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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : O-0118/2006

Eingereichte Texte :

O-0118/2006 (B6-0443/2006)

Aussprachen :

PV 14/11/2006 - 18
CRE 14/11/2006 - 18

Abstimmungen :

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 14. November 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

18. Glücksspiele und Sportwetten im Binnenmarkt (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die mündliche Anfrage an die Kommission über Glücksspiele und Sportwetten im Binnenmarkt von Arlene McCarthy im Namen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (O-0118/2006 – B6-0443/2006).

 
  
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  Arlene McCarthy (PSE), Verfasserin. – (EN) Herr Präsident! Ich bin nicht die Verfasserin der Anfrage, sondern die Vorsitzende des Ausschusses, der die Anfrage im Namen der Mitglieder vorlegt. Ich möchte betonen, dass die Mitglieder des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz einstimmig beschlossen haben, diese mündliche Anfrage zu stellen, um den Herrn Kommissar zu bitten, etwas zum aktuellen Stand der laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen neun Mitgliedstaaten wegen der Beschränkungen der Sportwettenmärkte zu sagen.

Der Ausschuss möchte von der Kommission vor allem wissen, welche Fortschritte in den am 4. April 2006 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zu verzeichnen sind und welche Schritte die Kommission auf diesem Gebiet als nächstes plant. Erwägt der Herr Kommissar einen Rechtsrahmen für Online-Spiele?

Da wir in Kürze eine Einigung bei der Dienstleistungsrichtlinie erzielen werden, wissen wir sehr genau, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten ihren aus Artikel 49 erwachsenden vertraglichen Verpflichtungen hinsichtlich des freien Dienstleistungsverkehrs nachkommen. Der Herr Kommissar wird den Beschluss des Ausschusses kennen, Glücksspiele aus der Dienstleistungsrichtlinie zu streichen, und zwar nicht zuletzt aufgrund der Vielschichtigkeit des Glücksspielmarkts. Allerdings ist der freie Dienstleistungsverkehr im Fall des Glücksspielsektors in einigen Mitgliedstaaten, die restriktive Gesetze zur Einschränkung des grenzübergreifenden Angebots von Online-Wetten und -Glücksspielen eingeführt haben, mit dem nationalen Recht in Konflikt geraten.

Wir unterstützen die Kommission dabei sicherzustellen, dass diese Rechtsvorschriften im Einklang mit Artikel 49 stehen, und zugleich die Rechte der Mitgliedstaaten zum Schutz des öffentlichen Interesses zu achten, solange diese Vorschriften notwendig und verhältnismäßig sind und Diskriminierungen vermeiden, d. h. sie dürfen also keine anderen Anbieter in der EU diskriminieren. Es ist scheinheilig, wenn ein Mitgliedstaat aus Gründen des öffentlichen Interesses andere Online-Anbieter aus der EU am Zugang zu einem nationalen Markt hindert und zugleich zulässt, dass sein eigener nationaler Online-Markt deutlich wächst, indem er diese Bestimmungen zum öffentlichen Interesse nicht einhält. Wir hoffen, dass die Kommission sich genau dieses Themas annimmt.

Ich möchte die Aussprache in eine andere Richtung lenken. Meiner Ansicht nach muss die EU auf die Herausforderung des weltweiten Online-Glücksspielmarkts reagieren. Dieser Markt wird bis zum Jahr 2010 auf einen Wert von 20 Milliarden Euro anwachsen. 2003 hatten die kommerziellen Glücksspielindustrien, Lotterien, Spielbanken und Wettdienste in der EU-25 einen Wert von rund 51,5 Milliarden Euro, und es gibt rund 2300 weltweite Online-Kasino-Websites. Im Vereinigten Königreich wurden beispielsweise während der Spiele der Fußballweltmeisterschaft 30 % der Online-Wetten von Frauen abgeschlossen. Es geht durch alle Klassen und Generationen. Die rasche Zunahme der Online-Dienste und Online-Glücksspiele und -Wetten hat de facto bereits die nationalen Grenzen abgeschafft.

Wir sollten aber nicht dem US-amerikanischen Vorbild nacheifern: Die USA haben nämlich die Zugbrücke hochgezogen, indem sie ein Gesetz von George W. Bush – das Gesetz zur Bekämpfung nicht-gesetzlichen Internet-Glücksspiels – erlassen haben, das Banken Zahlungstransaktionen über Online-Wettseiten verbietet. Hierbei handelt es sich schlicht und ergreifend um Protektionismus, der sich hinter dem Deckmantel des so genannten Schutzes der Verbraucher vor Spielsucht verbirgt. In Wirklichkeit hindert dieses Gesetz ausländische Anbieter daran, in Konkurrenz zum US-amerikanischen Kasino- und Glücksspielmarkt zu treten oder ihn zu untergraben, während die Bundesstaaten Nevada und Las Vegas weiterhin ihre eigenen Online-Glücksspiele anbieten und weiterentwickeln.

Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, wenn sich der Herr Kommissar im Namen der 25 Mitgliedstaaten einsetzen würde, um eine internationale Übereinkunft über Normen und Vorschriften zur Regelung des elektronischen Glücksspiels zu erreichen. Dies ist eine Möglichkeit, die Unterschiede, die nicht nur innerhalb der internationalen Gemeinschaft, sondern auch zwischen den EU-Mitgliedstaaten bestehen, auf ein Minimum zu reduzieren, damit letzten Endes alle Länder hohe Standards sowohl für die Anbieter als auch für die Verbraucher bieten. Das Ziel bestünde darin, die Ausarbeitung von Standards zum Schutz gefährdeter Verbraucher, insbesondere junger Erwachsener und Minderjähriger, zu gewährleisten, um bei guten Anbietern und Investoren ein soziales Verantwortungsgefühl zu wecken und sicherzustellen, dass Glücksspiele nicht für Straftaten oder deren Finanzierung genutzt werden.

Der Internet-Flaschengeist hat seine Flasche verlassen: Rund 3,3 Millionen EU-Bürger nehmen regelmäßig an Online-Glücksspielen teil. Hier handelt es sich um einen Markt mit Wachstumspotenzial. Die EU sollte sich daher an einer größer angelegten internationalen Kampagne zur Schaffung sinnvoller und hoher Standards beteiligen. Wir brauchen mehr internationale Zusammenarbeit, um das problematische Glücksspielverhalten einzudämmen und eingehender zu erforschen, wie hoch die Beteiligung an Online-Glücksspielen ist. In der von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie zu Glücksspieltätigkeiten im Binnenmarkt wird hervorgehoben, dass gemeinsame internationale Standards und ordnungspolitische Vorschriften erarbeitet werden müssen, die die EU-Bürger schützen und zugleich das Funktionieren des Marktes ermöglichen.

Der Herr Kommissar wird sich durch die Aussprache heute Abend hoffentlich dazu ermutigt fühlen, die Vertragsverletzungsverfahren fortzusetzen. Dies ist in Wirklichkeit jedoch eine undankbare Aufgabe, deren Lösung Jahre dauern kann, wobei das Ergebnis oftmals nicht einmal zufrieden stellend ist. Die beste Möglichkeit für die EU, Fortschritte zu erzielen, besteht meines Erachtens darin, die Führung zu übernehmen und auf sinnvolle und hohe internationale Standards hinzuarbeiten, die zur Minimierung der Unterschiede und zum Schutz der Verbraucher beitragen und die Betreiber zwingen können, soziale Verantwortung zu übernehmen.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Glücksspiele sind definitiv Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich des Vertrags fallen, und die im Vertrag festgeschriebenen Grundsätze, einschließlich der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, sind auch auf Glücksspiele anwendbar. Die Kommission ist verpflichtet, darauf zu achten, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten mit dem Vertrag vereinbar sind. Daher hat sie im April beschlossen, von sieben Mitgliedstaaten genauere Angaben zu ihren Rechtsvorschriften, die das Angebot von Sportwetten einschränken, einzufordern. Die Kommission hat auf mehrere Beschwerden von Sportwettenanbietern reagiert.

Nachdem meine Dienststellen mit den Behörden aller sieben Mitgliedstaaten zusammengekommen sind, untersuchen sie zurzeit deren offizielle Antwortschreiben. Das Ergebnis dieser Untersuchung kann ich momentan nicht vorhersagen. Ich möchte dem Parlament jedoch mitteilen, dass ich davon ausgehe, dass sie in den nächsten Wochen abgeschlossen wird. Auf der Grundlage dieser Untersuchung werde ich dem Kollegium der Kommissionsmitglieder einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten, woraufhin dieses dann über die nächsten Schritte entscheiden wird.

Zusätzlich zu den sieben im April eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren beschloss die Kommission am 12. Oktober, drei weitere Mitgliedstaaten förmlich um Informationen zum Glücksspielsektor zu ersuchen. Bei den Beschwerden der Anbieter, auf die die Kommission derzeit antwortet, geht es im Wesentlichen um Sportwetten. Daher betrafen neun der zehn bisher eingeleiteten Verfahren das Anbieten von Sportwetten, darunter auch Online-Sportwetten. Im Oktober erkundigte die Kommission sich jedoch auch nach den österreichischen Rechtsvorschriften, denen zufolge Werbung von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen und dort tätigen Spielbanken verboten ist. Wir befürchten darüber hinaus, dass die österreichischen Rechtsvorschriften von den nationalen Kasinos lediglich den Schutz ihrer Staatsbürger vor übermäßigen Verlusten verlangen, ohne einen ähnlichen Schutz für ausländische Spieler zu gewährleisten.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission alle bei ihr eingehenden Beschwerden prüfen. Aber ich bin mir auch dessen bewusst, dass die Glücksspielproblematik in einigen Mitgliedstaaten eine sensible Angelegenheit ist. Die Mitgliedstaaten haben das uneingeschränkte Recht auf Schutz des Allgemeininteresses, wie beispielsweise den Verbraucherschutz. Diese Maßnahmen müssen jedoch notwendig und verhältnismäßig sein und Diskriminierungen vermeiden. Vor allem müssen sie systematisch und kohärent auf die in- und ausländischen Anbieter angewendet werden.

Die Kommission strebt keine Liberalisierung des Marktes an, sondern möchte sich eher vergewissern, dass die einschlägigen Bestimmungen der Mitgliedstaaten mit dem EU-Recht in Einklang stehen. Die Mitgliedstaaten kennen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, bei der ich von einer Weiterentwicklung ausgehe, sehr gut.

Die Kommission hat die Forderung des Parlaments, alle Glücksspiele vom Anwendungsbereich des Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie auszunehmen, akzeptiert. Mir wurde damals ziemlich eindeutig erklärt, dass die Regelung der Glücksspiele den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll. Damit bin ich voll und ganz einverstanden – natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden einzelstaatlichen Vorschriften mit dem Vertrag vereinbar sind. Was die Vertragsverletzungsverfahren betrifft, so bin ich zu einer engen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bereit, um sicherzustellen, dass die nationalen Gesetze im Einklang mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften stehen und einen angemessenen und wirksamen Schutz ermöglichen, um z. B. den Verbraucherschutz zu gewährleisten und Minderjährige zu schützen.

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
  
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  Malcolm Harbour, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Dürfte ich bitte erst einen Punkt ansprechen, bevor Sie mit dem Zeitnehmen beginnen. Der Tagesordnung zufolge sollte diese Aussprache um 10.30 Uhr beginnen. Das war ganz klar und ich stelle fest, dass einige meiner Kollegen sich bemüht haben, um 10.30 Uhr hier zu sein. Daher hat es mich etwas verwundert, dass ich den Großteil des Beitrags meiner Kollegin McCarthy verpasst habe, da die Aussprache offenbar mindestens zehn Minuten zu früh begonnen hat. Das halte ich, wenn Sie erlauben, für inakzeptabel, und es tut mir Leid, dass Ihr den Vorsitz innehabender Vorgänger nicht mehr anwesend ist. Wenn auf der Tagesordnung steht, dass die Aussprache um 10.30 Uhr beginnt, dann bitte ich Sie eindringlich, dass sie wirklich erst um 10.30 Uhr beginnen sollte, auch wenn es eine kurze Unterbrechung geben muss.

Vielleicht kann ich jetzt fortfahren – und wenn Sie bitte die Uhr neu stellen würden, werde ich meine inhaltlichen Punkte anbringen.

Ich begrüße es sehr, dass Herr McCreevy sich hier dieses Themas annimmt, und es freut mich, dass wir unter der Leitung von Frau McCarthy eine Initiative ergriffen haben, die hoffentlich etwas Licht in diese Angelegenheit bringt. Wie der Herr Kommissar bereits unmissverständlich sagte, handelt es sich hier um sein sehr heikles Thema, das viele Aspekte des öffentlichen Interesses umfasst. Aber in Anbetracht des Funktionierens des Binnenmarkts, das für uns ebenfalls von übergeordnetem Interesse ist, ist die Situation dennoch, wie Sie sagten, äußerst unbefriedigend.

Natürlich warten wir auf die Ergebnisse Ihrer Untersuchungen, aber ich denke, dass es zumindest angemessen wäre, wenn Sie den Mitgliedstaaten eine gewisse Form von Leitlinien an die Hand geben würden, die ihre Haltung gegenüber den Anträgen seriöser und etablierter Glücksspielanbieter betrifft, die lediglich in anderen EU-Ländern und im Rahmen der Rechtsvorschriften dieser Länder tätig werden wollen, was auch ihr gutes Recht ist. Ein Aspekt, den Sie unerwähnt ließen, der für mich aber in Bezug auf die ungleiche Behandlung ziemlich außergewöhnlich ist, ist die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten versucht haben, den Zugang zu diesen Märkten zu beschränken, weil sie nicht zu Glücksspielen animieren wollen. Doch zugleich fördern genau diese Mitgliedstaaten die Teilnahme an ihren nationalen Lotterien in ganz Europa mit Milliarden Euro. Das ist natürlich völlig inkonsequent. Ich halte es für vernünftig und gut, dass der Europäische Gerichtshof einigen dieser Einschränkungen ein Ende bereitet hat, bin jedoch der Ansicht, dass solche Leitlinien wichtig sein werden. Wie Frau McCarthy sagte, kommt dem respektablen Angebot von Glücksspielen in Bezug auf das Funktionieren des Binnenmarkts und den Schutz des öffentlichen Interesses enorme Bedeutung zu.

Die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen, sind die Online-Glücksspiele. Ob die Mitgliedstaaten nun ein Monopol beibehalten wollen oder nicht, Tatsache ist, dass die Verbraucher die Online-Glücksspiele nutzen. Meines Erachtens ist es viel besser – im öffentlichen Interesse –, dass wir statt unkontrollierten Online-Glücksspielen, die aus anderen Ländern außerhalb der Europäischen Union in Europa angeboten werden, gut regulierte Online-Glücksspiele haben.

 
  
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  Der Präsident. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, werde ich auf Ihren Antrag zum Verfahren antworten.

Sie haben völlig Recht, die Aussprache war tatsächlich auf die von Ihnen genannte Uhrzeit angesetzt. Auf der Website des Europäischen Parlaments wurde jedoch am frühen Nachmittag angekündigt, dass die Aussprache etwas früher beginnen könnte, sollte die Fragestunde nichts so lange wie vorgesehen dauern, was ja der Fall war. Im Übrigen haben die Sitzungsdienste versucht, alle Redner zu benachrichtigen. Sie konnten alle Redner kontaktieren, außer Sie, Herr Harbour, doch Ihre Anwesenheit heute Abend hier im Sitzungssaal zeigt meines Erachtens, dass Sie von der Debatte nicht viel verpasst haben. Gleichwohl hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen die Situation zu erklären.

 
  
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  Donata Gottardi, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! „Rien ne va plus“ [„Nichts geht mehr“] – mit diesem seltsamen Auftakt leitete Generalanwalt Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer jüngst seine Schlussanträge beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ein, der aufgerufen war, zum dritten Mal zu der in Italien geltenden Glücksspiel-Regelung Stellung zu nehmen, nachdem bereits das Zenatti- und das Gambelli-Urteil ergangen waren, wobei Letzteres zu Recht in den Erwägungen der hier behandelten mündlichen Anfrage Erwähnung findet.

Es ist wirklich wichtig, dass nicht nur die Schlussfolgerungen der Kommission, sondern auch die jüngsten Initiativen der Mitgliedstaaten, gegen die Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden sind, sowie insbesondere die von der Kommission geplanten Schritte bekannt sind. Außerdem glaube ich, dass es für diesen Bereich einfache, aber sichere Regeln geben und dass auch das Europäische Parlament unmittelbar beteiligt werden muss. Nur auf diesem Wege können wir den Mitgliedstaaten helfen, die der Gefahr ausgesetzt sind, bei ihrem gleichwohl lobenswerten Versuch, die Menschen und insbesondere die hier bereits erwähnten Minderjährigen und Wehrlosen zu schützen, ermahnt oder negativ beurteilt zu werden.

Die explosionsartige Zunahme der Glücksspiele, Lotterien und Online-Wetten ist ein Problem, das trotz der offenkundigen Schwierigkeiten mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung keinesfalls der Liberalisierung des Marktes überlassen werden darf. Ich erinnere nur an die hier bereits erwähnte Dienstleistungsrichtlinie, aus der die Glücksspiele just aus Gründen der öffentlichen Ordnung und des Verbraucherschutzes ausgeschlossen wurden.

 
  
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  Toine Manders, im Namen der ALDE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Mein Dank gebührt den Kommissaren sowie den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass sie sich die Mühe machen, dieses doch spannende Thema zu erörtern. Wir haben Glücksspiele und Online-Spiele von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen, weil wir es nicht wagen, darüber zu entscheiden. Dies fällt nach wie vor unter die Artikel 43 und 49 des Vertrags, und derzeit herrscht – wie auch an den elf Vertragsverletzungsverfahren abzulesen ist – unter den Mitgliedstaaten und Unternehmen erhebliche Rechtsunsicherheit. Wie sollen wir damit umgehen?

Ich bin froh, dass der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz diese mündliche Anfrage gestellt hat, denn schließlich sind die Probleme real. Problematisch ist es insofern, als es einerseits für die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Steuereinnahmen sehr lukrativ ist und es andererseits auch gesellschaftliche Probleme nach sich zieht. Hauptsächlich besteht die Problematik jedoch darin, dass ein fehlender tragfähiger Rechtsrahmen auf einem Markt, in dem eine Menge Geld zu verdienen ist, einer Fülle illegaler Praktiken Tür und Tor öffnet, bei denen kriminelle Organisationen absolute Herrscher sind.

Deshalb vertrete ich die Ansicht, dass die Politiker, und ich hoffe, der Kommissar teilt hier meine Meinung, den Fehdehandschuh aufnehmen und den Mut aufbringen müssen, Entscheidungen zu treffen. Wir dürfen uns nicht den überaus weisen Richtern in Luxemburg geschlagen geben, denen dann die schwere Aufgabe zuteil wird, in den sauren Apfel zu beißen. Ich fürchte, solange wir Politiker nicht die rechten Entscheidungen treffen, werden noch viel mehr Urteile des Europäischen Gerichtshofs folgen.

Ich hoffe, die Kommission und der Rat werden es am Ende schon schaffen. Wenn nicht, wird das Parlament hoffentlich selbst einen Initiativbericht vorlegen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten, die angesichts der zahlreichen Probleme wie Sucht, Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Schwarzgeld, Geldwäsche, und die Liste geht noch weiter, dringend vonnöten ist. Wir müssen dies mit einer strengen, eindeutigen Richtlinie über Glücksspiele und Online-Spiele lösen. Ich erhoffe mir von dem Kommissar eine Empfehlung, wie das Parlament dies in Angriff nehmen sollte.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die Aussage des Kommissars, dass wir Minderjährige schützen müssen. Dafür müssen wir unbedingt die irische Regelung einer Prüfung unterziehen, die für die Teilnahme am staatlichen Toto kein Mindestalter vorschreibt. In Irland dürfen Kinder bei Windhund- und Pferderennen Wetten abgeben, wenn diese dem staatlichen Toto angehören. Bei anderen Glücksspielen müssen die Spieler mindestens 18 Jahre alt sein. Es gibt Videoaufnahmen von irischen Kindern im Alter von sage und schreibe vier Jahren, die legal beim staatlichen Lotto Wetten abgeben. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass das Geld, das irische Kinder zum Geburtstag, zu Weihnachten und zur Erstkommunion bekommen, beim staatlichen Toto und letzten Endes in der irischen Staatskasse landet.

Als der Geschäftsführer von Horse Racing Ireland nach seiner Meinung zu den an Glücksspielen teilnehmenden Kindern gefragt wurde, erklärte er, dies sei kein Problem und er wolle den Kunden der Zukunft gewinnen. Als Finanzminister Irlands haben Sie, Kommissar McCreevy, sich jahrelang geweigert, das Toto-Gesetz zu ändern, und zu verbieten, dass Kinder Wetten abgeben dürfen. Werden Sie Ihre Meinung als Kommissar nun ändern und es zu diesem späten Zeitpunkt befürworten, dass Online-Wetten, Wetten auf Rennbahnen, in Wettbüros, in Flugzeugen und überall sonst, wo diese hinterlistige Praxis fortbesteht, für Kinder eingeschränkt werden?

 
  
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  Marianne Thyssen (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Bereits von der ersten Abstimmung im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz an haben wir beschlossen, Glücksspiele, einschließlich Lotterien und Wetten, von dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie auszunehmen. Einige – und ich verweise auf Herrn Manders’ Ausführungen von soeben – hatten vielleicht Angst davor, eine Entscheidung zu treffen. Meiner Überzeugung nach waren viele der Meinung, den Mitgliedstaaten könnte ein wenig Spielraum belassen werden, um diese komplexe Materie auf ihre eigene Weise, in Einklang mit den Empfindlichkeiten und der Situation in ihrem Land sowie gemäß ihren eigenen Traditionen zu behandeln.

Selbstverständlich sollten sich die Mitgliedstaaten dabei an den Vertrag halten, und wir kennen schon die Antwort des Gerichtshofs auf einige Fragen, die bereits zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sind. Ich hoffe, Herr Kommissar, die Fragen, die noch zu stellen sind, werden Sie nicht unverzüglich dazu veranlassen, der Kommission zu empfehlen, regulierend einzugreifen. Obgleich die Kommission selbstverständlich die Hüterin der Verträge ist und wir von ihr erwarten, dass sie ihre Rolle ernst nimmt, ist auch ein wenig Zurückhaltung geboten.

Den Binnenmarkt zum Funktionieren zu bringen, ist in jeder Hinsicht nötig und positiv, das braucht jedoch nicht auf Kosten des wirksamen Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit und der psychischen Gesundheit der Verbraucher zu gehen. Hoffentlich bleibt auch Spielraum für die Mitgliedstaaten, die sich gegebenenfalls auch über staatliche Monopole dafür einsetzen, die Spielleidenschaft zu kanalisieren, die Fairness des Spiels zu überwachen und die Gewinne, so sie denn wollen und können, für Zwecke im Bereich Kultur, Soziales und Sport zu spenden. Klare Rechtsvorschriften können sicherlich hilfreich sein, aber Gesetze sind nicht immer der richtige Weg. Ich spreche zweifellos nicht im Namen der gesamten Fraktion, wohl aber in dem einiger Fraktionskolleginnen und -kollegen, die heute Abend nicht das Wort ergreifen konnten.

 
  
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  Manuel Medina Ortega (PSE).(ES) Herr Präsident! Glücksspiele sind nicht nur irgendeine Dienstleistung unter anderen, sie sind eine gefährliche Tätigkeit. Gefährlich deshalb, weil die Arglosigkeit und Unkenntnis der Menschen ausgenutzt wird. Die meisten Mitgliedstaaten besitzen jetzt Rechtsvorschriften für Glücksspiele.

Ich verstehe nicht, wie es möglich sein kann, dass supranationale Instanzen beabsichtigen, den Mitgliedstaaten eine Liberalisierung der Glücksspiele aufzuerlegen, wenn die Mehrheit unserer Gesellschaften dies nicht akzeptiert.

Der Kongress der Vereinigten Staaten hat Online-Glücksspiele kürzlich verboten, und ich glaube, in diesem Punkt sollten wir in der Europäischen Union dem Beispiel der USA folgen, zum einen, um unsere Verbraucher vor Mafiaorganisationen zu bewahren, und zum anderen, um alle jene sozialen Einrichtungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu schützen, die gegenwärtig auf die legalen, von den nationalen Behörden genehmigten Formen des Glücksspiels angewiesen sind.

Deshalb bin ich der Ansicht, dass die Kommission gut daran tut, das Thema Glücksspiele zu prüfen, aber sie muss das aus der Sicht des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Einrichtungen tun, die derzeit in den meisten unserer Mitgliedstaaten von den legalen Glücksspielen profitieren.

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Kommissar McCreevy! Sie haben heute auch einen äußerst anstrengenden Tag hinter sich, und daher geht es Ihnen nicht anders als uns, denn wir bemühen uns, die Sache in der notwendigen Klarheit und Kürze an Sie heranzutragen.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir im Bereich des Gamblings und der Lottoreihen zwei verschiedene Elemente haben: auf der einen Seite den absolut grenzüberschreitenden Markt für Online-Anbieter, den wir nur europäisch regeln können. Der Kollege Medina-Ortega hat darauf hingewiesen, dass die US-Amerikaner für ihren Markt schon eine Regelung gefunden haben. Auch wir in Europa können für den Online-Markt nur eine Lösung finden, wenn wir ihn zusammen mit den Mitgliedstaaten europaweit regeln.

Auf der anderen Seite gibt es den Markt des traditionellen Glücksspiels und der traditionellen Sportwetten, der eher in schriftlicher Form abläuft. Wir sollten anders als in dem Vertragsverletzungsverfahren, das die Kommission – also Sie, Herr Kommissar McCreevy – eingeleitet hat, eher nach dem Prinzip verfahren, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie wirklich effektiv Suchtprävention betreiben, indem sie ihre nationalen Monopole so ausrichten, dass ein möglichst geringes und möglichst verbraucherbeschützendes Angebot angestrebt wird, die Möglichkeit bekommen, diese Monopole – unter der Kontrolle und der Aufsicht des europäischen Rechts und der Europäischen Kommission – auch in Zukunft zu halten.

Es muss aber sichergestellt werden, dass durch das Monopol, das die Mitgliedstaaten auch schon bisher halten, wirklich nur ein Ziel verfolgt wird, nämlich die Suchtprävention, und dass die Mitgliedstaaten mit dem Monopol nicht andere Ziele wie beispielsweise die Sanierung öffentlicher Haushalte, die Sportförderung oder andere Dinge verfolgen.

Vor diesem Hintergrund würde ich mich sehr freuen, wenn wir – das Parlament und die Kommission – gemeinsam eine Regelung finden könnten, die einerseits eine europäische Regelung für den Online-Markt herstellt und auf der anderen Seite die nationalen Regelungen im Bereich der Monopole bei den traditionellen Sportwetten erhält, sofern sie binnenmarktkonform sind.

 
  
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  Joel Hasse Ferreira (PSE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Herausnahme von Gewinnspielen, einschließlich Lotterien, aus der Dienstleistungsrichtlinie wurde der Sektor etwas übersichtlicher, aber wir müssen noch weiter gehen. Wir wissen, dass bei einigen Arten von Gewinnspielen und Wetten eine Reihe komplizierter Aspekte eine Rolle spielen. Deshalb kommt es darauf an, den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten und für eine wirksame Überwachung der Finanzkreisläufe in Verbindung mit solchen Aktivitäten zu sorgen, um Geldwäsche zu verhindern oder dagegen vorzugehen.

Natürlich dürfen wir den angemessenen Schutz der Verbraucher nicht mit dem unangemessenen Protektionismus verwechseln, den manch ein Mitgliedstaat vielleicht will oder anwendet. Auf jeden Fall ist aber darauf hinzuweisen, dass jeder Mitgliedstaat das Recht hat, den Bereich der Geldwetten auf seinem Hoheitsgebiet zu regulieren, bis ein anderes Rechtsinstrument auf europäischer Ebene vorhanden ist. Online-Glücksspiele bedürfen hier der besonderen Beachtung durch die Kommission und unverzüglich vom Parlament, wie andere Redner vor mir festgestellt haben und wie in dieser Aussprache deutlich wird. Abschließend begrüße ich, dass der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dieses Thema auf den Tisch gebracht hat, mit dem Ergebnis, dass wir heute Abend etwas mehr Klarheit dazu schaffen konnten.

 
  
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  Jacques Toubon (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Ich werde versuchen, schnell und langsam zugleich zu sein. Diese Aussprache kommt zur rechten Zeit, und die bisherigen Ausführungen erscheinen mir im Übrigen positiv. Alle wünschen sich ein Eingreifen der Europäischen Union in anderen Formen als lediglich durch die Rechtsprechung. Bei diesem Thema geht es nämlich um eine Reihe von Betrieben und Dienstleistungen: Es geht um Kasinos, Lotterien und sonstige Glücksspiele auf traditionellem Wege oder über das Internet. Es betrifft also nicht nur Online-Sportwetten, die Gegenstand der Anfrage von Frau MacCarthy sind, sondern reicht weit darüber hinaus.

Dass bei diesen Dienstleistungen die Binnenmarktgrundsätze angewandt werden, ist zwar normal, Herr Kommissar, doch darf Freiheit nicht mit dem Gesetz des Dschungels einhergehen! Aus Gründen des Allgemeininteresses, der Gesundheit, der Moral und der Sicherheit müssen diese Dienstleistungen geregelt und überwacht werden. Die Mitgliedstaaten müssen öffentliche und private Betreiber im Rahmen eines fairen Wettbewerbs zulassen und kontrollieren können. Aufgrund der Bedeutung „grenzüberschreitender“ Spiele muss jedoch über den nationalen Rahmen hinausgegangen werden. In dieser Hinsicht ist der jüngste Beschluss der USA der Beweis dafür, dass es besser ist, zu viele Vorsichtsmaßnahmen zu treffen als zu wenige, wenn diejenigen, die spielen und die, die andere spielen lassen, nicht kontrolliert werden können.

Deshalb, Herr Kommissar, halte ich den gegenwärtigen Ansatz der Kommission, der sich ausschließlich auf die Verträge und auf den Gerichtshof stützt, für unzulänglich und gefährlich. Dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen im Einklang stehen sollen, reicht heute zweifelsohne nicht mehr aus. Herr Kommissar, in Zusammenarbeit mit dem Parlament müssen Sie zusätzliche Bestimmungen einführen, um damit diesen überaus wichtigen Sektor sowohl politisch wie wirtschaftlich in vernünftiger und sinnvoller Weise organisieren zu können. Dieser Sektor soll durchaus weiterentwickelt werden, doch sollte dies in völliger Sicherheit für die Menschen und für die Mitgliedstaaten geschehen!

 
  
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  Μanolis Μavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! In den letzten Jahren war das staatliche Monopol im Glücksspielsektor, das in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht, zunehmend Angriffen vor allem seitens privater Interessen ausgesetzt.

Auf dem EU-Gipfel im Dezember 1992 in Edinburgh beschloss der Europäische Rat, ausgehend vom Grundsatz der Subsidiarität, den Glücksspielsektor nicht zu regulieren und ihn in der ausschließlichen Rechtsprechung der Mitgliedstaaten zu belassen. Die vom Europäischen Parlament und vom Rat im Jahr 2000 angenommene Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass Glücksspiele vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen sind. Der Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie von 2006 sieht diesbezüglich die gleiche Regelung vor. Angesichts der Besonderheiten des Glücksspielsektors räumt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ein, die den Glücksspielmarkt in der ihrer Ansicht nach besten Art und Weise regulieren sollen.

Herr Präsident, Herr Kommissar, einer der wichtigsten Gründe für diese Entscheidungen ist die Tatsache, dass das Glücksspiel ein hohes Suchtpotenzial vor allem für junge Menschen besitzt. Hinzu kommen mögliche Straftaten wie Betrug, Geldwäsche und so weiter. Meines Erachtens kann nur der Staat die Kontroll-, Garantie-, Zuverlässigkeits- und Transparenzmechanismen bieten, die für den Schutz der Verbraucher notwendig sind.

Ich bin zudem der Ansicht, dass, wenn der Glücksspielmarkt erst einmal liberalisiert ist, das System der Sportförderung in Europa zusammenbrechen und kulturelle und soziale Maßnahmen und Subventionen mit sich reißen wird. Davon werden beispielsweise der Kampf gegen Drogen, die Bildung und Förderung von Menschen mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf betroffen sein, die vor allem aus dem staatlich kontrollierten Glücksspiel finanziell unterstützt werden. Wir glauben an den freien Markt, übersehen dabei aber nicht die Risiken, die das unkontrollierte Glücksspiel mit sich bringt.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens: Aus ordnungspolitischen Gründen haben wir Glücksspiele und Kasinos von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen. Das sage ich, obwohl ich ein klarer Befürworter der Stärkung des Binnenmarktes bin. Wir wollten aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Zweitens: Mit dem Glücksspiel sind viele Risiken verbunden. Deshalb sollte als Argument der Kommission für Vertragsverletzungsverfahren nicht nur das Argument des Wettbewerbsrechts und des Binnenmarkts herangezogen werden.

Drittens: Wir benötigen eine klare Definition. Was fällt alles unter den Begriff Glücksspiel, wenn wir darüber sprechen? Angesichts der unterschiedlichen Behandlung von Online-Märkten, Sportwetten, Automaten, Kasinos und Lotterien ist eine einheitliche Definition erforderlich, damit sie überall gleich behandelt werden, und wahrscheinlich auch ein einheitlicher rechtlicher Rahmen.

Viertens: Auch andere wichtige Bereiche, Herr Kommissar, wie der Verbraucherschutz, die Gesundheit, die Besteuerung, der internationale Handel, die Geldwäscheproblematik, die Suchtprävention, die Bekämpfung der Kriminalität und des organisierten Verbrechens sind zu berücksichtigen.

Fünftens: Fast alle Mitgliedstaaten regeln das Glücksspiel. Elf haben spezielle Rechtsmodelle, vier kennen ein begrenztes Lizenzmodell.

Sechstens: Staatliche Lotterien haben 2004 Verkäufe in Höhe von 63 Milliarden Euro verzeichnet. Das bedeutet eine durchschnittliche Nettoausgabe von 140 Euro pro Kopf.

Das bedeutet, dass – siebtens – ca. 33 % aller Einnahmen für good causes und Steuern verwendet werden. Bei einer Liberalisierung im privaten Bereich wären es nur 3 %.

Achtens: Der Beitrag zur Beschäftigung wird in der EU auf ca. 13 Milliarden geschätzt.

Neuntens: 195 000 Jobs innerhalb der EU können dem Verkauf von Lotterien zugerechnet werden.

Ich bitte Sie, diese Argumente bei der Beurteilung mit einzubeziehen.

 
  
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  Brian Crowley (UEN).(EN) Herr Präsident! Ich möchte einen Punkt zur Sprache bringen. In dieser Aussprache haben wir einen Großteil unserer Aufmerksamkeit jungen Menschen und den Auswirkungen der Spielsucht auf sie gewidmet. Es werden aber mehr Menschen unter 12 Jahren nicht etwa Opfer der Spielsucht, die das Thema der heutigen Aussprache darstellt, sondern Opfer des Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution oder aufgrund von Drogen- oder Alkoholabhängigkeit und -missbrauch zur Prostitution gezwungen.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Es gibt keine speziellen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu Glücksspielen. Ob und wie die Mitgliedstaaten Glücksspiele auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene regeln möchten, muss daher jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden. Aber die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und der Vertrag haben weiterhin Gültigkeit und alle nationalen Rechtsvorschriften müssen diese Grundsätze einhalten. Aufgrund der unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten kann es zu Rechtsunsicherheit bei den Anbietern und ihren Kunden kommen, insbesondere wenn die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Die Aussprache heute Abend beleuchtet einmal mehr, wie unterschiedlich die Auffassungen in Bezug auf Glücksspiele sind. Ich habe die Forderungen nach einem speziellen gemeinschaftlichen Regelungsrahmen für Glücksspiele natürlich vernommen. Ebenso laut sind die Stimmen gegen solche Maßnahmen der Gemeinschaft. Meiner Erfahrung nach ist die erste Bedingung, um eine Lösung zu finden, ein klares Verständnis des Problems und der vorhandenen politischen Optionen. Die Kommission hat vor Kurzem eine Studie veröffentlicht, die in ihrem Auftrag vom Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung angefertigt wurde. In dieser Studie werden die Kompliziertheit und Vielschichtigkeit der nationalen Rechtsvorschriften beleuchtet. Sollte das Parlament der Ansicht sein, dass zusätzlich zu unseren Bemühungen um die Gewährleistung der Anwendung der wesentlichsten im Vertrag verankerten Grundsätze mehr für die Rechtssicherheit getan werden sollte, so sehe ich den detaillierten Meinungen des Parlaments dazu erwartungsvoll entgegen, um welche Themen es sich konkret handelt, die Maßnahmen der Gemeinschaft rechtfertigen, und welche politischen Optionen einen ausreichenden Konsens verlangen, um zu einer sinnvollen Lösung auf Gemeinschaftsebene zu gelangen. In Ermangelung eines solchen politischen Konsenses kann Rechtssicherheit letzten Endes nur der Europäische Gerichtshof gewährleisten.

Ich möchte noch einige Anmerkungen zu dieser Aussprache machen. Herr Harbour hat es ziemlich auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass sich viele der Mitgliedstaaten, gegen die wir nun vorgehen, ziemlich inkonsequent verhalten. Wir werden wahrscheinlich noch gegen weitere Mitgliedstaaten vorgehen müssen. Wenn Mitgliedstaaten, ihre Regierungen und ihre Legislative sehr restriktive Gesetze zu Glücksspielen usw. wollen, können sie diese aus Gründen der öffentlichen Ordnung einführen. Aber das, was Herr Harbour erwähnte, können sie nicht tun. Sie können nicht Millionen und Abermillionen für Werbung für Glücksspiele ihrer eigenen nationalen Anbieter oder ihrer eigenen nationalen staatlichen Anbieter ausgeben. Sie dürfen nicht ihre eigenen nationalen Anbieter zulassen und alle anderen verbieten. Wenn die Mitgliedstaaten – wie offensichtlich auch einige Mitglieder dieses Hohen Hauses – der Ansicht sind, dass das Glücksspiel eine größere Geißel ist als die Alkohol- und Tabaksucht und all diese anderen Abhängigkeiten zusammen, sollten sie es für jedermann verbieten und in ihrem Land überhaupt keine Glücksspiele erlauben. Das ist eine Möglichkeit. Dann würde sich niemand beschweren. Die Kommission würde gegen kein Land vorgehen und niemand würde sich überhaupt Sorgen machen müssen. Aber es ist ein wenig scheinheilig, wenn die Mitgliedstaaten es zulassen, dass Millionen für Glücksspielwerbung ausgegeben werden, aber gleichzeitig niemand anderem das Spielen gestatten.

In allen Mitgliedstaaten werden Glücksspiele in gewisser Weise geregelt. Der Punkt, den Frau McCarthy in Bezug auf die internationalen Standards für Online-Glücksspiele ansprach, ist an sich eine ziemlich gute Idee, aber dafür wäre zunächst ein gewisser Konsens innerhalb der 25 Mitgliedstaaten erforderlich. Wir können damit beginnen, in diesem Hohen Hause einen Konsens zu erzielen, aber ich glaube nicht, dass wir das schaffen werden. Ich bin mir sicher, dass wir ihn im Ministerrat auch nicht erzielen werden. Die Chance, im Ministerrat und im Parlament einen Konsens zu erreichen, ist genauso groß wie die Chance, an diesem Wochenende im Lotto zu gewinnen. Höchstwahrscheinlich würde also keine Einigkeit erzielt werden. Also ist an dem, was Frau McCarthy sagt, sehr viel Lobenswertes, und wenn es einen Konsens gäbe, würde ich gerne diese Richtung einschlagen, aber meine Erfahrung lehrt mich, dass es sehr schwierig wäre.

Wenn Sie die Zusammenfassung der aktuellen Studie lesen, die, wenn ich mich nicht irre, 51 Seiten umfasst, und sich die übrigen mehreren hundert Seiten sparen, dann werden Sie keine eindeutige Entscheidung für die eine bzw. die andere Seite finden.

(nicht ins Mikrofon gesprochene Anmerkungen von Herrn Toubon)

Nun, ich glaube nicht, dass mein Freund Toubon den Bericht gelesen hat, aber daran können Sie sehen, wie kompliziert dieses Problem ist und wie unterschiedlich es geregelt wird. Daraus ist ersichtlich, was für eine riesige Aufgabe es wäre, diesen Weg zu beschreiten.

In meinem politischen Leben habe ich keine Angst, mich unmöglicher Fälle anzunehmen, gegen Windmühlen zu kämpfen und mir den Kopf an einer Mauer einzurennen, aber ich denke, dass wir, wenn wir eine gewisse Harmonisierung in diesem Bereich versuchten, letzten Endes, wenn überhaupt, das am wenigsten liberale Gesetz hätten, das je in einem Parlament verabschiedet wurde, weil es einfach nicht möglich ist. Seit langem ist mir bewusst, dass es hier sehr große Meinungsverschiedenheiten gibt, noch lange bevor ich zu diesem Schluss kam. Ich weiß, dass die Meinungen in ganz Europa und sogar in meinem Heimatland in dieser Frage sehr weit auseinander gehen würden. Einige halten Glücksspiele, das weiß ich, für schlimmer als Alkoholsucht, schlimmer als Tabakabhängigkeit, schlimmer als alles Mögliche, andere aber eben nicht. Ich weiß, welcher Kategorie ich angehöre, bin jedoch der Ansicht, dass eine Harmonisierung in diesem Bereich sehr, sehr lange dauern wird.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Louis Grech (PSE).(MT) Einige Mitgliedstaaten haben einseitig die Einführung von Rechtsvorschriften beschlossen, mit denen Europäer an der Nutzung von Glücksspiel-Webseiten im Internet gehindert werden, die von in anderen Ländern der Europäischen Union eingetragenen Unternehmen unterhalten werden.

Dies verstößt gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie gegen die Richtlinie 98/34/EG, die vorschreibt, dass vor Einführung von Vorschriften für Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie durch einen Mitgliedstaat alle anderen Mitgliedstaaten sowie die Kommission zu informieren sind.

Im vergangenen Juni wurde mir in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage mitgeteilt, dass die Angelegenheit Gegenstand einer Untersuchung durch die Kommission sei.

Könnten wir erfahren, wieweit die Untersuchung gediehen ist und ob inzwischen Maßnahmen ergriffen wurden?

Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass dieser sich rasant entwickelnde Sektor einen Rechtsrahmen mit entsprechenden Normen und Vorschriften erhalten muss, mit denen sich diese Dienstleistungen ernsthaft regulieren lassen.

Dann wären Verbraucher und Minderjährige geschützt, während gleichzeitig seriöse Betreiber die Möglichkeit hätten, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungehindert tätig zu sein.

 
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