President. The next item is the report by Karl von Wogau, on behalf of the Committee on Foreign Affairs, on the implementation of the European Security Strategy in the context of the ESDP (2006/2033(INI)) (A6-0366/2006).
Karl von Wogau (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, verehrte Kollegen! Herr Präsident, zunächst möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass mir der Kollege Dimitrakopoulos seine zwei Minuten Redezeit überlassen hat, sodass ich in der glücklichen Lage bin, über sieben Minuten Redezeit zu verfügen.
Wir sprechen über die Sicherheitsstrategie der Europäischen Union, die am 12. September 2003 von den Staats- und Regierungschefs auf Vorschlag des hohen Beauftragten Solana beschlossen wurde. Die Grundzüge dieser Sicherheitsstrategie sind nach wie vor aktuell, aber wir müssen auch feststellen, dass sich die geopolitische Lage in dieser Zeit verändert hat, dass hier andere Schwerpunkte zu setzen sind, und deswegen fordern wir in diesem Bericht, dass der Rat dem Europäischen Parlament einmal in jeder Wahlperiode einen Bericht über die Sicherheitsstrategie der Europäischen Union vorlegt, der dann in den nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament diskutiert werden kann. So ist es auch in den Vereinigten Staaten. Auch dort findet in jeder Legislaturperiode einmal eine derartige zentrale Berichterstattung statt, und deswegen könnte eine derartige Einrichtung bei uns auch dazu beitragen, dass der transatlantische Dialog in diesen Fragen intensiviert wird.
Wir setzen ja in der Strategie in Bezug auf die europäische Sicherheit andere Akzente, als die Vereinigten Staaten das derzeit tun. Wir setzen auf eine multipolare Weltordnung. Solana nennt das effektiven Multilateralismus. Wir setzen nicht auf Koalitionen von Willigen, sondern wir setzen auf die Charta der Vereinten Nationen und auf die internationalen Organisationen. Wenn wir mit dieser Strategie Erfolg haben wollen, müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass es uns nur gelingen wird, wenn es uns auch gelingt, die Effizienz der internationalen Organisationen zu verbessern.
Der Bericht enthält des Weiteren einen Vorschlag für eine neue Definition des nächsten Zieles, das wir anstreben sollen, und zwar die Sicherheits- und Verteidigungsunion. Die Sicherheits- und Verteidigungsunion, das ist auch etwas, was die Bürger der Europäischen Union wollen, denn 70 % der Bürger der Europäischen Union wollen nach Meinungsumfragen, dass die Europäische Union Zuständigkeiten für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und für ihre Sicherheit erhält. Das erwarten die Bürger von der Europäischen Union.
Was aber ist eine Sicherheits- und Verteidigungsunion? Dazu gehören einige Elemente wie beispielsweise der Europäische Außenminister, so wie er in dem Verfassungsentwurf vorgeschlagen ist. Wir schlagen zusätzlich einen stellvertretenden Außenminister vor, der auch für Fragen der Verteidigung zuständig sein soll. Warum? Ich bin – derzeit noch – Vorsitzender des Unterausschusses des Europäischen Parlaments für Sicherheit und Verteidigung. Aber mir fehlt ein Ansprechpartner auf der Seite der Exekutive. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass hier auf der Ratsbank niemand Platz genommen hat.
Wir brauchen bei der Exekutive einen Ansprechpartner in diesen Fragen, die sich entwickeln. Deswegen unsere Forderung nach einem stellvertretenden Außenminister. Dazu gehört auch – das steht nicht in diesem Bericht, aber ich weiß, dass Elmar Brok darauf achtet – ein gemeinsamer diplomatischer Dienst und eine gegenseitige Beistandsverpflichtung, wie sie in dem Verfassungsentwurf vorgeschlagen ist, wie sie aber auch bereits in dem Brüsseler Vertrag enthalten ist – der Grundlage der Westeuropäischen Union.
Mein persönlicher Vorschlag wäre, dass wir dieses Projekt einer Sicherheits- und Verteidigungsunion in den Mittelpunkt stellen sollten, wenn wir versuchen werden, den Verfassungsprozess wieder anzustoßen. Ich bin davon überzeugt, dass es leichter ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik wollen, als ihnen noch einmal zu erklären, was eine Verfassung ist.
In der Vergangenheit waren wir immer dann erfolgreich, wenn wir zuerst gesagt haben, was wir tun wollen, und dann daraus abgeleitet haben, welche Institutionen und welche institutionellen Änderungen notwendig sind. Darum glaube ich, dass es sinnvoll wäre, dieses Projekt in den Mittelpunkt des Verfassungsprozesses zu stellen.
Wir haben heute Truppen unter dem Kommando der Europäischen Union. Sie stehen in Bosnien-Herzegowina und im Kongo. Ab Anfang des Jahres 2007 werden wir in jedem Halbjahr zwei Gefechtsverbände zur Verfügung haben, auf Englisch haben sie den schönen Namen battle groups, das sind diese Gefechtsverbände, die kurzfristig zur Verfügung stehen sollen. Hier gibt es eine besondere Verantwortung der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments, nämlich für die Soldaten, die wir dorthin schicken – in den Kongo, nach Bosnien-Herzegowina und an andere Orte –, damit sie nicht unnötigen Risiken ausgesetzt werden. Unnötige Risiken entstehen für Soldaten immer dann, wenn die Ausrüstung oder die Führungsstruktur nicht adäquat ist. Deswegen machen wir in dieser Beziehung in diesem Bericht Vorschläge zur Beseitigung der Defizite, die wir in Bezug auf Aufklärung haben – wie ich sie gerade wieder im Kongo feststellen konnte.
In Bezug auf Telekommunikation und in Bezug auf Land- und Seetransporte hat die Europäische Union immer noch wesentliche Defizite. Vor allem brauchen wir aber eine wirksame demokratische Kontrolle. Zur demokratischen Kontrolle gehört aber Information und Konsultation. Hieran fehlt es oft noch. Wir werden nicht ausreichend informiert über das, was auf Ratsseite geplant wird. In der Interinstitutionellen Vereinbarung steht, dass wir konsultiert werden sollen und das findet nur außerordentlich zögerlich statt.
Fragen der Sicherheit, Fragen von Krieg und Frieden sind Fragen, die man nicht den Generälen überlassen darf. Man darf sie aber auch nicht der Exekutive allein überlassen, sondern hier brauchen wir die demokratische Kontrolle durch Parlamente, die vom Volk gewählt sind, also die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament.
Margot Wallström, Vice-President of the Commission. The Commission welcomes this comprehensive report, which demonstrates the importance attached by the European Parliament to the European Security Strategy and more generally to the field of security.
As you know, this is not an area where the Commission leads, but we make an important contribution to security in situations of crisis. I agree with the rapporteur that we need to act on the basis of a comprehensive concept of security in today’s security environment and that both external and internal security aspects need to be adequately addressed. We need to use all available instruments, be they civilian or military, be they in the hands of Member States or the Union, to achieve our goals in the security sphere. And, as stated in the Commission’s communication of last June entitled ‘Europe in the World’, we need to enhance coherence, effectiveness and visibility through a pragmatic and cooperative approach. Let me assure you that the Commission will continue to cooperate with the Council in full respect of our respective institutional responsibilities.
I am encouraged by recent efforts in the EU amongst Member States, the Commission and the Council Secretariat to work more closely together on achieving the goals of the European Security Strategy. Let me mention some examples: the development of the concepts of security sector reform and disarmament, demobilisation and reintegration, as well as concrete actions in Afghanistan and in the Democratic Republic of Congo; the border assistance mission at Rafah and in Moldova, and the planned mission to Kosovo.
The new instruments introduced within the context of the 2007-2013 financial perspectives will facilitate better coordination. The Stability Instrument, in particular, with its short- and long-term orientation, will help us respond flexibly to upcoming challenges, while going some way towards meeting your demands for better parliamentary oversight in the security field.
The Commission has been actively developing policies to confront main security threats and to promote effective multilateralism. Commission work has focused on, amongst other issues, the Neighbourhood Policy, the effectiveness of development assistance, humanitarian aid and civil protection. Drawing lessons from the experience gathered so far, we will soon make proposals for a reinforced ENP. The report also refers to various initiatives taken by the Commission in the fields of disaster and crisis response, including health emergencies.
The report welcomes the Commission’s work on creating a European defence equipment market and specifically the forthcoming initiatives on defence procurement and intra-community transfers. We are grateful for the Parliament’s continued support in this delicate area. Progress here will help to strengthen the competitiveness of European industry and the development of military and civilian capabilities for EU policies.
The Commission is particularly grateful to the Parliament for the support concerning security research and space policy, which are already specific thematic priorities of the Seventh Framework Programme. We fully agree on the importance of research for competitiveness.
In these areas, the Commission is working closely with the European Defence Agency with a view to ensuring complementarity and synergies for the development of capabilities and the strengthening of the European industrial base. The Commission and the European Defence Agency together have a key role to play in moving from a national to a European approach and in convergence between security and defence industries. We will do this within the limits imposed by the current institutional framework and clearly stated political positions concerning research for civilian and defence purposes by fully respecting the civilian character of the European Security Research Programme.
In conclusion, I would like to stress that the reports by Parliament are most welcome, as are the joint meetings of the Committee on Foreign Affairs with the corresponding committees of the national parliaments and the public hearings. Regular stocktaking can be helpful in guiding our efforts to adjust our strategies to a changing environment. The Commission is pleased to contribute to these debates by giving full information on its activities as part of the overall EU effort.
Elmar Brok, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin! Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Vizepräsidentin, bedanken, dass Sie hier sind und damit dokumentieren, dass aus der Sicht der Kommission die Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine wichtige Frage ist. Die Abwesenheit des Rates in dieser Frage zeigt – wenn ich es positiv auslege –, dass die finnische Ratspräsidentschaft mit der Aufhebung der Säulenstruktur, auf dem Wege ist zu akzeptieren, dass auch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den Gemeinschaftsbereich übereignet worden ist. Wenn ich diese positive Auslegung nicht hätte, wäre ich jetzt sehr ärgerlich, dass sie nicht da ist.
Diese Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird zunehmend von großer Bedeutung, und ich möchte Karl von Wogau für diesen Bericht danken und auch für die Arbeit, die aus dem Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung kommt und die aufzeigt, dass wir hier aufgrund der Entwicklung ein wirklich entscheidendes Feld vor uns haben. Wenn ich sehe, wie sehr uns die Energiesicherheit zu schaffen macht, wenn ich die Situation im Zusammenhang mit Iran betrachte, die Veränderungen, die nach den amerikanischen Wahlen in der Irak- und Afghanistan-Politik auf uns zukommen mögen, die Diskussion, die wir heute Nachmittag über Gaza geführt haben, wenn ich sehe, was in Darfur und in anderen Regionen los ist, wo die einen sich die Rohstoffe kaufen und die anderen für die Menschenrechte eintreten und dann große Gipfel in Peking und Schanghai abhalten, dann ist leicht zu erkennen, dass diese Frage von zunehmender Bedeutung für das Überleben Europas wird. Aus diesem Grunde müssen die notwendigen Anstrengungen erfolgen. Nur auf dem Weg, dass wir Europäer auch in unseren militärischen Fähigkeiten glaubwürdiger sind, können wir im Rahmen des transatlantischen Bündnisses durchsetzen, dass man eben nicht nur auf Militär setzt, sondern den Dreiklang Prävention – wobei dieser Vorrang zukommt –, ziviles Krisenmanagement und militärische Fähigkeiten anstrebt. Das können wir nur durch unsere starke Position innerhalb des so genannten Westens durchsetzen. Aus diesem Grunde müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die Verbindung zur NATO entsprechend verstärkt wird.
Ich würde mich freuen, wenn es nicht diese vielen Einzelaktivitäten mit den nationalen Hauptquartieren gäbe, sondern wenn man sich politisch einigen würde, dass diese Aktionen mehr unter „Berlin-plus“ laufen, weil dies mehr Gemeinsamkeit bedeutet, aber gleichzeitig auch mehr Gemeinsamkeit und Kooperation mit der NATO.
Helmut Kuhne, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Lassen Sie mich ganz kurz aus unserer sozialdemokratischen Sicht auf das Ergebnis des Ausschusses eingehen.
Für uns sind drei Punkte wichtig. Erstens: Stärkung der diplomatischen und zivilen Elemente der Sicherheitsstrategie. Zweitens: Vermeidung von Fallstricken im Sinne einer möglichen Militärdoktrin ohne Grundlage. Es gibt keine Begrifflichkeiten wie präemptiv oder Ähnliches im Text. Drittens: klare Trennung von Instrumenten und institutionellen Erfordernissen. Dies sind aus unserer Sicht wichtige Fortschritte. Diese Punkte konnten in guter Zusammenarbeit mit dem Berichterstatter vorangebracht werden. Dafür bedanke ich mich auch. Es bleiben aber aus sozialdemokratischer Sicht noch ein paar kontroverse Punkte übrig.
Wir sehen die Gefahr, dass mit dem Herannahen der Weihnachtszeit die Beschaffungswunschlisten immer länger werden. Wir sollten uns auf die beschlossenen Prioritäten konzentrieren: Lufttransport, Aufklärung und Kommunikation. Wir brauchen eigentlich keine Wünsche wie Amphibienfahrzeuge, eine Mittelmeerflotte und Flugzeugträger. Das schwächt die Verfolgung der Prioritäten, die im Sinne der Strategie wirklich wichtig sind. Man muss sich auch fragen, ob die letztgenannten Beispiele nicht in einen ganz anderen Kontext gehören als die Sicherheitsstrategie.
Auf der anderen Seite – obwohl wir die meisten Änderungsanträge unterstützen werden, die die diplomatischen, zivilen und abrüstungspolitischen Teile des Textes weiter präzisieren – glauben wir nicht, dass Krisenprävention unter allen denkbaren Umständen ausschließlich nicht-militärische Instrumente benutzen muss.
Die Realität, die wir vor uns haben – und der Berichterstatter hat das erwähnt –, ist ja bereits heute anders. Wir haben Soldaten nach Mazedonien geschickt, um zu verhindern, dass dort ein Bürgerkrieg ausbricht, wie er in anderen Staaten Ex-Jugoslawiens ausgebrochen ist. Wir haben nicht nur zivile Instrumente, sondern auch ein Militärkontingent in den Kongo geschickt, um sicherzustellen, dass dort die Wahlen friedlich ablaufen können. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Truppenkontingent Ende des Monats auch wieder zurückkommen kann.
Zum Schluss möchte ich auf den Punkt noch einmal eingehen, den der Berichterstatter ganz am Anfang erwähnt und richtigerweise in den Vordergrund gestellt hat, nämlich die Notwendigkeit einer regelmäßigen Evaluation der Bedrohungsanalyse und der ergriffenen Maßnahmen im Rahmen der Sicherheitsstrategie. Der nächste Schritt nach der Verabschiedung des Berichts sollte sein, dass wir uns darüber unterhalten, in welcher Weise wir seitens des Parlaments diesen Prozess organisieren.
Annemie Neyts-Uyttebroeck, on behalf of the ALDE Group. – Mr President, I wish to begin by warmly congratulating Mr von Wogau on his excellent report, which offers an accurate and comprehensive survey of the current line of thinking of the Committee on Foreign Affairs and the Subcommittee on Security and Defence. I also want to thank him for the efforts he made to reach the broadest possible agreement with the other political groups. While this clearly means that my group will approve the report, I would like to stress two particular points.
The first point is the need to ensure effective parliamentary control, both at national and EU levels. The EU, as has been said, is currently engaged in a growing number of military and civilian operations in various parts of the world. I insist on the need for Parliament to be continually updated and to be informed and consulted whenever a new operation is being contemplated. Until now, all these operations have gone well, but it is entirely possible that one day a major incident will occur and there will then be widespread clamour for parliamentary oversight.
Secondly, much greater clarification of the respective roles and responsibilities of the Commission, the High Representative, the Council and the Member States is also needed. Who pays what is too often decided on a case-by-case basis, which again makes oversight difficult. This is conducive to overlap and waste and, worst of all, also leads to outright competition between, for instance, the Council’s special envoys and the Commission’s delegations. Both the Council and the Commission will of course deny this is the case, but a number of us know better, even if, luckily, such competition is not the general rule.
Finally, what is needed most of all is political will on the part of Member State governments and that, alas, is an entirely different story.
Angelika Beer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört zu den guten Gepflogenheiten dieses Hauses, zu Anfang dem Berichterstatter herzlich zu gratulieren. Ich will das gerne tun, bin aber zutiefst betrübt darüber, dass es das erste Mal in zweieinhalb Jahren ist, dass ich meiner Fraktion eine Zustimmung nicht empfehlen kann, es sei denn, wesentliche unserer Änderungsanträge werden angenommen.
Ich will das begründen, erstens inhaltlich und zweitens formal. Grundsätzlich: Der Bericht liest sich – ein Kollege hat darauf hingewiesen – in weiten Teilen wie eine Einkaufsliste für die Rüstungsindustrie. Das ist jedoch unter dem Titel „Europäische Sicherheitsstrategie und ESVP“ nicht haltbar, denn dies sind weit komplexere Konzepte.
Insofern ist der Bericht kein comprehensive concept, sondern eher das Gegenteil davon. Ich nehme an, der Berichterstatter hat deswegen aus seiner eigenen Fraktion 45 Änderungsanträge bekommen, was eine beträchtliche Zahl ist.
Im Detail: Der Bericht versucht, die vertraglich festgelegten Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit zu verwischen. Europol fällt unter ESVP. Die ESVP soll zur Terrorismusbekämpfung, zum Schutz der Infrastruktur, zum Schutz der Energieversorgung sowie zum Schutz der Außengrenzen eingesetzt werden. Die Vermischung polizeilicher, militärischer und justizieller Aufgaben ist ein eklatanter Verstoß gegen geltende Verträge. Darüber hinaus entstehen dadurch zusätzliche sicherheitspolitische Probleme; es ist genau der Ansatz von Bush, von Cheney und dem gerade zurückgetretenen Rumsfeld. Homeland security als Kopie der amerikanischen Sicherheitspolitik hat bereits versagt, wir brauchen das nicht zu kopieren.
Zweitens: Der Bericht tut so, als gäbe es den zivilen Arm der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik überhaupt nicht. Dabei ist die große Mehrzahl der 17 ESVP-Missionen ziviler Natur. Auch die zivile Konfliktprävention kommt zu kurz, gerade sie wäre aber jetzt wichtig.
Drittens: Anstatt ins Detail über den Verteidigungsmarkt zu gehen, wäre es an der Zeit, Klartext im Rahmen der europäischen Sicherheit zu sprechen, Klartext im Hinblick auf die konventionelle und auf die nukleare Abrüstung. Dieser Bereich taucht in dem Bericht nicht auf.
Als Viertes möchte ich auf die Frage der zu kaufenden Militärgüter hinweisen. Flugzeugträger, Satellitenkommunikation, das alles wird gefordert mit der Begründung: Wir entwickeln uns zu einer Verteidigungsunion. Wo lässt sich denn hier bitte eine reale Einschätzung dessen erkennen, was wir jetzt tun müssen? Wir müssen eine Harmonisierung anstreben, wir müssen die Nationalstaaten zwingen, im allgemeinen Interesse Strategien, Strukturen und Ausstattung zu harmonisieren. Aber eine Verteidigungsunion, das steht doch irgendwo in den Sternen. Bisher waren die Grünen immer Fundamentalisten, aber dass Sie das jetzt sind, ist schon sehr verwunderlich.
Ich denke, dass die Beschlüsse von Köln, Helsinki und Feira auf den Kopf gestellt werden. Als Lehrerin würde ich Ihnen sagen: Thema verfehlt: 6. Es ist – es tut mir Leid, das sagen zu müssen – ein Versuch der Remilitarisierung der europäischen Außenpolitik. Wir hatten im Ausschuss einen Konsens ausgehandelt, der durch den Berichterstatter selbst in letzter Minute wieder gebrochen wurde. Das ist ein unfaires Vorgehen, das wir nicht akzeptieren können.
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Die Grünen scheinen zu lernen. Der Vorsitzende des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung hat einen Bericht zur EU-Militärpolitik vorgelegt. Der Bericht ist inzwischen in sozialdemokratische Watte gepackt. Die ursprünglich klare Sprache wurde entschärft. Die Formulierung, dass die EU unter bestimmten Bedingungen für ein Präventivkriegskonzept offen sein soll, die im Entwurf noch vorhanden war, ist offensichtlich nicht mehr vermittelbar gewesen. Das war wohl zu viel Klartext.
Im Bericht finden sich die üblichen politischen Fehler einer militarisierten EU-Außenpolitik. Die Gefahrenanalyse der ESS, die im Bericht übernommen wird, nennt als die größten Bedrohungen, denen die Europäische Union und ihre Bürger gegenüberstehen, den internationalen Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Scheitern von Staaten und organisierte Kriminalität.
Was ist mit Armut, Hunger und sozialer Ungleichheit? Im Bericht wird einer militärischen Grenzüberwachung – gegen wen eigentlich? – ebenso wie einem militärisch abgesicherten Ressourcenzugang das Wort geredet. Die EU will eine strategische Partnerschaft mit der NATO aufbauen. Im Bericht wird die „zunehmende Fähigkeit der NATO, eine Rolle in Einsätzen außerhalb ihres Bündnisgebietes zu übernehmen“, begrüßt. Dies in einem Bericht des Europäischen Parlaments! Es wurde eine erhebliche Stärkung der Einsatzkapazitäten Europas einschließlich des Luft- und Seetransports gefordert, und die zivil-militärische Vermischung wird noch weiter vorangetrieben.
Der Bericht ist ein Forderungskatalog für noch mehr Militarisierung der Europäischen Union. So wird mehr Geld für Kriseneinsätze gefordert, und diese sollen aus dem Gemeinschaftshaltshalt finanziert werden, also neue Finanzierungen. Nach den Tricksereien mit ATHENA wird nun vorgeschlagen, einen virtuellen Militärhaushalt einzuführen.
Wir wissen alle, dass der Vertrag von Nizza richtigerweise einen eigenständigen EU-Militärhaushalt verbietet. Deshalb wird der tote EU-Verfassungsvertrag wieder bemüht; es heißt: „unterstreicht die Bedeutung des Vertrages über eine Verfassung für Europa, der wesentliche Fortschritte zu einer Union für Sicherheit und Verteidigung erbringen soll“. Genau deshalb sind wir auch gegen diesen EU-Verfassungsvertrag. Was hier gefordert wird, ist eine EU-Militärunion.
Die Punkte 51 und 52 des Berichts lesen sich wie ein Wunschkatalog derjenigen, die aus der EU genau diese Militärunion machen wollen: neue Waffen, mehr Geld dafür, dass die EU auch weltweit als Global player militärisch agieren kann. Das ist der falsche Weg! Die EU ist derzeit an mindestens elf Militär- und Polizeieinsätzen weltweit beteiligt. Weitere sind geplant. Nun steht Afghanistan auf dem Programm. In Afghanistan werden durch NATO-Truppen immer mehr Zivilisten getötet. Die EU will wohl möglichst schnell mit in dieses Schlamassel. Das Gebot der Stunde ist der Abzug der Truppen, zum Beispiel aus Afghanistan. Wir brauchen keine weitere Aufrüstung der Europäischen Union. Wir brauchen eine zivile Europäische Union. Abrüstung ist das Gebot der Stunde!
Gerard Batten, on behalf of the IND/DEM Group. – Mr President, in the early 1950s Jean Monnet proposed a European Defence Community, with a European army run by a European Minister for Defence, a common budget and common arms procurement. This project was thankfully rejected by the French after President de Gaulle opposed the idea.
Undeterred, Jean Monnet and his acolytes pursued the idea of a European political union by economic means rather than by defence and military means. Over 50 years later, we have a European Union which has almost completed its political agenda: it has its own President, its own cabinet in the shape of the Commission, its own Parliament, a single currency, flag, anthem and Court of Justice, just to name a few of its attributes.
However, if it is to be a real state it must have its own military forces, and that is what this report is about. The report calls for a common equipment and equipment procurement policy and for integrated command and control and communication systems. What better way to ensure the integration of Europe’s national military forces than by ensuring that they will begin so interdependently that they will not be able to operate independently. The militaristic pill is sugared, however, by reference to humanitarian operations and crisis management. However, call it what you will, it is an army, and if war is the continuation of politics by other means, then the European Union needs an army to pursue its foreign policy ambitions.
I am not surprised that Mr von Wogau pursues political integration by these means. He believes in political integration and is open about it, and I respect him for that. What disgusts me is that Britain’s Prime Minister, the liar Mr Blair, and his rotten and corrupt Labour Government collude with the process of integrating Britain’s armed forces into the planned European army, while pretending to defend Britain’s national interest.
President. Luckily, you are over call-up age, Mr Batten, so it will never affect you.
(The sitting was suspended at 19.20 and resumed at 21.00)