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Ausführliche Sitzungsberichte
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Donnerstag, 16. November 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Jahresbericht 2005 des Bürgerbeauftragten (Aussprache)
 3. Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (Aussprache)
 4. Übermittlung von Gemeinsamen Standpunkten des Rates: siehe Protokoll
 5. Erklärung des Präsidenten
 6. Abstimmungsstunde
  6.1. Fischereiabkommen EU/Mauretanien (Abstimmung)
  6.2. Lage in Gaza (Abstimmung)
  6.3. Übereinkommen über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ), Splitterbomben und konventionelle Waffen (Abstimmung)
  6.4. Eine Strategie für die Ostseeregion im Rahmen der Nördlichen Dimension (Abstimmung)
  6.5. Umsetzung der europäischen Sicherheitsstrategie im Kontext der ESVP (Abstimmung)
  6.6. Erb- und Testamentrecht (Abstimmung)
  6.7. Frauen in der internationalen Politik (Abstimmung)
  6.8. Bekämpfung des Menschenhandels: ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan (Abstimmung)
  6.9. Jahresbericht 2005 des Bürgerbeauftragten (Abstimmung)
  6.10. Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (Abstimmung)
 7. Stimmerklärungen
 8. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
 9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 10. Tagesordnung der nächsten Tagung: siehe Protokoll
 11. Famagusta / Varosha (Aussprache)
 12. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit(Aussprache)
  12.1. Äthiopien
  12.2. Bangladesch
  12.3. Iran
 13. Abstimmungsstunde
  13.1. Äthiopien (Abstimmung)
  13.2. Bangladesch (Abstimmung)
  13.3. Iran (Abstimmung)
 14. Antrag auf Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
 15. Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll
 16. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 17. Mittelübertragungen: siehe Protokoll
 18. Beschlüsse betreffend bestimmte Dokumente: siehe Protokoll
 19. In das Register eingetragene schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll
 20. Übermittlung der in dieser Sitzung angenommenen Texte: siehe Protokoll
 21. Zeitpunkt der nächsten Sitzungen: siehe Protokoll
 22. Unterbrechung der Sitzungsperiode
 ANLAGE (Schriftliche Anfragen)


  

VORSITZ: JANUSZ ONYSZKIEWICZ
Vizepräsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 10.00 Uhr eröffnet.)

 
  
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  Edward McMillan-Scott (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte lediglich dem Parlament die gute Nachricht übermitteln, dass der Präsident Pakistans, der vor einigen Wochen unser Gast war, vergangene Nacht das Todesurteil gegen Mirza-Tahir Hussain, einen Bürger meines Wahlkreises, umgewandelt hat. Dieser saß 18 Jahre lang in der Todeszelle, wird jedoch im Wesentlichen als unschuldig angesehen. Einige Abgeordnete des Europäischen Parlaments – allen voran Herr Karim – wollten im nächsten Monat nach Pakistan gehen, um ein endgültiges Gesuch einzureichen. Selbstverständlich werden wir jetzt all unsere Bemühungen darauf richten, dass Herr Hussain Weihnachten wieder zu Hause in Leeds ist.

Ich freue mich über diese gute Nachricht und hoffe, dass der Präsident des Parlaments im Verlauf des Tages noch eine Erklärung abgeben wird. Ich weiß, dass er – wie auch andere Abgeordnete dieses Parlaments – hart an diesem Fall gearbeitet hat.

(Beifall)

 

2. Jahresbericht 2005 des Bürgerbeauftragten (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Andreas Schwab im Namen des Petitionsausschusses über den Jahresbericht 2005 über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten (2006/2117(INI)) (A6-0309/2006).

 
  
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  Nikiforos Diamandouros, Bürgerbeauftragter. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich für die Möglichkeit bedanken, zum Parlament sprechen und Ihnen den Jahresbericht für 2005 vorlegen zu dürfen, das Jahr, in dem das Büro des Europäischen Bürgerbeauftragten ein wichtiges Ereignis feiern konnte: zehn Jahre erfolgreiche Zusammenarbeit.

Der Jahresbericht belegt unsere Fortschritte bei der Behandlung von Beschwerden, der Förderung guter Verwaltungstätigkeit und der Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Arbeit des Bürgerbeauftragten unter den Bürgern. Insgesamt gingen 3920 Beschwerden ein, was eine Zunahme um 5 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Ich möchte feststellen, dass ein Anstieg der Beschwerden nicht unbedingt auf eine Verschlechterung der Verwaltungspraxis der Gemeinschaftsinstitutionen zurückzuführen ist, sondern auch Ausdruck dessen sein kann, dass die Bürgerinnen und Bürger europäische Angelegenheiten bewusster wahrnehmen und zunehmend mehr darüber Bescheid wissen, welche Rechte sie haben und wie sie diese ausüben können.

Dieses verstärkte allgemeine Bewusstsein war auch in der Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an der Aussprache über die Zukunft der Europäischen Union und die Verfassung spürbar. Um dieses allgemeine Bewusstsein zu fördern, habe ich mich intensiv bemüht, die Bürger über ihre Rechte in Kenntnis zu setzen und alle über die positiven Ergebnisse zu informieren, die bei der Wahrung dieser Rechte erzielt wurden. Insgesamt haben ich und meine Mitarbeiter neben den Treffen mit Bürgerbeauftragten, Beamten und anderen Gesprächspartnern in den Mitgliedstaaten über 170 öffentliche Vorträge gehalten, Präsentationen durchgeführt und Presseinterviews gegeben.

Ein besonders Merkmal dieser Öffentlichkeitsarbeit im Jahre 2005 war eine Reihe von Veranstaltungen anlässlich des 10. Jahrestags der Einrichtung des Büros des Bürgerbeauftragten, die auf spezielle Zielgruppen ausgerichtet waren, das heißt auf die Zivilgesellschaft, akademische Kreise, die Presse und die Institutionen selbst, darunter ein Empfang zu Ehren des Europäischen Parlaments am 27. September, auf dem Präsident Borrell Fontelles die Ansprache hielt.

Im Verlauf des Jahres 2005 konnte ich über 75 % der Menschen helfen, die eine Beschwerde an mich gerichtet hatten. Diese Unterstützung erfolgte in Form der Einleitung einer Untersuchung, der Weiterleitung des Falls an die zuständige Instanz oder einer Beratung, an wen man sich wenden kann, um eine schnelle und wirksame Lösung des Problems zu erreichen. Ich konnte 312 Anfragen in diesem Jahr abschließen. In 36 % der Fälle ergab die Untersuchung keine Missstände in der Verwaltungstätigkeit. Ein solches Ergebnis ist für den Beschwerdeführer nicht immer negativ, da er zumindest in den Genuss einer umfassenden Erklärung seitens der betroffenen Einrichtung kommt. Auch wenn kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit vorliegt, kann ich möglicherweise die Einrichtung darauf hinweisen, die Qualität ihrer Verwaltungstätigkeit in Zukunft zu verbessern. Wenn das der Fall ist, mache ich eine entsprechende weitere Bemerkung am Schluss meiner Entscheidung.

Stelle ich Missstände in der Verwaltungstätigkeit fest, versuche ich, möglichst ein so positives Ergebnis zu erreichen, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch die Einrichtung zufrieden sind. In 30 % der Fälle hat meine Untersuchung dazu geführt, dass die betreffende Einrichtung den Fall zur Zufriedenheit des Beschwerdeführers geklärt hat oder dass eine einvernehmliche Lösung erzielt wurde. Ist eine einvernehmliche Lösung nicht möglich, schließe ich den Fall mit einer kritischen Bemerkung ab bzw. verfasse einen Empfehlungsentwurf.

Bei einem 2005 angenommenen Empfehlungsentwurf handelte es sich um einen Fall, in dem die Kommission einem Beschwerdeführer, dessen Projekt äußerst kurzfristig storniert worden war, eine freiwillige Entschädigung zugestand. Die Kommission erklärte sich mit der Zahlung von 56 000 Euro, der höchsten vom Bürgerbeauftragten jemals erreichten Summe, einverstanden.

Wenn eine Einrichtung der Gemeinschaft auf einen Empfehlungsentwurf nicht zufrieden stellend antwortet, ist ein Sonderbericht an das Parlament das letzte dem Bürgerbeauftragten zur Verfügung stehende Mittel. 2005 wurden drei Sonderberichte erstellt: über die anhaltende Praxis des Rates, seine Tagungen hinter verschlossenen Türen abzuhalten, wenn er in gesetzgebender Funktion zusammentritt; über die Zuständigkeit der Kommission für Kinder ihrer Bediensteten mit besonderen Unterrichtsbedürfnissen; sowie über die Art der von OLAF an den Bürgerbeauftragten während einer vorhergehenden Untersuchung übermittelten Informationen.

Ich bedanke mich beim Parlament für seine Unterstützung in Form seiner Entschließungen vom 4. und 6. April 2006 auf der Grundlage der Berichte Hammerstein Mintz bzw. de Rossa zu den ersten beiden Sonderberichten.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den Prioritäten sagen, die ich mir für die Zukunft gesetzt habe. Wie bereits gesagt, besteht meine erste Priorität in der Förderung eines bürgernahen Ansatzes in allen Aktivitäten der EU-Institutionen und -organe. Um das zu erreichen, nehme ich jede Gelegenheit wahr, mich an Gemeinschaftseinrichtungen zu wenden, nachahmenswerte Praktiken zu unterstützen und einvernehmliche Lösungen zu fördern. Damit der Bürgerbeauftragte erfolgreich für die Bürger arbeiten kann, ist die aktive Zusammenarbeit der Institutionen und Organe unabdingbar. Der Jahresbericht enthält viele Beispiele von Einrichtungen, die sofort handelten, um Fälle zu lösen, auf die sie aufmerksam gemacht wurden, und positiv auf meine Vorschläge und Empfehlungen reagierten.

Bei meinen Besuchen in den Institutionen und Organen habe ich immer wieder betont, wie wichtig es ist, auf Beschwerden schnell und konstruktiv zu reagieren. Unser oberstes Ziel muss es sein, den bestmöglichen Dienst am Bürger zu gewährleisten.

Die Kommission hat bereits konstruktive Schritte unternommen, um ihren Dienst am Bürger zu verbessern, indem sie ihr System des Umgangs mit Untersuchungen des Bürgerbeauftragten, die auf Beschwerden zurückzuführen sind, überarbeitet hat. In ihrer Mitteilung vom November 2005 legte die Kommission das ab sofort geltende neue Verfahren dar. Das dem neuen Verfahren zugrunde liegende Konzept stammt von Kommissarin Wallström und besteht darin, den einzelnen Kommissionsmitgliedern mehr Verantwortung für Fälle zu übertragen, dabei jedoch die wertvolle Rolle des Generalsekretariats vollständig zu wahren. Ich möchte ihr insbesondere dafür danken, dass sie dieses Konzept zum Laufen gebracht hat und sich auch weiterhin für seine angemessene Umsetzung engagiert.

Das neue Verfahren gestattet den einzelnen Kommissionsmitgliedern, zu einem frühen Zeitpunkt, wenn noch alles offen ist, Verantwortung für eine Beschwerde zu übernehmen. Das Tempo des neuen Verfahrens war bereits in einem Fall erfolgreich, in dem meiner Ansicht nach die Antwort der Kommission auf eine Vertragsverletzungsbeschwerde eines Bürgers unzureichend war. Ich hatte ein Treffen mit Kommissar McCreevy und erfuhr von ihm, dass die Kommission Schritte eingeleitet hatte, um diese Angelegenheit zu klären. Ich denke, dass die erfolgreiche Klärung dieses Falls zeigt, welch wertvolle Rolle der Bürgerbeauftragte bei der Förderung guter Verwaltungspraktiken im Vertragsverletzungsverfahren spielt und wie ausgezeichnet das Konzept funktioniert, dass einzelne Kommissionsmitglieder für Beschwerden größere Verantwortung übernehmen. Ich möchte der Kommission dafür in Gegenwart von Vizepräsidentin Wallström meinen Dank aussprechen.

Ich habe mich ferner nochmals mit dem Statut des Bürgerbeauftragten beschäftigt und Präsident Borrell Fontelles im Juli gut durchdachte Vorschläge für eine Überprüfung vorgelegt. Sie sind die Antwort auf frühere Entschließungen dieses Parlaments zum Jahresbericht des Bürgerbeauftragten. Insgesamt bietet das Statut auch weiterhin gute Rahmenbedingungen für die Untersuchungen des Bürgerbeauftragten sowie für eine effektive Zusammenarbeit mit den Institutionen, um die gute Verwaltungstätigkeit zu fördern und Missstände in der Verwaltung zu bekämpfen.

Die von mir vorgeschlagenen Änderungen sind deshalb geringfügig, was ihre Anzahl und ihren Umfang betrifft. Mein wichtigstes Ziel besteht darin sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger volles Vertrauen in die Befugnisse des Bürgerbeauftragten setzen können, bei der Anhörung von Zeugen oder der Prüfung von Unterlagen die Wahrheit herauszufinden.

Ich möchte auch mit dem Parlament zusammenarbeiten, um dafür zu sorgen, dass Beschwerden der Bürger über Verletzungen der in der Charta verankerten Grundrechte dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden können, wenn eine wichtige Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung auf keinem anderen Weg beigelegt werden kann. Das Parlament verfügt bereits über umfassende Rechte, um als Institution Verfahren vor dem Gericht einzuleiten. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, wenn der Bürgerbeauftragte befugt wäre, in solchen Fällen hart durchzugreifen. Der Europäische Datenschutzbeauftragte, zu dem ich ein gutes Arbeitsverhältnis entwickelt habe, besitzt bereits eine solche Vollmacht.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Guardans Cambó und Frau Matsouka, wenn sie zu diesem Vorschlag einen Bericht und eine Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen bzw. des Petitionsausschusses erstellen werden.

Mein dritter Schwerpunkt besteht in der Vertiefung der engen Zusammenarbeit mit den Bürgerbeauftragten in den Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Verbindungsnetzes der Bürgerbeauftragten. Dadurch soll die gute Verwaltungspraxis in der gesamten Union gefördert werden, damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte, die ihnen laut den europäischen Rechtsvorschriften zustehen, voll wahrnehmen können. Zu meiner großen Freude nimmt der Petitionsausschuss als Vollmitglied am Verbindungsnetz teil und war auch auf dem Treffen der nationalen Bürgerbeauftragten vertreten, das in Den Haag im September 2005 stattfand. In der kommenden Woche wird ein ähnliches Treffen der regionalen Bürgerbeauftragten in der Europäischen Union, mit denen ich abgesprochen habe, dass wir alle zwei Jahre zusammenkommen, in London abgehalten.

Ich möchte den Mitgliedern des Petitionsausschusses und vor allem dem diesjährigen Berichterstatter, Herrn Schwab, für ihre Unterstützung und die im Bericht des Parlaments unterbreiteten konstruktiven Vorschläge danken.

Ich habe heute bereits viele der Dinge erwähnt, zu denen der Bericht dem Bürgerbeauftragten hervorragende Ratschläge gibt. Ich setze mich dafür ein, dass das Parlament und die Bürger über die von mir und dem Europäischen Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten bereitgestellten Dienstleistungen noch besser informiert werden. Ich habe bereits darum ersucht, immer dann vor dem Petitionsausschuss auftreten zu können, wenn ich diesem Hohen Haus einen Sonderbericht vorlege.

Im nächsten Jahr möchte ich einen interaktiven Wegweiser auf unsere Website stellen, um Beschwerdeführern bei der Suche nach dem zuständigen Bürgerbeauftragten zu helfen – sei es auf europäischer, einzelstaatlicher oder regionaler Ebene. Meiner Meinung nach wird das eine große Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger sein und dazu beitragen, die im Bericht Schwab geäußerten Bedenken über die große Zahl von Beschwerden, die nicht in die Kompetenz des Bürgerbeauftragten fallen, aus dem Weg zu räumen.

Im vergangenen Jahr haben wir die Stellung des Büros des Europäischen Bürgerbeauftragten erfolgreich gefestigt und uns entschlossen daran gemacht, die Fähigkeit der Einrichtung zu verbessern, effektiv Beschwerden und Anfragen von Bürgern der erweiterten Europäischen Union zu behandeln. Dabei konnten wir jederzeit auf die Unterstützung von zwei der ältesten Beamten des Parlaments, die in Kürze in den Ruhestand treten werden bzw. gerade getreten sind – Herrn Priestley und Herrn Garzón Clariana – zählen. Ihre klugen Ratschläge und ihre Hilfestellungen für den Bürgerbeauftragten waren von unschätzbarem Wert und werden uns noch lange in Erinnerung bleiben.

Nach meinem Dafürhalten sind die in den letzten zehn Jahren aufgebauten Beziehungen des guten Willens, des Vertrauens und des Verständnisses zwischen dem Europäischen Bürgerbeauftragten und den EU-Institutionen eine wertvolle Quelle für die Verbesserung der Qualität der öffentlichen Verwaltung in Europa zum Wohle der Bürger. Für mich als Person und als Institution ist es ungeheuer beruhigend zu wissen, dass das Europäische Parlament und sein Petitionsausschuss in dieser Hinsicht wichtige Partner für den Europäischen Bürgerbeauftragten sind. Ich habe vor, aus dieser Partnerschaft das Beste zu machen, indem ich zur Verbesserung einer Dienstleistungskultur zum Wohle der europäischen Bürger beitrage. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr Bürgerbeauftragter, Frau Kommissarin Wallström, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Sie alle so früh aufgestanden sind und heute bei der Debatte über den Bericht zum Jahresbericht 2005 des Bürgerbeauftragten anwesend sind.

Ich möchte Ihnen, Herr Diamandouros, zunächst einmal sehr herzlich für Ihren konstruktiven Beitrag danken, den Sie mit Ihrem Jahresbericht geleistet haben. Ich durfte für den Petitionsausschuss den Bericht des Parlaments zu Ihrem Jahresbericht erstellen und möchte auf diesem Weg allen Kolleginnen und Kollegen danken, die durch Änderungsanträge und persönliche Kommentare konstruktiv am Entstehen dieses Berichts mitgewirkt haben, besonders auch unserem Koordinator Robert Atkins und meinem Vorgänger aus dem Vorjahr, Manolis Mavrommatis.

Ich freue mich, dass Sie gleich zu Beginn darauf eingegangen sind, dass der Status des Bürgerbeauftragten angesichts der zunehmenden Aufgaben, die von den Bürgerinnen und Bürgern auf Sie zukommen, in der Tat etwas klarer präzisiert werden sollte, und ich bin Ihnen äußerst dankbar, dass Sie dies heute nochmals präzisiert haben. Wir sollten versuchen, die Aufgaben der verschiedenen europäischen Institutionen möglichst scharf voneinander abzugrenzen. Insofern können uns die Beratungen über Ihren Brief an Präsident Borrell hier zu einem guten Ziel führen.

Der Bürgerbeauftragte ist eine wichtige europäische Institution. Er ist in besonderer Weise wichtig für die europäische Entwicklung und im Speziellen für die europäischen Bürger. Er steht für eine bürgernahe und transparente Europäische Union. An ihn können sich die europäischen Bürgerinnen und Bürger wenden, um Missstände bei der Tätigkeit der Organe und Institutionen zu beklagen. Dies ist eine sehr persönliche Beziehung zu Europa, die nicht überall in gleicher Weise möglich ist. Deswegen kommt dem Bürgerbeauftragten eine besondere Position zu.

Wir sollten uns diesen Gedanken – nämlich europäische Politik stärker an der Praxis, an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, zu orientieren – auch in Zukunft noch mehr zu Eigen machen! Wir müssen die Bürger stärker in den Mittelpunkt unserer Politik stellen und ihnen damit zeigen, dass sie mit ihren Belangen – ob groß oder klein, ob wichtig oder unwichtig – ernst genommen werden. Dies schaffen wir zum einen durch eine bessere Vermittlung europäischer Politik und zum anderen durch mehr Transparenz, womit bereits zwei wichtige Punkte meines Berichts zu Ihrem Jahresbericht angesprochen sind.

Der Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, der dem Petitionsausschuss zugeleitet wurde, informiert über dessen Aktivitäten im vergangenen Jahr. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit danken! Seit dem 1. April 2003 haben Sie dieses Amt inne, und Sie machen Ihre Arbeit sehr erfolgreich.

Ich denke, dass der Bericht, den wir als Parlament erstellt haben, sehr ausgewogen ist, und ich habe mich darum bemüht, die Änderungsanträge der Kolleginnen und Kollegen zu prüfen und, soweit es aus meiner Sicht möglich war, einzubinden. Ich glaube, dass das wichtigste Anliegen, dass der Bericht für die Bürgerinnen und Bürger verständlich ist, erreicht werden konnte. Allerdings war ich nach der Abstimmung im Ausschuss davon ausgegangen, dass nicht mehr alle Änderungsanträge wiedereingereicht werden. Deswegen werde ich meiner Fraktion empfehlen, diese Anträge abzulehnen. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis! Wir haben uns lange darum bemüht, Kompromisse in dieser Frage zu finden.

Die wichtigsten Punkte Ihres Berichts haben Sie, Herr Bürgerbeauftragter, selbst vorgestellt. Im Jahr 2005 gab es eine Reihe von Beschwerden, die höchste Anzahl der Beschwerden beim Europäischen Bürgerbeauftragten überhaupt. Dies spricht zunächst einmal dafür, dass sich immer mehr Bürger aktiv mit der EU auseinandersetzen, auch mit deren Arbeitsweise.

Erschreckend – und darauf haben Sie hingewiesen – ist aber immer noch die hohe Anzahl an Beschwerden, die nicht in Ihren Kompetenzbereich fallen, das sind ungefähr 70 %. Dies liegt sehr oft daran, dass die Bürger nicht genau wissen, an wen sie sich wirklich wenden müssen. Deswegen begrüße ich ausdrücklich Ihre Aussage, dass Sie mit einem Online-Formular auf Ihrer Hompage einen Wegweiser zur richtigen Institution einrichten wollen, das würde jedenfalls all denen nützen, die sich über den Computer an Sie wenden wollen.

Wir brauchen also noch mehr Klarheit in der Abgrenzung der Kompetenzen und der Zuständigkeit der Organe, damit die Bürgerinnen und Bürger verstehen, wer in der Europäischen Union wofür zuständig ist. Sie können dazu beitragen, mehr Transparenz in das Dickicht der Institutionen und Zuständigkeiten zu bringen. Dies ist zunächst natürlich eigentlich eine Aufgabe des Europäischen Parlaments, der Abgeordneten in den Wahlkreisen in der jeweiligen Region, aber Sie können dazu beitragen.

Wir begrüßen auch ausdrücklich das europäische Netzwerk der Bürgerbeauftragten und Petitionseinrichtungen, die ja in den verschiedenen Mitgliedstaaten völlig unterschiedlich ausgestaltet sind. Ihre Informationsveranstaltungen haben wir deswegen besonders hervorgehoben.

Im Hinblick auf den Inhalt der verschiedenen Beschwerden liegt an erster Stelle ein Mangel an Transparenz. Im Bericht werden daher die Forderungen des Bürgerbeauftragten in seinem Sonderbericht zur Öffnung der Ratssitzungen – und zwar aller Ratssitzungen, sofern dieser als Gesetzgeber zusammenkommt. Hier haben Sie der Demokratie und der Transparenz in Europa einen guten Dienst erwiesen.

Zum anderen brauchen wir aber auch mehr Transparenz, um das demokratische Funktionieren der Europäischen Union gewährleisten zu können. Deshalb fordern wir in unserem Bericht – und das richtet sich vielleicht eher an Sie, Frau Wallström –, dass wir das Internetportal als Zugang zu allen Institutionen

anders gestalten, als dies heute der Fall ist, dass wir einen klaren Wegweiser zu den verschiedenen Europäischen Institutionen auf der ersten Seite platzieren und nicht einen Informationskatalog über alle Tätigkeitsbereiche der Europäischen Union.

Ich möchte zum Schluss noch einen Gedanken ansprechen. Sie haben Ihren Jahresbericht für das vergangene Jahr im Januar vorgelegt. Wir beraten heute – im November des Folgejahres – darüber. Wir sollten uns als Petitionsausschuss darum bemühen, diese Berichte zeitnah zu ihrer Veröffentlichung zu diskutieren!

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Schwab, für seine Arbeit zum Bericht des Europäischen Bürgerbeauftragten über dessen Tätigkeit im Jahre 2005 danken. Dies ist ein wichtiger Bericht des Parlaments über die allgemeinen Grundsätze, den aktuellen Stand und die künftige Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen dem Bürgerbeauftragen und anderen Organen der EU.

Ferner möchte ich den Bürgerbeauftragten, Herrn Diamandouros, zu seinem Jahresbericht beglückwünschen. Immer wieder freue ich mich, wenn Herr Diamandouros seine Entschlossenheit bekräftigt, für die Einhaltung höchster Verwaltungsstandards in den europäischen Institutionen und Organen sorgen zu wollen, denn dafür engagiert sich auch die Kommission.

Ich schließe mich Herrn Schwab voll und ganz an, wenn er den Bürgerbeauftragten in seiner Rolle als externen Kontrollmechanismus für gute Verwaltungstätigkeit bestärkt. Durch seine Tätigkeit trägt der Bürgerbeauftragte dazu bei, die gute Verwaltungstätigkeit zu befördern. Ich bin überzeugt, dass den Gemeinschaftsinstitutionen und -organen die Zusammenarbeit mit dem Bürgerbeauftragten hilft, in ihrer tagtäglichen Arbeit einen bürgerfreundlichen Ansatz zu entwickeln. Das bedeutet, mehr Transparenz im Entscheidungsfindungsprozess der EU durchzusetzen und beste Praktiken zu entwickeln, um den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden und ihre Rechte zu schützen. Hier geht es um die Schließung der Kluft zwischen EU-Institutionen und den Bürgern.

Ich möchte auf drei konkrete Punkte in dem Bericht eingehen. Erstens bin ich der Ansicht, dass sich die Zusammenarbeit zwischen dem Bürgerbeauftragten und der Kommission in den letzten Jahren sehr gut entwickelt hat. Wie in dem Bericht unterstrichen wird, findet ein neues internes Verfahren innerhalb der Kommission Anwendung, wonach jedes Kommissionsmitglied befugt ist, Mitteilungen anzunehmen und dem Bürgerbeauftragen zu übermitteln. Ich freue mich, dass sowohl der Bürgerbeauftragte als auch Herr Schwab diese Neuerung in ihren Berichten begrüßen. Darüber hinaus hat die Kommission ihre internen Regeln angepasst, um die Bearbeitung ihrer Antworten an den Bürgerbeauftragten zu beschleunigen. Die Kommission wird ihre Zusammenarbeit mit dem Bürgerbeauftragten noch weiter ausbauen.

Der Berichterstatter schlägt vor, für die Bearbeitung der Petitionen ein ähnliches Zuständigkeitsverfahren einzuführen. Zwar wird die Kommission auch weiterhin eng mit dem Petitionsausschuss zusammenarbeiten, doch ist das keine Möglichkeit, die die Kommission im Auge hat. Der Petitionsausschuss und der Europäische Bürgerbeauftrage haben klar definierte Aufgaben und haben für die Bürger einen bestimmten Wert.

Zweitens wird im Bericht die europäische Website erwähnt. Sie ist eine der am häufigsten aufgesuchten Websites in der Welt, und es ist recht kompliziert geworden, sich zurechtzufinden. Deshalb ist die Kommission bereits dabei, ihren Teil des Europa-Portals zu modernisieren. Das vorrangige Ziel besteht darin, die europäische Website zu einem nutzerfreundlicheren, besser strukturierten und einheitlichen Internet-Portal umzugestalten. Es wird auf den entsprechenden Ebenen mehrsprachig sein, und die Präsentation wird stärker auf die Bürger zugeschnitten und auf Kommunikation ausgerichtet sein.

Drittens schließlich obliegt die Entscheidung, das Statut des Bürgerbeauftragten zu überarbeiten, dem Europäischen Parlament und bedarf der Zustimmung des Rates. Die Kommission wird jedoch konsultiert und verfolgt genauestens, wie mit dem Vorschlag weiter verfahren wird, auch in den betreffenden Ausschüssen. Die Kommission prüft gegenwärtig den Vorschlag im Detail und steht mit dem Büro des Bürgerbeauftragten in Verbindung, um einige Aspekte des Vorschlags zu klären.

Ich komme zum Schluss. Wenn ich ihn recht verstanden habe, beabsichtigt der Bürgerbeauftragte, im kommenden Jahr einige Zugpferde in seinen Jahresbericht aufzunehmen. Dies sind, soweit ich es verstehe, Fälle, in denen Beschwerden von EU-Institutionen und -organen in musterhafter Weise behandelt wurden, ungeachtet dessen, ob Missstände in der Verwaltung vorlagen oder nicht. Meiner Meinung nach ist das eine ausgezeichnete Initiative, und ich freue mich schon heute auf den Bericht im kommenden Jahr.

 
  
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  Manolis Mavrommatis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Frau Wallström, Herr Diamandouros, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Andreas Schwab, zu den außerordentlichen Anstrengungen gratulieren, die er in seinem Bericht unternommen hat, um zu veranschaulichen, dass die Institution des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Jahre hinweg dank der Arbeit, die der Europäische Bürgerbeauftragte geleistet hat, für die europäischen Bürger außerordentlich große Bedeutung gewonnen hat.

Zugleich möchte ich Herrn Diamandouros Dank dafür sagen, dass die neuen Fakten, die er bei der Darlegung seines Standpunktes aufzeigt, Bezugspunkte für das Vertrauen bilden, das die Bürger in die Institutionen setzen.

Ich war der Berichterstatter zu dem Jahresbericht über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten im Jahre 2004 und möchte darauf hinweisen, dass, verglichen mit diesem Jahr, in dem die Beschwerden gegenüber dem Vorjahr um 53 % zugenommen hatten, der Bürgerbeauftragte 2005 insgesamt 3 920 Beschwerden erhalten hat, was einem Anstieg von 5 % entspricht. Das bedeutet nicht, dass es mehr Fälle von Verwaltungsmissständen vonseiten der Organe der Europäischen Union gab, sondern dass die Bürger besser über ihre Rechte informiert sind. Ein bedeutender Faktor für die Effektivität der Institution des Bürgerbeauftragten ist seine Zusammenarbeit mit den Organen der Europäischen Union. Ich möchte dabei zum Beispiel auf die regelmäßigen informativen Gespräche und Treffen zwischen Herrn Diamandouros und dem Petitionsausschuss sowie dessen Vorsitz verweisen. Der Jahresbericht des Bürgerbeauftragten veranschaulicht unter anderem die Bemühungen des Bürgerbeauftragten und der Kommission, das Netzwerk der nationalen und regionalen Bürgerbeauftragten durch die Entwicklung eines Informationsaustausches über bewährte Praktiken auszubauen und weiter zu stärken.

Die Beteiligung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments an diesem Netzwerk ist wichtig und wird die praktische Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und den nationalen und regionalen Bürgerbeauftragten erleichtern sowie eine Intensivierung der regelmäßigen Kontakte zu den Petitionsausschüssen der nationalen Parlamente und den Bürgerbeauftragten der Mitgliedstaaten ermöglichen.

Wenn wir die Berichte des Bürgerbeauftragten für 2004 und 2005 vergleichen, dann sehen wir, dass das Ergebnis positiv war, und somit können wir uns auf die Punkte konzentrieren, an denen der Petitionsausschuss besonders interessiert ist. Außerdem können wir auf diese Weise erkennen, welch bedeutende Rolle er spielt und welche Fortschritte innerhalb eines Jahres erzielt worden sind.

 
  
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  Proinsias De Rossa, im Namen der PSE-Fraktion. (EN) Auch ich möchte Herrn Schwab sowie meinen Kollegen in den anderen Fraktionen für die ungeheure Arbeit danken, die sie in diesen Bericht gesteckt haben.

Der Bericht des Bürgerbeauftragten, vor allem die Zusammenfassung, ist meines Erachtens ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wir den Bürgern unsere Arbeit nahe bringen können. Er ist klar, straff und prägnant. Nach meinem Dafürhalten ist Transparenz der Schlüssel zu Demokratie in der EU und ihr wichtigster Baustein.

Ich begrüße, dass die Rolle des Europäischen Bürgerbeauftragten stärker wahrgenommen wird, was sich auch darin zeigt, dass sich immer mehr Bürger mit ihren Beschwerden an ihn wenden. Mich macht es ganz und gar nicht besorgt, dass viele dieser Beschwerden nicht unmittelbar in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Darin kommt zum Ausdruck, dass es ihm gelungen ist, die Bürger auf seine Institution aufmerksam zu machen. Vielleicht ist es auch ein Beweis dafür, dass andere Institutionen nur unzureichend zu erkennen geben, welche Funktion sie haben und wie man Zugang zu ihnen erhalten kann.

Meiner Meinung nach sollten wir nicht davon ausgehen, dass sich die Bürger ihren Weg durch das Labyrinth der EU-Institutionen bahnen. Sie haben in ihrem Leben Wichtigeres zu tun. Wenn sie eine Beschwerde vorbringen wollen, dann wenden sie sich eben an die ihnen bekannte nächstliegende Einrichtung. Ich denke, dass das Beschwerderecht der Bürger eine gute Sache ist.

Wenn der Bürgerbeauftragte die Fälle, für die er nicht unmittelbar zuständig ist, an die entsprechende Einrichtung weiterleitet, dann ist das ein hervorragender Umgang mit solchen Beschwerden. Meiner Ansicht nach sollten andere Institutionen diesem Beispiel folgen.

Noch ein letzter Punkt: Zehn Jahre nach Verabschiedung des Statuts des Bürgerbeauftragten macht sich eine Überarbeitung durchaus erforderlich. Ich begrüße die Initiative des Bürgerbeauftragten in diesem Zusammenhang und freue mich auf eine Aussprache darüber im Parlament in nächster Zukunft.

(Beifall)

 
  
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  Diana Wallis, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte ebenfalls dem Bürgerbeauftragten sowohl für seinen Bericht als auch für seine interessante Präsentation heute danken. Ferner gilt mein Dank Herrn Schwab für seinen äußerst kompetenten Bericht und die Analyse des Berichts des Bürgerbeauftragten. Es bleibt nur wenig zu sagen, außer dass alles in dem Sinne gut zu gehen scheint, dass unsere Bürger besser über die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten Bescheid wissen. Wenn die Zahl der Beschwerden aufgrund des gewachsenen Bewusstseins für das, was möglich ist, sowie aufgrund eines europäischen Bewusstseins zunimmt, dann hilft uns das, eine größere Bürgernähe zu erreichen. Das sollte uns allen am Herzen liegen. Berichte dieser Art tragen dazu bei, uns ein Bild davon zu geben, wie die Dinge gerade stehen und was wir in Zukunft besser machen können, und aus diesem Bericht können wir viele Lehren ziehen.

Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf ein Thema konzentrieren, das bereits von anderen Rednern angesprochen wurde: Wenn wir bürgernah sein wollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die Bürger ganz einfach eine Beschwerde einreichen können, möglicherweise über eine zentrale Anlaufstelle. Lediglich eine gute Website zu haben, ist vielleicht nicht die Lösung.

Gegenwärtig befassen sich viele mit Beschwerden, Problemen und anderen Fragen. Es gibt da die sehr guten Dienste des Bürgerbeauftragten, den Petitionsausschuss des Parlaments, die Kommission selbst, die Beschwerden entgegennimmt, und uns, die Abgeordneten des Parlaments, die Beschwerdesachen der Wähler erhalten. Und dann wären da noch SOLVIT und EUROJUST. Ich fürchte, dass einige EU-Bürger, die sich an eines dieser Gremien wenden und dann an ein weiteres Organ verwiesen werden, auf der Strecke bleiben und aufgeben. Wir müssen über Möglichkeiten nachdenken, wie wir diese verschiedenen Wege bündeln können, damit unsere Bürger sehen, dass ihre Angelegenheiten unverzüglich behandelt werden und sie an die richtige Adresse verwiesen werden. Darüber sollten wir uns für die Zukunft Gedanken machen.

Nochmals vielen Dank für Ihren Bericht.

 
  
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  David Hammerstein Mintz, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Ich möchte dem Europäischen Bürgerbeauftragten und auch Herrn Schwab für seinen sorgfältigen, vollständigen und positiven Bericht danken.

Lassen Sie mich zunächst meine Zustimmung zu dem Vorschlag von Frau Wallis und der Idee der Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für die Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringen. Diese zentrale Anlaufstelle könnte SOLVIT, den Europäischen Bürgerbeauftragten und den Petitionsausschuss zusammenbringen und wäre für die Weiterleitung der Bürgerbeschwerden an die entsprechende Institution zuständig. Wir können nicht erwarten, dass die Öffentlichkeit in der Lage ist, sich in einem so komplizierten Labyrinth wie der Europäischen Union zurechtzufinden.

Was den im Allgemeinen sehr positiven Bericht angeht, so bedauere ich nur die in ihm enthaltene Erwägung über den dritten Sonderbericht des Bürgerbeauftragten, der sich eigentlich um OLAF drehen sollte, aber von der Konferenz der Präsidenten blockiert wurde. Einige Sätze aus dem Bericht Schwab scheinen die Versuche der Konferenz der Präsidenten dieses Hauses zu legitimieren, den Bürgerbeauftragten bei der Überwachung der europäischen Einrichtungen, einschließlich OLAF, zu behindern.

Wir sollten dem Bürgerbeauftragten insbesondere für seine Maßnahmen in verschiedenen Bereichen danken, beispielsweise im Umweltbereich, der den Bürgern große Sorge bereitet. Ich möchte speziell den Fall des Industriehafens Granadilla auf den Kanarischen Inseln erwähnen, bei dem der Bürgerbeauftragte mit einigem Erfolg versucht hat, eine rigorosere Anwendung der Habitat-Richtlinie durchzusetzen.

Es ist auch wichtig, den Sonderbericht zum Öffentlichkeitsgrad von Tagungen des Rates, die dieser in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, hervorzuheben, an dem ich persönlich mitwirken konnte. Wir sehen, dass es in diesem Bereich langsame, allmähliche, aber reale Fortschritte gibt.

Abschließend möchte ich klarstellen, dass die Rolle des Petitionsausschusses des Parlaments in keiner Weise im Widerspruch zur Rolle des Bürgerbeauftragten steht, sondern dass sich ihre Rollen vielmehr gegenseitig ergänzen. Der Bürgerbeauftragte kontrolliert die europäischen Institutionen in ihrer täglichen Arbeit, während der Petitionsausschuss die Rolle eines direkten Vermittlers zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Corpus iuris der Gemeinschaft ausübt. Zwischen beiden Einrichtungen sollte jedoch eine regere tägliche Zusammenarbeit mit mehr Informationen und mehr Kontakten stattfinden.

Ich danke Ihnen für Ihren Bericht, Herr Schwab, und ich danke Ihnen, Herr Diamandouros, für Ihre sehr intensive, weit reichende und wichtige Arbeit.

 
  
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  Willy Meyer Pleite, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Auch ich möchte dem Bürgerbeauftragten, Herrn Diamandouros, und unserem Berichterstatter, Herrn Schwab, meinen Dank aussprechen, denn beide haben sich bemüht, unsere Vorgehensweise zu verbessern, in der wir auf die administrativen und sonstigen Beschwerden der europäischen Bürgerinnen und Bürger reagieren.

Nach meinem Dafürhalten ist die Zeit gekommen, um konkrete Initiativen für solche Verbesserungen zu ergreifen. Einige interessante wurden schon genannt, wie das Online-Formular und die bessere Abgrenzung der Kompetenzen der verschiedenen Gremien, aber meiner Meinung nach müssten wir etwas ehrgeiziger sein. Wir sollten einen Kodex über gute Verwaltungspraxis anstreben, der für alle europäischen Institutionen gilt, und auch die zentrale Anlaufstelle, die Herr Hammerstein angesprochen hat, kann wichtig sein.

In den Berichten wird festgestellt, dass sich 24 % der Beschwerden auf eine mangelnde Transparenz beziehen. Meiner Ansicht nach müssen wir Anstrengungen unternehmen, um in Europa eine öffentliche Debatte zu der Frage zu eröffnen, wie eng eigentlich die Beziehungen der Bürgerinnen und Bürger zu den Institutionen sind. Auch sollten wir dafür sorgen, dass diese Institutionen vollkommen transparent arbeiten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein anderes Problem eingehen, das die Mitglieder des Petitionsausschusses lösen müssen. Wir erhalten viele Klagen von Bürgern über große Bauvorhaben, große Infrastrukturen, die in der Europäischen Union ohne die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung realisiert werden. Manchmal kommt die Europäische Kommission mit der Erarbeitung eines Berichts zu spät, da der Schaden, der von einigen wirklich monumentalen Vorhaben verursacht wird, bereits irreversibel ist.

Ich glaube, die Europäische Kommission muss viel schneller reagieren, um zu verhindern, dass sich solche Schäden verheerend auf die Umwelt auswirkt. Daher bin ich der Auffassung, dass wir alle unseren Beitrag leisten sollten, um Mechanismen für die zügige Bewertung derartiger Vorhaben zu schaffen und somit solche Schäden abzuwenden.

Meines Erachtens ist das Europäische Netzwerk von Bürgerbeauftragten wichtig, denn es kann der Schlüssel für viele Lösungen sein, mit denen Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger Europas vermieden und, wenn notwendig, unser Vorgehen bei ihrer Beantwortung verbessert werden können.

 
  
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  Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion.(PL) Herr Präsident! Ich habe heute gewissermaßen zwei Hüte auf. Wie Sie sagten, spreche ich im Namen der Fraktion der Union für das Europa der Nationen und auch in meiner Funktion als Vorsitzender des Petitionsausschusses, was mich besonders dazu qualifiziert, über dieses Thema zu reden. Ich möchte natürlich Herrn Schwab für seinen Bericht danken, den er sehr gut ausgearbeitet hatte und der dann in unserem Ausschuss angenommen wurde, und daher stimme ich allem von Herrn Schwab Gesagten uneingeschränkt zu. Mein besonderer Dank gilt Herrn Diamandouros. Er macht seine Arbeit außerordentlich gut, und das findet volle Anerkennung, denn er wurde – wenn ich Sie daran erinnern darf – mit einer Mehrheit von über neunzig Prozent der abgegebenen Stimmen in sein Amt wiedergewählt.

Vor allem schätze ich Herrn Diamandouros’ Kontakt zur europäischen Öffentlichkeit neben seiner hauptsächlichen Tätigkeit als Bürgerbeauftragter. Er hat an über 170 Veranstaltungen teilgenommen. Ich selbst habe eine dieser Veranstaltungen in Polen besucht, bei der mehr als 150 Bürger anwesend waren, die sehen und hören wollten, was er zu sagen hatte und welche Botschaft der Europäische Bürgerbeauftragte für sie bereithielt. Dies ist einer der Erfolge von Herrn Diamandouros’ ganz praktischem Herangehen.

Wie alle meine Vorredner möchte ich sagen, dass das aktive Engagement des Europäischen Bürgerbeauftragten eng verbunden ist mit einer größeren Kenntnis um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, dass es diese Kenntnis fördert und widerspiegelt und dass sich die Unionsbürger dieser Rechte eben aufgrund der Aktivitäten des Europäischen Bürgerbeauftragten stärker bewusst sind. Der Petitionsausschuss, dem ich vorstehe, arbeitet eng mit dem Europäischen Bürgerbeauftragten zusammen. Wir haben ähnliche Zuständigkeiten, doch sind sie nicht identisch. Man muss sich also über die Unterschiede zwischen den Zuständigkeiten des Bürgerbeauftragten und denen des Petitionsausschusses im Klaren sein.

Mit Erlaubnis des Präsidenten werde ich meinen Redebeitrag um einige Sekunden ausdehnen und Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren Aspekt lenken. Der Petitionsausschuss ist ein Gremium des Europäischen Parlaments. Es ist daher sehr bedauerlich, dass das Europäische Parlament und seine Gremien unseren Ausschuss, wenn sie mit dem Bürgerbeauftragten zu tun haben, zuweilen übergehen. So ein Fall trat am 15. März 2006 auf, als das Europäische Parlament über die Köpfe des von mir geleiteten Ausschusses hinweg eine neue Vereinbarung mit dem Bürgerbeauftragten unterzeichnete und unser Ausschuss an diesem Verfahren nicht beteiligt war.

 
  
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  Witold Tomczak, im Namen der IND/DEM-Fraktion.(PL) Herr Präsident! Der Bericht 2005 über den Bürgerbeauftragten zeigt, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger mit den Organen der Europäischen Union unzufrieden sind.

Es besteht ein eklatanter Mangel an Transparenz hinsichtlich ihrer Aktivitäten und mangelnde wirksame Kontrolle darüber, wie wir unser Geld ausgeben. Besonders nachteilig wirkt sich die Verletzung des Rechts der Bürger auf Information aus. Ein krasses Beispiel dafür war die Werbekampagne für die so genannte Verfassung für Europa.

Im März vergangenen Jahres richtete ich an den Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde zur Verwendung von acht Millionen Euro zur Werbung für die Europäische Verfassung. Diese Mittel standen nur Befürwortern der Verfassung zur Verfügung. Das wurde durch einen Sprecher der Europäischen Kommission am 16. Februar 2005 bestätigt. Als Antwort auf Fragen seitens der Medien, ob Gelder der Europäischen Union auch für eine von Gegnern der Europäischen Verfassung organisierte Kampagne verwendet werden könnten, sagte er, und ich zitiere: „Die Kommission behandelt die Europäische Verfassung wie ihr Baby und ist an ihrer Ratifizierung interessiert, und das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Union wird keine von Verfassungsgegnern geschriebenen Flugblätter drucken“.

Diese freimütigen Erklärungen des Sprechers von Kommissarin Wallström beweisen unverhohlen, dass Gegner der Verfassung keine Gelegenheit hatten und noch immer nicht haben, ihre Ansichten darzulegen. Vor dem Referendum in Spanien gab die Europäische Kommission beispielsweise eine Million Euro für den Druck von fünf Millionen Flugblättern und Aufklebern zugunsten der Verfassung aus, die auf öffentlichen Plätzen verteilt wurden. Es bestand die eindeutige Absicht zu vermeiden, dass Informationen über die negativen Aspekte der Europäischen Verfassung verbreitet würden. Es handelte sich somit um eine eklatante Verletzung des Grundrechts der Unionsbürger auf gleichberechtigten Zugang zu Informationen

Nachdem der Europäische Bürgerbeauftragte meine Beschwerde ein Jahr lang geprüft hatte, entschied er, dass die Europäische Kommission nicht gegen das Recht der Bürger auf gleichberechtigten Zugang zur Information verstoßen habe. Wer denn aber sonst?

Wenn die europäischen Institutionen ihre Glaubwürdigkeit schwinden und zerbröckeln sehen, greifen sie immer häufiger zu Lügenpropaganda und zur Finanzierung und Durchsetzung einer einzigen, „wahren“ Sicht auf die europäische Einheit. Ich schätze die Bemühungen des Bürgerbeauftragten im Kampf um Erzielung von Transparenz hinsichtlich der Tätigkeit der europäischen Institutionen, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Essen mit Vertretern der Gremien, gegen die der Bürgerbeauftragte ermittelt, sind nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit und die Autorität seines Amtes zu erhöhen. Dieses Amt sollte von einem echten Bürgerbeauftragten bekleidet werden, der unsere Rechte verteidigt, einem Bürgerbeauftragten, der sich für die Wahrheit einsetzt und die Bürgerinnen und Bürger vor den Übeln der Maschinerie der Europäischen Union in Schutz nimmt. Eine solche Tätigkeit verlangt allerdings Mut und Unabhängigkeit.

 
  
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  Robert Atkins (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Meinen Glückwunsch für Herrn Schwab. Er hat einen wunderbaren Bericht erstellt, und ich freue mich, daran mitgewirkt zu haben.

Der Bürgerbeauftragte hat ohne Zweifel erfolgreich gearbeitet, aber ironischerweise hat sein Erfolg noch mehr Interesse geweckt. Das ist wiederum etwas Gutes für den Petitionsausschuss, dem der Bürgerbeauftragte untersteht, und dessen Zusammenarbeit mit Letzterem so wichtig ist.

Ich bin voll und ganz mit Diana Wallis einverstanden, dass die EU-Bürger unbedingt mehr über die Einrichtungen erfahren müssen, wo sie ihre Beschwerden vorbringen und um Abhilfe ersuchen können. Das gilt insbesondere für die Verfahrensmöglichkeiten beim Bürgerbeauftragten und beim Petitionsausschuss.

Ich gratuliere wie alle anderen auch Herrn Diamandouros zu seinen Ergebnissen, vor allem – wenn ich so sagen darf – zu seiner bisherigen und zukünftigen Entschlossenheit, die neuen Mitgliedstaaten über seine Befugnisse aufzuklären und sie zu ermuntern, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Wir beabsichtigen, im Namen des Petitionsausschusses das Gleiche zu tun, und ich möchte sagen, dass die Kombination von einem Kommissionsmitglied aus Schweden, wo der Bürgerbeauftragte seinen Ursprung hat, und einem Bürgerbeauftragten aus Griechenland, wo die Demokratie ihren Ursprung hat, doch recht stark und einflussreich ist.

Mich interessieren vor allem die Sonderberichte des Bürgerbeauftragten. Wie er sicherlich weiß, bin ich der „rapporteur manqué“ für einen solchen Bericht, nämlich den über OLAF. Ich muss ihm, wie auch diesem Hohen Haus, jedoch sagen, dass ich nicht zulassen werde, dass dieses Thema von der Tagesordnung verschwindet. Transparenz und öffentliche Behandlung müssen an erster Stelle stehen, und dieser Bericht muss und wird behandelt werden, sobald der Gerichtsprozess abgeschlossen ist.

Wie der Ausschussvorsitzende sagte, nimmt die Bedeutung des Petitionsausschusses zu, und es muss bald Schluss damit sein, dass er das Stiefkind unter den Ausschüssen ist, das am Ende der Liste der Bedeutungslosigkeit steht. Der Bürgerbeauftragte und der Petitionsausschuss haben etliche, vielfältige Aufgaben, die exponentiell zunehmen. Das müssen das Parlament und die Konferenz der Präsidenten anerkennen, und sie müssen den Rang einnehmen, der ihnen gebührt.

(Beifall)

 
  
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  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Diamandouros zu seinem detaillierten Bericht beglückwünschen, in dem er Vorschläge für eine Weiterentwicklung und Verbesserung der Beziehungen zwischen den Bürgern und den europäischen Verwaltungsorganen unterbreitet. Mein Glückwunsch geht auch an Kommissarin Wallström, der ich für ihre unermüdliche Arbeit meinen Dank ausspreche, die auf die Förderung der Kommunikation zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen und auf die Umsetzung von zügigen, einfacheren und interaktiven Lösungen abzielt. Ferner gratuliere ich natürlich Herrn Schwab, insbesondere für die Gründlichkeit, mit der er diese Fragen behandelt hat, die zwar wie Routine aussehen, die aber zweifellos einen Fortschritt auf dem Weg zu „Mehr Europa“ darstellen.

Vor allem bin ich über die Fortschritte bei den Vermittlungsverfahren und der Reaktion auf die Forderungen der Bürger erfreut und nehme mit besonderem Wohlwollen und Interesse die vorgeschlagenen, konstruktiven Lösungen zur Kenntnis.

Herrn Diamandouros möchte ich auffordern, ein Schema für die friedliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu entwickeln, das als Modell für ganz Europa dient. Ich bin sicher, dass die Demokratie, in deren Genuss die Verwaltungsorgane und auch die Bürger kommen, durch ein besseres und transparenteres Verwaltungsverfahren gestärkt wird.

Weiterhin freue ich mich über den ausdrücklichen Vorschlag, die Internetseiten aller Institutionen in allen Amtssprachen der Union anzubieten.

Angesichts des konstruktiven Ansatzes von Herrn Schwab unterstütze ich sein Anliegen, die Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und dem Europäischen Bürgerbeauftragten zu verbessern, ohne dass es zu Hindernissen, Missverständnissen oder Überschneidungen zwischen beiden Einrichtungen kommt: Der Petitionsausschuss und der Bürgerbeauftragte suchen noch jeweils nach ihrem eigenen Weg, und daher ist es positiv, dass der Petitionsausschuss im Europäischen Netz von Bürgerbeauftragten mitwirken soll.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass ich, vielleicht weil ich das Ausmaß der Frage nicht kenne, recht besorgt bin, dass die Zukunft des Bürgerbeauftragten anscheinend in Händen der Gerichte liegt. Hoffentlich bedeutet dies nicht, dass die Verbesserung des Informationsflusses und insbesondere die Anstrengungen für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten vorzeitig aufgegeben werden. Die vorgeschlagene gerichtliche Überwachung ist nicht der beste Weg zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Bürgern und den europäischen Verwaltungsbehörden. Insofern möchte ich auf die vorhandenen Beispiele verweisen, die bereits genannt wurden.

Meine feste Überzeugung ist, dass das Vertrauen der europäischen Bürger in ihren Bürgerbeauftragten davon abhängen wird, inwieweit er Fortschritte bei der friedlichen Streitbeilegung machen wird.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Mein Dank gilt Herrn Diamandouros für seinen Bericht und Herrn Schwab für den Bericht, über den wir heute sprechen. Ich teile seine Besorgnis, dass es etwas spät ist, um über diese Thematik zu diskutieren. Aber besser spät als nie, oder?

Der Bürgerbeauftragte ist der „Wachhund“ des Systems. Ich würde es vorziehen, wenn er ein Rottweiler wäre, denn das brauchen wir, und weniger eine zahmere Rasse! Meine irischen Kollegen werden sich über die Bezeichnung „Rottweiler“ amüsieren, denn politisch gesehen haben wir einen solchen auch in unserem nationalen Parlament.

Dem Bürgerbeauftragten kommt eine wichtige Rolle zu. Ich teile nicht die Besorgnis all derer, die anführen, 70 % der Beschwerden würden außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs liegen. Wie einige Vorredner sagten, widerspiegelt das die Tatsache, dass großer Frust herrscht und die Menschen jemanden brauchen, an den sie sich wenden können. Das muss man unbedingt unterstreichen. Ich bin froh, dass der Bürgerbeauftragte so klug ist und sie nicht wegschickt, sondern ihnen tatsächlich hilft. An diesem Vorgehen sollte er festhalten. Vielleicht sehen das andere nicht so, doch das gehört zu seinen Aufgaben, und wir brauchen eine solche Flexibilität.

Ich beglückwünsche den Bürgerbeauftragten zu dem Versuch, seine Arbeit bekannter zu machen. Es ist die Pflicht von uns allen hier im Parlament, ihn in dieser Hinsicht zu unterstützen, auch wenn ich mein eigenes Büro – und ich nehme an, die anderen Kollegen denken auch so – als eine zentrale Anlaufstelle betrachte. Letzten Endes hoffe ich, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments für Bürger, die Probleme haben, die erste Anlaufstelle sind. Der Vorschlag von Frau Wallis, eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, ist gut, doch sollten wir nicht vergessen, dass wir als gewählte Vertreter auch hier sind, um Informationen für die Bürger zu erhalten.

Der Bürgerbeauftragte sollte bedenken, dass wir hier im Parlament oftmals genauso frustriert sind wie die Bürger, wenn es um Informationen von der Kommission geht. Verwalter haben die Pflicht, sich als Diener der Bürger zu betrachten und nicht als Schützer des Systems. Wenn nötig, müssen wir die Menschen schulen und ihre Kultur verändern. Mich würde interessieren, ob der Bürgerbeauftragte einmal das Verhalten derjenigen untersucht hat, die die Ursache der Probleme sind. Mit anderen Worten, ist bei den Beschwerden, mit denen er sich befasst hat, eine unzulängliche Verhaltensweise bei den Verwaltern zu erkennen? Wenn das der Fall ist, sollten wir uns damit beschäftigen.

Ich möchte nochmals allen Beteiligten danken und hoffe, dass das Arbeitsvolumen des Bürgerbeauftragten exponentiell zunimmt, so wie es auch sein sollte.

 
  
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  Thijs Berman (PSE).(NL) Herr Präsident! In dem Tätigkeitsbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten wird aufgezeigt, dass ein Viertel der Beschwerden von Bürgern stammt, die mangelnde Transparenz bei den Organen der Europäischen Union beanstanden. Wenn diese Beanstandungen auch nicht in allen Fällen berechtigt sind – wie in diesem ausführlichen Bericht ebenfalls erwähnt wird, handelt es sich gleichwohl um einen hohen Anteil, sodass es noch viel Handlungsspielraum für Verbesserungen gibt. Der Berichterstatter weist zu Recht darauf hin, dass gemäß dem Vertrag von Nizza jedes EU-Organ auf größtmögliche Offenheit und Zugänglichkeit bedacht sein muss.

Die Beschwerden sind natürlich vorwiegend an die Kommission gerichtet, denn mit ihr haben die Bürger am meisten zu tun, obwohl Verzögerungen eigentlich meistens durch den Ministerrat verursacht werden. In der überholten Kultur paternalistischer Macht und des Top-Down-Ansatzes kann Transparenz ja wohl noch ein Weilchen warten. Vertrauen ist allerdings eine Grundvoraussetzung für die Effektivität einer Politik, und die Welt braucht eine starke EU, die von ihren Bürgern getragen wird, denn auf dem Spiel steht mehr als ein bisschen Verwaltungstätigkeit.

Wäre Europa denn bereit, sich für eine anders geartete Globalisierung, für eine soziale, nachhaltige und gerechte Entwicklung einzusetzen? Nur wenn sich Europa dazu verpflichtet, kann die EU wirklich Vertrauen gewinnen. Ein solches Vertrauen wird man aber nur einem Europa schenken, in dem alle Entscheidungen offen getroffen werden. Wenn wir das Vertrauen der Europäer in ihre eigene Europäische Union dauerhaft fördern wollen, stellen Offenheit und Erreichbarkeit absolute politische Prioritäten dar. Ich appelliere an Europa, die Türen weit aufzureißen.

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE). – Herr Präsident! Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung möchte ich eine Anmerkung zu dem machen, was die geschätzte Kollegin McGuinness gesagt hat: Die Rottweiler-Hunde, die sie angesprochen hat, stammen aus der Stadt, in der ich geboren bin. Ich fühle mich also als Rottweiler. Wenn ich Ihnen, Herr Diamandouros auf diese Weise beistehen kann, tue ich das sehr gerne.

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin der Kommission, Herr Bürgerbeauftragter, Herr Kollege Schwab! Ich möchte mich insbesondere bei Ihnen beiden für die ausgezeichnete Arbeit, die geleistet wurde, bedanken und hoffe, dass Herr Schwab, der aus Rottweil kommt, weiterhin so fest zubeißen kann – auch politisch – wie diese bekannte Hunderasse. Ich wünsche ihm dabei jedenfalls viel Glück!

Auch Ihnen, Herr Bürgerbeauftragter, kommt eine wichtige Rolle zu, insbesondere sind Sie meiner Ansicht nach das Relais zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen. Immer, wenn Bürger im Zusammenhang mit den europäischen Institutionen Sorgen haben, wenden sie sich an Sie. Hier haben Sie dann eben auszugleichen, und Sie versuchen, Lösungen zu finden. Von den 3 920 Eingaben, die letztes Jahr gemacht wurden, konnten immerhin in über 75 % der Fälle den Beschwerdeführern durch die Einleitung von Untersuchungen bzw. auch durch die Weiterleitung an die zuständigen Instanzen eine Lösung angeboten werden. Dass ist wirklich ein extrem hoher Anteil!

Auch der Kommission kommt in diesem Zusammenhang eine extrem wichtige Rolle zu. Sie versucht durch verschiedene Transparenzinitiativen immer wieder ihre Offenheit zu demonstrieren, und ich kann sie dabei nur unterstützen, insbesondere Sie, Frau Vizepräsidentin, dass Sie auf diesem Weg weiter fortfahren. Große Institutionen – wie wir wissen, nicht nur die Europäische Kommission, sondern auch im Wirtschaftsleben – haben eben die Tendenz, sich zu verselbständigen und natürlich auch ein Eigenleben zu entwickeln, das schwer kontrollierbar ist. Deshalb, bitte fahren Sie fort mit Ihrer Transparenzinitiative!

Dem polnischen Kollegen möchte ich sagen: Ich finde es äußerst scheinheilig, wenn er jetzt der Kommission vorwirft, sie gebe Informationen im Zusammenhang mit dem Verfassungsvertrag nur aus positiver Sicht. Die Publikationen, die ich gesehen habe, waren alle relativ objektiv gehalten und sie waren notwendig, um den Bürgern klar zu machen, worum es hier geht.

(Beifall)

Auf der einen Seite mehr Informationen zu fordern, auf der anderen Seite aber zu sagen, bitte, hier nicht weitermachen, ist wirklich scheinheilig! Darum müssen wir auf diesem Weg miteinander fortfahren, um dieses gemeinsame Europa bauen zu können.

(Beifall)

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). (PL) Herr Präsident! Der Bericht 2005 vermittelt uns den Schluss, dass der Europäische Bürgerbeauftragte die Ziele gesteigerter Effektivität seiner Institution auf dem Gebiet guter Verwaltungspraxis und der Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte mit Erfolg erreicht.

An dieser Stelle sollten wir Professor Diamandouros, der für diese Institution verantwortlich zeichnet, ein Wort des Dankes sagen. Die öffentliche Natur der Tätigkeit des Bürgerbeauftragten verdient Lob. Dennoch ist zu beklagen, dass 70 % aller eingelegten Beschwerden noch immer außerhalb der Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten liegen. Das ist fast immer darauf zurückzuführen, dass sich die Beschwerden in ihrem Wesen nicht gegen die Organe oder Einrichtungen der Europäischen Union richten. Es zeigt, dass vielen Unionsbürgern die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Institutionen und den Entscheidungsprozessen noch unklar ist.

Daher muss man die Rolle des Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments unbedingt so festlegen und abgrenzen, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union klar wird. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr um 5 %. Darin mag zum Ausdruck kommen, dass die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten größere Beachtung findet, oder es ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass nicht alle europäischen Mitgliedstaaten diese Art Institution haben, was bedeutet, dass sich viele Menschen, die Probleme mit nationalen, regionalen oder lokalen Verwaltungsbehörden haben, an den Europäischen Bürgerbeauftragten wenden.

Der Bürgerbeauftragte muss sich verstärkt darum bemühen, der Öffentlichkeit zuverlässige Informationen zu vermitteln. Die Bürgerinnen und Bürger müssen leichten Zugang zu Informationen in ihrer eigenen Muttersprache haben. Das wird ihnen das Gefühl verleihen, dass sie Unionsbürger mit Ausweis und Stempel sind, deren Wohlergehen ein Anliegen ist und deren Stimme zählt.

Abschließend möchte ich den Berichterstatter, Herrn Schwab, zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Ich denke, er wird seine Funktion als Wachhund, ja als Rottweiler, der Gesetzlichkeit weiterhin ausüben.

 
  
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  Marie Panayotopoulos-Cassiotou (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Elf Monate, nachdem wir den zehnten Jahrestag des Bestehens der Institution des Europäischen Bürgerbeauftragten begangen haben, wird heute der Jahresbericht über das 10. Jahr angenommen. Ich gratuliere Herrn Diamandouros zu seiner bemerkenswerten Präsentation sowie zu seiner effektiven Ausübung der Rolle des Verteidigers von Transparenz und guter Verwaltung in der Europäischen Union.

Vielleicht werden wir im nächsten Jahr seinen Jahresbericht im Parlament früher und zügiger erörtern und wird der Petitionsausschuss als der zuständige Ausschuss in direktem Kontakt zu dem Bürgerbeauftragten stehen, damit er über das Verfahren zur Unterzeichnung interinstitutioneller Abkommen zwischen ihm und dem Europäischen Parlament informiert werden kann.

Ziffer 6 des Berichts Schwab bringt zu Recht unser Bedauern über die Unterzeichnung eines neuen Abkommens zum Ausdruck, das seit dem 1. April 2006 in Kraft ist, also bevor der Bericht für 2005 angenommen wurde. Der Bürgerbeauftragte legte zudem am 11. Juli einen Vorschlag zur Annahme seines Statuts vor. Ziffer 13 des Berichts Schwab begrüßt dies. Ich möchte jedoch anmerken, dass er in seinen Forderungen sehr sensible Themen berührt, seine Argumente aber äußerst schwach sind. Das Verbot, in Fälle einzugreifen, die noch beim Gericht anhängig sind, ist etwas, das den Verträgen zufolge nicht in Frage gestellt werden kann. Beamte der Gemeinschaft müssen an ein Berufsgeheimnis gebunden sein. Wir verfügen über Institutionen, die für die Überprüfung der Einhaltung von Menschenrechten zuständig sind, aber wir haben als Parlament, das von den Bürgern kontrolliert wird, auch die Aufgabe, Beschwerden aufzunehmen und ihnen nachzugehen. Es gibt eine Fülle von außergerichtlichen Verfahren. Der Bürgerbeauftragte hat zahlreiche Pflichten, und man kann nur hoffen, dass er mit dem Personal in seiner Abteilung, das glücklicherweise kontinuierlich anwächst – von 38 auf 51 und 57 im Jahre 2006 – die Zeit hat, die gestiegene Anzahl von Beschwerden zu bewältigen. Wenn der Bürgerbeauftragte jedoch den Mangel an Transparenz bei der Arbeit des Rates beanstandet, dann fordern wir ihn mit Änderungsantrag 1 – und ich bitte Sie, diesen zu unterstützen – auf, die Transparenz bei Personalausschreibungen von EPSO sowie die Einstellungsmethoden der europäischen Behörden, einschließlich seiner eigenen Abteilung, nicht erst nach konkreten Beschwerden der Bürger, sondern auf eigene Initiative zu überprüfen. Das ist ein Thema, das die Sensibilität vornehmlich der neuen Europäer berührt, die zu Tausenden an Ausschreibungen und Vorstellungsgesprächen teilnehmen und nicht das Recht haben zu erfahren, weshalb sie gescheitert sind.

Ich danke ebenfalls der Kommissarin dafür, dass sie auf den Vorsatz des Bürgerbeauftragten hingewiesen hat, seine Zeit zur Lobpreisung der Kommission zu nutzen.

 
  
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  Nikiforos Diamandouros, Bürgerbeauftragter. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei allen Abgeordneten dieses Hohen Hauses für ihre äußerst ermutigenden Worte recht herzlich bedanken. Ich schöpfe neuen Mut aus der Unterstützung, die ich von diesem Gremium erhalte und dessen Zusammenarbeit ich ungeheuer schätze. Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern bin ich fest entschlossen voranzugehen, so weiter zu machen und noch mehr zu tun.

Es ist mir nicht möglich, auf alle Bemerkungen einzugehen, jedoch möchte ich mich einigen Aspekten zuwenden.

Erstens bin ich für die Unterstützung, die ich in Bezug auf das Statut erhalten habe, sehr dankbar. Wenn Frau Panayotopoulos-Cassiotou erlaubt, möchte ich in diesem Zusammenhang zwei Punkte klären, und ich werde es in griechischer Sprache tun, da sie Griechisch gesprochen hat.

(EL) Herr Präsident, Frau Panayotopoulos! Ich möchte Ihnen versichern, dass das Europäische Amt für Personalauswahl bereits in die Zuständigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten fällt und dass dies eine Angelegenheit darstellt, die uns besonders am Herzen liegt und die wir sehr, sehr aufmerksam verfolgen.

Was meine Empfehlungen betrifft, so möchte ich Ihnen versichern, dass die Bitte, die ich habe...

(Der Präsident unterbricht den Redner und weist ihn auf ein Problem bei der Simultanübersetzung hin.)

(EN) Entschuldigung, Herr Präsident. Mir war nicht bewusst, dass es ein Problem mit der Übersetzung gab. Ich nahm an, man wolle meine Fähigkeit testen, in meiner Muttersprache zu reden!

Wenn der Herr Präsident gestattet, so möchte ich Frau Panayotopoulos-Cassiotou sowie dem Hohen Haus nur kurz versichern, dass das Europäische Amt für Personalauswahl bereits in den Zuständigkeitsbereich des Bürgerbeauftragten fällt und dass wir uns viel mit Einstellungsfragen befassen.

In Bezug auf das Statut möchte ich absolut klarstellen, dass der Bürgerbeauftragte keinesfalls um das Recht ersucht, Verfahren vor dem Gerichtshof einzuleiten. Das steht uns überhaupt nicht zu. Gerichtshof und Bürgerbeauftragter sind zwei getrennte Einrichtungen. Worum wir ersuchen, ist das Recht, beim Gericht vorstellig zu werden, weil dieses Recht auch dem Europäischen Datenschutzbeauftragten im Falle grober Verletzungen der Grundrechte gewährt wird. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Ich wiederhole: Wir wollen unter keinen Umständen Zugang zum Gericht in einer Weise, die in der Tat über mein Mandat hinausgehen würde.

Ich freue mich über die Unterstützung für einen einheitlichen Kodex und prüfe bereits gemeinsam mit Kommissarin Wallström, ob das möglich wäre. Sie ist in ihren Ausführungen bereits darauf eingegangen.

Ich möchte Sir Robert Atkins insbesondere für seine Entschlossenheit danken, darauf zu achten, dass alle Sonderberichte, die der Bürgerbeauftragte diesem Parlament vorlegt, schließlich auch behandelt werden. Ich hoffe, dass das auch geschehen wird.

Der Gedanke einer zentralen Anlaufstelle ist ganz wichtig. Ich würde gern mit Frau Wallström und anderen Einrichtungen zusammenarbeiten und vielleicht einen Gedankenaustausch und Überlegungen dazu in Gang setzen, damit wir den Bürgern besser zu Diensten sein können. Ferner möchte ich unterstreichen, dass der Europäische Bürgerbeauftragte und der Petitionsausschuss einander ergänzen. Ich bin diesem Ausschuss äußerst dankbar, und wir werden mit ihm weiter zusammenarbeiten, um voranzukommen.

Wenn Sie gestatten, möchte ich abschließend noch einige weitere Bemerkungen machen. Die unzulässigen Beschwerden sind tatsächlich ein ganz wichtiger Aspekt, und wir werden uns bemühen, ihre Zahl zu verringern. Aber wir werden auch weiterhin allen Bürgern helfen, die sich fälschlicherweise an uns wenden, indem wir über das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten die Beschwerden weiterleiten und damit diesen Bürgerinnen und Bürgern helfen und so in gewissem Sinne versuchen, das Subsidiaritätsprinzip in außergerichtlichen Mechanismen anzuwenden. Wir arbeiten mit unseren Kollegen auf nationaler und regionaler Ebene zusammen, um den Bürgern besser helfen zu können. Und dazu gehört auch die Weiterleitung von unzulässigen Beschwerden.

Ich bedanke mich vielmals bei Frau McGuinness für Ihre lobenden Worte. Ich betrachte mich als einen externen Kontrollmechanismus für die Verwaltungstätigkeit, und wenn alles andere versagt, ja, dann werde ich auch wie ein Rottweiler vorgehen müssen. Doch lassen wir den irischen Unterton hier einmal weg – ich will mich aus theologischen Andeutungen heraushalten –, meiner Meinung nach ist das allerdings der letzte Schritt. Der erste Schritt, bei dem ich eng mit der Kommission, mit dem Generalsekretär der Kommission und mit Frau Wallström zusammenarbeite, besteht darin, auf die Institutionen zuzugehen, der Kommission die Hand zu reichen und ihnen bewusst zu machen, welche Verpflichtungen sie haben. Wir müssen ihnen tatsächlich helfen zu erkennen, dass eine Veränderung der Kultur außerordentlich wichtig ist, damit die europäischen Institutionen einschließlich der Kommission wirklich verstehen, dass es ihre Aufgabe ist, den Bürgern zu dienen, und nicht umgekehrt.

Ich danke Ihnen vielmals, dass Sie mir die Zeit für diese Klarstellung gegeben haben. Ich möchte dem Parlament nochmals meinen Dank für seine sehr ermutigende und herzliche Reaktion auf meinen Bericht aussprechen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärung (Art. 142)

 
  
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  András Gyürk (PPE-DE).(HU) Im Zusammenhang mit dem Bericht von Herrn Diamandouros über seine Tätigkeit 2005, zu dem das Europäische Parlament dieses Jahr bereits eine Entschließung angenommen hat, möchte ich die Aufmerksamkeit auf eine Frage lenken.

Im Jahr 2005 legte der Bürgerbeauftragte dem Parlament einen Sonderbericht vor, denn er hatte eine ungerechtfertigte Diskriminierung im Hinblick auf Mittel für EU-Bedienstete mit Kindern mit besonderen Bildungsbedürfnissen festgestellt. In seinem Entwurf für eine Empfehlung ersuchte er die Europäische Kommission, die notwendigen Schritte einzuleiten, um sicherzustellen, dass Eltern, deren Kinder wegen ihres Behinderungsgrades vom Besuch der europäischen Schulen ausgeschlossen sind, keinen Beitrag zu den Bildungskosten ihrer Kinder zahlen müssen. In der Entschließung des Parlaments zu der Angelegenheit wird die Kommission aufgefordert, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten.

Die notwendigen Schritte wurden allerdings nicht eingeleitet, denn leider geschah bei der Einschulung in diesem Herbst erneut, dass einem Schüler mit besonderen Bildungsanforderungen die Aufnahme verweigert wurde. Diese Praxis, mit der gegen die Menschenrechte verstoßen wird, hat dazu geführt, dass mehrere Familien getrennt leben und Brüssel, oft sogar die europäischen Institutionen, verlassen müssen.

Wie in der Charta der Grundrechte und im EU-Vertrag verankert ist, bilden das Recht auf Bildung, Gleichbehandlung und das Verbot jeder Form von Diskriminierung die Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts. Unter Bezugnahme auf die Empfehlung des Bürgerbeauftragten und auf die Entschließung des Parlaments in dieser Frage fordere ich die Europäische Kommission auf, im Einklang mit den europäischen Grundsätzen die Bedingungen für gleiche Bildungschancen für Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen zu schaffen.

 
  
  

VORSITZ: PIERRE MOSCOVICI
Vizepräsident

 

3. Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Luis Herrero-Tejedor im Namen des Ausschusses für Bildung und Kultur über das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (2006/2087(INI)) (A6-0365/2006).

 
  
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  Luis Herrero-Tejedor (PPE-DE), Berichterstatter.(ES) Herr Präsident! Als Frau Wallström dem Europäischen Parlament das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik vorlegte und ich erfuhr, dass ich die Ehre haben würde, Berichterstatter für den Bericht zu diesem Weißbuch zu sein, sagte mir ein befreundeter Journalist, der hier im Europäischen Parlament arbeitet, das Beste, was ich tun könne, sei ein sehr kurzer Bericht, der nur aus einem einzigen Absatz besteht und lautet: „Frau Wallström, der einzige Nutzen, den dieses Buch hat, ist seine Verwendung als Geschenkpapier, denn es enthält zwar gute Absichten, ist aber völlig nutzlos“.

Ich erwiderte meinem Freund: „Ich denke, du bist ungerecht. Meines Erachtens bemüht sich Frau Wallström um eine gute Informations- und Kommunikationspolitik, und außerdem, nenn mich naiv, hat sie mir wiederholt bewiesen, dass dies wirklich ihr Ziel ist. Das Problem liegt darin, dass im Moment nicht die richtigen Umstände gegeben sind, um solch eine Informations- und Kommunikationsstrategie in der Europäischen Union zu organisieren“.

Warum ist das so? Weil derzeit keine Rechtsgrundlage für die Gestaltung dieser Informations- und Kommunikationsstrategie sowie für die Festlegung von Maßnahmen und deren angemessene Kontrolle vorhanden ist.

Gehen wir daher einen Schritt weiter – und das ist der Ansatz, den ich bei der Erarbeitung des Berichts verfolgte – und versuchen wir, die Art und Weise zu ändern, in der die Dinge bisher gelaufen sind. Denn jedes Mal, wenn wir uns treffen, um über die Informations- und Kommunikationsstrategie zu sprechen, stellen wir ein Bündel von allgemeinen Empfehlungen zusammen, die zu nichts führen. Versuchen wir, nach dem zu streben, was wir noch nicht haben. Schaffen wir diese Rechtsgrundlage, die es uns ermöglichen wird, künftig viel effektiver zu agieren.

Bei der Arbeit an diesem Thema stellte ich fest, dass es nur eine einzige Formel zur Errichtung dieser Rechtsgrundlage gab: die Anwendung von Artikel 308 des EG-Vertrags.

Als man mir die Bedingungen erläuterte, unter denen dieser Artikel angewendet werden könnte, war ich versucht zu sagen: „Das ist unmöglich, das werden wir nicht schaffen“. Dazu mussten drei Umstände vorliegen, die sehr schwer zusammenzubringen sind: Erstens, die Forderung seitens der Kommission; zweitens, die Zustimmung durch das Parlament; und drittens – die am schwierigsten zu erfüllende Bedingung – die einstimmige Annahme durch den Rat.

Ich sprach mit Frau Wallström, und sie sagte mir, die Kommission sei einverstanden. Ich sprach mit allen Schattenberichterstattern, und sie sagten mir, das Parlament könnte zustimmen. In der interinstitutionellen Gruppe hatten wir Gelegenheit, die Meinung der Ministerin zu hören, die damals den Rat vertrat, und sie sagte uns, dass sie für die Einstimmigkeit im Rat nicht garantieren könne. Das sei ihr nicht möglich. Aber sie könne uns zumindest sagen, dass es ihrer Ansicht nach eine solche Einstimmigkeit geben könnte.

Folglich sind zurzeit alle Elemente vorhanden, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich dies in der Zukunft wiederholen wird. Das Wichtigste in der Politik besteht darin, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Bedingungen zu nutzen.

Wir haben jetzt eine Chance, die wahrscheinlich nicht wiederkehren wird: eine sehr gute Gelegenheit für Verbesserungen, für die Errichtung einer Rechtsgrundlage. Das bedeutet nicht, dass wir damit all unsere Krankheiten heilen können, aber es wird eindeutig ein Fortschritt sein. Wir haben nur zwei Möglichkeiten: anzunehmen oder abzulehnen. Mein Vorschlag ist die Annahme.

Frau Prets, Christa, ich bitte Dich, mir zu helfen, da ich aus der Rede von Herrn Corbett weiß, dass Deine Partei gegen die Anwendung von Artikel 308 stimmen wird. Herr Corbett glaubt, es gäbe einen anderen Weg, um diese Rechtsgrundlage zu schaffen. Es gibt keinen. Oder wenn doch, sagt mir, worin er besteht. Lasst uns verhandeln. Lasst uns über ihn sprechen. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen hat keinen Änderungsantrag eingereicht, der uns eine Alternative bietet. Gérard Onesta, Schattenberichterstatter für diesen Bericht, dem ich für seine Rede im Namen der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz danke, hat verstanden, dass sich uns diese Chance bietet, und war auch der Ansicht, dass wir sie ergreifen sollten.

Du weißt, Christa, dass es im Ausschuss für Kultur und Bildung nur eine Stimme gegen diesen Bericht gab, der zur Anwendung von Artikel 308 auffordert. Lasst uns versuchen, das zu nutzen. Dies ist keine ideologische Frage. Ich habe Frau Wallström gelobt, die nicht meiner Partei angehört, weil sie meines Erachtens das Richtige tut.

Ich möchte Herrn Bono danken, denn er war Schattenberichterstatter der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament im Ausschuss für Kultur und Bildung. Ich weiß, dass er mir helfen würde, wenn er könnte. Ich weiß jedoch auch, dass die Fraktionsdisziplin manchmal Ansichten auferlegt, die nicht die richtigen sind.

Ich bitte Sie, bis zur Abstimmung darüber nachzudenken, damit dieser Bericht angenommen werden kann. Ich bitte Sie aufrichtig darum. Dies ist keine ideologische sondern eine politische Frage. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster. Es muss jetzt sein, oder es wird in der Zukunft äußerst schwierig sein.

Dies ist der beste Weg, die von uns gewünschte Politik zu gestalten. Andernfalls, meine hier anwesenden Damen und Herren vom Ausschuss für Kultur und Bildung, werden wir uns jedes Jahr zusammensetzen und eine Reihe guter Absichten anhören, die eine Menge Geld kosten und die wir dann der Kommissarin im letzten Moment übermitteln und über die wir keine Kontrolle haben. Wir werden nur wenig darüber erfahren, wofür das Geld ausgegeben oder welchen Nutzen es haben wird. Wir werden uns immer wieder im Kreis drehen.

Herr Bono, Frau Prets, Frau Badia i Cutchet, ich sehe Sie hier, Sie sind Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Bildung: Wir haben den Bericht in diesem Ausschuss diskutiert und mit nur einer Gegenstimme angenommen. Der Änderungsantrag von Herrn Corbett hatte im Ausschuss für konstitutionelle Fragen keinen Erfolg. Uns wurde keine Alternative angeboten.

Nutzen wir die politische Chance, die sich uns bietet. Ich bitte Sie eindringlich darum.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zuerst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Herrero-Tejedor, für seine intensive Arbeit, den positiven Tenor dieses Berichts und die Unterstützung für das Anliegen der Kommission danken. Allerdings muss ich auch sagen, dass sein Freund hoffentlich ein besserer Journalist ist als ein Fachmann in Sachen EU-Institutionen.

Als die Kommission im Februar das Weißbuch annahm, verbanden wir damit die Absicht, ein neues Kapitel in der Kommunikation zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern aufzuschlagen. Wir erklärten, mit der neuen Kommunikationspolitik wollten wir den Schritt vom Monolog zum Dialog machen. Damit sollte die Europäische Union offene Ohren erhalten. Wir wollten von der Kommunikation, in deren Mittelpunkt die Institutionen stehen, zu einem bürgernahen Ansatz übergehen, der auf dem grundlegenden Recht der Menschen basiert, Informationen zu erhalten und gehört zu werden. Die Brüssel-lastige Kommunikation sollte durch einen dezentralen Ansatz ersetzt werden, und aus einem bloßen Beiwerk sollte eine echte europäische Politik werden, die gleichberechtigt neben anderen EU-Politiken existiert. Mit anderen Worten, sie sollte zu einer eigenständigen Politik werden.

Damit komme ich direkt zur Frage der Rechtsgrundlage für die Kommunikationspolitik, die, da stimme ich zu, in diesem Falle ein Problem darstellt, und noch dazu ein äußerst kompliziertes und kontroverses. Durch eine solche Rechtsgrundlage würden all unsere Maßnahmen Rechtmäßigkeit erhalten und uns selbst Verpflichtungen auferlegt werden. Außerdem würden die Grundsätze festgeschrieben, die der Kommunikation zugrunde liegen.

Die Kommission hat eine Bürgercharta bzw. einen Verhaltenskodex, wie wir es genannt haben, vorgeschlagen, zu dessen Einhaltung sich die institutionellen Akteure einschließlich der Mitgliedstaaten freiwillig verpflichten könnten.

Der Bericht schlägt einen etwas anderen Ansatz vor: Die Kommission wird aufgefordert, einen Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung zu unterbreiten. Ferner wird die Kommission nachdrücklich aufgefordert, die Möglichkeit auszuloten, auf der Grundlage von Artikel 308 des EG-Vertrags ein echtes Gemeinschaftsprogramm für Information und Kommunikation zu Europa aufzulegen.

Die Kommission ist bereit, entsprechend Ihrer Empfehlung alle Möglichkeiten auszuloten, um eine solide Grundlage für gemeinsame Aktionen zu finden, die von einer Bürgercharta bis zu einer formalen Rechtsgrundlage reichen. Ich nehme diese Vorschläge nur zu gerne an, damit all unseren Maßnahmen auch die entsprechende Legitimität verliehen wird.

Mit Freude habe ich festgestellt, dass Ihr Bericht der politischen Bildung sowie der Einbeziehung der Bürger in den Entscheidungsfindungsprozess große Bedeutung beimisst. So wird die Kommission darin aufgefordert, die Konsultation der Öffentlichkeit in einem frühen Stadium der Ausarbeitung einer Politik zu gewährleisten, und diese Meinung wird auch von den verschiedensten Vertretern der Zivilgesellschaft geteilt. Hier werden wir ganz sicher tätig werden.

Uns ist durchaus die Schlüsselrolle bewusst, die die Medien – Presse, Fernsehen, Rundfunk und das Internet – in der modernen Demokratie spielen. Wir alle wissen, dass die Kommunikationskluft größtenteils der Tatsache geschuldet ist, dass europäische Angelegenheiten in den Medien nur am Rande behandelt und vielfach falsch dargestellt werden.

In dieser Frage möchte ich kein Blatt vor den Mund nehmen, denn Sie haben die Kommission aufgefordert, so genau wie möglich zu definieren, welche Rolle sie den Medien zuweisen würde. Allerdings lässt sich dieses Problem so nicht angehen. Die einzige Rolle, die die Medien spielen können, ist die Rolle, die unsere demokratischen Traditionen ihnen übertragen, nämlich die Bürger über europäische Themen genauso unabhängig, pluralistisch und kritisch zu informieren wie über inländische Angelegenheiten. Das Problem besteht darin, die entsprechenden Bedingungen dafür zu schaffen, und das wird auch das Thema einer Konferenz von Interessengruppen sein, die im Dezember in Helsinki im Nachgang zum Weißbuch stattfinden wird.

Ein weiteres zentrales Thema des Weißbuchs ist, ein klares Bild von der öffentlichen Meinung zu gewinnen. Aufgrund der verstärkten innerstaatlichen Mobilität, der Migration und der Globalisierung erleben unsere Gesellschaften Veränderungen noch nie dagewesenen Ausmaßes. Es wird immer schwieriger, die öffentliche Meinung zu definieren und zu verstehen. In den letzten 30 Jahren waren die Eurobarometer-Umfragen ein recht nützliches Instrument, um die öffentliche Meinung, Wahrnehmungen und Orientierungen zu ermitteln. Unserer Ansicht nach kann jedoch wesentlich mehr getan werden. Ich habe Ihr Zögern bei unserem Vorschlag für die Einrichtung eines Europäischen Meinungsforschungsinstituts bemerkt, doch wir können pragmatisch oder auch schrittweise an diese Frage herangehen. So wurde beispielsweise der Gedanke, ein Netzwerk nationaler Sachverständiger aufzubauen, um den Austausch vorbildlicher Verfahren und die Erschließung von Synergien zu fördern, während der öffentlichen Konsultation deutlich begrüßt.

Ich möchte nicht noch auf die vielen weiteren Themen eingehen, die Sie zu Recht in Ihrem umfassenden Bericht behandelt haben, wie die Rolle der Mitgliedstaaten, die Bedeutung der regionalen und lokalen Ebene, die Einbeziehung der nationalen Parlamente oder die Verantwortung der politischen Parteien, die alle natürlich ungeheuer wichtig sind. In diesen Fragen sind wir im Wesentlichen einer Meinung, und ich freue mich, dass es mein Mandat zulässt, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, um zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele beizutragen.

Ihr Bericht ist ein Meilenstein in dem Prozess, den wir mit dem Weißbuch in Angriff genommen haben. Er ermutigt uns, auf der Grundlage einer immer engeren Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Organen voranzugehen. Die Kommission wird ihren Schlussbericht über das Weißbuch im kommenden Frühjahr vorlegen. Dieser Bericht wird eine Reihe konkreter Vorschläge enthalten, denen operationelle Aktionspläne folgen werden. Vor uns liegt noch ein langer und durchaus nicht einfacher Weg, aber ich bin überzeugt, dass wir mit Ihrer Unterstützung echte Veränderungen in der Art und Weise herbeiführen können, wie Europa mit seinen Bürgern kommuniziert, indem es ihnen ein wirkliches Mitspracherecht gibt und ihnen zuhört. Eine Kommunikationspolitik der EU kann ein Instrument zur Stärkung der Demokratie sein, und ich freue mich auf die Aussprache darüber.

 
  
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  Michael Cashman (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter gratulieren, aber in der mir zustehenden einen Minute möchte ich mich direkt darauf konzentrieren, was wir tun sollten. Wir sollten die Art und Weise untersuchen, wie wir mit unseren Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren, und das bedeutet, dass wir uns absolut im Klaren darüber sein müssen, wie wir mit ihnen sprechen. Die Sprache muss konkret, einfach, klar und präzise sein. Es bringt nichts, wenn wir über Instrumente und Barometer reden. Die Menschen schalten ab. Wir müssen leidenschaftlich darüber reden, was wir tun und wie wir es tun.

Hier dürfte es sich wohl um die erfolgreichste europäische Institution handeln, und dennoch werden wir kritisiert und verteidigen uns nur sehr selten. Wir haben 25 Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen und unterschiedlichen Kulturen, die zusammen für das gemeinsame Wohl der 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger wirken – einfach hervorragend! Aber vermitteln wir auch effektiv das, was wir tun, und werben auch dafür? Wir tun es nicht. Sorgen wir dafür, dass sich die nationalen Parlamente als Kontrollorgan engagieren? Nein, wir tun es nicht. Wir sehen tatenlos zu und lassen uns kritisieren.

Geben Sie mir nur noch vier Sekunden. Ich fordere die Kommission dringend auf, an ihrem Vorschlag für die Revision der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 festzuhalten. Das steht nicht in diesem Bericht. Er ist aber im Arbeitsprogramm der Kommission enthalten. Wir können nur dann verantwortlich gemacht werden und effektiv sein, wenn die Menschen verstehen, was wir für sie tun.

 
  
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  Gérard Onesta (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für konstitutionelle Fragen. – (FR) Herr Präsident, der Ausschuss für konstitutionelle Fragen hat seine Zustimmung zu einer Kommunikationspolitik der EU deutlich zum Ausdruck gebracht und begrüßt die Arbeit von Kommissionsmitglied Wallström. Es ist höchste Zeit für eine solche Politik, dies beweisen die Eurobarometer-Umfragen, die eine Kluft zwischen unseren Institutionen und den Erwartungen der Bürger zeigen. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen begrüßt auch, dass die Kommission den Schwerpunkt auf eine zweigleisige Kommunikation legt, dies ist ein ganz neuartiger Ausgangspunkt, bei dem sich die Institutionen an die Bürger und die Bürger an die Institutionen wenden.

Das Problem besteht darin, dass die Kommission, nachdem sie diesen ausgezeichneten Grundsatz beim Start des Weißbuchs aufgestellt hat, recht verzweifelt versucht hat, praktische Wege dafür aufzuzeigen, wie sich die Öffentlichkeit äußern kann, und dies, Frau Kommissarin, ist vielleicht das größte Manko Ihres Vorschlags. Vielleicht wäre es nützlich, etwas von den Vorschlägen des Parlaments zu übernehmen, insbesondere den Vorschlag zur Einrichtung eines offenen Bürgerforums, ein Konsultationsinstrument, dessen Pilotphase 2007 beginnt.

Unser Ausschuss lehnt ein neues interinstitutionelles Instrument nicht grundsätzlich ab, fordert aber, die Garantien und Verpflichtungen, die dies mit sich bringt, sorgfältig zu prüfen. Er betont ferner, dass in der Charta der Grundrechte bereits die Informationsrechte der Bürger definiert sind, und dass die Befugnisse unseres Parlaments auf jeden Fall gewahrt werden müssen, insbesondere sein Recht, sich selbst uneingeschränkt an die Bürger zu wenden.

Auch das ganz besondere Tempo der europäischen Debatte muss berücksichtigt werden, das nicht der nationalen politischen Agenda folgt. In dieser Hinsicht wollen wir unseren Wunsch wiederholen, eine jährliche Debatte hier im Plenum des Parlaments abzuhalten. Wir unterstützen den Einsatz neuer Technologien, sofern sie keine digitale Kluft zwischen denjenigen verursachen, die Zugang zu moderner Technik haben, und denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist. Wir glauben auch, dass die Partnerschaften zwischen der Zivilgesellschaft, den europäischen politischen Parteien und den Journalisten besser gegliedert werden müssen, unbeschadet der Unabhängigkeit der Medien natürlich. Wir gehen sogar so weit, einen revolutionären Vorschlag zu machen, nämlich die Entwicklung einer bürgernahen europäischen Verwaltung, um Brüssel den Bürgern näher zu bringen.

Was in meinem Bericht ungesagt bleibt, betrifft die Rechtsgrundlage. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen wollte seinen Standpunkt zu Artikel 308 nicht äußern. Mit äußerst knappem Ergebnis stimmte er gegen den ausdrücklichen Verweis auf diesen Artikel, aber mit einem ähnlich knappen Abstimmungsergebnis – unser Dank gilt hier Andrew Duff – hat er beschlossen, den Rückgriff auf Artikel 308 förmlich zu streichen, verstehe dies, wer wolle. Die Aussprache über die Rechtsgrundlage bleibt daher völlig offen, auch wenn ich persönlich und taktisch gesehen die Vorschläge unseres Berichterstatters Luis Herrero-Tejedor vorbehaltlos unterstütze, dessen Aufgeschlossenheit, Umgänglichkeit und konstruktive Vorgehensweise ich begrüße.

 
  
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  Doris Pack, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich bin eigentlich froh, dass wir die Debatte über die Informationspolitik gleich nach der Debatte zum Bürgerbeauftragten haben. Denn der Bürgerbeauftragte wurde heute Morgen auch oft in seinen Beziehungen zu den Bürgern zitiert. Ich habe das Problem, dass wir im Ausschuss feststellen, dass die Kommission in ihren Beziehungen zu den Bürgern oftmals dem, was der Bürgerbeauftragte eigentlich will, hinterherhinkt.

Die Antworten der Kommission auf vielfache Anträge von Bürgern oder Projektgestaltern in der Europäischen Union sind oft lieblos oder gar schnodderig, und das darf einfach nicht sein. Genau die Bürger, die ein Anliegen haben, die auf Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen antworten, werden oftmals derart unfreundlich bedient, dass sie natürlich die Lust verlieren, an europäischen Projekten weiterzuarbeiten.

Wie verhält es sich dann mit den Bürgern, die erst gar nicht engagiert sind, weil sie andere Interessen haben? Wir erreichen sie auf diesem Wege nicht, und wenn wir jetzt versuchen, die Bürger besser einzubinden, dann muss ich sagen, das geht nicht mit einer neuen Kommunikationsstrategie der Kommission. Wir brauchen die Menschen vor Ort und wir müssen sie auch vor Ort ansprechen. Das kann nicht von Brüssel aus geschehen. Die Frau Kommissarin ist guten Willens. Sie will wirklich kommunizieren. Das Problem ist nur, die Bürger wollen überhaupt nicht von der Frau Kommissarin bedient werden, weil sie sagen, die Kommission ist sowieso dafür, der glauben wir aber nicht. Also brauchen Sie gewählte Bürger zu Hause, Sie brauchen die Abgeordneten des Parlaments, des Bundestages, der regionalen Parlamente, die auch Ansprechpartner für die europäischen Belange sind. Unser großes Problem ist nur, die fühlen sich nicht verantwortlich. Wir müssen versuchen, die Kommunikation bürgernäher zu machen. Wir müssen die Infopoints in den Städten stärken, wir müssen mehr Infopoints schaffen, denn solche Infopoints in den Rathäusern sprechen die Bürger an. Natürlich müssen wir auch die existierenden Programme der Europäischen Union, gerade was die Bildung angeht, benutzen. Die beste Kommunikationsstrategie sind die Bildungsprogramme Comenius, Erasmus, Leonardo. Nutzen wir sie, dann finden wir die Bürger, die wir brauchen, um dieses Europa weiterzubauen.

 
  
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  Guy Bono, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, als Berichterstatter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament für den Berichtsentwurf über das Weißbuch über die Europäische Kommunikationspolitik möchte ich ohne Umschweife erklären, dass ich, wie Herr Onesta vor mir, begrüße, dass die Kommunikation endlich als ein zweigleisiges Verfahren zwischen den Institutionen und den Bürgern und nicht als ein reines Marketingverfahren anerkannt wird. Bis zur Einrichtung eines europäischen Kommunikationssystems, in dem europäische Fragen Teil der nationalen öffentliche Sphäre sind, ist es aber noch ein langer Weg.

Ich möchte wiederholen, was ich im Ausschuss gesagt habe: Ich bedauere, dass im Weißbuch weiterhin neue Technologien überbewertet werden, und das nationale Fernsehen unterbewertet wird. Wir wissen, und die Eurobarometer-Umfragen bestätigen es, dass die großen nationalen Fernsehsender weiterhin die bevorzugte Informationsquelle der EU-Bürger sind. Und wir müssen meines Erachtens dementsprechend handeln.

Außerdem schweigt das Weißbuch befremdlicherweise zur Frage der Finanzmittel. Wie wir alle wissen, haben die Demokratie und damit die Kommunikation ihren Preis. Solange der Mehrjahreshaushalt der Union niedriger ist als das Budget einer europäischen Werbeagentur, kann nur wenig bewirkt werden. Ich möchte den Berichterstatter, Herrn Herrero, natürlich beglückwünschen und ihm sagen, dass die Aussprache über Artikel 308 nicht abgeschlossen ist, und Frau Prets in Kürze auf die Frage zurückkommen wird.

Frau Kommissarin, leider spricht die Kommission immer nur dann über eine Kommunikationspolitik, wenn Europa in einer Krise steckt. Nur wenn die Dinge schlecht stehen, hat die Kommission das Bedürfnis zu kommunizieren. Die Frage, die der Kommission gestellt werden muss, betrifft den tatsächlichen Inhalt ihrer Mitteilungen. Die Menschen betrachten die Kommission als ultraliberales Gremium, das kein Interesse daran hat, die europäischen Bürger vor den Stürmen der Globalisierung zu schützen.

Wir schulden es unseren Bürgern und der Demokratie, besser zu erklären, was in Brüssel geschieht. Die meisten europäischen Bürger sind sich der Errungenschaften nicht bewusst, die durch die Politik und die Finanzmittel der Europäischen Union ermöglicht wurden. Und überdies wissen sie zu oft nicht, dass jeder Beschluss Ergebnis des Willens der Mitgliedstaaten ist. Wenn Strom, Gas, Schienenverkehr und nun die Postdienste liberalisiert wurden, dann, weil die Mitgliedstaaten sie liberalisieren wollten. Ohne den Wunsch der Mitgliedstaaten wären diese Dinge nicht geschehen.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir weniger einen Verhaltenskodex der europäischen Institutionen für die Kommunikation mit den Bürgern brauchen, als vielmehr einen Verhaltenskodex für die Kommission, damit sie eine Politik verfolgt, die den Anliegen der Menschen stärker Rechnung trägt. Wir brauchen einen allgemeinen Verhaltenskodex für die Mitgliedstaaten, damit sie ihre Aufgaben erfüllen und endlich verhindern, dass europäische Erfolge der nationalen Politik und nationale Misserfolge der Kommission zugeschrieben werden. Das würde Europas Kapital erhöhen.

 
  
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  Karin Resetarits, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin! Man kann aus allem eine Wissenschaft machen und durchaus interessante Erkenntnisse haben. In diese Kategorie fällt das Weißbuch zur Kommunikation, über das wir heute abstimmen werden. Aber wenn das Haus brennt, sollte man tunlichst den Brandherd lokalisieren, eingrenzen und ein Löschgerät zur Hand nehmen und nicht über Feuer philosophieren, sonst brennt die Hütte ab.

Die EU hat ein massives Kommunikationsproblem. Ihr Image ist schlecht. Der schlimmste Vorwurf von den Bürgern ist, dass wir zu bürokratisch sind, unsere Gesetze zu abgehoben sind und ihnen nichts bringen. Natürlich stimmt das so nicht. Aber genau das müssen wir kommunizieren. Hier versagen wir oft.

Jüngstes Beispiel: die EU-Sicherheitsvorschriften über das Handgepäck beim Fliegen. Wer die Bürger darüber am Flughafen sprechen hört, erfährt, wie sehr sie sich darüber aufregen. Doch der Brandstifter ist in ihren Augen nicht Osama Bin Laden oder irgendeine andere Terrorfigur, sondern Brüssel. Wir sind es, die Schuld daran haben, dass sie nun nicht einmal mehr eine Wasserflasche mit an Bord nehmen dürfen. Wir werden verhöhnt, wenn wir 100-ml-Behälter verlangen, obwohl es solche Behälter im gesamten EU-Binnenmarkt nicht gibt.

Nun frage ich die Kommission, die ja genau dieses Geheimgesetz formuliert hat: Was haben Sie getan, um die Kommunikation in dieser Angelegenheit zu verbessern? Haben Sie an alle Fluggäste Flugblätter verteilt, in denen Sie die Bürger um Verständnis bitten? Ich habe nichts davon wahrgenommen. Haben Sie sich auf Medienberichte verlassen? Das ist zu wenig. Sie müssen sich direkt an die Bürger wenden, denn Sie greifen direkt in ihr Leben ein. Sie schränken mit diesen Sicherheitsbestimmungen ihre Freiheiten ein. Deshalb müssen Sie sehr gute Argumente haben. Das ist Kommunikationsarbeit.

Zweieinhalb Jahre sind wir nun damit beschäftigt, die Kommunikation zu verbessern, aber es sind nur Kopfgeburten herausgekommen. Das ist das Gegenteil von effizienter Kommunikation. Werden wir praktischer, konkreter, machen wir aus der Kommunikation keine reine Wissenschaft, sondern sehen wir darin einfach das, was sie tatsächlich ist: ein Werkzeug, vergleichbar mit einem Löschgerät, wenn es brennt.

 
  
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  Diamanto Manolakou, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Bislang hat die Europäische Union in ihren Informationsbroschüren und elektronischen Medien ihre volksfeindlichen Politiken auf die attraktivste Weise beschrieben, indem sie diese, auch wenn sie dem Kapital Nutzen bringen, so darstellt, als würden die Arbeitnehmer davon profitieren, wobei sie gegensätzliche Meinungen unter den Tisch fallen lässt; dennoch hat dies zu nichts geführt.

Die Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Lebenserfahrungen urteilen, beginnen, die Vision der Europäischen Union in Frage zu stellen. Das kam bei den erheblichen Stimmenthaltungen während der letzten Europawahlen, den Volksabstimmungen und dem „Nein“ zur Europäischen Verfassung in Frankreich und den Niederlanden, den Widerständen gegen den Euro und die Inflation sowie bei den großen Kundgebungen gegen Privatisierung (im Bereich Bildung, Gesundheit und Sozialfürsorge) und Beschäftigungsbeziehungen (Versicherungen und andere Themen) zum Ausdruck, Tatsachen, die belegen, dass die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union in den Augen des Volkes schwindet. Somit entwickelt sich langsam aber sicher die Tendenz zu immer heftigeren sozialen und politischen Konflikten.

Es hat den Anschein, als würde die Unzufriedenheit des Volkes in einen Kampf gegen die unmenschliche Politik der Armut, der Ungerechtigkeit und des Krieges umschlagen. Deshalb rekrutiert die Kommission in ihrem Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik alle Instrumente, angefangen bei ihren Institutionen, den Mitgliedstaaten, den nationalen Parlamenten, den Gebietskörperschaften und den Massenmedien, der Nutzung der Bildung in den neuen Technologien sowie dem Internet, um die öffentliche Meinung sowie die Probleme und die Unzufriedenheit des Volkes zu ergründen, und dabei bedient sie sich der Information, um ihre Propaganda zu verbessern.

Ihr Ziel besteht darin, mit dem Geld des Volkes, z. B. mithilfe des Programms PRINCE, und durch angebliche Informierungsmaßnahmen ihre Propaganda zu optimieren und sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Verfassung, die Europa militarisiert und das Volk zu noch weniger Rechten und zu permanenter Enthaltsamkeit verurteilt, angenommen und ihre Politik insgesamt toleriert und akzeptiert wird.

Sie konzentriert sich in ihren Bemühungen darauf, die Übermittlung der Informationen durch staatliche Rundfunksender, nationale und regionale Zeitungen und private Kanäle, von denen sich die überwiegende Mehrheit in den Händen des Kapitals befindet, sowie über das Internet und so weiter zu kontrollieren, um genau den Inhalt zu formulieren, der ihre imperialistische Europapolitik aufpoliert und sie in den Augen der Völker attraktiv und überzeugend macht.

In heuchlerischer Weise wird im Weißbuch unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit und der Verständlichkeit der von der Kommission verfolgten Politik eigentlich eine dynamische und aktive Kommunikationspolitik entwickelt. So möchte sie ihre einseitigen politischen Optionen durch verstärkten sozialen Dialog, der das unabdingbare reibungslose Funktionieren der Europäischen Union als eines Mechanismus des Kapitals, der gesellschaftlichen Zustimmung zu ihren politischen Optionen und/oder des Mittragens dieser Zielsetzungen gewährleisten soll, vertuschen.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański, im Namen der UEN-Fraktion.(PL) Herr Präsident! Wir haben guten Grund, die heutige Aussprache über eine europäische Kommunikationspolitik zu führen, denn es gibt keine solche Politik. Was wir gegenwärtig als Kommunikation bezeichnen, ist faktisch nichts anderes als bloße Propaganda. Die nach außen getragenen Worte und Argumente haben die Menschen nicht berührt und werden es auch nicht, denn was die Menschen wollen, ist Dialog und keine einseitige Propaganda. Solange die Leute mit fertig verpackten dogmatischen Lösungen bombardiert werden, werden sie nicht das Gefühl haben, an der Diskussion teilzunehmen, sie werden sich verschließen und in ihren Überzeugungen verharren. Wenn wir wirklich eine moderne Kommunikation oder, noch besser, einen sozialen Dialog wollen, müssen wir zunächst eine Antwort darauf finden, ob wir bereit sind, mit den Menschen zu sprechen. Wenn ja, dann sollten wir eine Debatte darüber einleiten, was die Europäische Union sein sollte. Sollte sie ein Bundesstaat oder ein in enger Kooperation verbundenes Europa von Ländern und Nationen sein? Wenn wir einen Dialog wollen, müssen wir die Ergebnisse der Verfassungsreferenden in Frankreich und Holland anerkennen und nicht starrköpfig zum Verfassungsentwurf zurückkehren, der bereits tot ist.

Hören wir auch auf mit der Diskussion darüber, ob es ein Europa für die Bürger ist oder ob die Bürger für Europa da sind, und bemühen wir uns stattdessen um eine große europäische Debatte über die Richtung, in der wir uns bewegen. Bringen wir Europa den Bürgern näher, nicht durch Propaganda, sondern durch gute Lösungen, eine klare Gesetzgebung, vereinfachte Verfahren, weniger Bürokratie, bürgerfreundliche Institutionen und die Möglichkeit der Diskussion zwischen gleichberechtigten Partnern.

 
  
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  Thomas Wise, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Die Kommunikationspolitik der EU, die in diesem Bericht untersucht wird, wurde ins Leben gerufen, um – und ich zitiere – „der Zunahme des Euroskeptizismus Einhalt zu gebieten“. Das ist eine weitere Reaktion darauf, dass die französische und niederländische Bevölkerung einhellig sowohl den Entwurf des Verfassungsvertrags als auch die weitere Integration abgelehnt haben.

Statt zu akzeptieren, dass „Nein“ eben „Nein“ bedeutet, gibt sich die politische Elite der Illusion hin, das französische und niederländische Volk hätten mit „Nein“ gestimmt, weil sie sich über die Bedeutung nicht im Klaren und nicht richtig informiert waren. Allerdings wurde unlängst ein Beamter der Kommission mit den Worten zitiert: „Angesichts der in Frankreich und den Niederlanden mit Referenden gemachten jüngsten Erfahrungen würden wir keinem raten, ein solches zu organisieren“. Die Menschen zu fragen, was sie wollen – das macht man einfach nicht.

Darf ich Ihnen einen Rat geben? Sie befinden sich in Schwierigkeiten, an denen Sie selbst schuld sind. Ich schlage vor, Sie hören auf, Ihr eigenes Grab zu schaufeln. Werfen Sie den Spaten einfach weg. Weshalb? Ganz einfach, weil Sie nicht verstehen, worum es geht. Es spielt keine Rolle, wie Sie Ihr Vorhaben auch verbrämen, wenn der Inhalt nichts taugt, dann wird es nie gelingen. Damit die Kommunikation erfolgreich ist, müssen Sie zuhören. Es bringt nichts, nur mehr Geschrei darum zu machen!

Die Institutionen sind nicht aufrichtig gegenüber den Menschen, die sie angeblich vertreten. Die Franzosen und die Niederländer haben das Vorhaben vereitelt, doch Sie machen weiter, als sei nichts geschehen. Lassen Sie mich Ihnen versichern, wenn dem britischen Volk die gleiche Gelegenheit gegeben wird, werden die Ergebnisse noch eindeutiger sein, und keine Kommunikationspolitik wird etwas an der wachsenden Erkenntnis ändern, dass quer durch alle Mitgliedstaaten das EU-Projekt ein teurer Misserfolg ist.

 
  
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  Philip Claeys (NI).(NL) Herr Präsident! In dem Bericht wird zwar zu Recht auf die Notwendigkeit einer Anhörung der Bürger hingewiesen, konkrete Lösungen werden aber leider nicht vorgeschlagen. Offensichtlich wird davon ausgegangen, eine bessere Kommunikationspolitik sei nur möglich, wenn es auch mehr Europa gibt, und daher werden die europäische Verfassung sowie europaweite politische Parteien befürwortet. Aus den Referenden in Frankreich und den Niederlanden scheint man nicht viel gelernt zu haben.

Zugegebenermaßen ist es natürlich schwierig, die Bürger mittels einer Kommunikationspolitik zu begeistern, wenn die übrige Politik im Widerspruch zur öffentlichen Meinung steht. Ich verweise beispielsweise auf die Erweiterungspolitik. Obwohl die Kommission und der Rat nur allzu gut wissen, dass die große Mehrheit der Europäer gegen den Beitritt eines nichteuropäischen Landes wie der Türkei ist, schert sie das nicht im Geringsten. Da kann man kommunizieren so viel man will, an der zwischen der öffentlichen Meinung einerseits und den europäischen Institutionen andererseits bestehenden Kluft wird sich jedoch nichts ändern.

In dem Bericht wird angedeutet, dass die Informationsbüros der Kommission nicht das Interesse der Bürger zu wecken vermögen. Das ist milde ausgedrückt. In Flandern z. B. ist die größte Partei des Landes, der Vlaams Belang, kein einziges Mal zu den in den Provinzen veranstalteten Debatten über europäische Themen eingeladen worden. Dies waren Debatten unter Gleichgesinnten, denn die einzige Partei, die der Erweiterungspolitik und der Verfassung kritisch gegenübersteht, durfte nicht daran teilnehmen. Mehr noch, Kommissarin Wallström hat diese Diskriminierung im belgischen Bundesparlament offen zugegeben. In meinem Land ist die so genannte europäische Kommunikation folglich pure Propaganda – Propaganda, die von niemandem ernst genommen wird und keinerlei Glaubwürdigkeit besitzt. Mit anderen Worten, sie ist Geldverschwendung.

 
  
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  Maria da Assunção Esteves (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Das Problem der Kommunikation zwischen dem Europa der Institutionen und dem Europa der Bürger wird schon viel zu lange ignoriert.

Europa hat noch kein politisches Zentrum gebildet, das seine Bürger begeistern und mobilisieren und ihre Unterstützung in diesen vom Wandel geprägten Zeiten gewinnen könnte. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: das Fehlen einer hinreichenden institutionellen Reform, der Vorrang der indirekten Vertretung im Rat vor der direkten Vertretung im Parlament sowie die Dominanz der Bürokratie und der Arbeit hinter verschlossenen Türen über echte Bemühungen um Öffentlichkeit und Information.

Das Eurobarometer erinnert uns daran, dass die Menschen die europäischen Institutionen als eine ferne oder sogar fremde Freiheit ansehen. Sie haben von einigen nicht einmal die geringste Vorstellung. Die Straße ist weit entfernt von den Machtzentren, und das politische System reagiert nicht auf das soziale Umfeld. Die Wahrheit ist doch, dass die transnationale, kosmopolitische Unionsbürgerschaft nur existiert, wenn sie aus politischen Gründen übergestülpt wird, weil sie eben nicht die spontane Kraft unserer Staatsbürgerschaften besitzt. Deshalb müssen wir dringend die strategische Bedeutung der gängigen Massenmedien begreifen; wir müssen dringend Europa als Fach in die Lehrpläne von Schulen, Hochschulen und Ausbildungszentren einführen; wir müssen dringend unsere Institutionen über die Medien in die Öffentlichkeit bringen; wir müssen dringend die Arbeit ernster nehmen, die die Informationsbüros in den Mitgliedstaaten leisten; und auf keinen Fall darf das Verfassungsprojekt für die Umgestaltung Europas verworfen werden: Ohne eine ernst gemeinte Reform der Institutionen und ohne eine wirksame Informationspolitik wird Europa ein Riese mit bleiernen Füßen sein.

 
  
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  Christa Prets (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Wir haben gerade von den Referenden zum Entwurf einer Europäischen Verfassung in den Niederlanden und in Frankreich gehört. Man sollte auch die Gründe dafür klarlegen, warum man hier so abgestimmt hat, denn dies ist nicht auf ein Versagen der Europäischen Union zurückzuführen. Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung hat ja bereits für die Verfassung gestimmt!

Dennoch muss man über die Kommunikation nachdenken. Mit dem Weißbuch liegen einige praktikable Vorschläge auf dem Tisch. Aber um das Wissensdefizit abzubauen, ist es notwendig, eine qualitativ hochwertige Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen auszubauen und zu forcieren. Dazu gehören verstärkt Infopoints, die den Bürgerinnen und Bürgern, die oft genug plan- und orientierungslos durch die Städte laufen und Ansprechpartner suchen, kompetente Antworten geben können. Wir brauchen verstärkt Medien auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene. Hier ist es häufig so, dass die meisten Medien negative Berichterstattungen abgeben.

Aber auch der Rat spricht in Brüssel oder hier in Straßburg mit einer anderen Sprache, als das die Bürgerinnen und Bürger von zuhause kennen: Die EU ist schuld daran, dass die eine oder andere Entscheidung zum Negativen getroffen wurde. Auch hier muss man ansetzen! Daher ist es wichtig – so wie auch im Bericht gefordert –, den Dialog mit dem Rat, der Kommission, dem Parlament, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu fördern. Dann werden wir vielleicht eine Chance haben!

Ich bin dafür, die Bedeutung der Programme zu unterstreichen. Wir haben beispielsweise die Programme Leonardo und Erasmus, die viel zur Kommunikation beitragen. Aber wir kürzen deren Mittelausstattung, anstatt sie aufzustocken. Die aktive Bürgerschaft, Städtepartnerschaften usw. sind wichtige Dinge, die wir brauchen und die besser sind als zahllose Broschüren; und gerade hier wird gekürzt – leider am falschen Platz!

Artikel 308 wäre eine Schwächung des Parlaments! Das Parlament ist in diesem Artikel überhaupt nicht erwähnt. Wir wären außen vor, und dagegen müssen wir uns wehren!

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE).(FR) Herr Präsident, ein Weißbuch über die europäische Kommunikationspolitik – welch wunderbare Idee! Aber was für eine Idee, so lange damit gewartet zu haben! Wie bereits gesagt wurde, war dies sicherlich das einzig Gute, was bei der Ablehnung der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden herausgekommen ist. Es hat die führenden Politiker Europas mit ihrer enormen Verantwortung im Bereich der Kommunikation konfrontiert. Europa leidet nicht unter einem Demokratiedefizit, der Vorwurf ist ungerecht, sondern an einem Mangel an Information, Erklärungen und angemessener, interaktiver und verständlicher Kommunikation.

Obwohl ich das Weißbuch begrüße, bedauere ich, dass es sich auf einen Katalog von Fragen und Grundsätzen beschränkt. Die Zeit, über Foren, Konsultationen, Umfragen und Netze zu sprechen und über mögliche Maßnahmen nachzudenken, ist vorbei – nun ist es Zeit zu handeln.

Die drei wichtigsten Punkte in diesem Dokument sind meines Erachtens die Punkte 23, 24 und 32. Mit dem Bildungssystem kann die Schlacht um die europäische Unionsbürgerschaft gewonnen werden. Wir erfahren dies täglich bei unseren Begegnungen mit Studenten. An den Hochschulen werden dank Erasmus die wirklichen Bürger Europas gemacht, durch den direkten Kontakt mit unseren Kulturen und unseren Unterschieden. Wir müssen mit den traditionellen Medien, denn ich glaube nicht an die alternativen Medien, daran arbeiten, den Wert unserer tagtäglichen Arbeit hervorzuheben und den Nutzen unserer Rechtsvorschriften aufzuzeigen.

Herr Präsident, lassen Sie mich abschließend sagen, dass dies eine große Herausforderung ist, und diese Aussprache entscheidende Bedeutung hat, denn die eigentliche Bedrohung ist heute in Europa nicht Skepsis, sondern Gleichgültigkeit. Diese müssen wir bekämpfen, und unsere Waffe heißt Kommunikation.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche im Namen der Neuen Sozialistischen Partei Italiens. Ich stimme mit der Kommission dahingehend überein, dass die Organe, nicht zuletzt durch eine wirksame Kommunikationspolitik, den Bürgern näher gebracht werden müssen.

Dennoch teile ich die Ansicht des Berichterstatters, dass die Festlegung einer gemeinsamen Politik für alle Organe sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Möglichkeiten für erforderliche Anpassungen der Kommunikation an die verschiedenen Aktionsbereiche sowie an die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen beschränken würde. Ein Rechtsrahmen in diesem Bereich würde einen Sektor, der von der Spontaneität und Kreativität lebt, nur unnötig belasten. Wir sollten nicht vergessen, dass die Kommunikation ein Mittel und kein Selbstzweck ist: Wenn wir die Bürger wieder mit den Institutionen verbinden wollen, müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit sie ihnen näher gebracht werden und den vor Ort gestellten Forderungen Gehör schenken.

Deshalb müssen wir überflüssige Rechtsetzungsmaßnahmen vermeiden, uns mit Politikmaßnahmen und Aktionen befassen, die sich wirklich positiv auf Wachstum und Entwicklung auswirken, den Verfassungsentwurf wiederbeleben, die Effizienz steigern und vor allem Schluss machen mit diesem lächerlichen und sehr teuren monatlichen Wechsel. Wenn wir in der Lage sind, all das zu tun und auch zu vermitteln, werden wir den Bürgern viel näher sein.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE).(HU) Herr Präsident! Einer verbreiteten Theorie zufolge war es die Fähigkeit zur Sprache, das heißt, zur Kommunikation, die die Menschen über ihre Umgebung erhob. Da ich kein Verhaltensforscher bin, weiß ich nicht, ob das wirklich so war oder ob auch andere Faktoren dabei eine Rolle spielten. Unbestritten ist jedoch, dass der Mensch das kommunikativste Wesen auf Erden ist. Mit anderen Worten, fortgeschrittene Kommunikation ist ein natürliches Unterscheidungsmerkmal der Menschheit.

Das Problem besteht darin, dass nicht nur wir Menschen kommunizieren wollen, sondern auch die Institutionen, Organisationen und Gruppierungen, die wir schaffen – was nicht zum Wesen oder zur Natur dieser Institutionen gehört. Wenn wir auf die Geschichte zurückblicken, gelangen wir zu der Schlussfolgerung, dass die Institutionen, die für die Organisation und die Lenkung unseres Lebens verantwortlich sind, nicht immer um qualitativ hochwertige Kommunikation bemüht gewesen sind, sondern sich faktisch oft ausdrücklich von ihr abgeschottet haben. Das Bemühen um eine immer vollkommenere Kommunikation mit der Gesellschaft ist ein Wesensmerkmal der Demokratie, und sie wurde möglich durch die Revolution in der Telekommunikation im 20. Jahrhundert. Ohne Rundfunk, Fernsehen und Internet wären wir außerstande, heute über diese Frage zu sprechen.

Im Licht des gerade Gesagten bekräftige ich, dass die Europäische Union eine der offensten und kommunikativsten Organisationen ist, die wir je in Europa hatten. Natürlich ist sie nicht perfekt, weit davon entfernt, aber bis heute ist sie die beste. Sie könnte weniger Fachausdrücke oder Abkürzungen verwenden, ihre Konzepte könnten klarer und verständlicher sein und so weiter.

Doch all dies wäre wertlos, wenn es der EU, als Kommunikator, an Glaubwürdigkeit mangelte. Ohne Glaubwürdigkeit kommt selbst eine verständliche Botschaft nicht an. Und in dieser Hinsicht muss auch noch etwas anderes gesagt werden: Die größten Vernichter der Glaubwürdigkeit der Union sind niemand anderes als die Politiker und die Regierungen ihrer Mitgliedstaaten. Sie sind diejenigen, in deren Erklärungen die EU als alleinige Ursache von Schwierigkeiten hingestellt wird, während die positiven Leistungen der EU stets als Errungenschaften der jeweiligen Regierung präsentiert werden. Auch diesem Weißbuch wird nur dann Erfolg beschieden sein, wenn sich die Mitgliedstaaten zur Entwicklung und Unterstützung einer neuen, gemeinsamen europäischen Kommunikationspolitik verpflichten.

 
  
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  Maria Badia i Cutchet (PSE).(ES) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! In der Debatte über diesen Bericht werden wir wieder über die Kluft sprechen, die zwischen den Gemeinschaftsinstitutionen und den Bürgern besteht und wie sie überwunden werden kann.

Obwohl ich die großen Anstrengungen der Kommission und dieses Parlaments zu Überbrückung dieser Kluft anerkenne, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Medien und auch die nationalen Parlamente einbezogen werden.

Nach einer weit verbreiteten Ansicht glauben die Medien der Mitgliedstaaten, dass die Ereignisse hier nicht berichtenswert oder für die Bürger im Allgemeinen nicht von Interesse sind. Als ersten Schritt sollten wir daher die Medien direkter einbeziehen, damit sie uns helfen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und den Bürgern die Gemeinschaftsdimension näher zu bringen, ohne dass dabei Fachjargon zur Anwendung kommt. Eine solche Zusammenarbeit würde uns wahrscheinlich auch ermöglichen, die aktuellen Nachrichten der Europäischen Union zu Tageszeiten zu übermitteln, an denen wir eine besonders hohe Zahl von Zuhörern und Zuschauern erreichen können.

Unsererseits müssen wir die Arbeit dieser Fachleute unterstützen, wobei wichtig ist, dass wir die Verfahren vereinfachen und transparenter gestalten. Es muss eine Zusammenarbeit und ein gemeinsames Handeln mit den nationalen Parlamenten geben, um von ihnen über die Anliegen und Sorgen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene informiert zu werden und so nebenbei eine Rückmeldung über Fragen zu erhalten, die auch die europäische Politik betreffen.

Ferner glaube ich, dass wir das Internet weiterhin als eines der Hauptmedien zur Verbreitung von EU-Informationen betrachten sollten. Dennoch greift nur ein Teil der Öffentlichkeit, der schon interessiert ist, auf das Internet zurück. Andere Menschen nutzen nur traditionelle Medien – Fernsehen, Rundfunk – über ihre jeweiligen nationalen, regionalen oder lokalen Kanäle und Stationen.

Die neuen Technologien können einen neuen Horizont auf diesem Gebiet eröffnen und verschiedene Dienstleistungen und Produkte einbeziehen, die es möglich machen, Informationen über verschiedenste Kommunikationskanäle weiterzugeben und damit eine größere Zahl von Menschen zu erreichen.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich gratuliere dem Berichterstatter.

In der mir zur Verfügung stehenden kurzen Zeit möchte ich von der Strategie sprechen, die ein ehemaliger Präsident dieses Parlaments, Pat Cox, angewandt hat, um den Bürgern das Projekt Europa besser zu vermitteln. In einer berühmten Rede begann er, über die örtlichen Auswirkungen auf eine kleine Gemeinde im Süden Irlands zu sprechen, die von europäischen Vorschriften Gebrauch machte, um ihre Telefondienste aufrechtzuerhalten. Dann ging er zur globalen – beziehungsweise europäischen – Ebene über und sprach über europäische Werte und Themen wie die „Blaue Flagge“-Strände, die europäische Krankenversicherungskarte und andere Vorteile, die europäische Bürger haben. Das ist eine gute Strategie – über den Mehrwert zu sprechen, den Europa auf lokaler, regionaler, europäischer und globaler Ebene bringt.

Nehmen Sie nur diese Woche und die zwei Rechtsakte, die wir verabschiedet haben. Wir haben eine Änderung zum Århus-Übereinkommen angenommen, das bereits die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren sowie den Zugang zum Gericht in Umweltfragen garantiert. Dem haben wir noch die GVO hinzugefügt. Damit können wir auf der individuellen lokalen Ebene etwas bewirken, wo die Bürger auf das Geschehen Einfluss nehmen können. Außerdem haben wir die Dienstleistungsrichtlinie angenommen. Auch die wird positive Folgen für unsere Bürger haben.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik sollte die Zunahme der Euroskepsis in Anbetracht der Ergebnisse der Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden stoppen. Das ist die raffinierte Strategie, mit der versucht werden soll, die Kluft zwischen der Union und ihren Bürgern zu überbrücken, anstatt aufzuhören, durch abstrakte Vorstellungen und Schikanen Verordnungen und Richtlinien aufzuzwingen.

Ich stimme vollkommen mit dem Berichterstatter überein: Durch das Vorschreiben von Verhaltensnormen, an die sich alle EU-Institutionen zu halten hätten, würde die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt. Das gilt umso mehr für das Parlament, dessen ohnehin sehr enge Freiräume – man schaue sich nur das Verfahren für die Wahl des Präsidenten an oder die Art und Weise, wie die Redezeit der Fraktionslosen beschnitten und deren Recht zur Einflussnahme auf den Gesetzgebungsprozess verletzt werden – durch einen Kodex für die Kommunikationsverfahren weiter begrenzt würden. Es wird Zeit, Schluss zu machen mit der Verschwendung von Mitteln für eine absurde Propaganda!

 
  
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  Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Die Europäische Union ist schwer vermittelbar. Das ist keine Aussage zum europäischen Arbeitsmarkt, sonder ein Fakt zum Thema EU-Information. Europa betreut hoch komplexe Inhalte, unsere Verfahren sind langwierig und mühselig. Daher ist es schwer, den Bürgern Europas begreiflich zu machen, was sie von Europa haben.

Zum Teil sind wir aber auch selbst schuld an dieser Misere. Die Europäische Kommission findet es vor lauter Objektivitätsbemühen unmöglich, ein klares und deutliches Ja zur europäischen Verfassung zu sagen. Unsere Verwaltung im Parlament tut alles, um Besucher in Brüssel und Straßburg soweit wie möglich im Hinterzimmer oder im Keller wegzusperren.

Daher brauchen wir eine neue und bessere Information und keinen Streit um die Rechtsgrundlage. Wir brauchen gut gemachte redaktionell aufbereitete Fernsehberichte über europäische Arbeit, von der die Menschen etwas haben. Wir brauchen keine Hochglanzbroschüren, die niemand liest und die jeder wegwirft.

 
  
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  Andrew Duff (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Es wäre ein großer Fehler, wenn wir uns mit der Rechtsetzung auf diesem so heiklen Gebiet beschäftigen würden. Ein EU-Mediengesetz wäre zweifelsohne kompliziert, kontrovers und unpopulär. Daher spricht sich meine Fraktion nachdrücklich gegen die Anwendung von Artikel 308 aus, was weder notwendig noch geeignet ist. Wir bevorzugen voll und ganz den ursprünglichen pragmatischen Vorschlag der Kommission für einen Verhaltenskodex.

 
  
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  Alejo Vidal-Quadras (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Am 1. Februar 2006 legte die Kommission das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik vor. Der Bericht von Herrn Herrero, der im Ausschuss für Kultur und Bildung mit breiter Mehrheit angenommen wurde, greift die Kernpunkte der Kommission auf, führt aber auch ein neues Schlüsselelement ein, das in diesem Parlament und auf interinstitutioneller Ebene zu einer ernsten und tief greifenden Debatte geführt hat.

In Punkt 10 des Berichts von Herrn Herrero wird die Kommission aufgefordert, die Möglichkeit zu prüfen, auf der Grundlage von Artikel 308 des EG-Vertrags ein europäisches Informations- und Kommunikationsprogramm aufzulegen.

In meiner Eigenschaft als Vizepräsident dieses Parlament, der für Information und Kommunikation zuständig ist, habe ich diese Debatte sehr aufmerksam verfolgt und muss darauf hinweisen, dass die interinstitutionelle Gruppe ihre Unterstützung für die Schaffung einer Rechtsgrundlage erklärt hat, und dass ihr, wie Herr Herrero sagte, alle Institutionen gefolgt sind. Meine Schlussfolgerung lautet, ein Versuch lohnt sich.

Ich bin mir der Vorbehalte bewusst, die dieser Vorschlag hervorruft. Sie alle betreffen einen Verlust an parlamentarischer Kontrolle, was seltsam anmutet, meine Damen und Herren, denn es ist schwierig, etwas zu verlieren, was man nicht hat.

Es gibt jedoch drei Punkte, die wir beachten müssen. Erstens wird in dem Bericht deutlich gemacht, dass, wenn die Kommission einen Vorschlag unterbreitet, das Parlament voll an der Erarbeitung seines Inhalts mitwirken muss. Zweitens verfügt das Parlament über das schlagkräftige Instrument der Haushaltskontrolle. Und drittens gibt es eine interinstitutionelle Gruppe für Kommunikation, deren Aufgabe in der Aufstellung der grundlegenden Leitlinien für die Kommunikationspolitik besteht.

Wir müssen Mut haben und eine Kommunikationsstrategie schaffen, die es möglich macht, Europa mit Vernunft, aber auch mit Enthusiasmus, Leidenschaft und Gefühl zu präsentieren, zu erklären und zu verteidigen.

Deshalb möchte ich meine vorbehaltlose Unterstützung für den Bericht von Herrn Herrero und seinen Vorschlag zur Erarbeitung eines Programms auf der Grundlage von Artikel 308 des EG-Vertrags zum Ausdruck bringen.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich muss zugeben, dass mich diese Diskussion etwas befremdet hat. Im Weißbuch über eine neue Kommunikationspolitik haben wir vor allem versucht, die Probleme mit früheren Kommunikationspolitiken zu analysieren und herauszufinden, was wir genau tun müssen, um die Informationsrechte der Bürger auf demokratische Weise zu gewährleisten und ihr Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung in Europa sicherzustellen.

Wir haben fünf Handlungsbereiche herausgearbeitet. Gemeinsame Grundsätze sind festzulegen, darunter Meinungsfreiheit, Vielfalt, Eingliederung und Einbeziehung. Wir müssen die Rolle der Bürger stärken. Wir müssen sie auf unterschiedlichste Weise einbeziehen, angefangen bei der politischen Bildung, durch die sie grundlegendes Wissen über das aktuelle Geschehen erhalten, bis hin zur Mitwirkung in der Zivilgesellschaft. Wir dürfen die neuen Medien und neuen Technologien nicht außer Acht lassen. Wenn wir glauben, dass es ausreicht, einen Artikel in der „Financial Times“ zu veröffentlichen, um mit den Bürgern zu kommunizieren, dann tut es mit leid – wir haben das Jahr 2006, und die Meinungsbildung erfolgt auf vielfältigste Weise.

Die wirkliche Kluft besteht, wie jemand auf einer unserer Konferenzen der Interessengruppen erklärte, zwischen den Entscheidungsträgern und den Internetnutzern.

Wenn Sie sich einmal die Kampagne in Frankreich ansehen, so wurde auf den meisten Websites zum Thema Verfassung zur Ablehnung aufgerufen. Wo waren die, die für „Ja“ werben wollten? Sie haben das Internet nicht genügend genutzt. Wir müssen verstehen lernen, was auf dem Gebiet der neuen Technologien passiert, und solche Entwicklungen aufgreifen.

Im vierten Kapitel geht es darum, sich ein Bild von der öffentlichen Meinung zu machen. Wir müssen an die Beobachtung der öffentlichen Meinung und die Art und Weise, wie wir damit umgehen, professioneller herangehen. Wie viele von Ihnen gesagt haben, müssen wir diese Aufgabe gemeinsam meistern. Alle Institutionen und Organe müssen Verantwortung übernehmen.

In dieser Aussprache haben uns einige vorgeworfen, wir würden Propaganda machen, sobald wir irgendetwas unternehmen. Und andere scheinen der Ansicht zu sein, dass es ausreicht, die Zahl der Europe Direct-Info Points in Europa zu erhöhen. Das genügt aber nicht. Wir brauchen eine ernsthafte Kommunikationspolitik als ein Instrument der Demokratie, als ein Instrument für die Bürger. Sie haben ein Recht darauf, alles besser zu verstehen. Sie haben ein Recht, an einem öffentlichen Bereich teilzuhaben, in dem es eine wahrhaft europäische politische Kultur und wahrhaft gesamteuropäische Medien gibt, die über die laufende Debatte informieren und uns helfen, diese zu verstehen und sie zu verfolgen. Ferner müssen wir Treffpunkte für die Bürger schaffen, an denen sie sich einbringen können.

Sie sagen, wir hätten in Europa bereits Demokratie. Allerdings haben wir ein partizipatorisches Defizit. Die Mehrheit der Bevölkerung sagt nach wie vor, sie wisse nur sehr wenig oder nicht genug über die Europäische Union und ihre Institutionen und Organe, sie sei nicht in der Lage, das Geschehen im Europäischen Parlament oder in der Kommission zu verfolgen. Können wir einfach sagen, dass es uns egal ist, und wie bisher weitermachen? Wir müssen die Art und Weise verändern, wie wir mit den Bürgern kommunizieren, und es ist ihr Recht, sich mit uns auseinanderzusetzen.

Wir werden uns mit all den Dingen, die Sie erwähnt haben, weiter befassen. Die Zahl der Europe Direct-Zentren wurde ständig erhöht. Es gibt im Moment 400, und zum ersten Mal haben wir auch im Vereinigten Königreich welche eingerichtet. Im kommenden Jahr wird ihre Zahl um 30 neue Zentren zunehmen, und wir werden auch weiterhin unserer Verpflichtung nachkommen, die Bürger zu informieren, aber das reicht noch nicht. Hier geht es nicht nur um Informationen, sondern um Kommunikation. Wir müssen das Ganze zu einem Prozess machen, der in beide Richtungen geht.

Unsere Bürger erhalten ihre Informationen größtenteils über den Rundfunk und das Fernsehen. Daher müssen wir sicherstellen, dass wir Rundfunk und Fernsehen auf allen Ebenen unterstützen, so dass sie den Bürgern über das Geschehen berichten können. Auch das gehört zu unserer Politik.

Wir werden die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 einer Revision unterziehen, weil der Zugang zu Informationen unabdingbar ist. Transparenz, Offenheit und Zugang zu Informationen sind das Herzstück einer neuen Kommunikationspolitik.

Natürlich diskutieren wir über den Inhalt der Maßnahmen: Das steht im Mittelpunkt unserer gesamten Tätigkeit. Ein guter Inhalt oder eine gute Politikgestaltung kann nicht durch eine Kommunikationspolitik ersetzt werden. Deshalb befassen wir uns mit dem Plan D, in dessen Rahmen wir die Bürger aufrufen, sich an der politischen Aussprache über die Zukunft Europas zu beteiligen.

Die Vorschläge für praktische Maßnahmen wie Agora nehmen wir sehr ernst, denn sie sind außerordentlich wichtig.

Wir haben die Probleme untersucht, die sich aus dem Fehlen einer echten Kommunikationspolitik ergeben. Weiterhin haben wir die fünf Handlungsbereiche festgelegt. Wir erwarten eine ernsthafte Antwort vonseiten des Europäischen Parlaments, ob dies die richtigen Bereiche sind. Wenn Sie andere Vorschläge haben, wären wir sehr gern bereit, praktische Maßnahmen zu erarbeiten und dann zurückzukommen, um die erforderlichen Haushaltsmittel zu beantragen. Wir werden das mit einer Reformierung unserer eigenen Arbeitsweise verbinden, damit wir professioneller, offener, transparenter und demokratischer werden.

Ich bedanke mich bei Ihnen für diese Aussprache und hoffe, dass wir auch weiterhin diese äußerst wichtigen Prinzipien besprechen, damit eine Kommunikationspolitik geschaffen wird, die für die Europäische Union und alle ihre Institutionen und Organe richtig ist.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Danke, Frau Kommissarin.

Ich habe darauf gebrannt, an dieser Aussprache teilzunehmen. Die Frau Kommissarin hat die Dinge äußerst aufrichtig dargelegt, und ich danke ihr, so überzeugend gesprochen zu haben. Aber ich würde meine Rolle überschreiten, wenn ich noch mehr sagen würde.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet heute um 12 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Zita Gurmai (PSE). – (EN) Wenn die Kommunikation pragmatisch sein soll, muss sie auf einem regelmäßigen Dialog mit den europäischen Bürgern sowie der Erörterung und Klarstellung der gemeinschaftlichen Ziele und Strategien beruhen, die auf die Entwicklung des erfolgreichen europäischen Aufbauwerks abzielen. Die EU trägt einen Teil der Verantwortung, während die Mitgliedstaaten für den anderen Teil zuständig sind. Das wichtigste Ziel besteht in der Effektivität. Deshalb muss die Kommunikation zielorientiert sein und auf einer Rechtsgrundlage beruhen.

Unabdingbar ist, dass die dynamische europäische Gesellschaft selbst eine entscheidende Rolle spielt. Die Kommunikation muss alle Mitglieder der Gesellschaft mithilfe einer Vielzahl von Instrumenten erreichen. Dazu gehören traditionelle Methoden und die neue Kommunikationstechnologie. Die Kommunikation muss durch eindeutige Botschaften, klare Zielvorstellungen von Europa und europäische Politiken in der Muttersprache der Bürger erfolgen.

Die Bürger Europas möchten die Union als ein Modell für Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit, sozialen Zusammenhalt und Solidarität sehen und möchten das Gefühl haben, dass sie Teil des Entscheidungsfindungsprozesses sind. Richtige Kommunikation darf jedoch nicht nur aus Erfolgsgeschichten, beispielhaften Praktiken, Mehrwert bestehen, sondern muss auch die Herausforderungen und Probleme beinhalten, für die sich unsere Gesellschaften wappnen und gemeinsame Lösungen finden müssen. Darauf müssen wir hinarbeiten.

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE).(HU) Skeptizismus, eine gescheiterte Verfassung und zunehmende Unsicherheit hinsichtlich des Erweiterungsprozesses, der neuen Mitgliedstaaten und auch der Union selbst – das sind die Folgen einer unzureichenden europäischen Kommunikationspolitik. Angesichts dessen sollten wir das Weißbuch der Kommission und deren Absicht, die Kommunikation zwischen der Union und ihren Bürgern zu verbessern, begrüßen. Die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit, die sich aus Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzt, die über ihre eigenen nationalen Grenzen hinaus gut informiert sind, muss zweifellos das Ziel einer wirksamen europäischen Kommunikationspolitik sein.

Einerseits müssen wir an unserer Information über die Funktionsweise und die Ziele der europäischen Institutionen erhebliche Verbesserungen vornehmen, und andererseits müssen wir imstande sein, den Bürgerinnen und Bürgern in den Mitgliedstaaten zuzuhören und sie zu aktiven Teilnehmern an der Gestaltung europäischer Politik zu machen. Am wirksamsten müssen wir diese Bürgerinnen und Bürger auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene erreichen, und deshalb können wir unsere Informationen nur dann effektiver bereitstellen, wenn wir die Kommunikation verstärken und den Informationsfluss zwischen diesen Ebenen und den EU-Institutionen wirksamer gestalten.

Es reicht nicht aus, lediglich geeignete Zwei-Wege-Kommunikationskanäle zu schaffen, sondern die Botschaft selber muss klarer und verständlicher sein. Daher müssen wir aufhören, einen EU-Fachjargon zu verwenden, den selbst ein sachkundiges Publikum oft nur schwer versteht. Das europäische Projekt und sein Erfolg hängen unter anderem von Menschen ab, die Gegenstand und Zweck dieses Projekts sind – den Unionsbürgerinnen und –bürgern –, die es zu ihrem eigenen machen.

 

4. Übermittlung von Gemeinsamen Standpunkten des Rates: siehe Protokoll
  

VORSITZ: ANTONIOS TRAKATELLIS
Vizepräsident

 

5. Erklärung des Präsidenten
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  Der Präsident. – Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen eine Mitteilung machen. Mit großer Erleichterung haben wir die Nachricht aufgenommen, dass die Todesstrafe gegen Herrn Mirza-Tahir Hussain, einem in Pakistan inhaftierten britischen Staatsbürger, aufgehoben wurde.

Der Präsident des Europäischen Parlaments und die Abgeordneten des Hauses haben enorme Anstrengungen unternommen, um das Leben von Herrn Mirza-Tahir Hussain zu retten. In diesem besonderen Falle können wir alle die Tatsache begrüßen, dass die Botschaft, die das Parlament ausgesandt hat, erhört worden ist.

(Lebhafter Beifall)

 

6. Abstimmungsstunde
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.

(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)

 

6.1. Fischereiabkommen EU/Mauretanien (Abstimmung)
  

– Nach der Abstimmung:

 
  
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  Véronique De Keyser (PSE).(FR) Herr Präsident, da wir beim letzten Mal einige Probleme mit der namentlichen Abstimmung durch Handzeichen hatten, möchte ich gern wissen, warum wir heute eine namentliche Abstimmung hatten, die in meiner Abstimmungsliste nicht einmal angegeben ist.

 
  
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  Der Präsident. – Weil eine Fraktion darum gebeten hat.

 

6.2. Lage in Gaza (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Ziffer 4:

 
  
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  Pasqualina Napoletano (PSE). – (IT) Herr Präsident, an das Ende von Ziffer 4 sollte der folgende Satz angefügt werden: „verurteilt den kürzlich erfolgten Raketenangriff auf Sderot und die Tötung unschuldiger israelischer Zivilisten“.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

 

6.3. Übereinkommen über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ), Splitterbomben und konventionelle Waffen (Abstimmung)

6.4. Eine Strategie für die Ostseeregion im Rahmen der Nördlichen Dimension (Abstimmung)

6.5. Umsetzung der europäischen Sicherheitsstrategie im Kontext der ESVP (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 21:

 
  
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  Karl von Wogau (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident! Hier ist ein redaktionelles Problem aufgetreten. Deswegen schlage ich vor, dass wir beim Änderungsantrag 21 entgegen der von mir vorgeschlagenen Abstimmungsliste mit Nein stimmen.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 7:

 
  
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  Helmut Kuhne (PSE). – Herr Präsident! Ich bin von der Fraktion der Liberalen gefragt worden, ob ich eine kleine Änderung vornehmen kann. Das kann ich gerne tun, weil sie die politische Stoßrichtung überhaupt nicht verändert. Die letzte Zeile lautet dann:

würde die Bereitschaft der Vereinigten Staaten zur Teilnahme an diesen Verhandlungen mit dem Iran begrüßen.“

Ich werde also die Anregung der Liberalen gerne aufgreifen und den Text entsprechend abändern.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

 

6.6. Erb- und Testamentrecht (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 3:

 
  
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  Maria Berger (PSE). – Herr Präsident! Ich schlage folgende Abänderung unseres Änderungsantrags 3 vor: Im englischen Text soll das Wort testator zweimal durch deceased ersetzt werden, und die Frist für das Vorhandensein eines Wohnsitzes soll von drei auf zwei Jahre verkürzt werden.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 1:

 
  
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  Maria Berger (PSE). – Herr Präsident! Mit diesem Änderungsantrag sollen einige Wörter aus dem ursprünglichen Text unseres Berichterstatters gestrichen werden, allerdings wurden einige Wörter zu viel gestrichen. Die Wörter with binding effect sollen stehen bleiben und nicht gestrichen werden.

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

 

6.7. Frauen in der internationalen Politik (Abstimmung)

6.8. Bekämpfung des Menschenhandels: ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 4:

 
  
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  Lissy Gröner (PSE). – Herr Präsident! Wir möchten gerne Absatz 1 Teil 2 überprüft haben. Wir haben das rechtzeitig angekündigt. Bitte überprüfen Sie die Abstimmung.

 
  
  

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 21:

 
  
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  Edit Bauer (PPE-DE), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen bitten, das Ersetzen von Änderungsantrag 21 durch einen klareren Text, der wie folgt lautet, zu akzeptieren: „die Kommission sollte im Zusammenhang mit dem Rahmenbeschluss des Rates über die Bekämpfung des Menschenhandels gegen das Problem des Kinderhandels im Sportsektor vorgehen, wobei besonderes Augenmerk auf Fälle gelegt werden sollte, in denen Vereine sehr junge Kinder unter Vertrag nehmen, um die Home-grown-Regelung zu umgehen.“

 
  
  

(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen den mündlichen Änderungsantrag.)

 

6.9. Jahresbericht 2005 des Bürgerbeauftragten (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung:

 
  
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  Andreas Schwab (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident! Ich möchte gerne zur Geschäftsordnung sprechen. Wir haben heute morgen mit dem Europäischen Bürgerbeauftragten die Frage diskutiert, welche Kontrollkompetenzen er über die europäische Personalagentur EPSO ausübt, und er hat uns bestätigt, dass er diese Kompetenzen ex officio ausübt. Deswegen würde ich gerne die Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir heute morgen diskutiert haben, darum bitten, dass wir den Änderungsantrag 1 der Kollegin Panayotopoulos-Cassiotou gemeinsam annehmen, weil er bestätigt, was der Europäische Bürgerbeauftragte gesagt hat.

 

6.10. Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Ziffer 44:

 
  
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  Marc Tarabella (PSE).(FR) Herr Präsident, ich habe den Eindruck, dass hier eine Verwechslung vorlag. Wir hatten in der Tat über den zweiten Teil von Ziffer 44 abgestimmt, auf dem Bildschirm wurde jedoch Ziffer 44, erster Teil, angezeigt. Vielleicht gab es hier ein wenig Verwirrung.

 
  
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  Vittorio Agnoletto (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, ich wollte in Bezug auf die vorangegangene Abstimmung lediglich bestätigen, dass Ziffer 44 Teil 1 angezeigt wurde, und nicht Ziffer 44 Teil 2, bei der letzten Abstimmung, die vorgenommen wurde. Das hat große Verwirrung gestiftet.

 
  
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  Der Präsident. – Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.

 

7. Stimmerklärungen
  

- Lage in Gaza (RC-B6-0588/2006)

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – (EN) Mit meiner Unterstützung dieser gemeinsamen Entschließung möchte ich die Forderung unterstreichen, dass die EU nun alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente, also auch das Assoziationsabkommen mit Israel, nutzen muss, damit der Gewalt im Gazastreifen, die die Palästinenser zu einem schleichenden Tod verurteilt und die Gefahr eines Brandes im gesamten Nahen Osten heraufbeschwört, ein Ende gesetzt wird. Als demokratischer Staat muss sich Israel Fragen stellen. Gesetzlosigkeit darf nicht mit Gesetzlosigkeit beantwortet werden. Die israelische Regierung muss ihre Gaza-Blockade beenden, und die Hilfe für Palästina muss umgehend wieder aufgenommen werden; die Regierung der nationalen Einheit ist zu unterstützen.

Ich unterstütze die Forderung nach einer internationalen Untersuchung der möglichen Verwendung von Massenvernichtungswaffen durch israelische Streitkräfte, wie im Libanon vermutet worden war. Weiterhin unterstütze ich die Idee einer internationalen Friedenskonferenz, die alle Akteure im Nahen Osten, einschließlich Syrien und Iran, zusammenbringt. Ich fordere den Einsatz einer internationalen Streitmacht im Gazastreifen.

Wir haben zum Chaos in Palästina beigetragen, und wir haben den Israelis erlaubt, im Namen ihres legitimen Rechts auf Schutz ihrer Sicherheit zu weit zu gehen. Die Fehler müssen wir nun wieder gutmachen.

 
  
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  Vasco Graça Moura (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Ich möchte erklären, dass ich gegen die Gemeinsame Entschließung zur Lage in Gaza gestimmt habe.

Das habe ich nicht getan, weil ich die militärischen Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung nicht für verurteilenswürdig halte, sondern weil ich der Meinung bin, dass der Inhalt der Erklärung insgesamt einige höchst negative Bezeichnungen für den Staat Israel enthält, der ständigen terroristischen Angriffen ausgesetzt ist. Das ist in keiner Weise zu rechtfertigen.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Israel weitet derzeit seine Übergriffe gegen das palästinensische Volk ungestraft aus, wie das Massaker von Beit Hanun und die verbrecherische, unmenschliche Abriegelung des Gazastreifens zeigen, der in ein riesiges Konzentrationslager verwandelt worden ist. Vor diesem Hintergrund verurteilt das Europäische Parlament – wobei es einfach übergeht, dass es selbst die EU-Beteiligung an der Finanzblockade der Palästinensischen Autonomiebehörde unterstützt hat – die israelische Armee wegen das Massakers, das diese verübt hat, und für deren Vorgehen, das von ihm als „unverhältnismäßig“ bezeichnet wird.

Angesichts der unübersehbaren Beweise für Israels brutale Aggression gegen das palästinensische Volk „verweist“ das Parlament lediglich auf das schändliche Veto der USA gegen den Entwurf einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, in dem die israelische Aggression abgelehnt wird, obwohl es eigentlich die Mitschuld der USA und die Verantwortung für die im Nahen Osten verübten Angriffe und Verbrechen, vor allem durch Israel, anprangern sollte.

Statt die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte in Gaza und im Westjordanland vorzuschlagen, was vielleicht gerade einmal helfen könnte, den Status quo zu erhalten, müsste es eigentlich darum gehen, Israel wegen seiner Kolonialpolitik, des Baus des unrechtmäßigen Grenzwalls, der systematischen Unterdrückung des palästinensischen Volkes, der Zerstörung von Infrastruktureinrichtungen und allen Hindernissen, die es der legitimen Palästinensischen Autonomiebehörde in den Weg legt, um diese an ihrer Arbeit zu hindern und die Schaffung eines souveränen, unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als seiner Hauptstadt aufzuhalten, zu verurteilen.

 
  
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  Marco Pannella (ALDE), schriftlich. – (IT) Im Namen der Transnationalen Radikalen Partei habe ich uneingeschränkt gegen die Entschließung zur Lage im Gaza-Streifen gestimmt (was ich im Übrigen bei sämtlichen Vorschlägen der verschiedenen „Fraktionen“ getan hätte), weil ich alle eingereichten Entschließungsanträge für ungeeignet halte, die strukturellen Probleme im Nahen Osten zu lösen.

Ich glaube nicht, dass der gemeinsame europäische Standpunkt zu dem am längsten anhaltenden Nahost-Konflikt weiterhin in der althergebrachten Politik „zwei Völker, zwei Staaten“ bestehen kann. Wie der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen hervorgehoben hat, ist jedes zivile Opfer der Angriffe der israelischen Armee ein tragischer Irrtum, der als solcher in der demokratischen israelischen Gesellschaft empfunden wird, während jeder durch die Raketen oder Selbstmordattentate von Hamas oder Hisbollah getötete Israeli als ein Sieg über Israel bejubelt wird, das als Geschwür im Nahen Osten gilt, welches es zu entfernen gilt.

In Wahrheit, Herr Präsident, lautet die mögliche und dringende europäische Alternative, um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern (und im Nahen Osten) zu schaffen, „zwei Völker, zwei Demokratien“. Denn nur, wenn im gesamten Mittelmeerraum demokratische Reformen und das antinationalistische europäische föderalistische Modell vorangebracht werden, wird es möglich sein, die strukturellen Ursachen des Nahost-Konflikts zu beseitigen, die den Ursachen aller Kriege, die unseren Kontinent verwüstet haben und in die Entscheidung mündeten, die nationale Souveränität als einen absoluten Wert aufzugeben, sehr ähnlich sind.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Lösung für den Nahostkonflikt hängt davon ab, dass wir an Frieden und gegenseitiger Anerkennung festhalten und Gewalt, Terrorismus und grundlose Militäraktionen ablehnen sowie akzeptieren, dass ein demokratischer Staat das Recht hat, zu existieren und sich zu verteidigen. Das ist in dieser Entschließung nicht der Fall. Sie ist unverhältnismäßig, wo sie besonnen sein sollte, und blind, wo sie hellsichtig sein sollte.

Wir können nicht die terroristischen Angriffe auf Israel als Operationen von „Kämpfern“ einstufen und dann Israel Massaker vorwerfen. Dieses Parlament sollte eine demokratische Regierung nicht wegen ihrer Zusammensetzung belehren, wenn es von gewählten, aber keineswegs demokratischen Regierungen mit der Anerkennung Israels lediglich das absolute Minimum verlangt. Im Übrigen wird diese Forderung hier nicht einmal erwähnt. Zudem will ich nicht mit einer Entschließung in Verbindung gebracht werden, in der man offenbar zu dem Schluss kommt, dass die Vereinigten Staaten der Grund dafür sind, warum der Konflikt immer noch anhält, und in der recht unverhohlen damit gedroht wird, das Assoziationsabkommen mit Israel in Frage zu stellen, wenn jetzt ein Assoziationsabkommen mit Syrien vor seiner Annahme steht.

Das aufrichtige Mitgefühl mit den Opfern und die Weigerung hinzunehmen, dass der Angriff auf Beit Hanun ungestraft bleiben soll, können mich nicht vergessen lassen, dass Ausgewogenheit notwendig ist, oder zur Unterstützung einer Entschließung bewegen, die unverhältnismäßig und kontraproduktiv ist.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE), schriftlich. – (FR) Ich habe gegen die Entschließung zu Gaza gestimmt.

Es geht keinesfalls darum, die Tragödie von Beit Hanun herunterzuspielen, bei der fehlgeleitete Schüsse der israelischen Armee 19 palästinensische Opfer forderten. Der Fehler hatte tragische Folgen, und es ist richtig, wenn wir ihn verurteilen.

Dieses Drama berechtigt uns jedoch nicht, die unausgewogenste Entschließung anzunehmen, die ich in meinen sieben Jahren im Parlament erlebt habe. Es ist mir nicht möglich, all die parteiischen und strittigen Punkte im Text dieses Entwurfs aufzuzählen.

Insgesamt ist er eine einseitige Anklage Israels. Kaum, dass in Ziffer 4 auf das unveräußerliche Recht des Landes auf Sicherheit verwiesen wird. Über die Kassam-Raketen, die jeden Tag auf die israelischen Städte niedergehen, dagegen nicht einmal ein Wort. Nicht mehr als drei Worte zu Gilad Shalit, der nun seit drei Monaten in den Händen seiner Entführer ist. Dieser kurze Verweis versteckt sich überdies ganz am Ende von Ziffer 19, die im Libanon entführten Kameraden Shalits werden nicht erwähnt. Einige Kommentare während der Aussprache waren verachtenswert, z. B. die Bezeichnung der israelischen Gesellschaft als roh und rassistisch oder die Äußerung, der Tod von Palästinensern zähle weniger als der von Israelis. Heutzutage scheint alles erlaubt zu sein, und die Grenze zwischen antiisraelischen und antisemitischen Äußerungen wird überschritten, ohne mit der Wimper zu zucken. Dies kann nicht hingenommen werden.

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Im heutigen Entschließungsantrag zur Lage in Gaza, für den ich gestimmt habe, hätte ich mir eine ausgewogenere Diskussion der Gründe gewünscht, warum Israel und die israelische Armee zu Methoden gezwungen waren, die für sich genommen jeweils als unzumutbar betrachtet werden können. Es ist das grundsätzliche Recht eines jeden Landes, seine Bürger zu schützen. Daher sollten Bewertungen nur ausgehend vom Gesamtbild und nicht aufgrund einzelner Ereignisse vorgenommen werden.

 
  
  

- Biologische Waffen und Toxinwaffen (RC-B6-0585/2006)

 
  
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  Gerard Batten, Derek Roland Clark, Roger Knapman und Thomas Wise (IND/DEM), schriftlich. – (EN) Großbritannien befindet sich an vorderster Front bei der Erforschung von Verteidigungsgütern gegen biologische Waffen und Toxinwaffen und braucht auch weiterhin freie Hand und Unabhängigkeit in diesen Fragen. Wir bedauern die Anwendung von Waffen gegen die Zivilbevölkerung und unterstützen uneingeschränkt die gültigen Genfer Konventionen, darunter auch die Vierte Konvention, die Zivilpersonen bereits Rechtsschutz in Kriegszeiten bietet und von 194 Ländern ratifiziert worden ist.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – (EN) Ich unterstütze die Forderung, dass alle 155 Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ) – des ersten multilateralen Abrüstungsvertrags, der eine ganze Kategorie von Waffen verbietet – auf der in der nächsten Woche stattfindenden Sechsten Überprüfungskonferenz ihr Eintreten für ein vollständiges Verbot biologischer Waffen noch einmal bestätigen.

Die Wirkungsweise des BWÜ muss gründlich überprüft werden, um zu ermitteln, zu diskutieren und zu vereinbaren, wie das Übereinkommen weiter gestärkt und ein Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen als eine universell verbindliche Vorschrift des Völkerrechts erreicht werden kann.

Die EU muss dieses Problem in den transatlantischen Foren, insbesondere in der NATO, aufgreifen und die US-Regierung von ihrem einseitigen Standpunkt abbringen sowie zur Neuauflage eines erweiterten multilateralen Rahmens beitragen.

Ich begrüße das Inkrafttreten des CCW-Protokolls V über explosive Kampfmittelrückstände in diesem Monat und hoffe, dass noch viele weitere Staaten dieses Protokoll unterzeichnen und die fünf Protokolle ratifizieren werden.

Ich fordere die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, dringend Protokolle zu relevanten Waffensystemen zu verfassen und ein Protokoll zu erstellen, das die Herstellung, die Lagerung, die Verbreitung und den Einsatz von Streumunition (Splitterbomben) jeder Art eindeutig verbietet.

 
  
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  Richard Howitt (PSE), schriftlich. – (EN) Die Labour Party im Europäischen Parlament hat heute entschieden, gemeinsam mit anderen Abgeordneten für die Unterstützung der internationalen Kampagne für ein Verbot der Anwendung von Streumunition zu stimmen. Darüber hinaus lenken wir die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Großbritannien – im Unterschied zu Amerika – Protokoll III des Übereinkommen über bestimmte konventionelle Waffen, in dem die Anwendung von Brandwaffen gegen die Zivilbevölkerung unterbunden wird, unterzeichnet hat, wenngleich weißer Phosphor eine konventionelle und keine chemische Waffe ist. Die Labour Party akzeptiert die von der britischen Royal Society vorgenommene Bewertung gesundheitlicher Folgen aus abgereichertem Uran und unterstützt weitere Forschungen durch die Weltgesundheitsorganisation. Britische Truppen verdienen zwar stets die besten verfügbaren Schutzausrüstungen, aber Berichte über den Einsatz von weißen Phosphorgranaten im Irak haben sich als falsch erwiesen, und Großbritannien hat auch keine Bestände an abgereichertem Uran im Irak.

 
  
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  Geoffrey Van Orden (PPE-DE), schriftlich. – (EN) Die Delegation der britischen Konservativen tritt vorbehaltlos für das BWÜ und die internationalen Bemühungen ein, das Übereinkommen universell zu machen und es wirksam umzusetzen.

Wir unterstützen gleichfalls seit langem und konsequent das Verbot von Antipersonenlandminen (APL), wenngleich wir nicht der Meinung sind, dass die Säuberung von unbewohntem und wirtschaftlich ungenutztem Land (z. B. von Teilen der Falkland-Inseln) von APL eine Priorität darstellen sollten, vorausgesetzt, dass mögliche Gefahrengebiete ordnungsgemäß gekennzeichnet sind.

Auch sind wir sehr vorsichtig in der Frage von Kampagnen zur Einbeziehung von Streubomben und anderer Munition in den Geltungsbereich internationaler Übereinkommen. Wir unterstützen Schritte zur Minimierung der negativen Folgen von Konflikten, wie explosiver Kampfmittelrückstände, und zur Einführung „intelligenter“ Waffen (Waffen mit Selbstzerstörungsmechanismus bzw. Präzisionswaffen usw.), wo es angebracht ist.

Wir treten für ein Verbot der Anwendung von weißem Phosphor als Waffe ein, aber weißer Phosphor findet andere Verwendungen bei kriegerischen Handlungen, nämlich als Nebelwand. Wir würden mit Sicherheit keine Handlung unterstützen, bei der britisches Militärpersonal einer erhöhten Gefahr ausgesetzt oder die britischen Streitkräfte ihrer wesentlichen Feuerkraft beraubt würden. Daher unterstützen wir zwar weitestgehend den Text dieser Entschließung, sehen uns jedoch zu diesem Zeitpunkt außerstande, ein grundsätzliches Verbot von Streumunition oder gar der Anwendung von weißem Phosphor zu befürworten. Wir haben daher gegen die Änderungsanträge gestimmt und uns insgesamt der Stimme enthalten.

 
  
  

- Bericht Stubb (A6-0367/2006)

 
  
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  Jan Andersson, Anna Hedh, Ewa Hedkvist Petersen und Inger Segelström (PSE), schriftlich. – (SV) Wir unterstützen die Via Baltica-Autobahn unter der Voraussetzung, dass eine fundierte Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Die Juniliste begrüßt die Tatsache, dass die Ostsee auf die politische Tagesordnung gesetzt wird. Der Bericht enthält viele positive Aspekte, unter anderem die Forderung, den Umweltproblemen der Region gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Wir begrüßen auch Ziffer 13, wo die Ansicht vertreten wird, dass die Mitgliedstaaten, die dies wollen, das Recht haben sollten, strengere Umweltschutzvorschriften als die von der EU vorgeschlagenen Regelungen einzuführen.

Unserer Ansicht nach sollte das Projekt der Via Baltica-Autobahn jedoch nicht durch die EU finanziert werden. Ferner wird eine verstärkte Europol-Zusammenarbeit vorgeschlagen. Das könnten wir unterstützen, wenn damit lediglich ein verbesserter Informationsaustausch gemeint ist. Es darf jedoch nicht dazu führen, dass wir einen europäischen Haftbefehl erhalten oder dass die Polizei eines Staates in einem anderen Land agieren kann.

Wir haben den Bericht in seiner Gesamtheit unterstützt, da unserer Ansicht nach die positiven Elemente darin gegenüber den negativen überwiegen.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE), schriftlich. – (SV) Hauptziel dieses Berichts ist die Betonung der Tatsache, dass die Ostsee ein besonders empfindliches Meeresgebiet mit Brackwasser ist. Ziffer 13, die den Mitgliedstaaten das Recht auf strengere Vorschriften zum Schutz der Ostsee gibt, sowie Ziffer 11, in der eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Infrastrukturvorhaben im Energiebereich gefordert wird, sind von entscheidender Bedeutung für die Rettung der Ostsee. Aus diesem Grunde stimme ich für den Bericht trotz der enthaltenen negativen Punkte in Bezug auf die Grenzkontrollen und weitere nicht nachhaltige Infrastrukturvorhaben in der Region.

 
  
  

- Bericht von Wogau (A6-0366/2006)

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Bericht, der uns heute zur Abstimmung vorliegt, ist eine Wunschliste für Fürsprecher eines militarisierten EU-Staats. Zum Glück handelt es sich hier nur um einen Initiativbericht, der den anderen EU-Institutionen aber dennoch ein deutliches Signal sendet, in welche Richtung die Mehrheit des Europäischen Parlaments die Entwicklung der EU vorantreiben will.

Die Aufstellung einer ständigen Europäischen Marineeinheit im Mittelmeer ist eine der absurdesten Ideen, die in diesem Bericht vorgebracht werden. Ferner befürwortet die Mehrheit des Ausschusses die Einrichtung einer gesonderten Haushaltslinie für militärische Operationen und versucht darüber hinaus, den toten Verfassungsentwurf wiederzubeleben. Wie immer, wenn das Europäische Parlament die Möglichkeit erhält, seine Meinung zu äußern, wird versucht, den Abgeordneten mehr Macht zu geben. Wir haben auch zu dem Änderungsantrag Stellung genommen, in dem eine Küstenwache unter Schirmherrschaft der EU gefordert wird.

Die in diesem Bericht beschriebene Entwicklung ist äußerst beunruhigend und sollte selbst die unverbesserlichen Befürworter eines EU-Staates wachrütteln. Angesichts der unsicheren Lage, der wir heute aufgrund der zahlreichen Konflikte in der Welt gegenüberstehen, sollten wird uns stattdessen fragen, ob die Schaffung einer EU-Armee der richtige Weg zur Lösung dieser Probleme ist. Die Entsendung von Truppen durch einen Nationalstaat muss immer vom jeweiligen nationalen Parlament beschlossen werden, niemals durch Vereinigte Staaten von Europa im Rahmen der EU.

Wir haben darum gegen diesen Bericht sowie gegen die meisten der vorgelegten Änderungsanträge gestimmt.

 
  
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  Richard Howitt (PSE), schriftlich. – (EN) Die Labour Party im Europäischen Parlament unterstützt diesen Bericht weitgehend, insbesondere die Tatsache, dass Nachdruck darauf gelegt wird sicherzustellen, dass die ESVP wirksamer gestaltet wird, sodass sie in Krisenzonen auf der ganzen Welt als Hilfe dienen kann. Wir begrüßen auch die Unterstützung für eine stärkere Kooperation zwischen der EU und der NATO, aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen und der Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Fähigkeiten.

Wir befürworten allerdings nicht die Bestimmungen in Ziffer 52 über die Schaffung eines europäischen Verteidigungsministers oder die Schaffung ständiger europäischer Seestreitkräfte. Außerdem sind wir nicht für Ziffer 44, in der eine zentrale Finanzierung von Militäroperationen aus dem EU-Haushalt empfohlen wird. Was Ziffer 51 anbelangt, so sei daran erinnert, dass wir uns gegenwärtig in einer Zeit des Nachdenkens über die Zukunft der Verfassung befinden, und hier sei bekräftigt, dass die ESVP nicht die Entwicklung einer Sicherheits- und Verteidigungsunion bedeutet.

 
  
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  Fernand Le Rachinel (NI), schriftlich. – (FR) Einige der Äußerungen von Herrn von Wogau decken sich mit unseren Ansichten, insbesondere die zur Bedrohung der Sicherheit Europas durch den Terrorismus, die unsichere Lage unserer Erdölversorgung und die Durchlässigkeit unserer Grenzen. Im Gegensatz zu den Behauptungen unserer Regierungen, die die Systeme zur Verteidigung unserer Nationen abgebaut haben, ist die Welt gefährlicher, als sie es vor dem Fall der Berliner Mauer war.

Die Vorschläge des Berichts gründen jedoch auf einer zweiten Illusion, nämlich der Vorstellung, Nationen könnten auf supranationale Gremien vertrauen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Doch wenn es hart auf hart kommt, ist eine Nation immer allein.

Die Vereinigten Staaten wenden heute 3,5 % ihres BIP für die Verteidigung auf, gegenüber 1 % der Ausgaben bei den 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Eine Harmonisierung der Verteidigungsgüter ist sicher notwendig, aber wir sollten unsere Armeen nicht in einem Eurocorps auflösen, in dem Befehle in 21 Sprachen erteilt würden, und das über die NATO unter US-amerikanischem Befehl stünde. Wir sollten besser die Verteidigung jedes unserer Länder verstärken!

Nur unabhängige Nationen, die sich ihrer Identität bewusst sind, können diese Anstrengung unternehmen. Zu diesem Zweck muss zunächst das seelenlose und grenzenlose Brüssler Europa durch ein Europa souveräner Staaten ersetzt werden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Das hier vorgeschlagene Dokument erhält meine Unterstützung, da es sowohl realistisch ist in dem, was wünschenswert ist, als auch ehrgeizig in dem, was möglich ist.

Sicherheit ist eines der wichtigsten Anliegen für die Bürger Europas, insbesondere im Hinblick auf die Gefahr von Bedrohungen auf europäischem Boden, und der Berichterstatter hat sich bemüht, an dieses Thema realistisch heranzugehen und die Unmittelbarkeit und den Charakter der Bedrohungen und die reale Gefahr, die sie darstellen, zu verstehen. Andererseits offenbarte er Ehrgeiz in dem Ansinnen, einen globalen Ansatz anzustreben, und zwar nicht nur auf militärischem Gebiet, sondern auch in den Bereichen Technologie, Information und Nachrichtendienste. Auch wir müssen ehrgeizig sein, wenn es darum geht, Frieden und wirtschaftliche Entwicklung in Drittländern zu fördern, soweit dies für unsere Sicherheit und für eine bessere Welt wichtig ist, ein Ziel, das wir mit ebenso viel Engagement verfolgen sollten.

Deshalb habe ich für diese Vereinbarung gestimmt, denn ich stimme ihren Analysen und Anliegen im Wesentlichen zu, auch wenn ich nicht alle ihre Grundsätze und Schlussfolgerungen teile oder unbedingt teilen muss.

 
  
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  Lars Wohlin (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Die Zusammenarbeit der EU in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik darf nicht zu einem Konkurrenten der NATO werden. Darum ist es erfreulich, dass das Europäische Parlament sich deutlich für eine Stärkung des transatlantischen Bündnisses ausgesprochen hat und die Bedeutung einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO unterstreicht.

Es gibt gegenwärtig eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU. Dieser Bericht stellt jedoch einen Schritt in Richtung auf eine vertiefte außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit dar, durch die Schweden die Möglichkeit verlieren könnte, über seine eigene Außen- und Sicherheitspolitik zu entscheiden. Auch in Zukunft sollten die militärischen Ressourcen der Mitgliedstaaten die Basis für diese Zusammenarbeit bilden. Es ist bedauerlich, dass der Bericht eine Unterstützung für den Europäischen Haftbefehl zum Ausdruck bringt, durch den schwedische Staatsbürger ohne die Möglichkeit eines Verfahrens in Schweden an andere EU-Mitgliedstaaten ausgeliefert werden können. Der Bericht enthält zudem Formulierungen, die die Verfassung unterstützen. Aus all diesen Gründen habe ich in der Schlussabstimmung gegen den Bericht gestimmt, obwohl ich die von ihm angestrebte Stärkung der Zusammenarbeit von EU und NATO befürwortete.

 
  
  

- Bericht Gargani (A6-0359/2006)

 
  
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  Charlotte Cederschiöld, Lena Ek, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Wir haben für den Bericht über das Erb- und Testamentrecht (A6-0359/2006) gestimmt, um die Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten zu verdeutlichen. Da in diesem Bericht eine Harmonisierung des Erb- und Testamentrechts angestrebt wird, wollen wir ausdrücklich unsere Ansicht betonen, dass eine Harmonisierung des materiellen Rechts nicht wünschenswert ist, sondern dieser Bereich gemäß dem EG-Vertrag, ausschließlich in der nationalen Zuständigkeit liegt und dort verbleiben muss.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Mit dem Versuch, Rechtsstreitigkeiten und Kompetenzkonflikte im Erb- und Testamentrecht zu lösen, hat das Europäische Parlament dieses Mal darauf verzichtet, sich in Bereiche einzumischen, für die ausschließlich einzelstaatliche Regierungen zuständig sind.

Erbschaften mit internationaler Dimension, von denen es jedes Jahr in der Europäischen Union 50 000 bis 100 000 Fälle gibt, rechtfertigen keine neue Welle der forcierten Vereinheitlichung von Bestimmungen des materiellen Rechts, sondern erfordern lediglich die Harmonisierung der Vorschriften des internationalen Privatrechts und die Schaffung eines europäischen Erbscheins.

Wir unterstützen daher die zweite Empfehlung des Parlaments, die allein darauf abzielt, die Bestimmungen für Kompetenzkonflikte und Rechtsstreitigkeiten zu vereinheitlichen. Dies ist unseres Erachtens der einzige Ansatz, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre eigenen Rechtssysteme und Rechtstraditionen beizubehalten.

Nur dann ist es möglich, die nationalen Rechtssysteme aufeinander abzustimmen, die an einem bestimmten Erbschaftsfall beteiligt sind. Um etwaige Rechtsstreitigkeiten bei Erbschaftsangelegenheiten zu verhindern, ist es notwendig und ausreichend, genau und unzweifelhaft zu wissen, welches Recht gilt.

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Dieser Bericht würde ein juristisches Chaos schaffen und unterschiedliche Rechtsnormen und –praktiken gegeneinander stellen, wenn seine Ideen umgesetzt würden. Die Juniliste ist ein entschiedener Gegner eines gemeinsamen Zivil- und Strafrechts auf EU-Ebene. Die Folge einer möglichen Annahme dieses Vorschlags wäre u. a. dass schwedische Staatsbürger ihr bedingungsloses Recht auf Ehescheidung (mit einer sechsmonatigen Trennungsregel) verlieren würden.

Wir möchten dafür folgendes Beispiel anführen: Ein Ehepaar mit schwedischer Staatsbürgerschaft siedelt nach Malta über. Dann zieht einer der Eheleute wieder nach Schweden zurück und beantragt bei einem schwedischen Gericht die Ehescheidung. Nach den gegenwärtig geltenden schwedischen Regelungen erfolgt die Scheidung der Eheleute dann nach schwedischem Recht. Dem vorliegenden Vorschlag zufolge würde jedoch maltesisches Recht zur Anwendung gelangen. Das könnte dazu führen, dass sich die Eheleute gar nicht scheiden lassen könnten, da Scheidungen auf Malta verboten sind, und nicht nur dort, sondern auch in einer Reihe anderer europäischer Länder. Damit würden schwedische Bürger sowohl den Unterhalt für ihre Kinder verlieren als auch das Recht auf die Hälfte des gemeinsamen Vermögens der Eheleute. Das ist nach Ansicht der Juniliste völlig inakzeptabel. Die Gesetzgebung auf diesem Gebiet ist ein Ausdruck nationaler, religiöser und sozialer Werte, auf denen die EU nicht herumtrampeln darf. Wie immer müssen wir feststellen, dass Subsidiarität und Pluralismus nur Gegenstand großartiger Reden sind, während in der Praxis rücksichtslos eine Harmonisierung angestrebt wird.

 
  
  

- Bericht Gomes (A6-0362/2006)

 
  
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  Françoise Castex (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht Gomes über Frauen in der internationalen Politik gestimmt.

Der politische Wunsch, der 1995 auf dem Gipfeltreffen in Peking bekundet wurde, und die bestehenden internationalen Übereinkommen haben dazu beigetragen, in der Öffentlichkeit und bei den Entscheidungsträgern ein Bewusstsein für die Frage der Gleichheit auf jeder Ebene der Gesellschaft zu wecken. Diese Erklärungen haben in der Praxis jedoch nicht dazu geführt, die nichtrechtlichen Hindernisse zu beseitigen, die Frauen weiterhin davon abhalten, im öffentlichen Leben eine uneingeschränkte Rolle zu spielen. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, um im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona und der Lissabon-Strategie das soziale, das berufliche und das Familienleben miteinander zu vereinbaren.

Ich befürworte die Einrichtung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen, um die geringe Zahl von Frauen in der Politik zu erhöhen und eine stärkere Vertretung von Frauen in der internationalen Politik zu fördern.

Daher ist es dringend erforderlich, neue Wege zu beschreiten, damit Frauen stärker in Friedens- und Sicherheitsfragen einbezogen werden, insbesondere durch eine ausgewogenere Besetzung der Stellen bei den Vereinten Nationen oder in den auswärtigen Delegationen der Europäischen Union.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. – (EN) Nach der Strategie von Lissabon gehören wirtschaftliche Maßnahmen, die die Gleichheit der Geschlechter berücksichtigen, in den Mittelpunkt der Strategie für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, doch die volle Teilnahme der Frauen an der Politik ist eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung solcher, die Geschlechtsspezifik berücksichtigender wirtschaftlicher Maßnahmen.

Einen Meilenstein auf dem Weg der Entwicklung der Agenda zur Geschlechtergleichheit bildete die Konferenz von Peking im Jahr 1995. Dennoch sind laut Interparlamentarischer Union von den weltweit 43 961 Parlamentsabgeordneten nur 16,4 % Frauen. Der prozentuale Anteil der in das Europäische Parlament gewählten Frauen reicht von 58 % bis 0 %, der Durchschnitt liegt etwas über 30 %. Der Prozentsatz der in die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten gewählten Frauen liegt zwischen 45 % und 9 %.

Das verdeutlicht ein fundamentales Demokratiedefizit auf europäischer Ebene und im breiteren internationalen Kontext.

Ich rufe die Mitgliedstaaten auf, ihre nationale Gesetzgebung zu überprüfen, um in der Politik Gleichheit und echte Demokratie zu befördern; ich rufe sie auf, ihre Verfassung, ihre Gesetzgebung und ihre Praxis zu überprüfen, die Gleichheit der Geschlechter als Grundprinzip in ihren Verfassungen zu verankern und Maßnahmen zu ergreifen, um soziales, Familien- und Berufsleben entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von Barcelona und der Strategie von Lissabon in Einklang zu bringen und auf diese Weise ein Umfeld zu schaffen, das die volle Teilnahme der Frauen an der Politik ermöglicht.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) In diesem Bericht geht es um Frauen in der internationalen Politik, und es wird festgestellt, dass es ein echtes Problem gibt, aber man hätte nicht die Zwänge ignorieren sollen, die Frauen daran hindern, im politischen und gesellschaftlichen Leben eine erfolgreiche Rolle zu spielen. Der Text enthält keinen Verweis auf die wirtschaftlichen und sozialen Gründe dafür, warum die Mitwirkung von Frauen begrenzt ist. So wird beispielsweise auf die Vergütungsunterschiede und die Notwendigkeit, familiäre Pflichten mit Männern zu teilen, verwiesen, aber man geht nicht auf die wirklichen Schwierigkeiten ein, insbesondere die Arbeitsbedingungen, übermäßige Ausbeutung, geringes Entgelt, unsichere Arbeitsplätze, Teilzeitarbeit und den Mangel an sozialen Einrichtungen zu erschwinglichen Preisen.

Bei der hier gewählten Sichtweise auf die Thematik bleiben Klassenunterschiede außer Acht und es wird nur das betrachtet, was in der herrschenden Klasse geschieht. Somit fehlt es an einem ausdrücklichen Verweis auf wirtschafts-, beschäftigungs- und sozialpolitische Aspekte. Im Ergebnis wird mit den empfohlenen Maßnahmen im Bericht etwas vorgeschlagen, was für mich unannehmbar ist: ein obligatorisches Quotensystem mit Strafen für Parteien, während man darüber hinwegsieht, dass zu den vorhandenen Problemen und Zwängen zum Beispiel die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen vor Ort und die Wahlsysteme an sich gehören.

In Portugal etwa hat die Sozialistische Partei das Quotensystem gebilligt, bereitet jedoch jetzt die Abschaffung des derzeitigen Wahlsystems vor, was in der Praxis dazu führen kann, dass noch weniger Frauen gewählt werden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Die Mitwirkung von Frauen in der internationalen Politik (wie auch in der nationalen Politik, der Wirtschaft und der Kunst) ist ein Merkmal entwickelter, ausgeglichener Gesellschaften. Eine Welt nur mit Männern ist schlimmer als eine Welt mit Männern und Frauen. Doch das bedeutet nicht, dass allein schon dann Anlass zur Zufriedenheit besteht, wenn einmal eine Frau gewählt wird oder einmal einer Regierung ebenso viele Frauen wie Männer angehören. Im Gegensatz zu dem, was offenbar einige aus dem Kreis derer denken, die für Quoten und ausgewogene Vertretung eintreten, sind Frauen eben nicht einfach nur Frauen.

Glücklicherweise liegt der Wert jeder dieser Frauen darin, was sie denkt, tut, unterstützt und vertritt. Deshalb halte ich es nicht für vernünftig, einfach der Wahl von Frauen zu applaudieren, wer sie auch sind. Ebenso glaube ich nicht, dass sich die gewünschte Wirkung durch Quoten und die Erzwingung einer ausgewogenen Vertretung erreichen lässt. Ausgewogenheit darf keine Geste, sondern muss ein Ergebnis sein. Ich kann zu diesem Thema recht offen sprechen, denn die Sozialdemokratische Mitte (CDS) ist die einzige Partei mit einer Frau als Fraktionsvorsitzende im Parlament, als Justizministerin bzw. als Generalsekretärin. Diese Frauen haben meine Anerkennung, aber nicht aus symbolischen Gründen, sondern wegen ihrer Leistungen.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) In Deutschland, Liberia, Chile oder kürzlich auch im Kongress der Vereinigten Staaten hat die Ernennung von Frauen in Schlüsselpositionen großen Beifall gefunden. Ich möchte mich dem anschließen, wobei ich hoffe, dass diese Erfolgsgeschichten von Frauen eines Tages nicht länger nur einen symbolischen Wert haben, sondern vielleicht ganz alltäglich geworden sind.

Es reicht nicht mehr, dass eine Politikerin bei ihren Auftritten in den Medien hauptsächlich über den wirklichen oder angeblichen Chauvinismus ihrer männlichen Gegner spricht, wie dies das traurige Beispiel der internen Wahlkampagne der französischen Sozialistischen Partei für die Präsidentschaftswahlen zeigt.

Wir müssen eine stärker verantwortungsbewusste und weniger fordernde Haltung einnehmen, da eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen und Männern heute ein akzeptierter Ansatz ist. Die Delegation der UMP im Europäischen Parlament, die aus neun Frauen und acht Männern besteht, ist in dieser Hinsicht richtungweisend.

Ich hoffe, wir unterstützen die Bestrebungen und den Wunsch einer neuen Generation von Frauen, an der Politik teilzunehmen. Doch statt ständig übergenaue und teilweise allzu radikale Bestimmungen zur Förderung von Frauen zu produzieren, müssen wir Vertrauen in ihre Fähigkeit haben, sich zu behaupten und ihre Überzeugungen auf jeder Ebene – lokal, national oder europäisch – umzusetzen, als Frauen natürlich, aber auch als gewählte Vertreter.

 
  
  

- Bericht Bauer (A6-0368/2006)

 
  
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  Patrick Gaubert (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich möchte Frau Bauer zu diesem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Seine einstimmige Annahme im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres spricht für seine Qualität.

Im Bericht wird zur rechten Zeit darauf hingewiesen, dass jedes Jahr zwischen 600 000 und 800 000 Männer, Frauen und Kinder vom internationalen Menschenhandel betroffen sind. Etwa 80 % dieser Opfer sind Frauen und 50 % junge Mädchen. Die Mehrheit der Opfer wird zu kommerziellen Zwecken sexuell ausgebeutet.

Um der Zunahme dieser Form des illegalen Handels mit zunehmend internationalem Charakter zu begegnen, werden in diesem Bericht eine Reihe integrierter, auf europäischer Ebene zu ergreifender Maßnahmen vorgeschlagen, die meines Erachtens den Herausforderungen angemessen sind, die sich im Zusammenhang mit dieser Geißel stellen. Vor allem wird der Wunsch der EU nach einem Vorgehen bekundet, dessen Schwerpunkt auf den Menschenrechten und den Opfern liegt, was meines Erachtens äußerst wichtig ist.

Aus diesen Gründen und weil der Kampf für die Wahrung der Würde des Menschen unsere volle Unterstützung verdient, habe ich für diesen Bericht gestimmt, in dem dem Rat die Annahme einer Empfehlung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgeschlagen wird.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Dieser Bericht ist seltsamerweise darum bemüht, zwischen Menschenhandel und illegaler Einwanderung klar zu unterscheiden. In vielen Fällen bestehen jedoch fraglos Ähnlichkeiten, da die illegale Einwanderung Teil eines echten Menschenhandels geworden ist, dessen verachtenswerteste Form die sexuelle Ausbeutung zum Ziel hat.

Aber wer sind die wirklichen Schuldigen? Natürlich sind das die Schmuggler, die Drogenhändler, die Zuhälter und andere Unterdrücker, die ein europäisches Territorium ausnutzen, das keine Binnengrenzen hat und für Migrationsströme weit geöffnet ist. Doch es ist auch die nationale und die europäische Führung, die keine ernsthaften Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Einreisen, Masseneinwanderung und Scheinheiraten ergreift, oder die, schlimmer noch, ganz offen eine Politik der Einwanderungsförderung verfolgt.

Die Ziele müssen ganz klar darin bestehen, die Schmuggler härter zu bestrafen, kriminelle Organisationen zu zerschlagen und den Weg für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Staaten freizumachen. Doch der Placeboeffekt wird nicht lange wirken, denn die eigentliche Schwierigkeit – die mangelnden Kontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union – bleibt bestehen. Stellen wir die Freizügigkeit der Drittstaatsangehörigen nicht in Frage, dieses Brüssler Dogma, dann wird die illegale Einwanderung weiterhin unaufhaltsam zunehmen!

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Die Konvention des Europarates über Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels ist bereits von 30 Staaten unterzeichnet worden. Sie wurde u. a. von der Republik Moldau und Rumänien ratifiziert, während Schweden an der Ratifizierung arbeitet. Diese Konvention betrifft alle Formen des Menschenhandels, unabhängig davon, ob er national oder international erfolgt oder ob Verbindungen zur organisierten Kriminalität bestehen. Sie ergänzt somit die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität.

Nach Ansicht der Juniliste sollte die EU die von ihren Mitgliedstaaten bereits unterzeichneten nationalen und internationalen Vereinbarungen respektieren. Unserer Meinung nach ist es Sache der demokratisch gewählten nationalen Parlamente der jeweiligen Länder, juristisch verbindliche Verträge einzugehen. Wir unterstützen den Kampf gegen den Menschenhandel und gratulieren den Regierungen Rumäniens und der Republik Moldau zu ihrem Mut, diese äußerst wichtige Konvention zu ratifizieren. Darum halten wir die Aufforderung seitens der EU, eine Ratifizierung durchzuführen, für unnötig. Die souveränen Nationen Europas haben diesen Kampf bereits aufgenommen, ohne die Einmischung supranationaler Institutionen.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Alles in allem begrüßen wir den Bericht, bedauern allerdings, dass einige Änderungsanträge angenommen wurden, die nicht dazu beitragen, den Kampf gegen den Menschenhandel, vor allem den Frauenhandel, noch wirksamer zu gestalten.

Wir sind enttäuscht über die Streichung der Absätze, in denen von der Notwendigkeit die Rede war, den „käuflichen Erwerb eines Körpers zu sexuellem Gebrauch als Straftat einzustufen“, um einen Rückgang des Menschenhandels zu sexuellen Zwecken zu erreichen. Wie viele Studien zeigen, führt ein Verbot der Ausbeutung der Prostitution zu einem erheblichen Rückgang der organisierten Kriminalität und des Menschenhandels, vor allem des Frauen- und Kinderhandels.

Eine Reihe positiver Punkte sind allerdings im Bericht verblieben, wie etwa die Notwendigkeit, mit sehr strengen Sanktionen gegen Unternehmen vorzugehen, die unter Ausnutzung von Menschenhandel billige Arbeitskräfte beschäftigen, oder dass die Mitgliedstaaten nicht nur wirksam gegen die Geldwäsche der Erlöse aus dem Menschenhandel vorgehen, sondern sich der Opfer von Menschenhandel annehmen müssen.

Dennoch hätte man im Bericht bei der Bekämpfung des Problems an der Wurzel weitergehen können, und zwar durch eine Strategie der Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, was auch die Förderung konkreter Projekte für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einschließen müsste, um so die Hauptursachen für Menschenhandel zu mindern: Dies sind Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung.

 
  
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  Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Dieser Bericht bringt das erstaunliche Kunststück fertig, eine illusorische Unterscheidung zwischen Menschenhandel und illegaler Einwanderung vorzunehmen. Tatsache ist, dass sich diese beiden Phänomene – die zweifellos eng miteinander verbunden sind – seit den verhängnisvollen Schengener Abkommen von 1985 zur Aufhebung der Binnengrenzen der Europäischen Union sprunghaft entwickelt haben.

Seitdem Europa es auf sich genommen hat, im Namen der Mitgliedstaaten „einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu schaffen, haben die Verbrecherbanden, die Zuhälter und die organisierten Schmuggelringe Gewinne wie nie zuvor gemacht. Diese Netze vermehren sich und prosperieren, indem sie immer mehr Menschen ausbeuten.

Um eine Lösung für diese menschlichen Tragödien zu finden, schlagen die Kommission und das Parlament vor, einen politischen Dialog zwischen den Staaten einzuleiten und noch mehr Programme und Kooperationspläne einzuführen. Zu welchem Zweck? Es ist höchste Zeit, sich mit den wirklichen Ursachen des Menschenhandels und der illegalen Einwanderung auseinander zu setzen, d. h. dem Fehlen sicherer und geschützter Grenzen in Europa. Aber für unsere Eurokraten ist es ja wohl unmöglich, die hochheilige Bestimmung der Freizügigkeit in Frage zu stellen!

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Menschenhandel ist eine moderne Form des Sklavenhandels, in mancher Hinsicht jedoch schlimmer. In diesem Falle bezahlen die Opfer aus Verzweiflung, damit sie gehandelt werden, und die Behörden treffen – oft in bester humanitärer Absicht – vielleicht Maßnahmen, die den Menschenhandel noch befördern und den Menschenhändlern bei ihren Geschäften helfen.

Auf diesem Gebiet müssen wir – wie so oft – die Menschen zu ihrem Glück zwingen. Das bedeutet Strenge gegenüber denen, die Arbeit geben, denen, die kommen, und denen, die bleiben, und vor allem Strenge und Unnachgiebigkeit bei der Durchsetzung des Gesetzes. Wenn wir die Augen vor illegaler Einwanderung verschließen, kommt das einer Unterstützung und Beihilfe zum Menschenhandel gleich.

Deshalb sollten wir meines Erachtens ohne zu zögern die Vorzüge einer legalen Einwanderung anerkennen und, da das Fehlen einer starken Hand bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung den Netzen, in denen Menschen gehandelt werden, nur Vorschub leistet, müssen wir beharrlich an der Legalität festhalten. Doch Einwanderungsgesetze allein reichen nicht aus. Für ein wirksames – und humanes – Vorgehen müssen wir versuchen, den wirtschaftlichen Erfolg und die Entwicklung, die wir genießen, in den Herkunftsländern von Migranten zu fördern. Das ist die Richtung, in die wir alle gemeinsam vorangehen sollten.

 
  
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  Lydia Schenardi (NI), schriftlich. – (FR) Die Zahlen und Schätzungen zum Menschenhandel sind erschreckend. Frau Bauer spricht in ihrem Bericht von 600 000 bis 800 000 Männern, Frauen und Kindern, die jedes Jahr Opfer des weltweiten Menschenhandels werden. Zu dieser Form der Ausbeutung gehören nicht nur mindestens Prostitution, sondern auch erzwungene Arbeits- oder Dienstleistungen, Sklaverei und sogar Organentnahme.

Der Bericht sagt uns jedoch nicht, dass diese menschlichen Tragödien seit den verhängnisvollen Schengener Abkommen zur Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen, die 1985 unterzeichnet wurden, immer mehr zugenommen haben.

Es hat sich gezeigt, dass Europas Vorstellung vom Paradies, der allgemein ersehnte und begehrte „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, in keinem der Mitgliedstaaten existiert, und schlimmer noch, sich als gefährlich erweist und die Entwicklung aller Arten von Banden und organisiertem Verbrechen fördert.

Solange unsere nationalen und europäischen Beamten nicht sehen wollen, dass die Ursache für die Zunahme dieses illegalen internationalen Handels die offenen Grenzen sind und dass alle politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels und der illegalen Einwanderung davon abhängen, dass die Grenzkontrollen in Europa umgehend wieder eingeführt werden, sind die immer wieder aufeinander folgenden Programme und Pläne völlig nutzlos!

 
  
  

- Bericht Herrero-Tejedor (A6-0365/2006)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Dieser Bericht über eine sehr umstrittene Mitteilung der Kommission bewahrt letztlich einige der negativsten Aspekte der Methoden, insbesondere die Propaganda, die entwickelt werden, um das Projekt für eine so genannte Verfassung für Europa wieder auf den Tisch zu bringen.

Nach der Niederlage, die Europas herrschende Elite in den Volksabstimmungen zum Entwurf des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden erlitten hat, will man jetzt ohne weitere Rückschläge fortfahren wie zuvor, indem möglichst viel in eine Propagandakampagne investiert wird, um eine notwendige demokratische Kommunikationspolitik in einen wahren Propagandafeldzug umzugestalten, der den Interessen der herrschenden Klasse dient.

Im Bericht werden zwar auch andere, weniger kontroverse Themen behandelt, beispielsweise die sektorspezifischen Programme für Jugendliche im Bildungsbereich und die Aufforderung zur Stärkung der Debatten im Parlament und andernorts, aber in Wahrheit geht es vorwiegend um Propaganda, insbesondere zum Qualitätssprung, den sie mit der so genannten Verfassung für Europa vollbringen wollen. Deshalb haben wir dagegen gestimmt.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Das erklärte Ziel der europäischen Kommunikationspolitik ist es, „die Wirkung der Ablehnung, auf die der Verfassungsvertrag ... gestoßen ist, einzudämmen und der allgemeinen Zunahme der Euroskepsis entgegenzuwirken“.

Worum geht es Ihres Erachtens? Um die lückenhafte, verzerrte Information über Europa, die von den Medien und der politischen Klasse in den Mitgliedstaaten ausgenutzt wird. Was ist die Lösung? Eine von einer Brüssler „Propaganda-Staffel“ veranstaltete Kampagne, mit der uns die Vorteile der Europäischen Union eingehämmert werden sollen. Wer ist die Zielgruppe? Die Bürger Europas, deren Euroskepsis direkt proportional zu ihrer Unkenntnis des Paradieses ist, das für sie in Brüssel geschaffen wird, eine Euroskepsis, die in blinde Bewunderung und bedingungslose Unterstützung verwandelt werden muss.

Wen wollen Sie veralbern? Sie haben weder zugehört noch irgendetwas verstanden. Gerade, weil die Menschen in Frankreich und in den Niederlanden informiert wurden und ihre Informationen direkt aus der Quelle, durch die Lektüre des Textes bezogen, haben sie die Verfassung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Gerade, weil sie tagtäglich die wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen Ihrer Politik erleben, sind sie Euroskeptiker. Gerade, weil sie einmal direkt nach ihrer Meinung gefragt wurden, haben sie sich für Europa interessiert.

Und weil Sie eine tief verwurzelte Angst vor den Menschen haben, ziehen Sie eine Gehirnwäsche der direkten Konsultation dieser Bürger vor, die Sie im Grunde Ihres Herzens als Dummköpfe betrachten. Diese Bürger denken das Gleiche von Ihnen.

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Die Kommunikationspolitik der EU darf nicht zu einem Versuch werden, den Bürgerinnen und Bürgern die Vereinigten Staaten von Europa schmackhaft zu machen. Die EU-Institutionen sollten lediglich korrekte und sachlich richtige Finanz- und Geschäftsberichte abgeben und im Übrigen beispielsweise über angebotene Austauschprojekte bei der Hochschulbildung informieren.

Es stimmt außerdem nicht, wie offensichtlich angenommen, dass der einzelne Wähler umso eher die Schaffung eines EU-Superstaates befürwortet, je besser er informiert ist. Die Ansichten zu Zwischenstaatlichkeit oder Supranationalität als Formen der Zusammenarbeit innerhalb der EU basieren auf Werten und nicht auf Sachkenntnis.

Wir sind ebenfalls nicht der Meinung, dass Brüssel von oben herab Initiativen ergreifen und Finanzmittel bereitstellen sollte, damit EU-Parteien einen Dialog zu EU-Fragen mit ihrer Wählerschaft führen können. Das politische Interesse für EU-Fragen muss von unten durch politische Parteien und Organisationen aufgebaut werden.

Im Bericht wird außerdem erklärt, die Kommunikation solle sich auf Initiativen im Rahmen von Kommunikationsträgern wie Kulturprogramme (z. B. Literatur- oder Filmpreise), Sportveranstaltungen, usw. stützen. Wir möchten noch einmal unseren Standpunkt betonen, dass aus derartigen Methoden der Vermarktung der EU eine Verachtung für die europäischen Bürgerinnen und Bürger spricht. Auf diese Weise sollte die EU die Menschen nicht über ihre Existenz und ihre Arbeit informieren.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. – (PT) Obwohl ich im Wesentlichen die Standpunkte und Anliegen der Kommission zur Kommunikationspolitik teile, vor allem zur Notwendigkeit von mehr Transparenz und Einbeziehung der Menschen, muss meiner Meinung nach ganz klar sein, dass Kommunikationspolitik kein Selbstzweck, sondern ein Mittel ist. So sollte man sie verstehen. Die Illusion, dass alles Kommunikation ist und dass Kommunikation alles ist, könnte uns zu einer sinnentleerten Gesellschaft führen, in der es nur auf die Existenz der Botschaft ankommt und man sich wenig um ihren Inhalt kümmert.

Das bedeutet meines Erachtens, dass der Schlüssel zu einer erfolgreichen EU-Kommunikationspolitik in der Fähigkeit der Union liegt, von den Bürgern der Mitgliedstaaten als nützlich angesehen zu werden. Ich betone nützlich, und als nützlich angesehen zu werden. Hier kommen nun zwei Aspekte ins Spiel: Inhalt und Vermittlung. Die EU muss eine politische Reform fördern, die der wirtschaftlichen Entwicklung, der Sicherheit, der Weltordnung und der Hoffnung dient. Das ist der Inhalt. Was die Vermittlung betrifft: Wenn der Inhalt gut ist, ist sie eine Kunst, aber nur Teil des Ganzen, und nicht einmal der wichtigste Teil. Zudem darf sie gerade jetzt nicht mit Propaganda verwechselt werden. Ich stimme dem Ersteren, aber nicht dem Letzteren zu.

 

8. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
  

(Die Sitzung wird um 13.10 Uhr unterbrochen und um 15.05 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: MIROSLAV OUZKÝ
Vizepräsident

 

9. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

10. Tagesordnung der nächsten Tagung: siehe Protokoll

11. Famagusta / Varosha (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die Anfrage von Marcin Libicki im Namen des Petitionsausschusses zur mündlichen Antwort betreffend die Einbeziehung der Rückgabe des Sperrgebiets Varosha an die rechtmäßigen Bewohner in den Maßnahmenkatalog zur Beendung der Isolierung der türkischen Gemeinschaft Zyperns (O-0106/2006-B6-0446/2006).

 
  
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  Marcin Libicki (UEN), Verfasser. – (PL) Herr Präsident! Wir haben recht lange darauf warten müssen, bis die mündliche Anfrage zu Varosha im Stadtgebiet von Famagusta auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments erschien. So kommt es, dass wir heute zum zweiten Mal Angelegenheiten des Petitionsausschusses diskutieren. Heute Vormittag hat unser Ausschuss seinen Bericht zum Bericht des Europäischen Bürgerbeauftragten abgegeben.

Aber auch wenn wir lange auf die Diskussion über diese beiden Punkte warten mussten, bin ich doch froh, dass sie beide am selben Tag zur Sprache gekommen sind. Da wir den Petitionsausschuss als ein Gremium betrachten, das die Institutionen der Europäischen Union den Bürgerinnen und Bürgern näher bringen soll, sehe ich es mit großer Genugtuung, dass wir uns heute über eine sehr wichtige Petition aussprechen können. Besonders freut es mich, dass sich einige der Verfasser der Petition hier im Plenarsaal, auf der Ehrentribüne, befinden. Ich freue mich, Herrn Afxentiou und Herrn Christofidis, zwei – wie ich gerade sagte – der Verfasser der Petition, die die Aussprache heute verfolgen, begrüßen zu dürfen.

Herr Präsident, den Entschluss, eine mündliche Anfrage auf die Tagesordnung setzen zu lassen, fasste unser Ausschuss auf seiner Sitzung am 14. Juli 2005. Die Verfasser der Petition, auch die, die heute hier anwesend sind, nahmen ebenfalls an dieser Sitzung teil. Sie sind Vertreter einer in Zypern sehr wichtigen Organisation mit dem Namen Famagusta Refugees Movement. Diese Bewegung ist 1976 von den vertriebenen Einwohnern Famagustas ins Leben gerufen worden. Leider hat das Europäische Parlament die Diskussion mehrmals verschoben, wodurch sich die Anberaumung der heutigen Aussprache erheblich verzögerte. Inzwischen ist das ganze Problem noch dringlicher geworden.

Die Verfasser der Petition betonten, dass dreißig Jahre vergangen seien, seit Famagusta von der türkischen Armee besetzt und der als Varosha bekannte Stadtteil abgeriegelt wurde. Als die Verfasser auf unserer Ausschusssitzung ihre Probleme und ihre Petition darlegten, wiesen sie darauf hin, dass Varosha, nunmehr eine absolute Geisterstadt, eine große Kluft zwischen den vertriebenen Bewohnern und ihren Nachfahren schafft. Der Stadtteil ist ein Hindernis für die wirtschaftliche Wiederbelebung der Stadt und dient nicht der Förderung eines besseren Verständnisses zwischen den Gemeinschaften in Zypern.

Die Verfasser der Petition schlagen insbesondere vor, dass Varosha nach den von der internationalen Gemeinschaft und vor allem von der Europäischen Union verabschiedeten Regelungen an seine ursprünglichen Bewohner zurückgegeben wird. Die Verfasser der Petition erklären ihre Unterstützung gegenüber Bemühungen, den türkischen Zyprioten zu helfen, die aus rechtlicher und sozialer Sicht einen festen Bestandteil Zyperns bilden. Sie bringen auch Bedenken hinsichtlich der zugunsten der türkisch-zyprischen Gemeinschaft implementierten Regelungen vor. Ihre Bedenken beziehen sich darauf, dass diese Maßnahmen zur Isolierung und zur Abkehr von der grundlegenden und auf ein wieder vereinigtes Zypern abzielenden Strategie führen.

Die Verfasser der Petition hoben hervor, dass mit diesem Paket – wenngleich dieses Ziel in der erläuternden Erklärung in der Verordnung des Rates enthalten ist, mit der ein Instrument der finanziellen Hilfe zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft geschaffen werden soll – die Absicht verfolgt wird, die Wiedervereinigung von Zypern durch Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu erleichtern, wobei der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Integration liegt.

Bislang gibt es keine konsequente Politik zur Erreichung dieser Ziele. Die Verfasser der Petition schlagen ihrerseits zuallererst Maßnahmen zur Erleichterung von Handel und Fremdenverkehr vor, was den Wohlstand der Gemeinschaft fördern und ihre finanzielle Lage verbessern könnte; ferner wolle man das Potenzial des Hafens von Famagusta voll nutzen, was zu einer Regeneration der gesamten ihn umgebenden Region führen würde.

Darüber hinaus schlagen die Verfasser der Petition vor, einen Teil der von der Europäischen Union zur Unterstützung türkischer Zyprioten bereitgestellten Mittel in einen Sonderfonds einzuzahlen, der von einer Nichtregierungsorganisation unter der Schirmherrschaft der Europäischen Union und unter der Aufsicht der Europäischen Kommission verwaltet wird, in der beide Gemeinschaften gleichberechtigte Teilhaber wären. Sie schlagen ferner vor, diese Mittel zur Sanierung, Modernisierung und Nutzung des Hafens von Famagusta einzusetzen.

Der Petitionsausschuss hat die Anfrage im Namen der Verfasser an die Europäische Kommission geleitet und sie gefragt, welche Instrumente sie anzuwenden gedenkt, um sicherzustellen, dass die von den Verfassern der Petition aufgeworfenen Probleme gelöst werden.

Am 27. Februar 2006 beschloss der Rat für allgemeine Angelegenheiten, die Kommission zu weiteren Bemühungen auf dem Gebiet des direkten Handels zu Gunsten der türkisch-zyprischen Gemeinschaften auf der Basis von Verhandlungen aufzufordern, die während des Luxemburger Ratsvorsitzes stattfanden, als das Problem des abgeschlossenen Gebiets von Varosha und des Hafens im Zusammenhang mit Fragen des Freihandels aufgeworfen wurde. Gleichzeitig wurde auch erklärt, dass dieser Teil von Famagusta, Varosha, zurzeit nicht genutzt werde. Das ist eine unglaubliche schmerzhafte Lage für die vertriebenen Bewohner und ihre Nachkommen. Sie erschwert auch die wirtschaftliche Erholung der Stadt und dient nicht der Schaffung von Vertrauen zwischen den zyprischen Gemeinschaften. Was gedenkt daher die Kommission im Zusammenhang mit dem bereits genannten Beschluss zu unternehmen, um sicherzustellen, dass das abgeschlossene Gebiet von Famagusta an seine rechtmäßigen Bewohner zurückgegeben werden kann?

Herr Präsident, dieses Hohe Haus hat hier bei zahlreichen Gelegenheiten Fragen in Verbindung mit Zypern und der Türkei sowie die durch die türkische Aggression gegen Zypern verursachten Probleme diskutiert. In dieser Petition und der daraus abgeleiteten mündlichen Anfrage geht es genau um diese Frage, die in jenem Teil Europas ein grundlegendes Problem ist und Konsequenzen für die gesamte Europäische Union hat. Daher wäre ich dankbar nicht nur für eine Antwort, sondern auch für eine Umsetzung der von mehreren europäischen Gremien gemachten Vorschläge sowie der Forderungen der Verfasser der Petition.

Diese Angelegenheit ist wichtig, denn ihre Lösung wird der türkischen, griechischen und zyprischen Gesellschaft insgesamt zeigen, wie wirksam die europäischen Gremien mit Problemen umgehen können, mit denen die Hoffnungen europäischer Bürgerinnen und Bürger verknüpft sind.

Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich hätte gern eine Antwort und hoffe, dass diese Antwort zur Zufriedenheit der Verfasser der Petition und auch des Petitionsausschusses und des Europäischen Parlaments ausfällt.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Libicki und dem Petitionsausschuss dafür danken, dass sie das Problem angesprochen haben. Persönliche Freunde, die ich seit langem kenne, sind Varosha-Flüchtlinge, und so weiß ich um die Bedeutung der Frage nicht nur aufgrund meines Arbeitsbereichs, sondern auch aufgrund meiner persönlichen Kontakte.

Es liegt in der Verantwortung und in der Kompetenz der Vereinten Nationen, sich für eine grundsätzliche Beilegung des Zypernproblems einzusetzen. Die Kommission unterstützt die Vereinten Nationen in ihren Bemühungen und drängt die betreffenden Seiten zur Wiederaufnahme von Gesprächen über eine solche Beilegung.

Die Rückgabe von Varosha an seine rechtmäßigen Bewohner gehört zu den entscheidenden Elementen des von den UN angeführten Prozesses. Sollten sich die Parteien einigen, muss die Rückgabe Varoshas unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen vollzogen werden.

Der Annan-Plan sah eine baldige Rückgabe Varoshas an seine rechtmäßigen Bewohner vor. Der von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union unterstützte Plan scheiterte jedoch im Jahr 2004.

Die Rückgabe Varoshas ist eine von der Aufnahme des direkten Handels zwischen der türkisch-zyprischen Gemeinschaft und der übrigen Europäischen Union unabhängige Angelegenheit. Der direkte Handel liegt in der Zuständigkeit der EU. Die Kommission schlug hierzu im Juli 2004 den Entwurf einer Verordnung vor.

Mehrere EU-Präsidentschaften haben im Bestreben, im Rat Konsens über die Verordnung zum direkten Handel zu erreichen, mögliche Lösungen ergründet, bislang jedoch ohne Erfolg. Die finnische Präsidentschaft unternimmt erhebliche diplomatische Anstrengungen, das gegenwärtige Patt zu überwinden, und die Kommission unterstützt die Präsidentschaft uneingeschränkt. Nach der finnischen Formel würden wirklich beide Gemeinschaften und alle betreffenden Parteien gewinnen. Sie wäre eine große vertrauensbildende Maßnahme auf dem Weg zu einer umfassenden Lösung, die auch die Aussicht auf die Rückgabe Varoshas eröffnet. Eine Situation herbeizuführen, aus der beide Seiten als Sieger hervorgehen, lag seit den Zeiten von Robert Schuman und Konrad Adenauer, die nur fünf Jahre nach dem auf ihrem Boden ausgetragenen bittersten und verheerendsten Krieg auf der Welt Frankreich und Deutschland vereinten, im Wesen der europäischen Integration.

In den vergangenen 42 Jahren wurde viel von „roten Linien“ und von „Erpressung“ im östlichen Mittelmeer geredet. Das ist prämodernes Gerede im heutigen postmodernen Europa. Es ist an der Zeit, rote Linien durch Brückenbau und durch ein Denken zu ersetzen, das zwei Sieger in Betracht zieht, denn genau darum geht es in der Europäischen Union.

 
  
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  Panayiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Famagusta-Frage ist in erster Linie ein humanitäres Problem. Und genau auf dieser Grundlage reichte die Flüchtlingsbewegung von Famagusta beim Petitionsausschuss ihre Petition ein.

Seit nunmehr 32 Jahren träumen mehr als dreißigtausend Menschen Tag und Nacht davon, in ihr Zuhause zurückzukehren. 32 Jahre sind eine lange Zeit. Die schöne Stadt Famagusta ist noch immer unbewohnt. Sie ist eine Geisterstadt. In zynischer Weise hält die Türkei daran fest, sie als Faustpfand einzusetzen. Natürlich fragen die Bewohner Famagustas, was die internationale Gemeinschaft und was die Europäische Union unternimmt, um ihnen zu helfen, in ihre Häuser zurückzukehren. Der Kommissar sagte, alle würden sich bemühen. Doch das Problem ist ganz einfach. Eine entvölkerte Stadt ist an ihre rechtmäßigen Bewohner zurückzugeben. Die Türkei mag andere Tauschobjekte verwenden.

Der Türkei wird nicht die richtige Botschaft vermittelt, was zu tun ist. Die Verhandlungen über Famagusta sind der erste große Schritt hin zu einer ordentlichen Lösung des Zypernproblems auf der Grundlage der Resolutionen der Vereinten Nationen und europäischer Werte. Die Türkei muss jetzt diesen Schritt tun – im Interesse der Gerechtigkeit, im Interesse der Türkei und im Interesse der griechischen und der türkischen Zyprioten, wie Herr Libicki sagte.

Der verzweifelte Appell dieser noch lebenden Famagusta-Flüchtlinge lautet: „Helft uns nach Hause zurück.“ Helfen wir ihnen, Herr Kommissar. Die Zeit ist reif.

 
  
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  Maria Matsouka, im Namen der PSE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten von uns haben das Glück, sich an kleinem Luxus zu erfreuen, wie zum Beispiel, in seinem eigenen Haus, in der Nachbarschaft von Freunden und Bekannten zu wohnen. Heute diskutieren wir aber die Bemühungen bestimmter, zur großen europäischen Familie gehörender Menschen, um die Chance zu bekommen, eben das zurückzuerhalten, was wir in unserem täglichen Leben als Selbstverständlichkeit betrachten.

Die Flüchtlingsbewegung von Famagusta setzt sich aus vertriebenen Bürgern eines Ortes zusammen, der seit 32 Jahren eine Geisterstadt ist. Natürlich konnten sich diese Menschen in Zypern ihr Leben neu aufbauen. Bedenken Sie aber, was es bedeutet zu wissen, dass einige Kilometer entfernt Ihr erstes Haus bzw. das Haus Ihrer Eltern verlassen und unzugänglich dasteht, und das aus Gründen, für die Sie nicht verantwortlich sind.

Die Rückgabe der Stadt Famagusta an ihre rechtmäßigen Bewohner der griechischen und der türkischen Gemeinschaft Zyperns wird zahlreiche wirtschaftliche und soziale Vorteile haben. Famagusta war ein beliebtes Touristenziel. Ihr Wiederaufbau kann ihr den einstigen Glanz zurückgeben und zugleich ein enormes Handelspotenzial schaffen, wofür auch ihr Hafen genutzt werden wird, der, wie gefordert, wieder geöffnet werden kann, und dabei sollten die neuesten Technologien zur Anwendung kommen, um den bestmöglichen Nutzen aus ihm zu ziehen. Wenn die Stadt ihren Bewohnern so zurückgegeben wird, dass dadurch gewährleistet wird, dass sich die Bindungen zwischen den beiden Volksgemeinschaften verstärken, und die internationale Gemeinschaft sowie natürlich die Europäische Union für die Phase des Wiederaufbaus und der Entwicklung Garantien abgeben, dann werden sich die Beziehungen zwischen beiden Volksgemeinschaften vernünftig entwickeln. Wenn ein Umfeld geschaffen wird, das im Hinblick auf wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit Sicherheit, Gewissheit und Vertrauen bietet, dann werden sich im Zuge der Zusammenarbeit im Bereich der Beschäftigung und der Wirtschaft auch soziale Bindungen entwickeln.

Und schließlich muss die Stadt ihre eigene Dynamik entfalten, eine Dynamik, die als Vorbild und Richtschnur fungiert. Ich frage mich, da die Bitte von den Bewohnern der Stadt selbst kommt und ich die guten Beziehungen zwischen den Menschen beider Seiten kenne, ob wir das Recht haben, Nein zu sagen, ob wir das Recht haben, nicht zu helfen. Nichtsdestotrotz sollten wir diese Chance keineswegs als Gelegenheit benutzen, die Fortschrittsbemühungen in Zypern zu zerstören. Wir alle werden unsere Verantwortung tragen, Verantwortung gegenüber den Menschen sowie Verantwortung gegenüber der Nachwelt.

 
  
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  Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die Geiselnahme durch Terroristen und die nachfolgende Erpressung von Lösegeld ist in den letzten Jahren nichts Ungewöhnliches. Sie ist eine verabscheuenswürdige Tat teuflischer krimineller Perversion und wird von jedem, der nur eine Spur gesunden Menschenverstands besitzt, umfassend und universell verurteilt. In gleicher Weise ist die Geiselnahme einer Stadt durch ein Land, das in ein anderes Land eingedrungen ist und dann diese Stadt dazu missbraucht, durch Erpressung politische Vorteile zu erlangen, ein Fall psychopathischer Barbarei ungeheuren Ausmaßes und unbegreiflicher Logik. So ist das im Fall von Famagusta.

Bis 1974 war Famagusta eine blühende Stadt voller Leben und Energie, mit einer reichen, vieltausendjährigen Geschichte, umgeben von blühenden Zitrusgärten und an einem goldenen Sandstrand gelegen. Es war eine Stadt von beneidenswerter Schönheit. Famagusta wurde von vielen weithin als ein Juwel des östlichen Mittelmeers betrachtet. Ihre friedlichen Bewohner gingen ihrem Tagwerk nach, sie arbeiteten schwer für Fortschritt und Wohlstand. Doch im Sommer 1974 wurden alle ihre Träume zunichte gemacht.

Nach wiederholten schweren, katastrophalen Bombardements wurde die Stadt durch Horden türkischer Soldaten, von Panzern und Schützenpanzerwagen überrannt, die auf ihrem Weg Tod und Zerstörung brachten. Die Einwohner flohen vor Entsetzen und suchten verzweifelt das Leben ihrer Angehörigen zu retten; sie nahmen nur die für das Überleben notwendigsten Dinge mit. Die meisten fanden auf einem Plateau wenige Kilometer südlich der Stadt Zuflucht, wo sie in behelfsmäßigen Flüchtlingslagern kampierten und von wo aus sie beobachteten, wie ihre Häuser von türkischen Soldaten geplündert wurden.

Abgesehen von den Möbeln und anderen Haushaltsgegenständen nahmen die Eindringlinge Türen, Fenster, Rohre, Dachziegel und alles andere mit, was ihnen unter die Finger kam. Dann zäunten sie die gesamte Stadt ein, erklärten sie zum Militärgebiet und stellten ringsum Wachen auf. Dieser Zustand dauert bis heute an, 33 Jahre später. Sofern sich ein Bewohner aus verzweifeltem Heimweh der eingezäunten Stadt zu nähern versuchte, wurde er auf der Stelle erschossen oder von türkischen Soldaten festgenommen, und ihm wurde vor türkischen Militärgerichten der Prozess wegen Betretens eines militärischen Hochsicherheitsgebiets gemacht.

Die Geisterstadt Famagusta stand schon oft im Mittelpunkt mehrerer UN-Resolutionen, und zwischen den „Wenn“ und „Wie“ verschwommener Diplomatensprache versuchten die Leute von Famagusta immer wieder zu glauben, sie würden nach Hause zurückkehren. Aber das war alles eine Illusion, denn in der realen Welt politischer Diplomatie sind es fast immer die Starken, die sich durchsetzen. Im Fall von Zypern war und ist es immer noch die Türkei, die bei weitem am stärksten ist.

So wie die Famagusta-Flüchtlinge beinahe völlig desillusioniert waren von all den VN und Sicherheitsräten dieser Welt, so kam plötzlich neue Hoffnung auf in Form des Beitritts Zyperns zur EU.

Männer, Frauen und Kinder redeten auf einem Mal vom „europäischen Besitzstand“ und von den „Prinzipien und Werten, auf denen die EU beruht“. Viele waren gar davon überzeugt, dass die EU nach dem Beitritt die Türkei zwingen würde, Famagusta den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Wie naiv sie doch waren! Ihnen war wohl kaum bewusst, dass es der EU in der Hauptsache um den Handel auf dem riesigen türkischen Markt geht und nicht um die altmodischen Prinzipien von Gerechtigkeit und Freiheit. Und sie verstanden wohl kaum, dass die EU die Türkei hauptsächlich als von beinahe allmächtiger Bedeutung für den Kampf gegen die Bedrohung durch islamische Fundamentalisten ansieht.

Und so, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen wir heute fest, dass wir reden, reden und immer wieder reden über das Recht der Leute aus Famagusta auf Rückkehr nach Hause. Wenn man die Türkei gewähren lässt, werden wir sehr wahrscheinlich noch lange weiter darüber reden, während die große EU weiterhin stolz auf ihre Grundsätze und Werte ist, und alle werden froh sein – vor allem die türkische Regierung –, nur nicht die Menschen von Famagusta.

Allmählich werden wir uns mit ihrem Leid abfinden, dass sie ihre Stadt, das Juwel des östlichen Mittelmeers, unter den wachsamen Augen der VN, des Sicherheitsrats und nun auch der EU langsam sterben sehen müssen.

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Die Frage der Rückgabe des Sperrgebietes von Famagusta an seine rechtmäßigen Bewohner war niemals Bestandteil der Gesamtlösung der Zypern-Frage, zu der die Vereinten Nationen die entsprechenden Resolutionen verabschiedet haben.

Die Tatsache, dass die Rückgabe der Stadt über viele Jahre hinweg von der Gesamtlösung ausgeklammert wurde, ist ein Punkt, auf den ich eingehen möchte. Der zweite Punkt ist, dass die Kommission in ihrem letzten Fortschrittsbericht zur Türkei betont hat, die Umsetzung des Protokolls stelle per se eine rechtliche Verpflichtung dar, die nicht mit dem Status der türkischen Gemeinschaft Zyperns verknüpft werden kann. Demzufolge ist es unrecht von der Türkei, die Frage der Einhaltung ihrer Verpflichtungen an die Beendung der so genannten Isolation der türkischen Einwohner Zyperns zu koppeln, die, sofern sie überhaupt besteht, einzig und allein eine Folge der türkischen Besatzung ist.

Bestimmte Kreise in der Europäischen Union tun ebenfalls Unrecht, dieser Sichtweise zuzustimmen. Wenn das geschieht, wird der Vorschlag der zyprischen Regierung, den Hafen von Famagusta unter der Ägide der Vereinten Nationen und der Kontrolle durch die Europäische Kommission gemeinsam zu nutzen, zusammen mit der Rückgabe der Stadt an ihre rechtmäßigen Bewohner, jedoch möglicherweise den Dreh- und Angelpunkt darstellen, der dazu beitragen wird, die höchst unerwünschte Stagnation, die eingetreten ist, zu überwinden. Die Forderung der Türkei nach Beendung der so genannten Isolation der türkischen Einwohner Zyperns wird damit erfüllt. Den türkischen Zyprioten wird, auch wenn sie absolut nichts durch die Rückgabe der seit 32 Jahren verlassenen Stadt an ihre rechtmäßigen Bewohner zu verlieren haben, das Recht eingeräumt, den Hafen für Exportgeschäfte zu nutzen. Zugleich werden alle rechtmäßigen Bewohner in ihre Stadt zurückkehren, während gleichzeitig die türkischen Häfen und Flughäfen für zyprische Schiffe und Flugzeuge geöffnet werden. Und schließlich wird das Zusammenleben der beiden Volksgemeinschaften in Famagusta hilfreich für die Bemühungen sein, eine Gesamtlösung für das Zypern-Problem zu finden.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Rückgabe von Famagusta an seine rechtmäßigen Bewohner der Schlüssel dafür ist, die gegenwärtigen Schwierigkeiten so zu bewältigen, dass damit den gut gemeinten Interessen aller Seiten geholfen ist. Wenn sich alle den Anforderungen gewachsen zeigen und vernünftig handeln, dann sind wir ziemlich optimistisch, dass die komplizierte Situation, die entstanden ist, erfolgreich bewältigt wird.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Famagusta dient als Geisel. Die Stadt wurde als Geisterstadt beschrieben, sie ist desolat, isoliert und leer. Famagusta ist eine Stadt an der Ostküste von Zypern. 1974 marschierten türkische Truppen in Famagusta ein, und seitdem ist die Stadt abgezäunt. Zurzeit ist sie ungenutzt und von türkischen Soldaten bewacht. Niemand wohnt dort. Wer versucht, in sie hineinzugelangen, wird auf der Stelle erschossen oder vor ein Militärgericht gestellt.

Famagusta hat vierzehn Jahre lang die Unabhängigkeit genossen. Während dieser Zeit war die Stadt für die zyprische Wirtschaft von unentbehrlichem Nutzen. Ihre Bevölkerungszahl belief sich auf 60 000, dazu kamen täglich 15 000 Pendler. Zu ihr gehörte ein betriebsamer Hafen. Obwohl in ihr nur sieben Prozent der Bevölkerung Zyperns lebten, machten diese über 10 % aller in der Industrie Beschäftigten aus, die ebenfalls über 10 % der Gesamtproduktion in Zypern erzeugten. Trotz dieser Zahlen und des offenkundigen Nutzens für Zypern ist die Stadt trostlos geblieben. Diese Situation ist für Zypern oder die Menschen wirklich unerträglich. Es muss ganz klar etwas unternommen werden.

Ich finde es unglaublich, dass die EU nicht die unverzügliche und bedingungslose Rückgabe von Famagusta an seine Einwohner fordert, die übrigens EU-Bürger sind. Stattdessen haben wir diese bizarre Situation, in der die EU und viele Regierungen von EU-Mitgliedstaaten auf jede einzelne der obszönen Forderungen und Wünsche der Türkei einzugehen bemüht sind. Wir alle wissen, dass es der Wunsch der Türkei ist, der EU beizutreten. Wir wissen, welch mächtiges Land das ist. Doch müssen wir uns fragen, ob die Türkei für einen Beitritt zur Europäischen Union reif ist.

Die Türkei tut der Sache ihres Beitritts nichts Gutes. Als ich erstmals in dieses Hohe Haus gewählt worden war, stimmte ich für die Aufnahme von Gesprächen mit der Türkei. Bei der jüngsten Abstimmung enthielt ich mich der Stimme. Werde ich nun gegen den türkischen Beitritt stimmen müssen, oder werde ich in naher Zukunft etwas guten Willen seitens der Türkei zu spüren bekommen?

Ich kann nichts Gutes an dieser Situation erkennen. Die Rückgabe Famagustas wäre eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Türkei, nicht nur den ehemaligen Bewohnern Famagustas, sondern auch der EU und der ganzen Welt zu beweisen, dass sie ein friedliebendes und den Frieden bewahrendes Land ist.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Seit der türkischen Invasion von 1974 ist Zypern auf tragische Weise gespalten und die Stadt Famagusta von türkischen Streitkräften besetzt.

Unter dem finnischen Ratsvorsitz zeichnet sich jetzt allmählich ein viel versprechender Deal ab, nach dem der von den Türken okkupierte Norden der Insel wieder für den direkten Handel über den Hafen von Famagusta bei strenger Überwachung durch die EU geöffnet werden kann. Das wäre die Gegenleistung für die Rückgabe des abgezäunten Gebiets Varosha durch die Türkei an seine ursprünglichen griechisch-zyprischen Bewohner unter UN-Kontrolle. Zum Glück können die ursprünglichen griechisch-zyprischen Bewohner ohne große Brüche zurückkehren, denn niemand muss umgesiedelt werden, weil das entvölkerte Varosha 1974 abgeriegelt wurde und sich unter direkter Kontrolle des türkischen Militärs befindet.

Eine Bezugnahme auf die Umsiedlung von Varosha enthielt bereits das auf hoher Ebene zwischen Kyprianou und Denktash geschlossene Abkommen von 1974. Schon damals wurde vereinbart, das zu verwirklichen, ohne das Ergebnis der Diskussion zu anderen Aspekten des Zypernproblems abzuwarten, oder es als Tauschobjekt im Zusammenhang mit anderen zyprischen Problemen zu verwenden.

Natürlich kann die Rückgabe nicht an die Frage gekoppelt werden, dass die Türkei ihre mit dem Ankara-Protokoll über die Erweiterung der Zollunion eingegangene feste Verpflichtung als EU-Kandidatenstaat einhält, ihre Häfen für alle zyprischen Schiffe zu öffnen, was für alle Mitgliedstaaten der EU gelten muss. Zu ihnen gehört die Republik Zypern, der die Türkei auf absurde Weise die rechtliche Anerkennung verweigert, obgleich Zypern ein vollwertiger Mitgliedstaat der EU ist.

Auch die Grüne Linie muss sorgsam überwacht werden, wenn der direkte Handel vom Norden wieder aufgenommen wird; hier besteht die potenzielle Gefahr, dass die illegale Einwanderung und der Menschenhandel, vor allem mit Frauen aus Osteuropa, zunehmen. Ferner darf die so genannte Republik Nordzypern nicht weiterhin als Zufluchtsort für entwichene Kriminelle dienen, auch nicht für namhafte britische Flüchtlinge, die sich der Justiz entzogen haben, wie Herr Asil Nadir.

 
  
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  Mechtild Rothe (PSE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Eine von Stacheldraht verriegelte Stadt. Die Geisterstadt Varosha ist ein unerträglicher Zustand in Europa! Seit 32 Jahren steht die vorher von rund 30 000 Menschen bewohnte Stadt leer. Diese Menschen können von Weitem ihre Häuser hinter einem Zaun sehen, und der Wille zurückzukehren ist ungebrochen. Ich denke, sie haben ein Recht darauf, das zu tun.

Herr Kommissar, ich weiß, wir hier im Parlament, und Sie in der Kommission können das Zypern-Problem nicht allein lösen. Wenn es nach dem EP oder nach der Kommission gegangen wäre, hätten wir heute eine Lösung auf der Grundlage des Annan-Plans. Aber, auch wenn uns das überwiegende Nein der griechischen Zyprioten enttäuscht hat, haben wir es zu respektieren, und ich sage sehr klar, wir haben es respektiert. Dennoch hoffen wir auf eine baldige Lösung.

Eine Rückgabe von Varosha an die ursprünglichen Bewohner, eine bikommunale Verwaltung der Stadt, das Zusammenleben von Zyprioten beider Volksgruppen in Famagusta könnten wirklich vertrauensbildende Maßnahmen sein und weitere positive Entwicklungen fördern.

Herr Kommissar, Sie haben darauf hingewiesen, dass die finnische Ratspräsidentschaft sich derzeit bemüht, den seit mehr als zwei Jahren zugesagten direkten Handel zwischen der EU und Nordzypern zu ermöglichen. Wir stehen hier gegenüber den türkischen Zyprioten im Wort.

Aber die Öffnung von Varosha – wie von den Petenten vorgeschlagen – könnte Menschen helfen, die seit 32 Jahren auf ihre Rückkehr warten, und zugleich ein neues Zusammenleben ermöglichen, das einen Weg für eine Gesamtlösung ebnen kann. Ich hoffe, dass die finnische Präsidentschaft ihren Vorschlag in dieser Hinsicht noch einmal überdenkt.

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL).(CS) Meine Damen und Herren! Zypern ist seit langem dreigeteilt. Drei Prozent des Territoriums bestehen aus britischen Armeestützpunkten. Kein Ortsansässiger weiß, was dort geschieht, aber es gibt gewiss Orte, an denen zahlreiche Ausländer gutes Geld verdienen.

Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ fordert die Kommission auf, im Zusammenhang mit der Öffnung des gegenwärtig abgeriegelten Famagusta – auf Türkisch Varosha genannt – den direkten Handel mit der türkischen Gemeinschaft in Zypern zu unterstützen. Da das Parlament über die Freigabe eines bestimmten Betrags zur Entwicklung und Erneuerung der Infrastruktur des nördlichen Teils Zyperns diskutiert hat, möchte ich anfragen, wann – falls Famagusta zum nördlichen Teil der Insel gehört – mit dem Wiederaufbau unter Nutzung der genannten Mittel begonnen und wann die Stadt wieder der örtlichen Bevölkerung offen stehen wird. Falls Famagusta dagegen zum Süden gehört, wann wird die Stadt ihren Einwohnern offen stehen, damit sie mit dem Wiederaufbau der Stadt beginnen können?

Oder gibt es da vielleicht noch einen dritten Weg, Herr Kommissar? Sollten die auf der Insel stationierten britischen Einheiten das Problem lösen?

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Herr Präsident! Diese herrliche Stadt Straßburg, in der das Europäische Parlament seinen einzigen Sitz hat und hoffentlich auch in Zukunft haben wird, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vom britischen Labour-Politiker Ernest Bevin als Hauptstadt der europäischen Einigung vorgeschlagen. Bevin sagte damals: Kaum eine Stadt hat so unter der menschlichen Dummheit gelitten wie Straßburg. Deshalb ist es der ideale Platz, um hier die menschliche Dummheit zu überwinden.

Ich würde mir wünschen, man könnte bald etwas Ähnliches über Famagusta sagen. Famagusta ist das Sinnbild einer brutalen, völkerrechtswidrigen, menschenrechtswidrigen und sinnlosen Vertreibung. Es könnte durch einen einfachen Akt guten Willens ohne jedes ernsthafte Problem zu einem Sinnbild der Überwindung von Nationalismus und Vertreibung werden, mit einer Ausstrahlung weit über Zypern hinaus.

Ich erinnere mich, als ich einmal in Nordzypern war, hatte ich dort einen Fahrer, einen türkischen Zyprioten, der gut Griechisch sprach und der gesagt hat: Ich habe tiefe Sympathie für meine griechischsprachigen Mitbürger aus Zypern, und unser Problem sind nicht die griechischen Zyprioten, sondern die türkische Armee und die Siedler, die man künstlich in dieses Land gebracht hat. Sie haben ein Interesse daran, diesen Zankapfel aufrechtzuerhalten. Dagegen sollten wir uns wenden! Wir sollten dafür sorgen, dass beide Volksgruppen sich aussöhnen und die Vertriebenen nach Famagusta in ihre angestammte Heimat zurückkehren können. Damit würde ein Zeichen gesetzt für den ganzen Mittelmeerraum, für Europa und für die ganze Welt, dass Menschen unterschiedlicher Volksgruppen auf der Basis des Rechts friedlich zusammenleben können.

Zypern könnte hier ein Beispiel für viele, viele andere Krisenherde werden. Deshalb danke ich den Initiatoren dieser Petition, dass sie dieses Thema aufgebracht haben. Wir sind ihnen alle Solidarität schuldig, dass sie endlich zu ihrem Recht kommen und dass Famagusta wieder zu einem blühenden Ort des Handels und der Kultur wird, was es in seiner stolzen und traditionsreichen Geschichte immer gewesen ist und hoffentlich in Zukunft auch sein wird!

(Beifall)

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! 32 Jahre nach der militärischen Invasion und der anhaltenden Besatzung legen die Fotografien des Sperrgebiets Varosha, das einzig und allein von der türkischen Armee kontrolliert wird, ein unbestreitbares Zeugnis von der zyprischen Tragödie, von den Verstößen gegen internationales und europäisches Recht sowie vom Zusammenbruch der europäischen demokratischen Zivilisation ab.

Die Forderung der griechischen Einwohner Zyperns – selbst Flüchtlinge in ihrem eigenen Land wie ihre türkisch-zypriotischen Mitbürger –, die Möglichkeit zu erhalten, in ihre eigenen Häuser und Grundstücke zurückzukehren, ist eine grundlegende Forderung nach der Achtung der humanitären Grundsätze. Sie stellt zugleich eine Initiative dar, die für die Schaffung eines Klimas des Vertrauens, der Sicherheit und der Aussöhnung zwischen den beiden Volksgemeinschaften von entscheidender Bedeutung ist, eine Initiative, die die harte Realität der Teilung überwindet und die Bemühungen unterstützen wird, eine gemeinsame Entwicklung und Koexistenz zu gewährleisten und die psychologische Kluft zwischen den beiden Seiten zu schließen.

Wenn die Europäische Union sich konsequent und entschieden für vertrauensbildende Maßnahmen einsetzt – und dazu ist sie in der Lage, Herr Kommissar –, dann können die notwendigen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines offenen Dialogs geschaffen werden, dessen Ziel darin besteht, eine nachhaltige und funktionierende Lösung für das Zypern-Problem zu finden. Die Lösung kann aber nicht nur Sache der Funktionäre und ihres politischen Willens sein. Sie ist eng mit der Volksgemeinschaft und den Bürgern verbunden sowie mit dem Gefühl der Gerechtigkeit, das gefestigt werden muss.

In der Geschichte Zyperns sind auf politischer Ebene viele Gelegenheiten verpasst worden. Wir dürfen auf gesellschaftlicher Ebene keine Gelegenheiten für die friedliche Wiedervereinigung der Insel versäumen, die all ihren Bürgern, sowohl den griechischen als auch den türkischen, zugute kommen wird.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE).(PL) Herr Präsident! Was die Fakten angeht, so wurde über den Status von Famagusta bereits viel gesagt. Ich möchte auf drei Punkte aufmerksam machen. Zunächst haben alle Einwohner das Recht auf ihr Eigentum und das Recht, dorthin zurückzukehren. Zweitens gleicht das Problem Famagusta einer Schizophrenie oder einem Krebsgeschwür am Körper der Europäischen Union. Wenn wir nicht imstande sind, mit dieser Situation fertig zu werden, zweifle ich daran, dass wir in der Lage sein werden, irgendwann in der Zukunft den Beitritt der Türkei zur Union zu bewältigen. Schließlich, Herr Präsident, wird man eines Tages über Sie, über alle europäischen Institutionen und die europäische Demokratie als Ganzes richten und sie anklagen, nicht das kulturelle Erbe, in dem wir alle aufgewachsen sind, geschützt zu haben. Famagusta ist ein gutes Beispiel für dieses kulturelle Erbe, und wir können nicht zulassen, dass dort alles zu Ruinen verfällt, wie es bereits jetzt zu sein scheint. Wenn wir es hier mit einer Besatzungsmacht zu tun haben, denke ich, dass wir eine andere Strategie annehmen müssen. Die derzeitige Strategie ist nicht wirksam, und wir sind alle dafür verantwortlich, auch Sie, Herr Präsident.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Viele Redner haben die Teilung Zyperns als tragisch bezeichnet. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Die Wiedervereinigung hätte spätestens gestern kommen sollen.

Die Europäische Union unterstützt konsequent diese Bemühungen und war bestrebt, einen eigenen Beitrag zu leisten, indem die Kommission an allen diesen Bemühungen aktiven Anteil hatte. Mit dem Engagement aller Ratspräsidentschaften für diese Bemühungen in den letzten Jahren hat die Europäische Union ungeheuer viel Energie und Anstrengung investiert, um das Zypern-Dilemma zu lösen.

Heute ist die finnische Formel wahrscheinlich für mehrere Jahre die letzte Chance, um aus der gegenwärtigen Sackgasse herauszukommen. Daher sollte sie äußerst ernst genommen werden. Nach der Ratstagung der Außenminister der Europäischen Union vergangenen Montag zu urteilen, unterstützen die EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich die finnischen Bemühungen. Das trifft auch für die Kommission zu, wobei sie politische Mittel und Wege als auch Rechts- und andere stichhaltige Gutachten zur Erleichterung von Lösungen einsetzt.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass jeder diese Chance ergreifen sollte, damit eine Situation entsteht, aus der alle als Gewinner hervorgehen, auch die Varosha-Flüchtlinge.

 
  
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  Der Präsident – Die Aussprache ist geschlossen.

 

12. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit(Aussprache)

12.1. Äthiopien
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über die sechs Entschließungsanträge zu Äthiopien.(1)

 
  
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  Adam Jerzy Bielan (UEN), Verfasser. – (PL) Herr Präsident! Die Nachrichten über anhaltende Verhaftungen, Demütigungen und Einschüchterungen von Oppositionspolitikern und Studenten in Äthiopien hat Empörung hervorgerufen, und diese Aktionen sind entschieden zu verurteilen. Die jüngste Festnahme und Ausweisung von zwei Beamten der Europäischen Kommission, die des Versuchs beschuldigt wurden, Yalemzewd Bekele, einer für die Europäische Kommission in Addis Abeba tätigen Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin, geholfen zu haben, unterstreicht nur, wie gravierend die Lage ist. Auch sollten wir nicht vergessen, dass nach den Massenverhaftungen von Oppositionsanhängern bei Demonstrationen im Juni und im November 2005 noch immer 111 Personen festgehalten werden.

Ich fordere die Kommission und den Rat auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um einen breiten Dialog einzuleiten, an dem politischen Parteien, Organisationen der Zivilgesellschaft und die Behörden teilnehmen, damit eine dauerhafte Lösung für die gegenwärtige politische Krise vereinbart werden kann. Wir müssen alles tun, um sicherzustellen, dass die bleibenden Prinzipien der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land wieder Geltung erlangen. Damit das geschieht, müssen die äthiopischen Behörden der Welt beweisen, dass sie willens sind, die derzeitige Krise zu überwinden. Die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen wäre gewiss eine solche Geste des guten Willens.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! Das Problem der Menschenrechte in Äthiopien war in diesem Hohen Haus Gegenstand zahlreicher vorangegangener Entschließungsentwürfe. Leider scheint es, als seien unsere klugen Ratschläge und unsere energische Verurteilung, was die äthiopische Regierung angeht, auf taube Ohren gestoßen. Wer kann ihr jedoch vorwerfen, sich gegenüber diesem Parlament so willkürlich und völlig inakzeptabel zu verhalten, wenn die Kommission, die die Gründe selbst am besten kennt, Premierminister Meles Zenawi einlädt, eine Rede auf den Europäischen Entwicklungstagen speziell zum Problem der Regierungstätigkeit zu halten? Damit wurde unvermeidlich das falsche Signal hinsichtlich der Politik der EU in der Frage der Achtung der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze, der Rechtsstaatlichkeit und des guten Regierens ausgesandt. Vielleicht ist der Herr Kommissar so freundlich, uns heute zu erläutern, welche Logik hinter dieser Einladung verborgen war.

Wir alle sind uns der Schwierigkeiten bewusst, denen Äthiopien in seiner bewegten postkolonialen Geschichte ausgesetzt war, und wir sind uns darüber im Klaren, dass eine gewisse Schuld eindeutig und unmittelbar bei den einstigen Kolonialherren liegt. Wir alle wollen dem äthiopischen Volk dabei helfen, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, frei von den Widerwärtigkeiten innerer Kämpfe und regionaler Konflikte. Doch das herrschende Regime in Addis Abeba muss umfassend und unmissverständlich begreifen, dass sich die so sehr ersehnte politische Stabilität nicht durch fortwährende Verhaftungen, Schikanierungen, willkürliche Festnahmen, Demütigungen und die Einschüchterung von Oppositionspolitikern, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Studenten und anderen einfachen Bürgern erreichen lässt. Im Gegenteil, solche Aktionen müssen zu einer Verschlechterung der bereits jetzt unsicheren politischen Lage in Äthiopien führen, und die befürchtete weitere Verschlimmerung der Situation wird eher zu einer Gewissheit als zu einer Möglichkeit.

Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen auf, diesen Entschließungsentwurf zu unterstützen, und sehe mit Interesse den Bemerkungen des Herrn Kommissars zur Frage der Einladung von Herrn Meles Zenawi entgegen.

 
  
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  Ana Maria Gomes (PSE), Verfasserin. – (PT) Die Unterdrückung von Studenten und von Oromo, Amharen und anderen ethnischen Gruppen in Äthiopien; die fortdauernden Verhaftungen von und Schauprozesse gegen gewählte Oppositionsführer, Gewerkschaftsführer, Journalisten, Lehrer, Menschenrechts- und Entwicklungshilfeaktivisten und viele andere Äthiopier, die für Freiheit und Demokratie kämpfen; die Manipulation durch die Regierung Meles Zenawi an den Schlussfolgerungen der Kommission, die das Massaker an 193 Menschen im Juni und November 2005 nach Protesten wegen Wahlbetrug untersuchte, sowie die Verfolgung von Richtern in dieser Kommission, die sich weigerten, ihre Ergebnisse zu ändern und deshalb zur Flucht aus dem Land gezwungen waren; die Verhaftung des Rechtsanwalts Yalemzewd Bekele, der für die Delegation der Europäischen Union tätig war, sowie die ungerechtfertigte Ausweisung europäischer Diplomaten unter Verletzung der Wiener Konvention – all diese Vorkommnisse beweisen nicht nur, wie demokratiefeindlich und totalitär das Regime von Meles Zenawi ist, sondern offenbaren auch dessen zunehmende Schwäche und Verzweiflung.

Seit den Schlussfolgerungen der EU-Wahlbeobachtungsmission im Jahr 2005 hätten die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat und die Kommission zusammenarbeiten müssen, um etwas in Bezug auf das Regime von Herrn Meles Zenawi zu unternehmen. Wie Teshale Aberra, einer der Richter, die aus dem Land fliehen mussten, erklärte, ist die Regierung Meles Zenawi genauso schlimm oder noch schlimmer als das Mengistu-Regime.

Äthiopien erhält finanzielle Hilfe von der Europäischen Union, und deshalb muss die Europäische Union die unverzügliche Freilassung aller politischen Gefangenen fordern. Sie muss außerdem verlangen, dass eine internationale Untersuchung der Massaker von 2005 eingeleitet wird und dass die für diese Massaker Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Die EU muss die in Artikel 96 des Cotonou-Abkommens, dem Äthiopien angehört, vorgesehenen geeigneten Maßnahmen treffen, wie es von diesem Parlament gefordert wird.

Zu solchen Maßnahmen gehört, die europäischen Vermögenswerte von Herrn Meles Zenawi und Mitgliedern seiner Regierung einzufrieren und ihnen Einreisevisa nach Europa zu verweigern. All diese Maßnahmen müssen so angelegt sein, dass sie die Hauptverantwortlichen treffen und nicht das äthiopische Volk. Unsere Regierungen und die Kommission müssen aufhören, ihre tolerante Haltung gegenüber diesem demokratiefeindlichen Regime zu rechtfertigen, das unter dem Vorwand, es sei ein Verbündeter im Kampf gegen Terrorismus, Menschenrechte verletzt.

Wir in Europa und in den Vereinigten Staaten dürfen uns nicht länger etwas vormachen. Die Intervention Äthiopiens in Somalia unter dem Vorwand, Terrorismus zu bekämpfen, hat nur dazu beigetragen, die Islamischen Gerichte in Mogadischu zu etablieren, und das ist noch nicht alles an verheerenden Folgen: Mit einem beschädigten Ansehen und fehlendem Rückhalt in der Öffentlichkeit hat das Regime von Herrn Meles Zenawi Äthiopien selbst, das afrikanische Land mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, weit für das Eindringen von Terroristen geöffnet.

 
  
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  Michael Gahler (PPE-DE), Verfasser. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im letzten Monat durfte ich mit der Kollegin Glennis Kinnock und zwei afrikanischen Kollegen eine Delegation mit anführen, die nach Äthiopien gereist ist. Wir haben dort sowohl mit der Regierung als auch mit der Opposition und mit Familienangehörigen verhafteter Oppositioneller Gespräche geführt.

Wir sind sehr besorgt über die Situation dort! Wir haben festgestellt, dass insbesondere bei der Regierung keinerlei Wille vorhanden ist, wirklich Konsequenzen zu ziehen einerseits aus dem Wahlergebnis und andererseits aus den Ergebnissen einer Untersuchungskommission, die die Regierung selbst über das Parlament eingesetzt hat.

Wir haben den Ministerpräsidenten aufgefordert, diese Ergebnisse der Untersuchungskommission als Anfangspunkt für einen nationalen Dialog zu nutzen. Er hat sich nicht sehr deutlich geäußert, im Gegenteil, wir haben feststellen müssen, dass die Mitglieder dieser Kommission unter Druck gesetzt wurden, einige sind ins Ausland geflohen. Der Bericht wird wohl – wenn er überhaupt veröffentlicht wird – in einer geschönten, verfälschten Version veröffentlicht werden.

Wir sind dankbar, dass der Kommissionspräsident anlässlich seines Besuchs sehr klare Worte gegenüber dem Ministerpräsidenten gefunden hat. Leider konterkariert der Entwicklungskommissar mit seiner Einladung von Herrn Meles nach Brüssel diese Haltung der Kommission.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir jetzt, wenn wir ein neues Instrument für Demokratie und Menschenrechte bekommen, dies ein effektives Instrument wird, damit wir demokratische politische Kräfte unterstützen können. Diese Formulierung muss in die neue Regelung mit hinein, denn wie sollen wir sonst die Opposition mit Rechtsbeistand unterstützen, wie sollen wir sonst den Abgeordneten, die ihre Mandate übernommen haben, aber über keinerlei Mittel verfügen, helfen, ihre konstitutionellen Rechte wahrzunehmen? Deswegen fordere ich nicht nur die Kommission, sondern vor allen Dingen auch die Mitgliedstaaten auf, ihren Widerstand gegen eine solche Formulierung für ein effektives Instrument für Demokratie und Menschenrechte aufzugeben!

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! In diesen Aussprachen unterstreichen wir immer wieder die Bedeutung des Dialogs und der offenen Diskussion. Im Fall von Äthiopien wird dieser Dialog ein kritischer sein, sowohl im Sinne von entscheidend als auch im Sinne unserer kritischen Haltung gegenüber den derzeitigen Praktiken der äthiopischen Regierung.

Die Vorzeichen sind nicht gut. Etwa 193 Bürger fanden bei den Unruhen im Juni und im November 2005 den Tod. Der Bericht über die Ermittlungen dazu bleibt unveröffentlicht, er unterliegt der Zensur, und er ist unklar. Seitdem wurden zahlreiche Äthiopier ins Gefängnis geworfen, und zwei EU-Beamte wurden aus dem Land ausgewiesen. All dies ist für die Teilnehmer an dieser Aussprache nichts Neues, aber die Dinge eskalieren, und es sieht nicht gut aus für Äthiopien.

Der Dialog wird in der Tat entscheidend sein, und in Ziffer 7 wird, wie Herr Matsakis sagt, das Bedauern über den bevorstehenden Besuch von Premierminister Zenawi in Brüssel, der uns etwas über gute Regierungstätigkeit erzählen soll, zum Ausdruck gebracht. Das ist eine Ironie, über die man lachen könnte, wäre es nicht so traurig. Denken wir aber positiv. Der Herr Kommissar wird uns heute hoffentlich erzählen, dass uns damit Gelegenheit gegeben wird, mit Premierminister Zenawi zu reden und ihm freimütig unsere Bedenken mitzuteilen. Ich hoffe, der Herr Kommissar wird bestätigen, dass uns diese Chance nicht entgeht, wenn Herr Zenawi nach Brüssel kommt.

Äthiopien spielt eine wichtige Rolle in der Afrikanischen Union und eine wichtige Rolle in der Entwicklung. Wir könnten viel besser zusammenarbeiten. Doch diese Zusammenarbeit sollte man, wie Kollegen sagten, nicht für gegeben hinnehmen, sie sollte auf beiderseitig anerkannten Grundsätzen beruhen und, was ganz wichtig ist, man sollte zu ihnen stehen.

Wenn wir uns nicht an unsere Grundsätze halten, können wir das kaum von anderen erwarten, also hoffe ich auf eine freimütige und offene Diskussion mit dem Premierminister, wenn er nach Brüssel kommt.

 
  
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  Karin Scheele, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Der Ausgang der Parlamentswahlen vom 15. Mai 2005 hat in Äthiopien zu einem Rückfall in eine repressive politische Atmosphäre geführt, und das ist auch der Grund, warum wir zum wiederholten Male das Thema Äthiopien bei Aussprachen im Parlament behandeln.

Die Wahlmanipulation und die repressive Reaktion auf die Unruhen der Bevölkerung haben der Regierung im eigenen Land und im Ausland Ansehen gekostet und Äthiopien destabilisiert. Nur eine Wiederaufnahme des Demokratisierungsprozesses unter Beteiligung der Oppositionsparteien kann diesem Prozess entgegenwirken. Das äthiopische Parlament hat vor einem Jahr eine Kommission zur Untersuchung der Morde vom Juni und November 2005 eingesetzt. Wir fordern die äthiopische Regierung auf, den Schlussbericht der Untersuchungskommission unverzüglich, unverändert und in voller Länge zu veröffentlichen. Die Ergebnisse müssen den einschlägigen Gerichten vorgelegt werden und als Basis für faire Gerichtsverfahren dienen.

Ferner fordern wir die äthiopische Regierung auf, alle politischen Gefangenen unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

 
  
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  Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Wir sind uns dessen wohl bewusst, dass alle Länder und Gesellschaften in der ganzen Welt das Recht auf Freiheit und Unabhängigkeit haben. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir heute über ein ganz konkretes Land sprechen, ein Land, dessen Geschichte älter ist als die vieler oder der meisten europäischen Länder und das seine Wurzeln in den Zeiten der Herrscher des Alten Testaments, des Königs David und der Königin von Saba zu haben meint.

Dieses Land, das auch das Christentum früher angenommen hat als viele europäische Länder, wenn nicht gar früher als die meisten, ist auch auf dem afrikanischen Kontinent einzigartig. Es hat während seiner gesamten Geschichte seine Souveränität bewahrt, mit Ausnahme eines kurzen Zeitabschnitts in den dreißiger Jahren, als es von einem europäischen Staat erobert wurde. Doch selbst dann bewahrte es in rechtlicher Hinsicht seine Unabhängigkeit. Auch während dieser Invasion, mit der man eine Kolonialherrschaft errichten wollte, vertrat Kaiser Haile Selassi, der in der ganzen Welt und in Äthiopien sehr geachtete ehrbare Herrscher des Landes, vom Ausland aus im Exil sein Land.

In den siebziger Jahren fiel Äthiopien einer kommunistischen Verschwörung zum Opfer, bei der der Kreml und Kuba ihre Hand im Spiel hatten. Seither vermochte das Land nie zur Normalität zurückzukehren. Ich will nichts von dem wiederholen, was hier über die gegenwärtigen Leiden des äthiopischen Volkes gesagt wurde, aber es ist wirklich unsere Pflicht, diesem Land und seiner Gesellschaft zu helfen.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (NI). (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Die Europäische Kommission hat sich mit der Einladung des äthiopischen Premierministers zu den Europäischen Entwicklungstagen leider wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten. Diese Veranstaltung, zu der der Premierminister Äthiopiens als Gast geladen war, begann zeitgleich mit der Parlamentssitzung und wird morgen beendet. Der äthiopische Premierminister trat sogar als Redner auf. Die Europäische Kommission hat sich dafür entschieden, sich den aus Äthiopien zu uns gelangenden Berichten über Verfolgungen gegenüber lieber taub zu stellen.

Wir in der Europäischen Union können jedoch nicht so tun, als hätten wir es mit einem normalen Land zu tun. Ja, ganz das Gegenteil ist der Fall. Wir haben es mit einem Land zu tun, das für viele Journalisten, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten ein Gefängnis ist. Wir wissen nicht einmal, wie groß dieses Gefängnis ist, weil sich die äthiopische Regierung systematisch weigert preiszugeben, wie viele politische Gefangene es dort gibt oder wie viele Personen verhaftet wurden.

Kürzlich wurden Angehörige eines weiteren Berufs, nämlich Lehrer, verhaftet. Die Haltung der Europäischen Kommission und des Rates gegenüber Äthiopien muss ganz klar davon abhängig gemacht werden, ob Äthiopien die Menschenrechte achtet und vor allem, ob es darauf eingeht, die politischen Gefangenen freizulassen oder nicht. Es sollte aber auch klargestellt werden, dass das nicht nur eine Angelegenheit ist, die allein die Europäische Union angeht. Auch die Afrikanische Union muss handeln. Deshalb möchte ich unterstreichen, dass sich beide mit der Frage befassen müssen.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. – (EN) Herr Präsident! Nach der Krise, die auf die Wahlen von 2005 folgte, hat die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der internationalen Gemeinschaft Anstrengungen unternommen, um die Spannungen zu mindern, und die äthiopische Regierung gedrängt, durch die Freilassung politischer Gefangener das Vertrauen in den Demokratisierungsprozess wiederherzustellen. Im Einklang mit der internationalen Gebergemeinschaft hat die EU der Pflege eines offenen und strukturierten Dialogs mit der äthiopischen Regierung als günstigstem Weg zur Verbesserung der Lage den Vorrang gegeben.

Nach einem Besuch wichtiger politischer Gefangener erhielt Kommissar Michel während eines Dialogs im Februar seitens des Premierministers Meles Zenawi Zusagen, dass sie einen kurzen, fairen Prozess bekommen würden. Im Oktober traf Präsident Barroso in Addis Abeba mit Premierminister Zenawi zusammen, um die Sorge der Kommission über den Prozess und um die Gefangenen zum Ausdruck zu bringen. Präsident Barroso wies darauf hin, er erwarte einen raschen, fairen und transparenten Prozess. Er betonte auch, er betrachte einen Prozess nicht als geeignete Reaktion auf die äthiopischen politischen Differenzen. Stattdessen schlug er Versöhnung und Dialog als einzigen Weg zur Vertrauensbildung vor.

Als zwei Mitglieder der Delegation der Kommission festgenommen und aus Äthiopien ausgewiesen wurden und man eine einheimische Angestellte der Kommission inhaftierte, brachten Präsident Barroso, Kommissar Michel und die Mitgliedstaaten der EU unverzüglich ihre tiefe Besorgnis über diese Ereignisse zum Ausdruck, die eindeutig einen Verstoß gegen die Wiener Konvention darstellten. Die Kommission hat die gegen die Delegation der Kommission und deren Angestellte erhobenen Anschuldigungen energisch zurückgewiesen. An ihrem Sitz hat die Kommission ihre Unterstützung und Solidarität mit den Angestellten der Delegation zum Ausdruck gebracht und mit Genugtuung vermerkt, dass dieses unverzügliche und energische Handeln zur Freilassung der verhafteten einheimischen Angestellten auf Kaution führte.

Es bestehen gewisse Zweifel, ob es klug war, Premierminister Zenawi zu den Europäischen Entwicklungstagen einzuladen. Die Kommission ist der Ansicht, dass der Dialog und weitere Bemühungen vonnöten sind, um der äthiopischen Regierung die Bedenken der EU zu übermitteln und Zusagen in der Frage demokratischer Reformen und guten Regierens zu erlangen. Die für die Europäischen Entwicklungstage geplanten Treffen und Aussprachen werden Gelegenheit geben, diese Botschaften deutlich zu machen und unsere tiefe Besorgnis zum Ausdruck zu bringen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


12.2. Bangladesch
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die sechs Entschließungsanträge zu Bangladesch.(1)

 
  
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  Jaromír Kohlíček (GUE/NGL), Verfasser. – (CS) Meine Damen und Herren! Bangladesch ist eines der am stärksten überbevölkerten und eines der ärmsten Länder der Welt. In den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Bangladesch aus religiösen Gründen zweigeteilt, was nicht gerade zur Milderung einer ohnehin schon komplizierten Lage beitrug. Der nachfolgende Unabhängigkeitskrieg mit Pakistan führte noch zur Verschlimmerung der extremen Armut, und das nicht nur in den Provinzen.

In der Verfassung des Landes findet sich ein besonderer Mechanismus, nach dem die Macht während der Wahlvorbereitung an die geschäftsführende Regierung übergeben wird. In der ganzen Welt ist bekannt, dass Mikrodarlehen bislang ein großer Erfolg sind. Weniger bekannt ist es, dass dieser Erfolg in diesem streng islamischen Land vor allem dem Engagement der Frauen zu danken ist. Wie in allen so ungeheuer überbevölkerten und sehr armen Ländern bestehen riesige Probleme mit einer unzureichenden Infrastruktur sowie mit der religiösen und ethischen Intoleranz. Ich meine, diese Probleme lassen sich reduzieren, und es ist möglich, dass sich die säkulare Tradition verbreitet.

Ein schwieriges Problem bei allen Wahlen, nicht nur in Entwicklungsländern, ist die Frage nach der Wahlberechtigung. In Bangladesch wird das Problem dadurch erschwert, dass die Bevölkerung zum Teil aus Analphabeten besteht. Sind die Wahlverzeichnisse faktisch korrekt, besteht das nächste wichtige Problem darin, den Kandidaten die Möglichkeit einzuräumen, ihr Wahlprogramm bekannt zu machen. Es verwundert nicht, dass der vorgeschlagene Entschließungstext auch darauf eingeht. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Anerkennung von oder der Umgang mit Journalisten durch irgendein Land in der Welt meiner Meinung nach nicht als Maßstab der Demokratisierung dienen kann. Allerdings ist die Pressefreiheit eng mit dem demokratischen Wettstreit von Ideen und Programmen verbunden. Desgleichen liegt es in der ständigen Verantwortung aller Regierungen, Terroristengruppen zu eliminieren.

Komplizierter ist die Frage, wie man das Wort Terrorist definiert und wie man den Terrorismus in einer demokratischen Gesellschaft bekämpft. Auf der letzten Tagung der Gruppe für Zusammenarbeit mit südostasiatischen Ländern, die zu leiten ich die Ehre hatte, brachten die Teilnehmer zum Ausdruck, dass wirklich demokratische Wahlen in Bangladesch möglich sind.

Die im Entschließungsantrag enthaltenen Beobachtungen verfehlten in der von mir geleiteten Tagung nicht ihre Wirkung, und ich denke, dass die Entsendung einer Beobachtermission durch das Europäische Parlament zu einem demokratischen Wahlprozess beitragen wird.

Die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke billigt die uns vorliegende Entschließung, und ich meine, wir müssen den Prozess der Demokratisierung in Bangladesch unterstützen und auch dazu beitragen, dass diese Wahlen so demokratisch wie möglich ablaufen.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE), Verfasserin. – (FR) Herr Präsident, Bangladesch ist ein Land mit demokratischen Traditionen, in dem die Menschenrechte und die Pressefreiheit geachtet wurden. Es leidet derzeit unter der Zunahme eines gewaltsamen islamischen Fundamentalismus. Im letzten Bericht von „Reporter ohne Grenzen“ werden Hunderte von Angriffen auf die Pressefreiheit aufgedeckt. Allein in diesem Jahr wurden drei Journalisten umgebracht, mindestens 95 angegriffen und Dutzende, wenn nicht Hunderte Korrespondenten gezwungen, zu fliehen, nachdem man sie wegen Artikeln eingeschüchtert hatte, die als „nicht islamisch“ galten.

Wenn ich wollte, dass sich das Parlament heute dringend zur aktuellen Lage äußert, dann, weil in Dhaka jetzt gerade Salah Choudhury der Prozess wegen Volksverhetzung gemacht wird. Dieser Journalist, Herausgeber des Weekly Blitz, ist ein entschiedener Anhänger eines gemäßigten Islam, der für Offenheit und den Dialog zwischen den Religionen und die Anerkennung Israels durch seinen Staat eintritt. Aus diesen Gründen, und nur aus diesen Gründen, droht er heute zum Tode verurteilt zu werden.

Wir fordern die Kommission dringend auf, die Entwicklungen dieses Gerichtsverfahrens mitzuverfolgen, um sicherzustellen, dass die Rechte des Angeklagten sowie die internationalen Übereinkommen über die Pressefreiheit gewahrt werden.

Und da ich noch einige Sekunden Zeit habe, möchte ich meine Unterstützung für die Bemühungen der Übergangsregierung zum Ausdruck bringen, sicherzustellen, dass auch das Verfahren zur Vorbereitung der Wahlen internationalen demokratischen Normen entspricht. Dazu gehören die Erstellung eines angemessenen Wählerverzeichnisses, eine wirklich unabhängige Wahlkommission und natürlich, darauf möchte ich noch einmal zurückkommen, Ausgewogenheit und Freiheit der Medien während des Wahlkampfs. Offensichtlich haben die vier privaten Fernsehsender des Landes Schwierigkeiten, einen anderen Standpunkt als den der Regierung vorzubringen, wenn sie ihre Lizenzen behalten wollen.

Zwei führende Terroristen wurden in Bangladesch festgenommen. Die Bemühungen um Entwaffnung der islamischen Milizen, die versuchen, am Vorabend der Wahlen Druck auf die Wähler auszuüben, müssen fortgesetzt werden. Wir erwarten, dass die Regierung auch in dieser Beziehung ihren Verpflichtungen nachkommt.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE) , Verfasserin. – (PL) Herr Präsident! Bangladesch ist für die Europäische Union ein wichtiger Partner. Es ist ein Land, das in den letzten Jahren bedeutsame wirtschaftliche Fortschritte erzielt hat. Sein berühmtester Bürger ist zurzeit Mohammad Junus, der in diesem Jahr für seinen Kampf gegen die Armut mittels eines Systems von Mikrokrediten den Nobelpreis erhalten hat.

Allerdings plagt Bangladesch nicht nur die Armut, sondern es hat auch mit der Korruption und einer zunehmend feindlichen Haltung seitens der Anhänger des Islam zu kämpfen. Der Bildung der geschäftsführenden Regierung unter Präsident Iajuddin Ahmed begegnete die Gesellschaft Bangladeschs mit Protesten. Nach Berichten ausländischer Beobachter und der Awami-Liga, setzten die Behörden für die bevorstehenden Wahlen illegal 13 Millionen Namen zusätzlich auf die Wählerlisten. Die geschäftsführende Regierung muss freie Wahlen entsprechend internationalen Normen garantieren. Auch die Unabhängigkeit des Wahlausschusses muss gewährleistet und das Wählerverzeichnis einfach glaubwürdig sein.

Eine Vereinbarung zwischen der Nationalistischen Partei Bangladeschs, der Awami-Liga und den übrigen Parteien über die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsprogramms, das für die Verbesserung der Lebensbedingungen und die bürgerlichen Freiheiten des Volkes von Bangladesch von großer Wichtigkeit ist, wäre zweifellos eine Grundlage für politische Stabilität im Lande. Nach den Artikeln wichtiger internationaler Übereinkommen zu den Menschenrechten muss die Übergangsregierung gegen Gesetzlosigkeit, gegen Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil und gegen Folter vorgehen, was normalerweise zur Tätigkeit der Polizei oder der Sicherheitskräfte gehört.

Inzwischen sieht die Lage wie folgt aus: Im vergangenen Jahr wurden drei Journalisten getötet und fast 100 Personen wurden Opfer der Einschüchterung oder erlitten dauerhafte Körperschäden. Die Zahl der Angriffe auf Angestellte von Nichtregierungsorganisationen nimmt täglich zu. Religiöse Minderheiten, nämlich Hindus und Christen, leben in ständiger Gefahr. Vergewaltigungen und Menschenhandel mit Frauen und Kindern sind an der Tagesordnung. Es besteht der Eindruck, dass alles auf dem Gebiet der Demokratie im Land Erreichte als Ergebnis zunehmender Gewalt seitens islamischer Fundamentalisten schwindet.

Der Rat und die Europäische Kommission sollten die Menschenrechtssituation in Bangladesch systematisch überwachen. Auch sollten sie die Lage auf den Gebieten der Redefreiheit und der Pressefreiheit überwachen. Wir hoffen, die geplante Beobachtermission der Europäischen Union nach Bangladesch zur Überwachung der bevorstehenden Wahlen im Januar wird dazu beitragen, einen demokratischen Wahlprozess zu gewährleisten.

 
  
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  Thomas Mann (PPE-DE), Verfasser. – Herr Präsident! Es begann vor zwei Wochen mit einer umstrittenen Fernsehansprache von Khaleda Zia, der scheidenden Ministerpräsidentin von Bangladesch. Daraufhin kam es in der Hauptstadt Dhaka zu heftigen Kämpfen. Drei Menschen wurden getötet, Hunderte verletzt.

Der Vorwurf der Opposition lautet: Zia habe die Schlüsselpositionen ihrer Übergangsregierung mit Sympathisanten besetzt. Der Chef der Wahlkommission sei parteiisch und im Wahlregister gäbe es 13 Millionen ungültige Namen. Anfang der Woche kam es erneut zu Gewaltausbrüchen. Sämtliche Zufahrtswege zu Lande und zu Wasser nach Dhaka wurden blockiert, Journalisten angegriffen und schwer verletzt. 20 000 Sicherheitskräfte setzten bei Straßenschlachten Tränengas und Gummigeschosse ein: 17 Tote und Tausende Verletzte sind zu beklagen.

Die Attacken von Islamisten auf Anhänger anderer Religionen nehmen zu. Im Namen der EVP-ED-Fraktion verurteile ich die blutigen Ausschreitungen, die ständigen Übergriffe von islamistischen Extremisten auf religiöse Minderheiten der Christen, Ahmadi und Hinduisten und die von den Kolleginnen und Kollegen schon erwähnte Unterdrückung der Pressefreiheit.

Die Regierenden der Bangladesh Nationalist Party und die Opposition von der Awami League müssen endlich persönliche Fehden begraben und zielgerichtete Gespräche aufnehmen. Der Termin für die Wahlen ist einzuhalten. Dafür muss die Wahlkommission jetzt die Vorbereitungen treffen und insbesondere für ein korrektes Wahlregister sorgen.

Die bürgerkriegsähnlichen Zustände sind schnellstmöglich zu beenden und die Islamisten zu entwaffnen. Die Bürger müssen ihr Wahlrecht ohne Repressionen frei ausüben können, damit die Demokratie im Land eine faire Chance erhält.

Ich begrüße die Bereitschaft der Europäischen Kommission, Wahlbeobachter nach Bangladesch zu entsenden, und das Europäische Parlament sollte sich im gleichen Sinne entscheiden.

 
  
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  Gérard Onesta (Verts/ALE), Verfasser. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, vor einigen Wochen hat das Europäische Parlament im Rahmen seiner interparlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südasiens zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft von Bangladesch eingeladen, und dies war höchst interessant.

Sehr interessant war erstens die Reaktion des Botschafters von Bangladesch. Der arme Mann war an diesem Tag erst ernannt worden und entdeckte das Parlament just bei dieser Gelegenheit: Er sah die Zerstörungen, die Demokratie und Transparenz anrichten können, wenn sie umgesetzt werden! Wir haben an diesem Tag viel gelernt; das war sehr nützlich, denn die anwesenden Vertreter Ihrer Kommission waren am Vormittag nicht gerade darauf erpicht, die Lage vor Ort zu überprüfen. Nachdem sie gehört hatten, was wir alle gehört haben, mussten sie am Ende der Sitzung doch einräumen, dass eine Intervention in Anbetracht der ernsten Lage vor Ort nötig ist.

Ich möchte nicht wiederholen, was meine Vorredner zu Armut, Korruption, Gewalt und Folter gesagt haben – Folter nicht nur durch die Schwadronen der verschiedenen Milizen, sondern auch durch die Polizei. Die Zahlen hierzu sind erschreckend: 2005 wurden 2297 Fälle von Folter durch die Polizei verzeichnet. Ich möchte den Fall des Journalisten Salah Uddin Shoaib Choudhury nennen, dem nur deshalb die Todesstrafe droht, weil er seine Meinung frei geäußert hat: Das ist nicht hinnehmbar! Ich könnte auch eine Zahl nennen, die aus Ihrer Kommission stammt, Herr Kommissar: Ihre eigenen Dienststellen schätzen, dass mehr als 13 Millionen ungültige Namen in das Wählerverzeichnis aufgenommen wurden. Wie können Wahlen geplant werden, wenn bereits klar ist, dass es ein solches Ausmaß an Betrug gibt, so viel organisierten Betrug?

Deshalb muss die Kommission, abgesehen von der breiten Zustimmung, die die überwiegende Mehrheit von uns heute hoffentlich zum Ausdruck bringen wird, wirklich alle notwendigen Vorkehrungen treffen und der Regierung vor Ort zu verstehen geben, dass sie die Spielregeln ändern und den demokratischen Regeln anpassen muss, die in diesem Land vor einigen Jahren bestanden. Sie muss damit einer institutionellen Gewalt Einhalt gebieten, die bedauerlicherweise in soziale Gewalt umschlägt.

 
  
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  Charles Tannock, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Für die EU muss es oberste Priorität sein, im kommenden Jahr in Bangladesch, einem traditionell säkularen, demokratischen Land mit 140 Millionen Menschen freie und faire Wahlen zu sichern.

Seit seiner Gründung im Jahr 1971 bildete Bangladesch für viele Jahre die Ausnahme in der islamischen Welt, denn das Land folgte friedlich und demokratisch seinem unabhängigen Kurs als bengalische Nation. Bedauerlicherweise findet seit 2001 eine zunehmende Islamisierung Bangladeschs statt, denn Islamisten haben sich bemüht, das von den korrupten verfeindeten säkularen Parteien hinterlassene Vakuum zu füllen. Die NRO-Taskforce gegen Folter hat über 500 Fälle von Folterungen und Einschüchterungen durch radikale Islamisten dokumentiert, die auch Anhänger der kommunistischen Partei ermordet haben. Ja, auch Hindus, Ahmadis, Christen, Stammesangehörige der Chittagong-Hill-Tract-Region und Buddhisten gehören zu ihren Zielen.

Die jüngsten Bürgerunruhen führten zu gewaltsamen Straßenkämpfen, als die oppositionelle Awami-Liga die Unparteilichkeit der Wahlkommission, die Integrität des Wählerverzeichnisses oder gar die Unparteilichkeit des ursprünglichen Anwärters auf das Amt des Premierministers der geschäftsführenden Regierung anzweifelte.

Das Abkommen über Zusammenarbeit zwischen der EU und Bangladesch aus dem Jahr 2000 beruht auf der Achtung demokratischer Grundsätze gemäß Artikel 1, und ein Verstoß dagegen kann zur Aussetzung des Abkommens und damit des bedeutsamen EU-Systems Allgemeiner Zollpräferenzen und der Auslandshilfe der EU führen, die 70 % der gesamten Auslandshilfe Bangladeschs ausmacht.

Die EU und alle großen Geberländer müssen sich nun abstimmen und vor den für den kommenden Januar angesetzten Parlamentswahlen den Druck für Reformen und die uneingeschränkte Achtung der Demokratie, eine freie Presse und Menschenrechte für alle Bürgerinnen und Bürger Bangladeschs aufrechterhalten. Wir müssen viele kurzzeitige politische Beobachter des Europäischen Parlaments entsenden. Diese Wahlen sind entscheidend, und es ist erforderlich, dass die EU während der Amtszeit der geschäftsführenden Regierung sichtbar sehr präsent ist, da sonst irgendein frustrierter und machthungriger General mit einem Militärputsch liebäugeln könnte.

 
  
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  Marek Aleksander Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Wie wir sicher alle wissen, verhehlen die Menschen im Delta von Ganges und Brahmaputra nicht ihre Bewunderung für die afghanischen Taliban, und sie wollen in ihrem Land etwas Ähnliches wie Mullah Omars Emirat Afghanistan. Zur Erreichung ihrer Ziele greifen diese Gotteskrieger skrupellos zu Gewalt.

Leider hat die Regierung von Bangladesch anfängliche Warnungen hinsichtlich einer raschen Zunahme dieser terroristischen Gruppierungen nicht genügend ernst genommen. Die Ereignisse haben bald gezeigt, dass sie kein dem Fieberwahn entsprungenes Hirngespinst eifersüchtiger Oppositionsführer oder sensationshungriger Journalisten sind. Viele von ihnen haben die Aufdeckung der Wahrheit mit dem höchsten Preis bezahlt, und viele andere wurden zur Flucht aus dem Land gezwungen.

In dieser Situation ist es beruhigend zu wissen, dass zwei Leute wegen des Verdachts der Führung terroristischer Gruppierungen verhaftet wurden. Damit dürfen wir uns jedoch nicht begnügen. Bei gründlicher Prüfung der Lage in diesem Land, das trotz drastischer Maßnahmen der Regierung zur Verhinderung extremistischer Gewalt gegen religiöse Minderheiten viele Jahre nicht die europäischen Normen auf dem Gebiet der Menschenrechte anerkannt hat, sind wir noch immer Zeugen erschreckender und alptraumhafter Geschehnisse.

Auf dem Land lasten noch viele andere Probleme, weshalb ich die Entscheidung der Kommission, eine Wahlbeobachtermission zu entsenden und das Europäische Parlament aufzufordern, ein Gleiches zu tun, von ganzem Herzen unterstütze.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Als Mitglieder des Europäischen Parlaments erheben wir den Anspruch, den Menschenrechten verpflichtet zu sein. Ich hoffe daher, dass wir einen festen Standpunkt in Bezug auf Herrn Choudhurys Notlage vertreten.

Herr Choudhury ist ein Journalist, der im Zusammenhang mit mehreren von ihm veröffentlichten Artikeln, die die Behörden von Bangladesch als israelfreundlich und als Kritik am moslemischen Extremismus ansehen, des Aufruhrs angeklagt ist. Seine Argumente zugunsten von Mäßigung und Dialog finden gewiss den Beifall jedes Abgeordneten in diesem Hohen Haus. Nichts von dem, was er sagte, ist unbegründet, und in jedem modernen demokratischen Land würden solche Artikel als objektiv und informativ für die Öffentlichkeit gewertet werden.

Nicht so jedoch in Bangladesch, wo Herr Choudhury vor Gericht gestellt wurde und wegen seiner Artikel hingerichtet werden könnte. Er hat Morddrohungen erhalten, wurde tätlich angegriffen, ins Gefängnis geworfen, geschlagen und gefoltert. Herrn Choudhury erwartet jetzt ein unfairer Prozess, und er hat geringe Chancen, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt. Der vorsitzende Richter bemerkte in einem öffentlichen Verfahren, Herr Choudhury habe die Gefühle der Moslems verletzt. Es ist klar, dass der Richter auf ein Todesurteil hofft.

Als Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen wir nicht untätig dastehen, während einem unschuldigen Journalisten jetzt ein unfairer Prozess gemacht wird und ihm die Todesstrafe droht. Ich bin froh, dass seine Lage in dieser Entschließung konkret benannt wird, und ich bin für freie und faire Wahlen in Bangladesch.

(Beifall)

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission teilt die Sorgen des Parlaments und begrüßt es, dass wir heute Gelegenheit haben, über Bangladesch zu diskutieren.

Das Land befindet sich an einem Scheideweg seiner zerbrechlichen Demokratie. Es steht bei den kommenden Wahlen in diesem dicht bevölkerten Land viel auf dem Spiel. Leider lassen jedoch der institutionelle Rahmen und die unversöhnlichen Beziehungen zwischen den beiden großen politischen Parteien für einen friedlichen und demokratischen Wahlprozess nichts Gutes ahnen.

In den letzten Wochen und Monaten haben die Kommission und die sieben Mitgliedstaaten mit Vertretungen in Dhaka sowie im weiteren Sinne die internationale Gemeinschaft intensiv mit den Führern der großen Parteien und den Interessenvertretern bei den Wahlen gearbeitet und sie alle gedrängt, sich auf einen Wahlrahmen zu einigen, dem alle Parteien vertrauen können. Wie die regionale Troika der EU im Februar, haben auch Vertreter des EU-Ratsvorsitzes vor Ort und mehrere hochrangige Besucher aus der Kommission und von Mitgliedstaaten ständig die Notwendigkeit einer unparteiischen Führung des Landes durch die geschäftsführende Regierung in der Vorwahlzeit, einer neutralen Wahlkommission und einer glaubwürdigen Wählerliste hervorgehoben.

Wie Sie vielleicht wissen, hat Kommissarin Ferrero-Waldner die politische Entscheidung getroffen, zu diesen Wahlen eine Wahlbeobachtermission der EU zu entsenden. Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen auf den Einsatz von EU-Beobachtern, wozu auch interne Verfahren zwischen den Institutionen zur Finanzierung der Mission gehören. In ihrem Schreiben an den Präsidenten oder Chefberater hebt sie die genannten Probleme als die entscheidenden Bedenken der Europäischen Union hervor.

Die Mission käme etwa sechs Wochen vor dem Wahltag zum Einsatz und würde für zwei bis drei Wochen nach den Wahlen im Land verbleiben, um den Zeitraum nach den Wahlen zu beobachten, vor allem im Licht der bedauerlichen Möglichkeit von Gewalt nach den Wahlen, namentlich gegen Minderheiten.

Die Kommission teilt die Besorgnis des Parlaments hinsichtlich der um sich greifenden Gewalt gegen Journalisten. Die Tatsache, dass Bangladesch im jüngsten Bericht von „Reporter ohne Grenzen“ als für Journalisten extrem gefährlich eingestuft wird, spricht leider für sich. Die Kommission hat die Einschüchterung und die grobe Straflosigkeit angesichts von Gewaltakten gegen Journalisten in diesem Land immer wieder verurteilt.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


12.3. Iran
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die sechs Entschließungsanträge zum Iran.(1)

 
  
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  Daniel Strož (GUE/NGL), Verfasser. – (CS) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Niemand kann heute mehr daran zweifeln, dass neokonservative Politiken, darunter auch die Doktrin der globalen Intervention, gescheitert sind. Sie sind im Irak, in Palästina und Afghanistan und auch in Bezug auf den Iran gescheitert.

Der von den USA geführte ‚Krieg gegen den Terror’ hat die Macht und den Einfluss des Iran im Nahen Osten gestärkt, und bis Stabilität in die Region einkehrt, wird der Einfluss des Iran und werden seine Bemühungen, dem Druck aus dem Westen zu trotzen, weiter zugenommen haben. Und je mehr der Westen dem Iran droht, umso mehr erhalten radikale Kräfte im Iran Auftrieb. Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass das einzige Land in der Region, das eine eindeutige Politik des Pluralismus verfolgt und bedeutsame interne Veränderungen bewerkstelligt hat, eben der Iran ist. Wenn es ein Land in der Welt gibt, das keine Hilfe von außen benötigt, um sich vom Extremismus zu befreien, dann ist es der Iran. Wenn es ein Regime gibt, dem der Westen kein Motiv zur Erlangung von Kernwaffen liefern sollte, dann ist es der Iran. Genau das aber tut insbesondere die US-amerikanische und die britische Politik, anstatt sich für vernünftige politische Verhandlungen einzusetzen. Der Iran sollte natürlich seine Entschlossenheit unterstreichen, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen.

Ich möchte jedoch noch einmal hervorheben, dass das Parlament für die Menschenrechte und die Nichtdiskriminierung in aller Welt eintreten sollte. Lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung machen: Auf dem Territorium der EU-Mitgliedstaaten brauen sich so viele soziale Probleme mit einer unvermeidbaren Menschenrechtsdimension zusammen, dass die Aussprache über dieses Thema auch auf diese Staaten zutrifft.

 
  
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  Christa Prets (PSE), Verfasserin. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Es ist bedauerlich, dass wir immer wieder Entschließungen zu Menschenrechtsverletzungen in den verschiedensten Ländern verfassen müssen. In den letzten zwei Jahren wurden zum Thema Iran bereits sechs Entschließungen, Erklärungen, Berichte verschiedener Institutionen und Organisationen verfasst.

Leider müssen wir feststellen, dass sich die Situation im Iran nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Die Meinungs- und Pressefreiheit wird missachtet, Internet zensiert und unabhängige Zeitungen werden geschlossen. Die Islamische Republik Iran soll die höchste Zahl an inhaftierten Journalisten im Mittleren Osten haben. Folter ist an der Tagesordnung. In vielen Gesprächen im Rahmen der Interparlamentarischen Delegation wurde uns immer wieder versichert, dass all diese Behauptungen nicht den Tatsachen entsprechen. Leider sagen uns die Betroffenen das Gegenteil.

Frauenrechte werden nicht respektiert. Frauen wurden beispielsweise daran gehindert, den Internationalen Frauentag öffentlich zu begehen. Eine Demonstration am 12. Juni von Frauen und Männern, die gegen die legale Diskriminierung von Frauen gekämpft haben, wurde gewaltsam abgebrochen.

Der erste Besuch einer Delegation des Majlis im Europäischen Parlament war ein Schritt in die richtige Richtung, um einen Dialog mit den Abgeordneten und der Zivilbevölkerung zu suchen. Die Achtung der Menschenrechte und Würde war ein Kernthema dieser Debatte. Es wurde uns mitgeteilt, dass alle Beschuldigungen gegen den Iran nicht den Tatsachen entsprechen. Wir fordern nun die iranische Vertretung des Majlis und die iranische Regierung auf, alles daranzusetzen, um diese Aussagen auch in die Tat umzusetzen und zu bestätigen.

Der Menschenrechtsdialog EU-Iran ist ebenfalls ins Stocken geraten, und wir sollten sehen, dass wir endlich zu einem erneuten Termin kommen. Herr Kommissar, vielleicht ist es Ihnen auch möglich, über einen Rundfunk- und Fernsehsender nachzudenken, der es ermöglicht, europäische Politiken und Informationen in den Iran zu senden, um dort der Bevölkerung behilflich zu sein.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE), Verfasser. – (FR) Herr Präsident, immer wieder zu erklären, die Menschenrechtslage im Iran sei Besorgnis erregend, gleicht einem Euphemismus, so verächtlich behandelt das theokratische Regime in Teheran die Grundrechte und -freiheiten.

Wie sollte man nicht eine Verbindung zwischen der Wahl des konservativen und revisionistischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2005 und der Zunahme von Repression und Verfolgung herstellen, deren Opfer nicht nur die arabischen, aserbaidschanischen und kurdischen Minderheiten und die religiösen Minderheiten – Christen, Juden, Bahais und Sufis – sind, sondern auch Homosexuelle und Frauen, die zwar keine Minderheit, aber weiterhin Opfer unzähliger Formen der Diskriminierung sind?

Müsste ich in unserer Entschließung nur zwei Punkte nennen, so würde ich erstens hervorheben, dass der Iran den Weltrekord bei den Hinrichtungen Jugendlicher, von Brot- oder Fahrraddieben und Homosexuellen hält. Zweitens würde ich darauf hinweisen, dass die Regierung erklärt hat, das Zentrum für den Schutz der Menschenrechte, das 2003 von der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi mitgegründet wurde, sei rechtswidrig.

Die europäische Diplomatie muss sich bei solchen konkreten Beispielen Gehör verschaffen. Da es die iranische Regierung wagt, zu erklären, die Todesstrafe durch Steinigung gebe es in ihrem Land nicht mehr, fordere ich die Kommission auf, mit Teheran den Fall der elf Personen zu erörtern, die zum Tod durch Steinigung verurteilt wurden; ich habe die Namen der verurteilten neun Frauen und zwei Männer hier. Teheran sollte keine Zeit verlieren, um uns den Beweis zu erbringen und seine Worte in Taten umzusetzen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE), Verfasser. – Herr Präsident! Es wird Sie vielleicht wundern, aber ich stimme in vielen Punkten mit der Rede des Kollegen Strož überein. Ich glaube, dass wir vom Iran ein sehr differenziertes Bild zeichnen müssen. Deswegen haben wir auch eine sehr umfangreiche und sehr gründliche Entschließung ausgearbeitet. Das zeigt zum einen, wie viel Sorge uns die Lage im Iran macht, das zeigt aber auch, wie ernst und wie wichtig wir dieses Land nehmen.

Es ist eine der ältesten Kulturen der Welt. Es ist seit Jahrtausenden eine Weltmacht, und wir müssen versuchen, dieses Land durch kluge Politik und Diplomatie schrittweise wieder in die Gemeinschaft der Staaten zurückzuführen, die miteinander in nachbarschaftlichem Verhältnis gut kooperieren. Doch dazu muss sich natürlich im Iran Grundlegendes ändern.

Es ist über Minderheiten gesprochen worden. Im Iran, der eigentlich ein Vielvölkerstaat ist – deshalb kann man eigentlich nicht von Minderheiten sprechen –, ist es uralte Tradition, dass die verschiedenen Nationen und Volksgruppen gut miteinander zusammenleben. Auch die religiöse Toleranz war größer als in vielen anderen Staaten der Region. Dennoch ist es heute so, dass Minderheiten wie etwa die Azeri oder auch andere Religionen, nicht zuletzt auch andere Strömungen des Islam, wie zum Beispiel die Sufi, schwer unter der herrschenden Staatsideologie des Islamismus zu leiden haben.

Auf der anderen Seite sehen wir im Iran aber auch durchaus die Entwicklung, dass immer mehr selbstbewusste Frauen in die Politik gehen, dass eine junge Generation einen völlig neuen Weg geht und eine durchaus große Zukunftshoffnung in sich trägt.

Deshalb müssen wir dieses vielgestaltige Gebilde deutlich so sehen, wie es ist und dürfen es nicht isolieren. Wir müssen den Kontakt zu den verschiedenen Gemeinschaften und Volksgruppen sowie den verschiedenen Generationen dieses Volkes suchen, aber gleichzeitig sagen, dass wir die Polizeiherrschaft, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die Verfolgung vieler Menschen wegen ihres Glaubens oder wegen ihrer Überzeugung in keinem Fall akzeptieren. Vor allem dürfen wir die Ausfälle von Präsident Ahmadinedschad gegen Israel keinesfalls akzeptieren. Unter seiner Führung haben sich die Verhältnisse in diesem großartigen Land leider zum Negativen entwickelt.

Dagegen energisch anzutreten, ist unsere Aufgabe als Europäer. Wir brauchen dafür die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika und ich hoffe, dass diese sich aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen auch in dieser Frage verbessern wird.

 
  
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  Adam Jerzy Bielan (UEN), Verfasser. – (PL) Herr Präsident! Trotz zahlreicher Versprechen der iranischen Regierung, die universellen Werte zu fördern, hat sich die Situation auf dem Gebiet der bürgerlichen Rechte, der politischen Freiheiten und der Menschenrechte im vergangenen Jahr verschlechtert. Zu uns gelangen immer mehr Informationen über die Anwendung von Folter und die unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Die zunehmende Zahl von Berichten über Verhaftungen von und Drohungen gegen Journalisten gibt besonderen Anlass zur Sorge. Seit Jahresbeginn sind mindestens 16 Journalisten verhaftet worden, womit der Iran, was Einschränkungen der Pressefreiheit angeht, zu den schlimmsten Ländern der Welt gehört.

Betroffen macht uns auch, dass der Iran trotz der Bemühungen der Europäischen Union nicht einer zweiten Runde des 2002 aufgenommenen Dialogs über Menschenrechte zugestimmt hat. Es ist an der Zeit, dass die Europäische Union in ihren Gesprächen mit dem Iran zur Frage der Menschenrechte eine harte und entschlossene Haltung an den Tag legt. Der Iran wird nur dann ein legitimer Partner der Europäischen Union und der ganzen Welt werden, wenn er jedem Bürger Zugang zu den bürgerlichen Rechten und politischen Freiheiten gewährt.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE).(SV) Herr Präsident! Der Iran ist eine Nation mit einer tausende Jahre alten Kulturgeschichte, ein Land, das große Reichtümer besitzt und seinem Volk und der Welt viel zu bieten hat. Aber was bietet das gegenwärtige Regime seinem Volk? Unterdrückung, Verhaftung, Arbeitslosigkeit und Zensur! Seit Präsident Ahmadinedschad sein Amt am 3. August 2005 angetreten hat, hat sich die Lage verschlechtert. Die jetzige Regierung bietet ihrem Volk grausame körperliche Bestrafungen. Sechshundert Kinder leben mit ihren Müttern im Gefängnis. Gefangene können sich nur auf drei Quadratmetern bewegen, sind aber immer noch besser dran als die zum Tode Verurteilten. Iran schafft es sogar, mehr Menschen hinzurichten als die USA. In den letzten zwölf Monaten sind einhundertelf Hinrichtungen vollzogen worden.

Die eklatanteste Verletzung der Konvention über die Rechte des Kindes, die auch der Iran unterzeichnet hat, ist jedoch die Todesstrafe für Minderjährige. Ein Regime, das jungen Menschen nicht die Möglichkeit zur Reue und zur Besserung gibt, hat keine Zukunft und wird stürzen.

Iran hat große Möglichkeiten, aber wenn das Regime Akademiker, Journalisten und politische Aktivisten verfolgt, anstatt ihr Potenzial zu nutzen, werden das Land und sein Volk auch weiterhin leiden. Dem Iran wurden viele Hände entgegengestreckt, erst heute wieder durch das Europäische Parlament. Freiheit für die politischen Gefangenen, Journalisten und Vertreter von Minderheiten, die im heutigen Entschließungsantrag genannt werden – das sind keine großen Forderungen, aber wenn sie erfüllt werden, kann der Weg zu einem verbesserten Dialog geebnet werden.

Warum hat das iranische Regime so große Angst vor Frauen? Sie sollten zu den gleichen Bedingungen wie Männer gewählt werden, arbeiten, leben und agieren können. Damit würde sich das Potenzial für die Entwicklung der Gesellschaft verdoppeln. Es gibt jedoch auch Hoffnung. Bereits heute erhalten UN-Delegationen die Erlaubnis, verschiedene Einrichtungen zu inspizieren, und einige politische Gefangene wurden freigelassen. Die neue Regierung muss jedoch die Möglichkeit nutzen und eine Politik verfolgen, die die Umwelt nicht länger ausschließt und den Frauen demokratische Rechte zugesteht. Das ist die Zukunft!

 
  
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  John Purvis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Vor drei Wochen war ich Gast bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an den früheren iranischen Präsidenten Khatami an meiner ehemaligen Universität in meiner Heimatstadt St. Andrews – der ältesten schottischen Universität und einer der ältesten und ehrwürdigsten europäischen Universitäten.

In seiner Abschiedsvorlesung sprach sich der frühere Präsident Khatami für einen Dialog der Kulturen, einen Dialog der Religionen aus. Das ist sicher der einzige Weg, auf dem wir diese notwendige Verständigung zwischen unseren jeweiligen Standpunkten erreichen werden. In diesem Geiste unterstütze ich diesen Antrag.

Wir appellieren an die iranischen Behörden und an das iranische Volk, sie mögen begreifen, wie schwer es uns fällt, die zahlreichen und wiederholten Verstöße gegen solche eindeutig grundlegenden Menschenrechte wie religiöse Rechte, Rechte der Frauen, Rechte des Kindes, Minderheitenrechte, das Recht auf Gerechtigkeit, das Recht auf Rede- und Gedankenfreiheit sowie die Pressefreiheit, wie sie in dieser Entschließung aufgeführt sind, hinzunehmen. Wir fordern die iranischen Behörden zu einer positiven Reaktion auf unsere Appelle auf, sodass wir zu einem positiven Dialog übergehen können, der für Europa und den Iran sowie für den Frieden und die Verständigung zwischen unseren Völkern nur von Nutzen sein kann.

 
  
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  Józef Pinior, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Im Laufe des neuen akademischen Jahrs, das Ende September dieses Jahres begann, wurde mehr als einem Dutzend Studenten im Iran wegen ihrer politischen Überzeugungen der Zugang zur höheren Bildung verweigert. Andere wurden darüber informiert, dass sie ihr Studium aufnehmen könnten, wenn sie eine Art Loyalitätserklärung gegenüber dem derzeitigen Regime unterschrieben.

Human Rights Watch zufolge haben die iranischen Behörden mindestens siebzehn Studenten den Zugang zur höheren Bildung verwehrt: sechs 2005-2006 und elf im September dieses Jahres. Seit Juli 2005 haben Disziplinarausschüsse mindestens 41 Studenten für wenigstens zwei Semester suspendiert. Human Rights Watch kennt auch die Namen von 35 Studenten, die seit 2005 wegen ihrer politischen Tätigkeit in Studentenverbänden verurteilt wurden. Die klügsten jungen Iraner sehen ihr Recht auf höhere Bildung wegen ihrer politischen Überzeugungen und ihrer Weltsicht eingeschränkt. Das ist nicht nur ein Zeichen der autoritären Haltung der Regierung, sondern schadet insbesondere der Entwicklung der iranischen Gesellschaft und richtet sich gegen die iranischen nationalen Interessen.

Die Europäische Union sollte einen Stipendienfonds einrichten, um jungen Iranern, denen das Studium im Iran aufgrund ihrer Überzeugungen verwehrt ist, die Möglichkeit zu geben, ihr Studium an Hochschuleinrichtungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union fortzusetzen. Besonders wichtig ist es, dass die Europäische Union ein Rundfunk- und Fernsehnetz mit Programmen in Farsi einrichtet, in denen Informationen über die Kultur, die Politik und die Gesellschaft der Europäischen Union vermittelt werden.

 
  
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  Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Im vergangenen Jahr wurden wir plötzlich Zeugen einer Verschlechterung der Situation auf dem Gebiet der bürgerlichen Rechte und politischen Freiheiten im Iran. Das wurde von den iranischen Behörden selbst eingestanden, was an sich ein vernünftiges Zeichen ist.

Ein Bericht der Rechtsorgane liefert eindeutige und detaillierte Beweise für Verletzungen der Menschenrechte, einschließlich Folterungen und Misshandlung von Gefangenen. Darüber hinaus wird von zahlreichen Hinrichtungen jugendlicher Straftäter und der Verfolgung liberaler und säkularer Akademiker und Journalisten berichtet. Ferner werden die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit und die Rechte der Frauen und der Minderheiten nicht angemessen geachtet.

Die Behörden in Teheran müssen begreifen, dass es für die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte ihres stolzen Volkes keine Entschuldigung geben kann und dass, wenn solche Verletzungen anhalten, dies nur den Bemühungen des Iran, Stabilität, Fortschritt und Wohlstand für die eigenen Bürger zu erreichen, schadet und sich zweifellos weiter nachteilig auf die Beziehungen des Landes zum Westen auswirkt.

 
  
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  Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Vor uns liegt ein Katalog verabscheuungswürdigster Handlungen, auf die wir ganz oft stoßen, wenn wir über verschiedene bedauerliche Diktaturen diskutieren. Natürlich gehört zu diesen Handlungen die religiöse Verfolgung, nämlich die Verfolgung von Christen. Vor nicht allzu langer Zeit erschien ein Pressebericht über die Hinrichtung eines Vierzehnjährigen, der sagte: ‚Ich sterbe nicht, weil ich gesündigt habe, sondern weil ich Christ bin.’ Die Todesstrafe wird unglaublich leichtfertig angewendet. Sie ist grausam und schließt die Steinigung Minderjähriger und die Verfolgung anderer nationaler Gruppierungen als derer, deren Vertreter sich an der Macht befinden, ein.

Das sind alles Dinge, über die wir ständig diskutieren, ohne dass wir eine Lösung finden. Wir müssen innehalten und nachdenken. Heute wurde der Vorschlag gemacht, wir sollten mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten, weil die USA eine Macht sind, die bereit ist, dann zu intervenieren, wenn die Europäische Union eine militärische Intervention nicht absegnet, zumindest solange nicht, wie sie nicht eigene militärische Kapazitäten besitzt. Wir müssen ein Konzept entwickeln. Vielleicht würde es helfen, massenhaft Informationen an die Menschen in diesen Ländern zu schicken, um ihnen zu zeigen, dass es andere Möglichkeiten der Entwicklung gibt, als die, die ihre Regime gegen sie gebrauchen.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission begrüßt und unterstützt die Aussage der Entschließungsanträge zur Menschenrechtssituation im Iran. Nach unserer Beurteilung sind in dem Land seit 2006 immer wieder gravierende Verletzungen der Menschenrechte aufgetreten. Ja, es hat keine Fortschritte in den Bereichen gegeben, denen die größte Sorge der EU gilt, und die Lage hat sich in vielerlei Hinsicht verschlechtert.

Die Liste der Beispiele ist lang und grauenhaft: Die zunehmende Anwendung der Todesstrafe und Hinrichtungen von Jugendlichen machen uns weiterhin große Sorgen; ethnische und religiöse Minderheiten leiden nach wie vor unter Diskriminierung; der Status der Frau ist noch immer gering; die Meinungsfreiheit wurde weiter eingeschränkt; und die Schließung von Zeitungen, Einschüchterung und Verfolgung von Journalisten sowie das harte Vorgehen gegen Blogger, alles das ist weiterhin an der Tagesordnung.

Die Europäische Union hat diese Besorgnisse im vergangenen Jahr durch Demarchen und öffentliche Erklärungen bei den iranischen Behörden zur Sprache gebracht. Leider sieht es so aus – wie hier bereits gesagt wurde –, als seien die iranischen Behörden weniger bereit als in der Vergangenheit, unsere Ersuchen ernsthaft in Erwägung zu ziehen oder sichtbare Bemühungen zur Verbesserung der Lage zu unternehmen. Dennoch scheinen sich einige Elemente in der Politik, wie das Oberste Gericht, in gewisser Weise der Sache der Reform verpflichtet zu fühlen. Doch angesichts der sich insgesamt verschlechternden Situation hat sich die EU entschlossen, im Dritten Komitee der UN-Generalversammlung Ende dieses Monats die kanadische Resolution zur Menschenrechtssituation im Iran mitzutragen.

Da Teheran behauptet, der bilaterale Menschenrechtsdialog und Entschließungen in der Art von UN-Resolutionen schlössen einander aus, wird von dort signalisiert, man würde erwägen, die für Dezember geplante Tagung des Dialogs zwischen der EU und dem Iran zu den Menschenrechten abzusagen. Eine solche Verbindung weisen wir natürlich energisch zurück. Wir sind noch immer bestrebt, den Dialog in Kürze wieder aufzunehmen. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass ein konstruktiver Dialog, begleitet von Projekten der Zusammenarbeit sowohl auf bilateraler Ebene als auch über UN-Organe, der realistischste Weg für ein Engagement auf dem Gebiet der Menschenrechte ist.

Frau Prets hat vorgeschlagen, die Union solle Rundfunk- oder Fernsehprogramme sponsern. Es liegt nicht in meiner Kompetenz, eine positive Antwort darauf zu geben, aber was die zwischenmenschlichen Kontakte angeht, ist erwähnenswert, dass im Jahr 2005 eine Million Iraner die Türkei besucht haben. Sie sind dorthin gereist, um etwas frische Luft zu atmen, die Soap ‚Reich und Schön’ anzusehen und das Land zu erkunden, das den Maßstab für Demokratie in der Unruheregion bildet.

Der springende Punkt in unseren Beziehungen zum Iran ist, dass diese sich – unabhängig von positiven oder negativen Entwicklungen in der Nuklearfrage, die von äußerster Wichtigkeit ist – ohne eine systematische Verbesserung der Menschenrechtssituation im Iran nicht normal entwickeln können, einerlei wie viel Potenzial unseren Beziehungen ansonsten hinsichtlich der Kooperation in der Wirtschaft und im Bereich der Energie auch innewohnen mag.

Abschließend möchte ich meine Anerkennung für die Arbeit der von Frau Beer geleiteten Delegation für die Beziehungen mit dem Iran zum Ausdruck bringen. Ich begrüße Ihre Bemühungen, Kontakte mit Ihren Gesprächspartnern des Majlis sowie mit dem größtmöglichen Spektrum der iranischen Gesellschaft zu pflegen. Der jüngste Besuch von Herrn Akbar Ganji – für dessen Freilassung wir alle unermüdlich gewirkt haben – in diesem Hohen Haus ist ein treffliches Beispiel.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


13. Abstimmungsstunde
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.

(Abstimmungsergebnisse und sonstige Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)

 

13.1. Äthiopien (Abstimmung)

13.2. Bangladesch (Abstimmung)

13.3. Iran (Abstimmung)
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  Der Präsident. – Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.

 

14. Antrag auf Schutz der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll

15. Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität: siehe Protokoll

16. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll

17. Mittelübertragungen: siehe Protokoll

18. Beschlüsse betreffend bestimmte Dokumente: siehe Protokoll

19. In das Register eingetragene schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll

20. Übermittlung der in dieser Sitzung angenommenen Texte: siehe Protokoll

21. Zeitpunkt der nächsten Sitzungen: siehe Protokoll

22. Unterbrechung der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. – Ich erkläre die Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für unterbrochen.

(Die Sitzungsperiode wird um 17.05 Uhr unterbrochen.)

 

ANLAGE (Schriftliche Anfragen)
ANFRAGEN AN DEN RAT (Für diese Antworten trägt der Vorsitz des Rates der Europäischen Union die Verantwortung.)
Anfrage Nr. 17 von Hélène Goudin (H-0915/06)
 Betrifft: Kabeljaufischerei in der Nordsee, dem Skagerrak und dem Kattegat
 

Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat einen Bericht vorgelegt, worin er die Ansicht vertritt, dass für das Jahres 2007 ein vollständiger Fangstopp für die Kabeljaufischerei in der Nordsee, dem Skagerrak und im Kattegat erforderlich ist. Die schwedische staatliche Fischereiverwaltung pflichtet diesem Bericht bei und vertritt die Auffassung, dass eine vollständige Aussetzung der Fischereitätigkeit Voraussetzung dafür ist, dass der Kabeljaubestand sich wieder erholen kann. Beanstandet wurde auch das geltende Quotensystem. Der schwedische nationale Fischereiverband und der neue schwedische Fischereiminister empfehlen Fangtage anstelle von Fangquoten. In der augenblicklichen Situation werden große Mengen Kabeljau über Bord geworfen, um die Quotenregelungen einzuhalten.

Wird der Vorsitz des Rates sich für eine vollständige Aussetzung des Kabeljaufangs in der Nordsee, im Skagerrak und im Kattegat einsetzen? Was hält der Vorsitz des Rates von dem Vorschlag, Fangtage anstelle des Quotensystems einzuführen?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Die Lage bei den Kabeljaubeständen in den von der Abgeordneten erwähnten Gebieten bereitet allen Beteiligten seit vielen Jahren Sorgen und hatte bisher mehrere Maßnahmen zur Fangbeschränkung zur Folge. Trotz einiger positiver Anzeichen besteht natürlich weiterer Handlungsbedarf, damit die Kabeljaubestände langfristig wieder auf ein nachhaltiges Niveau aufgefüllt werden können. Die bisherigen Maßnahmen waren und sind der Plan zur Wiederauffüllung der Nordseekabeljaubestände, eine Verringerung der Jahresfangquoten, eine Vergrößerung der Netzmaschen, Fangverbotszonen, Fangverbotszeiten, vor allem in der Laichsaison, und eine Verringerung der Zahl der Fangtage.

Der Rat wird zum Vorschlag der Kommission für die Jahresbewirtschaftung des Kabeljaufangs einen Beschluss fassen. Ende November wird die Kommission voraussichtlich einen Vorschlag vorlegen, und zwar basierend auf Stellungnahmen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES), der die zulässigen Gesamtfangmengen (TAC), Quoten und anderen diesbezüglichen Maßnahmen für das Jahr 2007 billigt. Folglich kann der Rat noch nicht sagen, woraus dieser Vorschlag bestehen wird oder wie die Mitgliedstaaten darauf reagieren werden.

Der Vorsitz beabsichtigt, die Diskussionen zu diesem normalerweise doch schwierigen Thema mit dem positiven und konstruktiven Ziel zu lenken, in der Ratssitzung im Dezember zu einer Entscheidung zu gelangen.

 

Anfrage Nr. 18 von Avril Doyle (H-0916/06)
 Betrifft: Wirklich rauchfreie Zonen
 

Tabak steht mit geschätzten 4,9 Millionen Toten pro Jahr weltweit an erster Stelle der vermeidbaren Todesursachen. In der Europäischen Union kosten die durch Rauchen verursachten Krankheiten und Todesfälle die Mitgliedstaaten jedes Jahr 100 Mrd. Euro. Zudem gefährdet Rauchen ernsthaft das Leben von Nichtrauchern, sterben doch jedes Jahr in Europa 79.000 erwachsene Nichtraucher aufgrund von Passivrauchen.

Stimmt der Rat zu, dass die Mitgliedstaaten entsprechend den Verpflichtungen, die ihnen aus dem EU-Verträgen erwachsen, ein hohes Niveau zum Schutz der menschlichen Gesundheit bei Maßnahmen der Gemeinschaft zu gewährleisten, mehr tun müssen, um eine wirklich rauchfreie Umgebung zu fördern?

Ist er nicht auch der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten mehr tun müssen, um angemessene Mittel zu ergreifen, die die Aufgabe des Tabakkonsums fördern, wozu sie als WHO-Mitglieder verpflichtet sind?

 
  
 

Diese Antwort des Vorsitzes, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November–Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich abgegeben.

Die Prävention und die Bekämpfung des Rauchens sind bereits ein erstrangiges Ziel der Gesundheitspolitiker der Mitgliedstaaten und der Europäischen Gemeinschaft.

In seiner Empfehlung vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für Maßnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums(1)stellt der Rat fest, dass angesichts der mit dem Passivrauchen verbundenen Gesundheitsrisiken die Mitgliedstaaten den Schutz von Rauchern und Nichtrauchern vor Tabakrauch anstreben sollten. Der Rat empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten:

- Rechtsvorschriften und/oder sonstige wirksame Maßnahmen zu erlassen, beziehungsweise einzuführen, die einen Schutz der Menschen am Arbeitsplatz, in öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln vor Tabakrauch gewährleisten;

- weiterhin Strategien und Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums zu entwickeln; hierzu gehören die Verstärkung einer umfassenden gesundheitlichen Aufklärung, insbesondere in den Schulen, und allgemeine Programme zur Verhinderung des Erstkonsums von Tabakerzeugnissen sowie zur Überwindung der Tabakabhängigkeit.

In dieser Empfehlung wird die Kommission aufgefordert, ausgehend von Informationen, die von den Mitgliedstaaten vorgelegt wurden, über die Durchführung der Maßnahmen Bericht zu erstatten. In dem im kommenden Jahr, 2007, vorzulegenden Bericht wird die Effektivität der in dieser Empfehlung aufgeführten Maßnahmen geprüft und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen bewertet.

Ziel der am 27.2.2005 in Kraft getretenen Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakkonsums ist es, die heutigen und künftigen Generationen vor dem Tabakkonsum und die Belastung der Umwelt durch Tabak zu schützen. Sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten außer Italien und der Tschechischen Republik haben die Rahmenkonvention ratifiziert. In der Rahmenkonvention wird eine besondere Verpflichtung bekräftig, die für die Parteien rechtsverbindlich ist und sie verpflichtet, die Menschen vor Tabakrauch zu schützen. Gemäß Artikel 8 dieser Konvention beschließt jede Vertragspartei beschließt wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an geschlossenen öffentlichen Orten und gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten und führt solche Maßnahmen durch.

Auf der im Februar 2006 in Genf durchgeführten ersten Konferenz der Vertragsteilnehmer der Rahmenkonvention haben die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten bei der Erörterung des Beschlusses zur Ausarbeitung von Leitlinien für die Umsetzung der Rahmenkonvention bezüglich des Schutzes vor dem Passivrauchen eine bedeutenden Beitrag geleistet. Mit der Ausarbeitung der Leitlinien wurde jetzt begonnen und in diesen sollen alle Faktoren präzisiert werden, die zur Umsetzung von Artikel 8 erforderlich sind.

Es unterliegt ausschließlich der Zuständigkeit der entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten Maßnahmen wie beispielweise Rauchverbot oder Betreuung beim Einstellen des Rauchens zu erlassen.

 
 

(1)  ABl. L 22 vom 29.1.2003, S. 31.

 

Anfrage Nr. 19 von Georgios Toussas (H-0924/06)
 Betrifft: Willkürliche Kriminalisierung des tschechischen Kommunistischen Jugendverbands durch die tschechische Regierung
 

Der tschechische Innenminister hat am 12. Oktober 2006 den willkürlich Beschluss gefasst, den tschechischen Kommunistischen Jugendverband für gesetzeswidrig zu erklären und seine Auflösung zu fordern, wobei er als Grund für seinen Beschluss angab, dass im Statut dieser Jugendorganisation auf „die Verstaatlichung der Produktionsgüter" Bezug genommen wird.

Vertritt der Rat nicht die Ansicht, dass diese Maßnahme der tschechischen Regierung im Widerspruch zu den Grundprinzipien und -freiheiten steht und sich negativ auf die Äußerung von Standpunkten im wirtschaftlichen, ideologischen und politischen Bereich, den freien Austausch von Ideen sowie das ungehinderte Funktionieren von politischen Jugendorganisationen und Parteien auswirken und diese verbieten wird? Verurteilt er nicht auch diese Maßnahmen? Welche Ansicht vertritt er angesichts der Tatsache, dass der freie Gedankenaustausch und das ungehinderte Funktionieren politischer Organisationen durch staatliche Willkür und Unterdrückung in den EU-Mitgliedstaaten beschränkt werden?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Der Rat hat sich nie mit dieser Angelegenheit befasst, da sie nicht in seine Zuständigkeit fällt.

Die Förderung der Menschenrechte gehört jedoch zu den Prioritäten der Europäischen Union. Das Bekenntnis der EU-Mitgliedstaaten zur Achtung der Grundrechte ist zudem in der EU-Charta der Grundrechte verankert. Die Mitgliedstaaten der EU sind gleichzeitig Mitglieder des Europarates und haben daher zugesichert, ihren Verpflichtungen im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzukommen.

Mit der Errichtung der EU-Agentur für Grundrechte werden die Überwachungs- und Informationsmöglichkeiten der EU gestärkt, sodass sie die Grundrechte im größtmöglichen Umfang fördern kann.

 

Anfrage Nr. 20 von Diamanto Manolakou (H-0926/06)
 Betrifft: Vermisste Personen in Zypern wurden von der Türkei als menschliche Versuchsobjekte verwendet
 

Laut einem Bericht einer amerikanischen Firma, die strategische Analysen und Studien durchführt, wurden griechische Zyprer und griechische Soldaten, die seit dem Einmarsch der türkischen Truppen in Nordzypern im Jahr 1974 vermisst sind, in den Industrielaboratorien der türkischen Streitkräfte zwischen 1984 und 1988 als menschliche Versuchsobjekte verwendet.

Für die Familien der Vermissten dauert die Tragödie nun schon mehr als drei Jahrzehnte. Die Türkei, die immer noch den Nordteil Zyperns besetzt hält, hat nie Informationen über die Vermissten vorgelegt. Kann der Rat in diesem Zusammenhang die notwendigen Schritte unternehmen und die Türkei auffordern, alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen – auch wenn sie noch so schrecklich sind – über die Vermissten vorzulegen, damit diese Tragödie endlich ein Ende haben kann?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Der Rat kann zu Einzelberichten, zu denen er keine Kenntnisse aus erster Hand besitzt, nicht Stellung nehmen. Uns ist selbstverständlich die menschliche Dimension der Folgen der tragischen Ereignisse von 1974 in Bezug auf die gesamte Bevölkerung der Insel bekannt. Im Jahre 1981 wurde der Ausschuss für in Zypern vermisste Personen gebildet, um Fälle von vermissten griechischen und türkischen Zyprern zu untersuchen. Die Arbeit dieses Ausschusses ist ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen, mit denen eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen der Insel hergestellt werden soll.

Die Europäische Union unterstützt auch weiterhin die Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen, die eine umfassende Lösung des Zypern-Problems zum Ziel haben.

 

Anfrage Nr. 21 von Willy Meyer Pleite (H-0929/06)
 Betrifft: Erklärungen von Álvaro Uribe zugunsten eines Austauschs kolumbianischer Gefangener
 

Am 4. Oktober dieses Jahres gab der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Erklärungen ab, in denen er seine Bereitschaft erkennen ließ, sich mit den Guerillachefs der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zu treffen, um Frieden in seinem Land zu schaffen. Diese Haltung stellt eine völlige Kehrtwende seiner Einstellung zum Konflikt dar, indem die Möglichkeit eröffnet wird, Gespräche mit der Guerilla aufzunehmen, um zu einer humanitären Einigung zu gelangen und zu erreichen, dass 59 entführte Personen gegen 500 gefangene Rebellen ausgetauscht werden.

Drei Wochen später erklärte der Präsident wegen der Explosion einer Autobombe vor militärischen Anlagen, er sei nicht länger bereit, Gespräche mit der FARC zu führen. Beabsichtigt der Rat angesichts dieser Neuigkeit, eine Erklärung abzugeben, in der er den Austausch von Geiseln und die Einleitung eines möglichen künftigen Friedensprozesses in Kolumbien befürwortet?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Die EU fordert nunmehr seit Jahren konsequent alle Seiten auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Voraussetzungen für den humanitären Austausch von Gefangenen zu schaffen. Unser Standpunkt ist mithin allen bekannt. Der Rat bedauert, dass der Austausch trotz breiter internationaler Unterstützung noch nicht stattgefunden hat. Nach Auffassung des Rates würde angesichts der diffizilen Lage eine neue öffentliche Erklärung keinen Nutzen bringen. Die EU hat die Absicht, ihre Politik der Ermutigung und aktiven Unterstützung fortzusetzen. Ich möchte darauf hinweisen, dass der kolumbianische Außenminister der EU ausdrücklich für ihre Hilfe bei der Lösung des Geiselproblems und für ihre Unterstützung des kolumbianischen Volkes insgesamt gedankt hat. Ebenso wie die kolumbianische Regierung ist auch der Rat dem Parlament für seine aktive Mitwirkung sehr dankbar.

 

Anfrage Nr. 22 von Athanasios Pafilis (H-0930/06)
 Betrifft: Unannehmbares neues Antiterrorgesetz in den USA
 

Vor einigen Tagen wurden in den USA der Military Commissions Act 2006 unterzeichnet. Nach diesem Gesetz ist Folter grundsätzlich erlaubt, das Recht des Habeas Corpus für Personen, die wegen Terrorverdacht in Haft genommen werden, wird ebenso außer Kraft gesetzt wie die Vorschrift, wonach sie einen Anwalt zu ihrer Verteidigung bestellen können, und der amerikanische Präsident hat das Recht, anzuordnen, dass Personen auf unbegrenzte Zeit ohne Anklage festgehalten werden und kann Sondergerichte einsetzen, die Urteile auf der Grundlage nicht freigegebener und nicht offen gelegter und nicht begründeter Informationen und unter Zwang gewonnener Beweise fällen können.

Verurteilt der Rat dieses beispiellose Gesetz, das grundlegende Menschenrechte und elementare Verfahrensgarantien für Gefangene außer Kraft setzen? Teilt er die Auffassung, dass dieses Gesetz gegen internationale Verträge und die internationale Gesetzgebung im Bereich der Menschenrechte und Rechte der Gefangenen verstößt? Lehnt der Rat die Annahme solcher Gesetze durch alle Staaten der Völkergemeinschaft ab? Wird der Rat die Übereinkommen mit den USA außer Kraft setzen, die sich dahingehend auswirken könnten, dass dieses Gesetz auf Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Personen angewandt wird?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Am 15. September 2006 einigten sich die Außenminister auf die folgende Presseerklärung:

„Die Minister bekräftigten ihr Eintreten für eine wirksame Terrorismusbekämpfung, bei der alle verfügbaren legalen Mittel und Instrumente zum Einsatz kommen. Der Terrorismus an sich stellt eine Bedrohung für das rechtsstaatliche Wertesystem dar.

Sie bekräftigten ferner, dass bei der Terrorismusbekämpfung die Menschenrechte und die humanitären Normen gewahrt werden müssen. Daher anerkannten sie die Absicht der Regierung der Vereinigten Staaten, alle Gefangenen im Einklang mit den Bestimmungen der Genfer Konvention zu behandeln, und die Zusicherungen hinsichtlich des Zugangs, der dem IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) gewährt werden soll.

Die Existenz von Geheimgefängnissen, in denen die Gefangenen in einem rechtsfreien Raum gehalten werden, steht nicht mit dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Strafrecht in Einklang.

Die Minister erklärten, dass sie ihren Dialog mit den Vereinigten Staaten fortsetzen und dabei den Schwerpunkt auf die Wahrung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung legen werden.“

Der Rat hat seine Prüfung des Military Commissions Act noch nicht abgeschlossen.

 

Anfrage Nr. 23 von Gay Mitchell (H-0933/06)
 Betrifft: Beitrag des Rates zur Verbesserung der weltweiten Sicherheitslage
 

Welchen wirksamen Beitrag leistet der Rat angesichts der Lage in Ländern wie z.B. dem Irak, Nordkorea oder dem Iran zur Verbesserung der weltweiten Sicherheitslage?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Auch weiterhin bleibt mehr Sicherheit für Europa in einer gerechteren Welt das Ziel des Rates. In der im Dezember 2003 angenommenen Europäischen Sicherheitsstrategie wurden die Mittel dargelegt, mit denen die EU dieses Ziel zu erreichen sucht.

Was die vom Abgeordneten angeführten Beispiele betrifft, kann der Rat wie folgt antworten:

Irak

Die Europäische Union unterstützt auch weiterhin die Regierung der nationalen Einheit unter Führung von Ministerpräsident Nouri Al-Maliki bei der Umsetzung ihres Programms, wozu auch der von der Regierung vorgeschlagene Plan für nationale Aussöhnung und Dialog gehört. Aktiv beteiligt sich die EU an der Erarbeitung des Internationalen Pakts gemeinsam mit der irakischen Regierung, der UNO und anderen Partnern der internationalen Gemeinschaft. Dieser Pakt bildet für die irakische Regierung die wichtige Gelegenheit, sich zu schwierigen, aber notwendigen Reformen in den Bereichen Politik, Sicherheit und Wirtschaft zu verpflichten. Die internationale Gemeinschaft kann sich auf diese Weise zur Unterstützung dieser Reformen bekennen.

Die Europäische Union hat das Referendum des Irak zu Wahlen und zur Verfassung unterstützt und beabsichtigt auch künftig, sich für den Demokratieprozess im Irak einzusetzen. Die EU führt ihr umfangreiches Hilfeprogramm mit Unterstützung des Irak ebenso fort wie – auf Ersuchen des Irak – ihre integrierte Mission zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit im Irak (EUJUST LEX). Im Rahmen dieser Mission wurden bisher Ausbildungsmaßnahmen für etwa 800 irakische Polizisten, Richter und Vollzugsbeamte durchgeführt. Es ist geplant, demnächst Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen mit dem Irak aufzunehmen. Ebenfalls fortgesetzt wird der enge politische Dialog der EU mit dem Irak.

Iran

Der Rat hat wiederholt seine Bereitschaft zum Aufbau nachhaltiger langfristiger Beziehungen zum Iran geäußert und sich stets für eine diplomatische Lösung der Frage der Kernkraftnutzung durch den Iran eingesetzt.(1)

Die in der Resolution 1696 des UN-Sicherheitsrates bis zum 31. Juli 2006 gesetzte Frist ist abgelaufen, und die EU äußerte ihre tiefe Besorgnis darüber, dass der Iran seine Aktivitäten zur Urananreicherung noch immer nicht eingestellt hat.

Bei seinen Kontakten mit den iranischen Behörden hat der Hohe Vertreter der EU den Iran ständig aufgefordert, die in der Resolution 1696 des UN-Sicherheitsrates genannten und vom IAEO-Gouverneursrat verlangten Maßnahmen umzusetzen.

Iran hat bisher keinerlei Bereitschaft gezeigt, der Forderung zur Einstellung seiner Aktivitäten zur Urananreicherung nachzukommen. Die Einstellung dieser Aktivitäten ist Voraussetzung für die von der EU unterstützten Verhandlungen über eine neue Initiative auf der Basis des Angebots Frankreichs, Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Chinas, Russlands und der USA.

In seiner Resolution 1696 äußerte der Sicherheitsrat seine Absicht, geeignete Maßnahmen gemäß Artikel 41 der UN-Charta zu ergreifen, wenn der Iran den Forderungen nicht nachkommt. Der Rat vertrat die Ansicht, wonach der Umstand, dass der Iran seine Aktivitäten zur Urananreicherung fortsetzt, der EU keine andere Wahl lässt, als entsprechende Konsultationen zu derartigen Maßnahmen zu unterstützen.

Am 17. Oktober stellte der Rat jedoch fest, dass dem Iran noch immer die Option der Verhandlungen offenstehe, und forderte den Iran eindringlich auf, den vorgeschlagenen positiven Weg einzuschlagen.

Am 6. Juni 2006 legte der Hohe Vertreter der EU dem Iran die Vorschläge von sechs Staaten (Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich, China, Russische Föderation und USA) vor. Diese weit reichenden Vorschläge würden als Grundlage für eine langfristige Vereinbarung dienen und dem Iran alles für die Entwicklung eines modernen zivilen Kernenergiesektors Notwendige zuerkennen, während zugleich den internationalen Bedenken Rechnung getragen wird.

Eine derartige positive Vorgehensweise würde den Weg für neue Beziehungen zum Iran auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung und der breiteren Zusammenarbeit im politischen und wirtschaftlichen Bereich ebnen.

Nordkorea

Nachdem die Demokratische Volksrepublik Korea einen Atomtest bekanntgegeben hatte, verurteilte der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 17. Oktober zur Demokratischen Volksrepublik Korea scharf den Test eines nuklearen Sprengkörpers, der nach Auffassung des Rates die Stabilität in der Region gefährdet und eine eindeutige Bedrohung für Frieden und Sicherheit darstellt. Der Rat erklärte, die EU werde die Bestimmungen aller relevanten Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, insbesondere der Resolution 1718 (2006) und der Resolution 1695 (2006) uneingeschränkt durchführen.

Zu den in der Sicherheitsratsresolution aufgeführten Sanktionen gehören ein Verbot der Ausfuhr sensibler Produkte und Technologien, die für Programme Nordkoreas im Zusammenhang mit Kernmaterial, ballistischen Raketen und anderen Massenvernichtungswaffen verwendet werden könnten, ein Verbot der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Zusammenhang, ein Verbot der Beschaffung sensibler Güter und Technologien aus Nordkorea, ein Verbot der Ausfuhr von Luxuswaren und das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die an den genannten Programmen Nordkoreas mitwirken oder sie unterstützen.

In seinen Schlussfolgerungen forderte der Rat die Demokratische Volksrepublik Korea zudem auf, unverzüglich zu den Sechs-Parteien-Gesprächen zurückzukehren.

Der Ratsvorsitz äußerte sich später zufrieden, dass China, die Demokratische Volksrepublik Korea und die USA am 31. Oktober in Peking Einvernehmen darüber erzielt haben, in naher Zukunft ein Treffen im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche abzuhalten.

 
 

(1)  Siehe auch die Antwort auf Anfrage H-0707/06.

 

Anfrage Nr. 24 von Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (H-0935/06)
 Betrifft: Liberalisierung der Postdienste
 

Die Kommission hat kürzlich (18. Oktober 2006) einen Vorschlag für eine vollständige Öffnung der Postmärkte in der EU für den Wettbewerb bis spätestens 2009 vorgelegt. Damit wird nicht nur die Vollendung des Binnenmarkts in diesem Bereich angestrebt, sondern auch eine Förderung der Innovation und Verbesserung der Dienstleistungen. Darüber hinaus soll den Bedürfnissen der Verbraucher besser entsprochen und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Bereitstellung eines Universaldiensts von hoher Qualität eingelöst werden.

Inwieweit stimmt der Rat dem Vorschlag der Kommission für eine vollständige Öffnung des Marktes für Postdienste bis zu der genannten Frist zu? Einige Mitgliedstaaten haben ihren Postmarkt bereits vollständig für den Wettbewerb geöffnet, andere dagegen planen, dies bis 2009 zu tun. Liegen dem Rat Untersuchungen über die Ergebnisse einer vollständigen Öffnung des Markts für den Wettbewerb in diesen Mitgliedstaaten vor? Teilt der Rat die Ansicht der Kommission über die Notwendigkeit, einen Universaldienst von hoher Qualität und flexible Optionen zur Finanzierung dieses Diensts zu gewährleisten?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Am 18. Juli unterbreitete die Kommission entsprechend den Bestimmungen der geltenden Postdienstrichtlinie 97/67/EG(1), geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG, einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste(2). Am 20. Oktober 2006 erhielt der Rat den betreffenden Vorschlag, einen Bericht der Kommission über die Anwendung der Postrichtlinie(3) sowie die Prospektivstudie der Kommission über die Auswirkungen der Vollendung des Postbinnenmarktes im Jahr 2009 auf den Universaldienst(4). Darüber hinaus führte die Kommission im Zusammenhang mit ihrer Mitteilung „Bessere Rechtsetzung für Wachstum und Arbeitsplätze in der Europäischen Union“(5) eine Folgenabschätzung(6) durch und legte sie dem Europäischen Parlament und dem Rat vor. Darin geht es um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen verschiedener Optionen auf die Nutzer und alle maßgeblich Betroffenen.

Da der Vorschlag der Kommission erst vor kurzer Zeit einging, hat die Prüfung durch den Rat gerade begonnen. Eine Stellungnahme zu den Einzelheiten des Vorschlags oder zu den beigefügten Dokumenten wäre verfrüht und würde den Ergebnissen der Diskussionen, die der Rat zu diesem Thema in den nächsten Monaten führen wird, vorgreifen.

Der Rat der Europäischen Union unterstreicht sein Bekenntnis zur engen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament in dieser Angelegenheit und möchte erklären, dass er beschlossen hat, über einen geeigneten Zeitraum hinweg eine eingehende Analyse aller entscheidenden Parameter und Schwellenfragen vorzunehmen. Vorrangiges Ziel dabei wird die Sicherung eines effizienten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Postsektors in der EU sein, der auch weiterhin allen Bürgern und Unternehmen der Union einen erstklassigen Dienst zu angemessenen Preisen bietet.

 
 

(1)  Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14), geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft (ABl. L 176 vom 5.7.2002, S. 21).
(2)  KOM(2006) 594 endg. (14357/06).
(3)  KOM(2006) 595 endg. (14368/06) und SEK(2006) 1293 (14368/06 ADD 1).
(4)  KOM(2006) 596 endg. (14371/06).
(5)  KOM(2005) 97 endg. (7797/05).
(6)  Folgenabschätzung (SEK(2006) 1291, 14357/06 ADD 1), Zusammenfassung der Folgenabschätzung (SEK(2006) 1292, 14357/06 ADD 2).

 

Anfrage Nr. 25 von Leopold Józef Rutowicz (H-0942/06)
 Betrifft: General. Pervez Musharraf möchte auch künftig das Amt des Staatsoberhaupts ausüben und den Oberbefehl über die Armee des Landes führen
 

Pakistans Militärmachthaber General Pervez Musharraf hat deutlich gemacht, dass er auch nach dem Ende seiner Amtsperiode 2007 das Amt des Staatschefs ausüben und den Oberbefehl über die Armee des Landes führen möchte.

Vertritt der Rat die Auffassung, dass die gegenwärtige Militärregierung im Amt bleiben und auch weiterhin die Regierungstätigkeit ausüben sollte?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Die Europäische Union unterstützt uneingeschränkt alle Fortschritte in Richtung einer dauerhaften Demokratie in Pakistan ebenso wie die Stärkung der demokratischen Institutionen und der guten Staatsführung in diesem Land. Nach Ansicht der Europäischen Union kommt es daher darauf an, dass die bevorstehenden Parlamentswahlen in Pakistan frei und offen durchgeführt werden.

 

Anfrage Nr. 26 von Panagiotis Beglitis (H-0944/06)
 Betrifft: Erstarken nationalistischer anti-europäischer politischer Kräfte in Ländern Osteuropas
 

In letzter Zeit ist mit großer Besorgnis festzustellen, dass nationalistische, anti-europäische und ausländerfeindliche politische Kräfte und Bewegungen in osteuropäischen Ländern, die in die EU aufgenommen wurden, Rückenwind erhalten.

Dies gefährdet die Grundlagen und Werte der europäischen demokratischen Zivilisation. Wie gedenkt der Rat, dem institutionell und politisch zu begegnen? Weshalb hat er nicht bereits Initiativen für eine eingehende Diskussion dieses Problems und die Ausarbeitung einer umfassenden Strategie zur Stärkung der demokratischen Organe gegen die Gefahren einer nationalistischen "Renaissance" in Europa ergriffen?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Der Rat hat sich nie mit dieser Angelegenheit befasst, da sie nicht in seine Zuständigkeit fällt.

Die Förderung der Menschenrechte gehört jedoch zu den Prioritäten der Europäischen Union. Das Bekenntnis der EU-Mitgliedstaaten zur Achtung der Grundrechte ist zudem in der EU-Charta der Grundrechte verankert. Die Mitgliedstaaten der EU sind gleichzeitig Mitglieder des Europarates und haben daher zugesichert, ihren Verpflichtungen im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzukommen.

Mit der Errichtung der EU-Agentur für Grundrechte werden die Überwachungs- und Informationsmöglichkeiten der EU gestärkt, sodass sie die Grundrechte im größtmöglichen Umfang fördern kann.

 

Anfrage Nr. 27 von Seán Ó Neachtain (H-0947/06)
 Betrifft: Europäisches Technologieinstitut
 

Kann der Europäische Rat eine Erklärung dazu abgeben, welche Fortschritte in Bezug auf die Einrichtung eines neuen Europäischen Technologieinstituts gemacht wurden?

 
  
 

Diese Antwort des Vorsitzes, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November–Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich abgegeben.

Wie dem Mitglied des Europäischen Parlaments bekannt ist, hat die Kommission nach einer gründlichen Vorbereitung am 18. Oktober 2006 den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts(1) an das Europäische Parlament und den Rat übermittelt. Somit ist es noch zu früh, eine Erklärung zum Vorschlag abzugeben. Die Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag ist Artikel 157 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens erfordert.

Der Rat beabsichtigt seinerseits, den Vorschlag der Kommission sorgfältig zu prüfen und dazu bald möglichst mit dem Europäischen Parlament Kontakt aufzunehmen.

Der AStV berief in seiner Sitzung am 8.11.2006 eine Ad-Hoc Arbeitsgruppe zur Erörterung des Vorschlags zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts ein.

 
 

(1)  KOM(2006) 604 endg.

 

Anfrage Nr. 28 von Pedro Guerreiro (H-0949/06)
 Betrifft: Lage in der Westsahara
 

Der Friedensprozess in der Westsahara ist wegen der Unnachgiebigkeit Marokkos festgefahren, das weiterhin völkerrechtswidrig dieses Territorium besetzt und dem saharaouischen Volk das legitime und unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung vorenthält, das ihm in Resolutionen und in der Charta der Vereinten Nationen zugesprochen wurde.

Die Haltung Marokkos ist gekennzeichnet durch die Verzögerung des Friedensprozesses, indem es Pseudovorschläge unterbreitet, durch die letztendlich versucht wird, das Recht des saharaouischen Volkes in Frage zu stellen, sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen und sein Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, was der einzige und unumgängliche Rahmen für eine gerechte und dauerhafte Lösung des Konflikts in der Westsahara ist.

Welche Dringlichkeitsmaßnahmen gedenkt der Rat in einem Rahmen, in dem die Unterdrückung in den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara immer schlimmer wird, umzusetzen, damit der Friedensprozess in der Westsahara wieder in Gang kommt und das legitime und unveräußerliche Recht des saharaouischen Volkes auf Selbstbestimmung gemäß dem Völkerrecht gewährleistet wird?

 
  
 

Diese vom Vorsitz verfasste Antwort, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November-Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich vorgetragen.

Nach Ansicht des Rates bildet der Konflikt in der Westsahara nach wie vor ein Haupthindernis für Stabilität, Zusammenarbeit und Wohlstand in der Region. Der Rat ist davon überzeugt, dass eine wirksamere Zusammenarbeit der Maghreb-Länder diesen selbst zugute kommen würde, und hat die Länder nachdrücklich aufgefordert, sich für dieses Ziel einzusetzen.

Folglich unterstützt der Rat uneingeschränkt die Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und seines Persönlichen Gesandten Peter van Walsum um eine gerechte, dauerhafte und für beide Seiten annehmbare Lösung des Westsahara-Konflikts. Dabei würde dem Volk der Westsahara das Recht auf Selbstbestimmung beispielsweise im Rahmen der jüngsten Resolution 1720 des Sicherheitsrates vom 31. Oktober 2006 zuerkannt.

Der Rat hat die Beteiligten aufgefordert, sich für eine derartige Lösung einzusetzen und sie in konstruktiver und flexibler Zusammenarbeit mit dem Persönlichen Gesandten des UN-Generalsekretärs herbeizuführen.

Darüber hinaus hat der Rat Marokko und Algerien daran erinnert, dass eines der Ziele der Europäischen Nachbarschaftspolitik in der Verbesserung der gutnachbarlichen Beziehungen zur Verhinderung und Lösung von Konflikten besteht.

Den humanitären Aspekten des Westsahara-Konflikts hat der Rat stets große Aufmerksamkeit gewidmet. Er hat sich aktiv mit diesen Problemen auseinander gesetzt und die Beteiligten eindringlich aufgefordert, konkretere Maßnahmen zur Lösung der verbleibenden humanitären Probleme zu ergreifen. Dabei hat der Rat auch erklärt, dass er über die vorgeblichen Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara und in den Lagern von Tindouf besorgt ist, und er hat den Beteiligten offizielle Ansprechpartner genannt, an die sie sich in dieser Frage wenden können.

Die Westsahara-Frage wird regelmäßig auf den Sitzungen im Rahmen des Assoziierungsabkommens EU-Marokko erörtert. Speziell vom Rat angesprochen wurde die Angelegenheit auf der Sitzung des verstärkten politischen Dialogs am 9. November 2005 sowie auf der fünften Sitzung des Assoziierungsrates EU-Marokko. Der Rat brachte das Thema auf einer Sitzung des Assoziierungsausschusses am 17. November dieses Jahres erneut zur Sprache und wird dies auch auf der Sitzung des verstärkten politischen Dialogs Mitte Dezember tun.

 

Anfrage Nr. 29 von Ryszard Czarnecki (H-0952/06)
 Betrifft: Abkommen zwischen der EU und Russland
 

Was sind die Schwerpunkte des neuen Abkommens, das zwischen der EU und Russland für die Dauer von zehn Jahren geschlossen wird und während des deutschen Ratsvorsitzes unterzeichnet werden soll?

 
  
 

Diese Antwort des Vorsitzes, die als solche weder den Rat noch seine Mitglieder bindet, wurde während der Fragestunde für die Anfragen an den Rat auf der November–Tagung 2006 des Europäischen Parlaments in Straßburg nicht mündlich abgegeben.

Der Rat kann in dieser Phase noch keine Einzelheiten des mit der Russischen Föderation auszuhandelnden neuen Vertrags bekannt geben, da die Verhandlungsvorgaben noch von den zuständigen Gremien des Rates bearbeitet werden.

Der Rat kann dem Mitglied des Europäischen Parlaments jedoch mitteilen, dass die EU und Russland letzten Gipfeltreffen zwischen der EU und Russland vom 25. Mai 2006 bei der Verhandlung über die folgenden Punkte des neuen Vertrags zu gemeinsamen Auffassungen gelangt sind:

Die Beziehungen zwischen der EU und Russland werden weiterhin auf vertraglicher Basis beruhen.

Das neue rechtsverbindliche Instrument muss unseren Beziehungen einen stabilen und umfassenden Rahmen geben.

Teil dieses neuen Vertrages muss auch die Möglichkeit einer zunehmenden Annäherung in Handels- und Wirtschaftsfragen sein, nachdem Russland der Welthandelsorganisation beigetreten ist.

Um das Entstehen rechtlicher Leerräume zu verhindern, wird keine der beiden Vertragsparteien den laufenden Vertrag über Partnerschaft und Zusammenarbeit für beendet erklären, bevor der neue Vertrag in Kraft tritt.

Unser Ziel ist es, einen Beschluss über die Aufnahme der Verhandlungen über einen neuen Vertrag mit Russland auf dem Gipfeltreffen EU-Russland am 24. November 2006 zu verabschieden. Die Laufzeit des neuen Vertrags ist noch nicht festgelegt. Welcher Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags den Ratsvorsitz inne haben wird, ist noch nicht absehbar, da dieser von der Dauer der Verhandlungen mit Russland abhängig ist.

 

ANFRAGEN AN DIE KOMMISSION
Anfrage Nr. 34 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0875/06)
 Betrifft: Menschenwürdige Arbeit für alle und Entwicklungshilfe
 

Die kürzlich vorgelegte Mitteilung der Kommission „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ (KOM(2006)0249 endg.) sieht die Umsetzung einer diesbezüglichen Agenda durch Entwicklungsprogramme und Maßnahmen vor, die unter anderem auf die weltweite Bekämpfung der Armut abzielen.

Werden für die Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit eigene Mittel bereitgestellt? Wenn nicht, wie hoch ist der geplante Anteil der Finanzierung für jede einzelne Maßnahme?

 
  
 

Die Bedeutung menschenwürdiger Arbeit für die Eindämmung der Armut und die Notwendigkeit, die Bemühungen um deren Förderung durch die Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken, treffen auf zunehmende Zustimmung. Diese Zustimmung spiegelt sich sowohl in der Mitteilung der Kommission „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ als auch in dem Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik (2005) wider, in dem die Beschäftigung und der soziale Zusammenhalt einschließlich menschenwürdiger Arbeit als ein neuer Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft herausgestellt wird. Diese Themen sind auch integraler Bestandteil der EU-Strategie für Afrika, der Zusammenarbeit mit Lateinamerika und der Aktionspläne im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EG und den in die europäische Nachbarschaftspolitik einbezogenen Partnerländern.

Die Kommission finanziert bereits einige Programme zur Unterstützung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bzw. damit verbundener Aspekte in verschiedenen Partnerregionen und Ländern.

In diesen Programmen geht es u. a. um die Förderung einer besseren Berufsausbildung, um die Chancen der Arbeitssuchenden, eine menschenwürdige Arbeit zu finden, zu erhöhen, die Förderung von sozialen Aktionsfonds für die lokale Entwicklung, aus denen gefährdete Bevölkerungsgruppen unterstützt werden, die Unterstützung der sozialen Integration, die Erwirtschaftung von Einkommen und die Wiedereingliederung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen, wie Vertriebener, entlassener Soldaten und indigener Völker in die Wirtschaft. Dennoch wurden die Themen Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und menschenwürdige Arbeit von den meisten Kooperationsprogrammen und -projekten im Außenbereich im Zeitraum 2000-2006 nicht erfasst.

Die Kommission gewährt allerdings keine eigenständige Finanzierung für jeden einzelnen Bereich, in dem wir mit unseren Partnerländern kooperieren, und so auch nicht für Themen im Zusammenhang mit der menschenwürdigen Arbeit. Unsere Zusammenarbeit basiert auf dem Grundsatz der nationalen Eigenverantwortlichkeit, und somit haben wir die Entscheidungen unserer Partnerländer bezüglich ihrer Prioritäten für die Zusammenarbeit mit der Kommission zu respektieren.

Die Programmplanung für den 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) (2008-2013) ist noch nicht abgeschlossen, und daher liegen uns noch keine endgültigen Angaben zur Mittelverteilung zwischen den verschiedenen vorrangigen Bereichen vor. Demzufolge haben wir auch keine konkreten Informationen über die Bereitstellung von Mitteln für die Förderung von menschenwürdiger Arbeit.

Weiter vorangeschritten ist hingegen die Programmplanung für unsere Zusammenarbeit mit den nicht zu den AKP-Staaten (Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean) gehörenden Ländern - z. B. in Lateinamerika, Asien und Zentralasien - sowie für die europäische Nachbarschaftspolitik. Es wäre jedoch auch hier verfrüht, die spezifischen Mittelzuweisungen konkret beziffern zu wollen, da die endgültige Fassung der Strategiepapiere für diese Länder und Regionen noch nicht vorliegt. Zudem werden die Mitgliedstaaten und das Parlament vor der Annahme dieser Dokumente ihre Stellungnahmen zu deren Inhalt im Rahmen des dafür vorgesehenen Dialogs zwischen den Organen abgeben.

Zusätzlich zu der länderspezifischen Programmplanung werden mit dem thematischen Programm „In die Menschen investieren“ ab 2007 Innovation, weltweite Partnerschaften und konkrete Maßnahmen in den Schlüsselbereichen der menschlichen und sozialen Entwicklung einschließlich der menschenwürdigen Arbeit finanziert werden. Auch in diesem Bereich steht die Höhe der Finanzierung noch nicht fest.

Ab 2007 können die Sozialpartner auch im Rahmen des thematischen Programms „Nichtstaatliche Akteure und lokale Behörden im Entwicklungsprozess“ Unterstützung erhalten. Durch das neue Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte kann ferner die Förderung von Kernarbeitsnormen unterstützt werden. Auch die Unterstützung von Initiativen zur besseren Steuerung der Wirtschaftsmigration im Interesse sowohl der Herkunfts- als auch der Aufnahmeländer trägt zur Förderung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bei. Diese Unterstützung erfolgt über das Programm AENEAS und wird ab 2007 über das Programm „Migration und Asyl“ gewährt werden.

Meiner Ansicht nach ist hervorzuheben, dass menschenwürdige Arbeit bei Weitem keine reine Frage von Beschäftigung oder Sozialschutz sondern vielmehr eine Frage der Governance ist. Für die Umsetzung wirksamer, auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen ausgerichteter politischer Maßnahmen bedarf es verantwortungsvoll geführter Institutionen, sodass eine wirksame Förderung der menschenwürdigen Arbeit möglich wird.

Deshalb hat die Kommission im Rahmen des 10. EEF die Gewährung einer Anreiz-Tranche vorgeschlagen, die in einer Reihe von Fragen der Governance einschließlich der Unterzeichnung und Ratifizierung der acht grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation mit dem Programm unserer Partnerländer in Verbindung steht. Die Kommission ist davon überzeugt, dass diese Schlüsselinitiative einen wichtigen Beitrag zur Förderung der menschenwürdigen Arbeit in den Partnerländern leisten wird.

 

Anfrage Nr. 35 von Sarah Ludford (H-0880/06)
 Betrifft: Welttoilettentag
 

Am 19. November 2006 findet der „Welttoilettentag“ statt. 2004 waren zwei Fünftel der Weltbevölkerung (2,6 Milliarden Menschen) gezwungen, ihre Notdurft im Freien oder an unhygienischen Orten zu verrichten. Wenn das Millenniumsziel erreicht werden soll, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sanitären Anlagen bis 2015 zu halbieren, müssen bis dahin mehr als 1,6 Milliarden Menschen zu sanitären Einrichtungen erhalten.

Welchen Anteil am Entwicklungshilfeetat hat die Kommission dem besseren Zugang zu Sanitäranlagen in Entwicklungsländern seit 2000 vorbehalten, und welche Aufstockung dieser Mittel hat sie gegebenenfalls bis 2015 vorgesehen?

Welche konkreten Resultate hat die auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 ins Leben gerufene Partnerschaft EU-Afrika auf dem Gebiet Wasserangelegenheiten und sanitäre Versorgung bisher gezeitigt?

 
  
 

In den Entwicklungsländern sterben jährlich ca. 2,2 Mio. Menschen und zwar vor allem Kinder an Krankheiten im Zusammenhang mit dem fehlenden Zugang zu sicherem Trinkwasser, unzureichenden Sanitäranlagen und schlechten hygienischen Bedingungen. Es handelt sich dabei um eine der häufigsten Krankheits- und Todesursachen in den Entwicklungsländern.

Die EU ist nicht nur der wichtigste Geber von Entwicklungshilfe generell, sondern mit einem Jahreshaushalt von ca. 1,4 Mrd. € auch der wichtigste Geber von Entwicklungshilfe in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.

Zwischen 2002 und 2005 hat die Kommission 1 283 Mio. € für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in den Entwicklungsländern aufgewendet. Die Zahlen für 2006 liegen noch nicht vor, und die Beträge für die Jahre vor 2002 sind nicht vergleichbar. Den Schätzungen der Kommission zufolge wurden ca. 25 % dieser Beträge für die Abwasserentsorgung verwendet.

Die Maßnahmen der Kommission im Bereich Wasser und Abwasser werden im Rahmen der Strategiepapiere sowie der nationalen und regionalen Richtprogramme vorbereitet und durchgeführt. Diese Papiere werden in Absprache mit den Partnerländern ausgearbeitet und spiegeln die nationalen Prioritäten und Anforderungen der Hilfeempfänger wider. Die neuen Länderstrategiepapiere werden in Partnerschaft mit den begünstigten Ländern ausgearbeitet und aus dem 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) (2008-2013) sowie dem Haushalt der EU (2007-2012) finanziert. Über neue Zusagen liegen noch keine Angaben vor.

Der zweite Teil der Anfrage betrifft die strategische Partnerschaft zwischen Afrika und der EU im Bereich Wasser und Abwasser, die von den afrikanischen und europäischen Staatschefs auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 unterzeichnet wurde und über die afrikanische Komponente der EU-Wasserinitiative umgesetzt wird.

Die EU-Wasserinitiative ist kein Finanzinstrument zur Bereitstellung von Hilfe. Sie ist vielmehr eine konzertierte Anstrengung der Kommission, der Mitgliedstaaten, der Partnerländer und anderer Beteiligter einschließlich der Organisationen der Zivilgesellschaft und der lokalen Regierungen, gemeinsam zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele beizutragen. Die Auswirkungen der Initiative stellen sich nur langsam ein, jedoch wurden schon einige beachtliche Erfolge erzielt:

- Im Rahmen der Initiative wurde ein Dialog zwischen den Regierungen der Partnerländer, der betroffenen Parteien und der EU eröffnet, der darauf abzielt, die Partnerländer bei der Entwicklung und Umsetzung politischer Maßnahmen, Strategien und Prioritäten im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu unterstützen, die von Gebern gefördert werden können; es gab allmähliche Fortschritte und einigen Erfolg bei der Entwicklung dieser Gespräche. Indem auf eine breit angelegte Beteiligung der Zivilgesellschaft Wert gelegt wurde, konnte der Stimme der afrikanischen Zivilorganisationen somit Gehör verschafft werden.

- Im Rahmen der Initiative wurden Maßnahmen zur Koordination der Geber entwickelt, um so zur besseren Wirksamkeit der Hilfe (insbesondere in Äthiopien) beizutragen.

- Im Rahmen der Initiative wurden fünf regionale Projekte zur grenzübergreifenden Wasserbewirtschaftung in Afrika eingeleitet.

- Die im Jahr 2004 mit einem Gesamtbetrag von 500 Mio. € aus Mitteln des 9. EEF eingerichtete AKP-EU-Wasserfazilität ist ein unmittelbares Ergebnis der durch die Europäische Wasserinitiative erzeugten politischen Impulse und spiegelt die Bedeutung wider, die die EU dem Bereich Wasser und Abwasser beimisst.

- Die Europäische Wasserinitiative hat zur Stärkung der Afrikanischen Ministerkonferenz für Wasser (AMCOW) beigetragen und die Beteiligung der AMCOW an der politischen Debatte über das Wasser auf regionaler und internationaler Ebene erleichtert.

- Der Beitrag des 6. Forschungsrahmenprogramms der Kommission zu den Zielen der Europäischen Initiative hat zur Entstehung von mehr als 50 neuen Forschungsprojekten geführt, für die die Kommission einen Gesamtbeitrag von ca. 28 Mio. € geleistet hat. Ein gutes Beispiel ist das Projekt SWITCH (Sustainable Water management Improves Tomorrow’s Cities’ Health), für das die Kommission über fünf Jahre verteilt mehr als 14 Mio. € (14 749 997 €) zahlt. Mit diesem Projekt werden Abwasserprobleme auf der Grundlage von Einzelfallstudien in verschiedenen Städten in Entwicklungsländern wie Bogota, Cali, Lima, Belo Horizonte, Accra, Alexandria und Peking in Angriff genommen.

 

Anfrage Nr. 36 von Danutė Budreikaitė (H-0884/06)
 Betrifft: Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Entwicklungsprojekten
 

In den Schlussfolgerungen des Rates über eine Strategie für die Einbeziehung von Umweltbelangen in die wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit der EG zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung [8971/01] aus dem Jahre 2001 heißt es, dass bei Entwicklungsprojekten systematisch Umweltverträglichkeitsprüfungen zum Tragen kommen sollten (Ziffer 3.14).

Der Europäische Rechnungshof weist in seinem Sonderbericht Nr. 6/2006 über Umweltaspekte der Entwicklungszusammenarbeit der Kommission darauf hin, dass die Kommission über kein Verzeichnis der Umweltverträglichkeitsprüfungen, die zu Entwicklungsprojekten vorgenommen wurden, verfügt und dass es Hinweise dafür gibt, dass diese Prüfungen nicht immer dort vorgenommen wurden, wo sie hätten vorgenommen werden sollen.

Die Europäische Gemeinschaft hat im Jahr 1998 das Übereinkommen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten („Århus-Übereinkommen“) unterzeichnet.

Wann wird die Kommission das Verzeichnis der Umweltverträglichkeitsprüfungen veröffentlichen, die im Zusammenhang mit Entwicklungsprojekten vorgenommen wurden?

 
  
 

Die Kommission hat im Jahr 2005 über ihren Umwelt-Helpdesk ein Verzeichnis der Umweltverträglichkeitsprüfungen eingerichtet. Bislang wurden mehr als einhundert dieser Prüfungen registriert, wobei die meisten die Bereiche Verkehr, Landwirtschaft bzw. Entwicklung des ländlichen Raums, Umwelt, natürliche Ressourcen und Wasser betreffen. Diese noch unvollständige Liste soll im Laufe des Jahres 2007 veröffentlicht werden.

 

Anfrage Nr. 37 von Glenys Kinnock (H-0917/06)
 Betrifft: Konsultationsverfahren bei der Ausarbeitung der Länderstrategiepapiere
 

Ist die Kommission der Auffassung, dass die Konsultation der Zivilgesellschaft und die Beteiligung das Zugehörigkeitsgefühl fördern und die technische Qualität der Analyse, die als Grundlage für die Länderstrategiepapiere dient, verbessern kann? Fall die Kommission zustimmt, könnte sie dann mitteilen, was sie unternimmt, um Informationen über die bewährtesten Verfahren bei der Einbeziehung der Zivilgesellschaft an der Ausarbeitung der Länderstrategiepapiere zu sammeln? Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die obligatorische Anhörung der nationalen Parlamente der AKP-Länder eingeführt werden sollte?

 
  
 

Die Zivilgesellschaft spielt bei der Ausarbeitung der Länderstrategiepapiere wegen ihrer Doppelfunktion als wesentlicher Akteur bei der Bereitstellung der Hilfe und als strategischer Partner, der den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Dialog voranbringen kann, eine große Rolle. Die Kommission ist sich dessen bewusst und hat eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen, indem sie die konstruktive und kontinuierliche Interaktion zwischen den nationalen Behörden und einem breiten Spektrum von Organisationen der Zivilgesellschaft als einem grundlegenden Element für die Entwicklung eines Landes erleichtert, sodass sich alle Bevölkerungsschichten die Entwicklungsstrategien zu Eigen machen können.

Im Rahmen des 9. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) war die Zivilgesellschaft der Staaten des afrikanischen, karibischen und pazifischen Raums (AKP-Staaten) zum ersten Mal an der Programmplanung beteiligt. In zwei Berichten hat die Kommission die Fortschritte bei der Förderung der partizipatorischen Ansätze bewertet: Schwerpunkt des ersten Berichts war die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Ausarbeitung der Länderstrategiepapiere für die AKP-Staaten (2003) während der zweite Bericht im Verlauf der Halbzeitüberprüfung der Länderstrategiepapiere ausgearbeitet wurde. Für diesen zweiten Bericht wurden verschiedene Instrumente eingesetzt, um Informationen über bewährte Verfahren zu erhalten. Insbesondere wurde den Regionalreferenten ein ausführlicher, länderspezifischer Fragebogen übermittelt, in dem es vorrangig um die folgenden Aspekte ging: die nationalen Rahmenbedingungen, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Debatten über die zu verfolgende Politik und deren Umsetzung, die Verwendung der für die Verstärkung der Kapazitäten der nichtstaatlichen Akteure eingesetzten Mittel, der Grad, die Qualität und die allgemeinen Tendenzen der Einbeziehung der nichtstaatlichen Akteure. Neben den internen Informationsquellen der Kommission (gemeinsame Jahresberichte, Analyse der Schlussfolgerungen der Halbzeitüberprüfungen, Finanzierungsvorschläge und -vereinbarungen) wurden weitere Unterlagen einbezogen, darunter die Bewertungen seitens der Wirtschafts- und Sozialpartner, Fragebögen und Evaluierungen des Begleitausschusses AKP/EU des Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) sowie sonstige von den Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführte aussagekräftige Dokumentations- und Feldstudien.

Unser Anliegen, die Prinzipien der Beteiligung und der Eigenverantwortlichkeit zu fördern, gehört auch zu den wesentlichen Grundsätzen der derzeit laufenden Programmplanung für den 10. EEF. In den Leitlinien für die Programmplanung heißt es dazu:

„Die Konsultation der örtlichen Behörden und der nichtstaatlichen Akteure ist ein Grundmerkmal dieses Prozesses. Sie müssen in die einzelnen Etappen des Programmplanungsprozesses einbezogen werden und ihnen muss insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, zu den LSP/RSP(1) beizutragen und sie zu kommentieren“.

Um die volle Einbeziehung aller am Programmplanungsprozess beteiligten Partner zu gewährleisten, wurden ihnen die Leitlinien übermittelt und ins Internet eingestellt. In den Leitlinien heißt es darüber hinaus, dass die nichtstaatlichen Akteure „für eine finanzielle Unterstützung im Rahmen des Abkommens (von Cotonou) in Frage kommen“ und dass die Strategiepapiere „Angaben über die Verwendung der Mittel des EEF zur Förderung der Herausbildung nichtstaatlicher Akteure und der Entwicklung ihrer Kapazitäten enthalten müssen“.

Als Garanten der demokratischen Legitimität müssen die nationalen Parlamente eine wichtige Rolle bei der Förderung einer effizienten öffentlichen Verwaltung im Kontext der AKP-EU-Partnerschaft spielen, und zwar insbesondere über die Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU. Durch den regelmäßigen Dialog mit den Partnerbehörden und -regionen fördert die Kommission auf verschiedenen Ebenen die größtmögliche Einbeziehung der Institutionen und insbesondere der Parlamente. Dieses positive Herangehen spiegelt sich in einer Reihe von Strategiepapieren wider, darunter das überarbeitete Abkommen von Cotonou und der „Europäische Entwicklungskonsens“, in denen die wichtige Überwachungsfunktion der demokratisch gewählten Bürgervertreter, insbesondere der nationalen Versammlungen, Parlamente und lokalen Behörden, anerkannt wird. Jedem AKP-Staat steht es jedoch frei, die beste Form der Einbeziehung und Unterrichtung seines nationalen Parlaments zu festzulegen, und es ist nicht Sache der Kommission, spezifische Maßnahmen zur Annahme praktischer Regelungen in diesem Bereich zu ergreifen.

 
 

(1)  Länderstrategiepapier / Regionales Strategiepapier.

 

Anfrage Nr. 38 von Linda McAvan (H-0932/06)
 Betrifft: Budgethilfe für Entwicklungsländer
 

Budgethilfe kann für die Europäische Union ein kostenwirksames und effizientes Mittel zur Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Armutsbekämpfung sein, wobei die Effektivität der EU-Unterstützung durch Budgethilfe in abgelegenen Regionen, in denen Regierungsstellen nur begrenzt vorhanden sind oder ganz fehlen, allerdings beeinträchtigt werden kann. Wird die Kommission es in Erwägung ziehen, Budgethilfe in Entwicklungsländern auf dezentrale Fonds auszuweiten, z.B. Haushalte von Gemeinden oder Wahlkreis-Entwicklungsfonds von Parlamentsabgeordneten, da sich so abgelegene Gebiete effizienter erreichen ließen und eine direktere Verantwortung gegenüber den bedürftigsten Bevölkerungsgruppen gegeben wäre?

 
  
 

Die Kommission nimmt die Gefahr, dass ihre Haushaltsbeihilfe nicht zur Verbesserung der Quantität und Qualität der für die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen erbrachten Dienstleistungen führen könnte, sehr ernst.

Zur Verringerung dieser Gefahr hat die Kommission ein innovatives und ergebnisorientiertes Konzept entwickelt, bei dem die eingesetzten Mittel und die erzielten Ergebnisse anhand einer Reihe von Indikatoren ins Verhältnis gesetzt werden, die mit den betreffenden Ländern vereinbart wurden und anhand derer sich feststellen lässt, ob tatsächliche Verbesserungen bei den öffentlichen Sozialdienstleistungen (z. B. Impfungen oder Schulunterricht für Mädchen) zu verzeichnen sind.

Um die Wirkung auf die bedürftigsten Bevölkerungsschichten zu vergrößern, werden die Zielsetzungen in einigen Programmen nicht nach Maßgabe des nationalen Durchschnitts sondern anhand der benachteiligsten Regionen festgelegt, in denen der Zugang zu den grundlegenden Dienstleistungen noch problematischer ist. Das trifft z. B. auf Mali zu, das Haushaltshilfe für die Dezentralisierung im Rahmen des Programms zur Unterstützung der Verwaltungsreform und der Dezentralisierung (PARAD) erhält.

In diesem Zusammenhang zieht es die Kommission vor, die Mittel den nationalen Haushaltsverwaltungen und nicht den lokalen Behörden zuzuweisen, und zwar aus folgenden Gründen:

Da ein solcher Transfer eine Änderung der Mittelverteilung im Vergleich zum ursprünglichen Staatshaushalt nach sich ziehen würde, würde die Kommission somit die Kontrolle ihres Partners über die Haushaltspolitik verringern, während gleichzeitig das System der Verwaltung der öffentlichen Finanzen beeinflusst und dadurch die zur Stärkung des Staates und zur Entwicklung kohärenter Regionalplanungspolitiken notwendigen Instrumente geschwächt würden, an denen es oftmals aus Mangel an Ressourcen fehlt.

Des Weiteren könnte, realistisch betrachtet, die direkte Gewährung der Haushaltsbeihilfen an die lokalen Behörden die zentralen Behörden zu einer Änderung der Mittelverteilung an die lokalen Behörden veranlassen, indem die von der EG bereitgestellten Mittel in Abzug gebracht werden.

Darüber hinaus werden für Zuweisungen aus dem nationalen Haushalt an die lokalen Behörden wie für andere Haushaltsausgaben Haushaltshilfen gewährt. Dies gilt beispielsweise für die Haushaltshilfen für Honduras zur Unterstützung der Dezentralisierung und für Jordanien zur Förderung der lokalen Entwicklung.

Schließlich bezieht die Kommission die lokale Dimension auf vielfältige Weise in ihre Programme zur Haushaltsunterstützung ein:

Durch die Einbeziehung der Überwachung des Transfers von Haushaltsmitteln an die lokalen Behörden in den im Rahmen der jährlichen Überprüfungen mit den Regierungen geführten Dialog, bzw. in einigen Fällen durch die Festlegung von Voraussetzung für die Gewährung der Haushaltsbeihilfen.

Durch die Bereitstellung sektorieller Haushaltsbeihilfen insbesondere in den Bereichen Bildung und Gesundheit unter Berücksichtigung des Dezentralisierungsprozesses, wie dies beispielsweise bei Nikaragua oder den Philippinen der Fall ist.

Durch die Kopplung von Haushaltsbeihilfen an die Stärkung der Kapazitäten der für die Verwaltung der öffentlichen Finanzen zuständigen zentralen, dezentralen und lokalen Dienststellen.

 

Anfrage Nr. 39 von Fiona Hall (H-0937/06)
 Betrifft: EU-Hilfe für abgelegene Gebiete
 

Ein Großteil der ärmsten Bevölkerung der Welt lebt in Gebieten, die abgelegen, trocken oder in anderer Weise „benachteiligt“ sind. Staatliche Schulen, Gesundheitsdienste, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, landwirtschaftliche/veterinärmedizinische Beratungsdienste sowie Kommunikationseinrichtungen gelangen unter Umständen nicht in solche Gebiete. Welche Methoden nimmt die Kommission angesichts dieses Umstands neben Budgethilfe an um sicherzustellen, dass die EU-Hilfe diejenigen erreicht, die am bedürftigsten sind?

 
  
 

Die Antwort auf diese Anfrage lässt sich in zwei Teile untergliedern:

1. Wie ist die Abgelegenheit bei der Verteilung der Mittel zwischen den Ländern zu berücksichtigen?

2. Wie lässt sich gewährleisten, dass die Bedürftigsten bei der Programmplanung innerhalb jedes Landes berücksichtigt werden?

Die Antwort auf beide Teilfragen findet sich im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik der Union.

1. Kriterien für die Mittelzuweisung:

Dem Europäischen Konsens zufolge sind die Mittel für die Entwicklungshilfe in objektiver und transparenter Weise ausgehend vom Bedarf und der Leistungsfähigkeit der Empfängerländer zuzuweisen. Der Begriff Armut wird anhand von Bedarfskriterien wie Zugänglichkeit zur Grundbildung und zum Wasser, Kindersterblichkeit und Grad der Mangelernährung definiert.

Zu diesen allgemeinen Indikatoren kommen Indikatoren für den sozialen Zusammenhalt hinzu. Bei den Ländern im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (AKP) werden gemäß dem AKP-EG-Partnerschaftsabkommen bei der Zuweisung der Mittel die Faktoren fehlender Zugang zum Meer und Inselcharakter ausdrücklich berücksichtigt. Hinzu kommen weitere Abgelegenheitsmerkmale, wie die relativen Transportkosten verglichen mit den wichtigsten Außenmärkten und das Größenverhältnis zwischen Territorium und nichtstädtischer Bevölkerung, um die zusätzlichen Kosten berücksichtigen zu können, die durch die Gewährleistung der sozialen Grundversorgung für die von den städtischen Zentren am weitesten entfernt lebenden Bevölkerungsgruppen entstehen.

2. Programmplanung

In dem Europäischen Konsens wird darauf verwiesen, dass neben der Zuweisung von Mitteln an die Länder das oberste Ziel der EU-Entwicklungszusammenarbeit die Verringerung der Armut und die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele ist. In den Strategiepapieren werden die Armutsprobleme und die von unseren Partnerländern vorgeschlagene Herangehensweise genau analysiert, um Strategien vorschlagen zu können, die wirksam zur Armutsbekämpfung beitragen. Zur Verfolgung der Fortschritte in diesem Bereich sollen Leistungsindikatoren für die Zusammenarbeit festgelegt werden.

Im Interesse spürbarer und anhaltender Ergebnisse wird in dem Europäischen Konsens auf die Notwendigkeit einer strukturierteren Zusammenarbeit durch einen stärker sektoriellen und weniger projektbezogenen Ansatz hingewiesen, um so zu gewährleisten, dass sich unsere Maßnahmen in eine globale Entwicklungsstrategie einfügen.

Die Vertreter der nichtstaatlichen Akteure sind in die Programmplanung einbezogen, und durch die Koordination zwischen den beteiligten Kreisen einschließlich der anderen Geber soll gewährleistet werden, dass keine bedürftige Gruppe bei der Programmplanung vergessen wird.

Bei den Festlegungen im Bereich der Konfliktprävention und der Regionalplanung einschließlich der Unterstützung der Dezentralisierungsprozesse und der lokalen Entwicklung, die zu unseren Kooperationsschwerpunkten gehören, ist darüber hinaus sicherzustellen, dass die Probleme von Minderheiten und der bedürftigsten Bevölkerungskreise bei der Durchführung der Zusammenarbeit umfassend berücksichtigt werden.

Das Menschenrechtsinstrument (Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte - EIDHR) und das thematische Programm „Nichtstaatliche Akteure und lokale Behörden im Entwicklungsprozess“ werden es der Kommission ermöglichen, spezifische Probleme auch außerhalb der Zusammenarbeit mit den Regierungen anzugehen.

 

Anfrage Nr. 40 von Pedro Guerreiro (H-0950/06)
 Betrifft: Humanitäre Hilfe für die Sahara-Flüchtlinge
 

Die Kommission wird in Anbetracht der Warnungen vor der Verschlechterung der humanitären Situation in den Lagern für saharische Flüchtlinge als Folge der drastischen Reduzierung der Unterstützung und humanitären Hilfe für die Menschen, die dort Zuflucht gesucht haben, gefragt, welche dringlichen und außerordentlichen Maßnahmen sie zu ergreifen gedenkt, um den Menschen in den Flüchtlingslagern würdigere Lebensbedingungen zu gewährleisten.

 
  
 

Die Kommission ist einer der Hauptgeber an humanitärer Hilfe für die saharauischen Flüchtlinge, die in den Zeltlagern im Südwesten Algeriens leben. Seit 1993 wurden 117 Mio. € zur Deckung des Bedarfs der Flüchtlinge eingesetzt.

Im Haushaltsjahr 2006 wurden Hilfen in Höhe von insgesamt 10,9 Mio. € gewährt, was einen Zuwachs gegenüber den im Haushaltsjahr 2005 aufgewendeten 9 311 000 € darstellt. Es wurden zwei Finanzierungsbeschlüsse gefasst, und zwar der erste im Februar 2006, um der Notlage infolge der Überschwemmungen zu begegnen, von denen die Lager heimgesucht worden waren (900.000 €), und der zweite im Juli 2006 zur Deckung des ab September 2006 anstehenden humanitären Bedarfs (10 Mio. €).

Die Hilfe der Kommission zielt in erster Linie darauf ab, den Nahrungsmittelbedarf der Flüchtlinge zu decken, und zwar zum einen durch eine Finanzierung aus dem Welternährungsprogramm (WEP) für Grundnahrungsmittel und zum anderen durch die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) für die Bereitstellung von Frischprodukten. Durch diesen zweigleisigen Ansatz wird zur Deckung des Bedarfs der Flüchtlinge an Grundnahrungsmitteln beigetragen und über die Bereitstellung von Vitaminen und Mikronährstoffen gleichzeitig für ihre abwechslungsreiche Ernährung gesorgt. Damit wird auch den Empfehlungen der Ernährungsstudie des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge / WEP aus dem Jahr 2005 nachgekommen, in der auf die Verschlechterung der Ernährungssituation der Flüchtlinge hingewiesen worden war.

In zweiter Linie zielt die Hilfe der Kommission sektorübergreifend auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Flüchtlinge ab. Im Rahmen des Finanzierungsbeschlusses von 2006, der das letzte Drittel des Jahres 2006 und einen großen Teil des Jahres 2007 abdeckt, ist neben der Nahrungsmittelhilfe, für die mehr als die Hälfte der Finanzmittel eingesetzt werden, die Unterstützung von NRO-Projekten und UN-Organisationen in verschiedenen Bereichen geplant, so z. B.: Verteilung von Hygieneartikeln (an Frauen), Verteilung von Zelten, die Unterstützung des Gesundheitssystems, Abfallentsorgung, Wasserversorgung, Maßnahmen für Kinder im Schulalter und Behinderte sowie Impfungen.

Neben der Bereitstellung von humanitärer Hilfe beabsichtigt die Kommission durch ihre dauerhafte Präsenz in Alger und ihre regelmäßigen Besuche in den Lagern die Überwachung der von ihr finanzierten Projekte, laufende Bedarfsermittlungen und die Koordinierung der Hilfeleistungen der verschiedenen Geberorganisationen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist sich die Kommission der kritischen Lage der „Nahrungsmittel-Pipeline“ des Welternährungsprogramms und der daraus resultierenden Dringlichkeitsappelle einer Reihe von Organisationen bewusst. Allerdings hat die Kommission mittlerweile von verschiedenen Beiträgen von Geldgebern zum WEP Kenntnis erhalten, wodurch die Deckung des Bedarfs an Grundnahrungsmitteln bis Ende 2006 gesichert ist. Im November 2006 könnte es zu gewissen logistischen Schwierigkeiten beim Transport der zu verteilenden Lebensmitteln kommen. Die Kommission hält es nicht für erforderlich, spezielle Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen, jedoch muss die humanitäre Hilfe, wie im Finanzierungsbeschluss von 2006 vorgesehen, weiterhin so bereitgestellt werden, dass erneute Unterbrechungen der Versorgung verhindert werden.

 

Anfrage Nr. 45 von Eoin Ryan (H-0907/06)
 Betrifft: Mögliche Übernahme von Aer Lingus durch Ryanair
 

Am 24. April 2006 hielt das für den Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Neelie Kroes an der Universität Leiden eine Rede mit dem Titel „Wettbewerb im Luftverkehr: Der Ansatz der Europäischen Kommission“.

In einem Teil der Rede erläuterte sie, dass die Kommission bei Themen wie Übernahmen von Fluggesellschaften in Europa vor der Beschlussfassung insbesondere Folgendes prüfe: „Positive Ausgangsbedingungen bedeuten nicht, dass wir die Auswirkungen, die Fusionen und Allianzen zwischen Fluggesellschaften auf einzelne Märkte haben, insbesondere auf die Strecken, die die Drehkreuzflughäfen der beteiligten Parteien miteinander verbinden, außer Acht lassen können.“

Würde dies bedeuten, dass die Kommission im Falle einer Übernahme von Aer Lingus durch Ryanair die Auswirkungen dieser Übernahme auf den irischen Markt sorgfältig prüfen und dabei berücksichtigen würde, dass die beiden Fluggesellschaften über 80% des gesamten Flugverkehrs zwischen der Republik Irland und Großbritannien kontrollieren?

Würde dies auch bedeuten, dass die Kommission die Auswirkungen dieser Fusion auf den Betrieb des Flughafens Dublin sorgfältig prüfen und dabei die beherrschende Stellung berücksichtigen würde, die diese beiden Fluggesellschaften im Falle eines erfolgreichen Übernahmeangebotes auf dem Flughafen Dublin hätten?

 
  
 

Laut EG-Fusionskontrollverordnung(1) besitzt die Kommission die ausschließliche Zuständigkeit, um aus Wettbewerbsgründen Zusammenschlüsse von „gemeinschaftsweiter Bedeutung“ zu prüfen. Maßgebend für die „gemeinschaftsweite Bedeutung“ ist entsprechend Artikel 1 Absatz 2 und 3 der Fusionskontrollverordnung der Umsatz der betreffenden Unternehmen. Wenn ein Zusammenschluss die Kriterien für die entsprechende Umsatzschwelle erfüllt, muss er vor seinem Vollzug bei der Kommission angemeldet werden.

Die geplante Übernahme von Aer Lingus durch Ryanair wurde am 30. Oktober 2006 offiziell bei der Kommission angemeldet, jedoch unbeschadet der notwendigen Prüfung, ob die Transaktion in die Zuständigkeit der Kommission fällt, die nur auf der Grundlage genauer Umsatzzahlen für beide Beteiligten vorgenommen werden kann.

Fällt die geplante Transaktion in die Zuständigkeit der Kommission, würde eine umfangreiche Marktuntersuchung eingeleitet, um eine genaue Prüfung der Folgen des Zusammenschlusses für den Wettbewerb vorzunehmen, insbesondere in Bezug auf einige Strecken, die Irland mit anderen Ländern Europas, darunter auch mit dem Vereinigten Königreich, verbinden. Bei der Untersuchung würde auch die Stellung des geplanten zusammengeschlossenen Unternehmens in Irland, vor allem auf dem Flughafen Dublin, geprüft. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Kommission aber weder im Voraus beurteilen, zu welchen Ergebnissen eine Marktuntersuchung kommen würde, noch ob die geplante Transaktion auf einem der betreffenden Luftverkehrsmärkte zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken führen könnte.

 
 

(1)  Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. L 24 vom 29.01.2004.

 

Anfrage Nr. 46 von Katerina Batzeli (H-0923/06)
 Betrifft: Kontrolle des Anstiegs der Verbraucherpreise durch die Kommission
 

Aus den Eurostat-Statistiken der letzten beiden Jahre geht hervor, dass die Preise auf dem griechischen Markt konstant gestiegen sind und ein Rekordanstieg der Kosten für Verbrauchsgüter zu verzeichnen ist, während die Kluft zwischen Produktionskosten und Verbraucherpreisen immer weiter zunimmt.

Vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Zusammenarbeit und die Beziehungen zwischen den beiden Säulen, die das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs sicherstellen sollen, nämlich den unabhängigen griechischen Regulierungsbehörden und der griechischen Wettbewerbsbehörde, heute auf dem griechischen Markt wirksam funktionieren und Schutz vor unfairen Praktiken, die sich negativ auf den Wettbewerb auswirken, bieten?

Verfügt die Kommission über Eingriffsmöglichkeiten bzw. Mechanismen, um den unkontrollierten oder künstlichen Anstieg der Verbraucherpreise in den Mitgliedstaaten zu kontrollieren?

 
  
 

Die am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate der Verbraucherpreise in Griechenland gehört schon seit einigen Jahren mit zu den höchsten im Euro-Währungsgebiet. Es lässt sich jedoch keine strukturelle Lücke zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen feststellen, da der Unterschied zwischen dem Erzeugerpreisindex und dem HVPI für Griechenland in den letzten zwei Jahren (d. h. beim Vergleich von August 2006 mit September 2004) im Durchschnitt nur zwei Indexpunkte ausmachte. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verbraucherpreise für Energie in Griechenland um rund 30 %, während der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie bei 3 % lag.

Es sei generell deutlich darauf hingewiesen, dass Preiserhöhungen von verschiedenen Faktoren abhängen können und nicht immer das Ergebnis wettbewerbswidriger Verhaltensweisen sind.

Sofern eine Erhöhung der Verbraucherpreise für ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates die Folge wettbewerbswidriger Verhaltensweisen ist, die gegen die Wettbewerbsregeln der EG verstoßen, können diese durch die einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde, durch private Kläger vor einzelstaatlichen Gerichten oder durch die Kommission verfolgt werden. Sehr oft ist die einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde die geeignete Stelle für die Behandlung dieser Fälle. Die Einheitlichkeit der Durchsetzung der EG-Wettbewerbsregeln wird im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes gewährleistet. Sollte die ernste Gefahr bestehen, dass das Wettbewerbsrecht der EG in unvorschriftsmäßiger bzw. unzulänglicher Weise angewendet wird, so ist die Kommission befugt, die betreffende einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde von ihrer Zuständigkeit für die Behandlung des Falles zu entbinden. Dies ist bisher in der Praxis noch nie geschehen.

Der Kommission liegen keine Hinweise vor, die zu der Vermutung Anlass geben würden, dass die griechische Wettbewerbsbehörde und die unabhängigen griechischen Regulierungskommissionen bei der Ausübung ihrer Aufgaben nicht in der erforderlichen Weise zusammenarbeiten. Im Zuge der jüngsten Entwicklungen im griechischen Wettbewerbsrecht wurde die griechische Wettbewerbsbehörde mit stärkeren Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet, die sie in die Lage versetzen dürften, die Ahndung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht weiter zu verbessern.

 

Anfrage Nr. 47 von Dimitrios Papadimoulis (H-0938/06)
 Betrifft: Festsetzung der Preise für Erdgas auf dem griechischen Markt
 

Bei ihrem kürzlichen Besuch in Griechenland erklärte Frau Neelie Kroes, für Wettbewerbsfragen zuständiges Mitglied der Kommission, das System durch das die Preise für Erdöl und Erdgas aneinander gekoppelt sind, sei wenig transparent.

Die griechische Wettbewerbskommission veranstaltet öffentliche Anhörungen mit dem Ziel, die Bedingungen für einen wirksamen Wettbewerb im Bereich des Ankaufs von und Handels mit Rohölprodukten zu ermitteln, da auf den betreffenden Märkten erhebliche Wettbewerbsverzerrungen festzustellen sind, die dazu geführt haben, dass die Kraftstoffpreise in Griechenland zu den höchsten in der Europäischen Union zählen.

Wie hängen die Preisfestsetzung im Erdgas- und Erdölsektor zusammen? Wie beurteilt die Kommission die Lage auf dem griechischen Markt für Erdgas? Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um die Funktionsfähigkeit dieses Marktes sicherzustellen?

 
  
 

Im vorläufigen Bericht der Sektoruntersuchung der Kommission zum Wettbewerb auf den Gasmärkten wurde bestätigt, dass die Preise für Erdgas in den meisten langfristigen Verträgen an den Preis für Erdöl bzw. für Ölderivate gekoppelt sind. Zudem wurde festgestellt, dass die Gaspreise, obgleich in geringerem Umfang, mit den Preisen für Gas, das in Gashandelszentren (Gashubs) gehandelt wird, mit Kohlepreisen, mit Strompreisen und mit allgemeinen Inflationsindizes indexiert werden.

Die Koppelung von Öl- und Erdgaspreisen beruht auf der Annahme, dass sich Erdöl durch Erdgas ersetzen lässt. „Gas-to-gas competition“, also ein gasinterner Wettbewerb, bei dem sich die Preise nur durch Angebot und Nachfrage nach Gas regeln, würde dem Markt effizientere Preismechanismen bieten. Daher ergreift die Kommission Maßnahmen zur Förderung des gasinternen Wettbewerbs im Rahmen eines wettbewerbsfähigen Gasbinnenmarktes.

Erdgas wurde im November 1996 erstmals auf dem griechischen Energiemarkt eingeführt. Für das gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Gasrichtlinie als „entstehender Markt“ eingestufte Griechenland gelten für diese Richtlinie bestimmte Ausnahmen. Folglich werden die meisten Bestimmungen der Gasrichtlinie in Griechenland erst ab dem 15. November 2006 in Kraft treten.

Im Dezember 2005 verabschiedete Griechenland das Gesetz Nr. 3428 zur vollständigen Umsetzung der Gasrichtlinie. Derzeit erarbeiten die griechischen Behörden Sekundärmaßnahmen zur Förderung der Entwicklung eines gut funktionierenden und gesättigten Erdgasmarktes, und die Kommission verfolgt diese Entwicklungen sehr genau.

 

Anfrage Nr. 48 von Glenis Willmott (H-0876/06)
 Betrifft: Neuer Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs
 

Die Ankündigung der Kommission vom September, einen neuen Impfstoff zulassen zu wollen, der Tausende von Frauen vor Gebärmutterhalskrebs schützen kann, sowie die Nachricht, dass es bald auch weitere Impfstoffe dieser Art geben wird, ist begrüßenswert. Im VK rettet das Gebärmutterhalskrebs-Screening-Programm jedes Jahr rund 4 500 Leben, doch könnte durch eine Immunisierung eine dramatische Veränderung dieser Zahl erreicht werden. Würden alle 12-jährigen Mädchen geimpft, ließe sich die durch Gebärmutterhalskrebs bedingte Sterberate um mehr als 75% senken.

Kann die Kommission dem Parlament angesichts dieses Sachverhalts über ihre Strategie informieren, mit der sichergestellt wird, dass dieser Impfstoff so flächendeckend wie möglich in allen 25 und bald 27 Mitgliedstaaten verabreicht wird? Kann sie weiterhin ein umfassendes Aufklärungs- und Informationsprogramm zusichern, um allen Eltern die Vorteile einer Impfung bewusst zu machen, mit der sie ihre Töchter davor bewahren können, ebenfalls Opfer dieser schrecklichen Krankheit zu werden?

 
  
 

Die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines neuartigen Impfstoffes gegen Gebärmutterhalskrebs durch die Kommission im September 2006 ist ein wichtiger Schritt bei der Krebsvorsorge.

Auf der gegenwärtigen Gebärmutterhalskrebslast beruhende Schätzungen besagen, dass sich etwa 32 000 Krebsfälle bei Frauen durch diesen Impfstoff vorbeugen ließen.

In Anbetracht der Tatsache, dass gegenwärtig bei mehreren hunderttausend Frauen in der EU-25 jedes Jahr Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Frühstadium diagnostiziert werden, die stationär behandelt werden müssen, könnte der positive Effekt eines Impfstoffs, mit dem man 80 % dieser Erkrankungen vorbeugen kann, gewaltig sein.

In diesem Zusammenhang geht die Kommission an mehreren Fronten vor, um zur Ermittlung bewährter Verfahren beizutragen, durch Forschung und Entwicklung im Rahmen des künftigen 7. Forschungsrahmenprogramms Nachweislücken zu schließen und den Europäischen Kodex zur Krebsbekämpfung, der seit dem Jahr 2003 die Empfehlung zur Leberkrebsprimärprävention durch Impfungen gegen das Hepatitis-B-Virus enthält, zu aktualisieren und zu fördern.

Das schließt ferner die Veröffentlichung und Förderung der EU-Leitlinien für die Qualitätssicherung der Früherkennung und Diagnose von Gebärmutterhalskrebs ein. Die Leitlinien sollen im ersten Halbjahr 2007 erscheinen. Darin wird in speziellen Kapiteln die Untersuchung und Beimpfung des humanen Papilloma-Virus (HPV) erörtert.

Außerdem ist ein neuer Vorschlag zur Aktualisierung der EU-Leitlinien für die Qualitätssicherung der Früherkennung und Diagnose von Brust- und Gebärmutterhalskrebs zur Finanzierung im Rahmen des Gesundheitsprogramms 2003 bis 2008 ausgewählt worden. Dieser wird sich vorrangig mit der HPV-Impfung befassen.

Das Europäische Krebsnetzwerk wird gebeten, seinen Umsetzungs- und Wirkungsbericht um eine ausführliche Analyse der erwarteten Auswirkungen der HPV-Impfung auf die Gebärmutterhalskrebsprävention und auf die beste Vorsorgeuntersuchungspraxis zu erweitern.

Der Erfassung des Informations- und Beratungsbedarfs in den neuen Mitgliedstaaten, den Beitritts- und Kandidatenländern sowie der Einbindung ihrer entsprechenden Fachleute wird Vorrang gewährt.

Damit soll für mehr Kenntnisse und eine höhere Motivation gesorgt werden, so dass die Empfehlung des Rates zu Krebsvorsorgeuntersuchungen und den diesbezüglichen EU-Leitlinien in allen Mitgliedstaaten effizient umgesetzt werden kann.

Außerdem erwägt die Kommission, eine Gruppe von Fachleuten aus den beiden Netzen, von der Weltgesundheitsorganisation/Internationales Krebsforschungszentrum, aus Mitgliedstaaten und vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten einzuladen, um den Status quo und mögliche künftige Vorgehensweisen zu beurteilen.

Die Prophylaxe von Gesundheitsrisiken zur Erhaltung einer gesunden und wettbewerbsfähigen Erwerbsbevölkerung ist Bestandteil der kürzlich verabschiedeten strategischen Leitlinien für die Kohäsionspolitik 2007-2013, insbesondere in den Konvergenzregionen. Das Ziel besteht darin, für so viele Menschen wie möglich die Zahl der gesunden Jahre im Berufsleben zu erhöhen und damit ihre aktive Teilnahme an der Gesellschaft zu sichern. Dafür muss u. a. auch gewährleistet werden, dass den Gesundheitsdiensten die erforderlichen Qualifikationen, Erzeugnisse und Ausrüstungen zur Verfügung stehen, um Risiken vorzubeugen und deren potenziellen Schaden zu minimieren. Entsprechende Maßnahmen werden sich sowohl auf die Infrastruktur des Gesundheitswesens als auch auf die Ausbildung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens erstrecken. Außerdem werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung und zum Wissenstransfer unterstützt.

Gegen Gebärmutterhalskrebs muss etwas unternommen werden, und Beispiele für bewährte Verfahren zeigen, dass sich dabei bedeutende Ergebnisse erzielen lassen.

Gebraucht wird ein kohärenter und auf Zusammenarbeit basierender Ansatz, der vor allem den neuen Aspekt der Impfung gegen diese Krebsart mit einschließt.

Das Heft des Handelns liegt grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten, aber die EU kann und wird Unterstützung leisten, wie z. B. im Fall der Forschungs- und Kohäsionspolitik, wo dies möglich ist.

Jahr für Jahr sind etwa eine halbe Million Frauen auf dieses Handeln angewiesen.

 

Anfrage Nr. 49 von Sajjad Karim (H-0878/06)
 Betrifft: Wiederaufbaukosten in Libanon
 

Am 16. August erklärte der Leiter des libanesischen Rats für Entwicklung und Wiederaufbau, Fadl Shalak, dass sich die Schäden, die zwischen dem 12. Juli und dem 14. August durch die israelischen Luft- und Seebombardements an Gebäuden und an der Infrastruktur entstanden sind, auf 3,5 Milliarden $ belaufen. Auf der Stockholmer Konferenz für den raschen Wiederaufbau Libanons, die am 31. August stattfand, wurde die Bereitstellung von nahezu 940 Millionen $ durch die Geber zugesagt, wobei die EU einen Betrag von 50 Millionen $ zusätzlich zu ihren bereits vor dem Krieg eingegangenen Verpflichtungen zusagte. Ist die Kommission der Ansicht, dass dies dem Umfang der während des Konflikts entstandenen Schäden auch gerecht wird? Welcher Anteil der Schäden betrifft die ursprünglich von der EU finanzierten Gebäude und Infrastrukturen? Welcher Teil der Wiederaufbaukosten wird von der EU übernommen werden? Welcher Teil der Wiederaufbaukosten wird von Israel übernommen werden? Welche Mechanismen sollen für die Aufbringung dieser Beträge geschaffen werden? Hat die Kommission in Erwägung gezogen, eine Einfuhrabgabe auf Güter aus Israel zur Schaffung eines Fonds einzuführen, der für den Wiederaufbau eingesetzt werden könnte?

 
  
 

Im September 2006 reisten Vertreter der Kommission zusammen mit Experten aus den Mitgliedstaaten in den Libanon, um sich ein Urteil über das Ausmaß der Schäden zu bilden. Im Rahmen dieser Mission wurden auf 450 standardisierten Arbeitsblättern und Erhebungsbogen umfangreiche Daten zu mehr als 100 Standorten erfasst. An diesen Standorten fanden Vor-Ort-Besichtigungen statt. Die Beurteilung erstreckte sich auf Schäden an öffentlichen Wirtschaftsgütern und Infrastruktureinrichtungen sowie in den Bereichen Verkehr (Straßen und Brücken), Wasserwirtschaft, Energie, Gesundheits- und Bildungswesen. Die Vor-Ort-Besichtigungen im Rahmen der Mission konzentrierten sich auf die Gegenden mit den größten Schäden: Tyros, Bint Dschbeil, Mardschajun, Nabatija und Baabda; vor allem im Südlibanon sowie in der Bekaa-Ebene.

Bei den im Rahmen der Mission gezielt untersuchten Sektoren wurden die direkten Kosten für Schäden an der öffentlichen Infrastruktur auf 83 Millionen Euro geschätzt. Diese vom EU-Team vorgenommene Schätzung beläuft sich auf etwa ein Drittel der bereits von anderen Quellen (darunter Regierungsquellen) vorgelegten Schätzungen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. In die Bewertung gingen insbesondere nur die Hauptsektoren der öffentlichen Infrastruktur ein. Zudem lag der Schwerpunkt auf unmittelbaren Schäden (Wiederaufbau- und Wiederbeschaffungskosten), während bei anderen Schätzungen vielleicht bereits vorher vorhandene Erfordernisse oder Neubauprojekte enthalten waren. Die Preisschätzungen des EU-Teams sind zudem von Marktpreisen in der Nachkriegssituation ausgegangen, während die vorangegangenen Preisschätzungen auf den während des Krieges geltenden höheren Preise beruhten.

Eine Beurteilung von Schäden an privaten Wohnhäusern war kein zentraler Bestandteil der Mission; andere Quellen beziffern jedoch den Schaden an privaten Wohnhäusern auf etwa 800 Millionen bis 1,4 Milliarden Euro; auch diese Größenordnungen sind geringer als bei den ersten Schätzungen.

Derzeit werden Folgemissionen durchgeführt, um festzustellen, wie die Kommission die schon bereitgestellten Finanzmittel umlenken und für künftige Hilfe einsetzen kann. Soweit der Kommission bekannt ist, hat Israel keinerlei Absicht signalisiert, sich derzeit an irgendwelchen Kosten im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau im Libanon zu beteiligen.

Die Kommission hält es für äußerst wichtig, besonders während einer Krise sämtliche Kanäle für diplomatische und politische Kontakte zu allen Europa-Mittelmeer-Partnern offenzuhalten. Daher erwägt die Kommission keine Sanktionen, die hier angesprochen wurden und die sich vermutlich negativ auf den Einfluss der EU in der Region auswirken würden.

 

Anfrage Nr. 50 von Anne E. Jensen (H-0882/06)
 Betrifft: Antidumpingzölle auf Lederschuhe
 

Die Antidumpingzölle auf Lederschuhe aus China und Vietnam, die im April dieses Jahres eingeführt wurden, scheinen den Eurostat-Zahlen zufolge nicht zu einem beträchtlichen Rückgang bei den Einfuhren geführt zu haben, welche jetzt verstärkt aus anderen asiatischen Ländern kommen. Wie sieht die Kommission diese Entwicklung? Bislang hat sie die konkreten Ergebnisse ihrer Antidumping-Untersuchung, von einigen allgemeinen Dokumenten abgesehen, noch nicht vorgelegt. Wird die Kommission über diese Ergebnisse sowie ihre Analysen der Folgen unterrichten, zu denen die Antidumpingzölle geführt haben und für die europäischen Verbraucher und Unternehmen führen werden, etwa für Unternehmen, die in China und Vietnam Fabriken haben? Wie viele europäische Unternehmen dieser Art sind von den Zöllen betroffen?

 
  
 

Am 5. Oktober 2006 nahm der Rat die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen an, um gegen das Dumping chinesischer und vietnamesischer Schuhwaren in der Europäischen Union vorzugehen.

Die vollständigen Untersuchungsergebnisse sowie die Einzelheiten dazu, wie das Ausmaß des Dumpings und der Schaden für die Branche der EU ermittelt und die angemessene Höhe der Zölle in diesem Fall festgelegt wurden, sind in der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 5. Oktober 2006(1) ausführlich dargelegt.

Diese Maßnahmen bieten eine ausgewogene Lösung in einem komplizierten Fall, da freier Handel eben auch fairer Handel bedeutet; eine Lösung, mit der auf eindeutige Beweise für Praktiken unlauteren Wettbewerbs und staatlicher Einmischung reagiert wird, die im Rahmen des EG-Wettbewerbsrechts unzulässig wären und die es chinesischen und vietnamesischen Unternehmen ermöglicht hat, in der Europäischen Union Dumping zu betreiben.

Es wurde eine umfassende Abschätzung der Folgen der Maßnahmen für die Verbraucher auf dem EG-Markt vorgenommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die Zölle kaum auf die Verbraucherpreise auswirken, da eine gewaltige Handelsspanne zwischen den Einfuhrpreisen und den vom Verbraucher zu zahlenden Preisen besteht. So liegt der durchschnittliche Einfuhrpreis der Schuhwaren bei etwa 8,50 Euro. Ein Zoll von 10 % auf diesen Preis ergibt lediglich 0,85 Euro, während von den Verbrauchern Preise von 50 bis 130 Euro zu zahlen sind. Somit gibt es genügend Spielraum, um den Zoll innerhalb der Vertriebskette aufzufangen.

Über die Zahl der europäischen Unternehmen im Schuhsektor, die direkte in Fertigungsstandorte in China und Vietnam investiert haben, liegen keine statistischen Angaben vor. Obwohl im Zusammenhang mit den Entwicklungen im Bereich Schuhwaren deutlich wurde, dass einige europäische Unternehmen in der Tat eigene Produktionsstätten in Ostasien errichtet haben, ist offenbar ein Outsourcing in Form der Vergabe von Unteraufträgen an unabhängige asiatische Hersteller doch geläufiger. Keiner der stichprobenartig untersuchten dreizehn chinesischen Ausfuhrproduzenten bzw. keiner der acht vietnamesischen Betriebe war im Besitz europäischer Unternehmen.

Wie im Erwägungsgrund 325 der Verordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf Schuhe angegeben, werden die Einfuhrtrends nach Einführung der Maßnahmen mithilfe eines Einfuhrüberwachungssystems ermittelt. Ein derartiges System besteht schon seit der Einführung der vorläufigen Antidumpingzölle im April 2006. Diese Daten sind allgemein zugänglich. Darüber hinaus unterliegt auch die Entwicklung der Einzelhandelspreise im Sektor einer ständigen Beobachtung.

Hauptanliegen von Antidumpingmaßnahmen ist nicht das Blockieren von Importen. Diese Maßnahmen stellen keine mengenmäßigen Beschränkungen dar, sondern dienen lediglich dazu, gegen unlautere Preisbildungsstrategien vorzugehen. Da die Maßnahmen im vorliegenden Fall erst seit relativ kurzer Zeit in Kraft sind, vor allem aber wegen ihrer stufenweisen Einführung wäre es verfrüht, bereits jetzt eindeutige Tendenzen für die Auswirkung der Maßnahmen auf die Einfuhrströme ermitteln zu wollen. Die Kommission wird diese Frage weiter im Auge behalten. Es sei jedoch erwähnt, das Vietnam laut Presseberichten verstärkt Schuhe in die USA exportiert. Eine automatische Nachbereitung mit öffentlichen Berichten ist nicht vorgesehen, sofern nicht unerwartete Umstände und künftige Entwicklungen weitere Überlegungen erforderlich machen.

 
 

(1)  ABl. L 275 vom 6. Oktober 2006.

 

Anfrage Nr. 51 von Nils Lundgren (H-0886/06)
 Betrifft: Beibehaltung der Zollabgaben auf Schuhe aus China und Vietnam
 

Die EU-Kommission hat am 3. Oktober 2006 beschlossen, die vielerorts kritisierten Zollabgaben für Lederschuhe aus China und Vietnam um zwei Jahre zu verlängern. Konsequenz dieses Kommissionsbeschlusses ist, dass Tausende von Menschen, die in der Schuhindustrie in China und Vietnam beschäftigt sind, ihren Arbeitsplatz verlieren werden, und dass die Preise für Lederschuhe in der Europäischen Union beträchtlich steigen werden. Wie begründet die Kommission den Beschluss, diese Zollabgaben noch weitere zwei Jahre aufrecht zu erhalten? Hat die Kommission die Konsequenzen ihres Beschlusses für die europäischen Verbraucher, d.h. steigende Schuhpreise, berücksichtigt?

 
  
 

Am 5. Oktober 2006 nahm der Rat die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen an, um gegen das Dumping chinesischer und vietnamesischer Schuhwaren in der Europäischen Union vorzugehen.

Die vollständigen Untersuchungsergebnisse sowie die Einzelheiten dazu, wie das Ausmaß des Dumpings und der Schaden für die Industrie der EU ermittelt und die angemessene Höhe der Zölle in diesem Fall festgelegt wurden, sind in der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 5. Oktober 2006(1) ausführlich dargelegt.

Die geplante Geltungsdauer dieser Maßnahmen ist auf nur zwei Jahre festgesetzt. Die Maßnahmen bieten eine ausgewogene Lösung in einem komplizierten Fall; eine Lösung, mit der auf eindeutige Beweise für Praktiken unlauteren Wettbewerbs und staatlicher Einmischung reagiert wird, die im Rahmen des Wettbewerbsrechts der EG unzulässig wären und die es chinesischen und vietnamesischen Unternehmen ermöglicht hat, in der Europäischen Union Dumping zu betreiben.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die jetzt greifenden Maßnahmen in China und Vietnam zu drastischen Arbeitsplatzverlusten führen könnten. Vielmehr gilt es, die Angelegenheit nüchtern und sachlich zu betrachten. Von den Maßnahmen sind lediglich etwa 18 % des Gesamtvolumens der Einfuhren von Schuhen aller Art in die EG aus China und Vietnam betroffen, d. h. es geht hier nur um bestimmte Lederschuhe, wobei z. B. Hightech-Sportschuhe („STAF-Sportschuhe“) ausgeklammert sind. China und Vietnam werden zweifellos weiterhin reichlich Gelegenheit haben, die Verbraucher in der EG mit ihren Schuhen zu versorgen.

Außerdem ist die Schuhindustrie nicht nur für China und Vietnam wichtig. In diesem Zusammenhang ist es wohl angebracht, daran zu erinnern, dass dieser Sektor mit annähernd 200 000 Beschäftigten, die in der EG Schuhe herstellen – oftmals in Regionen, in denen es kaum Beschäftigungsalternativen gibt –, auch für die europäische Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielt. Die Schuhhersteller der EU genießen weltweit ein hohes Ansehen wegen ihres Designs, ihres Know-how und ihrer Qualitätsproduktion. Praktiken unlauteren Wettbewerbs mit dem Ziel, ihren Wettbewerbsvorsprung zu untergraben, sind nicht hinnehmbar.

Es wurde eine gründliche und umfassende Abschätzung der Folgen der Maßnahmen für die Verbraucher auf dem EG-Markt vorgenommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die Zölle kaum auf die Verbraucherpreise auswirken, da eine beträchtliche Handelsspanne zwischen den Einfuhrpreisen und den vom Verbraucher zu zahlenden Preisen besteht. So liegt der durchschnittliche Einfuhrpreis der Schuhwaren bei etwa 8,50 Euro. Ein Zoll von 10 % auf diesen Preis ergibt lediglich 0,85 Euro, während von den Verbrauchern Preise von 50 bis 130 Euro zu zahlen sind. Somit gibt es genügend Spielraum, um den Zoll innerhalb der Vertriebskette aufzufangen.

 
 

(1)  ABl. L 275 vom 6. Oktober 2006.

 

Anfrage Nr. 52 von Luisa Fernanda Rudi Ubeda (H-0883/06)
 Betrifft: Zentrale Pyrenäenquerung - vorrangiges Vorhaben Nr. 16
 

Der europäische Koordinator für das vorrangige Vorhaben Nr. 16 der transeuropäischen Verkehrsnetze hat erklärt, dass das Tunnelvorhaben im Bergmassiv von Vignemale zurückgestellt werden muss, bis die beiden neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Spanien und Frankreich, die zum vorrangigen Vorhaben Nr. 3 gehören, fertig gestellt sind. Allerdings kann man bei einer aufmerksamen Lektüre dem Bericht des Koordinators für das Vorhaben Nr. 3, Herrn Étienne Davignon, entnehmen, dass der Abschnitt am Atlantik (Irún/Hendaye-Dax) nicht vor 2015 oder 2020 fertig gestellt werden kann. Der Abschnitt am Mittelmeer (Figueras-Perpignan) ist weiter fortgeschritten – die Fertigstellung ist für 2009 oder 2010 vorgesehen –, wenn der Koordinator auch feststellt, dass es weitere Verzögerungen gebe.

Kann die Kommission die angegebenen Daten für die Fertigstellung jedes der beiden grenzüberschreitenden Abschnitte bestätigen? Schließt sich die Kommission den Erklärungen von Herrn Davignon über das Vorhaben der zentralen Pyrenäenquerung an? Welche Daten sind für den Beginn der Arbeiten, die Fertigstellung und die Indienststellung des Vorhabens Nr. 16 vorgesehen?

 
  
 

Die in dem Bericht von Herrn Davignon, dem Europäischen Koordinator für die vorrangige Achse Nr. 3 „Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsachse Südwesteuropa“, genannten Daten wurden von den dafür zuständigen nationalen Behörden bereitgestellt. Die Inbetriebnahme des grenzüberschreitenden Abschnitts Figueras-Perpignan ist für 2009 vorgesehen. Die Fertigstellung der grenzüberschreitenden Verbindung Irún/Hendaye-Dax auf der Atlantikseite der betreffenden Achse erfolgt - obgleich dies noch einer offiziellen Bestätigung bedarf - voraussichtlich im Jahr 2020, was auch den Angaben in Anhang III der Entscheidung über die Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (Entscheidung Nr. 884/2004) entspricht.

Das Datum für den Beginn der Arbeiten an dem vorrangigen Vorhaben Nr. 16 „Neue Eisenbahnverbindung hoher Kapazität durch die Pyrenäen“ kann die Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht konkret benennen. Abgesehen von der Tatsache, dass dies in der Zuständigkeit der betreffenden Mitgliedstaaten liegt, hat die Kommission bei der Verfolgung anderer großer TEN-V-Infrastrukturprojekte die Erfahrung gemacht, dass langjährige umfassende Vorstudien erforderlich sind, ehe die konkrete Planung in Angriff genommen werden kann. Für das betreffende Vorhaben sind diese Studien noch nicht abgeschlossen und aus diesem Grund ist auch in der Entscheidung Nr. 884/2004 noch kein Datum für die Durchführung des Vorhabens genannt.

 

Anfrage Nr. 53 von Pilar Ayuso (H-0888/06)
 Betrifft: Chinesischer Knoblauch
 

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) teilte vor kurzem mit, der Europäischen Union entstehe aufgrund der illegalen Einfuhren aus China jährlich ein Schaden in Höhe von 60 Mio. Euro.

Trotz wiederholter Proteste europäischer Produzenten und trotz der von der Union ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Betrugs sprechen die Zahlen für sich. Der Dreieckshandel mit Knoblauch, den China seit vielen Jahren praktiziert, indem es Waren über Drittstaaten in die Europäische Union liefert und auf diese Weise die präferenzielle Quote überschreitet, über welche es für seine Ausfuhren auf den Gemeinschaftsmarkt verfügt, konnte noch immer nicht beendet werden.

OLAF teilte ferner mit, die illegalen Einfuhren von chinesischem Knoblauch rangierten bei den illegalen Agrareinfuhren auf Platz drei, nur knapp hinter den festgestellten Fällen von Zucker- und Fleischeinfuhren.

Zieht die Kommission die Möglichkeit in Betracht, einen Sicherungsmechanismus oder eine andere Maßnahme einzuführen, um dem illegalen Knoblauchhandel endgültig Einhalt zu gebieten?

 
  
 

Knoblauch wird auf zweierlei Weise betrügerisch eingeführt:

durch falsche Angabe der Herkunft und

in jüngerer Zeit durch falsche Beschreibung des Erzeugnisses.

Zur Bekämpfung der ersten Methode setzte die Kommission zwei Maßnahmen in Kraft:

- Im Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit des OLAF(1) wurde im August 2005 in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Union „Hinweis für Einführer“ veröffentlicht, mit dem die Wirtschaftsakteure der Gemeinschaft aufgefordert wurden, alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen gegen diese Art von Betrug zu ergreifen.

- Seit Januar 2006 ist für alle Knoblaucheinfuhren die Ausstellung einer Einfuhrgenehmigung vorgeschrieben.

Dadurch ist das Auftreten dieser Art von Betrug zurückgegangen: Die Einfuhren aus Drittländern ohne Argentinien und China beliefen sich von Januar bis Juni 2006 auf 75 % der Einfuhren im gleichen Zeitraum des Jahres 2005 und auf 65 % der durchschnittlichen Einfuhren im Vergleichszeitraum der Jahre 2001 bis 2005.

Die zweite Betrugsform ist aufgrund ihrer Wesensart schwieriger zu bekämpfen. Die Kommission möchte die Verantwortung der Zollbehörden der Mitgliedstaaten in diesem besonderen Zusammenhang hervorheben, denn die einzige Möglichkeit, diese Betrugsform nachhaltig zu bekämpfen, ist die Sichtkontrolle bei der Einfuhr.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass es auf dem europäischen Knoblauchmarkt seit 2001 offenbar keine größeren Störungen gegeben hat. Die Marktlage scheint sich im Gegenteil sogar zu verbessern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Knoblaucherzeuger in der Gemeinschaft mit den bereits getroffenen Maßnahmen offenbar ausreichend geschützt sind. Angesichts der hohen potenziellen Verluste für den Gemeinschaftshaushalt wird die Kommission jedoch prüfen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.

 
 

(1)  Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung

 

Anfrage Nr. 54 von Georgios Karatzaferis (H-0890/06)
 Betrifft: Schutz des Rechts auf Eigentum in der EU
 

Stellt der Schutz des Rechts auf Eigentum im Rahmen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ein Grundrecht dar? Ist ein Verstoß gegen dieses Recht (sowie die Nichtumsetzung diesbezüglicher Entscheidungen von Gerichten eines Mitgliedstaats durch die zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats) ein Problem, mit dem sich die Kommission befassen muss?

 
  
 

Die Kommission möchte den Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam machen, dass sie bereits mehrfach Gelegenheit hatte, Anfragen des Parlaments zum Eigentumsrecht zu beantworten (Anfragen H-0732/06, E-0316/05 und E-0450/06 und Petitionen 819/2005, 462/2005, 392/2005, 330/2004, 298/2004 und 158/2004).

Im Übrigen hat der Präsident der Kommission in einem Schreiben an den Herrn Abgeordneten vom 7. Juni 2006 zur Ausübung des Eigentumsrechts in Griechenland den Standpunkt der Kommission bekräftigt, dem zufolge „die aufgeworfenen Fragen keinerlei gemeinschaftsrechtliche Dimension aufweisen und die Kommission deshalb nicht tätig werden kann. Diese Fälle betreffen eventuelle Verletzungen des Grundrechts auf Eigentum durch den griechischen Staat in Griechenland. Ihre Streitigkeiten mit dem griechischen Staat beschränken sich auf Fragen der Wahrnehmung ihrer Rechte als Miteigentümer von Bauland ohne jeglichen Bezug zum Gemeinschaftsrecht. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, die notwendige Verbindung zwischen dem eventuell verletzten Grundrecht und dem Gemeinschaftsrecht herzustellen“.

 

Anfrage Nr. 55 von Panayiotis Demetriou (H-0892/06)
 Betrifft: Postdienste in der EU
 

Nach der Richtlinie 97/67/EG(1), geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG(2), soll die Kommission bis zum Ende des Jahres einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Liberalisierung der Postdienste in der EU bis 2009 oder für alternative Übergangsregelungen, die schrittweise einzuführen sind, vorlegen.

Diesbezügliche Studien zeigen, dass die meisten Postunternehmen der Mitgliedstaaten nicht auf die vollständige Liberalisierung des Marktes im Jahr 2009 vorbereitet sind und dass negative Auswirkungen auf die Erbringer von Universalpostdienstleistungen und damit auf die Qualität dieser Dienstleistung zu erwarten sind.

Die Schlussfolgerungen der Studien sind bekannt, und die Maßnahmen, die zur Behebung der Probleme vorgeschlagen wurden, garantieren nicht die Finanzierung und weitere Erbringung von Universaldiensten, was dazu führt, dass deren Umfang aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt wird und die den Verbrauchern entstehenden Kosten steigen. Welche umsetzbaren und effizienten Maßnahmen werden zur ausreichenden Finanzierung des Universaldienstes vorgeschlagen, wenn der Dienst 2009 nicht mehr reserviert werden kann? Mit welchen Folgen ist nach der vollständigen Liberalisierung des Postmarktes auf Unternehmensseite zu rechnen, da bei Postdiensten die Arbeitskosten ca. 80 % der Betriebskosten ausmachen und fünf Millionen Arbeitnehmer in diesem Bereich beschäftigt sind?

 
  
 

Am 18. Oktober 2006 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste(3) an. In dieser Richtlinie wird der Termin 2009 für die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste bestätigt, und der Rahmen für die Sicherung eines qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Universaldienstes bleibt erhalten.

Die Vorbereitungsarbeiten beruhten auf zahlreichen sektorbezogenen Studien, darunter zwei Studien, die von der Kommission im Jahr 2005/2006 veranlasst wurden. Außerdem sind im dritten Bericht der Kommission an den Rat und das Parlament über die Anwendung der Postrichtlinie(4) entsprechende Informationen über Entwicklungen in diesem Sektor, vor allem hinsichtlich des wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Aspekts sowie des Beschäftigungsaspekts, sowie über die Dienstequalität enthalten. Dieses Dokument besitzt einen ausführlichen Anhang mit konkreten Angaben zu den von dem Herrn Abgeordneten aufgeworfenen Problemen. Was die Folgen der vollständigen Marktöffnung für den Universaldienst betrifft, wurde ein Bericht an den Rat und das Parlament (Prospektivstudie der Kommission über die Auswirkungen der Vollendung des Postbinnenmarktes im Jahr 2009 auf den Universaldienst)(5) erstellt. Zudem ist eine Folgenabschätzung mit einem ausführlicheren Anhang als Begleitdokument für den Vorschlag zur Änderung der Richtlinie vorgelegt worden.

All diese Dokumente zeigen, dass die Postreform bereits weit fortgeschritten und 2009 die vollständige Marktöffnung in allen Mitgliedstaaten möglich ist. Aus den vorliegenden Informationen und Analysen lässt sich der Schluss ziehen, dass der vor zehn Jahren mit Richtlinie 97/67/EG begonnene letzte Schritt im Prozess der allmählichen Marktöffnung vollzogen werden sollte, um die bisher erzielten Fortschritte und Ergebnisse dauerhaft zu machen und weitere Verbesserungen und nachhaltige Beschäftigungseffekte zu erzielen. Die Beschäftigungsaspekte sind in den eingangs erwähnten Dokumenten sorgfältig geprüft und ausführlich dargelegt worden. Die Beschäftigungsaussichten werden allerdings durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst werden, zu denen vor allem die Nachfrage und das sich verändernde Anforderungsprofil der Kunden, der Ersatz durch elektronische Mittel, die Einführung neuer Technologien und die Automatisierung sowie der organisatorische Wandel gehören. Positive Auswirkungen der Öffnung des Marktes auf die Beschäftigung beispielsweise in Form der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten durch neue Marktteilnehmer und in angrenzenden Sektoren sollten ebenfalls nicht vergessen werden.

Was die Finanzierungsinstrumente für mögliche Kosten für das Netz des Universaldienstes betrifft, so möchte die Kommission den Herrn Abgeordneten auf die entsprechenden Bestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie und insbesondere auf ihren Artikel 7 aufmerksam machen. Die Finanzierungsinstrumente, die z. B. staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge, Ausgleichsfonds und Kostenteilung beinhalten, sind alle sehr genau geprüft worden. Sie können unbeschadet der Anwendung der Wettbewerbsregeln der EG durch die Mitgliedstaaten eingesetzt werden, sollte die Notwendigkeit der Finanzierung der Kosten für das Netz des Universaldienstes entstehen.

 
 

(1)  ABl. L 15 vom 21. 1.1998, S. 14.
(2)  ABl. L 176 vom 5. 7. 2002, S. 21.
(3)  KOM(2006) 594 endg.
(4)  KOM(2006) 595 endg.
(5)  KOM(2006) 596 endg.

 

Anfrage Nr. 56 von Seán Ó Neachtain (H-0901/06)
 Betrifft: EU-Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums 2007-2013
 

Ist die Europäische Kommission dafür, dass in die Pläne, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Finanzierungsregelungen für das EU-Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums 2007-2013 vorgelegt werden, Maßnahmen aufgenommen werden, die auch Initiativen zur Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen in den ländlichen Gebieten vorsehen?

 
  
 

Die Kommission unterstützt die Initiative zur Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen im Rahmen von Programmen zur Förderung der Entwicklung in ländlichen Gebieten. Derartige Maßnahmen können als Bestandteil von Schwerpunkt 3 „Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft“ des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums in ländlichen Gebieten unterstützt werden.

Diese Art von Maßnahmen wird in den strategischen Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raums(1) als Kernstück der Förderung der Rückkehr von Frauen in den Arbeitsmarkt herausgestellt, wozu es heißt: „Ein spezielles Hemmnis stellen in vielen ländlichen Gebieten unzureichende Kinderbetreuungseinrichtungen dar. Örtliche Initiativen für Kinderbetreuungseinrichtungen können den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern“.

Die Kommission betont, dass auch über den Europäischen Sozialfonds Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zur Kinderbetreuung finanziert werden können (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b von Verordnung 1081/2006).

Folglich werden die Mitgliedstaaten die Kommission darüber informieren müssen, wie die Programme, die vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und vom Europäischen Sozialfonds finanziert werden, sich gegenseitig ergänzen und wie die Abstimmung zwischen ihnen vorgenommen wird.

 
 

(1)  Beschluss des Rates 2006/144/EG, ABl. L 55 vom 25.2.2006, S. 20.

 

Anfrage Nr. 57 von Brian Crowley (H-0903/06)
 Betrifft: Freier Warenverkehr
 

In Nordspanien haben spanische Fischereibehörden einen irischen Transportunternehmer daran gehindert, Fisch von Spanien nach Irland zu transportieren, da die Rechnung, die dieser den spanischen Fischereibehörden vorlegte, keinen Gesamtpreis enthielt. Da die Fische für eine Auktion in Irland vorgesehen waren, konnte im Voraus kein Gesamtpreis auf der Rechnung ausgewiesen werden. Die Fische waren noch nicht versteigert und daher noch nicht verkauft.

Wie rechtfertigt die Kommission die Maßnahme der spanischen Fischereibehörde, die entgegen dem Grundsatz des freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU den freien Warenverkehr von Fisch nach Irland verhindert hat? Welche Bestimmungen oder Rechtsvorschriften existieren auf EU-Ebene, um solche Vorkommnisse zu verhindern? Verfügt die Kommission, sollten solche Bestimmungen oder Rechtsvorschriften nicht existieren, über Aktionspläne, um gegen diese Verletzung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs vorzugehen?

 
  
 

Nach den Regeln der Gemeinsamen Fischereipolitik und ganz abgesehen von den Hygienevorschriften, die in jedem Fall eingehalten werden müssen, ist für alle in der Gemeinschaft angelandeten bzw. eingeführten Fischereierzeugnisse, für die eine Verkaufsabrechnung bzw. Übernahmeerklärung nicht vorgelegt wird und die an einen Ort transportiert werden, der nicht der Ort der Anlandung bzw. Einfuhr ist, bis zum ersten Verkauf ein vom Beförderer aufgesetztes Begleitdokument mitzuführen. Dieses Dokument verpflichtet den Beförderer, bestimmte Angaben zu dem Schiff zu machen, mit dem die Fische befördert wurden, und Einzelheiten über die Sendung einschließlich ihres Bestimmungsortes sowie der Menge und der Arten der beförderten Fische zu nennen. Vom Beförderer wird nicht verlangt, noch vor dem ersten Verkauf eine Rechnung beizubringen, in welcher der Gesamtpreis ausgewiesen wird.

Es gibt in den Gemeinschaftsvorschriften spezielle Bestimmungen für bestimmte Fischarten, die darauf abzielen, den Handel mit illegal gefangenen Arten zu verhindern. Die Gemeinsame Fischereipolitik enthält selbst keine gegen einen Mitgliedstaat gerichtete Maßnahmen, der den freien Warenverkehr von Fisch behindert. Die allgemeinen Regeln für den freien Warenverkehr finden jedoch Anwendung.

Die Auskünfte, die der Herr Abgeordnete der Kommission gegeben hat, reichen nicht aus, um zu beurteilen, ob die spanischen Behörden Gemeinschaftsvorschriften verletzt haben. Sobald der Kommission entsprechende Informationen vorgelegt werden, ergreift sie schleunigst Maßnahmen, falls sie feststellt, dass ihrer Meinung nach ein Verstoß gegen Gemeinschaftsvorschriften vorliegt.

 

Anfrage Nr. 58 von Liam Aylward (H-0905/06)
 Betrifft: Nuklearanlage von Sellafield
 

Ist der Kommission bekannt, dass die „British Nuclear Group“, die die Nuklearanlage von Sellafield betreibt, am 16. Oktober 2006 eine Strafe von einer halben Million Pfund für Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften auferlegt bekommen hat?

Diese Strafe wurde durch ein Urteil des Carlisle Crown Court auferlegt, weil 83.400 Liter radioaktiver Flüssigkeit in ein Sekundärauffangbecken der Anlage Thorp ausgeflossen sind.

Dieser letzte Vorfall macht nur deutlich, auf welche Weise die Thorp-Anlage betrieben wird.

Wird die Kommission weitere Ermittlungen in dieser Angelegenheit vornehmen? Ist sie nicht der Ansicht, dass es an der Zeit ist, die Thorp-Anlage zu schließen?

 
  
 

Der Kommission ist bekannt, dass die „British Nuclear Group“, der Betreiber der Nuklearanlage von Sellafield, am 16. Oktober 2006 eine Strafe von einer halben Million Pfund für Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften auferlegt bekommen hat.

In Bezug auf die Zuständigkeit der Europäischen Union muss man zwischen der nuklearen Sicherheit, bei der es um Maßnahmen geht, die ergriffen werden, um die Gefahr von Störfällen während des Betriebs kerntechnischer Anlagen zu begrenzen, und den Euratom-Sicherungsmaßnahmen – einem System, mit dessen Hilfe gewährleistet werden soll, dass Kernstoffe für zivile Zwecke ihrer vorgesehenen Bestimmung für zivile Zwecke nicht entzogen werden – unterscheiden.

1. Nukleare Sicherheit

Trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C-29/99, in dem die Regelungszuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen anerkannt wird, wurde es durch die fehlende qualifizierte Mehrheit im Rat unmöglich, weiterhin nach dem so genannten „Nuklearpaket“(1) zu verfahren, in dem die grundlegenden Verpflichtungen und allgemeinen Grundsätze der Gemeinschaft im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen festgelegt wurden.

2. Euratom-Sicherungsmaßnahmen

Die Kommission hat entsprechend ihrer Zuständigkeit im Rahmen des Euratom-Vertrags die Folgen des Störfalls von Thorp für die Kontrolle der nuklearen Sicherheitsüberwachung untersuchen lassen. Nach der Untersuchung richtete die Kommission im Februar 2006 an den Betreiber der Anlage von Sellafield, die „British Nuclear Group“, eine auf Artikel 83 des Euratom-Vertrags beruhende Entscheidung. Die Entscheidung stellt eine förmliche Verwarnung des Betreibers dar, in der die Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen gefordert wird, die auf die Verbesserung der Kontrolle der Sicherheitsüberwachung an diesem Standort abzielen. Eine Zusammenfassung der Entscheidung wurde im Amtsblatt L 255 vom 19. September 2006 veröffentlicht.

 
 

(1)  Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und geänderter Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (KOM (2004) 526 endgültig).

 

Anfrage Nr. 59 von Yiannakis Matsis (H-0908/06)
 Betrifft: Gegen die Republik Zypern gerichtete Maßnahmen der türkischen Zivilluftfahrtbehörden
 

Die Behörden der türkischen Zivilluftfahrt verweigern jegliche Zusammenarbeit mit den entsprechenden Zivilluftfahrtbehörden der Republik Zypern, die ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Die Türkei hat sich sogar geweigert, an einem Treffen teilzunehmen, das die Internationale Zivilluftfahrtorganisation, die Kommission und Eurocontrol im April dieses Jahres veranstaltet haben. Allerdings unterhalten die türkischen Behörden Beziehungen zu den illegalen „Behörden“ des illegalen Flughafens Tymbos, der sich im besetzten Teil der Republik Zypern befindet. (Siehe Resolutionen des UN-Sicherheitsrates 541 und 550, in denen die „Türkische Republik Nordzypern“ und ihre „Behörden“ nicht anerkannt werden.) Die Haltung der türkischen Zivilluftfahrtbehörde verursacht Risiken für das Fluginformationsgebiet Nikosia. Das Problem wurde übrigens auch in einem Schreiben der IATA an die ICAO vom Januar 2006 angesprochen.

Welche Maßnahmen ergreift die Kommission gegenüber der Türkei – bzw. welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen –, damit das Land den Regeln des Völkerrechts nachkommt und mit der Republik Zypern zusammenarbeitet und damit praktische Lösungen für das Problem der Flugsicherheit in der Region gefunden werden?

 
  
 

Das in der Anfrage des Herrn Abgeordneten erwähnte und von der Kommission gemeinsam mit der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation und Eurocontrol organisierte Treffen ist der Kommission bekannt.

Die Kommission ist der Meinung, dass sowohl Zypern als auch die Türkei, ungeachtet ihrer politischen Uneinigkeit zu allgemeinen Themen, ein Interesse daran haben, eine praktische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Luftsicherheitsmanagements anzustreben.

Die Kommission wird die Türkei wie auch Zypern weiter darin bestärken, eine gegenseitig annehmbare Lösung für das Flugverkehrsmanagement zu finden. Von der Kommission wird die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit in Fragen der Luftverkehrssicherheit zu den verschiedensten geeigneten Anlässen bei den türkischen Behörden zur Sprache gebracht, u. a. auch über Eurocontrol. In ihrem Fortschrittsbericht 2006 über den Beitritt der Türkei zur EU wies die Kommission erneut auf die mangelnden Fortschritte bei allen Aspekten hin, die im Zusammenhang mit der Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern stehen. Gemäß dem Verhandlungsrahmen und der Erklärung der EU vom 21. September 2005 soll diese Frage bis Ende 2006 von der EU beurteilt werden.

Die Kommission wird die Türkei auch weiterhin auffordern, mit der Gemeinschaft in Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen zu treten. Dabei betont sie die Bedeutung der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums, der reibungslos und effizient betrieben werden kann.

 

Anfrage Nr. 60 von Nikolaos Vakalis (H-0909/06)
 Betrifft: KMU und öffentliche Verträge
 

Welche aktuellen Informationen liegen der Kommission über den Prozentsatz an öffentlichen Aufträgen vor, die in der Europäischen Union an KMU vergeben wurden (z.B. für 2005 und 2006)? Gibt es insbesondere Daten, aus denen hervorgeht, welcher Prozentsatz an öffentlichen Verträgen an kleine bzw. mittlere Unternehmen vergeben wurden? Gibt es nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselte Daten?

In den Vereinigten Staaten ist es möglich, einen gewissen Prozentsatz öffentlicher Verträge im Rahmen von durch die WTO festgelegten Grenzen für KMU zu reservieren. In Anbetracht der WTO-Gespräche und der von der Kommission neu vorgelegten Vorschläge wird um Mitteilung ersucht, ob die Europäische Union ähnliche Vereinbarungen plant, denen zufolge die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit hätten, wie von Frankreich vorgeschlagen, einen gewissen Prozentsatz an öffentlichen Aufträgen für kleine und mittlere Unternehmen zu reservieren?

 
  
 

Die aktuellsten Informationen über den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu öffentlichen Aufträgen, über die die Kommission verfügt, sind die Ergebnisse einer 2002 begonnenen Auftragsstudie, die Anfang 2004 veröffentlicht wurden.

Diese Studie zeigt, dass 78 % aller im Jahr 2001 geschlossenen und im Amtsblatt veröffentlichten Verträge an Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten bzw. mit einem Umsatz von weniger als 40 Millionen Euro vergeben wurden. Berücksichtigt man die methodischen Unsicherheiten, die im Zuge der Prüfung des unabhängigen Eigentums und der konsolidierten Umsätze einiger der in der Studie erfassten Unternehmen auftraten, so lässt der Bericht den Schluss zu, dass in dem genannten Jahr(1). rund zwei Drittel der größten Aufträge (d. h. die über den in der Beschaffungs-Richtlinie genannten Schwellenwerten liegen) in der EG an KMU (die gemäß der EU-Definition als solche bezeichnet werden) vergeben wurden.

Diese Zahlen haben sich möglicherweise von einem Jahr zum nächsten verändert, jedoch liegen der Kommission keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Lage grundlegend geändert hat. Die Kommission wird aber 2007 eine ähnliche Studie in Auftrag geben, um das Bild zu aktualisieren und abzurunden.

Die Frage diskriminierender Maßnahmen zugunsten einheimischer KMU, die ungeachtet ihrer bestehenden Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) der Welthandelsorganisation nicht nur von den USA, sondern auch von Kanada, Korea und Japan beibehalten werden, ist Bestandteil der laufenden Verhandlungen im Rahmen der Überprüfung des GPA. Seit dem Beginn dieser Verhandlungen setzt sich die EG mit Unterstützung einiger anderer Mitglieder des GPA und im Einklang mit ihrer allgemeinen Strategie, die auf die weitere Öffnung der öffentlichen Auftragsmärkte der GPA-Mitglieder abzielt, für die Abschaffung jeglicher inländischer Bevorzugung ein.

 
 

(1)  Nach Unternehmensgrößenklassen und Mitgliedstaaten aufgeschlüsselte Informationen finden Sie unter: http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/craft/craft-studies/craft-publicprocurement.htm#Results%20of%20the%20Study.

 

Anfrage Nr. 61 von Avril Doyle (H-0910/06)
 Betrifft: Auswirkungen der Reform der GAP auf den Milchmarkt in Irland
 

Die Durchführung der Reformen der GAP seit 2003 und insbesondere die drastische Kürzung der Mittel für die Stützung des Milchmarkts durch die Kommission, die über die ursprünglichen Pläne zur Reform der GAP hinausgingen, haben dazu geführt, dass die Preise für irische Milcherzeuger um rund 20% gefallen sind. Dies hat in Verbindung mit einem starken Anstieg der Produktionskosten zu einem beispiellosen Druck auf das Familieneinkommen der Milchviehbetriebe geführt, nicht nur in Irland, sondern in der gesamten EU.

Wie zuversichtlich ist die Kommission in Anbetracht dieser sehr realen Einkommenskrise der europäischen Milchviehbetriebe, dass genügend Milcherzeuger weiterhin ein angemessenes Einkommen erwirtschaften, das die Fortführung der Produktion rechtfertigt, und eine ausreichende Milchversorgung sicherstellen, um den Bedarf der Verbraucher in der EU zu decken?

 
  
 

2003, also vor der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), lag der Milchpreis ab Hof für irische Landwirte im Jahresdurchschnitt bei 28,7 Cent pro Liter. In den Jahren 2004 und 2005 blieb dieser Preis stabil. In den ersten neun Monaten des Jahres 2006 bewegt sich der Preis nur 1,5 Cent pro Liter unter dem Stand von 2003. Für das Jahr 2006 erhalten die irischen Landwirte einen Ausgleich von 3,5 Cent pro Liter Milch. Das bedeutet einen Nettogewinn von 2 Cent pro Liter bzw. eine Erhöhung von 7 %.

Die aktuelle Situation auf dem Binnenmarkt ist sehr günstig. Die Preise für Magermilchpulver sind höher als vor der Reform. Die Käsepreise sind seit dem Beginn der Reform stabil. Zurzeit steigen die Preise für Vollmilchpulver, Kasein und Butter. Das dürfte sich positiv auf die Erzeugerpreise auswirken.

Die Kommission kann im Milchsektor bisher noch keine reale Einkommenskrise erkennen, weder in Irland noch in den meisten anderen Mitgliedstaaten.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Molkereiproduktion in Irland höher als im Vorjahr ist, und das sogar im zweiten Jahr nach der Einführung der Entkoppelung, ist die Kommission zuversichtlich, dass sich die Milcherzeugung weiterhin auf einem ausreichenden Niveau entwickeln wird.

 

Anfrage Nr. 62 von Alain Hutchinson (H-0912/06)
 Betrifft: Registrierung und Erfassung der Bevölkerung in den Lagern von Tindouf
 

Nach dem letzten Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (vorgelegt im April 2006) haben das PAM und das UNHCR gemeinsam beschlossen, die Zahl der Empfänger der humanitären Hilfe in den Lagern von Tindouf von 158.000 auf 90.000 Personen zu verringern. Seit 1982 gibt es keine verlässliche Zählung der Bevölkerung in den Lagern von Tindouf mehr, um gemäß den international anerkannten Normen über exakte demographische Angaben zur Zahl und zur Herkunft dieser Bevölkerung zu verfügen, und dies hindert die zuständigen internationalen Organisationen daran, den tatsächlichen Bedarf dieser Bevölkerung an humanitärer Hilfe zu beziffern. Darüber hinaus begünstigt diese anachronistische Situation die Abzweigung eines Teils der Hilfe.

Welche Maßnahmen will die Kommission ergreifen, um Algerien dazu zu bringen, dem UNHCR zu erlauben, seine Aufgabe zu erfüllen und die Ungereimtheiten in den Statistiken des UNHCR betreffend die Bevölkerung in den Lagern von Tindouf zu beseitigen.

 
  
 

Der Beschluss des Hochkommissariats für Flüchtlinge (HCR) und des Welternährungsprogramms (WEP), auf den sich der Herr Abgeordnete bezieht, wurde den algerischen Behörden in einem Schreiben vom 22. August 2005 mitgeteilt, in dem das HCR und das WEP ihre Forderung nach einer Zählung wiederholten und ankündigten, dass sofern dies nicht geschehe, die beiden Agenturen die Zahl der bedürftigen Personen in den Lagern auf 90 000 schätzen würden.

Zum Hintergrund der Frage ist festzustellen, dass eine Registrierung der Hilfeempfänger - eine in solchen Situationen gängige Praxis - von großem Vorteil wäre, um die Hilfe sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht besser ausrichten zu können, sofern bei der Zählung demografische Angaben wie die Alterszusammensetzung und die Geschlechterverteilung erfasst werden. Die Kommission unterstützt diese Forderung des HCR und des WEP und hat gegenüber den algerischen Behörden deutlich gemacht, dass die Tätigkeit der Geber eines genauer festgelegten Rahmens bedarf.

 

Anfrage Nr. 63 von Robert Evans (H-0914/06)
 Betrifft: Fahrzeugidentifizierung
 

Welche Pläne hat die Kommission im Zusammenhang mit der unbefriedigenden Art von grenzübergreifenden Regelungen für die Fahrzeugidentifizierung, die es im Vereinigten Königreich einer Reihe von nicht im Vereinigten Königreich zugelassenen Fahrzeugen ermöglichen, in dem Bewusstsein gegen die Verkehrsvorschriften des Vereinigten Königreichs zu verstoßen, dass es unzureichende gegenseitige Strukturen gibt, um Strafen über die EU-Grenzen hinweg zu vollstrecken?

 
  
 

In der immer stärker integrierten und erweiterten Europäischen Union nimmt der Anteil ausländischer Kraftfahrer am Verkehrsgeschehen weiter zu, und einige Kraftfahrer missachten bei Fahrten ins Ausland die Straßenverkehrsvorschriften, ohne befürchten zu müssen, im Land ihres Wohnsitzes strafrechtlich verfolgt zu werden.

Die Kommission regte in ihrer Empfehlung vom 21. Oktober 2003 zu Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit(1) an, einen Mechanismus für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Sanktionen gegen Verletzungen der Straßenverkehrsvorschriften zu schaffen. Ihr Ziel war es, über Koordinierungsstellen, um deren Einrichtung die Mitgliedstaaten gebeten wurden, zu gewährleisten, dass Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften zumindest bei schweren und wiederholten Verstößen den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates mitgeteilt werden, in dem das Fahrzeug zugelassen ist.

Da die Durchsetzung der Straßenverkehrsvorschriften eine der wirksamsten Möglichkeiten ist, um die Zahl der Straßenverkehrsopfer in Europa zu verringern, verpflichtete sich die Kommission, selbst verbindlichere Maßnahmen vorzuschlagen, um das Ziel der Verringerung der Zahl der jährlichen Straßenverkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang in der EU um 20 000 Unfallopfer (50 %) im Jahr 2010 zu erreichen, falls sich die bereits ergriffenen Maßnahmen als für die Erreichung dieser Zielvorgabe unzureichend erweisen sollten.

Da dieses Ziel, wie es nun scheint, tatsächlich nicht erreicht werden wird, falls die gegenwärtige Tendenz (minus 35 %) anhält, hat die Kommission in ihr Arbeitsprogramm für 2007 den Punkt aufgenommen, eine diesbezügliche Rechtsvorschrift vorzulegen. Diese Rechtsvorschrift soll sichern, dass die Durchsetzung von Straßenverkehrsgesetzen für alle Bürger gleichermaßen gilt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bzw. von ihrem Wohnsitz in der Europäischen Union. Sie müsste Regeln und elektronische Mechanismen enthalten, um z. B. den Zugang zu den Fahrzeugzulassungsdatenbanken in der ganzen Europäischen Union zu ermöglichen. Außerdem müsste die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden aus den einzelnen Mitgliedstaaten auf einer strukturellen Grundlage gewährleistet werden.

Die Kommission leitete eine Studie zur Abschätzung der Folgen der Durchsetzung der Sicherheit im Straßenverkehr und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein und wird das Diskussionspapier für diesen Bereich in Kürze veröffentlichen.

Schließlich sei noch erwähnt, dass die Mitgliedstaaten durch den Rahmenbeschluss des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen(2) vom 24. Februar 2005 ermächtigt werden, Geldstrafen oder Geldbußen gegen Kraftfahrer zu vollstrecken, die an welchem Ort in der Europäischen Union auch immer Straßenverkehrsvorschriften verletzt haben. Die Mitgliedstaaten müssen bis März 2007 die notwendigen Schritte zur Umsetzung dieser Rahmenrichtlinie ergreifen.

 
 

(1)  ABl. L 111 vom 17.4.2004.
(2)  ABl. L 76 vom 22.3.2005.

 

Anfrage Nr. 64 von Georgios Toussas (H-0919/06)
 Betrifft: Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffsabwässer
 

Unter Verstoß gegen das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (1973) und das entsprechende Protokoll (MARPOL 1977/78) hat die griechische Regierung mit Präsidialerlass 400/1996 (A’268) die Frist für die obligatorische Installation von Anlagen zum Auffangen von Abwässern auf Passagierschiffen auf mehr als fünf Jahre festgelegt und diese dann mit Präsidialerlass 374/2002 (A’321) noch um vier weitere Jahre verlängert. Obwohl alle Schiffseigner sich bereits seit 31. Dezember 2005 an diese Verpflichtung hätten halten müssen, hat die griechische Regierung mit Dokument Nr. 1576 vom 31. Juli 2006 einen Entwurf eines Erlasses zur Änderung von Erlass 374/2002 (Regierungsanzeiger 321 A') betreffend die Einhaltung der Bestimmungen von Absatz 2 des Präsidialerlasses 400/1996 (Regierungsanzeiger 268 A’) durch die Schiffseigner beim griechischen Staatsrat befürwortet, der festgestellt hat, dass eine weitere zweijährige Verlängerung der Frist, wie in dem Entwurf eines Präsidialerlasses enthalten, nicht rechtmäßig eingereicht worden war, wodurch sich herausgestellt hat, dass die griechische Regierung Reedereiunternehmen deckt, die die Meeresumwelt verschmutzen und die Gefahren verschweigt, die dies für die öffentliche Gesundheit mit sich bringt.

Wie viele Schiffe haben es versäumt, die Vorschrift betreffend die obligatorische Installation von Abwasserauffangsystemen einzuhalten? Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um die relevanten internationalen Rechtsvorschriften betreffend den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Meeresumwelt zu garantieren?

 
  
 

Die Kommission dankt dem Herrn Abgeordneten für seine Anfrage zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffsabfälle. Was die Anlage IV zum MARPOL-Übereinkommen 73/78 zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffsabwasser anbelangt, so haben die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2000/59/EG(1) seit dem 28. September 2004 die Pflicht, Hafenauffangeinrichtungen zur Verfügung zu stellen, die den Bedürfnissen der Schiffe entsprechen. Hingegen gibt es keine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, die zur Ausrüstung der Schiffe mit Tank- oder Behandlungsanlagen verpflichtet. Die Mitgliedstaaten haben daher die diesbezüglichen internationalen Vorschriften anzuwenden. Es ist darauf hinzuweisen, dass laut Anlage IV zum MARPOL-Übereinkommen die Einleitung von nicht mechanisch behandeltem und nicht desinfiziertem Abwasser ins Meer in einer Entfernung von mehr als 12 Seemeilen vom nächstgelegenen Land gestattet ist.

Ganz allgemein hat die Kommission wichtige Maßnahmen ergriffen, um die Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffsabfälle zu gewährleisten, u. a. indem sie auf eine strikte Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/59/EG achtet.

Die Kommission verfolgt die Durchführung der Richtlinie sehr genau und wird ihre Umsetzung und die Konformität der erlassenen nationalen Rechtsvorschriften systematisch kontrollieren. Darüber hinaus hat sie mit Unterstützung der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA)(2) eine umfassende Bewertung der konkreten Anwendung der Richtlinie vor Ort vorgenommen.

 
 

(1)  Richtlinie 2000/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2000 über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände, ABl. L 332 vom 28.12.2000.
(2)  Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, ABl. L 208 vom 5.8.2002.

 

Anfrage Nr. 65 von Neil Parish (H-0920/06)
 Betrifft: Siebtes Forschungsrahmenprogramm - Erhöhung der Mittel für Alternativen zu Tierversuchen
 

Vor dem Hintergrund des Verbots von Tierversuchen und des Verkaufs von an Tieren getesteten Produkten durch die Richtlinie 76/768/EWG(1) über kosmetische Mittel und der vorgeschlagenen neuen Rechtsvorschriften über chemische Stoffe, REACH, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die EU mehr Ressourcen für die Entwicklung und Validierung alternativer Testverfahren bereitstellt.

Das Siebte Forschungsrahmenprogramm sieht die Förderung und Stärkung der Entwicklung und Validierung alternativer Strategien vor, insbesondere Verfahren ohne Tierversuche in allen einschlägigen Forschungsbereichen.

Kann die Kommission angesichts dieser Prioritäten und im Vergleich zu dem Sechsten Forschungsrahmenprogramm bestätigen, dass dem Europäischen Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM – Gemeinsame Forschungsstelle) mehr Mittel für alternative Verfahren bereitgestellt werden?

 
  
 

Die Entwicklung, Validierung und Nutzung validierter alternativer Methoden sind für die Europäische Kommission im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften über kosmetische Mittel und REACH sowie generell eine wichtige Priorität. Die Kommission verfolgt in erster Linie drei Wege:

1) Partnerschaft,

2) Europäisches Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM),

3) Finanzierung durch das 7. Rahmenforschungsprogramm (RP7).

Selbst wenn die finanziellen Mittel für diese Aktionen im RP7 auf einem relativ gleich bleibenden Niveau gehalten werden, wird erwartet, dass sie zu besseren und rascheren Ergebnissen führen.

Die Unterstützung durch die Industrie und andere Akteure im Rahmen der Europäischen Partnerschaft für die Förderung von Alternativkonzepten zu Tierversuchen (EPAA) dürfte wesentlich zur Beschleunigung des Tempos der Vereinbarung, Validierung und praktischen Umsetzung von Alternativen beitragen. Diese Partnerschaft verkörpert eine Zusammenarbeit zwischen der Kommission und führenden Unternehmen aus sieben Industriebereichen, wie es sie bislang nicht gegeben hat. Die Partner haben sich verpflichtet, Wissen, Forschung und Ressourcen zu bündeln, um zunächst über einen Zeitraum von fünf Jahren die Entwicklung, Validierung und Annahme von Alternativkonzepten zu beschleunigen. Es wurde ein Aktionsprogramm zur Förderung des Wandels vereinbart, und die dabei erzielten Fortschritte sollen regelmäßig veröffentlicht werden(2).

Auch künftig werden das ECVAM der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) und das Institut für Gesundheit und Verbraucherschutz (IHCP) eine maßgebliche Rolle bei der Steuerung der Bemühungen spielen, alternative Methoden verfügbar zu machen. Im RP7 wird die Arbeit des ECVAM durch eine ähnliche Anzahl von Mitarbeitern und Experten wie im RP6 unterstützt und durch eine Gruppe von Wissenschaftlern aus einem anderen Referat (Europäisches Büro für chemische Produkte) des GFS-IHCP ergänzt, die die Entwicklungen bei den Validierungsmethoden verfolgen, z. B. die in der Kategorie der In-silico-Verfahren (QSAR(3)). Es ist geplant, Laboraktivitäten in das ECVAM zu integrieren, um die Validierung alternativer Versuchsmethoden (z. B. der „Me-Too-Tests“) zu beschleunigen.

Im Spezifischen Programm „Zusammenarbeit“ des RP7 werden alternative Methoden als spezielles Thema ausgewiesen. Das Arbeitsprogramm für die erste Ausschreibung enthält Themen zur Förderung alternativer Versuchsmethoden. Die Vorschläge zur Auseinandersetzung mit diesen Themen werden durch eine Begutachtung unter Fachkollegen („Peer-Review“) nach veröffentlichten Kriterien bewertet. Der Gesamtumfang an Finanzmitteln für Vorhaben zu alternativen Versuchsmethoden hängt daher von der Qualität der eingereichten Vorschläge ab.

All dies basiert auf dem Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010(4), der im Januar 2006 dem Rat und dem Europäischen Parlament übermittelt wurde. Die Ziele des Aktionsplans bestehen u.a. in Folgendem: „bessere Koordinierung bestehender Ressourcen und Identifizierung künftiger Erfordernisse, Unterstützung künftiger Forschungstrends im Bereich Tierschutz und Alternativmethoden zu Tierversuchen durch weitere Förderung des 3R-Prinzips (Replacement, Refinement, Reduction), d. h. der Ersetzung (von Versuchen am lebenden Tier), der Verfeinerung (von Versuchsmethoden) und der Verringerung (der Zahl der eingesetzten Versuchstiere)“.

Die Kommission erneuert ihre bereits gegebene Verpflichtung, dass die Validierung nicht zum Engpass für die Verfügbarkeit alternativer Methoden werden darf. Die Kommission wird ihr daher die notwendige Priorität einräumen.

Ausführliche Informationen zu den Engpässen bei der Verfügbarkeit und Nutzung alternativer Methoden finden Sie unter: http://ihcp.jrc.cec.eu.int/docs/20051107its.pdf

– „REACH and the need for Intelligent Testing Strategies.“

 
 

(1)  ABl. L 262 vom 27.9.1976, S. 169.
(2)  http://ec.europa.eu/enterprise/epaa/index_en.htm.
(3)  Modell quantitativer Struktur-/Aktivitätsbeziehungen (Quantitative structural activity relationships).
(4) SEK (2006) 65.

 

Anfrage Nr. 66 von Bart Staes (H-0921/06)
 Betrifft: "Reihe von Merkblättern" gemäß der Empfehlung 66/462/EWG
 

In der Empfehlung 66/462/EWG(1) der Kommission an die Mitgliedstaaten zu den Voraussetzungen für die Entschädigung im Fall von Berufskrankheiten ist in Ziffer 9 Absatz 2 die Rede von einer Reihe von Merkblättern, die veröffentlicht werden soll. Was die Niederlande betrifft, handelt es sich hier wahrscheinlich um das Dokument „Medische Notities inzake de aandoeningen genoemd in de Europese lijst van beroepsziekten“ mit der Referenznummer 1253/V/69-N.

Kann die Kommission mitteilen, ob diese Merkblätter tatsächlich in allen damaligen Amtssprachen erschienen sind, wann dies geschehen ist, in welcher Form (Anlage zur Empfehlung, gesonderter Bericht ...) und wem diese Merkblätter bekannt gemacht wurden (Entscheidungsträger, Ärzte ...)?

 
  
 

Die von dem Herrn Abgeordneten angesprochene Empfehlung 66/462/EWG(2) der Kommission an die Mitgliedstaaten zu den Voraussetzungen für die Entschädigung im Fall von Berufskrankheiten basiert auf Empfehlung 62/831(3) der Kommission an die Mitgliedstaaten zur Annahme einer europäischen Liste der Berufskrankheiten. 1990 wurde die Empfehlung aus dem Jahr 1962 durch Empfehlung 90/326/EWG(4) der Kommission vom 22. Mai 1990 betreffend die Annahme einer Europäischen Liste der Berufskrankheiten ersetzt. Die Empfehlung von 1990 wurde wiederum durch Empfehlung 2003/670(5) der Kommission vom 19. September 2003 über die Europäische Liste der Berufskrankheiten ersetzt.

Wir machen den Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam, dass die in der Anfrage erwähnten Merkblätter später die Form eines Dokuments mit der Bezeichnung „Information notices on diagnosis of occupational diseases“ angenommen haben, die 1994 fertig gestellt und von der Kommission als separater Bericht herausgegeben wurden. Dieser Bericht wurde in englischer und französischer Sprache veröffentlicht. Der Bericht ist beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg erhältlich (nähere Hinweise unter: http://ec.europa.eu/employment_social/health_safety/docs_en.htm

).

Da dieser Bericht beim Amt für amtliche Veröffentlichungen erhältlich ist, wurden keine speziellen Maßnahmen ergriffen, um Interessierten Exemplare zukommen zu lassen. Zu bestimmten Anlässen, u. a. bei entsprechenden Begegnungen, die von der Kommission veranstaltet werden, werden jedoch immer einige Exemplare des Berichts zur Verfügung gestellt.

Abschließend sei erwähnt, dass der Bericht „Information notices on diagnosis of occupational diseases“ zurzeit überarbeitet wird. Ende 2004 wurde eine spezielle Gruppe von Fachleuten gebildet, die seinen Inhalt im Licht der neuesten technischen und wissenschaftlichen Fortschritte auf diesem Gebiet überprüfen, überarbeiten und aktualisieren. Auf dieser Grundlage wird im Laufe des Jahres 2007 eine Neufassung des Berichts herausgegeben werden.

 
 

(1)  ABl. 147 vom 9.8.1966, S. 2696.
(2)  ABl. 147 vom 9.8.1966.
(3)  ABl. B 80 vom 31.8.1962.
(4)  ABl. L 160 vom 26.6.1990.
(5)  ABl. L 238 vom 25.9.2003.

 

Anfrage Nr. 67 von Milan Gaľa (H-0922/06)
 Betrifft: Reform des EU-Weinsektors
 

Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag zur Reform des Weinsektors erarbeitet, der einen Beitrag zur Erfüllung der Lissabon-Strategie und zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Weinerzeugung in der erweiterten EU leisten soll. Die Weinerzeugung sollte demnach auf die Bedürfnisse des europäischen Marktes und des Weltmarktes reagieren. Generell begrüßt der Verfasser den Vorschlag zur Reform des Weinsektors. Weshalb jedoch schlägt die Europäische Kommission anstelle einer effektiveren Umstrukturierung der Weinberge und einer Stärkung der Vermarktung von Weinanbau und Wein sowie von Informationsmaßnahmen die Rodung von Weinbergen vor, die zudem finanziell kompensiert werden soll? Weshalb schlägt die Kommission eine flächendeckende Einführung eines sich nachteilig auswirkenden Verbots der Verwendung von Saccharose zur Anreicherung des Weins vor und nimmt in ihrem Vorschlag nicht vermehrt Rücksicht auf die klimatischen Bedingungen und Traditionen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten? Ist die Europäische Kommission nicht auch der Ansicht, dass durch die zwei angeführten Maßnahmen die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit des Weinbaus und der Weinerzeugung in der EU Schaden nehmen kann und im Endeffekt eine noch stärkere Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit zu befürchten ist?

 
  
 

Die Kommission ist dem Herrn Abgeordneten dafür dankbar, dass er diese Frage stellt, weil ihr damit Gelegenheit geboten wird, das Hohe Haus über den aktuellen Stand der Dinge zu unterrichten.

Rodung: Die Kommission weiß, dass die Rodung eine umstrittene Angelegenheit ist, aber sie muss diese eher aus einem sozialen Blickwinkel betrachten. Die Kommission wird nicht in der Lage sein, den Status quo im Weinsektor aufrechtzuerhalten. Einige Weinerzeuger werden aus dem Weinsektor ausscheiden müssen, weil sie nicht in der Lage sein werden, dem Wettbewerbsdruck standzuhalten. Die Frage ist, ob die Kommission dem Weinerzeuger die Möglichkeit eines organisierten Ausscheidens geben soll oder ob sie nichts tun sollte? Die Kommission ist nicht der Ansicht, dass Nichtstun die beste Lösung wäre. Die gerodeten Flächen werden in die Betriebsprämienregelung übernommen, was bedeuten würde, dass Umweltschäden nach der Rodung durch neue Anforderungen vermieden werden. Die Rodung darf nicht isoliert betrachtet werden, sie muss in Verbindung mit der Abschaffung der Marktverwaltungsmaßnahmen und der Einführung nationaler Mittelrahmen zur Finanzierung stärker zukunftsorientierter Maßnahmen gesehen werden. Damit sollen europäische Erzeuger in die Lage versetzt werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die zurzeit von Erzeugern aus der neuen Welt besetzten Marktanteile (zurück) zu erobern.

Marktförderung: Die Kommission erneuert ihre Verpflichtung, neue Möglichkeiten für die Förderung eines verantwortungsvollen Weinkonsums zu prüfen. Abgesehen davon können einfachere und transparentere Güteklassen über das besser mit der Welthandelsorganisation zu vereinbarende System der geographischen Angaben und durch Kennzeichnungsvorschriften zur Förderung und Vermarktung europäischer Weine beitragen. Die Kommission hofft, dies unter Mithilfe des Weinsektors zu schaffen. Allerdings werden die derzeit geltenden Verordnungen der Kommission zur Erteilung von Auskünften und zur Förderung von Wein nicht in vollem Umfang ausgeschöpft.

Chaptalisieren: In der Mitteilung der Kommission zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor ist alles zur Sprache gebracht worden, denn es ist wichtig, eine eingehende Aussprache über alle Elemente der gegenwärtigen gemeinsamen Marktorganisation für Wein zu führen. Die Kommission berücksichtigt in der Tat die klimatischen Unterschiede in der Gemeinschaft, indem sie zur Erhöhung des Alkoholgehalts der Weine in bestimmten Fällen den Einsatz von Traubenzucker und nicht so sehr von Rübenzucker fördert. Das stimmt völlig mit der gemeinschaftlichen und der internationalen Weindefinition überein: „…das Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmostes gewonnen wird…“. Selbst von den Fachleuten wird anerkannt, dass das „Chaptalisieren“ zur Erhöhung des Alkoholgehalts von Wein mithilfe von Rübenzucker im Übermaß betrieben wird.

Die Kommission wird auch künftig darauf hinarbeiten, dass vom Markt anerkannte Rebanlagen der EU und Weine mit einzigartigem Charakter erhalten bleiben. Wie die für Landwirtschaft zuständige Kommissarin bei vielen Gelegenheiten betont hat, schaut und hört sie in vielen Regionen der Gemeinschaft zu und lernt dabei sehr viel. Alle von dem Herrn Abgeordneten zur Sprache gebrachten Probleme müssen und werden von der Kommission in den kommenden Monaten weiter geprüft werden, während sie die Stellungnahme dieses Organs abwartet, bevor sie ihren Legislativvorschlag fertig stellt.

 

Anfrage Nr. 68 von Diamanto Manolakou (H-0927/06)
 Betrifft: Neue Weltraumpolitik der USA
 

Am 31. August 2006 wurde von Präsident Bush ein Dokument über die neue Weltraumpolitik der USA, das nicht einmal in den USA selbst veröffentlicht wurde, genehmigt und für Anfang Oktober angekündigt. Im Rahmen dieser neuen amerikanischen Politik wird eine neue Generation von Weltraumwaffen entwickelt. Jedes Abkommen, mit dem die Verwendung solcher Waffen durch die USA beschränkt werden soll, wird abgelehnt. Ferner wird die Weltraumwirtschaft dadurch gefördert, dass die Erteilung von Genehmigungen für Wirtschaftstätigkeiten erleichtert wird!

Verurteilt die Kommission diese Politik der USA sowie das neue Wettrüsten im Weltraum durch die USA, das eine riesengroße Gefahr für den Frieden weltweit darstellt? Was wird sie angesichts der aggressiven Politik der USA unternehmen, die alle Gespräche und jede Aussicht auf den Abschluss eines Abkommens ablehnt, mit dem die Entwicklung von Waffensystemen im Weltraum kontrolliert und verboten werden könnte, wie dies bereits von 160 Ländern im Rahmen der Vereinten Nationen gefordert wurde?

 
  
 

Die Kommission hat das von der Frau Abgeordneten angesprochene und im Oktober 2006 veröffentlichte Dokument über die nationale Weltraumpolitik der USA zur Kenntnis genommen. Es erfasst die ganze Bandbreite der Aspekte von der nationalen Sicherheit bis zu zivilen und wirtschaftlichen Erwägungen. Da die USA ein führender Akteur in der Raumfahrt sind, ist es ganz klar, dass ihre nationale Weltraumpolitik von der Kommission genau analysiert wird.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Weltraumpolitik künftig im Rahmen des regelmäßigen Dialogs erörtert werden wird.

Bei der neuen Weltraumpolitik der USA geht es nicht um die Entwicklung bzw. Stationierung von Waffen im All. Von einer Militarisierung des Weltraums ist im Dokument über die Weltraumpolitik nicht die Rede, und leitende Beamte im Weißen Haus haben öffentlich erklärt, dass es bei dieser Politik darum geht, Infrastrukturanlagen im Weltraum zu verteidigen und nicht darum, ihn durch Waffen zu militarisieren.

Die Kommission führt tatsächlich mit den USA einen Dialog über Weltraumfragen, dessen konstituierende Sitzung im März 2006 stattfand, nachdem auf dem Gipfel EU-USA im Juni 2005 eine grundsätzliche Einigung dazu erzielt worden war. Die Kommission möchte betonen, dass es bei diesem Dialog darum geht, Wege für die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA ausschließlich im Bereich der zivilen Nutzung des Weltraums zu finden.

Im zivilen Bereich ist die Kommission dabei, gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation eine mit einem europäischen Weltraumprogramm einhergehenden europäischen Weltraumpolitik zu entwickeln; beide sollen im Laufe des Jahres 2007 dem Weltraumrat vorgestellt werden.

Ganz allgemein gesprochen verfolgt die EU eine Politik der Nichtverbreitung von Waffen und unterstützt aktiv die internationalen Abrüstungsbemühungen. Die Kommission wird diese Bemühungen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen.

 

Anfrage Nr. 69 von Helga Trüpel (H-0928/06)
 Betrifft: Europe Direct Relais - Finanzierung ab 2007
 

Gerade auf lokaler Ebene kann die Europakommunikation noch verbessert werden. Viele Europe Direct Relais spielen dabei eine wichtige Rolle. Welche Planungen gibt es auf Seiten der Kommission für die weitere finanzielle Unterstützung von Europe Direct Relais? Gibt es schon Überlegungen über die Höhe der Förderung der einzelnen Europe Direct Relais? Wann werden die überarbeiteten Vorschläge veröffentlicht und wann findet die nächste Ausschreibung statt? Welcher Etat ist im Ganzen und für einzelne Relais im Speziellen vorgesehen?

 
  
 

Die Kommission stimmt der Abgeordneten zu, dass Europe Direct Relais eine wichtige Rolle für die Europakommunikation auf lokaler Ebene spielen. Diese stehen daher im Mittelpunkt der EU-Kommunikationsstrategie „Going local“.

Darüber hinaus teilt die Kommission der Abgeordneten mit, dass momentan die Halbzeitbilanz der Finanzregelungen für die Europe Direct Relais (2005 - 2008) ansteht. Deshalb soll im November 2006 zum Ausbau des bestehenden Netzwerks eine weitere Ausschreibung für die Einreichung von Vorschlägen für weitere Relais erfolgen. Die Frist für diese Ausschreibung endet am 31. Dezember 2006.

Um Benachteiligungen bestehender Europe Direct Relais zu verhindern, werden nach wie vor Gesamtmittel in Höhe von 24 000 Euro bereitgestellt. Der Ausbau führt dazu, dass die Gesamtmittel, die für diese Relais in den 25 Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, auf 10 Millionen Euro aufgestockt werden.

Das Europe Direct-Netzwerk wird Ende 2008 umstrukturiert, und zu diesem Zeitpunkt werden sowohl die Gesamtmittel als auch die für die einzelnen Relais bereitgestellten Mittel einer Überprüfung unterzogen.

 

Anfrage Nr. 70 von Athanasios Pafilis (H-0931/06)
 Betrifft: Einsatz von Bomben mit Weißem Phosphor durch die israelische Armee im Libanon
 

Durch offizielle Erklärungen seines Vertreters Ya'akov Edery hat der israelische Verteidigungsminister Amir Peretz zugegeben, dass die israelische Armee während des jüngsten israelischen Angriffs im Libanon gegen Kämpfer der Hisbollah Bomben mit Weißem Phosphor eingesetzt hat.

Diese Erklärungen bestätigen die Klagen Libanons, dass durch Bomben mit Weißem Phosphor eine Vielzahl Unschuldiger, darunter Kinder, ums Leben gekommen seien.

Der Einsatz von Brandwaffen einschließlich Bomben mit Weißem Phosphor ist durch das Protokoll III zum VN-Waffenübereinkommen von 1980 verboten. Verurteilt die Kommission dieses verbrecherische Vorgehen der israelischen Armee gegen das libanesische Volk?

 
  
 

Die Erklärung von Herrn Edery ist der Kommission bekannt. Die Regierung Israels hat zugegeben, dass sie Bomben mit weißem Phosphor einsetzt, wenngleich auch in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.

Im Einklang mit den entsprechenden Schlussfolgerungen des Rates bedauert die Kommission die Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung auf allen Seiten. Sie hat an alle Beteiligten appelliert, alles in ihren Kräften Stehende zum Schutz der Zivilbevölkerung zu tun und alle Maßnahmen zu unterlassen, die Verletzungen des humanitären Völkerrechts darstellen.

Laut dem Protokoll III des Übereinkommens der Vereinten Nationen über bestimmte konventionelle Waffen von 1980 bezieht sich das Verbot von Phosphorbomben auf ihren Einsatz gegen Zivilisten. Minister Jacob Edery bestätigte nur den Einsatz von Bomben gegen militärische Ziele.

In ihren Treffen mit israelischen Behörden hat die Kommission bei einer Reihe von Gelegenheiten die Bedeutung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts betont, wobei sie zugleich Israels Recht auf Selbstverteidigung anerkennt.

 

Anfrage Nr. 71 von Gay Mitchell (H-0934/06)
 Betrifft: Leistungsvergleiche (Benchmarking)
 

Welche konkreten Fortschritte wurden innerhalb der EU bei der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erzielt? Welche Mitgliedstaaten haben die besten Fortschritte erzielt? Werden diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in diesem Zusammenhang besonders ausgezeichnet haben, durch andere Mitgliedstaaten für Leistungsvergleiche herangezogen? Wie trägt die Kommission dazu bei, dass Leistungsvergleiche dieser Art gefördert werden?

 
  
 

Seit der Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Arbeitsplätze 2005 liegt der Schwerpunkt auf der Schaffung eines partnerschaftlichen Ansatzes, bei dem Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene (Nationale Reformprogramme) mit flankierenden Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene (Lissabon-Programm der Gemeinschaft) verbunden werden.

Die Kommission ist gerade dabei, die von den Mitgliedstaaten vorgelegten nationalen Fortschrittsberichte auszuwerten, in denen die im Vergleich zum Vorjahr erreichten Fortschritte bei der Umsetzung der Nationalen Reformprogramme dargestellt werden. Diese Auswertung dient als Zuarbeit für den jährlichen Bericht über die Fortschritte der Lissabonner Strategie, dessen Annahme die Kommission für Dezember 2006 geplant hat. Wie beim Bericht für 2005 enthält der diesjährige Fortschrittsbericht eine allgemeine Beurteilung der Fortschritte der EU auf dem Weg zur Erreichung der Ziele und Vorgaben von Lissabon sowie Kapitel zu einzelnen Ländern, in denen die Lage in jedem Mitgliedstaat analysiert wird. Dabei werden unter anderem die Fortschritte berücksichtigt, die bei verschiedenen Indikatoren in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit erzielt wurden, z. B. der Anteil von FuE(1) am BIP(2) und die Beschäftigungsquote (zur Veranschaulichung von zwei zentralen Prioritäten der Lissabon-Strategie).

Was die Förderung von Leistungsvergleichen (Benchmarking) betrifft, so hat sich der Schwerpunkt im Lissabon-Prozess vom Benchmarking im Sinne der Schaffung von „Ligatabellen“ zur Beurteilung der Fortschritte bezogen auf die Ausgangspunkte und –bedingungen der einzelnen Mitgliedstaaten verschoben. Seit 2005 wird der nationalen Verantwortung für den Reformprozess im Rahmen der neu belebten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung größeres Gewicht beigemessen. Zudem fördert die Kommission den Austausch der besten Strategien zwischen den Mitgliedstaaten, sodass sie aus den Erfahrungen der anderen lernen können.

Die Kommission wird die neu belebte Lissabon-Strategie durch die Förderung des gemeinsamen Verantwortungsgefühls der Mitgliedstaaten und Hauptakteure auch künftig aktiv führen und unterstützen. Dazu dienen sowohl ihre Analysen (zentrale Analyseberichte, wie z. B. der Jahreswirtschaftsbericht 2006 oder der Wettbewerbsbericht 2006) als auch Benchmarkings und Strategieempfehlungen im Jährlichen Fortschrittsbericht (der Bericht für 2006 soll am 12. Dezember 2006 angenommen werden).

 
 

(1)  Forschung und Entwicklung.
(2)  Bruttoinlandsprodukt.

 

Anfrage Nr. 72 von Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (H-0936/06)
 Betrifft: Liberalisierung der Postdienste
 

Die Kommission hat kürzlich (18. Oktober 2006) einen Vorschlag für eine vollständige Öffnung der Postmärkte in der EU für den Wettbewerb bis spätestens 2009 vorgelegt. Damit wird nicht nur die Vollendung des Binnenmarkts in diesem Bereich angestrebt, sondern auch eine Förderung der Innovation und Verbesserung der Dienstleistungen. Darüber hinaus soll den Bedürfnissen der Verbraucher besser entsprochen und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Bereitstellung eines Universaldiensts von hoher Qualität eingelöst werden.

Auf welche quantitativen und qualitativen Kriterien stützt die Kommission ihren Vorschlag? Einige Mitgliedstaaten haben ihre Postmärkte bereits vollständig geöffnet, andere dagegen planen, dies bis 2009 zu tun. Liegen der Kommission Untersuchungen über die Ergebnisse einer vollständigen Öffnung des Marktes für den Wettbewerb in diesen Mitgliedstaaten vor? Was schlägt die Kommission konkret hinsichtlich der Notwendigkeit vor, einen Universaldienst von hoher Qualität zu gewährleisten, und was meint sie mit den flexiblen Optionen zur Finanzierung dieses Diensts?

 
  
 

Die Kommission hat dem Parlament soeben in allen Amtssprachen ihren Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie über die Postdienste und alle Dokumente, die diese unterstützen, zugeleitet. Dazu gehören Berichte der Kommission über die Folgen der vollständigen Marktöffnung auf den postalischen Universaldienst und auf die Anwendung der aktuellen Postrichtlinie sowie eine Folgenabschätzung, in der die Folgen verschiedener Entscheidungsvarianten beurteilt werden.

Diese Dokumente werden von zwei detaillierten Arbeitsdokumenten der Dienststellen der Kommission begleitet und weiterentwickelt. Die Ausarbeitung des Kommissionsvorschlags beruht auf den Ergebnissen einer öffentlichen Konsultation und zahleichen externen Studien, die im Auftrag der Kommission in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden – die jüngste davon im Jahr 2006, sowie auf anderen verfügbaren Informationen. All diese Dokumente könnten auf der eigens dafür eingerichteten Website(1) der Kommission eingesehen werden und enthalten ausführliche Antworten auf die von der Frau Abgeordneten gestellten Fragen, insbesondere zu den Folgen der vollständigen Marktöffnung in den Mitgliedstaaten, sowie Erläuterungen zu den Varianten für die Finanzierung und Sicherung des Universaldienstes.

 
 

(1)  (http://ec.europa.eu/internal_market/post/index_en.htm).

 

Anfrage Nr. 73 von Esko Seppänen (H-0939/06)
 Betrifft: Wirtschaftliche Vorteile aufgrund von Tätigkeiten der EU
 

In einem in der Financial Times vom 10. Oktober 2006 veröffentlichten Artikel erklärte Kommissionsmitglied Günter Verheugen, dass sich die Ausgabenbelastung der Industrie durch die EU-Rechtsvorschriften auf schätzungsweise 600 Mrd. Euro pro Jahr beläuft. Wie hoch sind nach den Schätzungen der Kommission die aufgrund dieser Rechtsvorschriften erzielten zusätzlichen Einnahmen und Gewinne der Industrie?

 
  
 

Der Herr Abgeordnete fragt, inwieweit die Industrie von den Rechtsvorschriften der EU in Form von Einnahmen und Gewinnen profitiert.

Die Vorteile der Rechtsvorschriften der EU lassen sich nicht in vollem Umfang quantifizieren, jedoch ist anhand der vorliegenden Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sie eine beträchtliche Größenordnung annehmen. Beispielsweise sind die Auswirkungen des Binnenmarktprogramms auf mindestens 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt worden. In anderen Studien wurde der Einfluss der wirtschaftlichen Integration der EU-15-Mitgliedstaaten auf ca. 10 % des BIP veranschlagt. Die Autoren der kürzlich vorgelegten Studie „EU accession and income growth“(1) kommen zu dem Schluss, dass sich für die neuen Mitgliedstaaten nach dem EU-Beitritt der Nettonutzen darin niederschlägt, dass die Gesamteinnahmen um bis zu 39 % gestiegen sind und sich der Handel insgesamt um 56 % ausgeweitet hat. Ähnliche Daten wurden im Ergebnis der Analyse vorheriger Erweiterungen ermittelt. So stieg in Spanien die Pro-Kopf-Produktion von 74 % des EU-Durchschnitts im Jahre 1986 auf 84 % fünf Jahre später (2001), und in Portugal war im gleichen Zeitraum eine Steigerung von 62 % auf 75 % zu verzeichnen.

Rechtsvorschriften können die Unternehmen dadurch belasten, dass entweder die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften hoch sind oder dass Informationen über die Einhaltung der Rechtsnormen verlangt werden, was dann als Verwaltungsaufwand bezeichnet wird. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, als die Verringerung des Verwaltungsaufwandes in keiner Weise den Inhalt der zugrunde liegenden Rechtsvorschrift beeinflusst.

Die Kommission schlägt vor, den Verwaltungsaufwand in der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Rechtsetzung auf europäischer und auf nationaler Ebene generell um 25 % zu verringern. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine spezielle Form der Vereinfachung, die sowohl auf der Ebene der Gemeinschaft als auch der der Mitgliedstaaten auf die Berichterstattungsanforderungen abstellt, ohne dass an den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften Abstriche vorgenommen werden. Wie aus kürzlich durchgeführten Simulationen hervorgeht, würde sich die Umsetzung dieses Ziels in einem wirtschaftlichen Nutzen niederschlagen, der mittelfristig gesehen die Größenordnung von 1,1 % bis 1,5 % des BIP bzw. rund 150 Millionen Euro erreichen würde(2).

Allerdings muss der Aufwand, der mit den administrative Berichtserfordernissen verbunden ist, im richtigen Rahmen gesehen werden. Zunächst einmal haben die Berichterstattungsauflagen ihren Ursprung in der Rechtsetzung auf regionaler, einzelstaatlicher und europäischer Ebene. Daher ist die Annahme falsch, dass dann, wenn die EU-Ebene keinerlei Berichtsanforderungen stellen würde, die Zahl automatisch beträchtlich niedriger liegen würde. Dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend handelt die EU nur dort, wo zu Entscheidungen auf einzelstaatlicher Ebene ein zusätzlicher Nutzen erzielbar ist. Somit ist die Annahme gerechtfertigt, dass, gäbe es keinerlei Regelung auf der Ebene der Union, in den meisten Fällen eine entsprechende Regelung auf einzelstaatlicher Ebene getroffen würde, die ebenfalls mit Kosten für die europäische Wirtschaft verbunden wäre. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass der Verwaltungsaufwand für auf dem Binnenmarkt agierende Unternehmen höher wäre, wenn die 25 Länder jeweils eigene Vorschriften erließen. Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass diese gesetzlichen Verpflichtungen bzw. Berichterstattungsanforderungen zum Teil nicht vermieden werden können, da sie zur Überwachung der Einhaltung des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes erforderlich sind oder dem Schutz der Haushaltsführung der Gemeinschaft dienen.

 
 

(1)  Lejour M., Solanic V., Tang P.J.G, „EU accession and income growth“, Schriftenreihe: CPB Discussion Paper, Oktober 2006.
(2)  Promoting Better Regulation (Themenpapier für den Ausschuss für Wirtschaftspolitik) Brüssel, 18. Oktober 2006.

 

Anfrage Nr. 74 von Leopold Józef Rutowicz (H-0940/06)
 Betrifft: Mord am belutschischen Stammesführer Nawab Akbar Bugti
 

Beabsichtigt die Kommission, gegenüber der pakistanischen Regierung den Fall des belutschischen Stammesführers Nawab Akbar Bugti anzusprechen, der von pakistanischen Sicherheitskräften ermordet wurde, weil er dafür kämpfte, dass das Volk der Belutschen mehr wirtschaftliche und politische Rechte erhält?

 
  
 

Die Kommission verfolgt die Lage in Belutschistan sehr genau und ist sich völlig im Klaren darüber, mit welchen Herausforderungen die Regierung Pakistans in dieser Provinz konfrontiert wird, die zu einigen Maßnahmen der Sicherheitskräfte führten, welche großes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten.

Nach der Ausarbeitung zweier von der Regierung finanzierter Senatsberichte möchte die Kommission die Regierung von Pakistan dazu ermutigen, weitere Anstrengungen mit dem Ziel der Herbeiführung einer politischen Lösung in Belutschistan zu unternehmen.

Die Europäische Union hat diese Angelegenheit im Zuge der laufenden Kontakte bei den pakistanischen Behörden angesprochen.

 

Anfrage Nr. 75 von Philip Bushill-Matthews (H-0941/06)
 Betrifft: Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderungen
 

Gibt es Mitgliedstaaten, die derzeit über ein System verfügen, das den offiziellen Behindertenstatus von Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten anerkennt, insbesondere betreffend Ermäßigungen beim Kauf von Waren und Dienstleistungen? Die derzeitige Situation, wobei der Inhaber eines Behindertenausweises im Vereinigten Königreich zum Beispiel in Italien nicht in den Genuss einer Fahrtermäßigung kommen kann, die einem italienischen Behinderten gewährt wird, scheint eine Diskriminierung von nichtitalienischen EU-Bürgern darzustellen. Welchen Vorschlag hätte die Kommission zur Abschaffung dieser Diskriminierung, um zu gewährleisten, dass alle Bürger mit Behinderungen in der gesamten EU gleich behandelt werden?

 
  
 

Der Kommission ist nichts von einer gegenseitigen Anerkennung einer Behinderung und der sich daraus ergebenden gegenseitigen Anerkennung daran geknüpfter Rechte für Menschen mit Behinderungen in der EU bekannt. Zudem ist der Begriff „Behinderung“ in der EU noch nicht einheitlich bestimmt worden. Über diese Frage entscheiden die einzelnen Mitgliedstaaten selbst, so dass aufgrund nationaler Traditionen und Vorschriften bei der Definition des Begriffs „Behinderung“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede bestehen. Ähnlich verhält es sich mit den Geld- und Sachleistungen für Menschen mit Behinderungen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und bei denen es ebenfalls beträchtliche Unterschiede gibt.

Die EU-Vorschriften über das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung gelten zurzeit nur für Beschäftigung, Beruf und berufliche Bildung. Die Kommission hat eine Studie zu den einzelstaatlichen Maßnahmen in Auftrag gegeben, mit denen die Diskriminierung in anderen Bereichen untersagt wird. Die Ergebnisse der Studie sollen im Dezember 2006 vorliegen.

Vor diesem Hintergrund sei darauf verwiesen, dass in der Empfehlung des Rates vom 4. Juni 1998 betreffend einen Parkausweis für Behinderte angestrebt wird, die gegenseitige Anerkennung von Parkausweisen für Behinderte in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum zu gewährleisten, um so die Freizügigkeit von Behinderten in ganz Europa zu erleichtern. Somit wird die gegenseitige Anerkennung durch ein einheitliches Gemeinschaftsmodell erleichtert, das im Anhang zur Empfehlung des Rates, der die praktischen Vorkehrungen zu dieser Karte enthält, erläutert wird. Diese Parkkarten werden gemäß den entsprechenden einzelstaatlichen Vorschriften ausgestellt – da die Mitgliedstaaten für die Definition der Behinderung und die Regeln für die Zuweisung der Parkausweise für Behinderte zuständig sind.

 

Anfrage Nr. 76 von Ivo Belet (H-0943/06)
 Betrifft: Sonntagsöffnung - wettbewerbsverzerrende Auswirkungen
 

In den Niederlanden sind Geschäfte oder Einkaufszentren auch sonntags geöffnet. In Belgien ist dies nicht möglich, es sei denn, eine bestimmte Gemeinde ist als touristisches Zentrum anerkannt. In den Grenzgebieten hat diese ungleiche Situation unverkennbar wettbewerbsverzerrende Auswirkungen.

Wie beurteilt die Europäische Kommission diese Sonntagsöffnung im Zusammenhang mit dem freien Wettbewerb? Führt eine solche Situation nicht unweigerlich zu einem unerwünschten Überangebot durch die Sonntagsöffnungen, die letztlich nur einen geringen oder keinen wirtschaftlichen Mehrwert haben?

 
  
 

Der Kommission ist bekannt, dass die Ladenöffnungszeiten an Sonntagen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt sein können. Bis heute liegen der Kommission keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese unterschiedlichen Regelungen Anlass zur allgemeinen Freigabe der Öffnung am Sonntag geben. Die Unterschiede können aber in Grenzgebieten zu Situationen führen, in denen für Geschäfte ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, und zwar je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie sich niedergelassen haben.

Die Kommission wird dennoch bei ihr eingehende Beschwerden von Unternehmen genau prüfen, wenn diese vorbringen, die unterschiedlichen Regelungen der Öffnungszeiten am Sonntag würden auf dem Binnenmarkt, vor allem in Grenzregionen, Probleme aufwerfen. Bei der Kommission gingen beispielsweise vor kurzem Anfragen ein, in denen es um die Bedingungen ging, die für die Sonntagsöffnungszeiten von Geschäften in Fremdenverkehrsgebieten anzuwenden sind. In solchen Fällen muss die Kommission beurteilen, ob die einzelstaatlichen Vorschriften mit den Grundsätzen des Vertrags vereinbar sind, vor allem mit Artikel 43 und 49 EG-Vertrag, in denen die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr vorgesehen sind.

 

Anfrage Nr. 77 von Panagiotis Beglitis (H-0945/06)
 Betrifft: Finanzierung von Zeitungen und Zeitschriften, die sich mit europäischen Themen befassen
 

Gewährt die Kommission Zeitungen und Zeitschriften in Brüssel Finanzmittel, die journalistisches Material publizieren, das sich mit europäischen Themen und der Funktionsweise der europäischen Institutionen befasst? Wenn ja, welche Zeitungen und Zeitschriften sind dies? Wie groß ist ihre Auflage? Aufgrund welcher Kriterien werden diese Finanzmittel gewährt? Hat die Kommission eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, um zu gewährleisten, dass das Geld des europäischen „Steuerzahlers“ gut verwendet wird, immer wenn auf die europäische Idee aufmerksam gemacht wird?

 
  
 

Die Kommission möchte den Herrn Abgeordneten darüber informieren, dass sie keinerlei Finanzmittel (d. h. keine Zuschüsse) an Zeitungen oder Zeitschriften mit Sitz in Brüssel vergibt, deren Artikel sich mit europäischen Themen und der Funktionsweise der Gemeinschaftsorgane befassen.

 

Anfrage Nr. 78 von Caroline Lucas (H-0946/06)
 Betrifft: FLEGT: Sachstand in Bezug auf die rechtlichen Optionen
 

Der Aktionsplan der Kommission aus dem Jahr 2003 für Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor (FLEGT) beruht weitgehend auf freiwilligen Partnerschaftsabkommen mit einer Reihe von Tropenholzerzeugerländern. Die Kommission hat jedoch selbst zwei bedeutende Schwachstellen in ihrem Konzept eingeräumt: die Tatsache, dass einige Länder dem System nicht angehören, wie beispielsweise Russland, das einer jüngsten Untersuchung zufolge ein bedeutendes Ursprungsland von illegal geschlagenem Holz ist, das auf den EU-Markt gelangt, sowie die Tatsache, dass eine Umgehung des Systems durchaus möglich ist, wie sich beispielsweise bei aus China exportierten Produkten zeigt, die unter Verwendung von illegal geschlagenem Holz aus Russland hergestellt wurden.

Ist sich die Kommission der beeinträchtigenden Auswirkungen bewusst, die diese Probleme auf die Wirksamkeit des Aktionsplans haben werden, und wie beabsichtigt sie, diesen Auswirkungen entgegenzutreten? In welcher Weise wird den Empfehlungen, die in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juli 2005 enthalten sind, bei der Umsetzung des Plans Rechnung getragen? Welches ist der Sachstand und der vorgesehene Zeitplan, was die rechtlichen Optionen betrifft, um deren Vorlage das Parlament die Kommission gebeten hat, und ist auch eine öffentliche Konsultation geplant?

 
  
 

In ihrem Aktionsplan für Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor (FLEGT) bestätigte die Kommission, dass das Problem der Umgehung durch Drittländer bzw. der Nichtteilnahme bestimmter Länder mithilfe bilateraler FLEGT-Partnerschaften nicht lösbar ist. Die Kommission plant, eine Folgenabschätzung zu mehreren Varianten, die sie zur Erhöhung der Wirksamkeit der FLEGT-Initiative einschließlich weiterer Rechtsvorschriften ermittelt hat, durchzuführen. Die Kommission hat für verschiedene Akteure und andere Interessengruppen sowohl aus der EU als auch aus Drittländern Treffen offiziellen wie auch inoffiziellen Charakters ausgerichtet. Die Kommission wird auf der Grundlage des Resultats dieser Maßnahme darüber entscheiden, ob eine öffentliche Konsultation in die Wege zu leiten ist oder weitere Vorschläge notwendig sind.

Die Kommission pflichtet den Empfehlungen bezüglich der besseren Politikgestaltung und Teilnahme an den FLEGT-Partnerschaftsverhandlungen im Allgemeinen bei. Zu den Empfehlungen in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juli 2005 für die Rechtsgrundlage möchte die Kommission erklären, dass sie die Rechtsgrundlage für alle künftigen freiwilligen Partnerschaftsabkommen erst dann vorschlagen wird, wenn der Text eines dieser speziellen Abkommen fertig gestellt sein wird. Hinsichtlich der finanziellen Unterstützung geht die Kommission davon aus, dass im Rahmen des künftigen thematischen Programms „Umwelt und natürliche Ressourcen“ sowie der „geographischen“ Hauptfonds des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit und des Europäischen Entwicklungsfonds Mittel bereitgestellt werden können.

Die Kommission hält das Europäische Parlament über den Stand der FLEGT-Verhandlungen auf dem Laufenden.

 

Anfrage Nr. 79 von Mihael Brejc (H-0948/06)
 Betrifft: Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes
 

Einer der Grundsätze der EU ist die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, so dass sie sich gleichberechtigt am Wettbewerb beteiligen können. Derzeit befinden sich aber einige Mitgliedstaaten wegen der Beschränkungen, die beim freien Personenverkehr und im Schengenraum gelten, in einer ungünstigeren Ausgangsposition. Die meisten dieser Länder weisen gegenüber dem EU-Durchschnitt Entwicklungsrückstände auf. Ihre schnellere Entwicklung wird durch diese Hindernisse zusätzlich erschwert.

Was wird die Kommission unternehmen, um diese Hindernisse rascher zu beseitigen und angemessene Bedingungen für einen reibungslosen Wettbewerb zu schaffen?

 
  
 

Laut dem Beitrittsvertrag haben die Mitgliedstaaten das Recht, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus allen zehn Mitgliedstaaten, die der Union am 1. Mai 2004 beitraten, mit Ausnahme von Arbeitnehmern aus Malta und Zypern, bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen. Die Übergangsregelungen werden nach der Formel „2 plus 3 plus 2“ in drei verschiedene Phasen unterteilt, die sich über einen Zeitraum von sieben Jahren erstrecken, wobei während jeder dieser Phasen eigene Bedingungen gelten.

In einem Bericht an den Rat über die erste Phase der Übergangsregelungen (1. Mai 2004 – 30. April 2006) kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Gefahr negativer Auswirkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht besteht und dass die Mitgliedstaaten, die ihre Arbeitsmärkte geöffnet haben, sich die positiven Effekte dieser Entscheidung zunutze machen konnten. Sie forderte die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, bei der Vorbereitung ihrer Absichtserklärungen für die zweite Phase (1. Mai 2006 – 30. April 2009) die im Bericht der Kommission enthaltenen statistischen Angaben und ihre Schlussfolgerungen gebührend zu berücksichtigen.

Die Kommission begrüßt die Entscheidung einer beachtlichen Zahl von Mitgliedstaaten, die in der zweiten Phase ihre Beschränkungen aufgehoben haben: Außer dem Vereinigten Königreich, Irland und Schweden, die ihre Märkte schon in der ersten Phase vollständig geöffnet hatten, beschlossen auch Spanien, Portugal, Griechenland und Finnland, ihre Arbeitsmärkte ab 1. Mai 2004 zu öffnen, Italien tat dies zum 21. Juli 2006. Zusammen mit den Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande), durch vereinfachte Verfahren einen leichteren Zugang zu bestimmten Sektoren/Berufen zu ermöglichen, zeigt dies, dass sich die meisten Mitgliedstaaten der EU-15 darin einig sind, dass die 2004 erfolgte Erweiterung im Wesentlichen positive Auswirkungen auf die EU insgesamt hat.

Bezüglich des freien Personenverkehrs im Schengen-Raum sei betont, dass an den Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand im vollen Umfang anwenden, und den im Mai 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten weiterhin Personenkontrollen durchgeführt werden, weswegen alle Personen beim Überschreiten dieser Grenzen nach wie vor Grenzkontrollen unterzogen werden. Es sollte jedoch unterstrichen werden, dass alle EU-Bürger das Recht haben, diese Grenzen zu überschreiten, wofür sie lediglich einen gültigen Reisepass bzw. Personalausweis vorzulegen brauchen.

 

Anfrage Nr. 80 von Monica Frassoni (H-0951/06)
 Betrifft: Europäische Schulen - Beschwerdekammer
 

Die Kommission ist aktives Mitglied des Obersten Rates der Europäischen Schulen. Wie beurteilt sie die Tätigkeit der Beschwerdekammer, die im Bereich des Systems der europäischen Schulen eingesetzt wurde? Ist ihr bewusst, dass alle bislang von der Beschwerdekammer ergangenen Entscheidungen wegen mangelnder Zuständigkeit der Kammer unzulässig sind? Ist ihr bekannt, dass die Richter der Kammer nie zusammengetreten sind und dass offenbar die bislang getroffenen Entscheidungen durch informelle Verfahren (Telefonkontakte und E-Mails) erfolgt sind? Trifft es zu, dass die Kommission, nach Stellungnahme ihres Juristischen Dienstes, sich im Obersten Rat gegen die Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse der Beschwerdekammer ausgesprochen hat? Was gedenkt die Kommission konkret zu tun, damit das System der europäischen Schulen dem Legalitätsprinzip unterworfen und daher die gerichtliche Überprüfung der von den Organen der Europäischen Schulen gefassten Beschlüsse vorgesehen ist, insbesondere betreffend Disziplinarangelegenheiten und das Recht auf Anmeldung der Schüler?

 
  
 

Die Beschwerdekammer(1) ist ein vom Obersten Rat der Europäischen Schulen unabhängiges Spruchorgan. Ihre Mitglieder werden aus einer vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dafür erstellten Liste von Personen ausgewählt, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und als fähige Juristen gelten.

Die Kommission kann der Frau Abgeordneten nicht beipflichten, dass alle bislang von der Beschwerdekammer ergangenen Entscheidungen wegen mangelnder Zuständigkeit der Kammer unzulässig sind. Die Kammer wurde zwischen 2005 und 2006 in 35 Streitfällen angerufen, von denen nur 9 wegen Nichtzuständigkeit abgelehnt wurden. In 11 Fällen hat die Kammer eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Die anderen Fälle sind entweder aus Verfahrensgründen unzulässig oder noch anhängig. Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass die Kammer in der Sache selbst entscheidet, wann immer dies möglich ist.

Es trifft nicht zu, dass die Mitglieder der Kammer nie zusammengetreten sind und dass die bisherigen Entscheidungen durch informelle Verfahren ergangen sind. Die Beschwerdekammer arbeitet gemäß den Bestimmungen des Kapitels IV ihrer Satzung und tritt regelmäßig an ihrem Sitz in Brüssel in öffentlichen Sitzungen zusammen, die über die Website der Europäischen Schulen(2) angekündigt werden. Darüber hinaus kann der Vorsitzende der Kammer für die Kommunikation mit den anderen Kammermitgliedern außerhalb der in Brüssel abgehaltenen Sitzungen eigenverantwortlich die Kommunikationsmittel nutzen, die ihm am geeignetsten erscheinen.

Die Kommission hat sich im Obersten Rat gegen die Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse der Beschwerdekammer auf alle Streitfälle ausgesprochen, die im System der Europäischen Schulen auftreten können. Sie verweist darauf, dass die Unterzeichner der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen den Europäischen Schulen keine vollständige Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit gewähren wollten. Eine Ausweitung der Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit auf andere als bislang erfasste Fragen könnte nur aus einer Änderung der Vereinbarung selbst oder einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen den Unterzeichnern und nicht aus einem einseitig vom Obersten Rat erlassenen Akt resultieren. Im Übrigen haben der Oberste Rat und der Verwaltungs- und Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass die Zuweisung genereller Zuständigkeiten an die Beschwerdekammer weitreichende Konsequenzen für ihre Struktur und ihre Arbeitsweise hätte und schwer zu beziffernde Ausgaben nach sich ziehen würde, die wahrscheinlich mit denen des Gerichts erster Instanz vergleichbar wären.

Zur Beantwortung des letzten Teils der Anfrage der Frau Abgeordneten möchte die Kommission feststellen, dass das System der Europäischen Schulen in keiner Weise von der Anwendung des Legalitätsprinzips ausgenommen ist, da für alle Fälle, die nicht in die Zuständigkeit der Beschwerkammer fallen, die einzelstaatlichen Rechtsprechungsorgane zuständig sind.

Es ist klarzustellen, dass Disziplinarangelegenheiten Gegenstand eines in Artikel 44 der Allgemeinen Ordnung der Europäischen Schulen detailliert festgelegten Verfahrens sind, das dem Verteidigungsrecht breiten Raum einräumt, und dass gegen jeden Ausschluss von der Schule für mehr als zwei Wochen Beschwerde vor dem Generalsekretär der Europäischen Schulen und gegebenenfalls vor der Beschwerdekammer eingelegt werden kann. Hingegen fallen eventuelle Streitfälle bezüglich der Zulassung der Schüler, über die gegenwärtig ausschließlich der jeweilige Direktor entscheidet(3), gemäß Artikel 46 der Allgemeinen Ordnung der Europäischen Schulen nicht in die Zuständigkeit der Beschwerdekammer, sondern in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte.

 
 

(1)  Errichtet nach Artikel 27 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen.
(2)  http://www.eursc.org.
(3)  In Zukunft die Zentrale Zulassungsstelle mit Sitz in Brüssel.

 

Anfrage Nr. 81 von Ryszard Czarnecki (H-0953/06)
 Betrifft: Regionalpolitik der Europäischen Union nach dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens
 

Inwiefern wird sich die Regionalpolitik der Europäischen Union nach dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Hinblick auf die Sanierung alter Mietshäuser ändern?

 
  
 

Nach dem Beitritt zur EU werden die am 5. Juli 2006 angenommenen Verordnungen 1080/2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und 1083/2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds für die neuen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien gelten.

Laut Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gilt Folgendes:

„2. Ausgaben für den Wohnungsbau sind nur in den Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union am 1. Mai 2004 oder danach beigetreten sind, und unter den nachstehenden Voraussetzungen förderfähig:

(a) die Ausgaben sind im Rahmen einer Maßnahme für integrierte Stadtentwicklung oder einer Prioritätsachse zugunsten von Stadtvierteln, die von Verfall und sozialer Ausgrenzung geprägt oder bedroht sind, vorgesehen;

(b) die Fördermittel für Wohnungsbauausgaben dürfen 3 % der dem betreffenden operationellen Programm aus dem EFRE zugewiesenen Finanzmittel oder 2 % der gesamten EFRE-Zuweisung nicht übersteigen;

(c) die Ausgaben beschränken sich auf

- Mehrfamilienhäuser oder

- Gebäude, die Eigentum staatlicher Stellen oder gemeinnütziger Unternehmungen sind und als Wohnraum für Haushalte mit niedrigem Einkommen oder für Menschen mit besonderen Bedürfnissen genutzt werden.“

In der Verordnung der Kommission mit den Durchführungsbestimmungen für den Zeitraum 2007-2013 wird eine Liste von Kriterien definiert, die benötigt wird, um die unter Buchstabe (a) genannten Bereiche zu bestimmen. Die Verordnung der Kommission wird wahrscheinlich am 6. Dezember 2006 angenommen.

Bulgarien und Rumänien arbeiten und handeln zum gegenwärtigen Zeitpunkt, so wie alle Mitgliedstaaten, ihre Programmplanungsdokumente (den einzelstaatlichen strategischen Rahmenplan und die operationellen Programme) aus.

Im Rahmen der Strukturfondszuweisungen bestimmt der Mitgliedstaat die Prioritätsachse, die aus den Mitteln der verschiedenen operationellen Programmen finanziert wird, wobei die strategischen Leitlinien der Gemeinschaft für die Kohäsion und die Verordnungen des Rates für die einzelnen Fonds berücksichtigt werden.

Folglich werden die neuen Mitgliedstaaten über die Höhe der Mittel aus dem EFRE zu entscheiden haben, die für städtebauliche Entwicklung und insbesondere für die Finanzierung der Sanierung alter Mietshäuser unter den oben definierten Bedingungen zugewiesen werden.

 

Anfrage Nr. 82 von Luís Queiró (H-0954/06)
 Betrifft: Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft durch die Gemeinschaft
 

Die Umweltschutzdimension in der europäischen Landwirtschaft und ihr Beitrag zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums haben große Bedeutung, und die Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft sind herausragende Instrumente für die Förderung bewährter Umweltschutzpraxis und der Entwicklung des ländlichen Raums. Welchen Wert haben die genannten Maßnahmen nach Auffassung der Kommission als Instrumente zur Förderung bewährter Umweltschutzpraxis in der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raums?

In welchem Umfang ist die Verwirklichung der Ziele der Politik auf diesem Gebiet beeinträchtigt, wenn die im Gemeinschaftshaushalt für diese Maßnahmen verfügbaren Mittel nicht verwendet werden? Welche Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene sind vorgesehen, um gegen die Kluft zwischen den von den Mitgliedstaaten vorgelegten Vorausschätzungen und der tatsächlichen Ausführung der Mittel vorzugehen? Bereitet diese Kluft der Kommission Sorge? Inwieweit kann diese Kluft einem Mitgliedstaat und/oder seinen Landwirten schaden? Worin bestehen die Initiativen bzw. Maßnahmen der Kommission, durch die verhindert wird, dass die vorgesehenen und im Gemeinschaftshaushalt veranschlagten Mittel für Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft nicht ausgezahlt werden? Welchen Umfang haben die im Gemeinschaftshaushalt für Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft vorgesehenen Mittel, die für Portugal in den Jahren 2004 und 2005 verfügbar waren und nicht genutzt wurden? Wo liegt der Gemeinschaftsdurchschnittswert für die Nichtverwendung der Mittel für solche Maßnahmen in den genannten Jahren?

 
  
 

Zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Gebiete wird den Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft von der Kommission angesichts der immer stärkeren Nachfrage der Gesellschaft nach ökologischen Dienstleistungen eine herausragende Rolle zugewiesen. Verordnung (EG) Nr. 1257/1999(1) des Rates legt den Rahmen fest, in dem europäischen Landwirten der Anreiz gegeben werden soll, im Dienste der gesamten Gesellschaft umweltfreundliche Verfahren beizubehalten, die dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt, der natürlichen Ressourcen, der Böden und der genetischen Vielfalt sowie des Erhalts der Landschaft und des ländlichen Lebensraums dienen. Im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates(2) werden Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Umwelt und des ländlichen Lebensraums, zu denen auch Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft gehören, im Programmplanungszeitraum 2007-2013 weiterhin eine herausragende Rolle spielen, wobei auf den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) eine Gesamtbeteiligung von mindestens 25 % entfällt. Auch die Tatsache, dass die Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft im Rahmen dieser Politik die einzigen obligatorischen Maßnahmen für die Mitgliedstaaten sind und bleiben werden, zeigt, dass ihnen die Kommission allerhöchste Priorität beimisst.

Die von der Kommission verabschiedeten Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum schaffen den rechtlichen Rahmen und stellen die notwendigen EU-Haushaltsmittel für konkrete Maßnahmen bereit, um die Gesamtziele der Europäischen Union für den Umweltschutz und die Entwicklung des ländlichen Raums zu erreichen. Die Kommission beschließt jährlich die EU-Gesamtmittelzuweisung für jeden Mitgliedstaat. Die Mitgliedstaaten sind dafür zuständig, diese jährliche Summe unter Berücksichtigung ihres konkreten Bedarfs den einzelnen Maßnahmen ihrer Programme zuzuweisen. In Bezug auf die Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft haben die Mitgliedstaaten beispielsweise die Möglichkeit, die Zuweisung und/oder den Inhalt der Maßnahme für die gesamte Durchführungszeit zu ändern, um eine bessere Ausschöpfung zu erzielen. Alle Abweichungen der tatsächlichen Umsetzung von den Schätzungen seitens der Mitgliedstaaten fallen einzig und allein in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und die Kommission hat keine Möglichkeit, eine Nichtauszahlung der Mittel zu verhindern. Unser aller Anliegen ist es natürlich, dass diese Programme die bestmöglichen Ergebnisse zeitigen, und es ist immer bedauerlich, wenn in einem Mitgliedstaat einige Maßnahmen nicht finanziert werden können, wodurch die volle Entfaltung des Potenzials der spezifischen Programme behindert wird.

Es ist aus diesen Gründen nicht möglich, einen Durchschnittswert für die Nichtverwendung der im Haushalt der Europäischen Union 2004 und 2005 für Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft vorgesehenen Mittel anzugeben. Die Kommission kann Ihnen allerdings mitteilen, dass in diesen beiden Jahren in den Ländern der EU15 insgesamt 3.937,257 Millionen Euro aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, ausgegeben wurden. Davon wurden 161.451 Millionen Euro durch Portugal ausgegeben.

 
 

(1)  Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL). ABl. L 160 vom 26.6.1999.
(2)  Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). ABl. L 277 vom 21.10.2005.

 
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