9. Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Zertifizierung von Triebfahrzeugführern – Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr (Aussprache)
Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über:
– die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (05895/2/2006 – C6-0309/2006 – 2004/0047(COD)) (A6-0475/2006) (Berichterstatter: Georg Jarzembowski);
– die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen (05893/5/2006 – C6-0310/2006 – 2004/0048(COD)) (A6-0480/2006) (Berichterstatter: Gilles Savary);
– die Empfehlung für die zweite Lesung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr (05892/1/2006 – C6-0311/2006 – 2004/0049(COD)) (A6-0479/2006) (Berichterstatter: Dirk Sterckx).
Georg Jarzembowski (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, lieber Herr Vizepräsident der Kommission, sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Als Berichterstatter des Europäischen Parlaments empfehle ich dem Parlament, dass morgen die nationalen Eisenbahnnetze nicht nur – wie auch vom Rat vorgesehen – ab dem Jahre 2010 für den grenzüberschreitenden Personenverkehr aller Eisenbahngesellschaften – ob staatlich oder privat, und gleich aus welchem Herkunftsland – geöffnet werden, sondern dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auch für den nationalen Personenverkehr geöffnet werden.
Das Europäische Parlament vertritt diese Auffassung schon seit dem Jahre 2003. Wir sind immer der Auffassung gewesen, dass der europäische Binnenmarkt endlich auch im Eisenbahnsektor verwirklicht werden muss, um so über einen fairen Wettbewerb unter den Eisenbahngesellschaften vermehrte und günstigere Angebote für die Bahnreisenden zu ermöglichen.
Um dem Rat entgegenzukommen, Frau Staatssekretärin, der immer noch Bedenken hat gegen eine aus seiner Sicht zu schnelle Öffnung der Netze für den privaten Personenverkehr, schlägt der Ausschuss nun als Datum für die Netzöffnung für den nationalen Verkehr, das Jahr 2017 vor. Und die Staaten, die erst am 1. Mai 2004 oder später beigetreten sind, sollen diese Frist sogar noch einmal um fünf Jahre hinausschieben können, um ihren Eisenbahngesellschaften mehr Zeit für die Vorbereitung auf den Binnenmarkt und den Wettbewerb zu ermöglichen.
Frau Staatssekretärin und Herr Kommissar, eigentlich müssten wir einer Meinung sein, dass für die Mitgliedstaaten 10 oder 15 Jahre wirklich ausreichen müssen, um ihre Eisenbahnunternehmen kunden- und nachfragegerecht umzugestalten. Denn die Bürger haben einen Anspruch auf einen effektiven und preisgünstigen Personenverkehr auch im nationalen Bereich. Nur so wird der Eisenbahnsektor eine gegenüber dem Auto und dem Flugzeug wettbewerbsfähige Zukunft haben.
Abgesehen von kleineren Änderungen ist der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr mit Rat und Kommission darin einig, dass die Mitgliedstaaten ihre Netze nicht oder nur teilweise öffnen müssen, wenn durch eine Netzöffnung der Personenverkehr im Regional- und Nahverkehrsbereich gefährdet würde. Da sind wir einer Meinung, denn der Regional- und der Nahverkehr sind für unsere Bürger auch aus Umweltgründen von zentraler Bedeutung.
Was allerdings das ganze große Paket betrifft, das sich der Rat ausgedacht hat, um die Netzöffnung weiter zu beschränken, Frau Ratspräsidentin, da sind wir nicht Ihrer Meinung. Der Ausschuss schlägt vor, die Einführung des Kriteriums des Hauptzwecks sowie den Vorrang der langfristigen Konzessionsverträge abzulehnen. Ich finde es sehr schön, dass die portugiesische Präsidentschaft in Anlage II zum Gemeinsamen Standpunkt genau diese Haltung des Parlaments teilt. Denn wenn man die Erfordernisse des Binnenmarkts – der längst hätte verwirklicht sein sollen – gegenüber den speziellen Interessen des öffentlichen Personen- und Regionalverkehrs abwägt, ist die Einschränkung der Netzöffnung bereits durch die Sondervorschrift zugunsten des ÖPNV ausreichend sichergestellt.
Der Ausschuss ist meiner Empfehlung nicht gefolgt, die vom Rat überraschend eingefügte allgemeine Zwangsabgabe aller Personenverkehrsformen zugunsten des ÖPNV ersatzlos zu streichen; er empfiehlt vielmehr Änderungen.
Im Vermittlungsverfahren sollten Parlament und Rat noch einmal gemeinsam darüber nachdenken, inwieweit eine derartige Zwangsabgabe tatsächlich sach- bzw. systemgerecht ist oder nur die Gefahr birgt, einer gezielten Hemmung der Netzöffnung Vorschub zu leisten.
Ferner empfiehlt der Ausschuss die Übernahme der neuen Regelung zum Transit sowie die Annahme der Ausnahmen für Malta und Zypern und der geänderten Formulierungen zur Änderung der Richtlinie 14/2001 zugunsten einer effektiveren Hochgeschwindigkeitsstreckenplanung.
Ich appelliere an Sie, Herr Barrot, als Vizepräsidenten der Kommission, dass sich die Kommission den Inhalten des Parlaments anschließt. Die Aussagen Ihrer Mitarbeiter im Ausschuss, sie sähen keine Gründe für die Netzöffnung auch für den nationalen Verkehr, stehen nämlich meiner Meinung nach im Widerspruch zur langjährigen Überzeugung der Kommission.
Ich darf daran erinnern, dass die Kommission im Jahre 1985 das berühmte Weißbuch zum europäischen Binnenmarkt herausgegeben hat. Wenn man das verinnerlicht, ist doch klar, dass seitdem der Grundsatz gilt, dass nicht die Vollendung des Binnenmarkts, sondern die Verweigerung des Binnenmarkts eine Begründung braucht, und hierfür haben Sie keine geliefert.
Zum Schluss appelliere ich an die Ratspräsidentschaft, unverzüglich das Vermittlungsverfahren einzuleiten, denn ich glaube nicht, dass Sie die Vorschläge des Parlaments in toto annehmen werden. Lassen Sie uns gleich im Februar mit dem Vermittlungsverfahren anfangen, so dass wir im Sommer unter deutscher Präsidentschaft fertig sind. Ich glaube, wir brauchen dieses dritte Eisenbahnpaket für die Bürger und für die Wirtschaft Europas. Lassen Sie es uns gemeinsam im Sommer beschließen.
Gilles Savary (PSE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine Ehre, Ihnen meinen Bericht über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern vorzustellen, die die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem der Gemeinschaft bedienen.
Eingangs möchte ich sagen, dass diese Angelegenheit exemplarisch und ausgesprochen ungewöhnlich ist, denn es geht um die Übernahme eines sektorbezogenen sozialpolitischen Abkommens in das Gemeinschaftsrecht, wobei es sich in diesem Fall um ein bestehendes Abkommen zwischen den europäischen Eisenbahnunternehmen und ihren Angestellten handelt. All dies wird von den Texten abgedeckt, doch im Allgemeinen wiegen wir uns in Sicherheit und entfernen uns von diesem Abkommen zwischen den Eisenbahnbediensteten und den Chefs der Eisenbahnunternehmen oder allgemeiner betrachtet zwischen den Angestellten und dem Management, obwohl dies doch eigentlich der falsche Weg ist, wenn sich alle Beteiligten von einem europäischen Vorhaben und einer Richtlinie betroffen fühlen. Ich bin wie auch andere der Meinung, dass wir das so dringend benötigte Europa der Schiene nicht ohne die dazugehörige Zustimmung der Bahnbediensteten aufbauen können. Sie müssen davon überzeugt sein, dass es dabei nicht darum geht, eine Art wirtschaftlichen Bürgerkrieg zwischen den Eisenbahnunternehmen zu beginnen, sondern das Eisenbahnwesen weiterzuentwickeln.
Dies ist ein Text mit eindeutigem Beispielcharakter. Außerdem möchte ich Herrn Jarzembowski, mit dem ich in dieser Frage nie übereingestimmt habe, sagen, dass es nicht ausreicht, einfach nur Liberalisierungstermine festzulegen, um einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Ein solcher Kampf um die Termine schränkt uns ungemein ein. Zum Aufbau dieses Binnenmarktes müssen wir erst einmal für die Interoperabilität der Züge sorgen, was zunächst umfangreiche Finanzmittel erfordert. In diesem Zusammenhang habe ich den Eindruck, dass der Liberalisierungszug weitaus schneller vorankommt als der Haushalts- oder der Interoperabilitätszug.
Was wiederum die Richtlinie anbelangt, so wird sie wenig Folgen für das Vereinigte Königreich haben, weil das Staatsgebiet nur über einen Tunnel zu erreichen ist und es nur wenige Landgrenzen gibt. Auch Spanien wird davon wegen seiner abweichenden Spurbreite nicht allzu sehr betroffen sein, genauso wenig wie einige andere Staaten, die nicht unbedingt über direkte Eisenbahngrenzen mit der Union verfügen. Dabei denke ich an Finnland und Griechenland. Bei der Liberalisierung geht es daher also eigentlich um die Interoperabilität, und mein Bericht bezieht sich auf die menschliche Interoperabilität, also auf die Anerkennung des Führerscheins für Triebfahrzeugführer innerhalb der gesamten Union.
Ich möchte heute den Abgeordneten für ihre hervorragende Arbeit danken. Zur Richtlinie habe ich folgende Anmerkungen. Zunächst geht es um eine Zertifizierung für das gesamte und nicht nur für das internationale Netz, denn wir gehen davon aus, dass jeder Triebfahrzeugführer die Möglichkeit haben muss, auch auf internationaler Ebene tätig zu sein. Und wir sehen keine großen Unterschiede darin, einen TGV, also einen Hochgeschwindigkeitszug, innerhalb eines Mitgliedstaates oder über die Grenze zu fahren. Dies ist meines Erachtens von entscheidender Bedeutung.
Schließlich besteht der entscheidende Beitrag des Parlaments – der auch zu einer Meinungsverschiedenheit mit dem Rat geführt hat – in seiner Überzeugung, dass das Zugpersonal, das für die Sicherheit der Züge mit verantwortlich ist, in einem künftigen Text berücksichtigt werden muss, und wir schlagen hierfür einen Fahrplan vor. Mitglieder des Zugpersonals retten immer wieder Menschenleben, weil sie in bestimmten Aufgaben geschult wurden: Evakuierung von Zügen, Schutz der Fahrgäste, Signalgebung, Aktivierung bestimmter Alarmkreise. Es ist völlig legitim, dass diese qualifizierten Bediensteten eine Anerkennung erhalten und vor allem dass ihre Befähigungsnachweise in allen europäischen Staaten harmonisiert werden, um zu vermeiden, dass einige von ihnen unterqualifiziert sind. Dies ist eine Frage der Sicherheit und nicht nur eine soziale Erwägung.
Das Parlament hat dazu einen Vorschlag vorgelegt, und wir halten schnelles Handeln für dringend geboten: In der heutigen Zeit gibt es mehrere Eisenbahnunternehmen, und da wir mit der Schaffung eines Europas der Schiene befasst sind, ist es völlig legitim, Vorschriften für Ausgleichszahlungen zwischen Eisenbahnunternehmen festzusetzen, die von ihnen ausgebildete Mitarbeiter austauschen. Anders formuliert, wenn ein Unternehmen viel Geld in die Ausbildung eines Triebwagenführers investiert und dieser Fahrer das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren wechselt, dann bedarf es Mindestvorschriften, die den neuen Arbeitgeber des Fahrers verpflichten, dem Ausbildungsunternehmen einen Teil der Kosten zu erstatten. Da es keine Eisenbahnhochschule gibt, wird die Ausbildung derzeit von bestimmten und insbesondere von den traditionellen Unternehmen sichergestellt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Unternehmen, die sich neu auf dem Markt profilieren, dies zunutze machen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit über die Preise zu stärken.
Herr Kommissar, ich bin der Auffassung, dass sie den Vorschlägen des Europäischen Parlaments folgen sollten. Mir sind die nach wie vor bestehenden Meinungsverschiedenheiten mit dem Rat wohl bekannt, vor allem diejenigen, auf die ich soeben eingegangen bin und die sich auf den Anwendungsbereich beziehen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass der Standpunkt des Parlaments richtig ist. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Abstimmung unserer Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr einstimmig ausgefallen ist. Wir verfügen damit über eine starke Ausgangsposition, die wir in der Vermittlung wie auch bei allen anderen Dossiers geltend machen werden, beispielsweise beim Bericht von Herrn Jarzembowski. Wenn ich richtig verstanden habe, spricht er sich für die Liberalisierung aus, doch mir ist nicht ganz klar...
(Der Präsident bittet den Redner, zum Schluss zu kommen.)
Ich möchte lediglich „Ja“ zur Liberalisierung sagen, sofern sie gewissen Regeln unterliegt und die öffentlichen Betriebe erhalten bleiben.
Dirk Sterckx (ALDE), Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissar! Bei den uns hier vorliegenden Berichten geht es darum, die europäischen Eisenbahnen für die Benutzer attraktiver zu gestalten. Ein für die Europäische Union in dieser Hinsicht seit Jahren wichtiger impulsgebender Faktor ist die Öffnung des Marktes, wodurch mehr in die Schienenwege investiert und die Dienstleistungsqualität verbessert wird. Dies ist ja auch das Ziel der Arbeit zur Entschließung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste.
Seit der Vorlage des Kommissionsvorschlags ist in erster Lesung sowie mit dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates und der Abstimmung in unserem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr viel getan worden. Den Kolleginnen und Kollegen, die daran beteiligt waren, und insbesondere den Schattenberichterstattern möchte ich für ihren Beitrag zu diesem Bericht herzlich danken.
Was wir jetzt erstellen, ist meiner Ansicht nach eine umfassende und praktikable Zusammenstellung von Rechten, die die Haftung der Eisenbahnunternehmen bei Unfällen regelt. Hoffentlich werden wir nie einen erleben, aber falls doch, dann sollte dies europaweit einheitlich gehandhabt werden. Diese Rechte betreffen auch Bereiche wie die Betreuung und die Entschädigung von Fahrgästen bei Verspätungen, verpassten Anschlüssen und Zugausfällen; die Zugänglichkeit von Zügen und Bahnhöfen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität; die Mitnahme von Gepäck und größeren Gegenständen wie Fahrrädern und Kinderwagen; die Bereitstellung von Fahrkarten, und hier möchte ich die Kolleginnen und Kollegen auffordern, nicht übers Ziel hinauszuschießen und die Rentabilität der Eisenbahnunternehmen zu gefährden, indem komplizierte und zu teure Systeme vorgeschrieben werden, von denen nur wenige Personen Gebrauch machen. Stattdessen sollten wir für Personen, die mit der Bahn reisen möchten, eine breite Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Fahrkarten gewährleisten. Zugleich müssen die Informationen für Fahrgäste klar und zugänglich sein, und es muss ein Beschwerdeverfahren geben, über das alle Bescheid wissen und zu dem jedermann leichten Zugang hat.
Die Ratspräsidentin möchte ich ersuchen, ihre Kollegen zu überreden, noch einen Punkt hinzuzufügen, nämlich dass die Bürger und Bahnreisenden in den Bahnhöfen und Zügen über die gesamte Regelung ihrer Rechte genauestens aufzuklären sind.
Ich denke, es ist uns gelungen, ein sehr ausgewogenes Paket an Rechten zu schnüren. Wo noch Meinungsverschiedenheiten gegenüber dem Rat bestehen, werden wir hoffentlich mit einem konstruktiven Dialog im Vermittlungsverfahren einen Kompromiss erzielen können.
In einem Punkt jedoch unterscheiden sich der Standpunkt des Rates und der des Parlaments erheblich: Wir können nicht verstehen, weshalb alle diese Rechte nicht für sämtliche Fahrgäste im Eisenbahnverkehr gelten sollen. Wenn jemand einen Unfall erleidet und dabei verletzt wird, ist es dann wichtig, ob er in einem grenzüberschreitenden oder nicht grenzüberschreitenden Zug sitzt?
Die Haftung muss für alle Fahrgäste im Eisenbahnbereich innerhalb der Europäischen Union klar und verständlich geregelt sein. Züge und Bahnhöfe müssen zugänglich sein, ob ich den Zug in einem Rollstuhl besteigen möchte oder ob dieser Zug von Hannover nach Amsterdam oder von Hannover nach Berlin fährt.
Deshalb möchte ich den Rat bitten, seinen diesbezüglichen Standpunkt aufzugeben und sicherzustellen, dass allen Eisenbahnfahrgästen die ihnen zustehenden Rechte gewährt werden. Dann würden nämlich alle Unionsbürger, wo immer sie in der Europäischen Union einen Zug besteigen, wissen, dass sie Anspruch auf ein Bündel an Grundrechten haben. Ihnen wäre bewusst, dass sie, wenn sie den Zug nehmen, die Vielfalt der Europäischen Union seelenruhig genießen können.
Da diese Vielfalt der Europäischen Union, wie Frau Merkel heute Vormittag ausführte, die Seele Europas ist, möchten wir alle ermutigen, diese Seele Europas wenn möglich per Zug kennen zu lernen.
Karin Roth, amtierende Ratspräsidentin. – Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vertretung von Bundesminister Tiefensee, der wegen eines wichtigen Termins leider hier nicht teilnehmen kann, bedanke ich mich für die Gelegenheit, heute vor Ihnen zu sprechen.
Wir stehen am Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft und haben mit der anstehenden Abstimmung zu den Vorschlägen des Dritten Eisenbahnpakets gleich eines der wichtigsten Dossiers in diesem Halbjahr im Verkehrsbereich auf der Agenda. Mit diesen drei Maßnahmen kommen wir der vollständigen Marktöffnung und damit der Vollendung des Europäischen Eisenbahnraums ein deutliches Stück näher. Sie setzen fort, was wir gemeinsam mit den ersten Maßnahmenkatalogen begonnen haben.
Mit dem im Jahr 2001 beschlossenen Ersten Eisenbahnpaket haben wir es den einzelnen Schienengüterverkehrsunternehmen ermöglicht, das Netz der Nachbarbahnen im grenzüberschreitenden Verkehr tatsächlich selbständig zu nutzen.
Einen weiteren Meilenstein für die dringend erforderliche Realisierung eines einheitlichen Eisenbahnmarktes in Europa hat die Verabschiedung des Zweiten Eisenbahnpakets gebracht. Damit ist erreicht worden, dass zum 1. Januar 2007 die Öffnung der Märkte für den Güterverkehr Realität geworden ist. Das ist ein großer Fortschritt, auf den Rat und Parlament gleichermaßen stolz sein können.
Diese Marktöffnung brauchen wir dringend, denn der Güterverkehr wächst immens. Wem sage ich das! Nach den Berechnungen der Kommission wird es im Güterverkehr auf den Straßen bis zum Jahr 2020 eine Zunahme von 45 % – das sind 1,5 Millionen zusätzliche Lkw – geben. Im Gegensatz zur Straße verfügt die Schiene noch über ein hohes Potenzial, das wir nutzen können. Wir brauchen also dringend vor allem mehr Güterverkehr auf der Schiene.
Wenn die Marktöffnung also nicht nur ein Datum bleiben soll, müssen wir sie mit Leben erfüllen und alles daran setzen, dass die noch bestehenden Hindernisse zügig abgebaut werden. Dazu gehört unter anderem auch, dass das Personal, das den Güterverkehr durchführt – insbesondere die so genannten Triebfahrzeugführer – ungehindert auch tatsächlich grenzüberschreitend eingesetzt werden kann. Derartige Regelungen sind in der so genannten Richtlinie zur Zertifizierung von Triebfahrzeugführern festgelegt, die hier zur Entscheidung vorliegt.
Ich sehe bei diesem Rechtsakt zwischen Rat und Parlament keine großen Differenzen, möchte aber auf zwei Punkte eingehen: Zum einen wünscht der Ausschuss nunmehr – unter durch Änderung von Artikel 1 der Richtlinie –, dass auch das Personal, das nicht als Triebfahrzeugführer fungiert, wohl aber sicherheitsrelevante Aufgaben wahrnimmt, auch dieser Zertifizierung unterliegen soll. Grundsätzlich ist dieser Ansatz richtig. Nur: Um welche Personen geht es dabei? Der Begriff „Sonstiges Personal, das mit Sicherheitsaufgaben betraut ist“ ist so wenig konkret, dass wir gar nicht wissen, wer darunter fallen wird.
Meines Erachtens ist es aber sinnvoll, dass wir dies erst einmal klären. Erst dann können wir darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Bedingungen eine Zertifizierung notwendig ist. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates hat diesem Punkt Rechnung getragen. Im Gemeinsamen Standpunkt ist geregelt, dass die Einbeziehung des weiteren Personals durch die Europäische Eisenbahnagentur geprüft wird. Die Eisenbahnagentur kann uns also dabei helfen, herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Zertifizierung über die Triebfahrzeugführer hinaus noch sinnvoll ist. Wir sollten die Ergebnisse der Prüfung der Eisenbahnagentur erst einmal abwarten, bevor wir diesen Punkt in der Richtlinie vorschnell regeln.
Zum Zweiten wird mit dem Abänderungsantrag 23 vorgeschlagen, dass bei einem Wechsel des Triebfahrzeugführers zu einem anderen Unternehmen per Gesetz ein Ausgleich für die Ausbildungskosten erfolgen sollte. Inhaltlich besteht zwischen Rat und Parlament darüber Konsens. Aber warum sollten wir das durch ein Gesetz regeln, wenn vertragliche Lösungen viel besser sein könnten? Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates ist vorgesehen, dass die Übernahme der Ausbildungskosten per Vertrag durch die Sozialpartner geregelt werden soll. Insoweit gibt es in der Sache keine Differenzen.
Nun möchte ich zum zweiten Rechtsakt des Dritten Eisenbahnpakets überleiten, zum Vorschlag über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste. Dieser hat nicht nur die Verbesserung der Rechte der Verbraucher zum Inhalt, sondern fördert auch die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs in der Gemeinschaft nachhaltig. Auch ist auf die Bedeutung dieses Verordnungsentwurfs für Personen mit eingeschränkter Mobilität hinzuweisen, für die Bahnreisen beträchtlich erleichtert werden sollen.
Der Gemeinsame Standpunkt des Rates deckt sich in vielerlei Hinsicht mit den Forderungen des Europäischen Parlaments. So werden etwa die COTIF/CIV-Bestimmungen über die Haftung von Eisenbahnunternehmen für Personen- und Gepäckschäden und den Abschluss von Beförderungsverträgen aufgenommen.
Differenzen bestehen aber insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Verordnung. Abweichend vom Gemeinsamen Standpunkt fordert der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments, dass die Verordnung grundsätzlich für den inländischen Eisenbahnverkehr gelten soll. In diesem Punkt war die Einigung im Rat jedoch besonders schwierig. Der mit dem Gemeinsamen Standpunkt gefundene Kompromiss sollte daher aus Sicht der Präsidentschaft nicht gefährdet werden.
Dies gilt auch für den dritten und letzten Rechtsakt des Dritten Eisenbahnpakets, die Richtlinie zur Liberalisierung. Der Gemeinsame Standpunkt, den wir mit allen Mitgliedstaaten unter großen Anstrengungen erreicht haben, sieht vor, dass die internationalen Märkte für den Personenverkehr ab 2010 unter Einbeziehung der Kabotage im Zusammenhang mit einer internationalen Fahrt, zunächst aber unter Verzicht auf eine Öffnung der nationalen Netze geöffnet werden sollen. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments dem Datum 2010 für den internationalen Verkehr zustimmt.
Bei dem sehr schwierigen Thema der Öffnung der nationalen Netze haben Sie als Parlament einen neuen Kompromiss vorgeschlagen. Diese Bewegung ist ausdrücklich anerkennenswert. Wir haben aber große Zweifel daran, dass dieser Vorschlag einigungsfähig ist. In dieser Hinsicht stellt auch dieser Kompromissvorschlag eine Abkehr von dem bisherigen schrittweisen Vorgehen bei der Liberalisierung dar. Deswegen ist zu befürchten, dass von vielen Mitgliedstaaten dieser neue Kompromiss auch nicht als Kompromiss angesehen wird.
Bei der nationalen Öffnung stellt sich vor allem die Frage, ob wir hier nicht viele Mitgliedstaaten überfordern. Im Hinblick auf die angestrebte gemeinsame Verabschiedung aller drei Gesetzgebungsvorschläge muss die Frage erlaubt sein, ob wir uns nicht mit Maximalforderungen beim Personenverkehr die viel dringenderen Lösungen im Güterverkehr verbauen.
Mir ist bewusst, dass es nicht leicht sein wird, hier zu einer Verständigung zu gelangen. Die Schienenpersonenverkehrsdienste in Europa müssen attraktiv und verlässlich gestaltet werden. Parlament und Rat müssen daher eine gemeinsame Verantwortung wahrnehmen und dieser auch nachkommen.
Ich glaube sagen zu können, dass das Dritte Eisenbahnpaket für uns alle zu wichtig ist, als dass wir nicht alle an einer Einigung interessiert wären. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird alles daran setzen, es zu einem Erfolg zu führen und den dringend erforderlichen integrierten Eisenbahnraum zu realisieren. Dies erfordert mutige Veränderungen, aber auch Augenmaß und zuweilen auch ein bisschen Geduld. Rat und Parlament haben schon oft ihren guten Willen bewiesen und aus gegensätzlichen Positionen einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss gefunden.
Wir haben keine Scheu davor, in einem vernünftigen Vermittlungsverfahren nach einem tragfähigen Kompromiss zu suchen. Ich appelliere aber an das Parlament, nicht mit einer Vielzahl von schwerwiegenden Änderungsanträgen die Konsensfindung von vornherein zu einem kaum erreichbaren Ziel zu machen. Ich denke, die Botschaft ist angekommen!
(Beifall)
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich über den Erfolg, den das Dritte Eisenbahnpaket seit März 2004 verzeichnen kann. Es handelt sich um eine Sammlung von Legislativvorschlägen mit einer gewissen fachlichen und rechtlichen Komplexität. Außerdem möchte ich ganz besonders den Herren Jarzembowski, Savary und Sterckx danken, die alle drei ausgesprochen großartige Arbeit geleistet haben.
Nicht ganz drei Jahre nach Annahme der ursprünglichen Vorschläge durch die Kommission müssen sich Parlament und Rat um einen Kompromiss zu allen Texten bemühen, wie Frau Roth so überzeugend erläutert hat.
Ich möchte zunächst hervorheben, dass Parlament und Rat mit einer einzigen Ausnahme dem gesamten Legislativpaket in der von der Kommission vorgelegten Form zugestimmt haben. Diese Vorschläge beruhen auf dem gemeinsamen Grundgedanken, dass der Schienenverkehr europäisiert werden soll. Hinzuzufügen ist, dass der neue Vorschlag zu gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ebenfalls gute Fortschritte gemacht hat, auch wenn er heute nicht auf der Tagesordnung steht. Meines Erachtens könnte mit einer gleichzeitigen Lesung des Dritten Eisenbahnpakets und dieses Vorschlags ein Gesamtkompromiss zum Abschluss des Legislativverfahrens möglich sein. Dafür bedarf es natürlich, wie Sie gesagt haben, Frau Ministerin, auf allen Seiten umfangreicher Bemühungen. Die Kommission ist dazu bereit, und Ihr Kommissar wird alles unternehmen, um seiner Vermittlerrolle gerecht zu werden.
Im Anschluss möchte ich einige Anmerkungen zu den drei Berichten machen. Zunächst möchte ich Herrn Jarzembowski meinen Dank aussprechen. Die Kommission ist erfreut, dass Rat und Parlament eine Einigung zur Öffnung des Markts für grenzüberschreitende Kabotagedienste erzielt haben, die, wie von der Kommission vorgeschlagen, für 2010 vorgesehen ist.
Dagegen wirft die Öffnung des Marktes für den inländischen Schienenverkehr einige Probleme auf. Im Jahre 2004 hatte die Kommission vorgeschlagen, die Märkte für den internationalen Schienenverkehr zu öffnen. In ihrer Analyse war sie zu dem Schluss gekommen, dass die finanziellen und regulatorischen Voraussetzungen noch nicht gegeben seien, um eine weitere Öffnung zu rechtfertigen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass der Betrieb inländischer und vor allem regionaler Verbindungen in einigen Ländern der Europäischen Union mit besonderen Schwierigkeiten verbunden und nicht immer rentabel ist. Es stimmt, Herr Jarzembowski, dass die Wettbewerbssteigerung auf diesem Markt zu einer größeren Effizienz im Betrieb beitragen wird, doch dies können wir nur auf dem Wege einer harmonisierten Regelung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erreichen.
Wir sprechen uns also keineswegs gegen die grundsätzliche Öffnung des Marktes für inländische Dienste aus, sind jedoch der Auffassung, dass im Rahmen dieses Dritten Eisenbahnpakets eine Entscheidung noch verfrüht sein könnte. Wir wollen diese Frage gerne einer ausführlicheren Analyse unterziehen und andere Aspekte berücksichtigen, die im Vorschlag zu den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen enthalten sind, zu dem Herr Meijer den Bericht verfasst hat. Aus diesem Grund, Herr Jarzembowski, haben wir Vorbehalte gegen die Öffnung des inländischen Verkehrs.
Dagegen kann ich mehrere Änderungsanträge des Parlaments zu anderen Ziffern des Textes befürworten, wie beispielsweise den Vorschlag, die gegenwärtige Laufzeit der Rahmenverträge zur Zuweisung von Kapazitäten für spezialisierte Infrastrukturen auf fünfzehn Jahre zu verlängern. Zudem befürworten wir die Umformulierung der Ziffer zu den Rahmenübereinkommen, die Klarstellung des Anwendungsbereichs der Abgaben zur Finanzierung der Personenverkehrsdienste und die dafür vorgesehenen Modalitäten sowie die Änderung des Kriteriums „wirtschaftliches Gleichgewicht“ in „wirtschaftliche Lebensfähigkeit“ um die möglichen Auswirkungen der Kabotage auf einen bestehenden öffentlichen Dienst im Rahmen eines internationalen Dienstes zu prüfen. Soweit meine Anmerkungen zu diesem ersten Vorschlag, in den Herr Jarzembowski viel Arbeit investiert hat.
Der zweite Vorschlag stammt von Herrn Savary und wurde meines Wissens einstimmig vom Ausschuss angenommen. Wie Herr Savary zu Recht angemerkt hat, ermöglicht dieser Vorschlag die Verwirklichung der menschlichen Interoperabilität, die ebenso wichtig wie die Interoperabilität der Ausrüstung ist. Sie haben den ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen Anwendungsbereich wieder übernommen. Innerhalb eines immer offeneren Schienennetzes muss unserer Ansicht nach dringend sichergestellt werden, dass die Bediensteten – die, wie Sie gesagt haben, über eine ganze Reihe von Qualifikationen verfügen und somit nicht nur für die Führung, sondern auch für die Sicherheit der Züge zuständig sind – eine angemessene Ausbildung erhalten und über einen entsprechenden Gesundheitszustand verfügen sollen. Die Anmerkungen von Frau Roth habe ich im Übrigen zur Kenntnis genommen, doch ich denke, dass wir eine Einigung erzielen können.
Erlauben Sie mir, Herr Savary, einige Einwände gegen bestimmte Änderungsanträge zur Finanzierung der Ausbildung geltend zu machen. Sie haben vorgeschlagen, dass ein Eisenbahnunternehmen, das einen Triebfahrzeugführer beschäftigt, dessen Ausbildung ganz oder teilweise von einem anderen Eisenbahnunternehmen finanziert wurde, welches der Triebfahrzeugführer freiwillig nach weniger als fünf Jahren Beschäftigung verlassen hat, jenem Eisenbahnunternehmen einen Teil der Kosten dieser Berufsausbildung erstattet. Dem stimmen wir grundsätzlich zu, doch dieser Änderungsantrag wirft in der Tat insbesondere juristische Probleme auf, was vermutlich bei einem vertraglichen Ansatz nicht auszuschließen ist. Die Kommission hütet sich davor, in einen Bereich einzugreifen, zu dem keine fundierten Daten vorliegen; uns sind weder das volle Ausmaß des Problems noch die entsprechenden Lösungsmöglichkeiten bekannt. Vorbehaltlich dieses Einwands, Herr Savary, stimmen wir mit dem Vorschlag überein, der im Ausschuss einstimmig angenommen wurde.
Ich möchte mich nun zum Bericht von Herrn Sterckx über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr äußern. Das erste Problem betrifft den Anwendungsbereich und seine Ausdehnung auf die inländischen Dienste. Frau Roth hat soeben erläutert, dass dieser Anwendungsbereich im Rat gewisse Probleme aufgeworfen hat. Ich möchte Ihnen jedoch sagen, Herr Sterckx, dass wir meines Erachtens akzeptieren müssen, dass eine Unterscheidung zwischen Abschnitten und Trassen nicht möglich ist, denn dann würden die Fahrgäste nie ihre Rechte kennen, wie Sie so treffend angemerkt haben. Die Kommission wird Ihre Änderungsanträge daher unterstützen und sich für einen Kompromiss mit dem Rat einsetzen. Darüber hinaus erscheint ein Ansatz, der den Mitgliedstaaten in allen Bereichen der Eisenbahndienste, die öffentlichen Dienstleistungsverträgen unterliegen, größere Freiheiten einräumt, folgerichtig und sollte diesen Kompromiss begünstigen.
Des Weiteren geht es um die zivilrechtliche Haftung bei Unfällen. Mit Ihrer Forderung nach einer unbegrenzten Haftung der Eisenbahnunternehmen würden diese den Fluggesellschaften gleichgesetzt. Hier spiegelt sich der Ansatz der Kommission deutlich wider, und aus diesem Grund kann ich Ihren ehrgeizigen Vorschlag unterstützen, auch wenn er über die Bestimmungen des COTIF/CIM hinausgeht.
Herr Präsident, Frau Ministerin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Unsere Dienststellen werden Ihnen den genauen Standpunkt der Kommission zu den einzelnen Änderungsanträgen zukommen lassen. Die Kommission wird Ihre Debatte natürlich weiterhin aufmerksam verfolgen und Ihnen für eventuelle Fragen zur Verfügung stehen.
Abschließend möchte ich Ihre Worte aufgreifen, Frau Ministerin. Ich bin der Auffassung, dass wir uns alle nach besten Kräften um den Abschluss dieses Dritten Eisenbahnpakets bemühen müssen. Es wäre ausgesprochen bedauerlich, wenn wir uns diese Möglichkeit entgehen lassen würden, den europäischen Schienenverkehr umfassend aufzuwerten. Wir benötigen den Schienenverkehr, um einen Teil des Frachtverkehrs von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dieses Dritte Eisenbahnpaket darf auf keinen Fall entgleisen und muss sein Ziel erreichen. Ich möchte Ihnen allen für Ihre bisherige hervorragende Arbeit danken und verspreche Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um einen erfolgreichen Abschluss zu ermöglichen.
Elisabeth Jeggle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, ein herzliches Willkommen Ihnen, Frau Roth, als Vertreterin der Ratspräsidentschaft, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie vom Berichterstatter und auch von Ihnen, Herr Kommissar, bereits ausgeführt wurde, handelt es sich beim EU-Lokführerschein, der morgen zur Abstimmung steht, um einen wichtigen Schritt hin zu einer europaweiten Öffnung des Schienenverkehrs. Der Lokführerschein ist Bestandteil des dritten Eisenbahnpakets. Dieses Paket umfasst darüber hinaus noch zwei weitere für uns wichtige Gesetzgebungsverfahren, nämlich zur Entschädigung von Bahnreisenden sowie zur Öffnung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs ab 2010. Diese drei Gesetzgebungsverfahren schaffen die dringend notwendigen Voraussetzungen, damit die vollständige Liberalisierung im Schienenverkehr der EU gelingen kann.
Gerade im Hinblick auf die EU-weite Marktöffnung im Güterverkehr, die Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, kommt vor allem dem EU-Lokführerschein große Bedeutung zu. Er spart Zeit und Kosten. Momentan gibt es in jedem der 27 EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Anforderungen, welches Zugpersonal in welcher Art und Weise zertifiziert werden muss. Die Anerkennung der verschiedenen Lokführerscheine war bisher mit sehr viel Bürokratie verbunden, doch diese Probleme werden durch die hier in Rede stehende EU-weite Vereinheitlichung nun hoffentlich beseitigt.
Dass dieser EU-Lokführerschein die Freizügigkeit von Arbeitnehmern im Eisenbahnverkehr deutlich erhöht und auch größere Sicherheit im Bahnverkehr bringt, wird ein weiterer Vorteil sein.
Ein wirklicher Erfolg wird dieser Führerschein aber nur, wenn er unter dem Strich auch zu weniger Bürokratie führt. Auch dafür haben wir die Weichen gestellt. So konnten wir abwenden, dass das gesamte Personal zertifiziert wird, wie es manche wollten. Nun werden wir in einem ersten Schritt die Lokführer und in einem zweiten Schritt das Personal zertifizieren, das mit Sicherheitsfragen betraut ist. Sie waren der Meinung, das sei keine gute Lösung. Aber wie dieser zweite Schritt gestaltet wird, soll dann die Europäische Eisenbahnagentur anhand der bis dahin gemachten Erfahrungen entscheiden. Das ist unsere Position.
Auch konnten wir den Einführungszeitpunkt auf Ende dieses Jahres vorziehen. Diese rasche Einführung führt zu Einsparungen von Geldern bei den Eisenbahnunternehmen. Was die Anhänge angeht, in denen die technischen Angelegenheiten geregelt werden, mussten wir einen Kompromiss eingehen, der aber durchaus sinnvoll ist. Deswegen tragen wir ihn mit. Insofern bin ich sehr zufrieden.
Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Savary, für die gute Zusammenarbeit. Wir werden morgen im Plenum diesen Bericht unterstützen.
Bogusław Liberadzki, im Namen der PSE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich vertrete die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament, und unsere Einstellung zu diesem Problem ist folgende. Was den Bericht Jarzembowski anbelangt, so gilt unser großes Interesse und unsere Sorge der Wiederbelebung des Eisenbahnverkehrs. Wir verstehen darunter eine bessere Nutzung des Potenzials sowie der Vorzüge, die die Eisenbahn in ein europäisches Verkehrssystem einbringen könnte.
Die Interessen der Bahnreisenden liegen uns sehr am Herzen, und dazu gehört auch, dass die Eisenbahn sowohl unter technischen als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten allen sozialen Gruppen zugänglich gemacht wird. Nicht zuletzt halten wir es für sehr wichtig, dass die Eisenbahn in der Lage ist, ein breiteres Spektrum an attraktiven Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten. Das kann beispielsweise durch den Wettbewerb unter den Eisenbahngesellschaften auf dem internationalen Markt erreicht werden.
Wir sehen deshalb die Liberalisierung als ein Mittel zum Zweck, nicht aber als Selbstzweck. Wir befürworten die Liberalisierung des internationalen Eisenbahnverkehrs im Jahr 2010, möchten aber betonen, dass es hier um den internationalen und nicht nur um den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr geht. Den Standpunkt und den Vorschlag des Rates zur Rolle der nationalen Regulierungsstellen sowie zur Kontrolle der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen können wir akzeptieren. Ebenso die Vorschriften, die ein reibungsloses Funktionieren der nationalen Personenverkehrsdienste gewährleisten sollen.
Wir haben einen Änderungsantrag betreffend die Vorlage eines Berichts im Jahr 2012 eingebracht, in dem die Auswirkungen der Liberalisierung von 2010 bewertet werden sollen. Unsere Vorstellungen decken sich mit denen, die uns Kommissar Barrot freundlicherweise dargelegt hat. Wir setzen große Erwartungen in diesen Bericht.
Die mögliche Liberalisierung der inländischen Verkehrsdienste wurde im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr lebhaft diskutiert. Als einen wichtigen Kompromiss schlagen wir vor, eine etwaige Liberalisierung im Zeitraum 2017-2022 sowohl für die EU der Fünfzehn als auch für die EU insgesamt in Erwägung zu ziehen. In diesem Punkt ist die Fraktion gespalten. Unseres Erachtens ist es jedoch wichtig zu signalisieren, dass Europa an der Schaffung eines europäischen Verkehrssystems interessiert ist. Wir sind zudem erfreut, von der Frau Ministerin zu hören, dass der Rat zu einem Kompromiss bereit ist und nach Möglichkeiten für eine Einigung sucht.
Ebenso sehr begrüßt meine Fraktion den Standpunkt von Kommissar Barrot sowie seine Feststellung, dass sich die Kommission aktiv daran beteiligen will. Abschließend möchte ich den Berichterstattern für ihre Arbeit danken. Vielen Dank an alle.
VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident
Josu Ortuondo Larrea, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident, Frau Ratsvorsitzende, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Vor vielen Jahren vereinbarten wir die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Raums, der sich durch die freie Bewegung von Personen, Gütern, Kapital und Dienstleistungen innerhalb der Unionsgrenzen auszeichnet. Wir haben seit damals zweifellos Fortschritte erzielt, doch es bleibt noch viel zu tun, um das zu verwirklichen, was wir uns vorgenommen haben.
Eine der noch zu lösenden Aufgaben ist eben jene, mit der wir uns heute befassen: die Öffnung des gemeinsamen europäischen Raums für den Eisenbahn-Personenverkehr. Wir sprechen hier über einen Dienst, der sich unmittelbar auf die Bürgerinnen und Bürger auswirkt, und deshalb müssen wir umsichtig vorgehen, um zu verhindern, dass wir mit unserem Vorhaben so großen Schaden anrichten, dass der erwartete Nutzen ausbleibt. Wie auch bei anderen Liberalisierungen gilt es, Besonnenheit und Geduld zu zeigen, um unseren Beschlüssen einen Spielraum zu geben, der ausreicht, sich den Änderungen anzupassen, ohne dass das negative Auswirkungen auf eine grundlegende öffentliche Dienstleistung hat.
Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa setzt sich entschlossen für die Öffnung des Marktes für grenzüberschreitende Dienste ein, wie sie die Kommission vorgeschlagen hat und wie sie auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates enthalten ist, doch wir wollen auch, dass andere nationale Dienste liberalisiert und dazu in diese Änderung der Richtlinie 91/440/EWG aufgenommen werden, über die wir hier diskutieren.
Im Zusammenhang mit diesem letzten Aspekt kennen wir viele Personen, darunter unsere französischen Kollegen und andere, die befürchten, der freie Wettbewerb könnte sich negativ auf die weniger rentablen Eisenbahndienste im Land auswirken.
Wir teilen diese Sorge, und auch wenn wir im Allgemeinen für die Änderungsanträge des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr stimmen, werden wir uns deshalb dem Änderungsantrag 37 anschließen, damit uns die Kommission 2012 auf der Grundlage einer zweijährigen Erfahrung in der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Dienste einen Bericht vorlegt, in dem fünf Jahre im Voraus der Vorbereitungsstand der Marktöffnung für die Personenverkehrsdienste innerhalb der Mitgliedstaaten analysiert wird. Weiterhin werden wir den Änderungsantrag 18 ablehnen, denn wir halten es für sinnvoll, in einem Zeitraum von maximal 15 Jahren das Recht auf Kabotage einschränken zu können, wenn das heißt, mit einer anderen, zuvor durch ein öffentliches und transparentes Verfahren gewährten staatlichen Konzession zu konkurrieren.
Wir werden dafür eintreten, dass die Einführung neuer grenzüberschreitender Dienste, die Wettbewerb bedeuten, nicht die wirtschaftliche Durchführbarkeit des bestehenden regionalen und lokalen Eisenbahnbetriebs beeinträchtigt, und dass Vorschriften erlassen werden können, die sowohl von den innerstaatlichen als auch den grenzüberschreitenden Diensten eingehalten werden müssen und die als Ausgleich für Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes dienen.
Wir möchten auch die private Initiative für Investitionen in die Entwicklung von Eisenbahnen fördern, und dafür schlagen wir vor, den Rahmenverträgen für den Zuschlag von Eisenbahndiensten eine Laufzeit von 15 Jahren und mehr zu geben, wenn es sich um umfangreiche Investitionen in spezielle Infrastrukturen mit einem jährlichen Abschreibungsplan handelt, der diese außergewöhnliche Vertragsdauer rechtfertigt.
Abschließend möchte ich den Berichterstattern, Herrn Jarzembowski, Herrn Sterckx und Herrn Savary für die geleistete Arbeit danken.
Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Herr Präsident, Frau Merkel, Herr Barrot! Ich bin hocherfreut, dass drei meiner Kollegen, mit denen ich anfangs die Ehre hatte, an der Ausarbeitung des dritten Eisenbahnpakets teilzunehmen, die zweite Lesung sehr erfolgreich vorbereitet haben. Ich sage ‚erfolgreich’, denn erstens ist das Paket erhalten geblieben und zweitens hält sich das Europäische Parlament streng an die Linie, dass wir im Europa der Zukunft hinsichtlich der so genannten grenzüberschreitenden Beförderung und der Beförderung im Inland keine abweichenden Normen anwenden können. Die Fahrgäste in Europa sollten denselben Schutz genießen, ob sie nun eine Staatsgrenze passieren oder nicht. Beim Nachdenken über die Liberalisierung des Markts auf dem Gebiet des Personenverkehrs müssen wir uns an Prinzipien halten. Wenn es einen Binnenmarkt der Europäischen Union gibt, dann existiert er auch auf dem Gebiet des Binnenverkehrs. Es kann nicht sein, dass wir im Bereich des Dienstleistungs- oder Warenmarkts sagen, es gibt einen einheitlichen Binnenmarkt der Europäischen Union, aber dass der Markt hier auf den Bereich innerhalb der Grenzen der Mitgliedstaaten beschränkt ist. Wenn ich dieses dritte Eisenbahnpaket mit den Augen eines Bürgers aus den baltischen Staaten betrachte und frage, was sich für mich als Verbraucher ändern wird, dann würde ich dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates entnehmen können, dass sich nichts ändern wird. Denn ebenso wie das Baltikum vom Stromnetz der Europäischen Union abgetrennt ist, genauso ist es abgetrennt vom internationalen Schienenverkehrssystem der Europäischen Union. Das Parlament muss sich daher auf das Schlichtungsverfahren einstellen und an jene denken, die besondere Bedürfnisse haben, sowie auch an Fahrgäste in West- und Mitteleuropa und in den östlichen Randgebieten. Meiner Ansicht nach müssen wir auch irgendeine neue Lösung in der Frage der Qualität des Schienengüterverkehrs finden, aber das ist etwas für die Zukunft. Ich danke Ihnen.
Michael Cramer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident, Frau Staatssekretärin, meine Damen und Herren! Freie Fahrt durch Europa von Lissabon nach Tallinn, von London nach Athen, von Paris nach Warschau gibt es bisher nur auf der Straße und in der Luft. Das Eisenbahnnetz hingegen gleicht einem Teppich aus mittlerweile 27 Flicken. So bleibt die Bahn auf der Strecke!
Die nationalen Netze sollen geöffnet werden. Wir Grüne wollen dabei aber auch die sozialen und ökologischen Belange gewahrt wissen. Zudem müssen wir aus den Fehlern, z. B. in England und Estland, lernen. Dort wurden nicht nur die Netze geöffnet, dort wurde auch die Infrastruktur privatisiert. Das war ein Desaster! Deshalb und auch aufgrund der Erfahrungen mit den Monopolstrukturen der Stromunternehmen in Europa sagen wir als conditio sine qua non: Die Infrastruktur muss in öffentlicher Hand bleiben!
Mit der gegenwärtigen Situation auf der Schiene kann Europa nicht zufrieden sein, und die Kunden schon gar nicht. Ein internationaler europäischer Fahrschein bei der Bahn ist geradezu exotisch. Es kann auch nicht sein, dass ich mich dafür einsetze, dass französische Eisenbahnunternehmen im deutschen Netz unterwegs sind, während das französische Netz gegen andere Anbieter abgeschottet wird. Mit dem europäischen Lokomotivführerschein wird der Fahrerwechsel an der Grenze zwischen den Mitgliedstaaten überflüssig.
Die Fahrgastrechte sollen im Eisenbahnpersonenverkehr aller EU-Mitgliedstaaten gestärkt werden, mit einklagbarer Entschädigung bei Verspätung. Die Mitnahme von Sportgeräten und Fahrrädern soll durch ein Multifunktionsabteil in allen Zügen, also auch in Hochgeschwindigkeitszügen wie dem TGV oder dem ICE, ermöglicht werden. Die umfassende Information über europäische Bahnverbindungen und der Kauf europaweiter Tickets sollen die Regel sein und nicht die Ausnahme. Der Zugang für mobilitätsbehinderte Fahrgäste ist sicherzustellen. Die nationalen Eisenbahnnetze sollen auch im Personenfernverkehr spätestens bis 2017 und für die neuen Mitgliedstaaten bis 2022 geöffnet worden sein. Die Zustimmung dazu knüpfen wir aber an folgende Bedingung: Es darf kein Sozialdumping und auch keinen ruinösen Wettbewerb geben!
Wir wissen, dass die Öffnung der Netze zu einer erheblichen Steigerung des Schienengüterverkehrs geführt hat. Wir wissen aber auch, dass die Mitgliedstaaten, die sich abgeschottet haben, einen Niedergang verzeichnen. In Frankreich sind lediglich fünf Eisenbahnunternehmen zugelassen. Die transportierten Tonnenkilometer gingen dort zwischen 1999 und 2005 um 28 % zurück. In Deutschland sind mehr als 700 Eisenbahnunternehmen zugelassen. Dort stieg der Gütertransport im selben Zeitraum um 25 %, in den Niederlanden sogar um mehr als 40 %. Das sind Erfolgsgeschichten! Wir wollen diese positiven Ergebnisse auf den Personentransport übertragen. Deshalb wollen wir die Öffnung der Netze auch im europäischen Personentransport!
Ich bedanke mich bei den Berichterstattern und den Kollegen für die Zusammenarbeit.
Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Lange vor Entstehung der Europäischen Union bestand eine gute Zusammenarbeit im Eisenbahnsektor. Es gab grenzüberschreitende Schienenfernverkehrsdienste, die Menschen konnten für entfernte Ziele Fahrkarten direkt in ihren eigenen Ländern kaufen, und in jedem Land war ein internationaler Fahrplan verfügbar. Diese erfreuliche Situation ist heute gefährdet.
Das europäische Schienennetz befindet sich in einem stetigen Auflösungsprozess, so wie wir ihn heute in den USA erleben. Demnächst werden nur noch Netze in städtischen Verdichtungsräumen und Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Großstädten übrig sein. Bei der ersten Lesung am 27. und 28. September 2005 hat dieses Parlament eine historische Chance zur Aufrechterhaltung und Verstärkung einer engen europäischen Koordinierung und hoher Leistungsstandards vertan, indem es in seiner Abstimmung zu weit ging und beim Schutz der Fahrgastrechte wie von der Kommission vorgeschlagen nicht weit genug ging.
In Änderungsantrag 37 zu den Fahrgastrechten wurde das Recht von Fahrgästen im Eisenbahnbereich, für das gesamte Schienennetz der Europäischen Union Durchgangsfahrkarten zu erwerben, durch eine Aufforderung zur freiwilligen Zusammenarbeit ersetzt. Damit bleibt es den Eisenbahnunternehmen völlig unbenommen, den Fahrkartenverkauf und Auskünfte für entfernte Ziele zu reduzieren sowie fahrgastfreundliche Angebote für Auslandsreisen in wachsendem Maße einzuschränken.
Im vergangenen Jahr haben drei große Mitgliedstaaten ihre Eurodomino-Karten, die Einwohnern anderer Staaten einen besseren Zugang zu ihren Schienennetzen ermöglichten, abgeschafft. Die Interrail-Fahrkarten für Reisen durch ganz Europa, von denen vor allem junge Leute regen Gebrauch machten, um andere Länder Europas kennen zu lernen, bieten immer weniger Zugang zu schnellen Fernverkehrszügen. Die europäische Eisenbahn bildet für die Öffentlichkeit keine übersichtliche Einheit mehr. Da Staatsmonopole auf der Strecke geblieben sind, ist der europäische Bahnbetrieb heute in mehrere Unternehmen aufgespalten, die auf demselben Hoheitsgebiet miteinander konkurrieren. An die Stelle jahrelanger Zusammenarbeit tritt somit ein Konkurrenzkampf, und grenzüberschreitende Strecken werden ausgedünnt oder verschwinden ganz.
Die Europäische Union verhält sich abwartend, solange sie weiterhin davon ausgeht, dass gemäß Artikel 5 der Richtlinie 91/440 Eisenbahnunternehmen als Aktiengesellschaften zu betreiben sind und infolgedessen Kostensenkungen ihr vorrangiges Ziel sein müssen. Das treibt die Fahrgäste dazu, auf mittellangen Strecken auf das Flugzeug umzusteigen.
Je mehr der öffentliche Verkehr vom Markt abhängig ist, desto geringer ist seine Überlebenschance. Nicht nur das aufkommende Auto und ein dichtes Autobahnnetz, sondern auch die Kerosinsteuerbefreiung sowie das Aufkommen von Billigfluggesellschaften haben dazu geführt, dass der Schienenverkehr als verhältnismäßig teuer empfunden wird.
Um überleben zu können, muss die Bahn für die junge Generation attraktiv gemacht werden. Wenn für diese Generation Auto und Flugzeug als Selbstverständlichkeit gelten und Züge von ihr als unzugängliches Museumsstück angesehen werden, wird die Eisenbahn noch unrentabler werden, und sie wird ihre Kosten noch weiter senken müssen. Wer erwartet, die Stellung der Bahn werde gestärkt, wenn man ihr die gleichen Wettbewerbsmechanismen wie dem Luft- und Straßenverkehr auferlegt, wird sich letztlich getäuscht sehen. Eine solche Entwicklung ist von Nachteil für die Fahrgäste und das Eisenbahnpersonal ebenso wie für den Schutz unserer Umwelt.
Ich weiß, Herr Jarzembowski kämpft seit vielen Jahren für mehr Markt sowie dafür, dass mehr wettbewerbsfähige Unternehmen schneller zum Schienennetz zugelassen werden, nicht nur im grenzüberschreitenden Frachtverkehr, sondern auch im inländischen Personenverkehr. Er kündigte beim ersten Eisenbahnpaket 2001 an, dass er, wenn seine Wünsche nicht erfüllt würden, weiterkämpfen werde, um seine Vorstellungen letztendlich im Rahmen des dritten Pakets durchzusetzen. Darin hat ihn meine Fraktion nie unterstützt.
In Änderungsantrag 35 hat meine Fraktion vorgeschlagen, dem Liberalisierungsbericht von Herrn Jarzembowski nicht zu folgen und, falls er angenommen werden sollte, den Mitgliedstaaten zumindest die Möglichkeit von Wettbewerbsbeschränkungen zu gestatten. Dies kann durch die Annahme der Änderungsanträge 33, 34 und 36 geschehen, die dies vorsehen. In Bezug auf den Bericht Sterckx unterstützen wir in unseren Änderungsanträgen 70 bis 73 die Anliegen der europäischen Verbraucherorganisation.
Letztlich leistet nur der Bericht Savary einen wertvollen Beitrag zur Integration der europäischen Eisenbahnen, nach dem Triebfahrzeugführern der grenzüberschreitende Einsatz erleichtert und ermöglicht werden soll, unter technisch unterschiedlichen Bedingungen zu arbeiten.
Michael Henry Nattrass, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die ganze Woche über wurde uns gesagt, dass wir mit dem neuen Präsidenten des Parlaments und neuen Abgeordneten einen wunderbaren Neuanfang machen könnten. Doch wie dieser Bericht zeigt, konnten noch nicht alle Hindernisse auf unserem Weg ausgeräumt werden.
Bei der ersten Lesung im Jahr 2005 hatte Herr Sterckx gesagt, dass wir nicht an internationalen Abkommen herumbasteln sollten, die bereits den Anforderungen gerecht werden. Ich möchte ihn daher daran erinnern, dass das COTIF-Übereinkommen eine praktische Einigung zwischen 42 Einzelstaaten, darunter zahlreiche Nichtmitgliedstaaten, über die Erleichterung des internationalen Eisenbahnverkehrs darstellt. Doch Herr Sterckx will diese Einigung heute zum Entgleisen bringen. Er hängt der Vorstellung an, dass weder die Mitgliedstaaten noch die einzelstaatlichen Eisenbahnunternehmen in der Lage sind, eigenständig einen Kodex für Fahrgastrechte zu erstellen. Für das Vereinigte Königreich trifft dies auf keinen Fall zu.
Herr Sterckx gibt an, dass es bei dieser Frage im Grunde um Verbraucherrechte geht, räumt jedoch ein, dass mehr Vorschriften auch höhere Fahrpreise bedeuten. Was sollen meine Landsleute mit EU-Verordnungen, wenn die Fahrpreise dadurch steigen? Allerdings hat Herr Sterckx keinen Bericht über Verbraucherrechte verfasst. In seinem Bericht geht es um die Gemeinschaftskontrolle. Der Berichterstatter weist darauf hin, dass es keinen Sinn macht, Verordnungen auszuarbeiten, die für lediglich 5 % der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr gelten. Warum also befassen wir uns damit? Es gibt zahlreiche Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die den Großteil der Bürger, die nicht am grenzüberschreitenden Verkehr teilnehmen, nicht betreffen, gleichzeitig jedoch die Bereitstellung inländischer Verbindungen beeinträchtigen. In der EU, Herr Sterckx, ist der besondere Hinweis auf den grenzüberschreitenden Verkehr irrelevant, und bevor die Absahnerei der EU gestoppt werden kann, wird es bereits zu spät sein. Dies ist die wahre Wahrheit hinter dem ständigen Eigenlob dieser Woche.
Luca Romagnoli, im Namen der ITS-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Rede stellt das Ende der allseits bekannten Diskriminierung derjenigen dar, die bisher fraktionslose Mitglieder waren. Außerdem ist dies die erste Wortmeldung im Namen der neuen Fraktion „Identität, Tradition und Souveränität“ zu einem vorgelegten Bericht. Daher möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass fortan mehrere Millionen europäische Bürger endlich nicht mehr nur halb vertreten sind. Das dürfte für diejenigen eine Befriedigung darstellen, die behaupten, durch und durch demokratisch zu sein, und die möglicherweise in vielen EU-Ländern – zumindest bis zum Fall der Berliner Mauer – stolz darauf waren und eventuell auch noch sind, dass sie ihre Verantwortung, ihre Ideale und ähnliches mit der Kommunistischen Internationale teilen.
Doch nun zurück zum Gegenstand unserer Aussprache über die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft: Wir sind gegen eine Liberalisierung, nicht zuletzt aufgrund all der schrecklichen Erfahrungen, die einige Länder mit der Liberalisierung gemacht haben. Daher können wir die Vorschläge des Berichterstatters, Herrn Jarzembowski, zu diesem Thema nicht befürworten.
Für uns ist die Gegenseitigkeitsklausel etwas Unerlässliches, denn sonst würde die Liberalisierung ganz und gar nicht der Art des freien Wettbewerbs entsprechen, die dem Verbraucher zugute kommt. In Bezug auf die Rechte und Pflichten der Fahrgäste schließen wir uns der Meinung von Herrn Sterckx an: Der Anwendungsbereich der Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste sollte sich auch auf den Binnenverkehr erstrecken. Ich denke dabei beispielsweise an mein Heimatland und wie wichtig das für dieses wäre, nicht zuletzt deshalb, weil wir der Meinung sind, dass Fahrgäste nicht aufgrund des Eisenbahnunternehmens, mit dem sie fahren, in verschiedene Kategorien eingestuft werden sollten. Die Würde und die Rechte der Fahrgäste müssen von allen Diensten – ob sie nun öffentlich oder privat sind –, die innerhalb des Territoriums der Union operieren, gewahrt werden. Deshalb sind unserer Ansicht nach die in Änderungsantrag 22 vorgeschlagenen vorübergehenden Ausnahmen in dieser Hinsicht mehr als ausreichend.
Obgleich die Definition einer Person mit eingeschränkter Mobilität allgemein und vage ist, so dass darunter mehrere Millionen Fahrgäste pro Tag fallen, sind wir absolut einverstanden, dass Fahrzeuge und Bahnhöfe angepasst werden müssen. Ferner ist auch die Hilfeleistung im Zug notwendig, indem vielleicht eine Begleitperson kostenlos befördert wird. Deshalb befürworten wir die Änderungsanträge 47 und 66.
Andererseits lehnen wir einige Änderungsanträge ab. Insbesondere sind wir nicht der Meinung, dass es vorgeschrieben werden sollte, einen speziellen Raum für die Beförderung von Fahrrädern und Sportgeräten in allen Zügen einzurichten, vor allem wenn es dazu keine weitere Spezifikation gibt. Daher können wir die Änderungsanträge 26, 58, 59 bzw. 69 nicht unterstützen.
Zum Thema Zugpersonal: Unsere Fraktion stimmt schließlich dem Ansatz zu, dass Triebfahrzeugführer zertifiziert sein müssen, doch sind wir etwas skeptisch, ob es angebracht ist, auch weiteren Mitgliedern der Zugbesatzung eine Zulassung zu erteilen, wie das bei anderen Verkehrsträgern der Fall ist.
Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Die Öffnung des Schienenverkehrsmarktes für den Wettbewerb ist ausdrücklich zu begrüßen und in der Tat auch notwendig. Dieser Gedanke ist jedoch zweitrangig, wenn es an einer angemessenen Eisenbahninfrastruktur fehlt.
In meinem Wahlbezirk in Nordirland haben wir von grundlegenden Verbesserungen der Nord-Süd-Eisenbahnverbindung von Larne über die Grenze zur Irischen Republik bis nach Dublin profitiert. Diese Maßnahmen waren Teil des transeuropäischen Netzes. Gleichzeitig wird jedoch ein weiterer wichtiger Zweig unserer Infrastruktur vernachlässigt und dem Verfall überlassen, nämlich die Strecke zwischen Belfast und unserer zweitgrößten Stadt Londonderry. Über diese Frage habe ich mit dem Kommissar während seines Besuchs in Nordirland vor einiger Zeit gesprochen. Auf dieser Nord-West-Route wurden insbesondere nördlich von Ballymena nur die nötigsten Investitionen vorgenommen, und die noch nicht gesicherten Ausgaben in Höhe von 10,5 Millionen Pfund Sterling werden nicht ausreichen, um die grundlegenden Investitionserfordernisse zu decken, sondern nur dem weiteren Verfall Einhalt gebieten, womit sich unser Netz nicht für den Einsatz der unentbehrlichen Schnellzüge eignen wird. Es ist dringend geboten, diese Nord-West-Verbindung in das TEN-Programm aufzunehmen, um die damit zusammenhängenden Investitionen und Verbesserungen zu ermöglichen. Darum ersuche ich die Kommission.
Mit einer Eisenbahnbrücke über den Foyle würde die Möglichkeit einer Streckenführung nach Donegal und damit eine wirklich grenzüberschreitende Verbindung geschaffen. Diese Nord-West-Verbindung muss nicht nur gesichert, sondern auch grundlegend instand gesetzt werden, und mit den TEN kann die EU hierzu einen sinnvollen Beitrag leisten.
Was schließlich den Bericht von Herrn Savary anbelangt, muss ich sagen, dass er zu viele regulatorische Hemmnisse für die Eisenbahnindustrie beinhaltet. Er sieht zusätzlich zu den bereits ausreichenden nationalen Vorschriften weitere EU-Regelungen vor, die meiner Meinung nach dem Eisenbahnsektor oder seinen Nutzern keinerlei Vorteile bringen.
Reinhard Rack (PPE-DE). – Herr Präsident! Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin und Ratspräsidentin, hat heute Vormittag in diesem Haus eine fulminante Rede gehalten. Sie hat uns vereinfacht gezeigt, dass die Europäische Union keine einfache Sache ist, aber eine, für die es sich zu kämpfen lohnt.
Wir können mit Blick auf das Thema des heutigen Nachmittages beides im konkreten Fall bestätigen. Es ist nicht einfach, unsere Arbeit den Menschen zu Hause nahe zu bringen. Sie fühlen sich häufig nicht betroffen. Europa ist so weit weg, heißt es immer, und das Vorurteil verstärkt sich, wenn Politiker hier mitreden.
Es ist aber ein Vorurteil und daher nicht richtig. Heute noch und in den letzten Tagen und Wochen haben sich jede Menge von Interessenten und Lobbyisten immer wieder gerade zu diesem Thema bei mir und bei vielen von uns gemeldet. Die Eisenbahnen haben uns im Detail geschildert, was sie wollen und brauchen und was sie nicht wollen und nicht brauchen. Sie haben sich – mit einem Wort – betroffen gezeigt. Jede Menge Konsumentenschützer sind gekommen und haben gesagt, was aus ihrer Sicht die Bürger erwarten und was sie brauchen. Auch sie haben sich betroffen gefühlt. Und eine ganz große Zahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden ist in den letzten Wochen und Monaten immer wieder bei uns vorstellig geworden; sie haben sich im Rahmen ihrer Klientel betroffen gezeigt.
Freilich hatten all diese Interventionen durchaus unterschiedliche Anliegen zum Gegenstand, und das führt zu einem weiteren zentralen Problem für unser gemeinsames Europa. Wenn wir alle alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen wollen, wird alles sehr kompliziert und verwaschen; wir haben dann weder Fisch noch Fleisch.
Außerdem – und das betrifft ein drittes Element europäischer Rechtsgestaltung –, unsere Prozesse dauern sehr lange. Wir wissen, auch bei unserem Eisenbahnpaket werden wir ein Vermittlungsverfahren brauchen. Dort mit dem Rat zu einer Einigung zu gelangen, wird nicht einfach sein, und im Ergebnis wird es mit langen Übergangsfristen in einer Reihe von Fällen noch länger dauern.
Das alles darf und soll uns allerdings nicht entmutigen. Für den Bericht Sterckx über die Fahrgastrechte lohnt es sich zu kämpfen. Wir wollen und werden erreichen, dass wir einen einheitlichen Rechtstext für alle Personenverkehre in der Europäischen Union festschreiben. Wir wollen weiter finanzielle Entschädigungen und nicht nur gute Worte. Wir wollen des Weiteren Rechte für Fahrgäste mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität. Mir ist es wichtig, dass wir in diesem Zusammenhang auch allein reisende Mütter oder Väter mit mehreren kleinen Kindern in diesem Punkt als Problemfälle begreifen und ihnen helfen. Wichtig ist uns aber allen, dass wir unter dem Strich zu einem guten Ergebnis kommen und dass die europäischen Bürger dann auch sehen: Europa betrifft sie, und es lohnt sich, dafür zu kämpfen.
Saïd El Khadraoui (PSE). – (NL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Mitgliedern dieses Hohen Hauses danken, die von nah oder fern zu dem Ergebnis beigetragen haben, das wir heute beraten. Wie Sie wissen, werden wir diese Angelegenheit noch weiter behandeln und wahrscheinlich das Vermittlungsverfahren einleiten, was noch eine Menge Arbeit bedeuten wird.
Zum Bericht Sterckx möchte ich wiederholen, was ich in der ersten Lesung gesagt haben, nämlich dass es uns gelungen ist, über parteipolitische Unterschiede bei den wichtigsten Aspekten der Fahrgastrechte hinweg einen Konsens zu erzielen. Die zwischen uns und dem Rat, der diese Rechte auf Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr beschränken möchte, bestehende Kluft lässt sich möglicherweise durch Übergangsmaßnahmen überbrücken, die für Situationen vorgesehen werden, in denen diese Fahrgastrechte bereits durch öffentliche Dienstleistungsverträge geregelt sind.
Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass diese Ausnahmen genauestens definiert werden, und so verhindern, dass diese Verordnung zu einer leeren Hülse wird.
Über den Bericht Jarzembowski gehen die Meinungen deutlich auseinander, und zwar nicht nur zwischen den, sondern auch innerhalb der Fraktionen, da bedingt durch die jeweiligen Gegebenheiten auf dem Eisenbahnmarkt und die möglichen Folgen einer Liberalisierung des nationalen Eisenbahnmarktes die Standpunkte von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. Ich bedaure zutiefst – und dies ist meine persönliche Ansicht –, dass die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen, zumindest im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr, für die Liberalisierung des nationalen Eisenbahnverkehrs gestimmt hat. Dies ist etwas, das vom Sektor nicht verlangt wurde, dessen Auswirkungen nicht gründlich geprüft wurden und von dem die Kommission, der Rat, die Gewerkschaften, die Verbraucherorganisationen sowie der Verband der europäischen Eisenbahnunternehmen nicht wollen, dass es heute gebilligt wird.
Herrn Sterckx muss ich sagen, dass das vor allem daran liegt, dass wir es versäumt haben, die Befürchtung juristisch einwandfrei auszuräumen, die Liberalisierung werde zu einer Aushöhlung der öffentlichen Dienste in unseren Mitgliedstaaten führen bzw. sie unerschwinglich machen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass neue Konkurrenten selbstverständlich nur an den wenigen rentablen Strecken auf dem Eisenbahnmarkt interessiert sein werden, was einen enormen wirtschaftlichen Verlust für den öffentlichen Dienstleister zur Folge haben wird, der sich entweder neue Einnahmequellen beschaffen muss, um die kleineren, unrentablen Linien beibehalten zu können, oder aber zu deren Abbau gezwungen sein wird.
Besser wäre gewesen, wie der Kommissar bereits ausführte, die Frage der Liberalisierung in Verbindung mit dem Bericht Meijer zu behandeln, um die Einführung klarer und einheitlicher Verfahren zu ermöglichen, die es den Mitgliedstaaten oder Regionen ermöglichen würden, im Rahmen der öffentlichen Dienstleistungsverträge einem ganz bestimmten Unternehmen Teile des Netzes anzubieten.
Zu Liberalisierung zum jetzigen Zeitpunkt abzustimmen, ohne vorher Regelungen in diesem Bereich einzuführen, bedeutet, das Pferd am Schwanz aufzäumen, und das wird nicht funktionieren. Außerdem halte ich die Liberalisierung des Marktes, wie ich bereits mehrfach gesagt habe, an sich nicht für ein Allheilmittel, um mehr Zugfahrgäste anzulocken. In Belgien beispielsweise sind die Fahrgastzahlen im Eisenbahnverkehr in den letzten Jahren kometenhaft gestiegen, im Vorjahr noch um 6,6 %, und das wurde nicht durch Liberalisierung erreicht, sondern durch Investitionen in neues und komfortables rollendes Material sowie durch eine attraktive Preispolitik.
Anne E. Jensen (ALDE). – (DA) Herr Präsident, Frau Ratsvorsitzende, Herr Kommissar! Als Berichterstatterin meiner Fraktion für die Richtlinie über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern möchte ich Herrn Savarys Konzept ausdrücklich unterstützen. Der Rat hat natürlich dem Parlamentskonzept aus der ersten Lesung weitgehend zugestimmt, sodass nur wenige Punkte offen bleiben, in denen wir uneins sein können. Tatsache ist, dass ein gemeinschaftlicher Rahmen für die Ausbildung von Triebfahrzeugführern eine logische Folge der bereits angenommenen Formen der Liberalisierung ist. Die große Debatte drehte sich darum, wer unter die Richtlinie über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern fällt. Sollen es nur die Lokführer sein oder auch anderes Personal? Meine Fraktion ist mit dem nun vor uns liegenden Ergebnis zufrieden. Es wurde eine ordentliche Ausgewogenheit erreicht, indem Triebfahrzeugführer und anderes Personal mit direktem Bezug zur Sicherheit erfasst werden. Wir halten es auch für wichtig, dass Triebfahrzeugführer Zugang zu ihren eigenen Daten haben dürfen. Es ist eine einfache Frage der Rechtssicherheit, und wir messen dem Vorschlag, dass die Ausbildungskosten rückerstattet werden, wenn der Lokführer kurz nach seiner Ausbildung den Arbeitsplatz wechselt, Bedeutung bei. Tatsache ist, dass die Ausbildung sehr teuer ist, und wir dürfen kein System schaffen, in dem eine Reihe von Eisenbahngesellschaften völlig unbekümmert daher kommen und die Ausbildungskosten systematisch umgehen, indem sie das frisch ausgebildete Personal anderer Unternehmen anwerben. Ich hoffe sehr, dass wir morgen hier im Parlament eine ausreichend große Mehrheit für den in Herrn Jarzembowskis enthaltenen Vorschlag zur Liberalisierung des Personenverkehrs finden.
Die Liberalisierung ist notwendig, nicht nur für die 5 % grenzüberschreitenden Personenverkehr, sondern auch für den nationalen Personenverkehr. Sie ist notwendig, wenn der Schienenverkehr in der EU eine hinlänglich wettbewerbsfähige Alternative zu anderen Formen des Verkehrs bieten und somit eine umweltfreundlichere und energiesparende Beförderungsmöglichkeit darstellen soll. Was geschieht, wenn die Liberalisierung stattfindet und der freie Wettbewerb zustande kommt? Der Fahrgast steht natürlich an erster Stelle. Pünktliche Züge und eine gute, bequeme Beförderung werden zu erstrangigen Zielen, und anstatt lediglich den Stoff für Slogans und Werbeanzeigen zu liefern, gehören sie zum Selbstbild der gesamten Eisenbahngesellschaft, die sich dessen bewusst ist, dass ohne Kunden kein Geschäft läuft. Die Fahrgastrechte dürfen nicht nur im grenzüberschreitenden, sondern müssen auch im nationalen Verkehr gelten. Herr Sterckx hat deutlich aufgezeigt, dass es unsinnig wäre, zwischen Fahrgastrechten im nationalen und im internationalen Verkehr zu unterscheiden. In Dänemark sind Eisenbahngesellschaften Vorreiter, indem sie die von uns hier im Parlament unterbreiteten Vorschläge zu Fahrgastrechten im Fall von Verspätungen bereits angenommen haben – so etwas geht also offenbar.
Leopold Józef Rutowicz (UEN). – (PL) Herr Präsident! In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit werde ich mich auf einen Punkt beschränken. Bevor die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in Angriff genommen werden kann und über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten entschieden wird, müssen die Funktion der betreffenden Verkehrsdienste und der Bedarf an diesen Dienstleistungen bestimmt werden. Darüber entscheiden die Wirtschaft und die Fahrgäste. Die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen muss auch die Zusammenarbeit mit anderen Verkehrsträgern einschließen. Damit würden die Voraussetzungen für den Zustrom von Privatkapital und die Bereitstellung von Zuschüssen auf europäischer und nationaler Ebene für langfristige Investitionen geschaffen, die die Entwicklung der Eisenbahnunternehmen gewährleisten sollen.
Die Förderung von Investitionen in Hochgeschwindigkeitsverbindungen ist eine vorrangige Aufgabe, aber ebenso wichtig ist die Entwicklung des Güterverkehrs. Wir brauchen Investitionen für die Verbesserung der grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindungen als Beitrag zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes und zur Entwicklung des Handels über unsere Ostgrenzen hinaus.
Länder wie Polen haben Breitspurstrecken, die nicht genutzt werden. Am Ende dieser Strecken könnten Inland-Containerterminals errichtet werden. Das würde das unzureichende Straßennetz entlasten und wäre für die Umwelt von Vorteil. Die Vorschläge im Bericht Jarzembowski tragen meines Erachtens zur Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs und zur weiteren Entwicklung Europas bei.
Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Wie Sie wissen, ist es für uns Grüne von entscheidender Bedeutung, eine wirkliche europäische Verkehrspolitik zu verwirklichen, die eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene ermöglicht. Im Straßenverkehr werden 25 % der Treibhausgasemissionen verursacht, wir haben es hier also mit einer wichtigen Aufgabe zu tun.
Wir sollten uns folgende Frage stellen: Wird die Öffnung für den Wettbewerb insbesondere im Personenschienenverkehr dieser Aufgabe gerecht? Ich denke, dass wir ganz im Gegenteil mit den Vorschlägen im Bericht von Herrn Jarzembowski Gefahr laufen, dass sich die Fahrgastdienste verschlechtern. Wie sollen die Fahrgäste wissen, wie sie die unterschiedlichen Dienstleistungen der Eisenbahnunternehmen – Fahrpreise, Fahrkartenvergabe, Fahrplaninformationen, Anschlüsse – am besten nutzen können? Wir können davon ausgehen, dass die besonders unrentablen Strecken, die allerdings eine entscheidende Rolle für den sozialen und territorialen Zusammenhalt spielen, stillgelegt werden. Außerdem ist damit zu rechnen, dass sich die Arbeitsbedingungen der Eisenbahnbediensteten verschlechtern, wie es bei den Billigfliegern der Fall ist, und dass ein harter Wettbewerb um die profitabelsten Strecken entbrennen wird, ohne dass sich dies auf die endgültigen Fahrgastzahlen auswirken wird.
Um den Schienenverkehr zu stärken, bedarf es eines wirklichen europäischen Engagements, um die Modernisierung der Infrastrukturen zu finanzieren, deren Verfall ein wichtiges Entwicklungshemmnis darstellt. Darüber hinaus müssen auch die Interoperabilitätshindernisse überwunden und – dies ist ganz entscheidend – ein Steuersystem eingeführt werden, mit dem die Verkehrsarten, die die größte Umweltverschmutzung verursachen, auch tatsächlich bestraft werden, wie die Kerosinsteuer oder die Internalisierung der Umweltkosten im Straßenverkehr.
Liberalisierung ist keineswegs die einzige Möglichkeit, um die Verkehrspolitik zu europäisieren.
Jaromír Kohlíček (GUE/NGL). – (CS) Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt bei der Aussprache über die zweite Lesung des dritten Pakets mit Maßnahmen auf dem Gebiet des Schienenverkehrs angelangt. Die Zusammensetzung des Pakets war von Anfang an umstritten; die Auffassung teilen auch die Sozialpartner, sie ist nicht begrenzt auf die Europaabgeordneten der Linken.
Bei mehreren Gelegenheiten haben wir deutlich gemacht, dass das Unterlassen einer Bewertung des zweiten Eisenbahnpakets eine Verletzung der Bedingungen darstellt, zu denen das Parlament dieses Paket gemeinsam mit der Kommission angenommen hat. Eine rationale Debatte fand innerhalb dieser Diskussion nicht statt. Ohne auf den Zustand der Infrastruktur und der Schienenfahrzeuge oder den Stand der Umsetzung der in der Vereinbarung des Kommissionsmitglieds für Verkehr mit der Gemeinschaft Europäischer Bahnen getroffenen Maßnahmen einzugehen, diskutieren wir heute den außerordentlich umstrittenen Bericht von Herrn Jarzembowski über die Öffnung des Schienenverkehrsmarkts.
Lassen Sie mich gleich auf den Punkt kommen: Kommission und Rat versuchen, die Fristen in diesem Bericht zu verlängern oder sie flexibler zu gestalten. Angesichts dieser grundlegenden Diskrepanz werden die Mitglieder der
erneut gegen den Bericht stimmen. Vor allem gibt es da einige gefährliche Änderungen, die nur zur Verschärfung der Situation dienen. Andererseits billigen wir die hervorragenden Berichte von Herrn Savary bzw. Herrn Sterckx, denen ich gratulieren möchte, denn sie berücksichtigen die Situation in der Praxis sowie die Forderungen der Gewerkschaften und der pragmatisch denkenden Führungskräfte.
Ich möchte noch einmal sagen, dass einige Änderungen die Lage erheblich verschlimmern. Ich denke, das Ergebnis der Abstimmung zu diesem Paket wird ähnliche Bedenken seitens der neuen Mitgliedstaaten widerspiegeln. Es geht da unter anderem um die Nutzung von Übergangszeiträumen und um die Spezifizierung der Bedingungen für Personenbeförderungsdienste.
Ich hoffe, wir können die Probleme des Gepäck-Anhangs zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) bald klären und diese Klärung in erster Linie auf der Basis eines Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten erreichen, die das Übereinkommen ratifiziert haben. Die aktuelle Situation ist unbefriedigend.
Vielleicht nur noch eine weitere Bemerkung; die Formulierung im Bericht Sterckx klingt so, als wollte man im Fall von Zugverspätungen Strafen verhängen. An Stelle von Strafen würde ich lieber die Absicht sehen, einen Beförderungsvertrag einzuhalten, ähnlich dem Schweizer Modell, dessen Grundlage die Beförderung von Gütern und Fahrgästen an ihr Ziel ist. Zusammen mit zahlreichen weiteren Abgeordneten werde ich mit diesem Ziel im Hinterkopf über die Änderungsanträge abstimmen. Wie immer das Ergebnis ausfällt, ich denke, wir werden auf diese Frage in der Zukunft noch zurückkommen.
Johannes Blokland (IND/DEM). – (NL) Herr Präsident! In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass die Meinung über das dritte Eisenbahnpaket alles andere als einmütig ist, jedenfalls im Rat und in diesem Hohen Haus. Angesichts der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und der unterschiedlichen Aufteilung der Befugnisse innerhalb Europas kann ich die vorsichtige Haltung des Rates verstehen und sie weitgehend nachvollziehen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich der Rat nicht für die in jeder Hinsicht beste zukunftsorientierte Lösung entschieden hat.
Während die Berichte Sterckx und Savary zweifellos einen entsprechenden Beitrag leisten, lässt sich dies für den Bericht Jarzembowski nicht sagen, da darin meiner Ansicht nach das vom Rat gefundene Gleichgewicht zwischen künftiger Marktöffnung und der bestehenden Situation gestört wird.
Im Ergebnis der Änderungsanträge in diesem Bericht wurde eine Situation geschaffen, in der für den gesamten Personenverkehr, wenn auch zeitlich gestaffelt, Dienstleistungen in verschiedener Form gleichzeitig erbracht werden können. Dies kann zur Folge haben, dass rentable Strecken auf Kosten weniger gewinnbringender Linien herausgepickt werden, sowie zu einer geringeren Dienstleistungsqualität und zu möglichen Sicherheitsrisiken führen. Diese Nachteile lassen sich dadurch vermeiden, dass den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen verschiedenen Konkurrenzmodellen gelassen wird. Im Namen meiner Fraktion habe ich dazu zwei Änderungsanträge eingereicht.
Da es außerdem darauf ankommt, dass bestehende Vereinbarungen über zeitlich begrenzte Eisenbahnverkehrsdienste eingehalten werden, ist Änderungsantrag 18 meines Erachtens unangebracht.
Ich hoffe, dass wir, auch wenn ich da noch meine Zweifel habe, morgen die richtige Entscheidung treffen werden.
Mathieu Grosch (PPE-DE). – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Das Eisenbahnpaket ist eine interessante Trilogie, und in jeder Trilogie steckt auch ein bisschen Dramaturgie. Wer Kollege Jarzembowski kennt, weiß, dass er immer gerne dafür sorgt, dass es mit seinen Vorschlägen nicht langweilig wird!
Die ersten beiden Vorschläge haben einen sehr breiten Konsens im Parlament gefunden. Ich halte es für sehr gut, dass wir über die Liberalisierung der Eisenbahn sprechen und die flankierenden Maßnahmen bereits frühzeitig erörtern. Es wäre schade, wenn wir hier wieder den gleichen Fehler machen würden wie etwa beim Straßenverkehr, nämlich zuerst zu liberalisieren und dann erst zu prüfen, wo eventuell noch Regulierungsbedarf besteht.
Das gilt meines Erachtens auch für den EU-Lokführerschein. Selbstverständlich soll die Ausbildung überall in Europa gleichwertig sein, auch für das Personal, das direkt mit Sicherheitsaufgaben betraut ist. Es wird kaum möglich sein, ein europäisches Schienennetz mit von Land zu Land unterschiedlichen Kriterien und unterschiedlichen Anforderungen an die Lokführer aufzubauen. Kollege Savary hat hier weitgehend die Meinung des Parlaments vertreten, und ich möchte ihm für seinen Bericht danken.
Das Gleiche gilt auch für die Rechte der Fahrgäste. Einfach ausgedrückt: Es würde bereits genügen, zu sagen, der Schienenverkehr soll pünktlich und von guter Qualität sein. In vielen Ländern hätte man sich schon gefreut, wenn diese beiden Anforderungen erfüllt wären. Aber wir sind noch weiter gegangen. Meine Sorge ist, dass wir die Latte vielleicht etwas zu hoch legen. Man soll natürlich die Qualität der Dienstleistungen und die Rechte der Fahrgäste respektieren, aber man darf seine Ziele nicht zu hoch stecken, wenn man bereits jetzt weiß, welche Schwierigkeiten es gerade im internationalen Verkehr bereitet, all diesen Forderungen gerecht zu werden. Auch im internationalen Verkehr sollten gleiche Regeln herrschen. Wie der Kommissar bereits sagte: Es kann nicht sein, dass sich, wenn man über die Grenze fährt, von einem Land zum anderen plötzlich auch die Rechte verändern. Besonders für Personen mit eingeschränkter Mobilität werden hier sehr gute Vorschläge gemacht.
Ich möchte aber daran erinnern, dass das Paket ursprünglich noch einen vierten Vorschlag umfasst hat, den wir unterwegs verloren haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch im Güterverkehr eine gewisse Qualität zu gewährleisten ist. Die Tatsache, dass wir hier Sanktionen eingeführt haben, darf nicht dazu führen, dass der Güterverkehr überall vernachlässigt wird, aus Angst, dass auch in anderen Bereichen Sanktionen eingeführt werden.
Zur Liberalisierung des Marktes: Es ist doch selbstverständlich, dass auch der internationale Verkehr liberalisiert werden muss. In Paris, Brüssel und Köln müssen die gleichen Kriterien gelten. Jetzt stellt sich die Frage des innerstaatlichen Betriebes. Ich komme aus einem kleinen Land, aus Belgien, und für uns ist bei diesem Thema schon teilweise der Zug abgefahren, denn die wichtigen Verbindungen sind grenzüberschreitend, etwa die Verbindung von Aachen Richtung Brüssel oder von Brüssel Richtung Antwerpen und weiter in die Niederlande. Aber eine Frage – und das weiß Kollege Jarzembowski auch – stellt sich nach wie vor in den kleinen Ländern: Wer will und kann diese Dienstleistungen bezahlen und wie können sie organisiert werden? Auf diese Frage müssen wir parallel zum vorliegenden Paket antworten. Wir können dies im Bericht Meijer tun, bevor wir uns zu diesem Thema im Allgemeinen äußern. Dabei folge ich dem Vorschlag des Kommissars: Wir sollten den Bericht Meijer in das Gesamtpaket mit diesem Vorschlag des Kollegen Jarzembowski aufnehmen.
Willi Piecyk (PSE). – Herr Präsident, Frau Staatssekretärin, liebe Karin Roth, Herr Kommissar! Kaum ein Verkehrsträger bedarf der politischen Unterstützung so dringend wie die Schiene. Mit dem dritten Eisenbahnpaket kommen wir ein Stückchen weiter. Unstrittig sind ja die Berichte Savary und Sterckx, und ich danke den Berichterstattern.
Wir müssen nicht nur die Lokführer, sondern auch das andere Personal einbeziehen. Wir müssen uns nicht nur um die Fahrgäste im grenzüberschreitenden Verkehr, sondern um die Fahrgäste im Allgemeinen kümmern. Strittig ist — und das war traditionell immer schon so, wie wir es mit der Marktöffnung halten. Da tun wir uns beiderseits — auch im Rat — traditionell schwer. Das hat sehr viel mit nationalen Schutzmechanismen, aber auch mit Ängsten zu tun. Solche Positionen muss man natürlich respektieren, aber sie helfen uns im Hinblick auf das Ergebnis nicht weiter.
Man könnte die Liberalisierung im Schienenverkehr ja vernachlässigen, wenn nicht in den letzten Jahren andere Verkehrssektoren — es ist öfter darauf hingewiesen worden — ohne Rücksicht auf soziale und auf Umweltkosten mit dramatischen Konsequenzen liberalisiert worden wären. Beim Straßen- und beim Flugverkehr haben wir von 1995 bis 2004 ein enormes Wachstum zu verzeichnen. Die Schiene hinkt immer hinterher und stagniert.
Für die Zukunft sieht es noch viel finsterer aus. Bis 2020 wird das Frachtaufkommen um 50 % steigen, der Personentransport um 35 %. Von diesen 35 % an erwartetem Anstieg im Personenverkehr werden die Verkehrsträger unterschiedlich profitieren: Der Flugverkehr ist mit einem Plus von 108 % dabei, das Auto mit 36 % und die Schiene gerade mal mit 19 %. Diese Hochrechnungen kommen von der Kommission. Diese Zahlen können doch niemanden ernsthaft zufrieden stellen!
Es mag ja sein, dass es bereits jetzt im nationalen Bereich Erhöhungen bei den Fahrgastzahlen gibt. Aber man muss doch die Gesamtsituation sehen. Wenn ich dann auch noch zur Kenntnis nehme, dass eine Person bei 17 000 km Bahnfahrt eine Tonne CO2 in die Atmosphäre jagt, während beim Flugzeug diese Verschmutzung schon bei 3 000 km erreicht wird, dann kann man hinsichtlich der Marktöffnung bei der Schiene sehr wohl zu unterschiedlichen Überlegungen kommen.
Wir reden heute nicht über den Bericht Meijer, denn der Bericht Meijer kommt demnächst, auch nicht über das Hafenpaket, sondern wir reden aus energie- und umweltpolitischen Gründen über eine Marktöffnung. Und was Maximalforderungen anbelangt, liebe Staatssekretärin, liebe Karin Roth: 2017/2022 – das ist keine Forderung mit der Brechstange. Sie ist sehr sanft, und sie nimmt auch auf die kleinen Mitgliedstaaten Rücksicht. Sowohl der Rat als auch das Parlament haben Schutzmechanismen für die kleinen Mitgliedstaaten eingebaut. Natürlich müssen diese Staaten besonders geschützt und berücksichtigt werden.
Also noch einmal: Wenn die Schiene eine reelle Chance haben soll, dann müssen wir hier ein Stück Marktöffnung zulassen. Ich freue mich auf das Vermittlungsverfahren und hoffe auf eine sehr kompromissbereite und aktive Ratspräsidentschaft, die uns dann zu einem guten Ende führt.
Paolo Costa (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Unterscheidung von grenzüberschreitendem Verkehr, also dem Verkehr zwischen Mitgliedstaaten, und dem inländischen Verkehr geht zurück auf das Jahr 1965, insbesondere auf Artikel 70 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, mit anderen Worten, auf den ersten Rechtsakt im Bereich des europäischen Verkehrswesens.
Es erscheint mir völlig logisch, dass der grenzüberschreitende Verkehr mit der Schaffung des Verkehrsbinnenmarkts vorsorglich der europäischen Institution übertragen wurde, jedoch ist ebenso naheliegend, dass die falsche Unterscheidung zwischen internationalem und Binnenverkehr danach auf dem Gebiet des Straßen-, See- und Luftverkehrs, der Kabotagedienste und schließlich, am 1. Januar dieses Jahres, auch für den Schienengüterverkehr abgeschafft wurde.
Weshalb, Frau Roth, sollte diese Unterscheidung gerade für diese letzte Enklave der Prämoderne, dem Eisenbahnpersonenverkehr, beibehalten werden? Weshalb, Herr Barrot, unternehmen Sie solche Anstrengungen, um 5 % des Schienenpersonenverkehrsmarktes innerhalb von drei Jahren – bis 2010 – zu liberalisieren? Weshalb verhindern Sie, dass die Vorteile des Wettbewerbs den restlichen 95 % des Eisenbahnmarktes helfen, die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Straße und Luft wiederzugewinnen, ohne die wir keines der anstehenden Probleme lösen können? Weshalb sollen nur 5 % der Fahrgäste endlich in den selbstverständlichen Genuss des Schutzes kommen, auf den alle Verbraucher Anspruch haben, vor allem Personen mit Behinderungen, wenn wir ihn doch schon auf alle Fluggäste ausgedehnt haben?
Denken Sie nicht, dass eine Übergangszeit von zehn Jahren, vielleicht auch 15 Jahren für die neuen Mitgliedstaaten, ausreicht, um es auch den wackligsten nationalen Monopolen – die gegenwärtig ihre exklusiven Binnenmärkte verteidigen – zu ermöglichen, sich dem Wettbewerb zu stellen? Immerhin kann der Wettbewerb nicht zerstörerisch wirken, da der Markt bereits schrumpft und nur der Wettbewerb dazu beitragen kann, den Markt für alle auszuweiten.
Um es auf den Punkt zu bringen, meine Damen und Herren, sollten wir wirklich nicht in der Lage sein, uns von einer Verhaltensweise zu trennen, die vor 50 Jahren gültig war, aber heute – wenn wir ehrlich sind – unsere gesamte Strategie gefährdet?
Karin Roth, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf mich bei Ihnen für die sehr offene und sehr interessante Aussprache zum Eisenbahnpaket bedanken. Sie zeigt, wie wichtig der Verkehrsträger Eisenbahn ist und dass er an Bedeutung gewinnen muss. Darüber besteht große Einigkeit im Parlament, und das stärkt die Kommission, den Rat – uns alle.
Ich bin davon überzeugt, dass die Unterschiedlichkeit der 27 Länder berücksichtigt werden muss. Das gilt auch für die Leidenschaft bezüglich der Umsetzung der Öffnung des Marktzugangs. Wenn wir mit Augenmaß und Leidenschaft zugleich die Bedingungen der Einzelnen akzeptieren und gleichzeitig Möglichkeiten der Regulierung und der Deregulierung schaffen, dann finden wir auch größere Akzeptanz. Zu Recht besteht in vielen Mitgliedstaaten die Befürchtung, dass im Anschluss an eine Marktöffnung für den nationalen Personenverkehr bekannte Unternehmen den Markt einfach übernehmen. Das ist einer der Gesichtspunkte, die dazu führen, dass man beim Thema Marktöffnung nicht ganz so forsch vorgeht, wie Sie, Herr Kollege Jarzembowski, es in Ihrem Bericht deutlich gemacht haben.
Ich möchte mich bei den Berichterstattern und den Diskussionsteilnehmern dafür bedanken, dass Sie sich im Bereich der Verkehrspolitik und insbesondere für die Eisenbahnen engagieren. Wir werden uns sicher bei nächster Gelegenheit wieder treffen, um dann auch die Kompromisslinien zu finden.
Der Präsident. – Die Aussprache wird unterbrochen. Sie wird um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.