Hartmut Nassauer (PPE-DE). – Herr Präsident! Ich möchte anregen, von der Möglichkeit gemäß Artikel 168 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung Gebrauch zu machen und diesen Bericht an den Ausschuss rückzuüberweisen, und zwar aus folgenden Gründen: Die Problematik des Artikels 90 ist mir geläufig; in diesem Bericht wird die Lage der Dalits, der so genannten Unberührbaren, in Indien sicherlich zutreffend beschrieben, und ebenso klar ist, dass niemand von uns diese Zustände billigt und wir verpflichtet sind, das Mögliche zu tun. Gegen den Bericht sind aber naheliegenderweise aus Indien beträchtliche Einwände gekommen, weil er sich mit dem Kastensystem in Indien und damit mit etwas befasst, was dort Teil der Tradition und der Kultur ist.
Deswegen bitte ich zu erwägen, ob es nicht im Interesse dessen, was wir wollen, klug wäre, im Ausschuss noch einmal darüber zu reden, selbst wenn das, was nachher beschlossen wird, sich überhaupt nicht vom jetzigen Entschließungsantrag unterscheidet. Aber es wäre klug, noch einmal mit den indischen Behörden zu reden, weil wir allzuoft als Europäer die sind, die mit erhobenem Zeigefinger andere belehren, was im Ergebnis den Zielen, die wir vertreten, eher schadet als nutzt. Deswegen bitte ich, klugerweise so zu verfahren.
Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Wenn ich das richtig gehört habe, haben Sie gesagt, dieser Akt ist gemäß Artikel 90 beschlossen, weil es keinen Einspruch gab.
Zweitens kommt es immer wieder Botschaften vor, dass Botschaften bei uns intervenieren, in diesem Fall die indische Botschaft. Wir sind nicht das Sprachrohr einer Botschaft, wir sind das Sprachrohr einer Bevölkerung, und wir sollten daher bei dem Beschluss bleiben.
Charles Tannock (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zu einem ganz anderen Thema äußern. Als dieser Bericht im Entwicklungsausschuss erörtert wurde, war ich stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses Menschenrechte und stellvertretender Koordinator im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Es geht in diesem Bericht vor allem um Menschenrechte. Weder der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten noch der Unterausschuss Menschenrechte wurden um eine Stellungnahme ersucht. Wir hatten keine Möglichkeit, Änderungsanträge vorzulegen. Ein Bericht zu Menschenrechtsfragen durchläuft den Entwicklungsausschuss, der dafür nicht zuständig ist.
Hier geht es nicht nur um die indische Regierung; es geht um eine Verfahrensfrage. Wie kann es sein, dass ein Bericht das Plenum ohne Abstimmung oder die Möglichkeit von Abänderungen durchläuft, wenn die Ausschüsse, die vorrangig für die Angelegenheit zuständig sind, diesen Bericht nie gesehen haben und keine Gelegenheit hatten, sachliche Ungenauigkeiten zu korrigieren? Dies ist sachlich nicht korrekt!
(Beifall)
Daniel Cohn-Bendit (Verts/ALE). – Herr Präsident! Herr Swoboda hat es bereits gesagt, es ist beschlossen worden, deswegen Ende der Debatte! Damit sind alle anderen Überlegungen hinfällig. Wenn die Kollegen Nassauer und Tannock einen anderen Bericht vorlegen wollen, dann müssen sie von unten anfangen, und in fünf Jahren werden wir dann darüber abstimmen.
Nirj Deva (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! In meiner Eigenschaft als Verhandlungsführer für diesen Bericht im Entwicklungsausschuss kann ich die Ausführungen meines Kollegen, Herrn Tannock, bestätigen, denn wenn wir schon einen Unterausschuss Menschenrechte haben, dann hätte der Bericht diesem Ausschuss auch zur Stellungnahme vorgelegt werden müssen. Obwohl es sich im Wesentlichen um einen Bericht zu Menschenrechtsfragen handelt, wurde er nicht im Unterausschuss Menschenrechte, sondern nur im Entwicklungsausschuss erörtert. Ich empfehle daher, dass wir diesen Bericht in die Ausschüsse zurückverweisen und den Unterausschuss Menschenrechte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten um eine Stellungnahme bitten.
(Beifall)
Neena Gill (PSE). – (EN) Herr Präsident! Als Vorsitzende der SAARC-Delegation ist mir bewusst, dass dieser Bericht ausgesprochen problematisch ist. Allerdings dürfen wir auch nicht übersehen, dass es hier einige sachliche Ungenauigkeiten gibt.
Aus Verfahrensgründen wurde der Bericht am 19. Dezember 2006 im Entwicklungsausschuss angenommen, die Frist war auf den 15. Januar 2007 festgelegt. Der größte Teil des Zeitraums zwischen diesen beiden Terminen wurde von den Weihnachtsferien eingenommen. Wir haben uns mit dem Sachverhalt befasst, mehrere Sitzungen abgehalten, Stellungnahmen abgegeben, und ich möchte als Delegationsvorsitzende darum bitten, dass wir die Gelegenheit erhalten, unsere Ansicht mitzuteilen. Ich würde eine Rücküberweisung in die Ausschüsse befürworten. Es kann keinen Bericht ohne Aussprache oder Abstimmung geben. Das wäre eine Umgehung der demokratischen Kontrolle, und ich denke, wir müssen diesem Hohen Hause auf jeden Fall den gebührenden Respekt erweisen.
(Beifall)
Luisa Morgantini (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr betrübt wegen des Exempels, das wir mit einer Entschließung statuieren, die wir im Entwicklungsausschuss ausführlich erörtert haben und bei der wir genug Zeit hatten, um Änderungsanträge einzureichen. Mit dieser Entschließung mischen wir uns nicht – jedenfalls nicht mehr als mit vielen anderen, wesentlich energischeren Entschließungen, die von diesem Parlament angenommen wurden – in die inneren Angelegenheiten Chinas ein.
Wir sind uns wohlbewusst, dass das Kasten-Problem äußerst heikel ist, doch wir haben die Dalits angehört, die nicht nur in Indien, sondern auch in vielen anderen Ländern leben: Wir sprechen hier über Millionen von Menschen, die unter unwürdigen und unmenschlichen Bedingungen leben.
Es tut mir leid, aber ich denke wirklich, dass unser Parlament ein sehr schlechtes Beispiel abgibt, und, wie bei allen anderen Entschließungsanträgen, die zur Abstimmung gestellt werden, meine ich, dass auch über diesen Entschließungsantrag, der im Entwicklungsausschuss angenommen wurde, im Plenum abgestimmt werden muss, denn er betrifft ein Problem der Menschenwürde und des Rechts von Millionen von Menschen auf Leben sowie auf Achtung ihres Lebens und ihrer Würde.
(Beifall)
Der Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns an das Recht halten. Ich lese Ihnen jetzt Artikel 90 Absatz 4 vor. Hören Sie bitte gut zu, es ist ziemlich schwierige Rechtssprache, aber dies ist der Artikel, an den sich der Präsident halten muss, denn der Präsident muss sich an das geltende Recht halten.
Artikel 90 Absatz 4 lautet: „Die so abgefassten Empfehlungen werden auf die Tagesordnung der nächstfolgenden Tagung gesetzt. In dringenden Fällen, über die der Präsident entscheidet, können Empfehlungen auf die Tagesordnung für eine laufende Tagung gesetzt werden. Die Empfehlungen gelten als angenommen, sofern nicht vor Beginn der Tagung mindestens 40 Mitglieder schriftlich Einspruch erhoben haben. In diesem Fall werden die Empfehlungen des Ausschusses auf die Tagesordnung derselben Tagung zwecks Aussprache und Abstimmung gesetzt. Änderungsanträge können von einer Fraktion oder von mindestens 40 Mitgliedern eingereicht werden.“
Ich muss hier feststellen — und ich halte mich an das Recht, das ist meine Pflicht —, dass vor der Tagung kein schriftlicher Antrag von 40 Mitgliedern gestellt wurde. Deswegen ist meine Empfehlung, dass die zuständigen Ausschüsse sich weiter mit der Frage befassen — da es sich um eine sehr delikate Frage handelt — sich weiter mit der Frage befassen, und wenn die Ausschüsse zu einem anderen Zeitpunkt zu einem anderen Ergebnis kommen, dann ist das in Ordnung. Aber ich muss jetzt so verfahren, wie es die Geschäftsordnung des Parlaments vorsieht.