bereits und wenn es im Rahmen von Initiativen der Mitgliedstaaten gelingt, private Investitionen für Forschungszwecke zu gewinnen, dann frage ich mich, weshalb wir auf europäischer Ebene nicht in der Lage sein sollten, unser Ziel zu erreichen. Dies sage ich, weil wir doch der Ansicht sind, dass die Unterstützung für die Forschung eine europäische Dimension erhalten sollte.

Was die Forschung anbelangt, unterscheiden sich die USA von Europa vor allem durch die Existenz von Einrichtungen oder Netzwerken, die sich über das gesamte Territorium der USA erstrecken, beispielsweise die „National Science Foundation“, die manchen unter Ihnen bekannt sein dürfte, oder das „National Institute for Health“. In Europa gab es bislang nichts Derartiges. Zwar gibt es in einigen unserer Länder große Einrichtungen und Universitäten, aber Einrichtungen wie den Europäischen Forschungsrat, der für die Durchführung des siebten Forschungsrahmenprogramms von entscheidender Bedeutung ist, oder das Europäische Technologieinstitut, das speziell auf dem Netzwerkgedanken fußt, der den hochleistungsorientierten innovativen Bestrebungen sowie der entsprechenden Forschung und Lehre Impulse geben und eine europäische Vision vermitteln soll, haben wir erst jetzt errichtet. Daher ist dies ein bedeutendes Vorhaben und ich danke all jenen, die sich dafür eingesetzt haben.

Wir fordern, dass die Bekämpfung des Klimawandels und die führende Rolle Europas auf dem Gebiet der erneuerbaren und der umweltfreundlichen Energieträger zu den wichtigsten Prioritäten dieses Instituts zählen sollten. Ich meine, hier obliegt uns eine spezielle Mission, und ich richte meine Worte insbesondere an diejenigen, die diesbezüglich Bedenken angemeldet haben, wie beispielsweise Herr Turmes.

Die Energie ist ohne Zweifel die Frage der Zukunft, und zwar nicht nur vom wirtschaftlichen, sondern auch vom politischen Standpunkt her. Ich stimme der Bemerkung von Herrn Poignant zu, der eine Parallele zur Situation im Kohle- und Stahlsektor herstellt. Denn ich sehe in der Energiefrage ein wichtiges Argument für einen föderalistischen Ansatz. Deshalb haben wir übrigens auch vor einigen Monaten ein Grünbuch zur nachhaltigen Energie vorgelegt, und wir waren sehr erfreut über die Unterstützung, die der Europäische Rat dem Gedanken eines gemeinsamen Ansatzes im Energiebereich gegeben hat. Unsere Arbeit geht also genau in diese Richtung, Herr Poignant.

Ein solcher Ansatz ist sehr wichtig, wenn wir unsere Verantwortung für unseren Planeten und künftige Generationen betrachten: Der Klimawandel ist wahrscheinlich die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Er ist aber auch insofern unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt bedeutsam, als wir uns unbedingt die Fähigkeit bewahren müssen, bei der Bekämpfung des Klimawandels in der vordersten Reihe zu stehen und diesem Kampf immer neue Impulse zu geben. Sehr wichtig ist er auch im Sinne der Solidarität, vor allem im Hinblick auf das erweiterte Europa: Hier bietet sich uns die Gelegenheit zu zeigen, dass es um die Solidarität der Tat geht.

Ich bin daher der Ansicht, dass diese Frage einen sehr hohen Anspruch stellt, und ich kann, vor allem Herrn Turmes gegenüber, garantieren, dass wir in diesem Sinne das Energiepaket schnüren, das im Januar vorgestellt werden soll. Ein erstes Beispiel dafür haben Sie übrigens bereits in dem Vorschlag sehen können, den wir zur Energieeffizienz vorgelegt haben. Wie Ministerpräsident Vanhanen sagte, ebnete der Rat von Lahti den Weg für förmliche Entscheidungen im Energiebereich, die wir auf der Frühjahrstagung durchsetzen wollen, die dann bereits unter deutschem Ratsvorsitz stattfinden wird.

Ich möchte schließen und dabei deutlich machen, dass ich den Ehrgeiz, mitunter sogar die Ungeduld teile, die Herr Goebbels, Herr Swoboda, Herr Schulz und viele andere zum Ausdruck gebracht haben. Unsere derzeitige Rolle besteht darin, aus dem Traum Wirklichkeit werden zu lassen, wie Herr Goebbels sagte. Darin besteht unsere Aufgabe. Aber der informelle Rat bietet, wie es sich übrigens auch beim Rat von Hampton Court zeigte, eine Gelegenheit, die Aussprache zu vertiefen und die Positionen zu stärken. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich Ihnen ehrlich sagen, dass der Rat von Lahti einen Fortschritt markierte. Das war schwierig, vor allem aufgrund der sich immer komplexer gestaltenden Beziehungen zu Russland. Auch in dieser Hinsicht hatte ich das Gefühl, dass sich eine Entwicklung vollzogen hat, zu der auch die Präsenz von Herrn Putin beitrug. Ich hatte das Gefühl, dass die Staats- und Regierungschefs begriffen haben, wie notwendig Kohärenz und Solidarität sind. Daher hoffe ich, dass nunmehr, mit der umsichtigen Unterstützung des Europäischen Parlaments, die Bedingungen für die Zeit der finnischen Ratspräsidentschaft und darüber hinaus gegeben sind, so wichtige Themen, wie sie Energie und Innovation darstellen, voranzubringen und damit zugleich auch unser Vorhaben eines noch weiter geeinten Europas voranzubringen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Richard Corbett (PSE). – (EN) Ich wusste, dass Mitglieder der britischen Independence Party realitätsfern sind, doch Godfrey Blooms Redebeitrag, in dem er offenbar unterstellte, Großbritannien sei im Energiesektor autark und brauche nicht die Zusammenarbeit oder gar das Gespräch mit anderen Ländern, hat mich denn doch befremdet. Er meint, Großbritanniens „Lebensblut“ sollte nicht in „fremden“ Händen sein, aber wie kann er wollen, dass wir die Einfuhr von Energie vermeiden? Gewiss nicht durch die Nutzung von erneuerbaren Energien, was er rundheraus als „Unsinn“ abtut. Denn seiner Meinung nach sind Windparks „absurd“, und „kein namhafter Wissenschaftler“ würde behaupten, erneuerbare Energien könnten im britischen Energiemix eine beachtenswerte Rolle spielen.

Also keine Importe, keine erneuerbaren Energien, knapp werdendes Erdöl und Ergas aus der Nordsee, Nuklearenergie, die – wenn man dabei bleibt – nur einen geringen Anteil am Energiemix ausmacht, der begrenzt mögliche Ausbau der Kohleförderung – die Vision der britischen Independence Party für die Zukunft Großbritanniens ist, von „Ausländern“ ungetrübt, recht finster!

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Vor dem Hintergrund des Gipfeltreffens versammeln sich Kräfte, um zu diskutieren, wie man gegen die souveränen, demokratisch zum Ausdruck gebrachten Wünsche des französischen und des niederländischen Volkes den Prozess der (erneuten) Durchsetzung des inakzeptablen Vertrags (neu) aufnehmen könnte, der in unrichtiger und beleidigender Weise als „Europäische Verfassung“ bezeichnet wird.

Diese schändlichen Pläne kommen zunehmend von oben. Nehmen wir etwa die Worte von António Vitorino, Strategiker der Portugiesischen Sozialistischen Partei, der, wie man hört, „jetzt für die Kommission arbeitet“. Er sagt, dass die portugiesische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2007 „die gewaltige Verantwortung“ dafür tragen werde, „die ersten Schritte auf dem Wege zur Umsetzung des (so genannten) Programms zur Verfassungsänderung zu gehen“ und dass „dies eine Startrampe für die neue (so genannte) Europäische Verfassung“ sein werde, wobei ein zuvor von der deutschen Präsidentschaft abgestecktes „Programm“ umgesetzt und dann von der französischen Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2008 abgeschlossen werden soll.

Dieser stürmische Drang nach kapitalistischer Integration, der die EU und die neoliberale, föderalistische und militaristische Integration kennzeichnet, die die so genannte „Europäische Verfassung“ in den rechtlichen und politischen Bereichen verstärken würde, wird trotz aller Propaganda, Verdunkelung und autoritärem Gebaren wieder mit der kategorischen Ablehnung vonseiten all derer fertig werden müssen, die für ein Europa souveräner, gleichberechtigter Staaten, ein Europa des sozialen Fortschritts, der Zusammenarbeit und des Friedens kämpfen.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI).(FR) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen zu dem europäischen Gipfeltreffen von Lahti.

Erstens: Während unser Kontinent eine Welle der illegalen Einwanderung nie gekannten Ausmaßes erlebt, hielten es die Staats- und Regierungschefs nicht für angebracht, diesem Problem mehr als eine halbe Stunde zu widmen. Von der Europäischen Union kann man in diesem Bereich nichts, aber auch gar nichts erwarten, und man muss sich dringend klarmachen, dass jede Einwanderungspolitik nur auf der nationalen Ebene und jede Zusammenarbeit in diesem Bereich nur auf zwischenstaatlicher Ebene geregelt werden kann.

Zweitens hat Herr Putin durchaus Recht, wenn er eine gewisse Oberhoheit über die Energievorräte seines Landes bewahren will, und es ablehnt, sie im Namen eines wirtschaftlichen Liberalismus, dessen Konzept er nicht teilt, den Gelüsten der Erdölmultis anheimzustellen. Was das Säbelrasseln in Bezug auf die Menschenrechte anbelangt, von deren Einhaltung die Beziehungen der EU mit dem Rest der Welt abhängen sollen, so würde es an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn nicht derart selektiv vorgegangen würde und auch Länder wie China angesprochen würden.

Ferner erwarten wir vom Rat nach wie vor, dass die türkischen Behörden verurteilt werden, die versucht haben, einen zyprischen Kollegen aus einer Delegation von Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu streichen. Es ist immer weniger hinnehmbar, über den Beitritt eines Landes zu verhandeln, das es ablehnt, die Gesamtheit der Mitgliedstaaten anzuerkennen.

 
  
  

(Die Sitzung wird bis zur feierlichen Sitzung um 12.00 Uhr geschlossen und um 12.05 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

 
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