Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Kathy Sinnott im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Prävention von Verletzungen und zur Förderung der Sicherheit (KOM(2006)0329 – C6-0238/2006 – 2006/0106(CNS)) (A6-0398/2006).
Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Mitgliedern des Ausschusses, der mit der Empfehlung des Rates zur Prävention von Verletzungen und zur Förderung der Sicherheit befasst war, meinen Dank für all ihre harte Arbeit aussprechen. Meine besondere Anerkennung gilt Frau Sinnott für ihre Bemühungen im Zusammenhang mit dieser wichtigen Initiative. Darüber hinaus möchte ich der österreichischen Ratspräsidentschaft für die Veranstaltung einer Konferenz während ihrer Amtszeit danken, was ebenfalls zu diesem Thema beigetragen hat.
Die Kommission begann im Rahmen des ehemaligen Gemeinschaftsprogramms zur Prävention von Verletzungen mit der Förderung von Maßnahmen in diesem Bereich und dies wird im Rahmen des aktuellen Programms im Bereich der öffentlichen Gesundheit fortgesetzt. Wie Sie wissen, stellen Verletzungen nach Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Krebs und Atemwegserkrankungen die vierthäufigste Todesursache in den Mitgliedstaaten dar. Alljährlich sterben rund 235 000 Menschen infolge von Unfällen oder gewaltbedingten Verletzungen. Von den mehr als 50 Millionen Bürgern, die sich einer medizinischen Behandlung aufgrund von Verletzungen unterziehen, werden rund 6,8 Millionen in ein Krankenhaus eingewiesen. Unbeabsichtigte und beabsichtigte Verletzungen gelten als Hauptursache chronischer Behinderungen bei jungen Menschen und führen zu einem erheblichen Verlust an gesunden Lebensjahren. Bei den über 65-Jährigen stellen Unfälle und Verletzungen eine der Hauptursachen für Todesfälle und Behinderungen dar und lösen oft eine fatale Verschlechterung des Gesundheitszustands aus.
Andere Bereiche, wie Heim-, Freizeit- und Sportunfälle sowie Unfälle in benachteiligten Bevölkerungsgruppen, also bei Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen, standen weniger im Zentrum des Interesses. Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der schweren Unfälle vermieden werden könnten und dass ein Rückgang um ein Viertel innerhalb der kommenden zehn Jahre eine realistische Zielvorgabe darstellt. Aber um Maßnahmen planen zu können, braucht man natürlich unbedingt verlässliche Informationen zu Verletzungen in Europa. Informationen zu Verletzungen sind auch unentbehrlich, um die Ergebnisse unserer Bemühungen und Maßnahmen zu bewerten.
Die Kommission hat in ihrer Mitteilung „Maßnahmen für ein sichereres Europa“ einen Aktionsplan zur Verhütung von Verletzungen und Förderung von Sicherheitsmaßnahmen aufgestellt. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, vergleichbare nationale Pläne zur Verletzungsprävention zu schaffen. Diese Pläne sollten einen Rahmen für Maßnahmen bilden, für die die betreffenden Partner und Beteiligten in die Pflicht genommen und institutionelle Verantwortlichkeiten festgelegt werden und die auf bewährten Verfahren für die Förderung der Sicherheit basieren.
Die Empfehlung des Rates zur Prävention von Verletzungen und zur Förderung der Sicherheit ist ein erster Schritt, um die Anstrengungen der Kommission und der Mitgliedstaaten mit Blick auf Maßnahmen für ein sichereres Europa zu verbinden und damit die individuelle und gesellschaftliche Belastung durch Verletzungen zu senken. Mit einem solchen gemeinsamen Ansatz, indem wir voneinander lernen, können wir schnellere und wirksamere Ergebnisse erzielen. Wir hoffen und erwarten, dass sich die Unfall- und Verletzungssituation in den Mitgliedstaaten innerhalb der kommenden Jahre deutlich verbessern wird.
Ich möchte noch einmal der Berichterstatterin und dem Ausschuss danken. Ich erwarte eine ausgesprochen interessante Aussprache.
Kathy Sinnott (IND/DEM), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Eine Verletzung kann ein Leben innerhalb von Sekundenbruchteilen zerstören oder verändern. Verletzungen können unfallbedingt, beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein. Sie verursachen alljährlich den Tod von einer Viertel Million Menschen und 65 Millionen medizinische Behandlungen. Bei einer so weit verbreiteten, ernsten und vermeidbaren Angelegenheit wie Verletzungen liegt die Herausforderung darin, Leben zu retten und die Gesundheit zu schützen. Aus diesem Grund war es für mich sowohl eine Herausforderung als auch ein Privileg, diesen Bericht zu erstellen.
Ich habe in diesem Bericht, der sich vor allem auf die Erhebung von Verletzungsdaten konzentriert, empfohlen, dass wir zur Förderung der Sicherheit und der Prävention von Verletzungen verlässlichere Daten benötigen. Es hilft uns nicht bei der Prävention, wenn wir die Gesamtzahl der Verkehrstoten kennen. Wir müssen in Erfahrung bringen, wieso eine Verletzung in den einzelnen Fällen zum Tode geführt hat. Waren es der Zustand oder der Typ des Fahrzeugs; kam der Fahrer zu Tode, ein Beifahrer oder ein Passant; waren Alkohol, überhöhte Geschwindigkeit oder schlechtes Wetter im Spiel; wie sahen die Straßenverhältnisse aus? Eine solche Aufstellung müssen wir für alle Verletzungstypen vornehmen, wenn wir Leben retten wollen. Wir können nicht erwarten, jede Art von Verletzung genauestens analysieren zu können, doch wir sollten und müssen ein System der Datenerfassung errichten, mit dem die Verletzungsfaktoren aller Unfälle mit tödlichem Ausgang oder mit schweren Verletzungen eingehender geprüft werden, um diese künftig wirksamer vermeiden zu können.
Diesen Ansatz verfolge ich in meinem Bericht, den der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit ausdrücklich unterstützt hat. Es mag schwierig erscheinen, diese Informationen zu erfassen, doch eigentlich liegen zahlreiche Informationen bereits vor: Versicherungsunternehmen verfügen über ausführliche Angaben zum Unfallhergang; die Polizei kann Angaben zu gewaltbedingten und selbst zugefügten Verletzungen bereitstellen. Wir müssen Fachleute für die Berichterstattung über Verletzungen ausmachen und mit ihnen zusammenarbeiten, um die Informationen zu erhalten, auf deren Grundlage wir tatsächlich Verletzungen vermeiden und die Sicherheit fördern können.
Mit dem Kommissionsdokument hat das Verletzungs- und Sicherheitsüberwachungssystem einen festen Platz in allen künftigen Gesundheitsprogrammen erhalten. Auf diese Weise wäre die Finanzierung des Systems gesichert, unabhängig davon, ob es sich als wirksam oder vorteilhaft erweist. Eine grundlegende Initiative zur Verletzungsprävention und Sicherheitsförderung ist nach unserer festen Überzeugung derart wichtig, dass sie innerhalb der Gesundheitsprogramme eine eigene Linie erhalten sollte. Darüber müssen wir noch einmal ausführlicher nachdenken, wenn wir uns mit den Gesundheitsprogrammen befassen. Dementsprechend sollte diese spezielle Empfehlung auch noch nicht an die Gesundheitsprogramme gebunden, sondern parallel zu diesen betrachtet werden. Deshalb hat der Ausschuss für Umweltfragen jeden Hinweis auf Gesundheitsprogramme aus dem Dokument gestrichen.
Die Kommission hat sieben Schwerpunkte genannt, die wir um Verletzungen und Sicherheit am Arbeitsplatz ergänzt haben, und wir haben zudem die Bedeutung der häuslichen Gewalt gegenüber Frauen und Kindern betont. Eine Änderung, um die ich bitten möchte, ist die Streichung von Änderungsantrag 4, über den wir morgen getrennt abstimmen werden. Darin heißt es: „Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich ist die Hauptursache für Tod und Invalidität bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren.“ Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ohne Frage ein Verbrechen, und ich setze mich ausdrücklich für Änderungsanträge ein, in denen dies hervorgehoben wird. Doch eine Empfehlung zur Vorlage verlässlicherer Daten darf nicht selbst unrichtige Daten enthalten. Die statistischen Angaben, die dieser Änderungsantrag zur Haupttodesursache nennt, sind nicht zutreffend. Gerade erst im Oktober war in einer Veröffentlichung von Eurostat zu lesen, dass Verkehrsunfälle und Selbstmord die Haupttodesursache bei Frauen dieser Altersgruppe darstellen.
Um die Verletzungsüberwachung auszuweiten, haben wir Hinweise auf risikoreiches Verhalten, Drogen und Alkohol, geschlechtsbezogene Erwägungen sowie soziale und Umweltbedingungen mit aufgenommen. Auch die Selbstbeschädigung wurde aufgrund der steigenden Zahlen berücksichtigt. Darüber hinaus haben wir die Liste der stark gefährdeten Gruppen um Jugendliche, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Frauen erweitert. Diese Liste ist nicht erschöpfend.
Ich unterstütze die Änderungsanträge zu Verletzungen der im Gesundheitsbereich tätigen Arbeitnehmer mit Injektionsnadeln. Wir kennen die Lösung. Derartige Verletzungen lassen sich leicht vermeiden und sind daher einfach unentschuldbar.
Es liegt auf der Hand, dass Verletzungen die Wirtschaft stark belasten. Mir geht es jedoch um die Verletzten und ihre Familien. Meiner Ansicht nach können wir Verletzungen am besten vermeiden und die Sicherheit fördern, wenn wir dem Menschen einen höheren Stellenwert einräumen. Mit einem Meisterwerk der Renaissance geht man viel vorsichtiger um als mit einem Poster aus einer Illustrierten. Wir müssen uns wieder auf den Menschen und seinen Wert als zentralen Beweggrund besinnen.
Einige Verletzungen wird es geben, nicht alle lassen sich vermeiden, doch wenn wir ihre Ursachen besser nachvollziehen können, werden Produkte und Verhaltensweisen sicherer und die Zahl der Verletzungen wird sinken. Wir werden jedoch keinen grundlegenden Einfluss auf ihre Zahl ausüben können, wenn die Menschen nicht erkennen, dass jedes Menschenleben wertvoll ist und dass der Verlust oder die Invalidisierung schon eines einzigen Menschen einen großen Verlust für uns alle darstellt. Wenn wir dies begreifen, werden wir andere und uns selbst wie das Meisterwerk behandeln, das wir sind, und wir werden erkennen, dass wir alle für unsere und die Sicherheit des anderen verantwortlich sind. Dies ist der Beweggrund von Änderungsantrag 21, und darum möchte ich die Kommission darauf hinweisen, dass die Verletzungsproblematik weitaus mehr beinhaltet als nur die wirtschaftliche Belastung.
Antonios Trakatellis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Vor acht Jahren hatte ich die Ehre, der Berichterstatter für ein Programm zur Prävention von Freizeitverletzungen zu sein. Damals war ich erstaunt über die große Zahl solcher Verletzungen, die deutlich machte, dass wir hier ein ernsthaftes Problem haben.
Ich möchte darauf hinweisen, dass Frau Sinnott einen ausgezeichneten Bericht vorgelegt hat. Ich habe dazu ebenfalls mit meinen eigenen Änderungsanträgen beigetragen, um zu gewährleisten, dass, wenn in Zukunft ein Gemeinschaftsmechanismus – also ein „Registrierungssystem für Verletzungen“ – geschaffen wird, dieses System die Entwicklung nationaler Präventionspolitiken unterstützen kann. Denn durch die systematische Datenerhebung werden die Ursachen dieser Verletzungen aufgedeckt, also das, was wir Verletzungsfaktoren nennen. Meiner Ansicht nach sollten die von der Berichterstatterin genannten Hauptursachen ausschließlich im Zusammenhang mit der effektiven Prävention von Verletzungen untersucht werden. Ich schlage vor, dass wir unser besonderes Augenmerk auf die Frage der älteren Menschen richten, die die Mehrzahl der Opfer ausmachen. Auch sollten wir uns auf Verletzungen konzentrieren, die von der Gewalt gegen Frauen herrühren und die es meines Erachtens in ziemlich großer Zahl gibt. Darüber hinaus sollten wir uns natürlich auch mit Straßenverkehrsunfällen, Sportunfällen und Unfällen, die durch Produkte und Dienstleistungen hervorgerufen werden, befassen.
Um die Effektivität zu erhöhen und die Kosten zu senken, ist es meiner Ansicht nach notwendig, die bestehenden Programme und Infrastrukturen (Datenbanken und so weiter) einzubeziehen, denn die Kommission führt bereits einige Programme zu dieser Thematik durch. Es liegen also Daten vor, die sie berücksichtigen muss, wenn sie ihren Vorschlag für das Parlament ausarbeitet. Mithilfe dieses Mechanismus werden detaillierte Informationen gesammelt, die von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihrer nationalen Verletzungsüberwachungssysteme bereitgestellt werden, wodurch ein leichter Zugang zu Informationen und bewährten Praktiken ermöglicht wird.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen, dass der Tod tausender Menschen und die finanziellen Schäden, die ursächlich auf Verletzungen zurückzuführen sind, eine offene Wunde für die Europäischen Gemeinschaften darstellen. Sie wird nicht leicht verheilen. Wir haben jedoch nach wie vor die Option, in Zukunft einen Gemeinschaftsmechanismus zur Datenerhebung einzurichten, der uns bei der effektiven Prävention solcher Verletzungen behilflich sein wird.
Edite Estrela, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zahlen belegen, dass es notwendig ist, die Bürger vor den Folgen gefährlicher Verhaltensweisen zu warnen. Wie viele Unfälle unterschiedlichster Art werden durch Alkoholismus oder Drogenkonsum verursacht? Und wie viele schwere Verletzungen von Kindern sind die Folge, wenn die Erwachsenen nicht aufpassen und Kinder beispielsweise Reinigungsmittel trinken oder Arzneimittel schlucken. Jährlich sterben zirka 235 000 Bürger Europas in Folge von Verletzungen nach Unfällen oder Gewaltanwendung; das sind mehr als 600 Todesopfer pro Tag allein in der Europäischen Union. Das sind alarmierende Zahlen, da sie Leid und persönliche Tragödien darstellen, aber auch wegen der volkswirtschaftlichen Kosten und der Kosten, die für den Staatshaushalt entstehen.
Fest steht, dass für Unfälle und Verletzungen ein hoher menschlicher Preis gezahlt wird – vorzeitiger Tod, ein Leben mit Behinderungen über viele Jahr hinweg –, aber sie bringen auch hohe Kosten durch die erforderliche medizinische Versorgung mit sich und verursachen der Gesellschaft Verluste durch entgangene Produktivität. Verletzungen können sehr wohl verhindert werden. Dazu müssen die Menschen eine gesündere Lebensweise annehmen und die Lebensbedingungen sicherer gestaltet werden. Vorbeugen ist besser als Heilen.
Das Verletzungsrisiko ist in den Mitgliedstaaten und in den sozialen Gruppen ungleich verteilt. Die Risikofaktoren werden auch durch das Umfeld zu Hause und bei der Arbeit bestimmt. Das Alter und das Geschlecht müssen ebenfalls in Erwägung gezogen werden. Deshalb habe ich einen Änderungsantrag eingereicht, damit die Geschlechterperspektive in alle Bereiche einschließlich der Gesundheitspolitik aufgenommen wird. Dazu müssen quantitative geschlechterspezifische Studien durchgeführt und Mittel nach dem Grundsatz der geschlechtergerechten Haushaltserstellung bereitgestellt werden, denn von meinen Vorrednern wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass häusliche Gewalt, die Gewalt gegen Frauen, ebenfalls eine bedeutende Ursache für Verletzungen darstellt, die in erster Linie für die Frauen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt schrecklich sind.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst möchte ich Frau Sinnott zu ihrem hervorragenden Bericht gratulieren, der unsere volle Unterstützung verdient. Das Thema dieses Entwurfs einer legislativen Entschließung ist zweifellos überaus wichtig, geht es doch um die frühzeitigen Todesfälle von mehr als 200 000 Unionsbürgern in jedem Jahr und die Verletzung von mehreren Millionen Menschen in den 25 Mitgliedstaaten. Einige dieser Verletzungen sind grauenhaft, und viele führen dazu, dass Tausende Betroffene ihr Leben lang entstellt sein werden oder mit schweren Behinderungen leben müssen.
Die zwei Hauptaspekte der Prävention von Unfallverletzungen sind die Risikoerkennung und -bewertung sowie eine angemessene Mitteilung und Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen. Frau Sinnott weist zu Recht darauf hin, dass der Bericht des Rates neben der Erfassung von Verletzungsinformationen durch ein Überwachungssystem zusätzlich auch die Sicherheitsförderung und das Risikobewusstsein innerhalb der Bevölkerung stärker betonen muss. Ich möchte nur auf einen der zahlreichen schweren und lebensgefährlichen Risikofaktoren eingehen: Alkohol und die Straßenverkehrssicherheit.
In diesem Bereich gibt es in Sachen Prävention noch viel zu tun. Alkohol am Steuer ist ausgesprochen gefährlich, vor allem, weil der Alkohol unsere höheren Gehirnfunktionen unterdrückt, was zur Beeinträchtigung der sinnlichen Wahrnehmung, zur verminderten Reaktionsfähigkeit, zur Störung des Bewegungsapparats und zu einem verringerten Gefahrenbewusstsein führt. So war Alkohol in der Vergangenheit weltweit für den Tod von Millionen Verkehrsteilnehmern verantwortlich. Dennoch – vielleicht aus Unwissenheit oder wohl eher infolge der intensiven Lobbyarbeit der Alkoholindustrie – begreifen wir nicht, dass weitaus drastischere Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer erforderlich sind. Stattdessen will man uns glauben machen, dass Alkoholkonsum innerhalb gewisser Grenzen, in den meisten Mitgliedstaaten 0,5 Promille, keine Gefahr darstellt.
Dies halte ich für völlig falsch. Es gibt keine sichere Grenze für Alkohol am Steuer. Alkohol wirkt sich selbst in kleinsten Mengen in einem gewissen Umfang auf die Gehirntätigkeit aus. Fahrer oder Fahrerinnen mit einem Blutalkoholgehalt von 0,2, 0,3 oder 0,4 Promille mögen zwar gesetzlich berechtigt sein, ein Fahrzeug zu führen, doch sie laufen ein weitaus höheres Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden als jemand, der völlig nüchtern ist.
Durch unsere staatlichen Bildungssysteme wie auch durch unsere Rechtssysteme wird unseren Fahrern ein falsches Sicherheitsgefühl vermittelt, und sie wiegen sich in dem Glauben, dass sie im Straßenverkehr sicher sind, so lange sie nicht übermäßig trinken. Dies ist sträflich, und wir müssen das korrigieren, indem wir uns für eine Null-Promille-Grenze für Autofahrer einsetzen. Nur dann können wir darauf hoffen, dass die Zahl der Todesfälle durch alkoholbedingte Straßenverkehrsunfälle deutlich zurückgeht. Aber – und leider gibt es in der Politik immer ein „aber“ – wie viele von uns sind gewillt und in der Lage, den Kampf für eine gesetzlich festgelegte Null-Promille-Grenze für Autofahrer aufzunehmen, und wie viele von uns werden dies politisch überstehen, wenn wir bei diesem Kampf in eine direkte Auseinandersetzung mit der Alkoholindustrie geraten?
Ich möchte mit einer wichtigen Weihnachtsbotschaft zur Verletzungsprävention an unsere Bürger schließen: Alkohol, in großen wie in kleinen Mengen, ist eine ernstzunehmende Todesursache im Straßenverkehr, und der einzig sichere Blutalkoholgehalt für Autofahrer sind Null Promille.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Ich möchte mich denen anschließen, die die Empfehlungen des Rates unterstützen. Darüber hinaus möchte ich der Berichterstatterin für die Erstellung des Berichts des Europäischen Parlaments danken.
Der Hauptgrund für das Verfassen dieses Berichts wurde heute Abend mehrmals genannt. Täglich sterben 600 Menschen aufgrund von Unfällen und Verletzungen, was einer Viertelmillion Menschen jährlich entspricht. Diese Zahlen drücken zum einen die Trauer und den schmerzlichen Verlust aus, den die Familien erleiden, und zum anderen dürfen wir nicht vergessen, dass Unfälle und Gewalt im sozialen und wirtschaftlichen Leben auch eine große finanzielle Belastung für den Staat darstellen.
In vielen Mitgliedstaaten müssen die Krankenhäuser die Wirksamkeit der Behandlung, beispielsweise bei Krebspatienten, genauestens prüfen. Die Behandlung von Unfall- und Gewaltopfern bringt enorme Ausgaben mit sich, obwohl diese Leiden vermeidbar sind. Jedes Jahr werden sieben Millionen Menschen in der Europäischen Union in Krankenhäuser eingewiesen und brauchen 65 Millionen Menschen eine medizinische Behandlung. Anhand dieser Statistiken wird das enorme Leid der Betroffenen deutlich.
Daher bin ich davon überzeugt, dass der Vorschlag für gemeinsame Verfahren der EU-Mitgliedstaaten zur Senkung der Anzahl der Unfall- und Gewaltopfer äußerst effektiv ist. Mithilfe genauer Statistiken, die die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten widerspiegeln, werden wir die Präventionsmethoden genauer benennen können. Wenn bekannt ist, dass über 65-Jährige 16 % der EU-Bevölkerung ausmachen und in 40 % der tödlichen Unfälle verwickelt sind, sollten wir eine Reihe von Kampagnen starten, die die Bevölkerung auf diese Problematik aufmerksam machen, oder Schutzmaßnahmen einführen, die sich an Menschen in dieser speziellen Altersgruppe richten. Eine weitere wichtige Gruppe, bei der wir uns mit der Unfall- und Gewaltvermeidung befassen sollten, sind die jungen Menschen. Sportverletzungen ereignen sich relativ häufig unter der Aufsicht von Trainern und bei Freizeitbeschäftigungen. Wir müssen unsere Gesundheit und die unserer Mitbürger achten. Gemeinsam sollten wir gegen die tägliche Gewalt vorgehen, der wir durch das Fernsehen, durch Filme und bei Kinderspielen ausgesetzt sind und die häufig zu diesem unerwünschten Verhalten in unserer Gesellschaft anstacheln.
Horst Schnellhardt (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Die Bemühungen der Kommission, die hohe Zahl von Unfällen und Verletzten zu senken und die Situation in den Mitgliedstaaten signifikant zu verbessern, sind sicherlich begrüßenswert, und die Berichterstatterin hat ja auch einiges dazu gesagt. Aber glauben wir denn wirklich, dass mit diesen Maßnahmen die Unfälle in den Ländern seltener werden? Ich glaube, genau das Gegenteil wird der Fall sein. Wir binden mit diesen Maßnahmen Mittel in den Ländern, die genau für diese Maßnahmen eingesetzt werden können.
Ich will eine Bemerkung zu den Kosten machen, die immer aufgezählt werden. Natürlich beunruhigt mich die Zahl der Verletzten. Heute habe ich bei REACH gelesen, wie viel an Gesundheitskosten wir senken werden, wenn wir hier eine Verbesserung hinbekommen. Die Zahlen sind natürlich richtig, aber wir werden sie nicht erreichen. Das, was wir mit diesem Dokument erreichen, ist Bürokratie, obwohl wir alle schwören, dass wir Bürokratie in der Europäischen Union ablehnen und verringern wollen. Die Staaten in der Europäischen Union sind doch in dieser Problematik gut aufgestellt. Sie erheben ihre Statistiken, sie treffen die nötigen Maßnahmen, sie kennen die Situation vor Ort doch viel besser als wir in Brüssel oder Straßburg. Wenn wir uns einbilden, wir könnten durch unsere Statistiken den Mitgliedstaaten etwas Neues erzählen, dann gehen wir doch einen Irrweg. Das ist ein falscher Weg. Man kann doch nicht, wenn wir z. B. das Autofahren nehmen, hier von Brüssel aus das Verhalten der Autofahrer in Sizilien oder Finnland beeinflussen. Das kann man nur tun, indem man Maßnahmen vor Ort durchführt, und deswegen sind solche Maßnahmen nur in der Subsidiarität und nur dort zu regeln. Ich möchte das ein wenig übertrieben darstellen: Wenn Sie heute sagen, beim Gardinenaufhängen fallen viele Menschen von der Leiter und verletzen sich, dann kann man in einigen Staaten feststellen, dass – weil es dort traditionell keine Gardinen gibt, auch keine Unfälle zu verzeichnen sind. Wer will denn das noch vergleichen? So ist es mit vielen anderen Dingen auch. Ich denke also, wir gehen hier einen falschen Weg, wir sollten diese Maßnahmen noch einmal überdenken und uns auf bilaterale Maßnahmen konzentrieren, die wirklich zur Senkung von Unfällen führen. Mit diesem Vorschlag wird das aber nicht erreicht werden.
Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich danke den Damen und Herren Abgeordneten für eine interessante Aussprache. Ich teile mit den meisten von Ihnen die Enttäuschung darüber, dass es in der Europäischen Union nach wie vor so viele vermeidbare Ursachen für Verletzungen, Todesfälle und Krankheiten gibt und wir weitaus mehr dagegen unternehmen könnten. Diese Beiträge sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung und tragen zu unseren Bemühungen bei. Mir ist bewusst, dass sich das Europäische Parlament im Bereich der Verletzungsprävention immer engagiert gezeigt hat, und die heutige Aussprache ist ein Beweis für das Interesse an dieser Angelegenheit.
Für uns und für mich persönlich steht der Mensch, stehen die Menschen im Mittelpunkt meiner Politik. Dies ist die Realität. Doch heutzutage müssen wir auch zugeben, dass nicht alle Entscheidungsträger dies als ihren alleinigen Beweggrund ansehen. Wenn wir also in der Lage sind, unsere Argumente also mit finanziellen und wirtschaftlichen Argumenten zu untermauern, können wir diesem Anliegen noch besser dienen. Das heißt nicht, dass dies die Priorität oder der Hauptbeweggrund wäre, aber es ist hilfreich. Neben dem menschlichen Leid, dem Schmerz und den sozialen Auswirkungen von Verletzungen können sie auch zu ernsten Schwierigkeiten für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten führen, und deshalb sind aus dieser Sicht ebenfalls Investitionen notwendig.
Was nun den Standpunkt der Kommission zu den verschiedenen Änderungsanträgen angeht, so kann die Kommission zahlreiche Änderungen vollständig akzeptieren, beispielsweise 5, 18 und 21, sowie teilweise die Änderungsanträge 7, 11, 15, 16 und 17. Die vollständige Liste der Standpunkte der Kommission zu den einzelnen Änderungsanträgen wird dem Parlament zur Verfügung gestellt, und ich gehe davon aus, dass sie in die Mitschrift dieser Sitzung aufgenommen wird(1).
Den Änderungsantrag, der die Streichung der Finanzierungsmechanismen im Aktionsprogramm für den Bereich der öffentlichen Gesundheit betrifft, müssen wir ablehnen, weil wir keine andere Möglichkeit haben und wir aus rechtlichen Gründen keinen Änderungsantrag akzeptieren können, der Unterstützung aus dem Kohäsions- und den Strukturfonds erhält. Unter diesen Umständen müssen wir also darauf bestehen, dass die Finanzierung aus den Aktionsprogrammen für den Bereich der öffentlichen Gesundheit beibehalten wird.
Im Mittelpunkt dieses Vorschlags steht natürlich die Information, denn ohne die richtigen Informationen werden wir keine Maßnahmen, keine Zielsetzungen festlegen können, wir werden nicht wissen, ob wir unsere Zielvorgaben erreichen. Die meisten Mitgliedstaaten benötigen Hilfe, und dies lässt sich anhand der Ergebnisse und der uns vorliegenden Informationen und basierend auf dem Vertrag und den Politikmaßnahmen zur Ergänzung und Unterstützung der Bemühungen der Mitgliedstaaten und bei der Abstimmung der Politik von Mitgliedstaaten unabhängig von Politikmaßnahmen zeigen, was ja der Grund für diesen Vorschlag ist. Es stimmt, dass es hier und dort Informationen gibt, doch wir müssen sie alle bündeln, damit wir voneinander lernen und unter Beweis stellen können, dass die Europäische Union eine Union der Solidarität und der Zusammenarbeit ist, in der wir aus den Erfahrungen der anderen Staaten lernen und einander helfen können, damit nicht jeder einzelne Mitgliedstaat diesen Lernprozess auf Kosten von Menschenleben und der Gesundheit der Unionsbürger durchlaufen muss. Dies ist unsere Aufgabe, und ich denke, wir können den Austausch von bewährten Praktiken, von Informationen und eine enge Zusammenarbeit hier nutzbringend einsetzen. Darauf zielt dieser Vorschlag ab, und ich danke Frau Sinnott und dem Parlament noch einmal für ihre Unterstützung für unseren Vorschlag.
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Dienstag um 11.30 Uhr statt.