Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die mündliche Anfrage an den Rat zu der europäischen Initiative im Bereich des Zivilschutzes von Karl-Heinz Florenz im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, von Gerardo Galeote im Namen des Ausschusses für regionale Entwicklung und von Joseph Daul im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (O-0115/2006) (B6-0442/2006).
Antonios Trakatellis (PPE-DE), Verfasser. – (EL) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Frau Vizepräsidentin der Europäischen Kommission! Die Erfahrungen, die während der letzten Jahre bei der Bewältigung von Natur- sowie durch den Menschen verursachten Katastrophen gewonnen wurden, haben Defizite bei den nationalen Interventionskapazitäten offenbart und folglich die Erwartungen an die Hilfe durch die Gemeinschaft erhöht, eine Hilfe, die durch effektives Eingreifen im Bereich der Prävention und der schnellen Reaktion gekennzeichnet sein muss. Deshalb ist ein Frühwarn- und Reaktionssystem erforderlich, das auf den folgenden vier Elementen beruht: der Risikoerkennung und -bewertung, der kontinuierlichen Überwachung der Risiken, einem Warn- und Kommunikationsmechanismus sowie schließlich der Bereitschaftskapazität, also der Fähigkeit zu reagieren und zu helfen.
Gestatten Sie mir, kurz auf einige besonders wichtige Parameter einzugehen, die solch einen effektiven Zivilschutzmechanismus charakterisieren, wie dies auch aus dem exzellenten, vom Plenum verabschiedeten Bericht Barnier und aus dem Bericht hervorgeht, den ich dem Europa-Mittelmeer-Plenum präsentiert habe.
Wir brauchen ein Beobachtungssystem, Einsatzteams aus den beteiligten Staaten, Leitlinien zum Reaktionsvermögen und die entsprechende Informierung der Bürger, bewährte Praktiken für die Situationsbewältigung und gegenseitige konsularische Hilfe zur Festlegung der Kontaktstellen der Mitgliedstaaten.
Es versteht sich von selbst, dass das ganze Vorhaben ohne die erforderliche Finanzierung und die substanzielle Beteiligung der Mitgliedstaaten in der Schwebe bleiben wird. Die Frage ist also, Frau Ratspräsidentin, ob der Rat gewillt ist, dieser Forderung zu entsprechen und natürlich die notwendige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Ich glaube, dass sich in den einschlägigen Beschlüssen letztendlich die Notwendigkeit durchsetzen wird, die Forderungen und Erwartungen der Bürger erfüllen zu müssen, das ist einzig und allein schon durch die Zunahme, die Häufigkeit und die Intensität von Naturkatastrophen geboten, die Menschenleben fordern sowie finanzielle und ökologische Schäden verursachen.
Darüber hinaus müssen wir uns stets vor Augen halten, dass die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Zivilschutzes schrittweise das europäische Bewusstsein bei den Bürgern festigen und sie ein sichtbares Beispiel der Solidarität darstellen wird, von der die Europäische Union geprägt sein muss.
Gerardo Galeote (PPE-DE), Verfasser. – (ES) Herr Präsident! Mehrere Länder hatten in den letzten Jahren mit schweren Naturkatastrophen zu kämpfen. Ich will jetzt nicht auf die Ursachen dafür eingehen. Insbesondere im Sommer wurden wir von Bränden, Überschwemmungen und den Folgen einer besonders großen Dürre heimgesucht.
Wir beobachten häufig, dass die betroffenen Regionen der Mitgliedstaaten, zuweilen auch die am stärksten entwickelten, keine ausreichenden Mittel haben, um mit diesen Naturkatastrophen allein fertig zu werden.
Allerdings hat es manchmal den Anschein, als würden wir mehr Solidarität leisten, wenn der Schaden tausende Kilometer entfernt ist, als wenn er hier in einem Mitgliedstaat auftritt.
Dennoch ist der Rat anscheinend in einem passiven Ansatz stecken geblieben. Einige werden sagen, dass nicht mehr Gelder ausgegeben werden sollten. Doch hier geht es ja gar nicht um Finanzmittel. Davon zeugt beispielsweise die Reform des Europäischen Solidaritätsfonds, bei der Sie, meine Damen und Herren des Rates, keinerlei Fortschritte machen, obwohl diese Reform keinen einzigen zusätzlichen Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt kostet.
Manchmal müssen wir uns aber auch an die eigene Nase fassen. So beschloss das Plenum Anfang September, eine Delegation in die am stärksten betroffenen Regionen zu entsenden. Und, Herr Präsident, das Präsidium des Parlaments hält sich noch immer an Rechtsfragen auf, die geklärt werden müssen, bevor es grünes Licht für diese Delegation geben kann.
Doch wir werden nicht den Mut verlieren, denn niemand versteht, dass keine Mittel für eine gemeinsame Maßnahme da sind, die uns ermöglicht, anderen Menschen effektiver zu helfen. Hinzu kommt, dass das Subsidiaritätsprinzip ebenfalls respektiert wird. Es ist also nicht beabsichtigt, in die Souveränität eines Mitgliedstaats einzugreifen.
Auf dem Tisch des Rates liegt ein Bericht, für den Herr Barnier verantwortlich zeichnet. Er bildet eine gute Grundlage für diese Arbeit. Ich würde gern wissen, ob der Rat versucht, dieses Thema weiterzuverfolgen. Das Europäische Parlament wird natürlich tatkräftige Unterstützung leisten, und die Europäer werden dafür dankbar sein.
Markus Pieper (PPE-DE), Verfasser. – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Keine Region kann große Naturkatastrophen alleine bewältigen, ob das nun Waldbrände, Erdbeben oder Flutkatastrophen sind. Die Bekämpfung und vor allem auch die Folgelasten übersteigen die Möglichkeiten regionaler Verwaltungen. Betroffene Regionen sind deshalb auf Solidarität angewiesen, in erster Linie auf Hilfe aus Nachbarregionen und auf nationalstaatliche Unterstützung. Die Zuständigkeit für den Zivil- und Katastrophenschutz liegt in nationaler Verantwortung.
Ich sage ganz ausdrücklich: Wir brauchen hier keine neue europäische Zuständigkeit. Das schafft Doppelstrukturen und verschwendet Geld für administrative Apparate. Ich tue mich auch schwer mit der Idee, europäische Gelder aus den Strukturfonds oder gar Gelder für ländliche Entwicklung einzusetzen. Europäische Politik für die ländlichen Räume ist in die Zukunft gerichtet. Sie unterstützt die Nationalstaaten bei regionalen Innovationsstrategien im internationalen Wettbewerb. Einige fordern jetzt, diese wertvollen Ressourcen zur Vorbeugung gegen Waldbrände und zur Entschädigung von Opfern einzusetzen. Auch dazu muss ich sagen, dass es nicht besonders sinnvoll ist, europäische Strukturgelder etwa für Brandschneisen zu nutzen.
Wie wir alle wissen, haben wir für wirklich große Katastrophen den Europäischen Solidaritätsfonds, eben genau für den Fall, dass einzelne Länder mit Naturkatastrophen überfordert sind. Für diesen Fonds fordere ich allerdings mehr Flexibilität beim Einsatz der Gelder. Ich fordere auch verbindlichere Regeln für die internationale Koordinierung von Kriseneinsätzen, zunächst bilateral zwischen den betroffenen Staaten und im Ausnahmefall auch europäisch. Aber bitte keine neuen europäischen Superstrukturen im Zivilschutz, und bitte keine Vergeudung kostbarer europäischer Ressourcen für Aufgaben, die nun wirklich größtenteils nationale Angelegenheiten sind!
Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Ausarbeitung seiner Antwort ist der Rat davon ausgegangen, dass die Fragesteller wissen möchten, wie der Rat die Zivilschutzdienste der Union weiterzuentwickeln und voranzubringen gedenkt. Ihre einleitenden Redebeiträge haben jetzt bestätigt, dass unsere Annahme richtig war und dass es genau darum geht.
Das primäre Ziel der Tätigkeit des Rates ist es, eine bessere Koordinierung zu erreichen, um eine höhere Effizienz der Zivil- und Katastrophenschutzeinsätze zu gewährleisten. Der Rat baut dabei auf die vorhandenen Strukturen wie das Beobachtungs- und Informationszentrum für den Katastrophenschutz (MIC), das mit der Kommission und dem Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union zusammenarbeitet.
Das zweite Ziel der Tätigkeit des Rates ist es, schnelle Hilfe zu leisten, wo immer sie benötigt wird. Die Hauptverantwortung für Hilfsmaßnahmen in Notfällen liegt bei den Mitgliedstaaten selbst. Unter Bezugnahme auf einen Vorschlag der Kommission zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für Notfalldienste und rasche Zivil- und Katastrophenschutzeinsätze prüft der Rat derzeit, ob unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit besteht, einen Teil der für EU-Zivilschutzeinsätze vorgesehenen gemeinschaftlichen Mittel für das Anmieten von Transportmitteln und Ausrüstungen zu verwenden. All das zeigt, dass der Rat es für sehr wichtig hält, die Vorsorge der Europäischen Union im Bereich des Zivilschutzes zu stärken.
Konstantinos Hatzidakis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Tatsache, dass wir dieses Thema in den letzten Monaten zum dritten Mal diskutieren, zeigt die gewachsene Sensibilität des Europäischen Parlaments.
Ich habe bereits bei einer anderen Gelegenheit darauf hingewiesen, dass es paradox ist, dass wir eine gemeinsame Politik für die Landwirte, die Umwelt und die regionale Entwicklung haben, aber keine Politik für Naturkatastrophen, von denen die Landwirte, die regionale Entwicklung und die Umwelt betroffen sind. Das ist paradox, wenn man bedenkt, wie die Europäische Union bislang funktioniert hat.
Außerdem bin ich der Ansicht, dass Gleichgültigkeit gegenüber diesen Themen ebenfalls dazu beiträgt, den Europaskeptizismus zu verstärken. Das Image der Europäischen Union würde sehr viel positiver sein, wenn es einen europäischen Mechanismus gäbe und wenn die Europäische Union nach jeder Naturkatastrophe bei der Bewältigung der Probleme, mit denen die Bürger in diesem Augenblick konfrontiert sind, präsent wäre. Das müssen wir uns klarmachen. Ich glaube nicht, dass es besonderer Überlegungen bedarf, um dieser Auffassung zuzustimmen. Wir wollen nicht die Mitgliedstaaten ersetzen. Natürlich werden die Mitgliedstaaten weiterhin präsent sein, was wir aber wollen, ist Koordinierung.
Frau Ministerin, es war der Rat, der Herrn Barnier, einen hervorragenden Europäer und erfolgreichen Kommissar, aufgefordert hat, Ihnen, nicht uns, einen Vorschlag zu unterbreiten. Sie haben den Vorschlag im Juni im Rat zur Kenntnis genommen, und seit damals ist der Vorschlag nicht weiter vorangetrieben worden. Sie müssen uns etwas erklären. Ich weiß, dass Sie hier nicht nur Ihr eigenes Land repräsentieren; Sie vertreten 25 Länder und Sie müssen sich untereinander abstimmen, Sie müssen sich wirklich abstimmen. Monate sind vergangen. Müssen wir wieder auf Katastrophen warten, wie sie 2002 in Deutschland passiert sind, bevor wir etwas unternehmen? Damals waren die Katastrophen der Grund dafür, dass wir den Solidaritätsfonds eingerichtet haben. So können wir nicht weitermachen. Sie müssen irgendwann deutlichere Worte finden, und Sie haben bis Dezember Zeit, um dieses Thema anzusprechen und dem Bericht Barnier Kontinuität zu verleihen. Das sind Sie sich selber schuldig, weil Sie ihn aufgefordert haben, diesen Bericht auszuarbeiten, und Sie sind es vor allem den europäischen Bürgern schuldig.
Edite Estrela, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Frau Ratspräsidentin, Frau Kommissarin! Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen ändern sich die Anforderungen. Das Klima ist nicht mehr so, wie es vor einigen Jahrzehnten war. Das ganze Jahr hindurch knochentrockene Dürretage im Wechsel mit wolkenbruchartigen Regenfällen.
Als Kofi Annan heute die Klimakonferenz in Nairobi eröffnete, erklärte er, der Klimawandel sei keine Science-Fiction. Versicherungsexperten sagen voraus, dass Naturkatastrophen im Jahre 2040 Schäden in Höhe von 2,3 Milliarden Euro verursachen werden.
Der Klimawandel ist die Ursache für die Naturkatastrophen, die weltweit eine Spur der Verwüstung und des Todes hinterlassen. Die globale Erwärmung ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Man muss die Bürger dafür sensibilisieren und sie dazu anhalten, sich an der Verhütung dieser Katastrophen zu beteiligen, auch wenn die Hauptverantwortung für das Management bei Katastrophenfällen in erster Linie bei dem betroffenen Land liegt und die Union eine Nebenrolle spielt.
Das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz muss mit größeren Ressourcen und weiter reichenden Befugnissen gestärkt werden. Genau das haben Sie gesagt, Frau Lehtomäki, aber in welcher Form wird diese Stärkung eigentlich vonstatten gehen? Was hat der Rat vor, um das europäische Verfahren für den Katastrophenschutz zu verbessern? Befürwortet der Rat das Konzept der Bildung einer europäischen Zentrale zur strategischen Koordinierung des Katastrophenschutzes, die für die Sammlung und Weitergabe von Informationen über Notfälle und für die Bereitstellung von Krisenreaktionsressourcen bei verschiedenen Arten von Katastrophen verantwortlich ist? Was beabsichtigt der Rat im Hinblick auf den Bericht Barnier zu unternehmen, wie bereits erwähnt?
Auf diese Fragen hätten wir gern eine Antwort.
Jean Marie Beaupuy, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es einen Bereich gibt, für den alle europäischen Bürger eine wirksame Reaktion der Gemeinschaft erwarten, so ist dies der Bereich der großen Naturkatastrophen.
Jedermann konnte sehen, dass bei großen Katastrophen wie dem Tsunami schnell reagiert wurde, nicht nur seitens der Staaten und der NRO, sondern auch seitens unserer Mitbürger, die, indem sie Geld, Kleidung und Zeit spendeten, ihre Fähigkeit zur Bündelung der Kräfte und zum Handeln unter Beweis stellten. Allerdings haben wir auch bei allen diesen Katastrophen feststellen müssen, dass es an einer guten Organisation mangelte. Wir haben es also mit einem organisatorischen Defizit zu tun.
Daher befürworte ich mit meiner Fraktion, dass vorbeugende Maßnahmen getroffen und Möglichkeiten geschaffen werden, um unverzüglich reagieren zu können, wenn sich ein solches Drama ereignet. Insofern möchte ich auch die Qualität des Berichts Barnier hervorheben, der das Problem richtig dargestellt und geeignete Lösungen – natürlich im Sinne ihrer Wirksamkeit – aufgezeigt hat, worauf meine Kolleginnen und Kollegen bereits verwiesen haben, zum anderen aber auch im Sinne der Subsidiarität. Daher möchte ich nun darauf eingehen, inwiefern dieser Bericht von Bedeutung ist. Denn auch wenn niemand bestreitet, dass es den verschiedenen militärischen Formationen, den Feuerwehrleuten und verschiedenen anderen Akteuren obliegt, ihrer Verantwortung in vollem Umfang gerecht zu werden, so muss doch anerkannt werden, dass allein die Europäische Union in der Lage ist, die Koordinierung im Vorfeld und im Bedarfsfall sicherzustellen.
Ferner möchte ich hervorheben, dass die Europäische Union damit Gelegenheit hatte, weltweit zu beweisen, dass „Solidarität“ keine leere Worthülse ist, sondern konkrete Maßnahmen beinhalten kann. Wenn die Europäische Union bei künftigen Katastrophen, die leider wie in der Vergangenheit auch 2007 wieder hereinbrechen können, vor Ort bereit ist, menschliches Leid zu lindern sowie Sachschäden und die Folgen von technischen und Umweltkatastrophen zu verringern, so wird die Welt dies als ein Vorgehen empfinden, das die Solidarität stärker betont und konkretere Wirkung zeigt. Auch aus diesem Grunde ist es wichtig, dass der Vorsitz diese Angelegenheit gleich zu Beginn des Jahres 2007 erfolgreich in die Tat umsetzt.
Derek Roland Clark, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) In diesen Bereich spielen in der Tat zwei Aspekte hinein: Es gibt Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Katastrophen, und es gibt Terroranschläge.
Gestatten Sie mir, aus der Sicht Großbritanniens zu sprechen, wo wir im vergangenen Jahr beide Arten von Katastrophen erlebt haben. Im Dezember des letzten Jahres kam es in einem Öllager in der Nähe von London zur größten Brandkatastrophe im Nachkriegseuropa. Im Juli wurde ein schwerer Terroranschlag auf das Londoner Stadtzentrum verübt, bei dem drei U-Bahn-Züge und ein Bus in die Luft gesprengt wurden.
In beiden Fällen haben wir die Lage in den Griff bekommen. Es geht hier um mehr als nur um das Subsidiaritätsprinzip. Wir wollen uns einfach nicht abhängig machen – und das sollte auch von niemand anderem verlangt werden.
Daher habe ich eine Frage. Was verstehen Sie unter „europäischen Konsulaten“? Sollen sie über die nationalen Systeme gestellt, ihnen praktisch übergestülpt werden?
Eine weitere Frage zum Europäischen Zivilschutzkorps, das im Bericht Barnier erwähnt wird. Welche Aufgaben soll es übernehmen? Handelt es sich um eine bewaffnete Einheit? Wenn ja, wem würde sie unterstehen? Wo wäre ihr Hauptquartier? Könnte sie auch eingesetzt werden, ohne dass die einzelstaatlichen Regierungen gefragt oder um Erlaubnis gebeten werden?
Nicht zuletzt war in der Verfassung eine europäische Politik zur Verhinderung von Naturkatastrophen und zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgesehen. Noch eine Frage: Ist dies ein Versuch, einige Teile der toten Verfassung in neue Rechtsvorschriften einzubauen?
Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist in dieser Debatte sehr deutlich geworden, dass der Rat, das Parlament und sicherlich auch die Kommission exakt die gleichen Ziele verfolgen. Erstens müssen wir Vorkehrungen für die wirksame Koordinierung des Zivil- und Katastrophenschutzes treffen. Das zweite Ziel, das wir teilen, besteht darin, Hilfsleistungen effektiv dorthin zu lenken, wo sie gebraucht werden. Es gibt gute Gründe, daran zu erinnern, dass es für das Erreichen dieser gemeinsamen Ziele einer intensiven Zusammenarbeit bedarf. Wir brauchen nicht notwendigerweise oder automatisch neue Strukturen, und wir sollten uns auch nicht einbilden, dass etwas nur dadurch gut läuft, dass eine neue Struktur geschaffen wird. Kooperation ist folglich das A und O und an dieser Stelle ein Schlüsselwort.
Außerdem dürfen wir, wenn wir über bestimmte Naturkatastrophen sprechen, insbesondere dann, wenn diese außerhalb der Europäischen Union geschehen, nicht übersehen, dass es in diesem Bereich neben der Europäischen Union eine Menge weiterer Akteure gibt. In solchen Situationen muss die Union Teil einer breiteren, international abgestimmten Operation sein. Die Notwendigkeit der Koordinierung in diesem Bereich wurde im Zusammenhang mit der Tsunami-Katastrophe, als vor Ort gleichzeitig Dutzende, ja sogar Hunderte von Akteuren auftraten, sehr offensichtlich
Die Vorschläge von Herrn Barnier müssen jetzt erst einmal von den Mitgliedstaaten erörtert und verdaut werden. Sie sind sehr ehrgeizig, und im Augenblick konzentriert sich die Arbeit des Rates darauf, Entscheidungen über das Finanzierungsinstrument, das zu einem gemeinsamen Instrument für den Zivil- und Katastrophenschutz führt, zustande zu bringen. Gleichzeitig wird aber auch die Arbeit in Bezug auf die Vorschläge von Herrn Barnier fortgesetzt, und er ist eingeladen, seine Gedanken bei der Tagung des Rates „Justiz und Inneres“ am 5. Dezember vorzustellen.
Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Sebastiano (Nello) Musumeci (UEN). – (IT) Die zigste und angebrachte Anfrage zu dem heiklen Problem der Zivilschutzkapazitäten der Europäischen Union rückt einen der undurchschaubarsten und strittigsten Bereiche in den Vordergrund, mit dem sich die Mitgliedstaaten jemals zu befassen hatten.
Wie ich schon hervorgehoben hatte – indem ich wiederholt die Europäische Kommission angesprochen und meine Ansichten in diesem Parlament zum Ausdruck gebracht habe –, kollidiert der Katastrophenschutz, da er in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, unweigerlich mit den unterschiedlichen Rechtsvorschriften, Ausbildungsarten und Verfahren. Aus diesem Grund verfechte ich seit langem die These eines Kapazitätsaufbaus und einer verstärkten Koordinierung der nationalen Einsatzkräfte, mit dem Ziel, die verschiedenen einzelstaatlichen Bestimmungen einheitlicher zu gestalten. Und das kann meiner Auffassung nach nur einer speziellen europäischen Katastrophenschutzagentur übertragen werden, nach dem Vorbild der US-amerikanischen Federal Emergency Management Agency.
Die jüngste Erfahrung lehrt, dass – abgesehen davon, dass der gute Wille, beispielsweise anlässlich des furchtbaren Tsunamis, der 2004 einen Teil des Indischen Ozeans heimsuchte, demonstriert wurde – das Katastrophenmanagement der Europäischen Union leider absolut unzulänglich ist.
Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Die in dem meisterhaften Bericht Barnier entwickelte Strategie zur Optimierung der bedeutenden Bemühungen der Europäer im Nothilfebereich könnte der Ergänzung des 2001 eingeführten Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz dienen, unabhängig davon, ob sich die Krise innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union ereignet.
Ich habe speziell den Vorschlag im Auge, wonach die Katastrophenschutztruppen in den sieben Gebieten in äußerster Randlage positioniert werden sollen, mit denen Europa menschlich und territorial vor der Küste Afrikas – auf den Kanarischen Inseln und Madeira, im Indischen Ozean – Réunion, in der Nähe des amerikanischen Kontinents – Guyana, Martinique, Guadeloupe, Azoren, oder in den Überseegebieten im pazifischen Raum – Französisch-Polynesien, Neukaledonien – präsent ist.
Wir sollten dem Beispiel des französischen Roten Kreuzes folgen, das in Übersee Einsatzteams für humanitäre Krisen aufgestellt hat, die in nicht einmal 24 Stunden in ihrem Einzugsgebiet einsatzbereit und in der Lage sind, Notfallkrankenhäuser, Zelte und Medikamente bereitzustellen und die Wasserversorgung, Telekommunikation und Logistik zu sichern.
Damit das „Europa der Projekte“ konkrete Gestalt annimmt, muss die Europäische Union Initiativen ergreifen, die von einem deutlichen, verständlichen und starken politischen Willen getragen werden.
Ein verstärkter europäischer Zivilschutz besäße eine verbindende Dimension, die eine starke Identifizierung des europäischen Handelns ermöglichen und gemäß dem unserer Gemeinschaft so wichtigen Solidaritätsgrundsatz eine Quelle des Stolzes für unsere Mitbürger darstellen würde.