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Ausführliche Sitzungsberichte
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Dienstag, 13. Februar 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll
 3. Antrittsrede des Präsidenten des Europäischen Parlaments
 4. Abstimmungsstunde
  4.1. Aufhebung der Richtlinie 68/89/EWG des Rates betreffend die Sortierung von Rohholz (Abstimmung)
  4.2. Aufhebung der Richtlinie 71/304/EWG des Rates betreffend öffentliche Bauaufträge (Abstimmung)
  4.3. Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft („Hercule II“) (Abstimmung)
  4.4. Änderung der Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (Abstimmung)
  4.5. Geodateninfrastruktur in der Gemeinschaft (INSPIRE) (Abstimmung)
  4.6. Revision der Rahmenrichtlinie über Abfälle (Abstimmung)
  4.7. Thematische Strategie für Abfallrecycling (Abstimmung)
  4.8. Die Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei (Abstimmung)
 5. Stimmerklärungen
 6. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
 7. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 8. Vorbereitung des Europäischen Rates (8./9. März 2007) (Aussprache)
 9. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
 10. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
 11. Reform der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein (Aussprache)
 12. Fakultative Modulation der Direktzahlungen im Rahmen der GAP (Aussprache)
 13. Der Weg zu einer europäischen Frequenzpolitik (Aussprache)
 14. Klimawandel (annonce de propositions de résolution déposées): siehe Protokoll
 15. PNR / SWIFT (eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll
 16. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 17. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT POETTERING
Präsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 10.05 Uhr eröffnet.)

 

2. Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (Bekanntgabe der eingereichten Entschließungsanträge): siehe Protokoll

3. Antrittsrede des Präsidenten des Europäischen Parlaments
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  Der Präsident. Verehrte ehemalige Präsidentinnen und Präsidenten des Europäischen Parlaments! Verehrte Präsidentin des Europäischen Rates, liebe Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel! Herr Präsident der Europäischen Kommission, lieber José Manuel Durão Barroso! Herr Präsident der Versammlung des Europarates, lieber René van der Linden! Meine Damen und Herren Präsidenten und Vertreter der Europäischen Institutionen! Liebe Gäste, und vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wechsel im Amt des Präsidenten nach jeweils zweieinhalb Jahren entspricht der Tradition des Europäischen Parlaments seit seiner ersten Direktwahl im Juni 1979. In historischen Maßstäben sind zweieinhalb Jahre eine kurze Zeit. Bedenken wir jedoch, dass ein Präsident des Europäischen Parlaments fünf Präsidentschaften des Europäischen Rates begleitet — jetzt Deutschland, dann Portugal, Slowenien, Frankreich und Tschechien —, so wird die Verantwortung deutlich, die dem Europäischen Parlament gerade in einer Zeit zukommt, in der das Europäische Einigungswerk weit fortgeschritten, aber noch nicht vollendet ist, ja wegen des vorläufigen Scheiterns des Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden gefährdet bleibt. Das Europäische Parlament ist sich dieser Verantwortung bewusst und darf sich daher von niemandem übertreffen lassen, wenn es darum geht, die Einheit unseres Kontinents zu vollenden!

(Beifall)

Wir alle stehen in der Kontinuität derjenigen, die uns vorangegangen sind und nachfolgen werden. So möchte ich meinem Vorgänger Josep Borrell Fontelles für sein großes Engagement und seinen unermüdlichen Einsatz als unser Präsident in den vergangenen zweieinhalb Jahren für das gesamte Europäische Parlament, insbesondere aber auch persönlich, sehr herzlich und aufrichtig danken!

(Beifall)

Dieser aufrichtige und herzliche Dank gilt in gleicher Weise den früheren Präsidentinnen und Präsidenten, die heute bei uns sind:

Emilio Colombo, Präsident im noch nicht direkt gewählten Parlament und dann ab 1979 Simone Veil, Lord Plumb, auch bekannt als Henry Plumb, unser Kollege Enrique Barón Crespo, Egon Klepsch, unser Kollege Klaus Hänsch, José-María Gil-Robles, Nicole Fontaine und Pat Cox.

(lebhafter Beifall).

Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen. Es bereitet uns eine große Freude, dass Sie alle diese Einladung angenommen haben. Pierre Pflimlin und Piet Dankert sind nicht mehr unter uns. Wir gedenken ihrer in Dankbarkeit.

Zusammen mit den Kollegen Klaus Hänsch, Ingo Friedrich, Karl von Wogau, Francis Wurtz und Jens-Peter Bonde habe ich das Privileg, dem Europäischen Parlament seit seiner ersten Wahl im Jahre 1979 anzugehören. In dieser Zeit haben wir Höhen und Tiefen der europäischen Politik erlebt.

Der größte Erfolg ist die Überwindung der Teilung Europas. Unsere gemeinsamen Werte haben sich durchgesetzt. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union von Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Slowenien — und von Malta und Zypern — seit dem 1. Mai 2004 sowie seit dem 1. Januar dieses Jahres von Bulgarien und Rumänien und des geeinten Deutschland bereits seit 3. Oktober 1990 bleiben für mich das Wunder unserer Generation. Wir haben allen Anlass, uns darüber auch heute von Herzen zu freuen.

(Beifall)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt für uns alle eine Aufgabe, voneinander zu lernen, den Respekt und das Verständnis füreinander zu stärken. Wir sollten aufhören, von den „alten“ und „neuen“ Mitgliedsländern zu sprechen. Wir alle gemeinsam sind das Europäische Parlament und unsere Völker, die wir vertreten, sind die Gemeinschaft der Europäischen Union.

(Beifall)

In den 80er Jahren war von „Eurosklerose“ die Rede. Dann jedoch kamen der Binnenmarkt und die gemeinsame Europäische Währung. Wir haben uns als Europäisches Parlament unsere Rechte erkämpft und werden dies weiter tun. Unser Parlament ist heute einflussreich und selbstbewusst. Die Erfahrung lehrt uns also, dass wir für unseren Kontinent Erfolg haben, wenn wir selbst es wollen, wenn unser Wille stark und entschlossen bleibt, die Einheit unseres Kontinentes bei Bewahrung seiner Vielfalt zu verwirklichen. Um diese Entschlossenheit möchte ich Sie heute alle bitten.

Aber wir werden dabei nur erfolgreich sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sich — neben ihrer Verbundenheit zur Heimat und zum eigenen Vaterland — auch als Europäerinnen und Europäer begreifen und sich bewusst sind, was sie verbindet. Gemeinschaftsbewusstsein und Wir-Gefühl sind notwendige Voraussetzungen für unsere gemeinsame europäische Zukunft. Die europäische Einigung ist dabei nicht nur ein Anliegen, das uns unser Verstand gebietet, sondern auch ein Anliegen des Herzens. Dies den Menschen deutlich zu machen, ist vielleicht die größte Aufgabe, die wir gemeinsam zu bewältigen haben.

Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union dienen. Die Europäer sollten stolz darauf sein, was sie sich über die Jahrhunderte erkämpft haben — an Werten, Freiheit, Recht und Demokratie. Es war ein langer Weg. Wir wissen: unsere europäischen Wurzeln sind die griechische Philosophie, das römische Recht, das jüdisch-christliche Erbe, die Aufklärung, also unsere gemeinsame europäische Kultur. Aber dazu gehören auch die tragischen europäischen Bürgerkriege und im 20. Jahrhundert die menschenverachtenden Ideologien des Totalitarismus und dann nach 1945 der Mut der Gründerväter, den Weg des Vergebens und der Versöhnung zu gehen, ein neues, besseres, friedliches, gemeinsames Europa zu bauen. Daran sollten wir uns auch heute erinnern und unsere Gemeinsamkeiten wieder entdecken. Der große französische Europäer Jacques Delors hat, ganz in der Tradition von Robert Schuman, von der „europäischen Seele“ gesprochen. Der große polnische Europäer, Wladyslaw Bartoszewski, hat einmal gesagt: „Europa, das bedeutet vor allem die Freiheit der Person, die Menschenrechte — politische und ökonomische“. Beide haben Recht.

Ich möchte von den europäischen Werten sprechen. Sie gründen im Kern in der Würde des Menschen. In der Würde der Person achten wir den Anderen, verpflichten uns selbst und bauen so eine Ordnung der Verantwortung und Solidarität. In unserem praktischen politischen Handeln sollten wir immer der Würde des Menschen dienen, und ich möchte uns alle ermuntern, die Menschenwürde und die Menschenrechte in der ganzen Welt zu verteidigen.

Das ist keine abstrakte Forderung. Wir sind nicht der Lehrmeister der Welt, aber unser Menschenbild und unsere Werte werden für andere überzeugender, wenn wir sie selber glaubwürdig leben. Das hat sehr konkrete Folgen für unsere Politik:

Wir wollen Partnerschaft mit einem handlungsfähigen und demokratischen Russland. Deswegen erwarten wir von den russischen Behörden erkennbare Anstrengungen, dass die Mörder von Ana Politkowskaja, die soviel für die Pressefreiheit in ihrem Land getan hat, der gerechten Strafe zugeführt werden.

(Beifall)

Wir werden niemals vergessen, dass ohne die Vereinigten Staaten von Amerika weder der Nationalsozialismus noch der sowjetische Kommunismus hätten bezwungen werden können. Aber wir sagen unseren amerikanischen Freunden auch: mit unseren europäischen Prinzipien einer Rechtsordnung ist „Guantanamo“ nicht vereinbar.

(Beifall)

Wir schützen das menschliche Leben. Wer den Holocaust, das böseste aller Verbrechen, leugnet, wie der Staatspräsident einer großen Kulturnation, dem müssen wir mit Entschiedenheit begegnen, damit ein neuer Holocaust nicht wieder als Schrecken über uns kommt.

(Beifall)

Wir sind überzeugt: Die Menschen in Israel und Palästina sind durch die gleiche Würde verbunden. Wir treten daher ebenso für das Existenzrecht Israels ein wie für das Recht des palästinensischen Volkes, in einem eigenen Staat zu leben.

(Beifall)

Wir stehen an der Seite derjenigen, die für Freiheit und Demokratie friedlich kämpfen. Deswegen gilt unsere Solidarität unserem Sacharowpreisträger Alexander Milinkiewitsch und seinen Mitstreitern für ein freies und demokratisches Weißrussland ohne Angst und Unterdrückung. Die gleiche Solidarität gilt unseren Sacharowpreisträgern „Las Damas de Blanco“ (Die Damen in Weiß) in Kuba und Aung San Suu Kyi in Burma/Myanmar.

Wir verteidigen die Würde des Menschen und die Menschenrechte. Wir, das Europäische Parlament, sind zutiefst davon überzeugt, dass die Todesstrafe damit nicht vereinbar ist. Ich fordere uns alle, die Institutionen der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten, auf, im Rahmen der Vereinten Nationen für die Abschaffung der Todesstrafe einzutreten.

Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, setzt das voraus, dass wir weiter an einer handlungsfähigen Europäischen Union bauen. Wir müssen uns in eine Verfassung versetzen, die sicherstellt, dass wir unsere Werte und Interessen in Europa und in der Welt als respektierter Partner vertreten können.

In meinen Ohren klingt noch die große Rede von Louise Weiss, die sie als Alterspräsidentin des ersten direkt gewählten Europäischen Parlaments am 17. Juli 1979 hier in Straßburg gehalten hat. Sie sagte: „Vergessen wir jedenfalls nie, dass wir Erben und Vollstrecker zugleich sind: Erben einer geistigen Welt und deren Vollstrecker zugunsten kommender Generationen“.

Ich könnte keine besseren Worte finden. Wir könnten heute kaum anders empfinden als 1979 und doch stehen wir zugleich vor neuen, unseren eigenen Herausforderungen.

Die Idee der Einigung Europas hat sich seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor fünfzig Jahren in den großen Linien erfolgreich entwickelt. Sie ist zum Ausdruck einer der glücklichsten Perioden in unserer langen europäischen Geschichte geworden. Zunächst bezog die Idee Europa nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Kraft aus dem Willen zu Frieden und Freiheit. Dann folgten die Mehrung des Wohlstands und der soziale Ausgleich als Auftrag und Antrieb für die europäische Einigung. In beiden Ideen ist Europa sich treu geblieben, als die Wiedervereinigung unseres Kontinents uns die einzigartige Chance zum Zusammenwachsen der viel zu lange geteilten Hälften des Kontinents in Freiheit gegeben hat.

Heute gewinnt Europa seine Anerkennung und seinen Antrieb aus dem Streben unserer Bürger nach Sicherheit. Dies ist ein sehr ernsthaftes Anliegen, das uns mit der Bekämpfung des Terrorismus unfreiwillig, aber unausweichlich aufgetragen worden ist. Wir brauchen dazu Lösungen der Fragen, die unseren Bürgern unter den Nägeln brennen.

Zum Sicherheitsstreben gehört auch der Auftrag, Arbeit und sozialen Schutz in einer sich rasch wandelnden Welt zu schaffen. Wir können keine Sicherheit gegen die Globalisierung gewinnen. Wir müssen sie gestalten durch Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitige Bewahrung unseres europäischen Sozialmodells.

Dazu gehört, dass wir nicht nur über den dramatischen Klimawandel reden, sondern — zusammen mit unseren Partnern in der Welt — die notwendigen Maßnahmen ergreifen und sie entschlossen durchsetzen, bevor es zu spät ist.

Zur Sicherheit gehören die gemeinsame Energieversorgung sowie eine gemeinsame Politik der Zuwanderung, die die Menschenrechte ebenso beachtet wie die Notwendigkeit der Integration in unserer Gesellschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer wieder Menschen in den Fluten des Mittelmeeres ihr Leben verlieren.

Wir können unsere Sicherheit nicht in einer Welt finden, die in Flammen steht, in der Menschen in Armut und unter sozialem Druck leben, wo Unordnung herrscht und in der die natürlichen Umweltbedingungen weiter zerstört werden.

Wenn wir in Europa in Sicherheit leben wollen, müssen wir uns als Partner für die Sicherheit in der Welt in allen ihren Aspekten engagieren. Und wir müssen wissen: Ohne europäische Lösungen lassen sich die meisten Herausforderungen, vor denen unser Kontinent und unsere Welt stehen, nicht mehr bewältigen. Europas Einigung ist stets durch Krisen gestärkt worden, auch wenn dies zunächst paradox erscheint. Ich sage nicht, dass wir Krisen brauchen, weil wir unfähig wären, das Gute aus sich selbst heraus voranzubringen. Die Europäische Union braucht einen neuen Aufbruch, eine Erneuerung. Der Weg ist mühsam, das ist wohl wahr. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt: Unser Kontinent ist heute besser für seine Zukunft in der Welt des 21. Jahrhunderts gerüstet als vor 15 oder 20 Jahren.

Wir selbst werden daran gemessen werden, inwieweit wir die Neubegründung der europäischen Einigung auf eine dauerhaft gute und sichere Bahn gebracht haben. Von uns Politikern wird Führungskraft erwartet. Wir müssen besser als dies bisher manchmal geschehen ist begründen, warum Europa gut ist für uns alle, welchen Mehrwert die europäische Einigung bewirkt und welchen Zielen unsere Arbeit dient. Wir müssen den Eindruck überwinden, die europäische Politik habe nur eine technische Funktion, ohne Weitsicht und Sinnzusammenhang. Wir müssen durch unser Tun überzeugen. Dabei müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Zukunft so nachhaltig vorzubereiten, dass sie für unsere Kinder und Enkel nach menschlichem Ermessen sicher ist. Wir brauchen dazu einen neuen Aufbruch für ein besseres, ein stärkeres, ein der Zukunft zugewandtes Europa. Wir brauchen aber vor allem ein Europa, das an sich selber glaubt, das seine Kraft aus seinen Werten schöpft und das ein guter Partner in der Welt sein will und sein kann.

Ohne die Medien können wir Europa nicht den Menschen vermitteln. Ich möchte ausdrücklich den Korrespondenten und Journalisten hier in Straßburg für ihre faire und objektive Berichterstattung danken. Aber ich appelliere an die nationalen Medien, besonders die privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, ihren Beitrag zu einer europäischen Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Es ist nicht zeitgemäß, die Europäische Einigung jeweils nur aus der nationalen Perspektive darzustellen. Ich bitte die nationalen Fernsehanstalten, ihre Studios für europäische Themen zu öffnen und hierzu auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments als Gesprächspartner einzuladen.

(Beifall)

Wir brauchen einen neuen Pakt zwischen den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren politischen Institutionen in der Europäischen Union. Das „Europa der Bürger“ und die Glaubwürdigkeit der europäischen Institutionen bedingen einander. Dazu kann das Arbeitsprogramm „Bessere Gesetzgebung“ einen Beitrag leisten, wenn es für mehr demokratische Kontrolle, Transparenz im Rat, verlässliche Umsetzung in nationales Recht, soziale, ökologische, ökonomische und administrative Folgenabschätzung und Vereinfachung der Rechtstexte selbst sorgt. Wir sollten uns bei beabsichtigter europäischer Gesetzgebung immer fragen: Dient sie den Menschen und der Umwelt? Ist sie unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität notwendig? Stärkt sie unsere Wettbewerbsfähigkeit? Reduziert sie Bürokratie und Kosten? Nur wenn diese Fragen positiv beantwortet werden können, sollten wir im Europäischen Parlament als Gesetzgeber tätig werden.

Wir sollten als Europäisches Parlament nicht nur darum bemüht sein, die Bürgerinteressen zu vertreten. Wir sollten auch unseren Respekt vor dem Engagement europäischer Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringen, die mit ihrem Werk das Ansehen Europas mehren — in Europa und in der Welt. Wir sollten dafür eine Auszeichnung des Europäischen Parlaments einführen. Und warum sollten wir nicht auch besonders das Engagement junger Menschen für die europäische Idee würdigen? Hochrangige europäische Auszeichnungen haben soviel Positives im öffentlichen Bewusstsein bewirkt, warum schaffen wir nicht auch Auszeichnungen für die junge Generation, für junge Europäerinnen und Europäer, die europäisch besonders vorbildlich engagiert sind?

Die europäische Geschichte wird fast immer nur national in nationalen Museen dargestellt. Ich möchte einen Ort der Erinnerung und der Zukunft anregen, in der der Gedanke der Idee Europas weiter wachsen kann. Ich möchte den Aufbau eines „Hauses der Europäischen Geschichte“ vorschlagen. Es soll kein langweiliges, trockenes Museum werden, sondern ein Ort, der unsere Erinnerung an die europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere Gestaltung der Identität Europas durch alle jetzigen und künftigen Bürger der Europäischen Union. Ein solches „Haus der Europäischen Geschichte“ sollte am Sitz der Europäischen Institutionen gegründet und vernetzt werden mit vergleichbaren Einrichtungen in den Mitgliedstaaten. Die „Erklärung zur Zukunft Europas“, gemeinsam zu beschließen vom Europäischen Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission am 25. März 2007 in Berlin, unter Ihrem Vorsitz, Frau Ratspräsidentin, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, könnte hierfür die Vorraussetzungen schaffen.

Die Europäische Union ist die größte Vereinigung von Völkern in der Welt — aus 27 Nationen mit nahezu 500 Millionen Menschen. Europa ist ein komplizierter Kontinent, und dies stellt uns alle vor gewaltige Herausforderungen. Die Europäische Union kann nicht mehr mit den unzulänglichen Instrumenten des gegenwärtigen Vertragsrechts geführt werden. Wenn unsere Wertegemeinschaft Bestand haben soll, müssen wir sie fundamental reformieren. Der Verfassungsvertrag stärkt sowohl das Europäische Parlament wie die nationalen Parlamente, er ist ein Zuwachs an Parlamentarismus und Demokratie. Die kommunale Selbstverwaltung als Grundlage unserer europäischen demokratischen Ordnung wird erstmals anerkannt. Die Kompetenzordnung definiert die europäischen Zuständigkeiten. Ich sage Ihnen freimütig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich verstehe diejenigen nicht, die einerseits „Brüssel“ kritisieren — und dazu gibt es gelegentlich ebenso eine Berechtigung, wie man die nationale Politik kritisieren kann —, aber gleichzeitig den Verfassungsvertrag ablehnen, der ja gerade das Mittel ist, dazu beizutragen, die erkannten Defizite abzubauen und zu korrigieren.

(Beifall)

Wir dürfen keinen Zweifel aufkommen lassen: Das Europäische Parlament steht zum Verfassungsvertrag. Wir wollen mithelfen, dass die Substanz des Verfassungsvertrages einschließlich des Wertekapitels rechtliche und politische Realität wird. Der hier im Europäischen Parlament erarbeitete Konsens zur Dienstleistungsrichtlinie und zu den Grenzen der Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union greift vorhandene Sorgen der Menschen konstruktiv auf. Die „Erklärung zur Zukunft Europas“ vom 25. März 2007 in Berlin kann einen weiteren wichtigen Meilenstein auf diesem Weg markieren. Ihr Kern sollte sein: das Bekenntnis zu unseren Werten und zu den notwendigen Reformen; die Verpflichtung, die Herausforderungen der Zukunft, von denen ich sprach, gemeinsam zu bewältigen; das Bekenntnis zur Solidarität zwischen unseren Völkern und die Geltung des Rechts als Grundlage unseres Handelns. Kein Volk der Europäischen Union darf mit seinen fundamentalen Problemen allein gelassen werden. Dies schließt aber auch nationalen Egoismus aus. Wer nur den Interessen seines eigenen Landes dient, wird am Ende auch diese verspielen, weil er die Solidarität zerstört, die zur Verteidigung der eigenen Interessen notwendig ist.

(Beifall)

Wir wollen mithelfen, dass unter der deutschen Ratspräsidentschaft auf dem Gipfel am 21. und 22. Juni in Brüssel ein Fahrplan und ein Mandat verabredet werden, an dessen Ende die volle Verwirklichung des inhaltlichen Kerns der Europäischen Verfassung bis zur nächsten Wahl des Europäischen Parlaments im Juni 2009 steht. Ich möchte daran erinnern, dass der Verfassungsvertrag von allen 27 Regierungen unterzeichnet und bereits von 18 Ländern beschlossen wurde. Natürlich müssen wir die Referenden respektieren.

Aber unabhängig davon: Wenn Regierungswechsel in einem Land das in der Europäischen Union Vereinbarte in Frage stellen, werden nicht nur die nationalen Gesellschaften gespalten, sondern unser ohnehin schon komplizierter Kontinent wird zunehmend handlungsunfähig. Wir müssen uns zu unseren europäischen Rechtsgrundsätzen bekennen: pacta sunt servanda — Verträge sind einzuhalten.

Unser Wille muss stark und entschlossen sein, diese notwendigen Reformen zu verwirklichen. Dabei müssen wir diese Reformen so vorantreiben, dass die Völker in der Europäischen Union nicht gespalten, sondern zusammengeführt werden. Wir bestehen darauf, dass das Europäische Parlament angemessen an den Arbeiten beteiligt wird.

Wir als Europäisches Parlament müssen auch zur Reform bei uns selbst bereit sein. Das stellt zunächst hohe Anforderungen an jeden von uns, beispielsweise die Präsenz bei Abstimmungen und wichtigen Debatten. Hier bleibt — wie wir alle wissen — noch viel zu tun. Ich wünschte mir, das Europäische Parlament wäre immer so gut besetzt wie heute Morgen, obwohl das noch steigerungsfähig ist. Deshalb werde ich übermorgen, am Donnerstag, den Fraktionsvorsitzenden einen Vorschlag für eine umfassende Reform der Arbeiten des Europäischen Parlaments vorlegen. Die Konferenz der Präsidenten, also die Fraktionsvorsitzenden — und das sind wichtige Leute —, hat in diesem Sinne eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung unserer Arbeiten eingesetzt. Ich sehe, dass ein Lächeln auf den Gesichtern der Fraktionsvorsitzenden ist — sie freuen sich über diese Bestätigung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, mit der Arbeit zu beginnen und so rasch wie möglich die Arbeitsergebnisse vorzulegen.

Wir haben eine effiziente Verwaltung, und ich möchte Generalsekretär Julian Priestley, der am 1. März nach zehn Jahren aus seinem Amt scheidet, für sein großes Engagement aufrichtig und herzlich danken!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt sicher auch gelegentlich, vielleicht auch häufiger Anlass, die Verwaltung zu kritisieren. Wir lassen uns ja auch selber kritisieren. Aber wenn man eng mit Julian Priestley und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeitet, dann sieht man, welch hohes Verantwortungsbewusstsein, welches Engagement sie haben, und ich habe bisher noch nicht erlebt, dass man gegen die Absichten des Präsidenten gehandelt hätte. Natürlich wünsche ich mir das auch für meine ganze Amtszeit. Ich werde einen engen Kontakt halten, damit wir in die gleiche Richtung gehen. Herzlichen Dank, Julian Priestley! Der einzige Maßstab für die Verwaltung ist Dienst an unseren europäischen Überzeugungen — parteipolitisch unabhängig, fair und objektiv.

Meine Damen und Herren! Europas Zukunft ist in hohem Maße davon abhängig, wie uns das Zusammenleben der Kulturen und Religionen in der Europäischen Union und mit unseren Nachbarn vor allem in der arabischen und islamischen Welt gelingt.

Wir müssen daher mitwirken, dass der Dialog der Kulturen und Religionen das Markenzeichen Europas wird. Wir leben auf dem Kontinent der drei großen Kulturen und Religionen, der christlichen, der jüdischen und der islamischen. Und wir haben Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus einer der anderen großen Kulturen dieser Welt stammen und in den anderen Religionen dieser Erde ihre Heimat haben. Wir als Europäisches Parlament müssen Beispiele der europäischen Zivilgesellschaft ermutigen und unterstützen, die dem Dialog der Kulturen verpflichtet sind. In Sevilla habe ich die Arbeit der Einrichtung „Tres Culturas“ kennen gelernt, und ich sage es nicht nur als Referenz an meinen spanischen Vorgänger, Josep Borrell, dass wir alle Beispiele im europäischen Zusammenleben von Christen, Muslimen und Juden — und natürlich auch allen, die sich nicht zu diesen Religionen bekennen — aktiv unterstützen sollten. Dies ist die entscheidende Investition in unsere geistige Entwicklung. Es ist zugleich der beste Beitrag, um Anstöße zu geben für den Dialog der Kulturen über das Mittelmeer hinweg in den nahen Osten und nach Nordafrika. Wir wollen nicht den „clash of civilisations“, sondern wir wollen Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit zwischen allen Völkern und Glaubensrichtungen. Dafür wollen wir eine geistige und kulturelle Brücke über das Mittelmeer schlagen.

Dieser Dialog muss sich gründen auf Toleranz und Wahrheit. Toleranz bedeutet nicht Beliebigkeit. Toleranz bedeutet, unter Wahrung der eigenen Überzeugungen die Überzeugungen des anderen zu respektieren und so gewaltfrei zusammenzuleben. Bei einem meiner vielen Besuche in arabischen Ländern wurde ich einmal von einem hohen islamischen Würdenträger gefragt, wie Moslems in Europa leben. Meine Antwort war, dass sie oft nicht hinreichend integriert sind, aber ihren eigenen Glauben leben können und ihre Gebetshäuser und Moscheen haben. Meine Gegenfrage lautete, ob es wahr sei, dass in seinem Land eine Muslima oder ein Moslem mit dem Tode bestraft werden könne, wenn sie oder er zum christlichen Glauben übertreten wolle. Die mir nicht gegebene Antwort war die Antwort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin fest davon überzeugt, dass der Dialog der Kulturen nur gelingen kann, wenn er sich gründet auf Wahrheit und gegenseitige Toleranz.

(Beifall)

Ich habe mir vorgenommen, die arabischen Nachbarstaaten der Europäischen Union zu besuchen und bei meinen Besuchen in den Ländern der Europäischen Union das Gespräch mit ethnischen Minderheiten, gerade auch mit jungen Menschen zu suchen. In der Europa-Mittelmeer-Versammlung haben wir eine wichtige parlamentarische Institution für den Dialog mit dem Nahen Osten, einschließlich Israels und der arabischen Welt. Wir müssen diese Institution wirksam nutzen für Frieden, Partnerschaft, und wenn es geht, für Freundschaft. Am vergangenen Wochenende haben sich die vier Präsidenten, die den Vorstand der Europa-Mittelmeer-Versammlung bilden — also die Parlamentspräsidenten von Ägypten, von Tunesien, der den Vorsitz hat, die Parlamentspräsidentin Griechenlands und ich — in Tunis getroffen, und wir haben vereinbart, dass der Dialog der Kulturen und die Problematik der Arbeitslosigkeit in den Ländern des Mittelmeerraums das Thema des nächsten Dialogs im März sein soll, und dass wir uns im Juni in besonderer Weise mit dem Nahen Osten und dem —hoffentlich laufenden — Friedensprozess befassen wollen.

Sobald es die Umstände erlauben, werde ich Israel, Palästina und den Libanon besuchen. Ich bin dankbar für die mir übermittelte Einladung, vor dem israelischen Parlament, der Knesset, zu sprechen. Bei unseren Einladungen für Ansprachen vor dem Europäischen Parlament sollten wir einen Schwerpunkt setzen im Hinblick auf den Dialog der Kulturen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die europäische Demokratie und den europäischen Parlamentarismus zu stärken, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Deswegen wollen wir mit den nationalen Parlamenten partnerschaftlich und konstruktiv zusammenarbeiten zum Wohle unserer Völker und der gesamten Europäischen Union.

Helmut Kohl, der Ehrenbürger Europas ist, hat einmal gesagt: „Wir haben nicht viel Zeit. Die Welt, in der wir leben, ist nicht bereit zu warten, bis wir unsere inneren Probleme gelöst haben.“ Er hat Recht. Ich möchte hinzufügen: Nicht zu handeln, die Gleichgültigkeit, wäre die größte Schuld, die wir auf uns laden können.

Am Ende meiner Amtszeit wird ein neues Europäisches Parlament gewählt. Wenn unsere Arbeit überzeugend ist und auch in den nationalen Hauptstädten gut über Europa gesprochen wird, wird sich die Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wieder erhöhen. Dies zu erreichen, sollte unser Ehrgeiz sein.

Unsere Arbeit ist oft nüchtern, auch aufreibend und wenig spektakulär. Aber unsere Ziele sind groß und die Erwartungen an uns auch. Ihnen zu genügen, das ist unser Anspruch. Ich möchte Sie in dieser Aufgabe alle so vertreten, dass die Würde des Europäischen Parlaments, die Einigung unseres europäischen Kontinents und die Wirksamkeit der Europäischen Union gestärkt werden. Ich bitte um Ihre Mithilfe, danke Ihnen für Ihr Vertrauen und hoffe, dass wir gemeinsam unsere Ziele erreichen.

(anhaltender Beifall)

 
  
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  Angela Merkel, amtierende Ratspräsidentin. Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Hans-Gert Pöttering, sehr geehrte Vorgängerinnen und Vorgänger des heutigen Präsidenten, liebe Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament, sehr geehrter Herr Präsident der Kommission! Herr Präsident, Sie gehören zu den Parlamentariern der ersten Stunde im Europäischen Parlament und haben – wie Sie eben gesagt haben – seit 1979 Erfahrung. Man kann sagen, dass Sie einen bemerkenswerten Aufstieg eines Parlaments erlebt und mitgestaltet haben, das in den Kinderschuhen begonnen hat und heute zu einem sehr emanzipierten Europäischen Parlament mit selbstbewussten Abgeordneten, klaren Parteistrukturen und Fraktionsbildungen und damit zu einem anspruchsvollen, aber nicht mehr wegzudenkenden Partner im europäischen Diskurs geworden ist.

Die Weiterentwicklung des Parlaments gehört zu der Erfolgsgeschichte der Europäischen Union, und wir wissen heute, dass ohne die Arbeit des Europäischen Parlaments vieles, was wir für die Bürgerinnen und Bürger Europas geschaffen haben, eine andere Form gehabt hätte. Ich will aus letzter Zeit an die Arbeiten zu der Chemikalienverordnung – REACH – erinnern, an die Gestaltung der Dienstleistungsrichtlinie, an die Diskussionen im Zusammenhang mit der Finanziellen Vorausschau, in deren Rahmen Sie sich immer wieder darum bemüht haben, Prioritäten zukunftsweisend auszurichten, und dies, zum Teil in harten Verhandlungen mit Rat und Kommission, auch durchgesetzt haben.

Sie haben heute in Ihrer Rede den Bogen gespannt hin zur nächsten Wahl zum Europäischen Parlament, hin zum Jahr 2009, über fünf Ratspräsidentschaften, von denen die deutsche eine ist, der vier weitere folgen werden. Wir werden gemeinsam – als Vertreter der Nationalstaaten und Sie als Vertreterinnen und Vertreter des Europäischen Parlaments – vor die Bürgerinnen und Bürger Europas treten – dann fast 500 Millionen Menschen – und zu berichten haben, worüber wir uns Gedanken machen, wofür dieses Europa gut und wichtig für die Menschen ist. Es geht um Friedenssicherung, es geht um Solidarität innerhalb dieser Europäischen Union, und es geht um Wohlstand und soziale Sicherheit in einer globalen Welt, in der der Wettbewerb für uns alle sehr viel härter geworden ist. Deshalb heißt es bei aller konkreten parlamentarischen Arbeit, den Blick auf das Ganze nicht zu verlieren. Sie haben mit Ihrem Arbeitsprogramm heute deutlich gemacht, welche Rolle Sie sich für das Europäische Parlament, aber auch für die Europäische Union in der Welt vorstellen.

Wir sind uns einig darüber, dass die Frage des Verfassungsvertrags mit Blick auf die Wahl 2009 eine entscheidende Frage werden wird, einmal im Hinblick auf unser Selbstverständnis, im Hinblick auf unsere Bürgernähe, zum zweiten aber auch im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit einer Europäischen Union mit 27 Mitgliedstaaten. Deshalb wird die deutsche Ratspräsidentschaft alles daransetzen, um gemeinsam mit der Kommission, dem Parlament und den Mitgliedstaaten einen Fahrplan zu finden, wie wir dieses Projekt so fertig stellen, dass die Menschen 2009 wissen, über welches Europa sie abzustimmen haben und wie dieses Europa weiter handeln kann.

(Beifall)

Ich plädiere dafür, dass wir die Diskussion – auch wenn sie zum Teil jetzt noch kontrovers ist – auch darüber fortsetzen, wie die jeweiligen Beziehungen zwischen Kommission, Parlament und Rat weiter klarer strukturiert werden können. Ich habe deshalb auch – bei meiner Eingangsrede hier – das Thema Diskontinuitätsprinzip auf die Tagesordnung gebracht, weil ich glaube, dass dieses Thema längerfristig wichtig sein wird. Was ist das Selbstverständnis eines neu gewählten Parlaments? Was ist das Selbstverständnis einer neu gewählten Kommission? Was muss man wie schaffen? Diese Fragen sind auch mit dem Verfassungsvertrag noch nicht endgültig geklärt, und deshalb muss die Diskussion aus meiner Sicht weitergehen.

(Verhaltener Beifall)

Wenn wir uns den inhaltlichen Problemen zuwenden, dann wird in der Ratstagung am 8./9. März 2007 natürlich das Thema Energie eine ganz wesentliche Rolle spielen. Ich möchte Ihnen heute über unsere Bemühungen berichten, diesen Rat zu gestalten. Ich möchte mich zuerst bei der Kommission ganz herzlich bedanken. Sie hat uns anspruchsvolle Pakete von Richtlinien und Feststellungen zu dem Thema Energie und Klimaschutz auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben jetzt in Vorbereitung des Frühjahrsrates in den anstehenden Räten – Wettbewerb und Umwelt – die entscheidenden Voraussetzungen für eine substanzielle Debatte im Rat zu schaffen. Ich teile das Ziel der Kommission, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 30 % zu senken, vorausgesetzt, wir finden internationale Partner. Ich glaube, wir sind alle dazu aufgefordert, bei unseren internationalen Reisen darauf hinzuweisen, dass Europa 15 % der CO2-Emissionen verursacht, aber 85 % jenseits der Europäischen Union verursacht werden. Europa muss Vorreiter sein – dazu sollten wir uns verpflichten –, aber Europa muss auch deutlich machen, dass es kein Problem gibt, das deutlicher sichtbar macht, dass diese Welt zusammenhängt und dass das Handeln eines Kontinents nicht ausreicht, um die Gefährdung der gesamten Menschheit zu bannen.

(Beifall)

Wir werden sehr schwierige Diskussionen über die Ausgestaltung eines wettbewerbsfähigen Binnenmarktes haben, das deutet sich bereits an, aber wer sich in der Materie auskennt, ist darüber nicht verwundert. Wir werden uns diesen Diskussionen stellen, denn ein funktionierender Binnenmarkt innerhalb des Energiemarktes ist von essenzieller Bedeutung. Wir werden das Thema Energieeffizienz auf die Tagesordnung setzen, wir werden über erneuerbare Energien sprechen, und die deutsche Ratspräsidentschaft plädiert dafür, hier auch wirklich Zahlen und Reduktionsansätze zu verabschieden, die nicht im Unverbindlichen bleiben. Kein Mitgliedstaat kann sich davor drücken, auch dies sage ich ganz ausdrücklich! Deshalb hat auch die Bundesrepublik Deutschland – wenn ich das als Bundeskanzlerin sagen darf – hier schon Kompromisse mit der Kommission eingehen müssen, die uns nicht leicht gefallen sind. Wir haben dies sehr bewusst gemacht, weil ich glaube, dass jeder Mitgliedstaat seinen Beitrag leisten muss. Zu glauben, dass Klimaschutz dadurch funktioniert, dass niemand es merkt, das wäre ein Irrtum, und deshalb müssen wir mit diesem Irrtum Schluss machen.

(Beifall)

Das Thema Energieaußenpolitik wird uns beschäftigen, insbesondere in den Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen mit Russland. Ich muss auch heute wieder sagen: Wir hoffen und arbeiten daran, dass diese Verhandlungen beginnen können. Es ist leider noch nicht so weit, aber ich habe durchaus Hoffnung, dass wir bis zum EU-Russland-Gipfel im Mai hier einen guten Schritt vorangekommen sein werden. Und wir werden das Thema bessere Rechtsetzung auf die Tagesordnung des Europäischen Rates setzen, und auch hier bitte ich um die Unterstützung des Parlaments, damit wir nicht im Unverbindlichen stehen bleiben, sondern uns zu quantitativen Reduktionszielen verpflichten.

Ich kenne die Sorge und die Angst, dass ein Weniger an Regulierung auch ein Weniger an Schutz bedeuten kann. Das wollen wir nicht. Aber die Art und Weise, in der wir heute zum Teil Bürokratie organisieren, ist verbesserungsfähig und muss auch – vom Standpunkt der Bürgerinnen und Bürger Europas aus betrachtet – verbessert werden. Das heißt nicht, dass eine Vorschrift nicht wirksam ist, wenn man nicht die komplizierteste Art von Formular für ihre Nachprüfbarkeit entwickelt!

(Beifall)

Herr Präsident, unsere Konsultationen über die Erklärung für das Europa der Zukunft am 24. und 25. März laufen gut. Wir werden das auch so fortsetzen. Sie haben in Ihren Ausführungen sehr deutlich gemacht, welche Erwartungen an die Europäische Union im Hinblick auf ihre Außenpolitik, auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestehen. Ich teile Ihren Einsatz für Menschenrechte – der im Europäischen Parlament eine großartige Tradition hat – voll und ganz und begrüße, dass sie den Dialog der Kulturen zu einem ihrer Schwerpunkte machen wollen. Ich habe bei meiner Reise in den Nahen Osten in den letzten Tagen spüren können, welche Erwartungen auf der Europäischen Union und auf all ihren Institutionen ruhen. Die Sehnsucht nach Frieden und die Sorge aufgrund des Nuklearprogramms des Iran sind im Nahen und Mittleren Osten spürbar und auch beinahe greifbar. Uns kommt hier eine große Verantwortung zu, alles daranzusetzen – natürlich zusammen mit den Akteuren in der Region, mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit Russland –, um einen Friedensprozess in Gang zu bringen, auf den die Menschen so sehnsüchtig warten.

Ich habe es bereits an anderer Stelle gesagt und möchte es hier wiederholen: Wir, die Europäer, haben mit dem Ende des Kalten Krieges etwas ganz Unerwartetes in unserem Leben erreicht. Nahezu alle europäischen Länder können heute als 27 Mitgliedstaaten wieder gemeinsam in einem demokratischen Prozess – oft schwierig, ja, aber gemeinsam und unter demokratischen Verhältnissen – für Frieden und Freiheit arbeiten und streiten. Das, was das Wunder unserer Zeit gewesen ist, das sollte uns auch ermutigen, für Wunder und Möglichkeiten in anderen Regionen der Welt einzutreten.

Das, was Palästinenser und Israelis über Jahrzehnte nicht erlebt haben – ein Leben in Frieden, ein Leben in zwei nebeneinander liegenden Staaten, die sich nicht bekriegen, ein Leben mit einer Perspektive auf Wohlstand –, das muss auch unser Ziel sein, weil wir einfach die Erfahrung gemacht haben, dass über scheinbar unüberwindliche Gräben hinweg Frieden und Freundschaft entstehen können. Mit diesem Erlebnis haben wir Europäer eine Verpflichtung, uns in diesen Prozess einzubringen. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass das auch einer Ihrer Schwerpunkte gemeinsam mit dem aller Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament ist.

Herr Präsident, Sie haben Helmut Kohl zitiert und gesagt, dass wir uns beeilen müssen, dass wir uns nicht dauernd mit uns selbst beschäftigen dürfen, sondern dass die Menschen in der Europäischen Union erwarten, dass wir diesen so erfolgreichen Kontinent auch in Zeiten der Globalisierung weiter erfolgreich gestalten, zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger, und dass Millionen und Milliarden Menschen auf der Welt erwarten, dass die Europäische Union mit ihrer Erfahrung und ihrem Wohlstand ihren Beitrag dazu leistet, dass die Welt insgesamt friedlicher und freier wird. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Danke für Ihre Rede und auf gute Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament!

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Ein herzliches Wort des Dankes auch an Sie, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, für diese ermutigende Rede. Wir werden alles tun, was uns möglich ist, damit Europäischer Rat, Kommission und Parlament für unseren Kontinent, für die Europäische Union erfolgreich sind.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin Merkel, ehemalige Präsidenten des Europäischen Parlaments, Präsidenten der europäischen Institutionen, verehrte Abgeordnete! In diesem Jahr würdigen wir die Errungenschaften der Europäischen Union in den vergangenen 50 Jahren, einer Zeit, in der das Europäische Parlament immer mehr zur Verkörperung der Demokratie in Europa geworden ist.

Ich begrüße die Anwesenheit der ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments am heutigen Tag. In meinem eigenen Namen sowie im Namen der Kommission danke ich Ihnen allen für die von Ihnen geleisteten Beiträge zu Europa.

Gratulieren möchte ich Ihnen für diese Initiative, Herr Präsident. Sie ist in der Tat von Bedeutung. Einige Politiker sind der Meinung, erst mit ihrer Geburt habe die Welt zu existieren begonnen. Nach meinem Dafürhalten ist es wichtig, dass wir, die wir durch unsere Institutionen im Dienste unserer Bürger stehen, diese institutionelle Erinnerung wach halten. Eine anständige, zivilisierte Gesellschaft achtet ihre Geschichte und respektiert die Institutionen. Ich möchte Ihnen für Ihre Ausführungen voller Weitblick und Aussagekraft danken. Ich teile Ihre Ansichten und begrüße Ihr Engagement.

Verehrte Abgeordnete, Sie haben einen Präsidenten gewählt, dessen Erfahrung und Engagement für unser gemeinsames europäisches Aufbauwerk ihresgleichen sucht.

Unsere europäischen Werte machen das Wesen des Europas aus, das wir anstreben und schätzen: eines Europas des Friedens, der Freiheit, der Demokratie, des Wohlstands und der Gerechtigkeit. Die Erweiterung und Integration von 27 Ländern in ein Europa, in dem es keinen Krieg und keinen Totalitarismus gibt, unterstreicht nur noch mehr die Bedeutung dieser Werte und der Lehren, die wir aus der Geschichte gezogen haben: Es gelingt uns nur durch gemeinsames Vorgehen, unseren Bürgern in der globalen Welt des 21. Jahrhunderts eine Antwort auf ihre Fragen zu geben.

Der Pluralismus der Kulturen und Religionen ist ein wichtiger europäischer Wert. In diesem Sinne begrüße ich insbesondere die Betonung, die Präsident Pöttering auf den interkulturellen und religiösen Dialog gelegt hat. Die Europäische Union ist gut gerüstet, diesen Dialog voranzubringen. Vielfalt spielt bei uns eine große Rolle: Wir haben eine Vielfalt an Traditionen, Kulturen, Sprachen, Nationen. Sie gehört zu unseren wertvollsten Gaben in Europa. In gewissem Sinne stehen wir für den Erfolg der Globalisierung. Besser als jeder andere können wir dieser globalisierten Welt Gestalt geben.

Diese Vielfalt kann nur durch Dialog erreicht werden, der keine Teilung zulässt, sondern unsere Einheit stärkt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die kulturelle Vielfalt eine Quelle der Stärke und der Fähigkeit Europas ist, seine Werte und Interessen in der Welt durchzusetzen. Dieser Dialog braucht einen richtigen Nährboden. Wir wollen das Jahr des Interkulturellen Dialogs im nächsten Jahr zur Plattform dieses Dialogs machen. Die Kommission führt seit jeher einen Dialog mit den Religionen, den Kirchen, den Glaubensgemeinschaften einschließlich derer, die keiner Religion angehören. Ich möchte diesen Ansatz gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als sichtbaren Beweis dafür weiter verfolgen, dass die europäischen Institutionen, wenn sie zusammenarbeiten, die Integration Europas voranbringen.

Um die Bedeutung dieser Dimension zu unterstreichen, habe ich im vergangenen Jahr den Präsidenten des Europäischen Rates zur Teilnahme an einem Treffen mit führenden Vertretern von Religionen und Kirchen eingeladen. Ich begrüße die Vereinbarung der drei Präsidenten der politischen Institutionen Europas und der Führer der wichtigsten Religionen und Kirchen, im kommenden Mai ein Gipfeltreffen durchzuführen, bei dem ich die Ehre habe, Gastgeber zu sein.

Am 25. März werden wir Gelegenheit haben, unsere Errungenschaften und unsere Werte zu feiern. Ich freue mich, dass sich das Europäische Parlament und die Europäische Kommission voll in die Vorbereitungen für die Erklärung über die Zukunft Europas einbringen, die ich im Mai letzten Jahres vorgeschlagen habe. Diese Erklärung, die in Berlin unterzeichnet werden soll, stellt einen echten gemeinsamen Bezugsrahmen dar – die Bestätigung dessen, wofür die Europäische Union steht, und eine Darlegung der Aufgaben, die wir im 21. Jahrhundert erfüllen wollen.

Im vorigen Monat habe ich diesem Hohen Haus Vorschläge dazu unterbreitet, was die Berliner Erklärung enthalten sollte. Ich habe das nicht um der Vorschläge willen getan. Sie entsprechen den Ergebnissen, die die Bürger Europas von uns erwarten. Und nur wenn wir uns auf die Ziele unseres gemeinsamen Aufbauwerks konzentrieren, werden wir meiner Meinung nach auch in der Lage sein, einen starken und umfassenderen Konsens zu erzielen. Dazu gehört auch ein Konsens über eine institutionelle Lösung.

Ich bin überzeugt, wenn die Europäer sehen, dass sich die Europäische Union mit der Globalisierung befasst, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung fördert, soziale Solidarität an den Tag legt, den Klimawandel bekämpft, die demokratische Legitimität erhöht, unsere Werte und Interessen weltweit verteidigt, dann werden sie auch darauf vertrauen, dass sich die Europäische Union so reformieren wird, damit sie die Herausforderungen der Zukunft bewältigen kann und praktische Ergebnisse hervorbringt.

Unser aller Aufgabe ist es, den europäischen Bürgern zu dienen. Wenn wir die Zustimmung der Bevölkerung erhalten wollen, müssen wir unsere Aktivitäten auf die Prioritäten der Bürger ausrichten. Wir müssen so arbeiten, dass ihr Vertrauen gerechtfertigt ist, indem wir vor allem das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Transparenz achten. Eben dieser Ansatz wurde im Mai des vergangenen Jahres in unserer Mitteilung „Eine bürgernahe Agenda“ bekräftigt.

Um Ergebnisse zu erzielen, müssen wir die institutionelle Partnerschaft erhalten und weiterentwickeln. Diese Partnerschaft beruht einerseits auf der Trennung der Zuständigkeiten, doch andererseits auch auf der gegenseitigen Abhängigkeit der Institutionen. Auch wenn wir die Autonomie jeder Institution achten, müssen die gemeinsamen europäischen Prinzipien in den Vordergrund gestellt werden. Ungeachtet einiger verständlicher politischer und ideologischer Unterschiede müssen all diejenigen, die sich diesen Prinzipien verpflichtet fühlen, eine echte europäische Partnerschaft aufbauen.

Meiner Meinung nach funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission recht gut. Sie hat einigen harten Prüfungen standgehalten. Im Verlauf des vergangenen Jahres haben wir schwierige Dossiers zu Dienstleistungen, Chemikalien, REACH und der Finanziellen Vorausschau, um nur einige zu nennen, abgeschlossen. Das war nur möglich durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit der drei Organe. Ich bin bereit, eng mit Ihnen, Herr Präsident, sowie mit Bundeskanzlerin Merkel und ihren Nachfolgern bei der Ratspräsidentschaft zusammenzuarbeiten. Das ist meiner Überzeugung nach der beste Weg, um die von unseren Bürgern geforderten Ergebnisse zu bringen.

Der Abschluss der Debatte über die Zukunft Europas ist keine Nebensächlichkeit: Eine effizientere und demokratischere Europäische Union steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen um die Durchführung geeigneter Maßnahmen und die Erzielung bester Ergebnisse. Wir alle wissen, dass das mit Hilfe des Verfassungsvertrags hätte erreicht werden können, und dass dem, was ohne ihn machbar ist, Grenzen gesetzt sind. Wie ich schon mehrfach gesagt habe: Wir können das Europa von morgen nicht mit den Instrumenten von gestern aufbauen. Der Vertrag von Nizza reicht nicht aus.

(Beifall)

Ich weiß, das Europäische Parlament setzt wie auch die Europäische Kommission alles daran, die Arbeit des deutschen Ratsvorsitzes bei der Suche nach dem richtigen Weg nach vorn nachhaltig zu unterstützen. Die Energie und das Engagement von Bundeskanzlerin Merkel lassen uns wirklich hoffen, dass wir einen Konsens finden können und Reformen und Fortschritte zum Wohle der europäischen Bürger zu einer zwingenden Notwendigkeit machen. Der Ratsvorsitz kann jedoch nur dann Ergebnisse erzielen, wenn er von allen Mitgliedstaaten unterstützt wird. Heute, da alle europäischen Institutionen hier vertreten sind, möchte ich meinen Aufruf an die Mitgliedstaaten wiederholen, nach einer Lösung für den Verfassungsvertrag zu suchen. Ich weiß, dass es nach dem „Nein“ in zwei Mitgliedstaaten schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, genau den gleichen Text zu ratifizieren. Doch wir sollten nicht vergessen, dass alle Regierungen den Vertrag unterzeichnet haben. Daraus ergeben sich zumindest zwei Dinge: Erstens, die Mitgliedstaaten haben erkannt, dass die Union gemeinsame Probleme lösen und sich gemeinsamen Herausforderungen stellen muss. Und das haben wir noch nicht getan. Zweitens, die Unterzeichnung eines Vertrages impliziert auch eine Verantwortung gegenüber den anderen Mitgliedstaaten, gegenüber den europäischen Institutionen und gegenüber den europäischen Bürgern. Alle europäischen Regierungen haben die Pflicht, konstruktiv und aktiv nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Und ich möchte das Wort „gemeinsam“ betonen. In einem historischen Augenblick wie diesem, da wir die friedliche Einigung Europas feiern, haben wir nicht das Recht, es erneut zu teilen.

Einige Politiker erinnern mich in Bezug auf ihre Haltung zu Europa manchmal an James Mill, den Vater von John Stuart Mill. John Stuart Mill sagte einmal, sein Vater würde die Menschheit im Allgemeinen lieben, jedoch im Besonderen jede einzelne Person hassen.

(Heiterkeit)

In Europa gibt es auch viele Politiker, die ihre Liebe zu Europa im Allgemeinen bekunden, sich dann aber einer europäischen Lösung bei Energie, Klimawandel, Einwanderung und natürlich bei der institutionellen Frage widersetzen. Seien wir doch mal ehrlich: Wir brauchen keine Absichtserklärungen; was wir brauchen, sind Bekenntnisse.

(Beifall)

In allernächster Zukunft werden wir entscheidende Prüfungen zu bestehen haben, angefangen beim Paket Energie und Klimawandel auf dem Europäischen Rat im März. Ich begrüße die Erklärung, die Bundeskanzlerin Merkel soeben abgegeben hat. Wir sollten ehrlich zueinander sein. Kohärenz ist eine Voraussetzung für Glaubwürdigkeit. Wir sind nicht glaubwürdig, wenn wir erklären, wir wollen nach außen in Sachen Energie mit einer Stimme sprechen, jedoch untereinander mit 27 Stimmen sprechen und 27 Märkte haben. Wir sind nicht glaubwürdig, wenn wir den Kampf gegen den Klimawandel zur wichtigsten Priorität für Europa machen, danach aber nicht in der Lage sind, uns über konkrete Ziele für unsere Strategie zu einigen. Wir müssen also kohärent und glaubwürdig sein.

Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, verehrte Abgeordnete! Ich setze hohe Erwartungen in den Zeitraum zwischen dem heutigen Tag und dem Ende der Wahlperiode. Meines Erachtens haben wir die richtigen Prioritäten gesetzt und die richtigen Grundlagen für eine Partnerschaft gelegt, damit sie verwirklicht werden können. Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit mit Präsident Pöttering und diesem Parlament sowie mit den Kollegen im Europäischen Rat, damit wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts echte Reformen in Europa und echte Veränderungen für Europas Bürger verwirklichen können.

Ich glaube, wir können ein Europa aufbauen, in dem die Zukunft unserer Welt auf der Grundlage der Werte Freiheit und Gerechtigkeit, die uns so sehr am Herzen liegen, Gestalt annimmt.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Präsident Barroso, ich möchte Ihnen für Ihre Ausführungen und vor allem für Ihr Bekenntnis zur Partnerschaft mit dem Europäischen Parlament danken, das wir sehr begrüßen. Ich möchte Ihnen auch in meinem eigenen Namen Dank sagen. Wir freuen uns auf die Fortsetzung unserer guten Zusammenarbeit.

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau amtierende Ratsvorsitzende, Herr Kommissionspräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Hans-Gert, ich möchte Sie herzlich zu Ihrer brillanten Rede beglückwünschen – einer Rede mit mobilisierender Wirkung, wie sie Europa braucht.

Im Beisein Ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger in diesem hohen Amt, die ich begrüßen möchte, sowie der Vertreter aller europäischen Institutionen haben Sie Ihre Vorstellung von der Zukunft der Europäischen Union dargelegt. Es ist die Vorstellung von einem geeinten und integrierten Europa, das aber auch weltoffen und sich seiner internationalen Verantwortung bewusst ist, von einem Europa, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger stärker identifizieren und dem sie näher stehen.

Diese Vorstellung teilt die PPE-DE-Fraktion voll und ganz. Ich schätze den zielführenden, positiven und konstruktiven Ansatz in Ihren Worten. Wir dürfen Europa nicht länger negativ darstellen und uns nicht länger fragen, was aus uns werden soll, sondern wir müssen unsere Anstrengungen darauf richten, was getan werden muss.

Das europäische Projekt ist ein Erfolg! Es hat nicht nur Entwicklung und Wohlstand für unsere Länder gebracht, sondern auch den Frieden auf unserem Kontinent gesichert.

Mit diesem Projekt haben wir den Lauf der Geschichte geändert, und diejenigen, die behaupten, das reiche nicht mehr aus, mögen sich doch in ihrem Alltag umschauen, und sie werden feststellen, dass die Vorteile Europas allgegenwärtig sind. Man muss schon böswillig sein, um dies nicht anzuerkennen, aber wir müssen natürlich noch energischer zum Ausdruck bringen, welche Überzeugung wir mit unseren Errungenschaften verbinden, und lernen, diese besser zur Geltung zu bringen. Dies gilt beispielsweise für den Euro, der ein Erfolg ist, aber es gilt ebenso ganz allgemein für unsere Arbeit als Gesetzgeber.

Wir haben allen Grund, Vertrauen in unsere Zukunft innerhalb der Europäischen Union zu setzen. Die vor uns stehenden Herausforderungen können wir nur im Rahmen eines geeinten und entschlossenen Europas und gewiss nicht im Rahmen eines missmutigen oder rückwärtsgewandten Europas bewältigen.

Unsere Fraktion teilt Ihre Prioritäten, Herr Präsident, die aus unserer Sicht den großen Herausforderungen der Welt von heute ebenso gerecht werden wie den täglichen Anliegen unserer Mitbürger. Beides ist miteinander verbunden. Was wollen die Bürger Europas? Sie wollen mehr Freiheit – das gilt vor allem für die Jugend –, mehr Sicherheit und Schutz vor den Gefahren, die uns bedrohen. Sie wollen arbeiten und sich an den Ergebnissen ihrer Arbeit erfreuen. Schließlich erwarten sie, dass Europa die Werte unserer Zivilisation und unserer Kultur vertritt und voranbringt.

Sie sagen Ja zum Umweltschutz und zur Bekämpfung der Klimaverschlechterung auf europäischer Ebene. Ja zu einer gemeinsamen Energiepolitik, die eine sichere Versorgung zu erschwinglichen Preisen garantiert und keine Energieträger ausschließt, die unsere Unabhängigkeit garantieren könnten. Ja zu einer fairen Agrar- und Ernährungspolitik, die dem ländlichen Raum Perspektiven bietet, die Nahrungsmittelsicherheit garantiert und zur technologischen Entwicklung beiträgt. Ja zu einer Forschungs- und Entwicklungspolitik, die Europa an die Spitze der Innovation bringt, wie wir es in den Zielen von Lissabon fordern.

Lassen Sie mich meinerseits heute betonen, wie wichtig Bürgernähe sowie die Verbindung dieses Ziels mit dem Dialog zwischen den Kulturen und den Religionen sind, der den positiven Aspekt des Kampfes gegen Rassismus und Intoleranz, gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit darstellt. Es genügt nicht, diese Übel anzuprangern oder gegen diese Geißeln zu kämpfen, sondern wir müssen auf positive Weise den Nutzen gegenseitiger Kenntnis, die Vorteile sozialer Mischung, die Großartigkeit der Gastfreundschaft, die Größe von Toleranz, die gegenseitige Bereicherung durch die Begegnung der Kulturen herausstellen.

Gleichzeitig muss die Europäische Union sich eindeutig zu ihren geografischen Endpunkten, zu ihren Grenzen und zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik äußern. Weiterhin muss die Europäische Union ihre Globalisierungsstrategie definieren. Diese Strategie darf sich nicht auf das Gesetz des Stärkeren stützen, sondern auf eine Mischung aus Wettbewerbsfähigkeit, hohem Beschäftigungsniveau und starkem sozialen Schutz. Wir brauchen eine geregelte Globalisierung.

Lassen Sie mich nochmals die deutsche Ratspräsidentschaft und besonders Frau Merkel zu ihrem Willen beglückwünschen, in all diesen Fragen entschlossen voranzuschreiten. Das sind nicht nur Herausforderungen für die nächsten sechs Monate, sondern sie gelten für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre.

Die Erklärung vom 25. März zum 50. Gründungstag der Union bietet die Gelegenheit, das Wiedererstehen der politischen Ambition für Europa anzuregen. Diese Ambition, die im Einklang mit dem langfristigen Projekt der Gründerväter steht, muss mit einem institutionellen Neubeginn einhergehen.

Ich weiß, wie sehr Ihnen, Herr Präsident, Frau amtierende Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident, dieses Ziel am Herzen liegt. Wir vertrauen auf die Kommission und ihren Präsidenten, José Manuel Barroso, dass sie sich der Tragweite der institutionellen Herausforderung gewachsen zeigen. Die Kommission ist sowohl die Hüterin der Verträge als auch die Hüterin des allgemeinen Gemeinschaftsinteresses. Wir werden stets an ihrer Seite stehen, wenn sie diese Doppelfunktion verantwortungsvoll ausübt. Wenn wir unsere Kräfte vereinen und unsere Überzeugungen gemeinsam vertreten, können wir die Europäische Union aus den eingefahrenen Gleisen herausführen.

Abschließend hätte ich den früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pierre Pflimlin, zitieren können, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen und der sich ein Europa der Werte des Geistes wünschte. Lassen Sie mich jedoch stattdessen den europhilsten unserer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts zitieren, Stefan Zweig, der in seiner großartigen Biographie des Erasmus von Rotterdam den Erbauern Europas von gestern und morgen einen Schlüssel in die Hand gibt: „Immer werden jene vonnöten sein, die auf das Bindende zwischen den Völkern jenseits des Trennenden hindeuten und im Herzen der Menschheit den Gedanken eines kommenden Zeitalters höherer Humanität gläubig erneuern.“

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten ehemaligen Präsidentinnen und Präsidenten des Hohen Hauses, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um den Eindruck zu vermeiden, wir seien auf einem EVP-Kongress, ergreift jetzt ein Sozialdemokrat das Wort. Es ist eine schwierige Übung, der ich mich unterziehen muss. Sie kennen ja meine Auffassung, dass die Rede des Präsidenten dieses Hohen Hauses eine Rede sein muss, die allen in diesem Hause gerecht wird – zumindest annäherungsweise – und dass sie nicht einer kontroversen politischen Debatte unterworfen werden sollte. Denn eine solche Rede hält nicht derjenige, der alle versammelt, sondern derjenige, der einen einzelnen, zur Kontroverse geeigneten Standpunkt vertritt.

Ich will anerkennen und unterstreichen, dass Sie eine Rede gehalten haben, Herr Präsident, hinter der sich das gesamte Europäische Parlament versammeln kann. In Ihrer Rede haben Sie die wesentlichen Aufgaben beschrieben, die vor uns liegen, und Ihre Amtszeit fällt in eine entscheidende Phase der europäischen Politik. Entweder gelingen die Reformen oder sie scheitern, das muss man so gegenüberstellen. Wenn die Reformen aber scheitern, wenn es die Verfassung nicht gibt, wenn wir zurückgeworfen werden auf den unvollständigen Vertrag von Nizza, dann scheitert mehr als ein Vertrag — , das haben Sie in Ihrer Rede sehr wohl zum Ausdruck gebracht —: Dann scheitert eine Idee.

Sie haben in Ihrer Rede auch beschrieben, was die Idee Europas ist. Dass wir in der interkulturellen Zusammenarbeit die Lösungen finden, dass religiöse Intoleranz durch den interreligiösen Dialog zu überwinden ist, dass ökonomische und soziale Integration die Basis für Frieden und friedliches Zusammenleben bildet, dass die Preisgabe territorialer Ansprüche durch territoriale Integration erreicht werden kann. Wenn wir diese Idee den Herausforderungen gegenüberstellen, dann ist klar, was die Herausforderungen sind: ethnischer und rassischer Hass, den wir überall auf der Welt finden religiöse Intoleranz, die wir überall an unseren Grenzen finden, und bedauerlicherweise sogar wieder territoriale Machtansprüche. Wer Frieden in der Welt haben will, wer Frieden in Europa nach innen und nach außen schaffen will, der braucht mehr denn je die Idee Europas, das Gegenkonzept zu kriegsstiftenden Elementen wie Hass, Intoleranz, Ausgrenzung, Unterdrückung. Integration, sozial und kulturell, interreligiöse transethnische Lösungen, unser Konzept, das ist der Gegenentwurf, und den haben Sie gut beschrieben. Meine Fraktion kann dem nur ihre volle Unterstützung geben.

Aber zugleich sind wir herausgefordert – und auch das haben Sie richtigerweise gesagt – durch die Bewältigung der Alltagskonflikte. Die Menschen wünschen nicht nur feierliche Sitzungen. Mein Kompliment, das ist heute eine feierliche Sitzung, auf die wir alle lange hingearbeitet haben, und ich will bei aller Skepsis zugeben, es ist gut gelungen. Aber wir sind nicht jeden Tag in einer feierlichen Sitzung. Die Bürgerinnen und Bürger wollen von uns eine Lösung der Alltagskonflikte. Wenn die feierlichen Worte verklungen sind, holt uns ganz schnell der Alltag ein. Die Leute wollen drei Dinge von uns: erstens, dass wir beschreiben, was Sache ist; zweitens, dass wir Lösungsvorschläge machen, und drittens, dass wir entscheiden und handeln — möglichst gemeinsam, aber wenn das nicht geht, dann eben per Mehrheitsentscheidung, wie in der Demokratie üblich. Auch das muss sein, im Rat übrigens auch.

Bevor Sie uns wieder etwas über Diskontinuität erzählen, Frau Bundeskanzlerin: Ich bin ja damit einverstanden, dass wir darüber diskutieren, aber die größte Diskontinuitätsmaschine, die es in Europa gibt, ist der Rat, dem Sie vorsitzen. Das ist das Problem.

(Beifall)

Es holen uns natürlich auch unsere eigenen Schwierigkeiten ein, mit denen wir alle fertig werden müssen – wir hier im Parlament, Sie im Rat und auch die Kommission. Frau Ratspräsidentin, Sie haben der Zeitschrift Cicero am 1. Januar dieses Jahres ein wundervolles Interview gegeben. Ich habe es mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Es steht dort ein toller Satz von Ihnen: „Mein Ziel ist auch, 2007 auf dem Weg zu mehr Klimaschutz voranzukommen. [...] Vor diesem Hintergrund werde ich den ökologischen Themen im internationalen Rahmen einen besonderen Stellenwert geben.“ Gut so! Das haben Sie heute gesagt. Jetzt zitiere ich eine andere Stelle. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie das im Deutschen Bundestag gesagt. Mit aller Härte wollen Sie verhindern, ab dem Jahr 2012 einen einheitlichen Grenzwert für den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen festzulegen. Voilà – schon hat uns der bittere Alltag wieder eingeholt.

(Zwischenruf von Daniel Cohn-Bendit: „Diskontinuität!“)

Das ist auch Diskontinuität, richtig. Wir müssen...

(Zwischenruf von Markus Ferber)

Sie sehen, Herr Präsident, meine Befürchtung wird wahr: Die feierliche Sitzung könnte zu einer kontroversen Debatte werden. Aber die CSU des Herrn Ferber ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass wir ihm den Zwischenruf genehmigen wollen.

Frau Präsidentin und Herr Präsident Pöttering, wir müssen versuchen, beiden Ansprüchen gleichermaßen gerecht zu werden: Wir dürfen nicht nur feierliche Sitzungen mit deklaratorischen Höhenflügen organisieren; wir müssen auch im Alltag Ergebnisse liefern. Das ist es, was wir verlangen. Ich habe heute in jeder Rede gehört, dass das soziale Europa das Kernstück, die Basis des Zusammenhalts unserer Gesellschaft ist. Als ich das vor zweieinhalb Jahren in meiner ersten Rede als Vorsitzender meiner Fraktion gesagt habe, habe ich von einigen Seiten dieses Hauses höhnisches Gelächter geerntet. Dass wir in zweieinhalb Jahren einen solchen Forschritt erzielt haben und jetzt alle einig sind, stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir am Ende Ihrer zweieinhalbjährigen Amtszeit – so wie Sie es angekündigt haben – noch weiter sind.

Ich möchte zum Ende zwei kurze Bemerkungen machen: Ich teile Ihre Auffassung nicht, Herr Präsident, dass die Vereinigten Staaten von Amerika den Kommunismus überwunden haben oder dazu beigetragen haben, den Kommunismus in Osteuropa zu überwinden. Das waren nicht die Vereinigten Staaten von Amerika. Das waren die mutigen Männer und Frauen in Polen. Das waren die Ungarn. Das waren die Balten, die den Kommunismus überwunden haben und nicht die Vereinigten Staaten von Amerika. Mehr denn je muss das in diesem Parlament auch mit Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus diesen Ländern, die die neuen Demokratien repräsentieren, gesagt werden.

(Beifall)

Eine letzte Bemerkung an Ihre Adresse, Herr Präsident: Sie haben sich den Zukunftsfragen zugewendet. Sie haben eine Rede gehalten, die meines Erachtens eine der besten ist, die seit vielen Jahren hier gehalten wurde. An Ihre Adresse sei gesagt: Ich traue Ihnen auch zu, dass Sie das umsetzen. Gerade, was den Verfassungsvertrag angeht, werden Sie als Präsident dieser Institution eine wichtige Aufgabe haben. Wenn Sie dazu beitragen können, die Meinungen der Staats- und Regierungschefs, die ja sehr gegensätzlich sind, zusammenzuführen, wenn Sie das in der gleichen Form machen, wie Sie als Fraktionsvorsitzender der EVP-ED-Fraktion die widerstrebenden Interessen dieser Fraktion zusammengehalten haben, dann bin ich zuversichtlich, dass Sie eine gute Präsidentschaft machen werden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herr Kollege Martin Schulz. Es steht mir nicht zu, Ihre Rede zu bewerten, aber ich will doch sagen, dafür, dass Sie eigentlich gar nicht sprechen wollten, haben Sie sehr engagiert gesprochen. Herzlichen Dank.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion.(EN) Herr Präsident! Aufgrund Ihrer Erfahrungen in diesem Hohen Haus seit den Direktwahlen im Jahre 1979 sind Sie bestens geeignet und besitzen Sie ein seltenes perspektivisches Gespür für das Amt, das Sie bekleiden. Mein Glückwunsch zu Ihrer Rede heute Morgen.

Sie haben miterlebt, wie die Europäische Union von 9 Ländern in den 1970er Jahren auf 12 in den 1980er, 15 in den 1990er und schließlich in diesem Jahrzehnt erst auf 25 und dann auf 27 Länder angewachsen ist. Und weitere Länder stehen Schlange, um Mitglied zu werden. Sie haben erlebt, wie die Römischen Verträge durch die Einheitliche Europäische Akte, die Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza ergänzt wurden. Und jetzt gibt es den Entwurf des Verfassungsvertrags, da der Gemeinsame Markt durch den Binnenmarkt, eine einheitliche Währung und Politiken im Bereich Justiz und Inneres, außenpolitische und Sicherheitsregelungen und jetzt auch im Energiesektor erweitert wurde.

Des Weiteren haben sie – wie auch einige von uns Jüngeren – einen tief greifenden Wandel dessen gesehen, worum es bei der Europäischen Union geht. Es handelt sich nicht mehr um eine Union, die Frieden und Ernährungssicherheit garantiert, sondern um eine Union, die in der Lage sein muss, sich den vor uns stehenden drei großen Herausforderungen zu stellen: schnelles Wachstum der Weltbevölkerung und Migration, Energieressourcen und Klimawandel sowie international organisierte Kriminalität in Verbindung mit Terrorismus.

Bisher kam der Anstoß für den Ausbau aus der Union selbst. Jetzt kommt er zunehmend von Ländern außerhalb unserer Grenzen, und die Reaktion unserer Institutionen ist unklar. In unserer Union macht sich Unbehagen breit, das zu Streitereien zwischen den Mitgliedstaaten geführt hat, die im Namen der nationalen Souveränität nur allzu oft der allgemeinen Anarchie freie Hand lassen; und zu Streitereien zwischen unseren Institutionen, was unsere Bürgerinnen und Bürger kalt lässt, vergleichbar mit den verschiedenen Glaubensgemeinschaften, die sich über Begründungen streiten, statt sich zu fragen, weshalb niemand mehr in die Kirche kommt.

Herr Pöttering, Sie haben die Chance, den Vorsitz in diesem Parlament zu einem Zeitpunkt zu führen, da es immer mehr zur Triebkraft der europäischen Integration wird. Das Europäische Parlament lenkt immer mehr die Aufmerksamkeit der Europäer auf sich: auf ein Haus, das aufsteht und unverblümt spricht, den Rat und die Mitgliedstaaten zur Rechenschaft zieht, wenn ihre Maßnahmen gegen den Terrorismus die Rechte missachten, die wir hochhalten; das den Konsens schmiedet – was die Kommission nicht vermag – zum Binnenmarkt für Dienstleistungen oder Verbraucherschutzmaßnahmen; das mit den einzelstaatlichen Parlamenten zusammenarbeitet, um die Exekutive zu kontrollieren, damit die Gesetze eingehalten werden.

Kurz gesagt, dieses Hohe Haus wird langsam mündig. Das Abstimmungsverhalten wird im Wesentlichen von ideologischen und nicht mehr von nationalen Erwägungen bestimmt. Es ist zwar richtig, dass dieses Parlament noch kein Initiativrecht besitzt oder das Recht, den Kommissionspräsidenten vorzuschlagen, doch mittlerweile ist beides nicht mehr undenkbar, und die Menschen sind zunehmend der Meinung, dass beides die Kultur der Demokratie in unserer Union befördern würde.

Ich hoffe daher, Herr Pöttering, dass Sie Ihre zweieinhalb Jahre nutzen werden, um diesem Parlament die Notwendigkeit von Reformen begreiflich zu machen; um uns ein Parlament zu bescheren, das besser in der Lage ist, eine solche Führungsqualität an den Tag zu legen; ein Parlament, das jede Woche zu einer vollen Sitzung zusammenkommt; ein Parlament, das sich auf absolut politische Dinge konzentriert und nicht über hunderte von Änderungsanträgen abstimmt, um ein Semikolon an eine andere Stelle zu setzen; ein Parlament, das seine neuen Kontrollbefugnisse voll nutzt, um unsere Gesetzesvorschriften einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Als Sie zum ersten Mal gewählt wurden, war dieses Parlament noch eine beratende Versammlung, die so konzipiert war, dass pro forma die von Bürokraten und Diplomaten gefassten Beschlüsse abzusegnen waren. Heute ist es der Eckpfeiler unseres europäischen Hauses. In 13 Jahren Mitentscheidung wurden die Organe dieses Gremiums entwickelt, und Transparenz hat unseren Blutkreislauf mit Sauerstoff versorgt.

Frau Bundeskanzlerin Merkel möchte ich sagen, dass jetzt Mitentscheidung auf allen Gebieten der Entscheidungsfindung vonnöten ist, wenn die Kontrollmöglichkeiten der Demokratie auf europäischer Ebene funktionieren sollen. Fakt ist doch, dass die Union Entscheidungen trifft, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, ohne dass eine angemessene demokratische oder juristische Kontrolle erfolgt, wodurch wir uns der Bewertung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte oder der Verfassungsgerichte aussetzen. Wir sind mit Mühe und Not noch davongekommen, als das deutsche Verfassungsgericht den Rahmenbeschluss zum europäischen Haftbefehl unter die Lupe nahm und beinahe seine Rechtmäßigkeit in Zweifel stellte. Wenn die deutsche Regierung, die erst vor einigen Monaten die Anwendung der Passerelle-Klausel in Artikel 42 blockierte, die Demokratie in Europa wirklich befördern möchte, dann wird sie wohl die Notwendigkeit der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat und die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments als Grundlage der gesamten Rechtsetzung anerkennen müssen, denn sonst riskieren Sie, während Ihres Ratsvorsitzes wie der Pantomime Marcel Marceau auszusehen, der scheinbar eine Wand hochklettert, aber in Wirklichkeit am Boden bleibt.

Herr Präsident! Die Jahre 1914 bis 1989 waren für unseren Kontinent 75 Jahre der Selbstverstümmelung. In diesem Jahr, da Bulgarien und Rumänien Mitglieder unserer Union geworden sind, können wir die Gespenster dieser Periode zu Grabe tragen. Die Wurzeln der Freiheit liegen jedoch im Mut. Ich glaube, es gibt das deutsche Wort Zivilcourage: Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herr Präsident Barroso, müssen den kollektiven Mut zusammennehmen und unsere Union als eine wahre Demokratie voranbringen, um etwas zu schaffen, was Winston Churchill 1945 als „erweitertes Heimatgefühl“ und gemeinsames Bürgerrecht für die verwirrten Völker dieses unruhigen und mächtigen Kontinents bezeichnete.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Watson. Als Sie die ungeheure Zahl von Änderungsanträgen erwähnten, sah ich bei vielen ehemaligen Präsidenten ein Lächeln auf den Gesichtern! Ich denke, das ist ein Problem, mit dem die ehemaligen Präsidenten auch zu kämpfen hatten. Am schlimmsten war es jedoch zu Beginn im Jahre 1979 – Präsidentin Simone Veil wird sich sicher erinnern –, als in einigen Fällen mehr als tausend Änderungsanträge vorlagen, wir jedoch nicht über die elektronischen Geräte verfügten, um sie zu bewältigen.

 
  
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  Brian Crowley, thar ceann Ghrúpa UEN. – A Uachtaráin, tá tú i do bhall den teach seo le fada anois agus tá tú ar dhuine de na baill is mó a bhfuil taithí aige ar obair an tí seo. Thug tú riamh, agus tabharfaidh, tacaíocht láidir d'Institiúid na Parlaiminte ag leibhéal na hEorpa agus ar an stáitse idirnáisiúnta. Chuir tú polasaí polaitiúil uaillmhianach don dá bhliain go leith atá romhainn amach os ár gcomhair anseo inniu. Tá tacaíocht iomlán tugtha ag mo ghrúpa polaitíochta don iarracht pholaitiúil riamh agus is mar sin a bheidh amach anseo.

(EN) Herr Präsident! Am heutigen Tag sollten wir Revue passieren lassen, wie alles angefangen hat, aber auch einen Ausblick auf die Zukunft geben. Meiner Meinung nach haben Sie in Ihrer heutigen Rede nicht nur eine Übersicht über die Vergangenheit gegeben, sondern auch einen klaren Weg in die Zukunft aufgezeigt.

Sie haben eine Reihe von Punkten angesprochen, auf die bisher keiner meiner Kollegen eingegangen ist. Als Erstes ist da die Tatsache, die in gewissem Sinne am beeindruckendsten ist: dass die Präsidentin des Rates, Bundeskanzlerin Merkel, und der Präsident der Kommission, Präsident Barroso, Ihnen und diesem Hohen Haus Achtung gezollt haben, indem Sie heute an dieser Sitzung teilnehmen. Es spricht durchaus für Sie als Deutscher, dass Ihre Regierungschefin hier anwesend ist, aber noch mehr spricht es für dieses Hohe Haus, dass sich Angela Merkel die Zeit genommen hat, trotz all der Arbeit und der Mühen, die schon bald auf sie als Präsidentin des Rates zukommen werden, hier mit uns zusammen zu sein.

Ich denke, es geziemt sich, darauf zu reagieren, nicht nur wegen der Anwesenheit der Amtsträger, sondern vor allem aufgrund der Verantwortung, die die Wähler der Europäischen Union uns als ihren Anwälten und Sprachrohr auferlegt haben. Dadurch geraten wir oftmals in Konflikt mit den Idealen der Experten, die eine neue Europäische Union schaffen wollen. Wir geraten in Konflikt mit den Forderungen der Regierungen der Mitgliedstaaten. Unsere heilige Pflicht als Parlament ist es jedoch, dieses Sprachrohr zu sein, die Stimme der Vernunft, die Stimme des Friedens, die Stimme der Weitsicht, aber in erster Linie die Stimme für die Stimmen. Wir dürfen die nicht vergessen, die in unseren Gesellschaften verloren gegangen sind, von ihnen vergessen wurden, und dafür sorgen, dass auch sie in diese neue Zukunft mitgenommen werden und diese neue Chance erhalten.

In Ihrer heutigen Rede, Herr Präsident, war meiner Meinung nach eine Sache ganz hervorragend – und es war das erste Mal, dass ich es von jemandem in diesem Parlament mit solcher Ernsthaftigkeit sagen hörte – nämlich was Sie über die Rolle der jungen Europäerinnen und Europäer sagten: Ihr Vorschlag, ein neues Programm für junge Menschen, einen Preis für junge Menschen ins Leben zu rufen, um die junge Generation in die Lage zu versetzen, das, was wir bereits aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben, anzuerkennen und zu verstehen.

Wie meine Kollegen zu Recht feststellten, war Amerika an der Zerschlagung des Kommunismus und Faschismus maßgeblich beteiligt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Europa ohne amerikanischen Beistand in den 1940er Jahren nicht überlebt hätte. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir ohne Unterstützung der USA in den 1960er und 1970er Jahren ständig der unmittelbaren Gefahr von Krieg und Gewalt ausgesetzt gewesen wären. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass alle die Männer und Frauen mit Weitsicht – sei es Solidarność in Polen, der ungarische Aufstand, die Frühjahrsrevolution, die samtene Revolution oder Papst Johannes Paul II – den Glauben an die Würde des Menschen, an die Würde der Unterschiede und an das Recht der Menschen verkörperten, seine Meinung zu vertreten und in allen Lebensbereichen frei zu sein. Eine solche Haltung bedeutet nicht nur das Aus für den Totalitarismus, sondern besiegt auch alle Übel, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist, und deshalb ist Ihr Gedanke vom Dialog der Kulturen, des Verständnisses für unterschiedliche Glaubensbekenntnisse und Traditionen für die zukünftige Entwicklung Europas so wichtig. Aus dem, was über uns geschrieben wird, geht hervor, dass Europa für niemanden, weder für eine noch für keine Religion eine Gefahr darstellt. In vielerlei Hinsicht werden wir so liberal, dass der Pluralismus keine Rolle mehr spielt. Wir vergessen, einige Menschen zu verstehen, die ganz stark an Gewaltlosigkeit glauben, und treiben sie gerne aus Ämtern oder Positionen, andererseits aber kommen wir unter Umständen Menschen entgegen, die ziemlich radikale Ansichten haben, und geben ihnen Bewegungsraum.

Meine beiden letzten Punkte beziehen sich auf die Bemerkungen einiger Kollegen sowie der Präsidenten der Kommission und des Rates in Bezug auf die zukünftige Entwicklungsstrategie für Europa. Möglicherweise deute ich die Ansichten der Menschen falsch, aber die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben die hochtrabenden Reden über institutionelle Veränderungen und Reformen satt. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen Taten sehen; die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen eine positive Antwort auf die vor uns stehenden Probleme.

Wir haben gewisse Fortschritte bei der Bewältigung des Klimawandels, in der Sozialpolitik sowie bei anderen für den Binnenmarkt wichtigen Fragen zu verzeichnen, die Bürgerinnen und Bürger wollen jedoch Taten auf einer Ebene sehen, die wirkliche Auswirkungen auf ihr Leben hat, nicht aber, dass lediglich auf Probleme reagiert wird, wenn diese entstehen. Nur zu oft schauen wir in diesem Parlament zurück und erklären: „Das haben wir 1979 falsch gemacht“ oder „Das haben wir 1992 falsch gemacht“ oder etwas anderes war 1997 falsch oder „Wir haben eine Chance verpasst“. Wir dürfen nicht vergessen, dass Politik eine Kunst ist, während die Ökonomie eine Wissenschaft ist, bei der man immer dann das richtige Ergebnis erzielt, wenn man die richtige Formel anwendet. Politik ist eine Kunst, denn sie muss auf die Bedürfnisse der Gesellschaft reagieren, auf das Verlangen und die Wünsche der Menschen, und vor allem auf die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft insgesamt.

Ich möchte zum Schluss kommen. Die wichtigste Aufgabe, die wir bei der Schaffung eines gerechteren Raums des Friedens und der Verständigung zu bewältigen haben, ist der Nahe Osten. Ich begrüße Ihren Wunsch, den Libanon, Palästina und Israel zu besuchen und diesen Prozess in Angriff zu nehmen. Europa muss ganz zentral wieder in die Suche nach einer Friedenslösung im Nahen Osten eingebunden werden.

Ich möchte Ihnen noch sagen, Herr Präsident, dass Sie sich ungeachtet aller Probleme, die wir Ihnen bereitet haben, in den schweren Zeiten, die Ihnen bevorstehen, immer bewusst sein sollten, dass Sie sich auf die Unterstützung dieses Parlaments verlassen können.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. – Ich danke Ihnen, Herr Crowley. Sie haben länger als die Ihnen zustehende Zeit gesprochen. Ich will nicht sagen, dass Sie mehr Zeit erhalten haben, weil Sie viele nette Dinge gesagt haben, aber die nachfolgenden Redner müssen sich an die vorgegebenen Zeiten halten, auch wenn sie nicht immer einer Meinung mit Ihnen sind.

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit Ihres Engagements für Europa sind uns zweifellos bekannt und finden unsere Wertschätzung, und in Ihrer heutigen Rede setzen Sie einige Prioritäten, denen wir – obgleich sie etwas vage bleiben – als Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz im Wesentlichen zustimmen.

Sie erinnerten zu Recht an die Geschichte dieses Parlaments, und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie heute ehemalige Präsidentinnen und Präsidenten unseres Hohen Hauses mitgebracht haben. Ich hatte die Gelegenheit, einige von ihnen kennen zu lernen, als ich als junge und begeisterte Föderalistin ins Parlament einzog, aber auch mit vielen von ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zusammenzuarbeiten: Deshalb freut es mich wirklich sehr, sie heute hier zu sehen.

Nichtsdestotrotz, Herr Präsident, erwarten wir einen handfesten Beweis, und dieser Beweis stellt uns vor sehr konkrete Entscheidungen, die keineswegs vage bleiben dürfen. Unser Parlament wird entscheiden müssen, ob es stumm und beherrscht bleiben will oder ob es das Forum sein will, wo im Namen europäischer Interessen und Werte gehandelt wird, die gegenwärtig angesichts diplomatischer Winkelzüge und nationaler Interessen nahezu in den Hintergrund getreten sind. Die Verantwortung unseres Organs besteht darin, eine Tribüne für die europäische Debatte und für Vorschläge für ein demokratisches Europa zu sein. Deshalb, Herr Präsident, kann der Beitrag unseres Parlaments zur Überwindung der festgefahrenen Verfassungssituation nicht nur darin bestehen – wie Sie es formulierten, indem Sie wörtlich und sicher nicht von ungefähr die Worte wiederholten, die Frau Merkel an uns richtete – „die Substanz der Verfassung“ zu bewahren. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, „die Substanz der Verfassung“ mit reinen Lippenbekenntnissen „zu bewahren“.

Wir müssen dringend zwei Dinge tun, die dieses Parlament zuvor unter dem Vorsitz der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten sowie unter dem Vorsitz von Herrn Schulz nicht zu tun vermochte – nein, ich beziehe mich auf die beiden Präsidenten der stärksten Fraktionen –, nämlich erstens, einen Konsens darüber zu finden, was wir als Parlament, völlig unabhängig, konkret in Sachen Verfassung tun wollen, und zweitens – was noch wichtiger ist – dafür zu kämpfen, dass das Europäische Parlament seine durch den Konvent gewonnene verfassungsmäßige Rolle behält. Wenn die Erörterung eines Zeitplans oder eines Vorschlags ansteht, dann wollen wir, Frau Merkel und Herr Pöttering, als Mitentscheidungsorgan und nicht als Beobachter agieren. Herr Pöttering, ich will sehen, wie Sie für dieses Recht des Parlaments kämpfen!

(Beifall)

Herr Präsident, Sie sprachen von Werten und nannten konkrete Fälle im Zusammenhang mit der Verteidigung der Menschenrechte, die für unser Parlament ein hochwichtiges Thema ist. Sie sprachen außerdem von Toleranz – ein Wort, das Sie sehr lieben. Ich muss Ihnen sagen, dass mich persönlich dieses Wort bisweilen beunruhigt, denn unter dem Deckmantel des Begriffs „Toleranz“ wurden Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen – mithin „tolerierte“ Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen –, was wir absolut nicht vergessen dürfen. Deshalb ziehen wir es vor, von „gemeinsamen Rechten aller Männer und Frauen“ zu sprechen, die für alle gleich sind und auch gleich bleiben müssen.

Von den Beziehungen zu Russland zu sprechen heißt das Thema Tschetschenien ins Spiel zu bringen und verantwortungsbewusst eine Debatte über die Verringerung der Energieabhängigkeit einzuleiten, was harte Kritik an jenen Ländern einschließt – und das sind viele –, die jedes für sich am Hof von „Zar“ Putin vorstellig werden. In unserem Dialog mit den Vereinigten Staaten dürfen wir die in diesem Land geltende Todesstrafe, die CIA-Flüge, die Frage der Fluggastdaten und den Präventivkrieg nicht außer Acht lassen. Und schließlich dürfen wir bei der Verteidigung der Menschenrechte nicht vergessen, auch im Wege kleiner Dringlichkeitsentschließungen, jene Menschen zu schützen, die, verschollen in irgendeinem Gefängnis oder irgendeinem Wald, diese Rechte selbst verteidigen. Bloß über Sicherheit zu sprechen, Herr Präsident – und Sie haben ausführlich im Namen unseres Parlaments über sie gesprochen –, kann die Entschließungen, die wir zugunsten der Abrüstung und eines Verhaltenskodexes für Rüstungsfortschritte angenommen haben, nicht ins Abseits drängen.

Herr Präsident, wir werden überaus tatkräftig an der internen Reform mitarbeiten. Es gibt zwei Themen, die Sie nicht erwähnt haben, die mir jedoch als sehr wichtig erscheinen: Das erste ist die Diskussion über den Sitz des Parlaments. Ich hoffe, Sie persönlich und die Fraktionen werden den Mut aufbringen, in diesem Hause eine Debatte über den Sitz des Europäischen Parlaments zu führen. Vielleicht wäre das „Haus der Europäischen Geschichte“ hier, in diesem wunderschönen Gebäude, am besten aufgehoben. Wer weiß? Ich hielte es jedoch für wichtig, dass Sie wirklich die Initiative ergreifen, um das Thema des Tagungsortes des Parlaments anzugehen.

Das zweite Thema – ich bin mir wohlbewusst, dass es mich harte Arbeit kosten wird, Sie davon zu überzeugen – betrifft die Bemühungen, die unternommen werden müssen, um dieses Organ grüner zu machen, nicht unter politischem Gesichtspunkt, sondern unter dem Gesichtspunkt seiner ökologischen Nachhaltigkeit. Es wird mir gelingen, Sie zu überzeugen, dessen bin ich mir absolut sicher, weil wir die Ressourcenvergeudung, die heutzutage auch von diesem Hohen Haus in puncto Wasser, Strom und Dienstwagen betrieben wird, nicht hinnehmen können, wenn wir unseren Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel treu bleiben wollen.

Abschließend möchte ich noch einige wenige Worte an Frau Merkel richten. Ihre Vorschläge zur Bürokratie, Diskontinuität und besseren Rechtsetzung lassen uns ziemlich kalt und beunruhigen uns. Das Problem der Bürokratie ist mehr ein nationales als ein europäisches: Wie viele Personen gehören der Delegation an, die Sie heute begleitet? Sie ist sicher wesentlich größer als die von Herrn Barroso, und wer sich über zu viele Regeln beklagt, das sind die multinationalen Konzerne und nicht die Bürger, die – den aufeinander folgenden Eurobarometer-Umfragen zufolge – mehr und nicht weniger Rechtsvorschriften zu ihrem Schutz wollen! Und zu guter Letzt wird durch den Vorschlag betreffend die Diskontinuität in Wahrheit die Möglichkeit für den Rat eingeführt, alle Gesetze, die ihm nicht gefallen, zu boykottieren oder zu verschleppen.

Herr Präsident, ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit und denke, dass wir in den kommenden zwei Jahren viel Spaß haben werden.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Frau Frassoni. In Bezug auf die Menschenrechte waren wir stets einer Meinung.

Was die Frage des Sitzes angeht, so habe ich sehr wohl darüber nachgedacht, ob ich darüber reden soll, bin aber zu der Entscheidung gekommen, nicht darüber zu reden.

 
  
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  Francis Wurtz, im Namen der GUE/NGL-Fraktion.(FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren ehemalige Präsidenten, die mich an gemeinsam verbrachte Zeiten erinnern, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident! Wir haben nicht allzu oft Gelegenheit, etwas Abstand zu nehmen und die uns heute gegebene Möglichkeit zu nutzen, einen Meinungsaustausch, und sei er nur kurz, über den gesamten Zeitraum bis zu den nächsten Europawahlen zu führen.

Gewiss teilt meine Fraktion, und das ist für niemanden ein Geheimnis, nicht die politischen Optionen der Mehrheit dieses Parlaments. Lassen Sie mich dennoch bewusst einige Leitgedanken Ihres Redebeitrages aufgreifen, um mehrere konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Es handelt sich um begrenzte Maßnahmen, die nichts Revolutionäres an sich haben, und nach meiner aufrichtigen Überzeugung muss man nicht unbedingt ein Sympathisant der Vereinigten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken sein, um sich damit anfreunden zu können. Ihre Berücksichtigung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments würde ganz einfach ein positives Signal an bedeutende Gruppen unserer Öffentlichkeit aussenden und ihnen zeigen, dass Sie ihnen zugehört haben.

So haben Sie, Herr Präsident im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Europäerinnen und Europäer, die Notwendigkeit – ich zitiere – der „Bewahrung unseres europäischen Sozialmodells“ unterstrichen, und vor allem haben Sie kurz darauf hinzugefügt: „Wir müssen durch unser Tun überzeugen“. Das ist in der Tat wesentlich, um ein tiefes Unbehagen auszuräumen, das von der Vorstellung herrührt, dass die Union, anstatt die Bürger vor den Folgen der derzeitigen Globalisierung zu schützen, allzu häufig im Gegenteil dazu beiträgt, das Leben jedes Einzelnen immer unsicherer zu machen.

Um damit zu beginnen, dieses Gefühl des Ausgeliefertseins zurückzudrängen, wäre ein bedeutsamer Akt vonnöten. Ich schlage vor, dass Sie, Herr Präsident, den Rat, die Kommission und das Parlament aufrufen, von einem Richtlinienentwurf Abstand zu nehmen, der die gesamte Bevölkerung der Union betrifft und der, wenn sich in den nächsten Monaten nichts bewegt, Gefahr läuft, einen neuen Bolkestein-Effekt hervorzurufen, weil er so dogmatisch, unbegründet und verheerend für die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen ist; ich meine das Vorhaben der Liberalisierung der Postdienste zum 1. Januar 2009, sechs Monate vor den nächsten Wahlen.

Allgemeiner gesprochen, haben Sie eine weitere Idee hervorgehoben, die ich für richtig und äußerst wichtig halte. Wie Sie sagen, „brauchen wir einen neuen Pakt zwischen den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren … Institutionen in der Europäischen Union“; dann stellten Sie im Zusammenhang mit dem künftigen europäischen Vertrag fest: „Wir müssen die Union fundamental reformieren“. Diese Forderung wird von allen geteilt. Unterschiedliche Meinungen gibt es jedoch hinsichtlich der Substanz des künftigen europäischen Grundgesetzes.

Herr Barroso wandte sich vorhin an die Niederlande mit der Aufforderung: Helfen Sie uns bitte, alle müssen sich bewegen. Ich schlage Ihnen ein Verfahren vor, das es allen ermöglicht, sich zu bewegen, um Europa neuen Schwung zu verleihen. Der sich anbahnende Prozess sollte als Gelegenheit zu einer echten öffentlichen Debatte auf der Ebene der Union genutzt werden, einer offenen, möglichst bürgernahen Debatte über den Sinn Europas 50 Jahre nach dem Vertrag von Rom, über den Zweck unserer gemeinsamen Politiken, über die Verpflichtungen die wir bereit sind, künftig gemeinsam einzugehen. Wenn der Präsident des Parlaments sich persönlich dafür einsetzt, eine solche Initiative in die Tat umzusetzen, dann wird er seine Aufgabe voll erfüllt haben.

Sie, Herr Präsident, haben einige richtige Worte gefunden über den Dialog der Kulturen und besonders über den Nahen Osten, wohin Sie, wie Sie sagten, so bald wie möglich reisen wollen. Das überrascht von Ihrer Seite nicht, und dafür danke ich Ihnen. In diesem Geiste wäre die symbolträchtigste unter allen wünschenswerten Initiativen seitens des Parlamentspräsidenten aus meiner Sicht, wenn Sie nach der quasi unverhofften Einigung von Mekka, mit der die gesamte Hamas sich verpflichtet, die internationalen Resolutionen und die Abkommen der PLO mit Israel einzuhalten, die Union feierlich aufrufen würden, die Blockade gegen die palästinensische Regierung aufzuheben, und der Hoffnung auf einen gerechten Frieden in einer seit Generationen von Besatzung und Krieg heimgesuchten Region eine neue Chance zu geben.

Mir ist klar, Herr Präsident, dass keine dieser Initiativen leicht durchzuführen ist. Aber sie werden, wenn Sie sie ergreifen, in die Geschichte eingehen.

 
  
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  Der Präsident. – (FR) Vielen Dank, Herr Wurtz. Ich bin erfreut über den Respekt, den wir einander stets gezollt haben.

 
  
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  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin Merkel, Herr Barroso, geschätzter ehemaliger Präsident dieses Hohen Hauses, an den ich mich gerne von der Konferenz der Präsidenten her erinnere! Nun ist Herr Pöttering Präsident dieses Parlaments, und er ist erpicht auf eine größere Dosis EU, selbst wenn er geschickt auch von Subsidiarität spricht. Er sollte sich ein Referendum erlauben, in dem er seine deutschen Landsleute davon überzeugen könnte, dass auch sie sich für eine Verfassung mit mehr Gesetzen und Rechtsvorschriften made in Brüssel aussprechen sollten. Dreitausend Verordnungen sind nicht genug. Es reicht nicht aus, dass 86 % der im deutschen Bundestag ratifizierten Gesetze nun in Brüssel beschlossen werden. Hören Sie auf die Warnung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten, Roman Herzog, der den Vorsitz unseres Charta-Konvents geführt hat. Nehmen Sie die Ergebnisse der Referenden in Frankreich und den Niederlanden zur Kenntnis. Die Franzosen und die Niederländer hatten eine Chance, für die Verfassung zu stimmen, und sie haben diese Chance vertan. Daraus wird nun die Lehre gezogen, wir sollten nie wieder ein Referendum abhalten. Der ehemalige Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags, Jürgen Meier, gab im Verfassungskonvent an, der Bundestag könne sich mit einfacher Mehrheit auf eine freiwillige Volksabstimmung einigen. Warum sollten die Deutschen nicht ihre Meinung über die Verfassung zum Ausdruck bringen dürfen, deren Annahme sich der Präsident und die deutsche Ratspräsidentschaft so sehr wünschen?

Die Beamten in Brüssel und die Richter in Luxemburg haben einen pathologischen Hang zum Gigantismus und fürchten Demokratie. Sie haben den modernen Trend zu verschlankten Organisationen, dezentralisierter Verantwortlichkeit und Outsourcing nicht verstanden. Was für die Wirtschaft gut genug ist, ist nicht gut genug für die EU. Nichts darf von Brüssel an die Mitgliedstaaten oder an die Bürger delegiert werden. Gesetze sind viel besser, wenn sie von 3 000 geheimen Arbeitsgruppen in der Kommission verfasst und von 300 geheimen Arbeitsgruppen im Ministerrat sowie von 15 000 professionellen Lobbyisten verabschiedet werden. Lang lebe die Technokratie in einer korporativen EU! Frau Mussolini kann der Hingabe ihres Großvaters zum Korporatismus herzlich gedenken. Es kann den Wählern gestattet werden, alle fünf Jahre zu den Urnen zu gehen und ihre Stimme für jemanden abzugeben, der Gesetze weder vorschlagen noch annehmen kann. Gewählte Volksvertreter können die Kommission nur durch das Einbringen von Änderungsanträgen beraten. Darauf läuft derzeit alles hinaus, und eine ähnliche Denkweise ist auch Kern der Verfassung – nur in weitaus mehr Bereichen.

Wenn etwas von Ministern und Beamten des Rats nicht verabschiedet werden kann, besteht immer noch die Möglichkeit, den EuGH in Luxemburg anzurufen mit Vorschlägen, von denen weder die Wähler noch die nationalen Parlamente oder die Regierungen irgendetwas erfahren werden. Einstimmig angenommene Sanktionen im Zusammenhang mit Umweltfragen werden als ungesetzlich erachtet, da derartige Sanktionen nach dem Willen der Richter durch eine Mehrheitsbeschlussfassung und zwar innerhalb ihrer eigenen Kontrolle angenommen werden müssen. Eigentumsrecht, so wie es in den Verträgen und dem Verfassungsentwurf gleichermaßen verankert ist, fällt eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Die den Landwirten obliegende Pflicht, auf ihren eigenen Höfen zu wohnen, wird als ungesetzlich bewertet, obwohl das dänische Parlament einstimmig zu einem gegenteiligen Urteil gekommen ist. Wähler und ihre Parlamente werden als unfähig betrachtet, und Familienbesitz gilt als altmodisch. Lieber soll ein Haufen von Emporkömmlingen wie Junker im preußischen Stil überall in der EU die Landwirtschaft managen. Landwirte sind nicht gut genug, ebenso wenig wie Tarifvereinbarungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Strafgesetze, nationale Gerichte oder die Wähler. Die EU-Granden wissen es besser.

Wir haben viele kleine Siege für die Offenheit errungen, und der Bundestag in Berlin hat die bisher besten Regeln zur Prüfung der EU eingeführt. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo die Dreiteilung der Macht in Offenheit, Nähe und Demokratie die gesamte EU regieren muss. Es darf keine Gesetze mehr geben, die nicht von gewählten Volksvertretern abgeändert werden können. Es darf keine Gesetze mehr geben, die nicht von den Wählern bei den nächsten Wahlen geändert werden können. Es darf keine Verträge und Verfassungen mehr geben, die nicht von den Wählern in EU-weit, vorzugsweise zeitgleich abgehaltenen Referenden angenommen wurden.

Der Präsident erwähnte unsere elektronische Wahlanlage. Ich erinnere mich gerne an die Zeit, als das neue System von Olivetti eingeführt wurde. Dieses System wünsche ich mir zurück, denn dann könnten meine Vorschläge tatsächlich angenommen werden.

 
  
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  Der Präsident. Meine Damen und Herren! Diejenigen, die nicht so ganz mit den Einzelheiten vertraut sind — besonders unsere Gäste auf der Tribüne — werden vielleicht nicht wissen, dass in Dänemark am Donnerstag gewählt wird, also nicht am Sonntag. Daraus leitet der Kollege Bonde immer ab, dass er länger dem Parlament angehört, was juristisch natürlich falsch ist, denn wir haben die Mitgliedschaft im Parlament gemeinsam bekommen, nämlich am 17. Juli 1979.

Aber da er es immer betont, habe ich noch Hoffnung, denn so ganz ohne Zuneigung zur Europäischen Union und zu diesem Parlament kann er nicht sein, wenn er so gerne — nach seinem Verständnis — länger im Parlament ist als die anderen.

 
  
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  Bruno Gollnisch, im Namen der ITS-Fraktion. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren ehemalige Präsidenten, Frau Bundeskanzlerin, Herr Kommissionspräsident! Der Parlamentspräsident hat soeben sehr talentiert ein echtes politisches Programm vorgestellt, das man wohl eher von einem Vorsitzenden des Europäischen Rates oder einem Kommissionspräsidenten als von einem Parlamentspräsidenten in seiner Schiedsrichterfunktion erwartet hätte.

Angesichts der Gruppendynamik, die vielfach in den Institutionen vorherrscht, spiegelt Ihre Rede, Herr Präsident, hinsichtlich des Willens der Völker zweifellos die Meinung der Mehrheit dieses Hauses wider. Gestatten Sie mir trotzdem, hier etwas zu äußern, was die Juristen im angelsächsischen Raum eine abweichende Meinung nennen.

Sie sprachen von dem „vorläufigen“ Scheitern, wie Sie es nannten, des Entwurfs der Europäischen Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden, als handle es sich nur um einen auf zwei Staaten begrenzten Wegeunfall. Jedermann weiß jedoch oder sollte es wissen, dass, wenn dieser Entwurf den Völkern der Mitgliedstaaten direkt vorgelegt worden wäre, und nicht nur den Parlamentariern, die Ablehnung dieses Textes aller Wahrscheinlichkeit nach sehr viel umfassender ausgefallen wäre.

Angesichts dessen möchte man gern einmal eindeutig wissen, warum diesen Völkern, die sich frei gegen das vorherrschende Denken geäußert haben, immer wieder dieselbe Suppe aufgetischt wird, die sie nicht essen wollten. Wenn sie sich hingegen konform zu der vorherrschenden Tendenz geäußert haben, besteht man darauf, dass ihre Entscheidung endgültig, unwiderruflich, dauerhaft sei und sie nicht das Recht hätten, diese zu revidieren.

Sie haben in Ihrer Rede einige wichtige Elemente unserer europäischen Tradition angesprochen, insbesondere die folgenden vier: die griechische Philosophie, das römische Recht, das jüdisch-christliche Erbe, die Aufklärung. Aber genau da liegt ein wesentlicher Teil des Problems: wie treu ist die Europäische Union diesen Bestandteilen ihres intellektuellen, moralischen und geistigen Erbes?

Lässt sich die Europäische Union heute von christlichen Werten leiten oder eher von einem allgemeinen Hedonismus, der die Zerstörung eben dieser Werte im Namen einer Ideologie der Menschenrechte vorbereitet, die keinen Widerspruch duldet, aber stets eine variable Geometrie aufweist?

Sind die Struktur und die Funktionsweise der Union von der Forderung der griechischen Philosophie nach Klarheit und Einfachheit oder von der hellenischen politischen Tradition der direkten Mitwirkung der Bürger an den Belangen des Gemeinwesens geprägt, oder erleben wir im Gegenteil die Herausbildung einer schwerfälligen, zentralisierten, bald überholten Struktur, die ganz offensichtlich dazu bestimmt ist, fast 500 Millionen Europäer zu regieren, doch sich in der Praxis über deren Unterschiede hinwegsetzt?

Werden die Rechtsvorschriften der Europäischen Union von der Präzision und Prägnanz des römischen Rechts inspiriert oder handelt es sich um ein Sammelsurium von Tausenden obskuren, wortreichen Texten, die bis in die kleinsten Details bindend sind? Bewahren wir wirklich die Tradition der öffentlichen Debatte, die uns die Griechen und die Römer hinterlassen haben? Was die Aufklärung betrifft, so will ich Ihnen nicht verhehlen, welche Besorgnis wir empfanden, als wir hier im vergangenen Monat hörten, wie die Bundeskanzlerin Merkel, nachdem sie ausführlich Voltaire zitiert hatte, uns sagte, zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß: keine Toleranz für die Feinde der Toleranz, was uns an die Worte des französischen Revolutionärs Saint-Just vor dem Revolutionstribunal erinnert, das den Terror einführte: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“.

Lassen Sie mich abschließend sagen, Herr Präsident, Europa ist in der Geschichte der Menschheit die einzige Region, die die Freiheit und Gleichheit der Nationen erfunden hat. Es ist die Region, in der die Völker sich stets gegen jegliche diktatorischen Versuche erhoben haben, und das erklärt ihr heutiges Misstrauen gegen die Auswüchse der Union. Wir brauchen keinen eurokratischen Superstaat, um gegenseitig die Sicherheit unserer Nationen und unserer Grenzen zu garantieren, um spezifische Projekte für die Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Kultur oder Forschung in Angriff zu nehmen, um uns sinnvoll vor den Migrationsströmen oder den Importen von Billigprodukten zu schützen, die unsere Industrien ruinieren. Die Instrumente des Völkerrechts sind durchaus ausreichend für diese Aufgabe. Wir müssen zum wahren Geist Europas zurückfinden, wir müssen zum Recht der Europäer zurückfinden!

 
  
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  Irena Belohorská (NI).(SK) Herr Präsident! Ich möchte Sie zunächst herzlich zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments, das die demokratischste und zugleich eine der wichtigsten europäischen Institutionen ist, beglückwünschen. Sie sind der erste Präsident des Europäischen Parlaments nach der Annahme und Implementierung des Vertrags von Nizza. Derzeit zählt die Europäische Union 27 Mitgliedstaaten. Ich erwähne diese Tatsache nicht zufällig, da die politische Erfahrung zeigt, dass auf die Implementierung eines Vertrags die Vorbereitungen für einen neuen Vertrag folgen. Zwei Jahre des Zauderns und Auf-der-Stelle-Tretens in Bezug auf den Verfassungsvertrag haben der Idee eines vereinten Europas geschadet. Sie treten Ihr Amt zu einer Zeit an, wo Deutschland, einer der Gründerstaaten der EU, die Präsidentschaft der Europäischen Union innehat, und ich erwarte daher, dass sie über den nächsten notwendigen Schritt hinsichtlich des Verfassungsvertrags entscheiden. Die meisten Mitgliedstaaten haben sich für eine Unterstützung des Verfassungsvertrags entschieden und sind bereit, die Verwirklichung der Vision eines vereinten Europas voranzutreiben, und ihre Wünsche können nicht aufgrund der negativen Haltung von zwei Mitgliedstaaten ignoriert werden.

Ich würde es begrüßen, wenn sich das Europäische Parlament nach der Wahl seines Präsidenten jetzt mit der Einführung neuer Regeln oder der Überarbeitung der bestehenden Geschäftsordnung befassen würde. Ich habe das in der Vergangenheit von den beiden großen politischen Fraktionen getroffene „Gentleman’s Agreement“ hinsichtlich der Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments respektiert. Ein demokratisches System sollte jedoch auch die Wahl eines Kandidaten aus einer kleineren politischen Fraktion zulassen. Ich bin ziemlich sicher, dass es in diesem Hause zahlreiche ausgezeichnete und fähige Leute auch in kleineren politischen Fraktionen gibt.

Herr Präsident, ich hoffe wirklich, dass Sie während Ihrer Amtszeit für eine stärkere Einbeziehung der zwölf neuen Mitgliedstaaten in die Gestaltung der europäischen Politik eintreten werden. Wenn ich sehe, in welchem Maße die neuen Mitgliedstaaten derzeit in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments vertreten sind, kann ich mich nur entmutigt fühlen. Eine ähnliche Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten lässt sich an der Zahl ihrer im Europäischen Parlament beschäftigten Staatsbürger ablesen. Wichtig hierbei sind nicht nur die bloße Zahl, sondern die Positionen, die diese Personen bekleiden. Es gibt Bürger aus unseren Ländern, die häufig zwei Universitätsabschlüsse, Berufserfahrung im Ausland und gute Kenntnisse von drei der fünfzehn EU-Sprachen nachweisen können, und sich dennoch auf Stellen auf Sekretariatsebene wiederfinden und daher Vorgesetzten zuarbeiten, deren akademische Fähigkeiten und Sprachkenntnisse möglicherweise erheblich unter ihren eigenen liegen. Lassen Sie mich als Beispiel das interne Ausschreibungsverfahren zur Besetzung von Sekretariatsstellen anführen, das letztes Jahr durchgeführt wurde und als Grundlage für die Vergabe von Sekretariatsposten an 50 Angestellte aus den neuen Mitgliedstaaten diente. Alle diese Angestellten haben einen Universitätsabschluss und leisten Arbeit auf A- und B-Niveau, beziehen jedoch ein Sekretariatsgehalt. Die Europäische Union erzeugt Einsparungen, da qualifizierte Arbeit zu einer niedrigen Vergütung ausgeführt wird, doch ich frage mich, ob man dies als Fairness und Nichtdiskriminierung bezeichnen kann. Nichtdiskriminierung schließt auch die Geschlechtergleichstellung ein, ein hier so häufig diskutiertes Thema. Wir haben sogar einen Ausschuss speziell für diese Problematik, bei der Umsetzung hinken wir jedoch hinterher.

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich Ihnen in Ihrem Amt als Präsident des Europäischen Parlaments allen Erfolg wünschen. Ich habe große Wertschätzung für Sie persönlich wie auch für Ihre großartige Laufbahn und Ihre Erfahrung in europäischer Politik, und ich glaube, dass Sie ein guter und gerechter Verwalter der öffentlichen Angelegenheiten sein werden.

 
  
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  Der Präsident. – Ich möchte mich bei Frau Belohorská vielmals für ihre sehr freundlichen persönlichen Worte bedanken.

Damit ist der Teil der Sitzung mit der Antrittsansprache des Präsidenten geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Katalin Lévai (PSE), schriftlich. (HU) Ich begrüße die Ausführungen sowohl von Präsident Pöttering als auch von Kanzlerin Merkel von ganzem Herzen.

In Anlehnung an Robert Schuman können wir sagen, dass die Geschichte der europäischen Integration im Wesentlichen eine Erfolgsgeschichte ist. Ein Scheitern des Verfassungsprozesses würde die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte gefährden. Wenn es uns nicht gelingt, eine effizientere, demokratischere und von mehr Bürgernähe geprägte Union zu schaffen, dann hätte dies schwer wiegende Auswirkungen für den Erfolg der Lissabon-Strategie, die Gestaltung eines wettbewerbsfähigeren Europas, das seine sozialen Werte dennoch bewahrt. Ein wichtiges Element dabei ist meines Erachtens die Schaffung einer transparenteren und einheitlicheren Gesetzgebung, die die Entwicklung des europäischen Mittelstands fördert und damit auch die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt.

Ferner ist es unerlässlich, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, damit Europa nicht gezwungen ist, in der Weltpolitik die Rolle eines Wirtschaftsgiganten und politischen Zwergs zu spielen. Heute ist es vielleicht wichtiger denn je, die europäischen Werte, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Chancengleichheit, weltweit zu vertreten. Das ist gerade im Jahr der Chancengleichheit ganz besonders wichtig, müssen wir doch auf europäischer und nationaler Ebene Anstrengungen unternehmen, um benachteiligten Bürgern zu helfen.

Ich begrüße die Bedeutung, die der Integration von Migranten beigemessen wird, möchte aber bezüglich deren Lage feststellen, dass wir darüber nicht die größte und vielleicht am stärksten benachteiligte Minderheit in Europa vergessen dürfen: die Roma. Auch in dieser Hinsicht müssen wir die imaginäre ökonomische und soziale Berliner Mauer niederreißen. Ich möchte besonders den Schutz von Frauen und Kindern hervorheben, die zu den Schwächsten zählen und unter einer Doppeldiskriminierung leiden.

Mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit möchte ich daran erinnern, dass die Union auf Rechtsgrundsätzen fußt und dass die Respektierung ihrer Gesetze durch jeden Bürger die Voraussetzung dafür ist, dass sie funktionieren kann. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments müssen bei der Achtung unserer Gesetze Vorbild sein, andernfalls geben wir den Bürgern der Union ein schlechtes Beispiel.

 
  
  

(Die Sitzung wird von 12.05 Uhr bis zur Abstimmungsstunde um 12.10 Uhr unterbrochen)

 
  
  

VORSITZ: LUIGI COCILOVO
Vizepräsident

 

4. Abstimmungsstunde

4.1. Aufhebung der Richtlinie 68/89/EWG des Rates betreffend die Sortierung von Rohholz (Abstimmung)

4.2. Aufhebung der Richtlinie 71/304/EWG des Rates betreffend öffentliche Bauaufträge (Abstimmung)
  

Vor der Abstimmung:

 
  
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  Arlene McCarthy (PSE), Berichterstatterin.(EN) Herr Präsident! Ich möchte das Hohe Haus von einer technischen Änderung in Kenntnis setzen, die wir gemäß Artikel 155 vornehmen sollten. Im Vorschlag der Kommission gibt es eine technische Auslassung in Artikel 2, in dem es um die Umsetzung des Vorschlags geht. Es fehlt der genaue Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Daher schlage ich gemäß Artikel 155 vor, als Datum für die Umsetzung „[18 Monate nach dem Tag der Veröffentlichung]“ einzusetzen. Das sollte genau festgelegt werden. Ich möchte das den Abgeordneten als technische Änderung vorschlagen.

 

4.3. Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft („Hercule II“) (Abstimmung)
  

Nach der Abstimmung:

 
  
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  Herbert Bösch (PSE), Berichterstatter. – Herr Präsident! Nach der Abstimmung hat mein Redebeitrag keinen großen Wert mehr. Bitte passen Sie in Zukunft ein bisschen besser auf, das muss ich schon sagen. Ich möchte mich bei der finnischen sowie auch bei der deutschen Präsidentschaft bedanken. Wir behandeln dieses Thema in nur einer Lesung, und wir geben für die Betrugsbekämpfung in den kommenden Jahren ungefähr 100 Millionen Euro aus. Das wollte ich den Kolleginnen und Kollegen sagen!

 

4.4. Änderung der Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (Abstimmung)
  

Vor der Abstimmung:

 
  
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  Ingeborg Gräßle (PPE-DE), Berichterstatterin. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um das Wort, weil ich auf einen alarmierenden Verhandlungsstand zwischen Rat und Kommission aufmerksam machen muss. Vor Ihnen liegt eine der letzten Gelegenheiten für die Kommission Barroso, auf dem Weg zu einer uneingeschränkten Zuverlässigkeitserklärung, der positiven DAS, voranzukommen.

Wir haben uns erlaubt, die eigenen Vorschläge der Kommission aufzugreifen und in diesen Bericht zu packen. Jetzt will die Kommission ablehnen, ohne etwas anderes vorzuschlagen. Wer heute Vereinfachung, verbesserte Wiedereinziehung von zu Unrecht ausgezahlten Mitteln und eine effizientere Kontrolle tatenlos verhindert, sorgt im April 2009 für ein schlechtes Managementzeugnis dieser Kommission. Im Entlastungsverfahren haben wir es dann zwei Monate vor den Europawahlen mit einem besonders fehlerbehafteten ersten Haushalt 2007 der neuen Finanziellen Vorausschau zu tun. Kommission und Rat spielen jetzt als Bremse und Verhinderer den Europagegnern ein starkes Thema für 2009 in die Hände, wenn unsere Vorschläge nicht akzeptiert werden.

Vor allem der Rat unter deutscher Präsidentschaft ist leider auf Kollisionskurs. Statt für die gemeinsame Ausgestaltung der bereits beschlossenen Veröffentlichung von Beihilfen und Beihilfeempfängern zu sorgen, sagt der Rat überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund einfach nur „nein“, auch zu Forschungs- und Entwicklungshilfegeldern, also dem gesamten Bereich der direkten und internationalen gemeinsamen Verwaltung. Damit sät der Rat Zwietracht in Europa, weil ohne Vereinheitlichung jeder tun und lassen kann, was er will. Der Vertrauensverlust beim europäischen Steuerzahler geht mit uns allen heim.

Der Rat raubt dieser Kommission ihren sichtbarsten Erfolg im Haushaltsbereich, nämlich die Transparenz. Ohne Ausgestaltung ist sie nichts wert. Mein dringender Appell an Kommission und Ratspräsidentschaft lautet: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung zu diesem Rechtstext! Gehen Sie mit bei Vereinfachung und weniger Bürokratie! Die Vorschläge liegen vor Ihnen auf dem Tisch. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich um Ihre Zustimmung dafür.

(Beifall)

 

4.5. Geodateninfrastruktur in der Gemeinschaft (INSPIRE) (Abstimmung)

4.6. Revision der Rahmenrichtlinie über Abfälle (Abstimmung)
  

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 183:

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL). – A Uachtaráin, ar an drochuair bhí meancóg cló ag 183 nuair a chuireamar isteach é agus ní fhacamar é go dtí an bomaite deireanach. In ionad na dátaí 2012 – 2015 ba chóir go mbeadh na dátaí 2009 – 2012, in (a) agus (b). Tá mé buartha faoin mheancóg.

(EN) Es tut mir Leid, hier liegt ein Fehler vor. Das Tabling Office weiß Bescheid. Statt „2012–2015“ hätte hier unter (a) und (b) „2009–2012“ stehen müssen.

Mar sin de ba mhaith liom leasú béil a mholadh faoin mheancóg cló a leasú in 183.

 
  
  

– (Der mündliche Änderungsantrag wird angenommen.)

 

4.7. Thematische Strategie für Abfallrecycling (Abstimmung)

4.8. Die Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei (Abstimmung)
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  Der Präsident. Damit ist die Abstimmungsstunde beendet.

 

5. Stimmerklärungen
  

- Bericht McCarthy (A6-0017/2007)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Wir beabsichtigen nicht, uns dazu zu äußern, inwieweit die Entscheidung zum Widerruf der Richtlinie 68/89/EWG Gültigkeit besitzt, auch wenn wir im Allgemeinen gegen den Hang der Kommission zur Harmonisierung sind, wobei in diesem Fall die meisten Unternehmen und Mitgliedstaaten bekräftigen, dass die vorliegende Richtlinie nicht umgesetzt werden sollte. Es ist aber wichtig, seine Meinung zu dem Prozess äußern, in den sie eingebunden ist, nämlich die Initiative „Bessere Rechtsetzung“, die unter dem Deckmantel der Vereinfachung in Wirklichkeit zur Deregulierung der Märkte auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene beiträgt.

Im Übrigen ist die Begründung der Kommission eindeutig: „Bessere Rechtsvorschriften sind für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und die Erreichung der Ziele der Lissabon-Agenda wesentlich“. Das Ziel der Kommission besteht darin, durch die Verbesserung von Rechtsvorschriften unnötige Kosten zu senken und Anpassungs- und Innovationshemmnisse zu beseitigen und so die „richtigen Anreize und günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Unternehmen entwickeln können“. Das heißt, die Bedeutung des Begriffs „bessere Rechtsetzung“ liegt in der Bevorteilung der Unternehmen und nicht im Schutz der Rechte der Verbraucher in den Bereichen Arbeit, Soziales und Umwelt. Das lehnen wir ab. Wir wollen nicht, dass auf diesem Weg Vorschriften aufgehoben werden, die der Auffassung im Wege stehen, dass dem Wettbewerb und den Gewinnen der Unternehmen die größte Bedeutung zukommt.

 
  
  

- Bericht Bösch (A6-0002/2007)

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich stimme für den Bericht über den Beschluss Nr. 804/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Auflage eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft (Programm Hercule II).

Herr Bösch hat einen guten Bericht vorgelegt. Die Änderungen in der Präambel werden den Kriterien und dem Anliegen dieser Regelung besser gerecht. Die vorgeschlagene Änderung verbessert die Instrumente zur Umsetzung des Aktionsprogramms und sorgt für eine konsequentere Kontrolle der Umsetzung. Die Bereitstellung von zusätzlich 67 Millionen Euro pro Jahr für das Programm Hercule II wird sich nachhaltig positiv auf die Bekämpfung von Schmuggel und Betrug auswirken.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich.(EN) Ich befürworte das Programm „Hercule II“ und die damit verbundenen Aktivitäten zur Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Tätigkeiten, die den finanziellen Interessen der Gemeinschaft schaden. Gegen die im Rahmen des Programms bekämpften Betrugsdelikte muss angegangen werden, um die Bemessungsgrundlage in den Mitgliedstaaten beizubehalten.

 
  
  

- Bericht Gräßle (A6-0007/2007)

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Ich stimme für den Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung (EG, Euratom) der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften.

Die Berichterstatter, Frau Gräßle und Herr Pahor, haben einen ausgezeichneten Bericht erarbeitet, der eine Reihe von Änderungsanträgen enthält. Die Umsetzung der Verordnung wird die Flexibilität und Transparenz der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften erhöhen. Sie wird für eine bessere Durchsetzung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft sorgen, während sie gleichzeitig dem Haushaltskontrollausschuss transparentere Möglichkeiten zur Beurteilung der ordnungsgemäßen Ausführung des Gemeinschaftshaushalts im jeweiligen Abschnitt bietet.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich.(EN) Ich befürworte die mit diesem Bericht vorgelegten Änderungsanträge, denn die Haushaltsfunktion des Europäischen Parlaments ist für die demokratische Kontrolle auf europäischer Ebene unerlässlich. Ich unterstütze insbesondere die Änderungen, die auf einen besseren Vergleich zwischen dem in den Erläuterungen des Parlaments zum Haushalt zum Ausdruck gebrachten politischen Willen und der tatsächlichen Ausführung abzielen.

 
  
  

- Bericht Brepoels (A6-0021/2007)

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident! Das INSPIRE-Datensystem ist eine wesentliche Errungenschaft für uns in Europa, weil wir für jegliche Politik, insbesondere im Umweltbereich, Raumdaten brauchen, die miteinander vergleichbar sind. Deswegen möchte ich auch meinen Dank an die Berichterstatterin Brepoels richten, die einen ausgezeichneten Kompromiss ausgearbeitet hat. Nur so können wir sicherstellen, dass Bürger sich über Umweltgefahren, die auf sie zukommen, informieren und sich an den Systemen, die wir in Europa gestalten, beteiligen können. INSPIRE leistet einen wesentlichen Beitrag dazu.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich.(EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, da er Maßnahmen im Bereich Abfallbeseitigung ermöglicht, die dazu beitragen, unsere Ziele in Bezug auf die Verringerung des Abfalls und den Schutz unserer Umwelt zu erreichen. Wir müssen die Umwelt EU-weit schützen, und dieser Bericht ist ein Versuch auf dem Weg dazu. Der Bericht entspricht den Prioritäten, die wir meiner Meinung nach für unsere Umwelt setzen müssen, indem die Herstellung von nicht wiederverwendbaren und nicht recycelbaren Abfällen verringert wird, Hersteller und Importeure für Abfall verantwortlich gemacht werden, die Neueinstufung von Abfallverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung vermieden wird und eine Bestimmung eingeführt wird, dass nationale Abfallvermeidungsprogramme zu entwickeln sind.

 
  
  

- Bericht Jackson (A6-0466/2006)

 
  
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  Richard Seeber (PPE-DE). – Herr Präsident! Bei der Revision dieser Abfallrahmenrichtlinie waren uns Österreichern besonders zwei Dinge wichtig: Zum einen die Sonderregelung für die biogenen Abfälle, da wir und auch Deutschland über sehr gut funktionierende Systeme verfügen, die es aufrechtzuerhalten gilt. Gleichzeitig fordern wir die Kommission auf, hier weiterzuarbeiten, um ein europaweites System zu errichten. Das Zweite waren die Catering-Abfälle und Abfälle aus Gasthäusern, die nach einer entsprechenden Behandlung wieder in der Schweinezucht verwendet werden können. Das ist ein ganz wesentlicher Ansatz, um derartige Nahrungsströme richtig zu verwerten.

 
  
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  Andreas Mölzer (ITS). – Herr Präsident! Langsam aber sicher findet rund um das Thema Abfall ein gesellschaftliches Umdenken statt. Da immer mehr Länder ihre Altlasten aufarbeiten und Betreiber ihre Anlagen auslasten wollen, kommt es aber zu Abfalltransporten quer durch Europa. Auch wenn nunmehr auf die Umwelt Acht gegeben wird, gibt es doch immer wieder schwarze Schafe, die Müll in kleinem oder großem Stil illegal ablagern oder für die Abfallannahme kassieren, ohne für die kostspielige Weiterverarbeitung zu sorgen.

Dies schädigt nicht nur unser aller Lebensraum, sondern kostet Staat und Kommunen viel Geld. Hier müssen wir stärker durchgreifen. Ferner gilt es, weitere Aufklärungsarbeit zu betreiben, da mancher Bürger in seiner Unwissenheit etwa Medikamente falsch entsorgt. Selbstverständlich müssen wir zudem auf verstärktes Recycling setzen, wobei die EU und ihre Mitgliedstaaten mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass die Endlagerung nuklearer Abfälle noch immer nicht gelöst ist. Ein Grund mehr, keine weiteren Atomkraftwerke zu errichten.

 
  
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  Liam Aylward, Brian Crowley, Seán Ó Neachtain und Eoin Ryan (UEN), schriftlich. – (EN) Wir haben gemeinsam mit der Delegation von Fianna Fail im EP für einen strengeren Kommissionsvorschlag über Abfälle gestimmt, der die fünfstufige Abfallhierarchie befürwortet und die Hauptbetonung auf Vermeidung und Verringerung von Abfällen legt, gefolgt von Wiederverwendung, Recycling, Verwertung und dann der sicheren und umweltgerechten Entsorgung von Abfällen – in dieser Rangfolge.

Wir haben dafür gestimmt, verbindliche Ziele für die Mitgliedstaaten festzulegen, damit sie das Abfallaufkommen bis 2012 im Vergleich zu ihren Abfallaufkommen des Jahres 2008 stabilisieren, und unterstützen die Forderungen des EP, Wiederverwendung und Recycling stärker zu nutzen, um so die Belastung von Deponien zu verringern, Maßnahmen zu ergreifen, die die Mitgliedstaaten unbedingt durchführen müssen, um dafür zu sorgen, dass der gesamte Abfall – soweit machbar – verwertet wird, dass das Recycling verbessert wird und Sammelsysteme der verschiedenen Abfallströme eingerichtet werden, damit wir uns bis 2020 in Richtung einer Recycling-Gesellschaft entwickeln, in der 50 % unserer kommunalen Feststoffabfälle neben biologisch abbaubaren Abfällen und Industrieabfällen recycelt werden.

Sehr wichtig ist die Unterscheidung von Verwertung und Entsorgung. Wir haben für Änderungsanträge gestimmt, in denen klar zwischen Verwertung und Entsorgung unterschieden wird, und haben gegen Änderungsanträge gestimmt, durch die Anlagen für die Entsorgung in Verwertung neu eingestuft würden.

 
  
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  Bernadette Bourzai (PSE), schriftlich.(FR) Ich möchte die Berichterstatterin und den Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Parlaments zu der ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen, die sie geleistet haben.

Wir müssen in der Tat handeln, denn die Politiken der Abfallbewirtschaftung werden nicht immer dem Interesse an Recycling und Kompostierung gerecht, und leider sind die Verbringung auf Deponien und die Verbrennung noch immer die am weitesten verbreiteten Formen der Abfallbeseitigung.

Ich bin für die fünfstufige Hierarchie der Abfallbewirtschaftung (Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung, Deponierung), denn aus meiner Sicht muss das Ziel der Verringerung der Abfälle Vorrang haben und daher das Ziel der Abfallvermeidung im Vordergrund stehen. So unterstütze ich beispielsweise eine Etikettierung der Produkte zur Entwicklung des Öko-Konsums.

Ich freue mich, dass Erdaushub aus der Liste der Abfälle gestrichen wurde, was der Vereinfachung dient. Hingegen scheint es mir notwendig zu sein, einen klaren Unterschied zwischen Recycling und Wiederverwertung zu machen und die Verbrennungspraktiken zu regeln, um eine echte energetische Verwertung ohne Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu ermöglichen.

Ich unterstütze den Vorschlag der allgemeinen Einführung der Haftung der Abfallverursacher nach dem Verursacherprinzip.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Dieser Bericht wirft zahlreiche und in einigen Aspekten sogar widersprüchliche Fragen auf. Zum einen werden Prioritäten für die Abfallbewirtschaftung festgelegt, bei denen Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling und andere Prozesse der stofflichen Verwertung im Mittelpunkt stehen, und zum anderen für die Abfallbeseitigung. Das begrüßen wir, und wir hoffen, dass der endgültige Text sich in diese Richtung bewegt.

Andererseits jedoch wurden einige positive Änderungsanträge, die darauf abzielten, die Verbrennung nicht als Verwertungsverfahren einzustufen und sicherzustellen, dass die Anwendung dieser Methode schrittweise eingestellt wird, nicht angenommen, obwohl andere, die vom Umfang her sehr viel eingeschränkter waren, angenommen wurden, was zu den genannten Widersprüchlichkeiten führt.

Daher muss in der folgenden Verhandlungsphase die ganze Aufmerksamkeit dem Verfahren gelten, um zu sehen, in welche Richtung die Definitionen und ihre Inhalte sich entwickeln.

Deshalb haben wir in dieser ersten Lesung die Aspekte, die den ursprünglichen Vorschlag der Kommission verbesserten, begrüßt. Das endgültige Stimmverhalten in zweiter Lesung wird jedoch von der Klärung der bestehenden Widersprüche abhängen.

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich.(EN) Ich werde mit „Ja“ für den Bericht Jackson über Abfälle stimmen. Es ist wichtig, dass wir es vermeiden, uns selbst unter dem immer mehr werdenden Verpackungsmaterial zu begraben, das uns die Verbrauchergesellschaft beschert. Ich bin für das maximal machbare Recycling. Aber das allein reicht nicht aus. Wir müssen die Menge an anfallendem Abfall vor dem Recycling begrenzen. So sehr wir uns auch bemühen, es wird immer wieder Material geben, das entsorgt werden muss. Unter der Voraussetzung, dass dies auf ein Mindestmaß beschränkt bleibt, habe ich kein Problem damit, wenn ein Teil dieses Materials verbrannt wird. Ich habe in Deutschland Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf der Grundlage der Abfallverbrennung besichtigt, die nur zu empfehlen sind. Wir werden unserem Planeten und unserer Zukunft Gutes tun, wenn wir eine Vielzahl an Maßnahmen anwenden und nicht nach einer Einheitslösung suchen.

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich.(EN) Ich bin für den Bericht Jackson, weil er den Tenor des progressiven Standpunkts des Umweltausschusses zur Abfallverhütung und –bewirtschaftung voll widerspiegelt. Mich freut besonders, dass das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission abgelehnt hat, Verbrennungsanlagen für Kommunalabfälle auf der Grundlage bestimmter Kriterien einen neuen Namen zu geben. Sinn Féin unterstützt die Gemeinden in Irland, die dagegen kämpfen, dass ihnen gefährliche Verbrennungsanlagen aufgezwungen werden sollen.

Der Bericht Jackson sendet ein klares Signal aus, nämlich dass das Europäische Parlament die Prinzipien einer Recycling-Gesellschaft unterstützt – und die Mitgliedstaaten sollten ein Gleiches tun. Ferner begrüße ich die Aufstellung eines Plans für eine fünfstufige Abfallhierarchie sowie die dringende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Abfallvermeidungspläne vorzulegen. Allerdings bedauere ich, dass keine eindeutigeren und ehrgeizigeren Ziele festgelegt wurden.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. (PT) Die Frage der Abfallbewirtschaftung ist äußerst wichtig und muss in dem Bewusstsein diskutiert werden, dass übertriebene Umweltschutzbestrebungen zu unrealistischen und nicht umsetzbaren Vorschriften führen. Eine mangelhafte Rechtsetzung dieser Art führt unvermeidlich dazu, dass der Umweltschutz vernachlässigt wird und wir den künftigen Generationen ein vermeidbares Erbe hinterlassen.

Andererseits muss uns klar sein, dass, wie gut unsere Absichten zur Verringerung der Umweltverschmutzung auch immer sein mögen, sich die in der EU, aber auch in anderen Teilen der Welt vollziehende Anhebung des Lebensstandards stets zu einem höheren Verbrauch und damit unweigerlich zu mehr Abfällen führt. Deshalb müssen wir realistisch sein und vor allem, wie hier empfohlen wird, die energetische Bilanz bei der Abfallverwertung verbessern.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE), schriftlich.(FR) Vorbeugen ist besser als heilen! Dieses Sprichwort, das offensichtlich die Aufforderung enthält, das Übel an der Wurzel zu packen, gilt uneingeschränkt für die europäische Abfallpolitik.

Denn was ist festzustellen? Im Zeitraum von 1995 bis 2003 hat die globale Abfallproduktion um 19 % zugenommen, das heißt um durchschnittlich 3,5 Tonnen pro Person und Jahr.

Bedenkt man zudem, dass weniger als 20 % der Abfälle recycelt werden, dass 50 % der Materialien nach der Produktlebenszeit nicht recycelt werden und in der Natur verstreut enden und dass außerdem die Vervielfachung der umwelt- und gesundheitsschädlichen Verbrennungsanlagen und Deponien keine tragfähige Politik ist, so muss die ganze Philosophie der Abfallwirtschaft neu überdacht werden. Dabei sind drei Schwerpunkte zu beachten: die Ökokonzeption als Priorität der Abfallvermeidungspolitik, da 80 % der Umweltauswirkung zum Zeitpunkt der Herstellung und Bearbeitung des Produkts auftreten; die Einführung einer abschreckenden Ökosteuer auf übermäßige Verpackungen und Erzeugnisse mit übermäßigem Energieverbrauch; die Schließung der 10 000 illegalen Deponien auf dem europäischen Territorium oder ihre Umgestaltung zur Einhaltung der europäischen Richtlinie über Abfalldeponien von 2001.

 
  
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  Catherine Stihler (PSE), schriftlich.(EN) Ich begrüße diesen Bericht über die Bewältigung des Abfallproblems in der EU. Mich freut es, dass ein rechtsverbindliches Ziel zur Stabilisierung der Abfallvermeidung festgelegt wurde. Ferner stelle ich mit Freude fest, dass das Prinzip der fünfstufigen „Abfallhierarchie“: Abfallvermeidung und -verringerung, Wiederverwendung des Abfalls, Recycling des Abfalls (heute wird weniger als ein Drittel des Abfalls recycelt), andere Verwertungsmaßnahmen, und schließlich die sichere und umweltgerechte Entsorgung des Abfalls nicht abgeschwächt wurde.

 
  
  

- Bericht Blokland (A6-0438/2006)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Uns allen ist bekannt, dass das Abfallaufkommen eines der Probleme der modernen Gesellschaft ist. Deshalb möchten wir die Annahme dieses Dokuments unterstützen, in dem der Schwerpunkt auf das wichtigste Ziel der Abfallbewirtschaftung gelegt wird, den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit.

Hervorheben möchten wir auch die Annahme der so genannten Abfallhierarchie, d. h. der Festlegung der folgenden Rangfolge: Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung wie beispielsweise die energetische Verwertung und schließlich Beseitigung. Mit der größeren Aufmerksamkeit, die der Abfallvermeidung geschenkt wird, soll die Abfallerzeugung so weit wie möglich verringert werden.

Uns sollte jedoch bewusst sein, dass aufgrund der großen Menge an Abfällen, die gegenwärtig anfallen, die Maßnahmen, die für Wiederverwendung, Recycling bzw. Beseitigung in Frage kommen, immer noch unzureichend sind und keine Antwort auf die Erfordernisse darstellen.

Die Reduzierung des Abfallaufkommens ist also eine grundlegende Frage. Wollen wir dies erreichen, so müssen die Standards bei Produktion und Verbrauch geändert werden. Notwendig sind auch Maßnahmen zur Aufklärung und Schärfung des Bewusstseins für das Problem in der Bevölkerung. Folglich muss geklärt werden, wie die Aufteilung der Kosten der Abfallbewirtschaftung erfolgt, und dass diese Kosten weder völlig noch zum größten Teil auf das „schwächste Glied“ – die Verbraucher – abgewälzt werden dürfen. Aus diesem Grund halten wir den Verweis auf die Anwendung des Verursacherprinzips für gefährlich.

 
  
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  Diamanto Manolakou (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) In Griechenland gibt es derzeit 3 500 unkontrollierte Deponien. Etwa die Hälfte davon steht in Flammen, was ernsthafte Auswirkungen auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit hat. Die Abfallmengen nehmen zu, und der Abfall wird überwiegend auf Deponien entsorgt. Demgegenüber befinden sich die Wiederverwendung und das Recycling nach wie vor auf einem äußerst niedrigen Niveau und nehmen die illegalen grenzüberschreitenden Abfalltransporte zu. All dies trifft auf die Mehrzahl der Mitgliedstaaten zu und wird in dem Bericht mit dem Titel „Thematische Strategie für Abfallrecycling“ zu Recht hervorgehoben.

Anstatt Lösungen für diese gesellschaftlichen Probleme zu finden, formuliert die Kommission irreführende Zielsetzungen, verwendet sie falsche Definitionen und versäumt sie es, qualitative und quantitative Ziele festzulegen, um dadurch die Interessen der Hersteller und Betreiber von Verbrennungsanlagen, also die im Vordergrund stehenden wirtschaftlichen Interessen, zu fördern, und das obwohl bekannt ist, dass durch die Verbrennung Schadstoffe in der Luft sowie gefährliche feste und gifte flüssige Abfälle entstehen, die zum Treibhauseffekt beitragen. Zugleich hat die Verbrennung im Hinblick auf das Recycling eine kontraproduktive Wirkung.

Das bestätigt, dass die kapitalistische EU schon von Natur aus keine Abfallbewirtschaftungspolitik betreiben kann, die auf dem Kriterium des Umweltschutzes und des Schutzes der öffentlichen Gesundheit beruht, denn dies ist mit dem ungehinderten Agieren des Kapitals zur Erzielung von Profiten unvereinbar.

Wir bringen zudem unsere Ablehnung des „Verursacherprinzips“ und des Prinzips der „Verantwortung des Verursachers der Abfälle“ zum Ausdruck, da sie als Instrumente dafür dienen, dem Verursacher, der im Grunde ungestraft verschmutzen kann und lediglich einen finanziellen Beitrag leisten muss, die Schuld abzunehmen.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil ich glaube, dass wir eine Politik zur Abfallbewirtschaftung erarbeiten sollten, die zur Reduzierung des Abfalls und zum Schutz der Umwelt beiträgt. Meines Erachtens sollte der Schutz der Umwelt und nicht die Förderung des Abfallhandels die Grundlage der Abfallpolitik der EU sein. Das Verursacherprinzip, das Prinzip der Herstellerverantwortung in der europäischen Abfallgesetzgebung sowie die Umsetzung konkreter Ziele zur Abfallvermeidung sind wichtige Aspekte dieses Berichts, die ich befürworte.

 
  
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  Catherine Stihler (PSE), schriftlich. (EN) Der Vorschlag für eine gesonderte Richtlinie über Klärschlamm, eine Überarbeitung der Abfallverbrennungsrichtlinie und Vorschläge für die Abfallvermeidung sind zu begrüßen.

 
  
  

- Bericht Bozkurt (A6-0003/2007)

 
  
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  Philip Claeys (ITS). – (NL) Herr Präsident! Ich habe gegen den Bericht Bozkurt gestimmt. Es wurden zwar einige notwendige Schlussfolgerungen gezogen, wir versäumen jedoch hier in diesem Hause eine Gelegenheit, wirklich Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei könnten als Hebel verwendet werden, um Fortschritte im Bereich der Menschenrechte, in diesem Falle der Frauenrechte, zu verzeichnen, wir haben uns jedoch anscheinend bewusst dafür entschieden, dies nicht zu tun. In diesem Hause gibt es eine Mehrheit, die davon ausgeht, die Türkei müsse der Europäischen Union um jeden Preis beitreten können. Offiziell heißt es natürlich, die Verhandlungen mit der Türkei könnten jederzeit suspendiert werden, sollte sich zeigen, dass das Land die Menschenrechtskriterien eindeutig nicht erfüllt. Immer wieder wurde für uns jedoch offenkundig, dass die Gespräche niemals ausgesetzt werden. Es ist eine Bestimmung, die nur einem einzigen Zweck dient: der Beruhigung der Mehrheit der Wähler in Europa, die gegen den Beitritt der Türkei sind.

 
  
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  Françoise Castex (PSE), schriftlich.(FR) Ich habe für den Initiativbericht von Emine Bozkurt über die Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei gestimmt.

Wenngleich der Rechtsrahmen für die Rechte der Frau global zufrieden stellend zu sein scheint, gibt es aus meiner Sicht bei seiner realen Umsetzung noch Mängel: Die Gewalttätigkeiten gegen Frauen, vor allem die Ehrenverbrechen und Zwangsehen, müssen systematisch verurteilt werden.

Ich begrüße den Vorschlag des Berichts, der die türkischen Institutionen auffordert, mit allen zivilen und sozialen Gruppierungen der Gesellschaft Bündnisse zu schließen, um Kampagnen zur Erhöhung der Sensibilität für die Gewalt gegen Frauen und Kinder einzuleiten.

Des Weiteren freue ich mich über die Annahme der Empfehlung an die türkischen politischen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen im Jahr 2007 mehr weibliche Kandidaten aufzustellen.

Schließlich begrüße ich die Aufforderung an die türkische Regierung, den Zugang zu Bildung für junge Mädchen, die durch ihre Familie am Schulbesuch gehindert werden, obligatorisch zu machen.

 
  
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  Edite Estrela (PSE), schriftlich. (PT) Ich habe für den Bericht von Frau Bozkurt gestimmt, weil er die Notwendigkeit unterstreicht, dass die türkische Regierung trotz der bereits erreichten Fortschritte Maßnahmen ergreifen muss, die eine größere Beteiligung der Frauen am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben der Türkei ermöglichen.

Dieser Bericht zeigt, dass beim Schutz der türkischen Frauen vor häuslicher Gewalt und Ehrenverbrechen noch ein langer Weg zurückzulegen ist. Es wird auch an die türkische Regierung appelliert, für die Frauen, die Opfer von Gewalt werden, mehr Zufluchtsorte zu errichten.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (PT) Mit unserer Zustimmung zu diesem Bericht möchten wir lediglich den Schutz der Rechte aller türkischen Frauen bekräftigen, darunter auch in den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU, bei denen die wichtige Frage der Achtung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Frauen weit oben auf der Tagesordnung steht. Dies sollte unserer Auffassung nach jedoch nicht die einzige Frage sein, die bei den Verhandlungen mit der Türkei zu beachten ist. Es ist allgemein bekannt, dass wir gegen Beitrittsverhandlungen sind, solange die Türkei die nicht hinnehmbare Besetzung Nordzyperns aufrechterhält. Deshalb können wir zahlreichen Punkten in diesem Bericht nicht zustimmen.

In dem angenommenen Bericht heißt es, dass mit dem im Juni 2005 in Kraft getretenen neuen Strafgesetzbuch die Grundrechte der Frauen zwar wesentlich gestärkt, die europäischen Richtlinien zur Gleichstellung von Frauen und Männern jedoch noch immer nicht vollständig umgesetzt worden sind. Gleichermaßen bedauern wir, dass in einigen Teilen der Südosttürkei die Mädchen nicht sofort nach ihrer Geburt registriert werden, was den Kampf gegen Zwangsehen und Ehrenverbrechen erschwert, da die Opfer keine offizielle Identität besitzen. Wir schließen uns auch der Aufforderung an die türkische Regierung an, sicherzustellen, dass Frauen, die der kurdischen Minderheit angehören, gleichberechtigt an den Frauenrechte-Programmen beteiligt werden.

 
  
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  Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. (SV) Wir teilen voll und ganz die Auffassung, dass die Türkei, ebenso wie die übrigen Kandidatenländer, einen demokratischen Rechtsstaat mit umfassenden Menschenrechten und der Gleichstellung der Geschlechter errichten muss.

Kritisch stehen wir jedoch einigen der im Bericht genannten Punkte gegenüber. So ist es beispielsweise widersinnig, dass das Europäische Parlament den Erlass eines verbindlichen Quotensystems zur Gewährleistung einer fairen Vertretung von Frauen auf Wahllisten empfiehlt (Ziffer 41), dass die politischen Parteien in der Türkei aufgefordert werden, interne Vorschriften zu erlassen, die die Präsenz von Frauen in ihren Führungsgremien auf allen Ebenen gewährleisten (Ziffer 43) und dass die Parteien in der Türkei aufgefordert werden, mehr weibliche Kandidaten in die Wahllisten aufzunehmen (Ziffer 44). Die EU stellt derartige Forderungen weder an die übrigen Kandidatenländer noch an die alten Mitgliedstaaten. Natürlich ist es absurd, einen Beitrittskandidaten durch die Formulierung besonderer Forderungen abweichend zu behandeln. Es liegt letztendlich im Ermessen jedes einzelnen Landes, welche Maßnahmen zur Stärkung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft ergriffen werden.

Ausgehend von den genannten Überlegungen haben wir uns bei der Endabstimmung der Stimme enthalten.

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE), schriftlich. (EN) Meine britischen Kollegen von der konservativen Partei und ich befürworten den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Wir sind ferner der Ansicht, dass die Türkei so wie alle anderen Beitrittskandidaten die Kopenhagener Kriterien in vollem Umfang erfüllen muss.

Es entsteht jedoch der Eindruck, dass der Bericht die Latte für den Beitritt der Türkei höher legt als bei anderen Staaten. Wir können eine Andersbehandlung oder Benachteiligung der Türkei gegenüber anderen Kandidatenländern nicht unterstützen. Natürlich muss die Türkei auch gewährleisten, dass sie sich in Bezug auf die Rechte von Frauen und Mädchen an die Kopenhagener Kriterien halten wird.

Wir haben beschlossen, uns bei diesem Bericht der Stimme zu enthalten, da wir befürchten, dass die darin enthaltene lange Liste von Forderungen von den Gegnern der türkischen EU-Mitgliedschaft politisch ausgenutzt werden wird. Gleichzeitig möchten wir deutlich machen, dass wir echte Bemühungen um eine Verbesserung der Lage der Frauen in der Türkei unterstützen.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE), schriftlich. – (EL) Wir, die Abgeordneten der Nea Dimokratia im Europäischen Parlament, haben für den Bericht Bozkurt gestimmt, der nicht nur auf die in allen Bereichen herrschende problematische Situation der Frauen in der Türkei eingeht, sondern auch die Maßnahmen nennt, die ergriffen werden müssen, damit der gemeinschaftliche Besitzstand in dem Kandidatenland angenommen und umgesetzt werden kann.

Die Türkei muss kontinuierliche und multilaterale Anstrengungen unternehmen, um die Menschenrechte von Frauen zu schützen, indem sie gegen Gewalt, Ehrenverbrechen und Polygamie vorgeht, und um darüber hinaus die Diskriminierung in der Familie, im wirtschaftlichen und sozialen Leben sowie generell zu beseitigen.

Wir haben uns bei Änderungsantrag 15 der Stimme enthalten, da dieser Änderungsantrag unserer Ansicht nach nicht zur Verbesserung der Entschließung beiträgt.

Fest steht, dass die Dimension der Gleichstellung Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes ist, der in dem Kandidatenland angenommen und umgesetzt werden muss. Das Aussetzen von Verhandlungen, wie in dem betreffenden Änderungsantrag gefordert, würde daher die Umsetzung der Gleichstellung zwischen den beiden Geschlechtern verzögern. Wir sollten nicht vergessen, dass in der laufenden Verhandlungsphase bereits Druck in dieser Richtung ausgeübt wird. Wir möchten das Hohe Haus daran erinnern, dass die Türkei mit der Eröffnung von Verhandlungen zu Kapitel 19 über Sozialpolitik und Beschäftigung, das direkt die Diskriminierung von Frauen betrifft, aufgefordert ist, obligatorische Entwicklungen voranzutreiben und sich an ihre Verpflichtungen zu halten, und dass sie dabei konkrete Zielsetzungen zur Förderung der Gleichstellung verfolgen muss.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. (EN) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil sein Ziel darin besteht, Maßnahmen zur Entwicklung der Rechte der Frauen in der Türkei zu evaluieren und vorzuschlagen. Es bedarf der Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden und der Zivilgesellschaft, um die Rechte der Frauen zu verbessern, und genau das schlägt der Bericht vor. Angesichts dessen, dass sich das Land auf seinen Beitritt zur EU vorbereitet, muss vor allem der Achtung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Frauen Vorrang eingeräumt werden. Der Bereich der Frauenrechte ist nach wie vor problematisch: Es gibt Gewalt gegen Frauen einschließlich Ehrenverbrechen; Mängel in der Bildung für Frauen und Mädchen; eine rückläufige Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt. Ich freue mich, einen Bericht zu unterstützen, aus dem eindeutig hervorgeht, dass diese Probleme einer Lösung zugeführt werden müssen, und der konkrete Vorschläge dafür enthält, wie wir das erreichen können.

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE), schriftlich. – (FR) Zwangsehen, häusliche Gewalt, Ehrenverbrechen, Analphabetismus usw. – die Situation der Frauen in der Türkei ist nicht rosig! Nach Angaben von Unicef werden alljährlich 700 000 junge Mädchen durch ihre Familien am Schulbesuch gehindert. Die Erwerbsrate der Frauen liegt bei nicht einmal 25 %, also weit unter den 55 % in der EU.

Das sind beunruhigende Zahlen zu einem Zeitpunkt, da der EU-Beitritt der Türkei Kontoversen auslöst. Aus diesem Grunde schlägt das Parlament konstruktive Maßnahmen vor: eine Bewertung der Fortschritte der Türkei auf der Grundlage von Benchmarks; die Einrichtung von Frauenhäusern für Frauen, die Gewaltopfer sind; die obligatorische Registrierung aller Mädchen bei der Geburt, um gegen Zwangsehen zu kämpfen; Schulung der Polizei und der Justiz in Fragen der Bekämpfung von Ehrenverbrechen, um die systematische Einleitung von Ermittlungen und die notwendigen Verurteilungen zu fördern; Einführung eines verbindlichen Quotensystems für die Teilnahme der Frauen am politischen Leben.

Ich gehöre nicht zu den Befürwortern von Maßnahmen der positiven Diskriminierung, aber ich bin überzeugt vom Nutzen vorübergehender Maßnahmen in der Türkei. Dieses Land braucht dringend Frauen in Machtpositionen, die als Beispiel dienen, um einen Mentalitätswandel zu bewirken.

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. (SV) Bei der Abstimmung über den Bericht Bozkurts zur Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei habe ich für den Änderungsantrag gestimmt, wonach Punkt 41 gestrichen werden soll, bei dem es um ein Quotensystem geht. Ich halte es für ein großes Problem, dass es in der türkischen Politik nicht mehr Frauen gibt, glaube aber nicht, dass ein Quotensystem die richtige Lösung dafür ist.

 
  
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  Catherine Stihler (PSE), schriftlich. (EN) Die Aufnahme der Gespräche über den EU-Beitritt der Türkei ist zu begrüßen. Dabei müssen jedoch die Rechte der Frauen genau überwacht werden. Es muss etwas dagegen unternommen werden, dass in Teilen der Südosttürkei Mädchen bei der Geburt nicht registriert werden. Sämtliche Geburten sollten unabhängig vom Geschlecht des Kindes offiziell eingetragen werden. Was Frauen in der Politik betrifft, so sollten Frauen zur Übernahme von Mandaten ermutigt und dabei unterstützt werden. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass es auch in der EU noch immer Länder gibt, in denen die Teilhabe der Frauen an der nationalen Politik zu wünschen übrig lässt. So wird es im Vereinigten Königreich noch 200 Jahre dauern, bis Frauen im Unterhaus gleichberechtigt vertreten sind. Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um jede Form der geschlechterspezifischen Benachteiligung zu bekämpfen, ganz gleich, wo diese auftritt.

 
  
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  Lars Wohlin (PPE-DE), schriftlich. (SV) Die gegenwärtigen Verhältnisse zeigen, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu früh eingeleitet worden sind. Im Bericht werden einige ernsthafte Probleme aufgegriffen, insbesondere das Vorkommen von Ehrenmorden und Gewalt gegen Frauen.

Unabhängig davon, ob die Türkei EU-Mitglied wird oder nicht, liegt sie im Nahbereich der Europäischen Union und wird zu einem wichtigen Handelspartner für uns. Darum ist es sehr wichtig, dass die EU auch weiterhin politischen Druck auf die Türkei ausübt, damit sich dieses Land konstruktiv entwickelt. Hingegen ist es ausgesprochen unglücklich, wenn das Europäische Parlament so weit geht, ein verbindliches Quotensystem für die Vertretung von Frauen auf Wahllisten vorzuschlagen. Die Europäische Union hat keine Befugnisse zum Eingreifen in Nominierungsverfahren, die die demokratischen Spielregeln erfüllen.

 

6. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
  

(Die Sitzung wird um 13.10 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: HANS-GERT POETTERING
Präsident

 

7. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
  

(Das Protokoll der vorangegangenen Sitzung wird genehmigt.)

 

8. Vorbereitung des Europäischen Rates (8./9. März 2007) (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung des Rates und der Kommission zur Vorbereitung des Europäischen Rates am 8. und 9. März.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, liebe Frau Kollegin Wallström, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie in den letzten Jahren wird auch dieser Frühjahrsgipfel der Staats- und Regierungschefs in erster Linie Wirtschaftsthemen und insbesondere der Lissabon-Strategie gewidmet sein. Wir freuen uns natürlich, dass der diesjährige Frühjahrsgipfel vor dem Hintergrund positiver wirtschaftlicher Eckdaten und erfreulicher Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten stattfindet. Wir ziehen hieraus den vorsichtigen Schluss, dass die Lissabon-Strategie erste Früchte trägt, sind aber gleichwohl der Überzeugung, dass es jetzt völlig unangebracht wäre, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil, wir wollen die positive Gesamtentwicklung und den sich einstellenden Optimismus für weitere Strukturreformen nutzen. Wir wollen gemeinsam weitere Anstrengungen unternehmen, um die Erfolge der letzten Zeit nachhaltig abzusichern und auszubauen, denn es ist wichtig, Europa so für den globalen Wettbewerb optimal in Form zu bringen.

Nach intensiven Vorarbeiten, die auch von einer sehr engen und äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Kommission geprägt waren, sind wir nunmehr in die heiße Phase der Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 8. und 9. März eingetreten. Der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ hat gestern die vom Vorsitz erarbeitete kommentierte Tagesordnung für den Europäischen Rat erörtert. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Mitgliedstaaten die vom Vorsitz vorgeschlagene Themensetzung voll mittragen.

In den kommenden Wochen wird der Ausschuss der Ständigen Vertreter die verschiedenen Beiträge der einzelnen sektoriellen Ratsformationen koordinieren und den Entwurf für die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im Lichte dieser Kernaussagen weiterentwickeln. Vielleicht darf ich an dieser Stelle die Daten in Erinnerung rufen, an denen die einzelnen Fachräte ihre Beiträge verabschieden: Der Rat Energie wird übermorgen zusammentreten, um über eines der ganz großen Themen für den Europäischen Rat zu befinden, nämlich den Energie-Aktionsplan; der Rat Erziehung und Jugend findet am 16. Februar statt, gefolgt vom Wettbewerbsfähigkeitsrat am 19. Februar und dem Umweltrat am 20. Februar. Der für Beschäftigungs- und Sozialfragen zuständige Rat und der ECOFIN-Rat, der diesen Reigen beschließt, finden am 22. bzw. 27. Februar statt.

Wenn auch das Europäische Parlament an diesen Vorbereitungsarbeiten nicht unmittelbar beteiligt ist, so kann ich Ihnen doch versichern, dass der Vorsitz den vom Parlament im Zusammenhang mit den Gipfelthemen verabschiedeten Stellungnahmen Rechnung tragen wird.

Gestatten Sie mir nun, etwas detaillierter auf die Pläne des Vorsitzes für den diesjährigen Frühjahrsgipfel einzugehen. Ich kann hier auch Bezug nehmen auf das, was die Präsidentin des Rates heute Morgen hier gesagt hat. Wir werden uns darum bemühen, dass der Europäische Rat seine originäre Aufgabe wahrnimmt, die darin besteht, sich auf zentrale Fragen zu konzentrieren, Weichen zu stellen, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen und den zuständigen Instanzen auf europäischer und nationaler Ebene politische Leitlinien an die Hand zu geben. Dabei sind unser heutiger Austausch und dann natürlich der intensive Dialog mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments im Rahmen der Tagung wichtige Elemente bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe. Entsprechend diesen allgemeinen Erwägungen haben wir uns darum bemüht, die Beratungen des Europäischen Rates auf Themen zu konzentrieren, bei denen allgemein anerkannter Handlungsbedarf besteht und bei denen weitere Anstrengungen erforderlich sind.

Im Speziellen geht es darum, die in den Mitgliedstaaten eingeleiteten Strukturreformen zu unterstützen und mittels integrierter länderspezifischer Empfehlungen zu fördern. Im Bereich des Binnenmarktes wollen wir den gemeinsamen Willen stärken, Lücken zu schließen und Schwachpunkte zu identifizieren, die Wettbewerbsfähigkeit der Union gegenüber Drittstaaten zu stärken, aber auch Impulse für eine Wiederankurbelung der Doha-Runde zu geben. Die Stärkung von Innovation, Forschung und Bildung liegt uns ebenso am Herzen wie die Förderung von Beschäftigung und die Weiterentwicklung des Europäischen Sozialmodells. Zentrale Themen sind hier Flexicurity und demographischer Wandel.

Eine bessere Rechtsetzung – auch das hat die Frau Bundeskanzlerin heute Morgen erklärt – ist uns allen ein wichtiges Anliegen. Hier liegt beachtliches Potenzial zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Dementsprechend ist Bürokratieabbau ein Schwerpunktthema für die deutsche Präsidentschaft. Wir haben uns vorgenommen, auf der Tagung des Europäischen Rates ehrgeizige Signale zu setzen. Konkret geht es vor allem um Vereinfachung bestehender Gesetze und Überlegungen zur weiteren Verbesserung des Instruments der Folgenabschätzung. Als Gesetzgeber haben Rat und Parlament besondere Verantwortung dafür, dass Vorschläge der Kommission zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften gleichzeitig gründlich geprüft und zügig behandelt werden. Unser Hauptanliegen ist, den Abbau von Bürokratiekosten voranzutreiben, vor allem durch eine klare quantitative Zielvorgabe.

Schließlich wird der Europäische Rat, wie im vergangenen Jahr beschlossen, den umfassenden EU-Aktionsplan Energie annehmen, der den drei grundlegenden Zielen der Union in diesem Bereich verpflichtet ist, und zwar Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und – immer wieder zu unterstreichen – Umweltverträglichkeit. Der Strategische Energiebericht, den die Kommission im Januar vorgestellt hat, zeigt: Nur eine Energiepolitik, die alle drei Eckpunkte dieses Zieldreiecks berücksichtigt, wird den Herausforderungen gerecht, vor denen die Union steht. Deshalb treten wir aktiv ein für ein Bündel von Maßnahmen, die erst zusammen die erwünschte Wirkung entfalten. Zu diesem Paket gehören Maßnahmen, die den Wettbewerb auf dem Energiebinnenmarkt stärken, den erneuerbaren Energien einen größeren Stellenwert geben und der Entwicklung von besseren Energietechnologien und höherer Energieeffizienz dienen. Die Verstärkung der außenpolitischen Komponente der Energiepolitik ist dabei von größter Bedeutung. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen: Europa muss in Energiefragen verstärkt mit einer Stimme sprechen.

In untrennbarem Zusammenhang mit dem Thema Energie steht der Klimaschutz. Angesichts der Jahrhundert-Herausforderung, vor die uns der Klimawandel stellt, sind wir fest entschlossen, auch in diesem Bereich ehrgeizige und zukunftsweisende Beschlüsse einschließlich bezifferter Ziele herbeizuführen. Die von der Kommission vorgelegten Vorschläge, die mit denen zur Energie voll abgestimmt sind, bieten hierfür eine gute Grundlage. Der Europäische Rat muss sich für ein starkes Signal zur Weiterentwicklung des internationalen Klimaschutzregimes nach 2012 einsetzen. Nur wenn die Industrieländer unter Führung der Europäischen Union mit anspruchsvollen Verpflichtungszielen und Maßnahmen vorangehen, wird man auch von den Schwellenländern Bereitschaft erwarten können, angemessene eigene Verpflichtungen zur Begrenzung ihrer stark wachsenden Emissionen zu übernehmen.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Ratspräsident, nicht nur für Ihre Ausführungen, sondern auch dafür, dass Sie nur die Hälfte der Zeit gebraucht haben, die Ihnen zur Verfügung gestanden hätte. Daran sollten wir uns für die Zukunft bei der Reform unserer Parlamentsarbeiten ein Beispiel nehmen. Auch der Rat kann sich beschränken und trotzdem etwas Gutes sagen.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Im März werden sich der Europäischen Union echte Chancen bieten. Erstens wird die EU Gelegenheit haben, sich den Bürgern als eine Union zu präsentieren, die ehrgeizige und klare Beschlüsse zu Themen fasst, die den Bürgern sehr am Herzen liegen. Zweitens sind wir aufgefordert, uns auf eine Erklärung zu einigen, die nicht nur der Errungenschaften der letzten 50 Jahre gedenken, sondern auch aufzeigen wird, was wir künftig tun können. Zwischen diesen beiden Aspekten besteht also ein enger Zusammenhang. Ein erfolgreicher Frühjahrsgipfel dürfte ideale Ausgangsbedingungen für eine ehrgeizige Berliner Erklärung schaffen.

Europa muss handeln. Es gilt, wirksame politische Maßnahmen zu ergreifen, damit es bei der Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen der globalisierten Welt von heute eine Schlüsselrolle spielen kann. Wachstum und Arbeitsplätze, Klimawandel, Energie, – das sind die Themen, mit denen sich die Europäer tagtäglich auseinandersetzen. Wir haben eine echte Chance zu zeigen, was die Europäische Union zu bieten hat – natürlich im Einklang mit dem von uns bekräftigten Engagement für bessere Rechtsetzung.

Ich möchte mich auf den Klimawandel, den Bereich Energie sowie die Agenda für Wachstum und Arbeitsplätze konzentrieren. Vor zwei Wochen hat der UNO-Ausschuss für Klimawandel deutlich, gefasst und unwiderlegbar die Fakten über den Klimawandel veröffentlicht. Das Ziel, den Temperaturanstieg auf 2°C zu begrenzen, ist noch erreichbar, aber es wird knapp! In etwa den nächsten zehn Jahren wird sich entscheiden, ob es uns gelingen wird, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Unsere internationalen Partner, Investoren und die Bürger erwarten von der Europäischen Union, dass sie klar und entschlossen handelt.

Das Problem hat enorme Ausmaße angenommen. Darauf können wir nur mit kühnen Vorhaben reagieren, und das bedeutet praktische politische Vorschläge und verbindliche Ziele. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass sich die Industrieländer zu einer Emissionssenkung um 30 % bis 2020 im Vergleich zum Stand von 1990 verpflichten sollten. Gleichzeitig bezweifelt niemand, dass es notwendig ist, auch die Entwicklungsländer in die weltweiten Anstrengungen zur Senkung von Emissionen einzubeziehen. Es sollte realistisch möglich sein, dass sie den Anstieg ihrer Emissionen zunächst begrenzen und bis 2020 damit beginnen, sie zu reduzieren.

Ich erwarte, dass der Frühjahrsgipfel ein überzeugendes und energisches Signal in Bezug darauf aussenden wird, dass es dringend entschlossener Maßnahmen gegen den Klimawandel bedarf. Die Entschließung zum Klimawandel, die dieses Haus morgen annehmen wird und die sowohl ermutigend als auch sehr beeindruckend ist, enthält eine wichtige und dringende Botschaft, die die Kommission an die Staats- und Regierungschefs weitergeben wird, wenn sich diese im Rahmen des Frühjahrsgipfels mit Klimafragen befassen werden.

Wir müssen aber sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU deutlich machen, dass wir bereit sind, jetzt zu handeln. Deshalb sollte sich der Rat auf seiner Frühjahrstagung auf eine unabhängige und feste EU-Verpflichtung einigen, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 % zu reduzieren. Damit kann die EU demonstrieren, dass sie ihre Verpflichtung ernst meint.

Die Energie ist der Schlüssel zur Emissionssenkung. Dabei geht es jedoch um mehr. Sichere Versorgung, fairere Preise und mehr Wahlmöglichkeiten, all das steht im Mittelpunkt der Sorgen, die sich die Bürger täglich in Bezug auf sich selbst, ihre Familien und künftige Generationen machen. Und auch für die europäische Industrie spielen diese Aspekte natürlich eine entscheidende Rolle. Dabei ist man sich instinktiv bewusst, dass diese Fragen nur auf europäischer Ebene effektiv in Angriff genommen werden können. Damit stellt diese Problematik eine ernste Bewährungsprobe für die Europäische Union selbst dar.

Letzten Monat hat die Kommission dargelegt, wie sie sich die Gestaltung der europäischen Energiepolitik der Zukunft vorstellt, und ich begrüße nachdrücklich die unterstützende Haltung des Parlaments in dieser Sache. Wichtig ist, dass sich die Europäer immer dann, wenn wir vor langfristigen Herausforderungen stehen, darauf verlassen können, dass ihre demokratisch gewählten Vertreter erläutern, weshalb Reformen notwendig sind, dass sie kurzfristige Änderungen in langfristige Zweckzusammenhänge stellen, dass sie uns davon überzeugen, dass jeder von uns etwas tun kann, indem wir uns beispielsweise um eine effizientere Nutzung von Energie bemühen.

Die umfassende Entschließung, die Sie am 14. Dezember des vergangenen Jahres angenommen haben, widerspiegelt die wesentliche Rolle, die das Parlament in diesem Zusammenhang spielt. Deshalb kommt es jetzt auf den Ehrgeiz und das Engagement des Europäischen Rates an. Wir können Entscheidungen nicht länger aufschieben. Europa muss auf das Unmissverständlichste deutlich machen, dass es entschlossen ist, in den nächsten Jahrzehnten grundlegende Veränderungen im Bereich der Energie in Europa herbeizuführen. Die Investoren sind bereit, sich in großem Umfang zu engagieren, aber sie brauchen ein deutlicheres Signal. Das bedeutet entschlossene Aktionen auf dem Binnenmarkt. Es bedeutet reale Schritte zur Gewährleistung der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Das bedeutet, dass wir der Forschung in diesem Bereich Vorrang einräumen, sie beispielsweise zum ersten Ziel des Europäischen Technologieinstituts erklären. Das bedeutet ein präzises, ehrgeiziges und vor allem verbindliches Ziel im Hinblick auf eine durchgängige Einbeziehung von erneuerbaren Energien bis 2020.

Gibt der europäische Rat klar grünes Licht, dann kann die Kommission in diesem Jahr eine Vielzahl konkreter Legislativmaßnahmen vorschlagen. Klimawandel und Energie sind integraler Bestandteil einer umfangreicheren Problematik, auf die sich der Frühjahrsgipfel konzentrieren wird, und zwar die Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Derzeit werden konkrete Schritte eingeleitet, um stärker in die Innovation zu investieren, um neuen und wachsenden Unternehmen das Leben zu erleichtern, um den Bürgern zu helfen, sich auf Veränderungen einzustellen. Bekanntlich zeichnet sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ab, und Europa hat bewiesen, dass es sich der Herausforderung der Globalisierung stellt, aber diese ersten Schritte müssen jetzt an Tempo zulegen. Jetzt gilt es, diesen Konsens in Bezug auf den Wandel in allen Teilen Europas und in allen Sektoren in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Wenn unsere Werte und unsere Lebensqualität in dieser sich rasant verändernden Welt gedeihen sollen, dann müssen wir unsere Volkswirtschaften und unsere Gesellschaften dringend modernisieren.

Auf dem Frühjahrsgipfel muss deutlich werden, dass wir die Reformen auf allen Ebenen in Übereinstimmung mit dem jährlichen Fortschrittsbericht der Kommission zur Lissabon-Strategie einschließlich der länderspezifischen Empfehlungen vorantreiben werden.

Die Kommission begrüßt nachdrücklich die Unterstützung des Parlaments in diesem Punkt. Sie verweisen in Ihrer Entschließung auf einige hoch aktuelle Bezugspunkte, anhand derer die Glaubwürdigkeit bestimmter Maßnahmen eingeschätzt werden wird. Dazu zählen beispielsweise die Gewährleistung einer Anlaufzeit für Unternehmensneugründungen von maximal einer Woche und ein preiswerterer Schutz geistiger Eigentumsrechte.

Wir müssen auf Tempo drücken, wenn wir die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels verhindern, das globale Ungleichgewicht zwischen Energieangebot und -nachfrage überwinden und für eine reale Modernisierung sorgen wollen. Es ist an der Zeit, all unser Wissen in den Dienst dieser Ziele zu stellen. George Bernard Shaw sagte einst, dass wir nicht durch die Erinnerung an die Vergangenheit weise werden, sondern durch die Verantwortung für unsere Zukunft. Zu einer Zeit, da wir das fünfzigjährige Bestehen der Europäischen Union feiern, ist es klug, sich dies ins Gedächtnis zu rufen.

Mit kühnen, ehrgeizigen und langfristigen Beschlüssen wird der Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates dafür sorgen, dass die Europäische Union echte Antworten auf diese immens dringlichen Fragen finden kann.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Frau Vizepräsidentin, und zwar vor allem, weil Sie Ihre Redezeit nicht ausgeschöpft haben. Präsidentschaft und Kommission gehen hier mit sehr gutem Beispiel voran.

 
  
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  Marianne Thyssen, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Jede Generation hat die Pflicht und die Verantwortung, ihren Teil zum Fortschritt beizutragen. Auch die unsrige steht vor einer Herausforderung, nämlich der Globalisierung. Wir leben in einer sich rasch verändernden, sich öffnenden Welt. In der Europäischen Union müssen wir einem weltweiten, bisweilen aggressiven Wettbewerb die Stirn bieten, und dies mit einer überalternden Bevölkerung und vor dem Hintergrund der globalen Klimaerwärmung.

Dieser Wettbewerb wird nicht nur auf der Angebotsseite unseres Marktes immer härter, sondern auch auf der Nachfrageseite des Marktes für Rohstoffe und Energie. Wir könnten ihn ignorieren, wir könnten uns ihm passiv unterwerfen oder wir könnten uns darauf vorbereiten. Wenn wir jedoch den Kindern von heute eine Perspektive für Lebensqualität und einen guten Arbeitsplatz geben wollen, gibt es nur eine Antwort: Wir müssen gewährleisten, dass wir wettbewerbsfähig sind. Wettbewerbsfähig zu sein bedeutet nicht, blind dem Druck der Globalisierung nachzugeben. Es bedeutet jedoch, dass wir uns der geeigneten Mittel bemächtigen, um dem, was uns teuer ist, insbesondere unserem europäischen Sozialmodell und den Werten, auf denen unsere Lebensweise und unsere Gesellschaft basieren, eine Zukunft zu sichern. Um wettbewerbsfähig zu sein, benötigen wir eine mutige Vision, eine Strategie und Menschen sowie finanzielle Mittel. Die Vision ist vorhanden. Wir haben die Lissabon-Strategie mit der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung, und wir als Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten haben uns hierfür stets mit vollem Einsatz engagiert. Wir wissen es auch sehr zu schätzen, dass die Barroso-Kommission so kräftig darum bemüht ist, ebenso wie die deutsche Präsidentschaft, die sich stärker auf die zu verbessernden Schwachpunkte und auf einen seriösen Energieplan konzentrieren will.

Im letzten Kommissionsbericht ist zu lesen, dass sich die wirtschaftlichen Perspektiven im vergangenen Jahr verbessert haben. Wir sollten dieses Moment aufgreifen, um mit umso mehr Energie unsere Ziele zu realisieren, denn es gibt noch viel zu tun, nicht zuletzt von den Mitgliedstaaten, die in den Kommissionsberichten bisweilen in einem etwas zu rosigen Licht dargestellt werden. Im Hinblick auf den Frühjahrsgipfel werden wir morgen über einen Entschließungsantrag abstimmen, über den wir letzte Woche auf einer Sitzung mit den Mitgliedern der nationalen Parlamente einen konstruktiven Meinungsaustausch führen konnten. Dieser Entschließungsantrag bringt auch unsere Prioritäten zum Ausdruck, die von unserem Schattenberichterstatter, Herrn Lehne, weiter ausgeführt werden: Vollendung des Binnenmarktes, nicht zuletzt für den Verbraucher und die KMU, Vereinfachung des Verwaltungswesens, eine Studie über die Auswirkungen des „Goldplating“, mehr Forschung und Innovation, ein neuer Ansatz für die Energiepolitik und die Bekämpfung des Klimawandels, bei dem der Energieversorgung, der Erschwinglichkeit, der Verringerung der Abhängigkeit, der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energiequellen und einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen gebührende Beachtung geschenkt werden soll. All diese Maßnahmen sind nötig, wenn wir unser Ziel von mehr Wachstum und Beschäftigung erreichen wollen. Für die Mehrheit unserer Fraktion gibt es dabei auch Raum für die Atomenergie, wenngleich wir diesbezüglich das Subsidiaritätsprinzip voll respektieren.

Natürlich ist Lissabon mehr, als was ich soeben aufgezählt habe. Am wichtigsten ist die Sorge um das Wohlergehen und die Würde der Menschen sowie um ihren Platz in und ihren Anteil an der Gesellschaft. Daher richtet sich unsere volle Aufmerksamkeit auf Bildung, Fortbildung, lebenslanges Lernen, Bekämpfung des Ausschlusses und eine gut fundierte Migrationspolitik sowie, in der Tat, die Gleichstellung der Geschlechter, denn der Ausstieg talentierter Frauen ist gleichfalls eine Form von Braindrain. Was die Reform des Arbeitsmarktes betrifft, so erwarten wir die Besprechung des Kommissionsdokuments über Flex-security, die Verbindung von Flexibilität und Sicherheit.

Da es bei der Lissabon-Strategie um Menschen geht, muss der Prozess auch von den Menschen unterstützt werden. Solange die europäische Strategie für Wachstum und Beschäftigung von der Öffentlichkeit eher als ein Teil des Problems denn als Weg hin zur Lösung betrachtet wird, gibt es Grund zur Sorge. Erforderlich ist eine stärkere Einbeziehung sowohl der Menschen als auch der bürgerlichen Gesellschaft. Bei früheren Großprojekten, wie seinerzeit Europa „92“ sowie der Einführung des Euro, ist uns dies dank einer groß angelegten, umfassenden Kommunikationsinitiative gelungen. Beim Erweiterungsprozess haben wir, und jedenfalls die Mitgliedstaaten, Chancen verpasst. Ohne eine geeignete Kommunikationsstrategie wird Lissabon nicht hinreichend verstanden, unterstützt oder angemessen umgesetzt, was vielleicht auf mangelnden politischen Mut zurückzuführen ist. Ich richte daher einen eindringlichen Appell an die drei Institutionen, in diese Sache zu investieren sowie, wenn möglich, diesem Punkt in der wichtigen Berliner Erklärung, die zurzeit vorbereitet wird, einen gewissen Platz einzuräumen.

Ich danke den Berichterstattern und dem Schattenberichterstatter für den Entschließungsantrag, dem wir morgen zustimmen werden und den wir in der Arbeitsgruppe mit den 33 unter dem Vorsitz von Herrn Daul vorbereitet haben. Der Entschließungsantrag ist ein wenig lang geworden, da er aber breite Unterstützung erfährt, was auch positiv ist, ermöglicht er uns, eine deutliche Botschaft auszusenden, wohin wir diese Strategie führen wollen.

 
  
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  Robert Goebbels, im Namen der PSE-Fraktion.(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Zu einem Zeitpunkt, da die globalen Probleme zunehmen, sind manche Mitgliedstaaten der Union versucht, dem Nationalismus zu huldigen. Die unbestreitbare Lehre, die sich aus dem derzeitigen Globalisierungsprozess ergibt, besagt aber, dass selbst Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder auch Polen angesichts des vorhersehbaren Aufstiegs einiger großer Nationen relativ hilflos sind.

Jedermann räumt ein, dass der Vertrag von Nizza nicht mehr ausreicht, um ein effizientes Handeln der Union der 27 zu gewährleisten. Aber der Verfassungsvertrag ist blockiert. Nicht nur wegen des Neins der Franzosen und der Niederländer, sondern auch weil einige Regierungschefs es ablehnen, ihren Unterschriften Taten folgen zu lassen. Die Vision Europas lässt sich nicht allein auf den Binnenmarkt reduzieren. Unsere Mitbürger wollen eine sozialere Dimension, ein effizienteres gemeinsames Handeln.

Die europäische Integration begann mit der Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Im vergangenen Jahr rückte China zum weltweit führenden Stahlproduzenten auf. Im Januar unterzeichneten China und Russland 15 Abkommen über die Kooperation im Energiebereich, davon eines über den Bau von zwei Gasleitungen mit einer Kapazität von jeweils 40 Milliarden Kubikmetern.

In diesem Monat treffen sich Indien, China und Russland zu einem trilateralen Forum, um den gegenseitigen Handel zu fördern. Die USA und Russland haben gerade ein Abkommen über gemeinsame Nuklearforschungen unterzeichnet. Chinesen, Japaner, Inder, Russen und Amerikaner arbeiten gemeinsam an der Entwicklung neuer Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels. Und wo bleibt Europa bei alledem? Wir sind von der Solidarität der einstigen EGKS weit entfernt. Wir haben Mühe, eine solidarische, also gemeinsame Energiepolitik zu definieren, während unsere Energieabhängigkeit ständig zunimmt. Wir geben Zielen den Vorrang, die zwar ambitioniert sind, aber für 2020, 2030 oder 2050 gelten, das heißt für die ferne Zukunft.

Bundeskanzlerin Merkel hat uns heute Vormittag daran erinnert, dass die Union für 15 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Nach Angaben von Kommissar Dimas ist unser Anteil im Jahr 2006 auf 14 % gesunken. Diese Abnahme geht jedoch nicht auf eine höhere Effizienz der Europäer zurück, sondern auf eine Zunahme der Emissionen anderer Industrienationen.

So selbstverständlich es ist, dass Europa ein Beispiel geben muss, ist doch nicht weniger selbstverständlich, dass wir die globalen Probleme nicht allein überwinden können. Europa verfügt über gute Karten, um in der globalen Debatte eine Rolle zu spielen. Wir sind nach wie vor die größte Wirtschaftsmacht, die 30 % des weltweiten Bruttoprodukts erzeugt. Mehr als ein Drittel der zweitausend weltweit größten Unternehmen sind europäische Unternehmen, wir sind führend in praktisch allen Bereichen, mit Ausnahme der Digitaltechnik und der Biotechnologien. Um diese Lücke zu schließen, hat der Lissabon-Gipfel eine Strategie definiert. Diese ist nach wie vor aktuell, selbst wenn die Fortschritte enttäuschend langsam sind, vor allem in den Bereichen Forschung und Innovation.

Der bevorstehende Gipfel ist Gelegenheit für einen Neuanfang. Alle Analysen liegen vor, alle Probleme sind bekannt. Jetzt ist die Zeit konkreter Entscheidungen gekommen. Der politische Neustart Europas muss spätestens im Juni erfolgen; das ist zumindest die Ambition der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Die EU erzielte mit 2,7 % 2006 das höchste Wachstum der letzten sechs Jahre, während die Arbeitslosenquote mit 7,9 % den niedrigsten Stand seit 1998 erreichte. Man ist versucht zu sagen: Gut gemacht! Aber diese 2,7 % Wachstum müssen an den 9,5 % in China und Indien gemessen werden, und unsere Arbeitslosenquote von 7,9 % an den knapp 5 % in den USA und 4,1 % in Japan. Ausgehend davon klingt das Lissabonner Ziel, Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln, nicht nur ehrgeizig, sondern unrealistisch. Wir haben den anvisierten Termin schon fallen gelassen. Können wir das Ziel selbst beibehalten?

Nun, wir führen diese Debatte jedes Jahr; einige Mitgliedstaaten ignorieren unsere Ermahnungen stets und ständig. Der Kok-Bericht stellte vor zwei Jahren fest, dass die Ziele von Lissabon an Klarheit eingebüßt haben und die Ergebnisse nicht überzeugend sind. Das hängt damit zusammen, dass einige Mitgliedstaaten versucht haben, sich durchzuwurschteln, anstatt Reformen durchzuführen. Lissabon funktioniert nur dann, wenn europaweit reformiert wird. Solidarität kann nicht bedeuten, dass die Regierungen, die den schweren Reformprozess vollzogen haben, jetzt denjenigen aus der Klemme helfen, die das bisher versäumt haben. In einigen Ländern ist sich nicht einmal die Opposition der Notwendigkeit von Reformen bewusst; sie macht den Bürgern gegenüber Zusagen, die sie nicht halten kann, und ich bin versucht zu sagen:

(FR) Da wäre dringend zu prüfen, ob dies der Realität standhält.

(EN) Eine wissensbasierte Wirtschaft setzt Lernbereitschaft voraus. Wir können in Europa voneinander lernen. Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosigkeit, ein dynamisches Unternehmensumfeld und hohe soziale Standards schließen einander nicht aus – schauen Sie sich nur Dänemark und Finnland an.

Bei der Modernisierung sozialer Schutz- und Leistungssysteme kommt es darauf an, sie flexibler zu gestalten. Die Jugendarbeitslosigkeit ist viel zu hoch, aber unsere Bürger schützen bedeutet nicht, nicht wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu schützen. Mit dem sozialen Sicherheitsnetz sollten nicht bankrott gehende Unternehmen gestützt werden, sondern es sollte den Betroffenen geholfen werden, neue wirtschaftliche Chancen zu nutzen und sich zu reintegrieren.

Meine Fraktion ist außerdem der Ansicht, dass die Investition in grüne Technologien der Schlüssel ist, um den Klimawandel abzubremsen und für mehr Energiesicherheit in Europa zu sorgen. Energie stellt im wahrsten Sinne des Wortes die Triebkraft für unsere Wirtschaft dar, und unsere Energieminister, die in dieser Woche in Brüssel zusammentreffen, müssen sich der Herausforderung stellen und den Mut haben, den Energiesektor zu öffnen und mehr Wettbewerb und Flexibilität zulassen, die über die Trennung von Infrastruktur und Versorgung hinausgehen. Die Schaffung eines wahrhaft europäischen Energiemarktes ist wichtig, aber nicht ausreichend. Wir müssen auch den Energieverbrauch senken, und ich hoffe, dass die Kommission künftig noch ehrgeiziger sein wird als bisher. Wir müssen dem Einzelnen Anreize bieten, damit er seine Gewohnheiten ändert und durch eine entsprechende Nutzung des Steuersystems überlegt einkauft und investiert.

Wir müssen auch mit der ordnungsgemäßen Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften ernst machen; unsere Bürger müssen wissen, was zu tun ist, und die Mitgliedstaaten müssen ihre Versprechen in Bezug auf Wirtschaftsreformen einlösen, damit wir grünes Licht für Lissabon geben können.

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Gloser, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einer der Aspekte, die die Öffentlichkeit am meisten irritieren, ist die Überregulierung in der Europäischen Union. Regeln gibt es nicht nur zu viele, sondern sie sind zudem auch kompliziert und schwer verständlich: Diesem Trend muss Einhalt geboten werden. Die Krümmung von Bananen, den Durchmesser von Erbsen oder die Länge von Kondomen vorzuschreiben und zu glauben, auf diese Weise könne der Markt reguliert werden, bedeutet, dass Sie tausend Meilen vom täglichen Leben der Bürger entfernt sind.

Solche Vorschriften kommen auf den Druck starker Interessengruppen, denen es um den Schutz ihrer persönlichen Geschäfte geht, zustande und werden nicht im Interesse der Bürger verabschiedet. Wo zu viele Vorschriften bestehen, herrscht die Bürokratie und nicht die Politik oder die Wirtschaft, und die Union kann sogar an der Bürokratie untergehen. Die bessere Rechtsetzung muss zu einem Gebot für die Organe werden, und in dieser Frage muss das Parlament als Katalysator wirken. Wir freuen uns, dass die Ratspräsidentschaft auch diesem Punkt Beachtung schenkt.

Wie die heute Morgen in diesem Haus gehaltenen Redebeiträge zeigen, ist es eine bestimmter Flügel der europäischen Linken, der fortwährend neue Rechtsvorschriften fordert, wobei er sich wenig darum schert, inwiefern diese wirklich angewendet werden und anwendbar sind. Nach unserem Verständnis gründet sich eine freie und zusammenhaltende Gesellschaft auf stabile, klare und gemeinsam getragene Regeln und nicht auf eine gigantisch aufgeblähte Bürokratie. Im Interesse von Wachstum und Beschäftigung appellieren wir an den Rat, entschlossener eine Politik einzuschlagen, die auf die Probleme des afrikanischen Kontinents bedacht ist und über die Menschen- sowie die Arbeitnehmerrechte wacht, und zwar sowohl in den Ländern, mit denen wir Handel treiben, als auch innerhalb der Union selbst.

Ohne eine gemeinsame Energiepolitik wird es weder Aufschwung noch Wachstum geben. Wir unterstützen das neue Grünbuch der Kommission im Hinblick auf die erneuerbaren Energieträger und die Verbesserung der Erdgasinfrastruktur durch die Ausrichtung auf LNG-Terminals, wobei dieser Standpunkt auch vom Ratsvorsitz geteilt wird. Daher müssen alle Hindernisse ausgeräumt werden, einschließlich derer, die uns der italienische Umweltminister Pecoraro Scanio in den Weg legt, der in dieser Frage nach wie vor die Positionen Europas ignoriert und dadurch den Fortschritt hemmt. Entwicklung und Umwelt heißen die Herausforderungen, auf die wir reagieren müssen, unter anderem durch die Ratifizierung eines neuen Vertrags, der in unserem Europa mit 27 Mitgliedstaaten neue und andere Zuständigkeitsbereiche für unsere Organe festlegt.

 
  
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  Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Vertreter von Rat und Kommission! Ich möchte zunächst der Kommission gratulieren, dass sie in der Auseinandersetzung um die nationalen Allokationspläne, also den CO2-Handel, hart geblieben ist, und zumindest Deutschland, entgegen allen Ankündigungen, seinen nationalen Allokationsplan korrigiert hat.

Betrübt bin ich darüber, dass der Abschluss im Bezug auf die CO2-Reduktionsziele für Automobile offensichtlich im Rahmen eines größeren Deals nicht so ausgegangen ist, wie die Kommission das angestrebt hat. Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass bei solchen CO2-Deals – wie sie sich jetzt zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission oder dem Rat abspielen – eines ignoriert wird: Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, sind nicht vom Menschen gesetzte Ziele, sondern das Ziel, die Erderwärmung bei 2 Grad zu stoppen, ist ein von der Natur vorgegebenes Ziel.

Wenn wir uns immer wieder über dieses Ziel, auf das man sich schon im Rahmen von Kyoto verständigt hat, in diesen Deals zwischen verschiedenen nationalen Interessen und Industrieinteressen, hinwegsetzen, dann können wir meiner Meinung nach in absehbarer Zeit nicht mehr behaupten, dass wir tatsächlich eine ehrgeizige Klimaschutzpolitik verfolgen.

Für uns Grüne klingen das Energiepaket und die Zielsetzung von 20 % CO2-Reduktion für Europa zwar ambitioniert, entsprechen aber nicht länger der weltweiten Zielsetzung, gegen die globale Erderwärmung etwas zu tun. Wenn wir tatsächlich bei diesen 20 % hängen bleiben, können wir uns endgültig von der Idee verabschieden, die Erderwärmung positiv, also senkend beeinflussen zu können. Wir haben neulich gehört, dass, wenn man bei 20 % bleibt, die Erderwärmung 4 oder 5 Grad betragen würde, d. h. die negativen Klimaprognosen würden dann noch viel schlimmer ausfallen.

Ich kann an dieser Stelle vor dem Energiegipfel in Brüssel nur noch einmal appellieren, dass man mit diesen Deals um die prozentualen Reduktionszahlen aufhört und endlich zumindest das, was die Kommission auf den Tisch gelegt hat, durchführt. Meiner Meinung nach ist der allerwichtigste Teil dieses Energiepakets die Energieeffizienz und die Einsparung, und da bitte ich noch einmal die Kommission, auf das, was im Energieaktionsplan im letzten Herbst – das ist ja noch nicht lange her – hier vorgelegt wurde, zurückzukommen. Hier muss es auch weniger Diskontinuität geben. Man ist damals noch davon ausgegangen, dass es für Europa das richtige Ziel sei, den Energieverbrauch zu senken. Heute ist die Vorstellung im Energiepaket verankert, dass auch Europa weiterhin einen kontinuierlich wachsenden Energieverbrauch hat. Es gibt also viel zu korrigieren.

Ich will noch einen Satz zur Atompolitik sagen, weil ich weiß, dass in vielen Ländern große Hoffnungen darauf gesetzt werden. Ich finde es überfällig, dass europaweit kontrolliert wird, ob die skandalöse Sicherheitskultur, die wir jetzt immer wieder aus dem Atomkraftwerk Forsmark in Schweden berichtet bekommen, ein schwedisches Einzelproblem ist, oder ob nicht im Laufe der Jahrzehnte der Atomenergienutzung dieser Verschleiß der Sicherheitskultur beispielsweise durch Personalabbau, überall ein Problem ist? Ich protestiere jetzt zum dritten Mal dagegen, dass das Thema Forsmark bisher kein Thema auf europäischer Ebene war. Ich sage das an dieser Stelle noch einmal so ausdrücklich, weil ich höre, dass ein neues Euratom-Darlehen für den Bau eines Atomkraftwerkes in Belene gewährt werden soll – da wird hinter den Kulissen verhandelt. Das wäre das erste Mal, dass Atomstroyexport mit europäischem Geld in der Europäischen Union ein Kraftwerk finanziert. Da kann man dann so tun, als gäbe es eine Renaissance der Atomenergie. Tatsächlich glaube ich aber, dass es um diese Industrie sowohl ökonomisch als auch sicherheitstechnisch in Europa sehr schlecht bestellt ist.

 
  
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  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wallström hat darauf hingewiesen, dass der Frühjahrsrat eine gute Vorarbeit für das wenige Tage später stattfindende Berliner Treffen leisten muss. Dem kann ich nur unter zwei Bedingungen zustimmen: Zum einen wäre es erforderlich, dass auf dem Frühjahrsgipfel sehr intensiv über die Berliner Erklärung diskutiert wird. Stattdessen pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass eine ausführliche Debatte zu möglichen Inhalten der Erklärung das Risiko berge, dass sich ein uneinheitliches Meinungsbild manifestiert. Also keine öffentliche Debatte, keine Debatte der Staatschefs? Dann frage ich mich, wer denn an einer so wichtigen Erklärung wie der Berliner Erklärung arbeitet, die immerhin die Zukunft der EU mit begleiten soll.

Zum anderen müssten weitere Fragestellungen auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt werden, wie zum Beispiel: Wie kann ein konsequenter Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung mit einem wirksamen Kampf gegen die globale Erwärmung verbunden werden? Was bedeutet das insbesondere für eine beschäftigungsintensive und zukunftsfähige Energie- und Verkehrswende? Und was müsste geschehen, um endlich eine tatsächlich nachhaltige Lösung beschäftigungspolitischer, sozialer, ökologischer und globaler Probleme einzuleiten?

Diese Fragen werden aber nicht gestellt. Es geht zwar um bessere Regulierung, um Energie und Klimawandel, aber keinesfalls im Sinne des schon längst überfälligen Beginns eines sozialökologischen Umbaus, mit dem die soziale Spaltung und die Klimakatastrophe, von der jetzt jeder redet, wirklich bekämpft werden. Wie schwer sich gerade auch die deutsche Ratspräsidentschaft damit tut, das haben wir vor einigen Tagen gesehen. Frau Harms hat dies ebenfalls schon angesprochen. Dass bessere Regulierung vor allem mehr Marktöffnung bedeutet, hat ja Herr Barroso in der vergangenen Woche – genauso wie die Kommission mit der Mitteilung „Umsetzung der erneuerten Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ – unmissverständlich deutlich gemacht. Von der Marktöffnung sollen Unternehmen und Verbraucher einen Nutzen ziehen. Mehr Marktöffnung bedeutet mehr Konkurrenz und nützt damit immer den Stärkeren und bewirkt, dass die Schwächeren die Verlierer sein werden. Marktöffnung und gewünschter Strukturwandel, von dem immer wieder geredet wird, gehen so nicht zusammen. Dabei muss ich allerdings darauf hinweisen, dass es immer um die Frage geht, wer denn was zu welchem Zeitpunkt will.

Am 1. Februar hat Herr Solana auf der Konferenz der Europäischen Verteidigungsagentur, die im Vorgriff auf eine nicht in Kraft gesetzte Europäische Verfassung geschaffen worden ist, gefordert, für die Rüstungsindustrie Planung und eine gezielte Nachfragepolitik zu betreiben. Das ist aus meiner Sicht in keiner Weise vereinbar mit den Zielen eines Gipfels, bei dem die Frage gestellt werden sollte, was getan werden kann, um nachhaltig Arbeitsplätze zu schaffen, um nachhaltig die Klimaveränderung zu bekämpfen und nachhaltig auch für alle Bürger und Bürgerinnen in der EU Arbeits- und Lebensbedingungen von gleichermaßen hoher Qualität zu schaffen.

 
  
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  Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Oft kommt es in der Politik nicht darauf an, was öffentlich verkündet wird, sondern was im Geheimen hinter den Kulissen passiert, und so ist es auch in diesem Falle beim bevorstehenden Europäischen Gipfel. Der deutsche Staatsminister für Europa, Herr Gloser, mag ja über Nachhaltigkeit und Energiepolitik sprechen – obwohl ich sagen muss, dass ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, wie er, ohne eine Miene zu verziehen, über die bereits gescheiterte Lissabon-Agenda sprechen kann.

Worüber er allerdings nicht spricht, das ist natürlich die Tatsache, dass es auf diesem Gipfel auch um die europäische Verfassung gehen wird. Kanzlerin Merkel hat klipp und klar gesagt, dass sie diese Problematik entschlossen vorantreiben wird. Übrigens finden just in dieser Woche in Berlin Geheimgespräche über die Verfassung statt.

Es ist ein groß angelegtes Täuschungsmanöver im Gange. Sie versuchen, einen Minivertrag zusammenzuschustern, um nur nicht das Wort „Verfassung“ zu benutzen, und damit sollen die Bürger Europas daran gehindert werden, über ihre eigene Zukunft abzustimmen. Man möchte meinen, Sie alle seien von einer höheren Macht berufen und wüssten, was für das gemeine Volk Europas gut ist.

Vielleicht denken Sie, dass ich mir das alles nur ausdenke, aber erst letzte Woche sagte Präsident Barroso, dass er als Premierminister für eine Volksabstimmung über die Verfassung gewesen sei. Inzwischen ist er in Brüssel, wo man ihm eindeutig etwas in seinen Drink getan hat, denn jetzt sagt er: „Meinen Sie, dass es die Europäische Gemeinschaft oder den Euro gäbe, wenn dazu Volksabstimmungen stattgefunden hätten?“ Ich denke, wir kennen die Antwort, und die Antwort lautet „Nein“. Indem er es wagt, so etwas zu sagen, stellt Herr Barroso das europäische Projekt bloß. Er demonstriert vollkommene Verachtung für die Menschen in Frankreich und den Niederlanden, die die Verfassung abgelehnt haben, und, was noch schlimmer ist, er demonstriert vollkommene Verachtung für den demokratischen Prozess selbst. Wenn Sie die Verfassung erbarmungslos vorantreiben, wenn Sie die Völker Europas weiterhin ihrer Mitbestimmung berauben, dann sorgen Sie dafür, dass Ihre Kinder einmal vor riesigen Problemen stehen werden.

 
  
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  Andreas Mölzer, im Namen der ITS-Fraktion. – Herr Präsident! Erlauben Sie mir anlässlich des kommenden Europäischen Rates einige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema Liberalisierung und zur Energiepolitik.

Um die Maastricht-Kriterien und die Lissabon-Strategie zu erfüllen, wird meines Erachtens staatliches Familiensilber verscherbelt — die Bürger müssen den Gürtel enger schnallen, sie werden aus dem öffentlichen Dienst allzu häufig in Arbeitslosigkeit und Frühpensionierung getrieben und müssen dann um ihre soziale Absicherung zittern. Versprechungen, dass alles kostengünstiger, effektiver, flexibler werde, können durch diese Liberalisierungen gar nicht eingehalten werden. Öffentliche Infrastrukturen zeichnen sich ja nun einmal durch lange Amortisationszeiten und geringe Renditen aus.

Privaten geht es jedoch zumeist ums schnelle Geld, und die Folgen kennen wir alle. Etwa, dass die Unpünktlichkeit und aufgelassene Bahnstrecken uns zwingen, aufs Auto zurückzugreifen. Dank der Postliberalisierung dürfen wir nun in neue Brieffächer investieren und in langen Wegen zu Postämtern pilgern und landen dann in der Steinzeit sittenwidriger Arbeitsbedingungen. Aktienspekulationen verteuern den Strom, und irgendwann werden wir uns möglicherweise unser eigenes Wasser nicht mehr leisten können, weil es dafür im Ausland mehr zu kassieren gibt. Noch gefährlicher ist allerdings die Vision ausländischer Arbeitskräfte und Asylanten, die der Kinderlosigkeit Paroli bieten und für unsere soziale Absicherung sorgen sollen. Damit würde die Lunte an einem Pulverfass gezündet, erste Explosionen nähern sich bereits.

Wir müssen also umdenken, eine kompetente Familien- und Geburtenpolitik betreiben, mehr in die Ausbildung investieren und unsere Wirtschaftszweige sowie die heimische Agrarproduktion mit einem vernünftigen Maß an Protektionismus fördern, um unsere Bürger vor EU-geförderten Standortverlagerungen zu schützen. Es kann meines Erachtens auch nicht Zweck der Öko-Energie sein, dass Atomstrom zu ihrer Erzeugung herangezogen wird, oder dass Bio-Sprit, wie etwa in Mexiko, zu Lebensmittelknappheit führt. Da gilt es, nach neuen Technologien zu forschen bzw. den Einsatz anderer, wirklich umweltverträglicher Energieerzeugungsarten zu forcieren.

 
  
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  Jana Bobošíková, (NI) – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die wahren Kosten des Handelskriegs, der unter dem Deckmantel der „globalen Erwärmung“ tobt, werden sich meiner Ansicht nach bald offenbaren. Der Rat ist eindeutig im Begriff, die modischen pseudowissenschaftlichen Behauptungen, dass wir den Planeten nur retten werden, wenn wir die CO2-Emissionen erheblich senken, bereitwillig zu übernehmen.

Wenn wir zulassen, uns den Glauben einreden zu lassen, dass wir die natürlichen Klimazyklen unseres Planeten beeinflussen können, indem wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie opfern, werden wir nicht das Richtige für den Planeten tun. Wir werden lediglich den wirtschaftlichen Interessen derjenigen Investoren und Länder nachgeben, die Oxiden und Protokollen keine Beachtung schenken. Die Verschmutzung, die wir durch unsere Opfer verhindern, wird durch deren CO2-Produktion mehr als wettgemacht. Ich bin daher ausgesprochen enttäuscht, dass der Ausgangspunkt der Energieverhandlungen des Rats die Bekämpfung des Klimawandels ist.

Ich denke, dass sowohl unsere Bürger als auch unsere Wirtschaft mehr am Energiepreis und insbesondere an der sicheren, ununterbrochenen Energieversorgung interessiert sind. Ich würde daher den Fokus auf die Liberalisierung des Energiemarktes legen, was massive Preissteigerungen verhindern wird. Die Präsidentschaft sollte einen geeigneten Vorschlag unterbreiten, wie dauerhafte Energielieferungen aus Russland in die gesamte EU und nicht nur nach Deutschland gewährleistet werden können. Ferner müssen wir in die Entwicklung neuer Energiequellen investieren, insbesondere in die Kernenergie. Wenn wir dies versäumen, werden die hohen Energiekosten der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft irreparablen Schaden zufügen.

Wie kommen Arbeitslose mit den astronomischen Kosten für Elektrizität zurecht? Ich könnte sie zum Sitz des Rats in Brüssel schicken, aber ich denke nicht, dass dies helfen würde. Vielen Dank.

 
  
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  Klaus-Heiner Lehne (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich erst einmal ein kurzes Resümee dessen machen, was wir erreicht haben. Ich erinnere daran, dass die Kommission vor etwa zweieinhalb Jahren eine neue Initiative startete und nach dem Bericht Kok sagte: Wir müssen die Lissabon-Strategie wieder neu auf die Beine stellen. Wir wollen, dass diese Strategie, die in der ersten Hälfte des Jahrzehnts im Grunde nur ein politisches Ziel ohne Verwirklichungschance gewesen ist, zumindest in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts endlich ihrem Ziel näher kommt. Ich behaupte: Das ist gelungen. Zwar hat der Begriff Lissabon noch nicht den gleichen Klang wie der Begriff Kyoto. Aber es gibt inzwischen aus jedem Mitgliedstaat nationale Pläne. Wir haben hier im Parlament eine Struktur gefunden, wie wir uns mit der Lissabon-Strategie befassen, wie wir versuchen, sie voranzubringen. Auch die Kommission hat hier neue Prioritäten gesetzt. Wir haben hier im Hause interparlamentarische Konferenzen gehabt, an denen eine immer größere Zahl von Vertretern aus den Parlamenten teilnahm. All dies zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass es gelungen ist, die Strategie wiederzubeleben.

Zweitens: Es ist uns gelungen, deutlich zu machen, dass es zwar drei Pfeiler der Lissabon-Strategie gibt, dass aber Wachstum und Beschäftigung Voraussetzung dafür sind, dass wir auch eine vernünftige Umwelt- und Sozialpolitik betreiben können. Wir haben gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Lissabon-Strategie auch die europäische Antwort auf die Globalisierung ist.

Wir werden in der Entschließung – die Themen werden dieses Jahr naturgemäß andere sein als in den zurückliegenden Jahren – deutlich machen, dass es eine Reihe von Binnenmarktdefiziten gibt, die abgebaut werden müssen. Ich will aus der Vielzahl nur auf zwei hinweisen: Einmal fehlt nach wie vor eine Weiterentwicklung des europäischen Patentrechtes. Hier erwarten wir Initiativen der Kommission. Bereits jetzt liegt eine Initiative der Kommission zur Liberalisierung des Warenverkehrs im Binnenmarkt – ebenfalls ein ganz entscheidender Punkt – vor.

Schwerpunkt des Gipfels und der Aktivitäten der Kommission, aber auch des Parlaments, wird die Energiepolitik sein. Ich erinnere an das letzte Jahr. Damals waren die Staats- und Regierungschefs noch nicht davon zu überzeugen, dass Energiepolitik wirklich einen europäischen Anspruch hat und dass wir eine europäische Herangehensweise an dieses Thema brauchen. Damals war man noch der Meinung, man könne dies national regeln. Das hat sich geändert. Wenn dieses Mal auf dem Gipfel über Energiepolitik gesprochen wird, dann gehen alle davon aus, dass hier eine europäische Aufgabenstellung vorliegt.

Wir haben in dem vorliegenden Entschließungsantrag deutlich gemacht, dass natürlich so weit wie möglich erneuerbare Energien gefordert werden müssen. Wir haben aber auch klar gesagt, welche Bedeutung die Kernkraft nach wie vor hat und auch angesichts der CO2-Problematik in Zukunft haben muss. Wir haben das ganze Problem der CO2-Emissionen auch in dieser Entschließung angesprochen. Es wird natürlich in der parallel anstehenden Klimaentschließung ebenfalls und noch wesentlich intensiver diskutiert werden. Wir haben uns ganz ehrgeizige Ziele im Hinblick auf Energieeffizienz gesetzt. In der Tat denke ich – das haben die Zahlen schon gezeigt –, dass bei einem Anteil von 30 % am Weltbruttosozialprodukt, aber nur 15 % an den Emissionen, das schon ein Zeichen dafür ist, dass Europa in Sachen Energieeffizienz führend ist. Aber wir können noch weit mehr erreichen und ein Vorbild für die Welt sein.

Wir müssen außerdem – das wurde auch angesprochen – noch den Energiebinnenmarkt verwirklichen. Wir wissen, dass nach wie vor eine Struktur von Oligopolen und Monopolen besteht und dass lediglich in einem Teil der Europäischen Union von einem wirklichen Binnenmarkt die Rede sein kann, aber in weiten Teilen der EU echte Defizite bestehen.

Lassen Sie mich noch den Aspekt „bessere Rechtsetzung“ ansprechen. Auch hier ist viel erreicht worden. Ich erinnere an die interinstitutionelle Vereinbarung von Dezember 2003. Das war sicherlich ein Durchbruch, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Nach wie vor ist die Kommission nicht dem Wunsch des Parlaments – der in mehr als einem halben Dutzend Entschließungen zum Ausdruck gebracht wurde – nach einer unabhängigen Gesetzesfolgenabschätzung nachgekommen. Aber wir bestehen darauf! Wenn die Kommission nicht bald aktiv wird, werden wir uns andere Mittel und Wege einfallen lassen, um dies selbst zu machen.

Was meines Erachtens jetzt auch wichtig ist, ist, ein vernünftiges Benchmarking, dass wir die Berichte aus den Mitgliedstaaten überprüfen und dazu sagen, was wir für nötig erachten, um durch dieses Benchmarking zu erreichen, dass die Ziele der Lissabon-Strategie noch besser verwirklicht werden können als in der Vergangenheit.

 
  
  

VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Herr Präsident! Schon mehrmals ist die Verfassung erwähnt worden. Die Verfassung hat vorgesehen, dass Europa energiepolitisch eine stärkere Kompetenz bekommt. Nun, wir haben die Verfassung noch nicht, daher müssen wir uns auf andere Weise darum bemühen, diese stärkere energiepolitische Kompetenz zu bekommen, insbesondere — und Minister Gloser hat das auch erwähnt — auf der außenpolitischen Seite.

Wie sollen wir denn mit Russland zu einem vernünftigen, gleichgewichtigen Verhältnis kommen, wenn die Europäische Union hier nicht mit einer stärkeren, einheitlichen Stimme spricht? Russland wäre es viel lieber, mit den einzelnen Ländern zu verhandeln und sie gegeneinander auszuspielen. Aber unsere Forderung — gerade auch für den Gipfel — besteht darin, klarzumachen, dass es in diesem Verhältnis zu Russland nur eine europäische Stimme gibt. Und wenn Russland sich beschwert, dass es nicht vollen Zugang zum Markt hat, was sollen dann wir von europäischer Seite erst machen? Daher ist ein gleichgewichtiges Verhältnis mit Russland wichtig.

Zweitens: Wir müssen diversifizieren. Wir müssen an andere Quellen herankommen. Wo? Insbesondere im Kaukasus und in Mittelasien. Wenn man sieht, wie die Vereinigten Staaten von Amerika — bei all ihrem Bekenntnis zum Markt — durchgesetzt haben, eine Öl-Pipeline von Baku über Tiflis nach Ceyhan in der Türkei zu bauen — wobei dies als ein wichtiges politisches Projekt galt und die privaten Investoren entsprechend dazu motiviert wurden —; wenn ich dann sehe, wie schwach und wie schwierig sich das in der Europäischen Union gestaltet — man nehme nur die Nabucco-Pipeline für die Gasversorgung Europas als Beispiel, dann ist auch hier zu fordern, dass diese Europäische Union wirklich stark auftritt und mit einer Stimme spricht. Viele dieser Punkte hat Robert Goebbels schon erwähnt. Daher bitte ich wirklich, all dies bei diesem Gipfel klarzumachen.

Wenn wir der Meinung sind, wir müssen diversifizieren, wenn wir der Meinung sind, wir brauchen neue, zusätzliche Leitungen, dann müssen wir das klar und deutlich sagen. Dann wird auch Russland kommen und versuchen, sich zu beteiligen oder mit uns ins Geschäft zu kommen. Wenn wir auf den internationalen Märkten nicht klar und deutlich als Europa auftreten, werden wir nicht das tun können, was wir für unsere Leute tun müssen, nämlich für eine Sicherheit der Energieversorgung in Europa zu sorgen.

 
  
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  Alexander Lambsdorff (ALDE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament wird morgen eine Entschließung verabschieden, in der wir eine Reihe von Forderungen an den Rat stellen. Als Berichterstatter möchte ich an dieser Stelle meinem Ko-Berichterstatter, Steven Hughes von der PSE-Fraktion, für die stets konstruktive, gute und faire Zusammenarbeit danken. Er wird Ihnen gleich die Teile der Entschließung vorstellen, die sich mit der Beschäftigung und den Zielen von Better Regulation beschäftigen. Ich werde mich daher auf die Erwartungen des Europäischen Parlaments im Bereich der Energiepolitik beschränken.

Die wichtigste Erwartung, die das Parlament an den Rat stellt, ist ganz klar. Wir wollen eine starke, gemeinsame Energiepolitik für Europa. Es ist vordringlichste Aufgabe der Staats- und Regierungschefs, auf dem Frühjahrsgipfel wirkliche Ergebnisse zu erzielen. Hieran werden wir Erfolg oder Misserfolg dieser Ratstagung messen.

Ein funktionierender Binnenmarkt für Energie ist kein Selbstzweck. Erstens gehört der Energiebinnenmarkt zum Europa der Projekte. Wir wollen eine Europäische Union, die Ergebnisse liefert. Wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen können, dass ihre stets steigenden Gas- und Stromrechnungen aufgrund europäischer Politik wieder auf ein erträgliches Niveau zurückgeführt werden, dann ist das gut für Europa. Die jüngsten Untersuchungen zum europäischen Energiemarkt haben es wieder deutlich gemacht, dass wir meilenweit von einem funktionierenden Binnenmarkt für Energie entfernt sind. Kollege Lehne hat das eben auch angesprochen. Ein solches Ergebnis ist – fast ein Jahrzehnt nach den ersten Initiativen für die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes – mehr als enttäuschend. Wir brauchen also erstens den Energiebinnenmarkt für unsere Bürger.

Der zweite Grund, warum ein funktionierender Energiebinnenmarkt wichtig ist, ist die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, vor allem im produzierenden Gewerbe. Kein Unternehmen soll für die Energiemenge, die es verbraucht, mehr bezahlen, als fair und angemessen ist. Das sind wir unseren Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesen Unternehmen schuldig. Damit erreichen wir das Ziel der Strategie von Lissabon, nämlich die Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit nach innen und nach außen. Wir brauchen den Energiebinnenmarkt also zweitens für Europa und seine Wettbewerbsfähigkeit.

Der dritte Grund: In einem Markt mit funktionierenden Preissignalen wird Energie effektiv genutzt, werden Alternativen entwickelt, wird gespart. Es stimmt, manchmal bedarf es hierbei politischer Vorgaben, damit neue Wege erschlossen werden. Das tun wir mit unserem Bericht, um, so hoffen wir, mit europäischer Energiepolitik die Ziele beim Klimaschutz zu erreichen, hierüber besteht in diesem Haus Konsens. Wir brauchen die gemeinsame Energiepolitik also drittens auch für ein Europa, das sich seiner globalen Verantwortung stellt.

Deswegen wird das Europäische Parlament morgen eine Entschließung verabschieden, und ich will Ihnen hier eine Auswahl der wichtigsten Punkte im Einzelnen geben. Erstens, die Netze zur Verteilung von Strom und Gas sollen wirtschaftlich unabhängig von der Energieproduktion geführt und verwaltet werden, um das jahrzehntelange Marktversagen im Strom- und Gasmarkt zu beenden.

Zweitens, erneuerbare Energie trägt zu einer größeren Energieversorgungssicherheit bei. Wir fordern daher, den Anteil der erneuerbaren Energieträger bis zum Jahr 2040 auf 50% zu erhöhen. Das Europäische Parlament bekennt sich zu ambitionierten Zielen im Bereich der Energieforschung, und zwar in allen Bereichen: konventionell, erneuerbar und nuklear. Europa hat hier in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle, diese muss gefestigt und ausgebaut werden, damit wir eine wissensbasierte Wirtschaftsordnung bekommen. Das Europäische Parlament folgt den Kommissionsvorschlägen zu Energieeffizienz und dem Einsparziel von 20% bis zum Jahr 2020.

Wir wollen einen Fahrplan, um die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 30% zu reduzieren. Wir treten auch für eine Reform des Emissionshandelssystems ein, und das Europäische Parlament fordert zu einer verstärkten Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten in Energiekrisen auf.

Einigkeit über alle Fraktionsgrenzen hinweg besteht in Bezug auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energieaußenpolitik. Energiefragen müssen zu einem festen Bestandteil der außenpolitischen Beziehungen der Europäischen Union werden. Herr Ratspräsident, ich habe mich gefreut, Sie sagen zu hören, dass Europa hier mit einer Stimme sprechen muss. Das sehen wir ganz genau so.

Der Zusammenhalt in Europa ist Voraussetzung für unsere Glaubwürdigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, so hat es Kommissionspräsident Barroso heute Morgen formuliert. Dem stimmen wir zu. Diesen europäischen Herausforderungen müssen sich Kommission, Rat und die Mitglieder dieses Hauses gleichermaßen stellen. Nur so können wir unserer Verantwortung gerecht werden, den Bürgern Europas Ergebnisse zu liefern, oder – wie es der Präsident dieses Hauses heute Morgen formulierte – für unseren Kontinent Erfolg haben und den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union dienen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir diese Debatte in Brüssel führen sollten und nicht in Straßburg.

 
  
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  Guntars Krasts (UEN). – (LV) Die Tagesordnung für den Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates ist derzeit definitiv das wichtigste Thema in der Europäischen Union insgesamt wie auch in jedem einzelnen Mitgliedstaat. Die im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie sowie der Energie- und Klimapolitik vorgeschlagenen Aufgaben sind ehrgeizig, aber ihre Umsetzung wird Realitätssinn erfordern. Wir wissen im Wesentlichen, was getan werden muss, um die vorgeschlagenen Ziele zu erreichen, aber die Tatsache, dass zwischen den durchzuführenden Reformen in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht eine Wechselwirkung besteht, erschwert die Umsetzung der Aufgaben ganz erheblich. Noch komplizierter wird die Lage dadurch, dass die Mitgliedstaaten bezüglich Tempo und Qualität der Reformen voneinander abhängig sind. Davon konnten wir uns erst unlängst im Rahmen der schwierigen Diskussionen über die Dienstleistungsrichtlinie überzeugen, die als einer der Eckpfeiler der Lissabon-Strategie gedacht war. Jetzt stehen neue Prüfungen bevor, bei denen sich erweisen wird, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, am Reformtempo festzuhalten. Eine dieser Prüfungen ist die Liberalisierung des europäischen Energiemarktes. Ein liberalisierter Energiemarkt ist Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes insgesamt, für Unabhängigkeit im Bereich Energie, langfristige Stabilität und die Integration der neuen Mitgliedstaaten in den Binnenmarkt für Strom und Gas. Eine der zentralen Aufgaben dieser Tagung des Europäischen Rates wird darin bestehen, einen von Konsens geprägten Ansatz im Verständnis der Mitgliedstaaten in Bezug auf eine einheitliche europäische Energiepolitik zu finden. Die Energiepolitik muss sich baldmöglichst zu einem Bestandteil der Sicherheitspolitik der Europäischen Union entwickeln. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, sich auf eine gemeinsame Strategie im Bereich der Versorgungs- und Transitstrecken zu einigen. Die Einrichtung eines dauerhaften Dialogs zwischen den Energie verbrauchenden Staaten und den Lieferstaaten duldet ebenfalls keinen Aufschub, denn nur so kann eine Zunahme des globalen Ungleichgewichts und die Herausbildung einer instabilen Lage verhindert werden. Was Russland als den wichtigsten Gaslieferanten Europas angeht, so müssen wir dafür sorgen, dass es das Transitprotokoll und den Vertrag über die Energiecharta ratifiziert. Des Weiteren dürfen wir nicht zulassen, dass die Ansichten der Kommission und der Mitgliedstaaten in dieser Frage voneinander abweichen. Ich hoffe, dass der Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates dazu beitragen wird, allen Beteiligten bewusst zu machen, dass sowohl bezüglich der Aufgaben als auch der Fortschritte der einzelnen Mitgliedstaaten wie auch der Europäischen Union insgesamt eine gegenseitige Abhängigkeit besteht. Vielen Dank.

 
  
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  Pierre Jonckheer (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Für die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz ist vollkommen klar, wie meine Kollegin Harms darlegte, dass der Europäische Rat im März hauptsächlich der Energiefrage gewidmet sein wird und dass wir diesbezüglich einige Forderungen haben. Lassen Sie mich meinerseits einen anderen Punkt ansprechen, der die Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Steuerpolitik in Europa betrifft.

Hier zwei Beispiele. In Belgien werden im Volkswagenwerk Forest nicht 4 000, sondern 3 000 Arbeitsplätze abgebaut, und die verbleibenden Arbeitnehmer werden für das gleiche Geld von der 35-Stunden-Woche zur 38-Stunden-Woche übergehen, und zudem wird ihnen größere Flexibilität abverlangt. Nach Auffassung der Konzernleitung wird das Werk unter diesen Bedingungen zu den leistungsfähigsten in Europa gehören und die Kriterien einer gelungenen Lissabon-Strategie erfüllen. Das zweite Beispiel bezieht sich auf die Beschäftigten im französischen Privatsektor, von denen die Hälfte weniger als 1 400 Euro monatlich verdient, wie uns Frau Royal am Sonntag in Erinnerung rief.

Das sind Fakten, die das europäische Sozialmodell schlaglichtartig beleuchten. Viele Wirtschaftsfachleute sehen diese Entwicklung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen als strukturell bedingt an, da sie mit technologischen Innovationen und einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit Tätigkeiten verbunden ist. So wird eine Mehrheit der europäischen Arbeitnehmer in den nächsten Jahren einem zunehmenden Druck ausgesetzt sein. Wie will man auf diese Situation reagieren?

Meiner Meinung nach kann die Europäische Union Abhilfe schaffen. Sie kann helfen, indem sie dem absoluten Skandal ein Ende setzt, der darin besteht, dass ein begüterter Bürger sich von Monaco über Liechtenstein nach Belgien begeben kann, um dem Steuersystem und damit der progressiven Besteuerung zu entgehen.

Ich meine auch, die Europäische Union sollte sich gemäß ihrer Verpflichtung im Rahmen der G8 und der OECD für eine entschlossene Politik zur Beseitigung der Steuerparadiese entscheiden, die es weltweit gibt und die den Finanzkapitalismus funktionsfähig halten.

Des Weiteren meine ich, wenn Frau Merkel und Frau Royal dem von ihnen im Zusammenhang mit der Änderung des Entwurfs des Verfassungsvertrags angekündigten Sozialprotokoll einen konkreten Inhalt geben wollen, dann müsste die Europäische Union sich mit den Mitteln ausstatten, um endlich eine Mindestbesteuerung der Unternehmen in der Europäischen Union einzuführen, was voraussetzt, wenn die Einstimmigkeitsregel beibehalten werden soll, dass eine Gruppe von Ländern sich entschließen muss, die Vorreiterrolle zu übernehmen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) In dieser Aussprache über den Beitrag zur nächsten Frühjahrstagung des Rates, auf dem die Umsetzung der im Jahr 2000 beschlossenen, so genannten Lissabon-Strategie bewertet werden soll, sollten wir uns daran erinnern, was in diesen sieben Jahren in Bezug auf die damals verkündeten Zielvorgaben und Herausforderungen, nämlich Vollbeschäftigung, Verringerung der Armut, Infrastrukturausbau und Instrumente zur Unterstützung der Kinder und zur Förderung der Gleichberechtigung der Frauen sowie in Bezug auf die so sehr gepriesene weltweit fortgeschrittenste wissensbasierte Wirtschaft, die im Jahr 2010 erreicht werden soll, geschehen ist.

Richtig ist, dass seit 2000 in der EU ein langsames Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum, ein wachsender Transfer der Produktivitätsgewinne der Beschäftigten an die Unternehmer und eine entsprechende Zuspitzung der sozialen Ungleichheiten zu verzeichnen sind. Daraus resultieren die nach wie vor hohen Arbeitslosenquoten, verbunden mit Armut und sozialer Ausgrenzung von 72 Millionen Menschen, die um ein Vielfaches zunehmende und mit immer weniger Rechten verbundene prekäre Beschäftigung, die wachsenden Probleme mit der Erweiterung, ohne dass aus den Gemeinschaftshaushalten finanziell ausreichend darauf reagiert wird.

Das zeigt, dass unsere Kritik an dieser Strategie mehr als gerechtfertigt ist. Die Umsetzung der Lissabon-Strategie hat nichts weiter als umfassende Liberalisierungen und Privatisierungen in den verschiedensten Sektoren gebracht, angefangen vom Verkehrssektor über den Energie-, Post- und Telekommunikationssektor bis hin zum Dienstleistungssektor, was einherging mit der Gefährdung wichtiger öffentlicher Dienstleistungen. Hinzu kommen nun die Flexibilität der Arbeit und die viel gepriesene „Flexicurity“, um Entlassungen von Arbeitnehmern zu erleichtern.

Deshalb sind wir für eine tiefgreifende Änderung der verfolgten Politik, namentlich der Lissabon-Strategie, des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der Grundzüge der Wirtschaftspolitik, der beschäftigungspolitischen Leitlinien und des Gemeinschaftshaushalts.

Deswegen treten wir in dem von unserer Fraktion zu dieser Aussprache vorgelegten alternativen Entschließungsentwurf dafür ein, dass einem echten Pakt für wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Entwicklung und einer europäischen Strategie für Solidarität und für eine auf mehr Solidarität seitens der entwickeltsten Länder basierenden nachhaltigen Entwicklung mit einer besseren und weiterreichenden Verteilung der Gemeinschaftsfonds Vorrang einzuräumen ist. Ziel sollten der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, die Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen einschließlich der Migranten, die Würde der Arbeitnehmer und die Umsetzung der Menschenrechte vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen und soziale Sicherheit sein, ohne dabei Forschung und Entwicklung aus den Augen zu verlieren.

 
  
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  Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Pierre Moscovici hat gerade ein interessantes Buch geschrieben, in dem er den Verfassungsvertrag für tot erklärt. Er macht deutlich, dass niemand auch nur den kleinsten Vertrag heimlich durchbringen kann, wenn die Stimme des Volkes gesprochen hat. Wir können nicht im Widerspruch zum Vertragsrecht handeln. Die Anzahl allein reicht nicht aus – hier zählt einzig und allein die Souveränität eines Staates.

Die Parodie von Madrid war eine Sackgasse und eine Hohn auf die diplomatischen Regeln. Sie sollten wissen, werte Kolleginnen und Kollegen, dass die Europaabgeordneten, wie ich selbst, keinen Zugang zum Sitzungssaal hatten, während jeder beliebige Beamte ohne weiteres hineinkam. Die Lösung für die Union besteht nicht darin, Madrid noch einmal zu wiederholen, sondern den Geist des Vertrags von Rom wiederzubeleben, das heißt, den Weg einer freien Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten wieder zu beschreiten, die Gemeinschaftspräferenz wiederherzustellen und auf die imperialen Gelüste eines supranationalen Staates zu verzichten, der die Völker stets mundtot machen und ihre Rechte beschneiden wird.

 
  
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  Carl Lang (ITS).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Festlegung ihrer wirtschaftlichen Ziele stützt sich die deutsche Präsidentschaft des Europäischen Rates auf einen Bericht, der einen Rückgang der Arbeitslosigkeit in Europa vermeldet. Dieser Rückgang ist jedoch eher die Folge einer Verringerung der Zahl der Erwerbsfähigen aufgrund der Alterung der Bevölkerung als das Ergebnis einer boomenden Wirtschaft. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von nur 2,6 %, gegenüber 3,6 % in den USA und 10 % in China bleibt das Brüsseler Europa hinter den großen Wirtschaftsmächten der Welt zurück.

Andererseits werden in einigen Mitgliedstaaten die offiziellen Beschäftigungsstatistiken verfälscht. Wenn man beispielsweise in Frankreich zu den 2 Millionen oder mehr offiziellen Arbeitslosen diejenigen hinzuzählt, die in den Ruhestand bzw. den Vorruhestand gezwungen wurden, die sich in Bildungsmaßnahmen befinden oder in geförderten Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, dann steigt die Arbeitslosigkeit auf fast 4,5 Millionen, das heißt auf 18 % der Erwerbsbevölkerung. Mit einem Wachstum im Kriechgang, einem Bevölkerungswachstum unter der Erneuerungsrate und der Auslagerung von Betrieben setzt die Europäische Union leider ihren wirtschaftlichen Niedergang fort.

Wenn die Diagnose also falsch ist, haben die verschriebenen Rezepte, die von der seit zwanzig Jahren praktizierten malthusianischen und antisozialen Politik, inspiriert sind, eine verhängnisvolle Wirkung: Abbau der Handelsschranken, durch den unsere Industrie dem unlauteren Wettbewerb der asiatischen Wirtschaften ausgeliefert wird, Zunahme der bürokratischen Belastungen, jährliche legale Zuwanderung von mehr als einer Million Migranten aus Drittstaaten, Abbau unserer öffentlichen Dienstleistungen, steuerliche Überlastung sowie Kahlschlag in unserer Landwirtschaft unter der Fuchtel der Welthandelsorganisation.

Um unseren Wirtschaften zu neuem Aufschwung und unseren Bürgern zu der wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit zu verhelfen, auf die sie Anspruch haben, müssen wir ein anderes Europa und ein anderes Handelsmodell aufbauen, das sich auf sichere Grenzen, die unsere Unternehmen vor Sozialdumping schützen, auf die Anwendung der Gemeinschaftspräferenz und auf die Achtung der Werte stützt, denen wir die Größe unserer Zivilisation verdanken: Vaterland, Freiheiten, Arbeit, Familie und Sicherheit in all ihren Formen, einschließlich der wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit.

 
  
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  Sergej Kozlík (NI). – (SK) Zwei Tage, bevor die Europäische Kommission die Strategic Energy Review und andere Berichte zum Energiesektor im Januar 2007 offiziell angenommen hat, veröffentlichte Eurobarometer die Ergebnisse einer Erhebung zum Energiesektor. Diese Erhebung zeigt deutlich, dass Energiefragen, ob Klimawandel oder künftige Energieengpässe, von den Bürgern der Europäischen Union nicht als eine Priorität betrachtet werden.

Energiefragen lagen auf der Liste der schwerwiegendsten Probleme, die Europa jetzt angehen sollte, auf dem zwölften Platz und damit weit hinter Arbeitslosigkeit, Verbrechen, Gesundheitswesen oder wirtschaftliche Lage. Es ist beunruhigend, dass die Bürger Europas davon überzeugt sind, die Ursachen der Energieprobleme seien auf Kontinenten und in Ländern außerhalb der Europäischen Union zu finden.

Nahezu ein Viertel der europäischen Bürger räumte ein, nichts zur Senkung ihres Energieverbrauchs zu unternehmen. Die Bevölkerung ist sich nur vage bewusst, dass die Energiepreise langfristig weiter ansteigen werden. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen industriellen Revolution, die sich mit Problemen im Zusammenhang mit Energie und dem Klimawandel wird befassen müssen und uns dabei vor pragmatische Ziele stellen wird, die zugleich unbedingt politischer Natur sind. Wenn unsere Bemühungen erfolgreich sein sollen, müssen wir die breitest mögliche Unterstützung der EU-Bürger bei der Umsetzung dieser Ziele gewährleisten, und die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten nicht länger um den heißen Brei herumreden, sondern stattdessen die offenen Fragen angehen.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Die Tagung des Europäischen Rates in Berlin bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, Bilanz über das Erreichte zu ziehen und deutlich zu machen, was wir in den nächsten Jahren erreichen müssen, und zwar zunächst bis 2009. Meines Erachtens sollten wir in der Berliner Erklärung klarstellen, dass die Probleme und Herausforderungen, vor denen wir stehen, Ausdruck unseres Erfolges und nicht unseres Versagens sind.

Neue Länder bewerben sich wegen dieses Erfolgs um EU-Mitgliedschaft, weil sie gesehen haben, welchen Beitrag die Europäische Union in Bezug auf Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Stabilität leisten kann. Da gibt es die ganze Diskussion über Globalisierung, bei der die europäische Wirtschaft der Hauptakteur ist und uns Möglichkeiten bietet, zusammenzukommen und einen Beitrag zur Globalisierung zu leisten. Dann gibt es da das Problem der Sicherheit und Stabilität auf dem Balkan, wo die Europäische Union Anfang der 90er Jahre nicht sehr viel tun konnte. Heute können wir das, und deshalb haben wir eine entsprechende Verantwortung. Wenn wir versagt hätten, wenn es uns nicht gelungen wäre, die Europäische Union aufzubauen, dann hätte uns niemand gebeten, das Problem zu lösen. Aber jetzt sind wir dazu in der Lage, und folglich tragen wir auch Verantwortung.

Das gilt auch für die Diskussion über den Klimawandel, denn wir zählen sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht zu den führenden Akteuren weltweit. Wir können – mehr als jeder andere – einen Beitrag zur Debatte über die Verringerung des Treibhauseffektes leisten, und deshalb müssen wir das tun, aber dabei müssen wir klug vorgehen und die sich für Wachstum, Investitionen und Hochtechnologien bietenden Möglichkeiten nutzen, denn andernfalls werden wir nicht in der Lage sein, die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen zu bewältigen.

Diese Herausforderung hat zwei Seiten. Einerseits müssen wir die Treibhausgase reduzieren, aber gleichzeitig müssen wir für eine stabile und florierende Wirtschaft sorgen, die uns in die Lage versetzt, die Aufgaben der Zukunft zu meistern.

 
  
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  Stephen Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Mir steht nur wenig Zeit zur Verfügung. Deshalb möchte ich sowohl als Mitberichterstatter zu dieser Thematik als auch als Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten etwas tun, was wir nicht oft genug tun. Ich werde mich auf einige der sozialen Aspekte und der Aspekte des sozialen Zusammenhalts und der Beschäftigung im Rahmen von Lissabon konzentrieren.

Unter der Überschrift „Mehr Arbeitsplätze und Chancen“ unterstreicht unser Entschließungsantrag die Notwendigkeit, das richtige Maß zwischen größerer Flexibilität und mehr Sicherheit – Flexicurity – zu finden. Wir stimmen der Flexibilität für Unternehmen zu, meinen aber auch, dass das erforderliche Maß an Sicherheit für die Arbeitnehmer gewahrt werden muss. Zu viele Millionen unserer Mitbürger sehen in der Flexicurity eine Bedrohung. Wir müssen sie in eine Chance verwandeln.

Wir fordern jene Mitgliedstaaten mit Aufholbedarf nachdrücklich auf, gemeinsam mit den Sozialpartnern ihre Anstrengungen im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine höhere Beschäftigungsquote von Jugendlichen, Frauen und älteren Arbeitnehmern zu verstärken. Insbesondere fordern wir sie auf, dafür zu sorgen, dass jedem Schulabgänger innerhalb von sechs Monaten eine Stelle, Weiterbildungsmöglichkeiten oder andere Maßnahmen zur Förderung seiner Beschäftigungsfähigkeit angeboten werden; für Arbeitslose und vor allem für die am wenigsten qualifizierten Bürger den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu verbessern; stärker in die umfassende und bezahlbare Kinderbetreuung zu investieren; die steuerliche Belastung der Beschäftigung zu verringern; soziale Ausgrenzung und Diskriminierung zu bekämpfen; verstärkt in Bildung, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen zu investieren, um das Qualifikationsniveau in der Union zu erhöhen; die Abstimmung zwischen den Bildungssystemen und den Bedürfnissen der neuen Arbeitsmärkte zu verbessern und Lehrinhalte der unternehmerischen Ausbildung in die Lehrpläne der Schulen aufzunehmen und schließlich älteren Arbeitnehmern den freiwilligen Verbleib im Berufsleben zu ermöglichen und Steuersysteme und Systeme der sozialen Sicherheit so umzugestalten, dass sie ein längeres aktives Arbeitsleben fördern. Diese Ideen sind so alt wie die Lissabon-Strategie selbst. Jetzt geht es darum, dass die Mitgliedstaaten sie in die Tat umsetzen.

Abschließend möchte ich außerdem unterstreichen, dass Rat und Kommission sich bemühen sollten, einen Ausweg aus der derzeitigen Sackgasse im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik zu finden. Der jetzige Lissabonner Policy-Mix weist eine bedenkliche Schlagseite auf. Wenn wir Europa den Menschen wieder näher bringen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Waage zugunsten der Sozial- und Beschäftigungspolitik ausschlägt.

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė (ALDE). – (LT) Vor geraumer Zeit wurde von Wirtschaftswissenschaftlern festgestellt, dass sich die europäische Entwicklung positiv auf die nationale Wirtschaft vor allem der größeren Länder auswirkt. Auslöser dieser positiven Entwicklung ist in erster Linie der Handel, der gegenseitige Handel. Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich derzeit bedauerlicherweise ein Prozess der Zentralisierung vollzieht und dass Entscheidungen, ob nun im Bereich der Energiepolitik oder der Lissabon-Strategie, diesen Zentralisierungsprozess unterstützen. Das könnte dazu führen, dass nichts mehr für den gegenseitigen Handel übrig ist, weil es mehrere globale Handelszentren geben wird.

Meines Erachtens besteht eine der wichtigsten Aufgaben darin, die einheitliche Entwicklung aller Mitgliedstaaten der EU unter Nutzung der Entwicklung wissenschaftlicher Forschungszentren und Energiezentren in den verschiedenen Ländern anzukurbeln, wobei gleichzeitig der europäische Wirtschaftsmotor am Laufen gehalten und versucht werden muss, Maßnahmen zu ergreifen, die die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit unserer Länder weltweit erhöhen. Sind die Volkswirtschaften erst einmal aufeinander abgestimmt, wird unser Wirtschaftsmotor zuverlässig laufen.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die Umsetzung der Lissabon-Strategie wird von den politischen Unterschieden zwischen den Wirtschaftsstrategien der Mitgliedstaaten behindert. Das wirkt sich auch auf die Union aus. Wenn wir wollen, dass die Strategie ihre Ziele erreicht, dann müssen wir ein neues politisches Gleichgewicht herstellen.

Länder wie Polen, das Vereinigte Königreich und die baltischen Staaten, die nicht an kostspieligen und komplexen Regelungen interessiert sind, müssen die Möglichkeit haben, eine gewisse Kontrolle über das Rechtsetzungsverfahren auszuüben. Das wird vom Verfassungsvertrag nicht garantiert. Deshalb appelliere ich persönlich an den deutschen Ratsvorsitz, sich nicht dem aktuellen Motto dieses Hauses anzuschließen, das da lautet „Verfassungsvertrag oder Tod“. Diese Einstellung wird der Europäischen Union großen Schaden zufügen, und zwar vor allem im Hinblick auf die Regulierungs- und Wirtschaftspolitik.

Gleiches gilt für eine bessere Qualität der europäischen Rechtsetzung. Wenn wir die Ziele der besseren Rechtsetzung erreichen wollen, dann dürfen wir Fragen zur Verteilung der Macht oder zum politischen Gleichgewicht in der Europäischen Union nicht aus dem Weg gehen. Die Vertragsreform muss einer wahrhaft pragmatischen Bewertung in Bezug auf die Kosten unterzogen werden, die Rechtsvorschriften auf der Grundlage eines neuen Auftrags des Rates verursachen werden. Der Verfassungsvertrag unterstützt diese Ziele jedenfalls nicht.

 
  
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  Bernat Joan i Marí (Verts/ALE). – (EN) Herr Präsident! Die Lissabon-Strategie sieht vor, dass wir in der gesamten Europäischen Union einen Wohlfahrtsstaat aufbauen, der in unserer globalisierten Welt Vorbildwirkung haben soll. Wir sollten auf einen sozialen Europäismus bauen, um Europa für die Bürger attraktiver zu machen, denn das Leben hier sollte besser sein als in anderen Teilen der Welt. Ein guter Lebensstandard hängt nicht nur vom Wirtschaftswachstum ab, sondern er umfasst auch einen hohen Bildungsstandard, lebenslanges Lernen, kulturellen Konsum usw.

Andererseits müssen wir etwas gegen die globale Erwärmung unternehmen, ohne die Entwicklung in den Entwicklungsländern zu beeinträchtigen. Das können wir in unserem Teil der Welt durch Verbesserung der Forschung tun. In den Entwicklungsländern kann das durch ein breiteres Bildungs- und Entwicklungshilfeangebot getan werden, wobei es stets auf eine Verbesserung der Bildungsstandards ankommt. Ich glaube, die richtige Kombination aus Entwicklungshilfe und höheren Bildungsstandards ist der Schlüssel für eine bessere globalisierte Welt.

 
  
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  Georgios Karatzaferis (IND/DEM). – (EL) Herr Präsident! Energie bedeutet drei Dinge: Atomenergie, Öl und Gas. Die Erzeugung von Atomenergie ist nicht in allen Ländern Europas möglich und zudem ein vivere pericolosamente.

Das Öl wird von den Vereinigten Staaten von Amerika kontrolliert: auf eine Weise im Irak, auf eine andere in Saudi Arabien, auf eine weitere Weise in Libyen und wieder auf eine andere in Venezuela. Welches dieser Länder, das über Öl verfügt, liegt nahe an Europa? Keines. Das Spiel wird von den Amerikanern kontrolliert. Was bleibt da noch? Gas.

In unserer Nachbarschaft hat im Grunde Russland das Gas. Wie sind unsere Beziehungen zu Russland? Unsere Beziehungen mit Russland sind enttäuschend, eben weil es das ist, was die Amerikaner wollen. Haben Sie gesehen, was neulich mit Putin geschehen ist? Es gibt eine Pipeline, für deren Inbetriebnahme nur noch die erforderlichen Unterschriften geleistet werden müssen und die nicht durch Asien und nicht durch Belarus bzw. die Ukraine verläuft, so dass wir nicht dieses Hin und Her und diese Erpressungen haben. Es ist die Burgas-Alexandroupolis-Pipeline, die durch Bulgarien und Thrakien geht. Auch hier tun die Amerikaner alles, um Bulgarien an der Unterzeichnung zu hindern. Wenn wir als Europa also unsere Energie haben wollen, wenn wir Gas direkt von Russland beziehen wollen, warum üben wir dann nicht Druck aus, um diese Pipeline in Betrieb zu nehmen?

Wenn wir unser eigenes Öl wollen, dann gibt es davon eine Menge in der Ägäis. Genug, um Europa Luft zu verschaffen. Auch hier gibt es einen Haken, und der heißt Türkei, die von den Amerikanern kontrolliert wird, was es unmöglich macht, das Öl aus der Ägäis herauszuholen.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder diskutieren wir vor dem Frühjahrsgipfel die Lissabon-Strategie. Es würde uns gut bekommen, ernsthafter mit den Zielen, die wir uns selbst setzen — im Rat, in der Kommission, im Parlament — umzugehen. Ich habe nur eine Forderung: tun was vereinbart ist! Durch Taten überzeugen und nicht nur ankündigen. Daher sage ich einmal kurz: bessere Rechtsetzung!

Bessere Rechtsetzung braucht mehr Transparenz. Mehr Transparenz erreichen wir, wenn alle Gesetzgebungsverfahren ins Mitentscheidungsverfahren kommen. Vorprüfung: Wir haben es heute schon gehört. Jedes europäische Gesetz muss vorher einer Subsidiaritätsprüfung unterzogen werden. Den Mehrwert für die europäische Gesetzgebung erkennen lassen. Die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung sichtbar machen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen! Verkürzung des Gesetzgebungsverfahrens: Fünf Jahre sind genug für die Gesetzgebung, und nicht zehn und mehr. Wir müssen die Kontrollinstrumente verbessern, wie und wann unsere Gesetze umgesetzt werden.

Zweitens: Wir haben nationale Verantwortliche benannt. Was tun sie? Gibt es die halbjährliche Bilanz bei den nationalen Parlamenten über den Stand und den Aktions- bzw. Zeitplan im Zusammenhang mit dem Lissabon-Prozess? Wo ist der Bericht der Kommission und der nationalen Verantwortlichen an das Europäische Parlament jedes Jahr?

Drittens: Binnenmarkt verwirklichen: das ist unsere Hausaufgabe! Innovation stärken im Zusammenhang mit dem effizienten Einsatz von Ressourcen, Energiesparmaßnahmen, den Forschungsraum schaffen, die KMU stärken, das heißt Neugründung erleichtern, Ansiedlung und Entwicklung im ländlichen Raum unterstützen und Übergabe fördern, und die Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung endlich aktiv angehen, damit sie nicht zum Nachteil für den Kontinent werden. Ziele haben wir genug, Taten schaffen Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

 
  
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  Udo Bullmann (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es richtig — wie viele Rednerinnen und Redner betonen —, dass wir uns in einer sehr chancenreichen Situation befinden. Schon lange hatten wir nicht mehr so wie im Moment die Gelegenheit, Neues gemeinsam anzufangen. Das war ja das große Problem nach Lissabon, dass die Wachstumsraten eingebrochen sind, auch weil die Mitgliedstaaten nicht genug dafür getan haben. Wir haben wieder Wachstum in der Europäischen Union. Wie gehen wir damit um? Wachstum ist nicht selbstläufig. Es wird nicht von alleine eine lange gute Konjunktur geben, wenn wir nicht handeln. Natürlich ist der Binnenmarkt ein starkes Instrument. 90 % von dem, was wir herstellen, kaufen wir in der Europäischen Union selber zurück mit unseren Unternehmen, unseren Bürgerinnen und Bürgern. Das ist gut so, das macht uns zu einem starken internationalen Spieler. Aber jetzt sind wir an der Stelle angelangt — wie Kollege Hughes bereits ausgeführt hat —, wo wir die Menschen wieder in Arbeit bringen müssen. Und zwar nicht, indem wir Druck ausüben, nicht, indem wir ausgrenzen, sondern indem wir besser bilden und ausbilden, und indem wir neue Chancen eröffnen.

Das muss die Diskussion sein, wie wir sie gemeinsam vorantreiben, ernst nehmen und zu Hause in den Mitgliedstaaten umsetzen müssen, aber dazu brauchen wir eine bessere Koordination. Koordination in der Wirtschaftspolitik darf in diesen Hallen kein schlechtes Wort sein. Wenn wir nicht einmal in der Lage sind, eine gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage einzuführen, dann dürfen wir an anderen Stellen nicht den Mund so voll nehmen. Und das ist eine Diskussion, wie wir sie auch zu Hause führen müssen.

Ich bin nicht einverstanden, wenn Kollege Lehne hier sagt, wir müssten erst etwas für die Wirtschaft tun, um dann etwas für die Umwelt tun zu können. Das ist altes Denken, das nicht der notwendigen Effizienz-Revolution gerecht wird, vor der unsere Wirtschaft steht. Mit diesem alten Denken geraten manche von uns in die Sackgasse der Kernenergie. Aus dieser Sackgasse müssen wir raus, und deswegen müssen wir weiter miteinander streiten und diskutieren.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE). – (FI) Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin Merkel hat hier bei der Sitzung im Januar in sehr schönen Worten über Energiefragen und den Klimawandel gesprochen. Jetzt ist es Zeit zu handeln. Ich hoffe, dass die Frau Bundeskanzlerin und Deutschland ihre Macht und ihr Ansehen in die Waagschale werfen werden, damit die EU die Initiative übernimmt und zu einem Vorreiter in den Fragen des Klimawandels und seiner Bewältigung wird. Die Verhinderung des Klimawandels hängt von zwei wichtigen Faktoren ab: Die Kohlendioxidemissionen müssen sehr viel stärker als bislang abgebaut werden, und die EU muss sehr viel energieeffizienter werden. Es gibt Berechnungen, wonach die Bekämpfung des Klimawandels etwa ein Prozent des weltweiten BNP verschlingt, mit anderen Worten: Sie ist teuer. Dieselben Berechnungen zeigen jedoch auch, dass Trägheit und Untätigkeit sogar noch mehr, genau genommen ein Vielfaches davon kosten. Wenn wir bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie vorankommen wollen, dann müssen wir auch den Klimawandel in unsere Überlegungen einbeziehen und etwas dagegen unternehmen.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! 2005 wurde die Lissabon-Strategie, die einst als reines Wunschdenken beschrieben wurde, auf die tatsächlichen Prioritäten der Gesellschaften in den Mitgliedstaaten der Union abgestimmt. Aus den in den Papierbergen zu dieser Thematik enthaltenen Floskeln können wir einige Herausforderungen ablesen, denen wir uns nunmehr vordringlich stellen müssen.

Diese betreffen erstens die Sicherheit der Energieversorgung für ganz Europa und nicht nur einiger ausgewählter Länder. Die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen fällt ebenfalls unter diese Überschrift. Zweitens geht es um die Beseitigung der in der Europäischen Union noch immer existierenden Hindernisse für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte und die kontinuierliche Überwachung der Umsetzung dieses Grundsatzes durch einzelne Mitgliedstaaten. So können wir verhindern, dass Arbeitnehmer aus anderen Ländern als dem des Arbeitgebers unfair oder sogar wie Sklaven behandelt werden. Und schließlich muss die Europäische Union die völlig veraltete Vorstellung aufgeben, unbedingt mit den USA konkurrieren zu wollen. Stattdessen sollte sie eine enge und solide Partnerschaft anstreben.

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Im Allgemeinen wissen die Bürger Europas nicht, worum es bei der Lissabon-Strategie geht. Ich fürchte, dass wir als Politiker häufig Fehler machen und den Problemen nicht auf den Grund gehen. Wir ändern Gesetze und verabschieden Richtlinien, aber diese bleiben ohne Wirkung auf den Kern der eigentlichen Problematik.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union wird im Wesentlichen von Unternehmern gesichert, die neue Technologien anwenden und neue Produktions- und Organisationsmethoden einführen. Diese Unternehmer müssen auch in der Lage sein, sowohl Großunternehmen als auch den Mittelstand von ihren Ideen zu überzeugen. Was uns in Europa zu fehlen scheint, das sind Unternehmergeist und eine Unternehmenskultur, vor allem im Vergleich zu den USA. Wir messen dem Gedanken der Freiheit, der nicht nur die Handlungsfreiheit, sondern auch Verantwortung umfasst, zu wenig Bedeutung bei. KMU bilden die Grundlage der Zivilgesellschaft und einer verantwortungsbewussten zivilen Selbstverwaltung. Das sollten wir bereits im ersten Schuljahr lernen. Wir müssen unsere jungen Bürger zur Achtung eines fairen Unternehmertums erziehen. Diese Werte müssen auch von Europas öffentlichen Medien verbreitet werden, und wir sollten aus Gemeinschaftsmitteln finanzierte Kampagnen durchführen, mit denen wir europäischer Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart gedenken, die den größten Beitrag zu unserer Wettbewerbsfähigkeit geleistet haben. Vielleicht können wir dann aufhören, uns um die Millionen von Arbeitslosen Sorgen zu machen, von denen viele eine eigene Existenz gründen werden. Vielleicht können wir dann aufhören, ständig zu befürchten, unsere Unternehmen seien nicht innovativ genug und nicht in der Lage, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, in der Europa ja eigentlich sehr gut ist, für ihre Zwecke zu nutzen.

Ich möchte der Kommissarin und der Europäischen Kommission in diesem Bereich wie auch im Bereich der Information viel Erfolg wünschen. Hoffen wir auf ein erfolgreiches Ergebnis für die gesamte Union.

 
  
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  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Lehne und Herrn Lambsdorff und insbesondere meinen Kollegen Herrn Hughes und Herrn Goebbels für die bei dieser Aufgabe notwendige Koordination und Zusammenarbeit danken. In diesem zweiten Jahr findet sie nun einen Platz im politischen Bewusstsein und Willen der Mitgliedstaaten und unserer Organe. Dies geschieht auf eine ganz besondere Weise, auf der Grundlage der Vorbereitungstreffen zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten.

Auf der jüngsten Sitzung vergangene Woche wurden die Bereiche Verkehr, Logistik und europäische Infrastrukturen, die wiederbelebt werden sollen, noch zaghaft, aber entschlossen als Politikbereiche genannt, die von entscheidender Bedeutung sind, wenn die europäische Wirtschaft zuverlässig den Herausforderungen der Globalisierung gewachsen sein soll.

Diese Globalisierung erreicht Europa per Schiff in unseren Häfen, per Flugzeug auf unseren Flughäfen, über unsere Straßen und, wenn auch nicht ausreichend, mit der Eisenbahn und über die Binnenwasserstraßen. Wir stellen uns dieser Globalisierung mit Instrumenten wie GALILEO, SESAR – dem Flugverkehrsmanagementsystem, RTMS, E-Safetynet usw. Darüber hinaus gilt es, die großen Aufgaben anzupacken, die sie im Umwelt-, Sozial- und Sicherheitsbereich mit sich bringt.

Die Initiative der deutschen Präsidentschaft förderte die Verpflichtung des Rates „Verkehr“ in dieser Hinsicht mit dem Vorschlag, den Verkehr mit seinen vier großen Prioritäten in den Vorschlag für die Lissabon-Strategie in diesem Frühjahr einzubeziehen. Weiterhin stimmte Herr Harbour auf der Tagung vergangene Woche zu, ihn als dritten Punkt der Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe „Binnenmarkt und Innovation“ aufzunehmen.

Daher möchte ich die Verfasser und Koordinatoren der Entschließung besonders bitten, den Änderungsantrag 10 zu berücksichtigen, der diesen äußerst wichtigen Sektor – Verkehr, Logistik und transeuropäische Netze – als Grundlage für die Lissabon-Strategie einschließt.

 
  
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  Elizabeth Lynne (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich freue mich, dass wir in diesem Entschließungsentwurf akzeptieren, dass es bei der Lissabon-Agenda nicht nur um die Wirtschaft geht, sondern dass sie auch eine soziale Dimension hat. Ausgehend davon kommt es jetzt darauf an, jene, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, wieder zu integrieren, indem wir dafür Sorge tragen, dass die Rahmenrichtlinie im Bereich Beschäftigung aus dem Jahr 2000 in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt wird. Ebenso wichtig ist, dass wir an unserer Forderung nach spezifischen Richtlinien in Bezug auf Alter und Behinderung festhalten, denn wenn die Bürger nicht zur Arbeit kommen können, dann können sie die Beschäftigung nicht annehmen, selbst wenn sie ihnen angeboten wird.

Ich begrüße ferner den Abschnitt zur besseren Rechtsetzung, hätte mir darin allerdings einen Verweis auf Auflösungsklauseln zu allen Rechtsakten gewünscht.

Den vorgeschlagenen Regelungen zu Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz sollten aktuelle wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse zugrunde liegen. Ferner fordere ich Sie alle auf, für meinen Änderungsantrag zur Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung zu stimmen.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte in Bezug auf den Europäischen Rat drei Punkte ansprechen. Es ist bedauerlich, dass nicht mehr Leute hier sind, aber ich will die drei Punkte trotzdem ansprechen.

Der erste betrifft die Lissabonner Agenda. Wir werden Ende März die Berliner Erklärung unterzeichnen. Einer der wichtigsten Punkt der Erklärung betrifft die Lissabonner Agenda, also den freien Waren-, Dienstleistungs- Personen- und Geldverkehr. Er muss schon deshalb aufgenommen werden, weil er eines der Prinzipien ist, auf die sich die gesamte Europäische Union gründet. Leider leben wir gerade in einer Zeit des Protektionismus. Wir müssen einen Schlussstrich unter diesen Protektionismus ziehen, und sowohl die Lissabonner Agenda als auch die Berliner Erklärung müssen entsprechende Signale aussenden.

Zweitens möchte ich feststellen, dass der Europäischen Union meines Erachtens seit dem Ende des Kalten Krieges gewissermaßen die rote Gefahr fehlt. In den 90er Jahren hatten wir den Euro, und in diesem Jahrzehnt ist es die Erweiterung. Aber wir sind seitdem ständig auf der Suche nach etwas, und ich denke, die heutige Debatte zeigt, dass wir dieses etwas gefunden haben: den Klimawandel. In gewisser Weise sollten wir Präsident Putin sogar dafür dankbar sein, dass er die Energiepolitik auf die europäische Agenda gesetzt hat, denn wenn er nicht die Probleme mit der Ukraine heraufbeschworen hätte, dann würden wir meiner Ansicht nach heute nicht so aufgeregt über Energieeffizienz und den Energiemix diskutieren. Ich bin wirklich froh über die Richtung, in die die Kommission die Energiedebatte, die Umweltdebatte und die Debatte über den Klimawandel lenkt.

Abschließend ein Wort zu meinem Lieblingsthema: zur Verfassung. Ich weiß, dass sie nicht auf der Tagesordnung des Europäischen Rates Anfang März stehen wird, aber ich möchte den deutschen Ratsvorsitz lediglich dringend bitten, die bisher geleistete gute Arbeit fortzusetzen. Wir brauchen diese Verfassung, und wir brauchen sie aus drei Gründen ganz dringend: Erstens wird sie für eine effizientere Union sorgen; zweitens wird sie für mehr Demokratie in der Union sorgen; drittens wird sie die Union verständlicher machen.

Ich hoffe, dass bis zum Ende des deutschen Ratsvorsitzes ein Fahrplan für diesen Vertrag vorliegen wird, so dass er 2009 in Kraft treten kann.

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE).(ES) Was den Frühjahrsgipfel betrifft, Herr Ratspräsident, so bin ich der Auffassung, dass die Rede, die Bundeskanzlerin Merkel heute Vormittag gehalten hat, auch uneingeschränkt auf die März-Agenda zutrifft. Nach dem Madrider Treffen der 18 „Freunde der Verfassung“, unter Teilnahme der beiden Staaten, die ihre Ratifizierung angekündigt haben, und jener, die sich noch äußern müssen – ihr Schweigen ist beredt –, betrachte ich es als wichtig, die Ausführungen des Ratspräsidenten zu unterstützen. Eine Bemerkung habe ich allerdings dazu: Wenn wir schon etwas tun müssen, dann sollten wir eher die Feder als die Schere benutzen, denn nur die Substanz zu verteidigen, ist gefährlich, besonders wenn wir anfangen zusammenzustreichen.

Aus Sicht der Demokratie und der politischen Aktion im Energiesektor möchte ich zu den Politikbereichen, die wir verwirklichen müssen, erklären, dass mit einer Reduzierung eine erhebliche Gefahr verbunden ist, denn aus demokratischer Perspektive – und das Parlament hat hier ein großes Interesse – werden wir in unserer Arbeit von 35 Rechtsgrundlagen zu 85 übergehen, und das ist von enormer und entscheidender Bedeutung.

Zweitens: Was die Lissabon-Strategie betrifft, so möchte ich einen Faktor nennen, der hier nicht zur Sprache kam, und zwar den erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde. Wir können über Klimawandel, über Energie und das Sozialmodell sprechen, doch wenn wir nicht zu einem positiven Abschluss in der Doha-Runde kommen – die diese Elemente natürlich nicht unmittelbar berücksichtigen kann, weshalb wir sie im Auge behalten und auf die Agenda unserer internationalen Beziehungen setzen müssen –, werden wir meiner Meinung nach allein nicht in der Lage sein, Probleme zu lösen, die eine globale Dimension in der Welt haben.

Ich glaube, die Europäische Union muss eine aktive Politik unter Einbeziehung dieser Elemente verfolgen und dabei die Bedeutung des Abschlusses der Doha-Runde berücksichtigen, der auf der Tagesordnung der deutschen Präsidentschaft steht, über den jedoch nach meiner Auffassung zu wenig gesprochen wird.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! In meinen Ausführungen zur Umsetzung der Lissabon-Strategie möchte ich eine der vier Prioritäten ganz besonders hervorheben – nämlich die Energie. Gerade auf diesem Gebiet, auf dem die Wettbewerbsfähigkeit bei den Markt- und Netzdiensten minimal ist, weist die EU noch einen Rückstand auf. Im Bereich Energie sind die baltischen Länder nach wie vor isoliert, und zwar sowohl bei der Elektrizität als vor allem auch bei Erdgas.

Die Nordeuropäische Gaspipeline, die derzeit im Ergebnis einer Vereinbarung zwischen lediglich zwei Ländern – nämlich Deutschland und Russland – gebaut wird, wird die Probleme in Bezug auf die Vermarktung und den Vertrieb von Erdgas nicht lösen. Die Rede des russischen Präsidenten in München machte deutlich, dass in Russland erneut eine von Großmachtstreben gekennzeichnete Geisteshaltung auf dem Vormarsch ist, und die Absichten sind offenbar nach wie vor dieselben – die Energiepolitik soll auch künftig für politische Zwecke herhalten.

Ein gemeinsamer EU-Energiemarkt wäre eine Sicherheitsgarantie gegenüber Drittstaaten, und er könnte zur Lösung von Energiekrisen beitragen, die innerhalb der EU auftreten oder von außerhalb provoziert werden können. Bei den Verhandlungen mit Russland sind Schutzmechanismen unerlässlich, um uns gegen den Versuch monopolistischer Diktate Dritter zu schützen.

Damit wir uns alle sicherer fühlen können, bitte ich den Rat und die Kommission, unverzüglich eine unabhängige Sachverständigenprüfung der potenziellen Auswirkungen der Nordeuropäischen Gaspipeline einzuleiten. Die Ostsee gehört nicht allein zwei Ländern, sondern der ganzen Union.

 
  
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  Malcolm Harbour (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Es wird Sie kaum überraschen zu hören, dass ich mich als Koordinator meiner Fraktion für den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vor allem auf Fragen im Zusammenhang mit der künftigen Strategie für den Binnenmarkt beschäftigen möchte. Mir ist bekannt, Herr amtierender Ratspräsident, dass die Kommission Ihnen ein Strategiepapier zur Diskussion vorlegen wird. Wir hatten noch keine Gelegenheit, es zu lesen, aber ich kann lediglich sagen, dass ich hoffe, dass es sich dabei um ein kühnes Papier handelt, denn vor uns liegt sehr viel Arbeit.

Ich wende mich speziell an Sie, Herr amtierender Ratspräsident, weil ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Überschrift über einem ganzen Abschnitt dieses Entschließungsentwurfs lenken möchte, welche lautet: „Überwindung der noch immer bestehenden Defizite im Binnenmarkt“. Dieser Abschnitt richtet sich gezielt an die Mitglieder des Rates. Die Kommission bemüht sich sehr intensiv, dies zu erreichen, aber Tatsache ist, dass der Binnenmarkt eine gemeinsame Aufgabe darstellt. Wir können in diesem Haus sehr viel tun, und wir haben in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie – das wichtigste Beispiel der letzten Zeit – sehr viel erreicht, aber es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns. Wir werden uns demnächst unter der Leitung meines Kollegen Herrn Stubb mit der gesamten Frage des freien Warenverkehrs in nicht harmonisierten Bereichen befassen. Das wird ebenfalls ein wichtiger Vorschlag sein, aber ohne Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit kommen wir nicht weiter.

Ich hatte vor einigen Wochen die Ehre – Frau Ayala Sender ist ebenfalls Mitglied des Ausschusses und hat das eben erwähnt –, als Berichterstatter für unser interparlamentarisches Treffen zu fungieren, auf dem Parlamentarier aus den Mitgliedstaaten über den Binnenmarkt gesprochen haben. Interessant war, dass sie dabei den vier eben von Herrn Stubb genannten Freiheiten Vorrang einräumten und dass sie Unterstützung brauchen, um diese in ihren Parlamenten gegen ihre eigenen Regierungen durchzusetzen. Bisweilen klingt an, dass dem Binnenmarkt etwas vorschnell die Schuld für den Verlust von Arbeitsplätzen oder die Ankurbelung des Wettbewerbs, der für Verbraucher und die Volkswirtschaften schlecht sei, gegeben wird. Dabei ist es doch so, dass der Binnenmarkt im Mittelpunkt unserer Reaktion auf die globalen Zwänge steht. Der Binnenmarkt ist, wie ein Vertreter der nationalen Parlamente auf unserem Treffen sagte, von entscheidender Bedeutung, weil er das Fundament der gesamten Lissabon-Strategie stärkt.

Ich möchte Sie als amtierenden Ratspräsidenten bitten, dieses Problem auf Ihre Tagesordnung zu setzen, Ihre Ministerkollegen davon zu überzeugen, dass sie den Binnenmarkt und seine Umsetzung ernst nehmen, und Ihre Bürger und Parlamentsabgeordneten in die Lösung dieser großen Aufgabe einzubeziehen.

 
  
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  Bernard Poignant (PSE).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob der 8. März bewusst oder unbewusst für die Eröffnung des Europäischen Rates gewählt wurde, aber es ist der Internationale Frauentag. Es war eine gute Wahl seitens der deutschen Bundeskanzlerin, und ich denke, sie wird das Beste aus diesem Tag machen.

Lassen Sie mich hinsichtlich des Europäischen Rates eine geschichtliche Parallele ziehen: Die Jahre 2007-2010 werden aus meiner Sicht entscheidende Jahre sein wie der Zeitraum 1954-1957 mit dem Scheitern der Verteidigungsgemeinschaft und dem Neustart des europäischen Haushaltsplans durch den Römischen Vertrag, der sich nun zum fünfzigsten Male jährt. Zahlreiche Termine stehen an: institutioneller Art, haushaltspolitischer Art, die Europawahlen und vielleicht Referenden, die Bilanz der Strategie von Lissabon und sogar Termine zur Agrarpolitik. Wir alle müssen also daran gehen, die Völker zu überzeugen und zum gegebenen Zeitpunkt mitzureißen.

Die Völker werden hören, wie wir von Wettbewerb sprechen, da sind sie nicht dagegen. Sie werden uns von der Flexibilität der Unternehmen reden hören, da sind sie nicht dagegen, soweit die Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Ich schlage Ihnen noch ein weiteres Wort vor: Harmonisierung. Es scheint aus unserem Sprachgebrauch verschwunden zu sein, obwohl es im Römischen Vertrag steht. Die Umweltharmonisierung ist im Gange, es werden Fortschritte gemacht. Die Steuerharmonisierung ist bezüglich der Unternehmenssteuern ins Stocken geraten. Die Sozialharmonisierung ist zu gering. Wie dem auch sei, ich glaube, die schöne Musik der Harmonisierung muss wieder stärker erklingen und die Ohren unserer Mitbürger erreichen. Ebenso würde ich mir wie viele andere wünschen, dass der Rat die Kommission veranlasst, einen Text, eine Rahmenrichtlinie über die öffentlichen Dienstleistungen vorzulegen.

Es ist erforderlich, den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, denn diesen lehnt hier wohl niemand ab. Das wäre nur die Umsetzung dessen, was Jacques Delors als den Sinn des europäischen Aufbauwerks ansah, zumindest in einem seiner oft gebrauchten Sätze: Der Wettbewerb stimuliert, die Zusammenarbeit stärkt, aber die Solidarität eint.

 
  
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  Markus Ferber (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur einige Stichworte aufgreifen, die schon angesprochen wurden, z. B. Bürokratieabbau. Wir haben heute Mittag im Plenum zwei Richtlinien außer Kraft gesetzt. Ich denke jedoch, dass wir uns gemeinsam schon etwas mehr anstrengen müssen, und ich glaube auch, dass es eines Mechanismus bedarf, mit dessen Hilfe wir gemeinsam eruieren können, welche Richtlinien wirklich unnötig sind. Diese mühsame Prozedur – die Kommission bereitet etwas vor, dann muss der Rat zustimmen und schließlich darf auch das Parlament etwas dazu sagen – halte ich nicht für effizient. Ich glaube, dass wir miteinander in einem vernünftigen Verfahren wesentlich schneller unnötige Richtlinien außer Kraft setzen könnten. Es würde mich auch freuen, wenn der zuständige Kommissar an der Debatte zu diesem Thema teilnehmen würde.

Ich möchte ein zweites Thema kurz ansprechen. Wir haben in diesem Jahr noch über eine Gesetzgebung zu entscheiden, die im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt von großer Bedeutung ist, nämlich die Liberalisierung des Postmarktes. Die Kommission hat hier sehr engagierte Vorschläge gemacht. Wir werden im Parlament versuchen, unsere erste Lesung möglichst zeitnah durchzuführen, und ich hoffe, dass auch der Rat das, was jetzt in schönen Überschriften und blumigen Worten auf der Tagung des Europäischen Rates im März beschlossen werden wird, konkret bei der Gesetzgebung zur Öffnung der Postmärkte umsetzen wird. In diesem Bereich ist es wirklich dringend notwendig, denn wenn wir Wachstum, Beschäftigung und auch soziale Sicherheit erreichen wollen, werden wir mit dem Modell, das bisher Europa geprägt hat – nämlich Monopole – keine Lösung finden. Ich warte sehnsüchtig auf die Vorschläge des Rates und wünsche mir insbesondere von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, dass sie ihren engagierten Weg fortführt und nicht in die Knie geht.

Eine letzte Bemerkung noch zur Energiepolitik, weil ich dazu heute sehr viel Interessantes gehört habe. Ich finde es sehr beschämend, Frau Harms, dass die rot-grüne Energiepolitik mit dazu führen wird, dass in Deutschland der CO2-Ausstoß anwachsen wird. Halten Sie uns hier bitte keine Vorträge, was zu tun ist! Sie haben in den sieben Jahren, in denen Sie Verantwortung getragen haben, genau das Gegenteil von dem getan, was Sie uns predigen.

 
  
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  Gary Titley (PSE).(EN) Herr Präsident! Meines Erachtens dürfte es schwierig sein, die Bedeutung des Frühjahrsgipfels zu unterschätzen, zumal er vor der Verabschiedung der Berliner Erklärung stattfinden wird, die deutlich machen wird, warum und in welcher Form die Europäische Union für die Welt von Bedeutung ist, und die damit im Wesentlichen auf einen Neustart der Europäischen Union hinauslaufen wird. Er geht dem weiteren Nachdenken über eine künftige Reform der Europäischen Union selbst voraus.

Deshalb würde ich wiederholen, was Kommissarin Wallström sagte, dass dieser Frühjahrsgipfel deutlich machen muss, wie die Europäische Union gegenüber ihren Bürgern zu ihrem Wort stehen kann. Denn bevor man über all die schönen institutionellen Angelegenheiten spricht, muss man darüber sprechen, wie man Zusagen einlöst. Meines Erachtens dürfte es sämtliche Pläne des deutschen Ratsvorsitzes unterminieren, wenn es uns auf diesem Gipfel nicht gelingt, unseren Worten Taten folgen zu lassen.

Ich glaube, wir müssen, wie bereits anklang, konkrete Maßnahmen zur Vollendung des Binnenmarktes ergreifen. Es gibt einfach zu viele Lücken, die sich auf Bürger, die in andere Mitgliedstaaten reisen und dort arbeiten wollen, negativ auswirken. Das beginnt schon bei Dingen wie der Anmeldung eines Kraftfahrzeugs in einer Reihe von Mitgliedstaaten. Wir müssen mit der besseren Rechtsetzung langsam ernst machen, um die Rechte der Verbraucher und das Unternehmensumfeld zu verbessern. Wir müssen unser Versprechen, den Verwaltungsaufwand um 25 % zu reduzieren, in die Tat umsetzen. Das gilt vor allem für die zehn von der Kommission unterbreiteten praktischen Vorschläge für Schnellverfahren in diesem Bereich.

Was Maßnahmen im Bereich Energie betrifft, so gilt es, bestehende Vereinbarungen zur Liberalisierung des Energiesektors zu erfüllen. Wir brauchen einen wettbewerbsfähigen Energiemarkt, und das erfordert eine Entflechtung und mehr Befugnisse für Regulierungsbehörden. Ich hoffe, dass die deutsche Regierung im Gegensatz zum deutschen Ratsvorsitz in diesem Bereich mit gutem Beispiel vorangehen wird.

Wir müssen etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Wir müssen weltweit eine federführende Rolle übernehmen, aber das können wir nur, wenn wir etwas zur Senkung unserer eigenen Emissionen und zur Reduzierung unseres Kohlenstoffverbrauchs unternehmen und für einen effektiveren Emissionshandel sorgen, der sich nicht so einfach unterlaufen lässt.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Frau Kommissarin! Die Strategie von Lissabon ist die Antwort Europas auf die Herausforderungen der Globalisierung.

Die von der Kommission und die Mitgliedstaaten unternommenen Anstrengungen zur Wiederbelebung und Klarstellung dieser Strategie müssen nunmehr ihre Früchte in Form von Wachstum und Beschäftigung tragen. Der Europäische Rat muss erneut bekräftigen, dass die Voraussetzung für die Lösung unserer wirtschaftlichen Schwierigkeiten weitgehend in einer besseren Umsetzung der Strategie von Lissabon besteht, einschließlich produktiver öffentlicher Ausgaben zugunsten von Investition, Forschung und Entwicklung, Energie und Umwelt.

Die Kombination von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Reformen auf nationaler und europäischer Ebene ist das einzige Mittel, um unsere gemeinsamen Ziele der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen zu erreichen.

Der Europäische Rat wird auch den energiepolitischen Aktionsplan verabschieden, der Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und den Schutz der Umwelt garantieren soll. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die potenzielle Wirkung der von der Kommission angestrebten ambitionierten Ziele der Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 lenken, denn so lobenswert diese auch sind, so muss doch darauf geachtet werden, dass ein Gleichgewicht gefunden wird zwischen den ökologischen Prinzipien und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.

Ich unterstütze die deutsche Ratspräsidentschaft und die Kommission in ihrem Plädoyer zugunsten der Initiative „Für eine bessere Rechtsetzung“. Europa neigt oft dazu, zu viel und vor allem alles Mögliche zu reglementieren, doch die Aufgabe der Union ist es nicht, sich in alles einzumischen. Stattdessen muss sie in den Politikbereichen wirkungsvoller aktiv werden, die mindestens auf europäischer Ebene entschieden werden müssen und einen echten europäischen Mehrwert bieten wie Energie, Klima, Sicherheit, Zuwanderung, um nur einige Beispiele zu nennen. Es ist heute an der Zeit, dass die Union sich unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips und unter Berücksichtigung der Erwartungen unserer Mitbürger auf das Wesentliche konzentriert.

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! In dem Jahr, in dem die Europäische Union den 50. Jahrestag des Vertrags von Rom begeht, im Jahr der Chancengleichheit für alle, und auch in dem Jahr, in dem mein Land, Portugal, die Präsidentschaft der Europäischen Union ausüben wird, halte ich es für wichtig zu erwähnen, dass die Portugiesen am Sonntag in einem Referendum für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch bis zur 10. Schwangerschaftswoche gestimmt haben.

Meiner Meinung nach muss auf die Bedeutung dieser Abstimmung hier im Plenarsaal und in diesem Zusammenhang aus zwei weiteren Gründen hingewiesen werden: erstens, weil mit dem klaren Sieg der Ja-Stimmen den Empfehlungen des Europäischen Parlaments entsprochen wurde, dass nämlich die Schwangerschaftsunterbrechung in allen Mitgliedstaaten legal und sicher sein muss, und zweitens, weil durch einen glücklichen Zufall, wie Herr Poignant bereits hervorhob, die Frühjahrstagung des Rates am 8. März stattfindet. Wie der Ministerpräsident Portugals, Herr Sócrates, erklärte, ist Portugal mit diesem Ergebnis einen weiteren festen Schritt beim Aufbau einer offeneren, toleranteren und gerechteren Gesellschaft gegangen.

Was die Lissabon-Strategie betrifft, so muss in sämtlichen Mitgliedstaaten die soziale Komponente gestärkt werden, vor allem um für die europäischen Frauen und Männer eine bessere Vereinbarkeit zwischen dem familiären und dem beruflichen Leben zu ermöglichen. Dazu sind beispielsweise die Einrichtung und Entwicklung von Betreuungsstätten für Kinder und andere Bedürftige zu erschwinglichen Preisen und in guter Qualität notwendig. Notwendig sind mehr und bessere Arbeitsplätze auch für Frauen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Unserer Auffassung nach können die anspruchsvollen Ziele der Lissabon-Strategie ohne die Einbeziehung der Frauen nicht erreicht werden.

 
  
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  Cristobal Montoro Romero (PPE-DE).(ES) Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin, Frau Vizepräsidentin der Kommission! Die Lissabon-Strategie bildet, nach der Einführung des Euro, den Auftakt zu einem großen europäischen Vorhaben und soll zu einem höheren Lebensstandard und vor allem zu mehr Beschäftigung und einer größeren Teilhabe der Europäer, insbesondere der Frauen, am Arbeitsleben beitragen. Es ist ein ehrgeiziges Projekt für 2010, das den Weg zur Öffnung – der Öffnung Europas – festlegt, einen Weg zur Liberalisierung strategischer Sektoren – Kommunikation, Verkehr, Energie, Finanzdienstleistungen –, aber auch zur Modernisierung der Arbeitsbeziehungen, um durch Sozialvereinbarungen eine Modernisierung der Arbeitsmärkte zu erreichen und besonders jungen Menschen und Langzeitarbeitslosen den Zugang zu Arbeitsplätzen zu erleichtern.

Wir beobachten jetzt eine Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums, und dieser Gipfel, der im März stattfinden und eine Revision der Lissabon-Strategie vornehmen wird, muss den Europäern bestätigen, dass der Wirtschaftsaufschwung von 2006 kein Strohfeuer ist, sondern dass er sich im Kontext der globalen Wirtschaft und dieser Wiederbelebung verstärken kann. Dafür benötigen wir eine breite politische Initiative, eine große politische Kapazität, um diese Reformen durchzuführen, die nicht länger hinausgeschoben werden dürfen – und heute Nachmittag wurden in diesem Haus Energie und Umwelt angesprochen –, mit einem Wort, alle Reformen, die notwendig sind, um den Europäern das Vertrauen in ihr eigenes Vorhaben zurückzugeben. Ohne Beschäftigung wird es kein Vertrauen geben.

Was das große europäische Projekt bremst, ist unsere Unfähigkeit zu wachsen, wie Frau Wallström sagte. Es ist geringes Wachstum mit zu wenig neuen Arbeitsplätzen. Diejenigen von uns, die zutiefst an die europäische Sache glauben, vertreten die Auffassung, dass noch Zeit ist, diesen Prozess wiederherzustellen und ihn nicht einfach absterben zu lassen.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Herr Präsident! Wir diskutieren erneut ein Programm für Europa, das klar, weit reichend und in der Lage sein muss, auf die globalen Herausforderungen zu reagieren. Dieses Mal müssen wir dem Problem der gemeinsamen Energiepolitik, die zurzeit ein wichtiges politisches und soziales Thema ist, besondere Aufmerksamkeit widmen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die jüngsten Erhöhungen der Energiepreise künftig sowohl für die globalen Energiemärkte als auch für die wirtschaftliche Entwicklung zu einem wachsenden Problem entwickeln werden. Wir haben noch keine klare europäische Energiestrategie. Die Mitgliedstaaten stellen nach wie vor ihre eigenen strategischen Interessen in den Mittelpunkt, was sich dann in ihren innenpolitischen Entscheidungen widerspiegelt. Deshalb gibt es noch immer so wenig Raum für die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Eine europäische Energiepolitik andererseits bedeutet harmonisches und solidarisches Handeln.

Herr Barroso, der Präsident der Europäischen Kommission, sagte heute Morgen ganz richtig, dass wir nur dann erwarten können, im Bereich der Energiepolitik als gleichwertiger Partner behandelt zu werden, wenn wir mit einer Stimme und nicht mit 27 Stimmen sprechen. Solidarität ist für die Absicherung von Energielieferungen ganz besonders wichtig. Die Europäische Union muss bei den Verhandlungen mit ihren wichtigsten Energielieferanten mit einer Stimme sprechen, um eine solide und langfristige Partnerschaft aufzubauen und entsprechende Abkommen über die Zusammenarbeit in diesem Bereich abzuschließen.

Außerdem besteht ein indirekter Zusammenhang zwischen der Energiepolitik und den Prioritäten der Lissabon-Strategie, also der Steigerung von Wachstum und Beschäftigung. Im Rahmen dieser Strategie schlägt der Rat zu Recht vor, dass wir uns auf vier Bereiche konzentrieren, und zwar eine Wirtschaftspolitik auf der Grundlage von Stabilität und Wachstum, die Entwicklung des Binnenmarktes, Innovation, Forschung und Bildung sowie mehr Beschäftigung und die Entwicklung des europäischen Sozialmodells.

Für die Umsetzung der Lissabon-Strategie bedarf es jedoch eines größeren Engagements seitens der Regierungen der Mitgliedstaaten. Um auf Dauer für ein ausgewogenes Wachstum zu sorgen, müssen wir auch die ökologischen und sozialen Aspekte der Strategie unterstützen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen.

 
  
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  José Albino Silva Peneda (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Heute ist der passende Zeitpunkt, um zu sagen, dass die Strategie von Lissabon dank der Reform von 2004 mehr als nur eine Reihe unerreichbarer Zielvorgaben ist – die Prioritäten sind klarer, die Verantwortungen besser definiert.

In meinem Redebeitrag möchte ich über die Sozialpolitik im Rahmen der Lissabon-Strategie sprechen. Erstens steht eindeutig fest, dass die Lissabon-Strategie kein liberaler Versuch ist – auch wenn es einige so darstellen möchten –, mit dem die Grundfesten und Werte des europäischen Sozialmodells untergraben werden sollen. Im Gegenteil, die Lissabon-Strategie stellt eine Vision dar, die mit einer klaren Reformorientierung die Werte bewahren will, auf denen das europäische Sozialmodell beruht. In der Lissabon-Strategie sind daher politische Leitlinien für das Erfordernis der Modernisierung der Sozialschutzsysteme als Antwort auf das festgelegt, was in Europa und in der Welt geschieht.

Als allgemeine Leitlinie ist dort klar zum Ausdruck gebracht, dass Sozialpolitik nicht als Last gesehen werden sollte, sondern als ein Faktor, der das Wirtschaftswachstum durch die Steigerung von Arbeitsproduktivität und Wettbewerbsfähigkeit und durch höhere Niveaus des sozialen Zusammenhalts und des Zugangs zu den Grundrechten positiv beeinflussen kann. Damit wird sie zu einem wichtigen Instrument, mit dem sozialer Frieden und politische Stabilität bewahrt werden, ohne die es keinen dauerhaften wirtschaftlichen Fortschritt gibt.

Was die Umsetzung der Lissabon-Strategie betrifft, so bin ich nach der Reform von 2004 heute optimistischer als davor. Die Europäische Union ist in eine Phase des Wirtschaftsaufschwungs eingetreten und lässt die Vereinigten Staaten von Amerika beim Wachstum möglicherweise sogar hinter sich. Allein im ersten Halbjahr 2006 stiegen die Investitionen um 6 %, die Ausfuhren wahrscheinlich um über 5 %, und im Zuge ihrer rückläufigen Entwicklung hat die Arbeitslosenquote bereits das Niveau von 1998 erreicht. Das Jahr 2006 war das beste Jahr des Jahrzehnts und die Aussichten für 2007 sind sehr positiv. Diese Zahlen bestätigen, dass die mit der Lissabon-Strategie verbundenen Ziele vor Ort eine kumulative Wirkung entfalten, wobei nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu mehr und besseren Arbeitsplätzen, zur weiteren Anhebung des Lebensniveaus der Bürger der Europäischen Union ohne Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und zur Aufrechterhaltung der Werte des europäischen Sozialmodells führt.

Deshalb beglückwünsche ich Herrn Barroso und die Kommission zu der Reform der Lissabon-Strategie, die sie zur rechten Zeit beschlossen haben.

 
  
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  Christa Prets (PSE). – Herr Präsident, Herr Ratsvorsitzender! Es ist sehr viel über die erfolgreiche Umsetzung der Lissabon-Strategie – zumindest über das Bemühen darum – gesprochen worden. Ich möchte Ihnen die Bitte mit auf den Weg geben, dass Sie sich beim nächsten Treffen dafür aussprechen, dass es klare Konturen und klare Abgrenzungen gibt, wofür der Einzelne zuständig ist. Mit dem Einzelnen meine ich den Mitgliedstaat und die Europäische Union.

Das interparlamentarische Treffen vergangene Woche in Brüssel hat gezeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen der einzelnen Mitgliedstaaten alle Kritiken und Forderungen betreffend Bildung, Beschäftigung, soziale Sicherheit, Klimaschutz usw. nach Brüssel getragen und Lösungen dafür gefordert haben. Der Großteil der Zuständigkeiten liegt aber in den Mitgliedstaaten. Es ist notwendig, für mehr Transparenz und für mehr Aufklärung zu sorgen, damit man weiß, wo letztendlich die Verantwortung liegt. Welche Verantwortung liegt bei der EU und welche liegt beim Mitgliedstaat?

Die Bildung ist ein Kernstück der Lissabon-Strategie. Der letzte Fortschrittsbericht der Kommission hat gezeigt, dass sich die Mitgliedstaaten noch immer ziemlich abmühen, um die fünf Zielvorgaben bis 2010 zu erreichen. Dazu braucht es dringend mehr Investition in Bildung, die Festlegung klarer Rechte und Pflichten im Bereich der Bildung, der beruflichen Bildung und des lebenslangen Lernens. Um mehr Mobilität zu erreichen, ist es auch notwendig, die Studienabschlüsse anzuerkennen. Wir können mit dem, was wir innerhalb der Europäischen Union erreicht haben, viel zu wenig anfangen. Dies würde ich Sie bitten, bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Vergangene Woche hatte ich ein sehr interessantes Treffen mit den Europäischen Jungsozialisten, die mir folgende Botschaft mitgegeben haben: Bildung hat auch einen Selbstzweck. Sie dient nicht immer nur dazu, für den Arbeitsmarkt ein angepasster Arbeitnehmer zu werden, sondern sie hat auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung des persönlichen Selbstbewusstseins, der sozialen Fähigkeiten und des Kulturverständnisses. Genau darin sehe ich auch einen großen Bildungsauftrag für uns alle.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich ausdrücklich für die vielen Anregungen bedanken, die auch in Ihrer noch zu verabschiedenden Entschließung zusammengefasst sind.

Wir haben uns auf einige wichtige Themen konzentriert, nämlich die Themen, die der Lissabon-Strategie innewohnen: Wachstum, Beschäftigung, aber auch — und das ist erst seit Göteborg hinzugekommen — Nachhaltigkeit.

Gerade der letzte Beitrag von Frau Prets hat die Frage deutlich gemacht — und ich kann das ja auch aus der eigenen Sichtweise der letzten Jahre bestätigen —, wer bei Lissabon verantwortlich ist. Es war klar, dass in vielen Bereichen Dinge koordiniert werden, die dann allerdings auf nationaler Ebene umgesetzt werden müssen. Allerdings — und das leitet über zu dem anderen Punkt, den verschiedene Kolleginnen und Kollegen heute auch angesprochen haben — gibt es Themen, wo alle sagen können, das können wir als nationaler Mitgliedstaat nicht alleine leisten, dazu brauchen wir die europäische Ebene. Was ja wieder einen Zusammenhang mit der Frage der Rechtsetzung herstellt: Muss sie auf europäischer Ebene geleistet werden oder kann sie auch auf nationaler Ebene geleistet werden?

Ein wichtiger damit verknüpfter Punkt ist die Energie, die ja wiederum in den Bereich Wachstum hineinreicht. Damit werden wir uns auch auf der Ratstagung im Frühjahr befassen, auf der es um den Ausbau der erneuerbaren Energien gehen wird. Auch für den Umweltschutz ist dies erstmals ein wichtiger Beitrag, der gleichzeitig ein neues Feld für Beschäftigung bietet. Es hat sich ja bestätigt, dass in diesem Bereich Arbeitsplätze entstehen, und die wiederum bieten auch die Möglichkeit, Produkte außerhalb der Europäischen Union zu transportieren. Es genügt ja nicht, wenn Europa auf diesem Weg – nämlich Energieeinsparung und Klimaschutz — vorangeht; wir müssen auch andere davon überzeugen. Aber wir können die anderen immer erst dann überzeugen, wenn wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich möchte einen anderen wichtigen Punkt hervorheben, auch wenn er auf der Tagung nicht so sehr im Fokus stehen wird. Bereits mehrfach ist die Energiesolidarität angemahnt worden, und es sind auch die Gespräche mit Russland angemahnt worden. Richtig. Doch wenn ich diese Sicherheit erreichen will, dann brauche ich auch Verhandlungen mit Russland, und dann brauche ich auch ein Mandat, um dieses Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland endlich mit Leben erfüllen zu können, um genau die Dinge, die auch bei der Frage der Energiesicherheit eine Rolle spielen, hier in die Verhandlungen mit einzubringen.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang noch einen anderen Aspekt ansprechen, nämlich warum es wichtig ist, mit Russland diesen Dialog zu führen. Wenn wir heute alle wissen, wie die Pipelines in Russland verlegt sind, wo sie verlegt sind, dass aber möglicherweise die Erderwärmung dazu beitragen wird, dass diese Pipelines bald nicht mehr den Stand haben, den sie heute haben, dann ist es wichtig, eben gerade in diesem Bereich in engen Kontakt mit Russland zu treten, und nicht nur mit den anderen Förderländern bzw. den entsprechenden Transitländern.

Ich möchte einen Bereich aufgreifen, der bereits von mehreren Kollegen, darunter Robert Goebbels, angesprochen wurde, nämlich die soziale Dimension, das soziale Modell Europa. Gelegentlich wird kritisiert, sie würde nicht wirklich im Fokus stehen. Ich erinnere nur daran, dass diese Präsidentschaft erst vor wenigen Tagen in Nürnberg unter der Leitung des Ratspräsidenten, des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, eine Impulskonferenz veranstaltet hat zu Fragen wie: Wie können wir auf die Herausforderung der Globalisierung reagieren? Was kann die Europäische Union tun? Was ist zu erhalten, und wo müssen wir uns aufgrund der Herausforderungen entsprechend verändern? Der Ratspräsident hat sich auch zum Ziel gesetzt, dies während der G8-Präsidentschaft zu tun. Dennoch müssen wir darüber nachdenken, wie wir in dieser veränderten Welt vielen Bürgerinnen und Bürgern die Angst vor dieser Veränderung nehmen. Dass man auch Sicherheit im Wandel braucht, ist ein sehr wichtiger Aspekt.

Zum Thema Lissabon: Viele denken dabei an die wunderschöne Hauptstadt Portugals, andere können damit nichts verbinden. Hier Abhilfe zu schaffen, ist nicht allein Aufgabe der Kommission. Es ist unsere Aufgabe, immer wieder jene Ziele zu betonen, die mit der Lissabon-Strategie verfolgt werden – Wachstum, Beschäftigung und Nachhaltigkeit –, und sie mit neuen Themen und Herausforderungen zu koordinieren, wie etwa Forschung, Bildung, Ausbildung. Dabei müssen wir aber auch national darstellen, dass dieser Impuls, diese Koordinierung auf europäischer Ebene stattgefunden hat.

Herr Präsident, eine letzte Bemerkung zum Thema Verfassungsvertrag, obwohl er nicht Gegenstand der Frühjahrstagung ist: Es genügt nicht, wenn Äußerungen kommen wie: Nehmen Sie endlich Abstand vom Verfassungsvertrag, das Volk will diesen Vertrag nicht. Eine solche Aussage ist falsch, denn es gab auch Staaten, nämlich Spanien und Luxemburg, die diesen Verfassungsvertrag — ob nun parlamentarisch oder durch Referenda — akzeptiert haben. Richtig ist, dass in zwei anderen Mitgliedstaaten ein negatives Ergebnis herausgekommen ist. Zugleich ist es so — die Bundeskanzlerin hat es bei ihrer Rede zur deutschen Präsidentschaft hier vor wenigen Wochen gesagt —, dass manche, die diesen Verfassungsvertrag ablehnen, zugleich mehr Kompetenz der Europäischen Union haben wollen, beispielsweise im Bereich Energie. Genau das sieht der Verfassungsvertrag eigentlich vor. Also muss ich jetzt entscheiden, was ich will. Ich kann mir nicht immer nur das Einzelne herausgreifen. Wer die Rechte der Parlamente, etwa den Frühwarnmechanismus über eine bessere Rechtsetzung anmahnt, muss imstande sein zu entscheiden, ob eine Regelung auf der nationalen oder eher auf der europäischen Ebene notwendig ist und erlassen werden sollte.

 
  
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  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei allen Abgeordneten dafür bedanken, dass sie bis zum Schluss geblieben sind. Es ist immer eine Herausforderung, eine richtige Debatte in Gang zu bringen und Monologe zu vermeiden.

Ich möchte drei Anmerkungen machen. Erstens möchte ich auf eine Sache zurückkommen, die viele von Ihnen angesprochen haben, und zwar geht es um die Sackgasse, in der der Verfassungsvertrag steckt, und um das fehlende Engagement seitens unserer führenden europäischen Politiker, auf das vielfach verwiesen wurde. Die Kommission unterstützt natürlich das nach unserer Meinung mutige und ambitionierte Engagement des deutschen Ratsvorsitzes, der sich bemüht, diese Angelegenheit vom Stadium der Reflexion ins Stadium der Aktion überzuleiten. Wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, Lösungen zu finden, aber wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten dabei helfen. Wir müssen schnellstmöglich einen Weg aus der Sackgasse finden.

Das Ergebnis des Frühjahrsgipfels wird in dieser Sache ebenso wichtig sein wie sein Vermögen, zu den entscheidenden Fragen auf der Tagesordnung, einschließlich des Klimawandels, eine Lösung anzubieten. Ich möchte etwas zu den Ausführungen einiger meiner Vorredner im Hinblick auf die Ambitionen der Kommission und der Europäischen Union sagen. Dabei muss festgestellt werden, dass es ein längerfristiges Ziel für unseren Kampf gegen den Klimawandel gibt. Die Senkung der Emissionen der Industrieländer bis 2020 um 30 % stellt einen notwendigen Schritt auf dem Weg zu dem längerfristigen Ziel ihrer Senkung um beachtliche 50 % unter den Stand von 1990 bis 2050 dar. Man muss erkennen, dass dies ein Schritt in diese Richtung ist. Diese Senkung ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir die Zielsetzung von 2°C erreichen wollen, von der wir wissen, dass sie eine einschneidende und irreversible Störung des globalen Klimasystems verhindern sollte. Auch in den nächsten zehn Jahren sollte der größte Teil der weltweiten Bemühungen um eine Senkung der Emissionen in den Industrieländern geleistet werden, wie das im Rahmen des Kyoto-Protokolls bereits der Fall ist. Nur so bleiben sie glaubwürdig und können die ärmeren Länder der Welt motivieren, sich ihnen anzuschließen.

Wir haben die Gruppe der Industrieländer um eine Senkung um 30 % gebeten. Wir sollten uns fragen, ob das ein ehrgeiziges Ziel ist. Im Vergleich zu 1990 haben die Emissionen in den USA um 15 % zugenommen, in der EU-25 sind sie um 5 % zurückgegangen, und in Russland beläuft sich der Rückgang auf 30 %. Das wird nicht einfach sein, und das kann man nicht einzeln betrachten, aber das stellt eine enorme Herausforderung dar.

Ich möchte auch auf die Kosten eingehen, denn viele von Ihnen haben die der Industrie entstehenden Kosten erwähnt. Die von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzungen zeigen, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels völlig mit der Erhaltung des globalen Wachstums vereinbar sind. Investitionen in eine kohlenstoffarme Wirtschaft erfordern zwischen 2013 und 2030 etwa 0,5 % des globalen BIP, was sein globales Wachstum bis zum Jahr 2030 jährlich nur um 0,19 % senken würde. Das ist ein Bruchteil des voraussichtlichen BIP-Wachstums von jährlich 2,8 %.

Und darin sind die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, die höhere Energiesicherheit und geringere Folgeschäden noch gar nicht berücksichtigt. Das ist eine niedrige Versicherungsprämie dafür, dass wir das Risiko irreversibler Schäden für unsere Wirtschaft und unseren Planeten beträchtlich verringern können, vor allem wenn man dies mit den Schätzungen des Stern-Berichts vergleicht, denen zufolge unkontrollierte Klimaveränderungen langfristig Kosten in Höhe von 5 bis 20 % des BIP verursachen. Wir müssen die Kosten der Untätigkeit in Betracht ziehen. Der Klimawandel kommt uns bereits jetzt teuer zu stehen – Sie brauchen nur Versicherungsgesellschaften weltweit zu fragen.

Beim Frühjahrsgipfel geht es, um das abschließend festzustellen, um die Lissabon-Strategie. Sie haben ganz Recht, wenn Sie sagen, dass wir, wenn wir kommunizieren wollen, erwähnen müssen, dass es dabei um Arbeitsplätze und Wachstum geht. Bei Lissabon geht es um den Mut zur Reform. Ich teile voll und ganz Herrn Watsons Ansicht, dass es zahlreiche Hinweise dafür gibt, dass Reformen greifen. Uns liegen aber auch Anhaltspunkte dafür vor, dass Länder, die von Angst und Unsicherheit beherrscht werden, nicht leicht reformiert werden können: Sie haben Angst vor Veränderungen. Das wird in Europa deutlich, und deshalb müssen wir für Vertrauen sorgen und daran denken, dass es bei der Lissabon-Strategie – der Strategie für Wachstum und Beschäftigung – auch darum geht, soziale Ausgrenzung und Armut zu bekämpfen; auch in Europa Armut zu bekämpfen. Es geht um die Verbesserung der Qualität der Arbeit, Investitionen in die Bildung, die Entwicklung der Bürgerkompetenz und Investitionen in Menschen. Nur so können diese Ängste überwunden werden.

All die eben gehörten Beiträge erinnern mich an die enge Verbindung zwischen der Strategie für Wachstum und Beschäftigung und der nachhaltigen Entwicklung, denn es wurden sämtliche Argumente dafür vorgebracht, weshalb wir als Europäer wollen, dass wirtschaftliches Wachstum einhergeht mit sozialer Sicherheit und einem hohen Umweltschutzniveau bei gleichzeitigem Streben nach weiteren Verbesserungen. Ich glaube, dass die nachhaltige Entwicklung ein Ziel ist, das sich als Vision für Europa und die Welt mehr und mehr durchsetzt.

 
  
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  Der Präsident. Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung fünf Entschließungsanträge zur Lissabon-Strategie(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.30 Uhr statt.

(Die Sitzung wird um 17.20 Uhr in Erwartung der Fragestunde mit Anfragen an die Kommission unterbrochen und um 17.35 Uhr wieder aufgenommen.)

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 GO)

 
  
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  Ján Hudacký (PPE-DE). – (SK) Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass Innovation eine beherrschende Rolle dabei spielt oder spielen sollte, wie wir auf die Gefahren und Chancen der globalen Wirtschaft reagieren. Es ist allgemein bekannt, dass das größte Problem bei der Entwicklung von Innovation in einer unzureichenden Umsetzung in den verschiedenen Mitgliedstaaten liegt. Das vorrangige Ziel der Lissabon-Strategie besteht in der Schaffung der Bedingungen für eine Stärkung des internen Wettbewerbsumfelds in jedem Mitgliedstaat. Die EU-Wirtschaft kann nur so wettbewerbsfähig und innovationsfähig sein wie die kleinsten und entlegensten Unternehmen in ihren Regionen. Innovationsprogramme müssen daher umgehend auf regionaler Ebene umgesetzt werden, wo sie ein hinreichend wettbewerbsfähiges Umfeld für lokale KMU schaffen können.

Die von zentraler Stelle gelenkte Realisierung von Innovationsentwicklung ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Richtiger wäre es, eine regionale technische Infrastruktur für Innovation einschließlich Technologie-Gründerzentren und High-Tech-Zentren aufzubauen, wo die Möglichkeit besteht, alles verfügbare Wissenspotential sowie jede realisierbare innovative Idee zu nutzen. Dies muss Hand in Hand gehen mit einer flexiblen Herangehensweise an alle Formen der Finanzierung, insbesondere Risikokapital, wobei das Entwicklungsniveau des jeweiligen innovativen Unternehmens oder Projekts zu berücksichtigen ist. Die Finanzierung muss auch auf regionaler Ebene verfügbar sein. Dies ist der einzige Weg für uns, das Wissenspotential unserer Regionen im Interesse des langfristigen nachhaltigen Wachstums zu unterstützen, anzuregen, zu entwickeln und zu erschließen. Daher fordere ich die Europäische Kommission auf, die oben genannten Aspekte der Innovationsentwicklung zu berücksichtigen, wenn sie nationale strategische Referenzrahmen festlegt.

 
  
  

VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS
Vizepräsident

 
  

(1) Siehe Protokoll.


9. Fragestunde (Anfragen an die Kommission)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0003/2007).

Wir behandeln die folgenden Anfragen an die Kommission.

Erster Teil

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 41 von Evgeni Kirilov (H-0002/07)

Betrifft: Schicksal der bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes sowie Beziehungen EU-Libyen

Wie beurteilt die Europäische Kommission nach dem jüngsten Todesurteil im Anschluss an drastische Menschenrechtsverletzungen seitens des libyschen Regimes die Wirkung ihrer Kooperationspolitik mit Libyen? Beabsichtigt die Kommission, die Lage und ihre politischen Instrumente zu überprüfen, wenn keine Fortschritte erreicht werden?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte feststellen, dass ich diese Angelegenheit sehr aufmerksam verfolge. Ich glaube, ich war die Erste, die die Kinder in Benghazi gesehen hat. Ich habe mit den Familien gesprochen. Dann habe ich mit den Krankenschwestern, dem palästinensischen Arzt und mit Revolutionsführer Gaddafi gesprochen. Ich möchte bestätigen, dass dieser Fall der Kommission und mir persönlich sehr am Herzen liegt. Das kam auch in unserem jüngsten Bericht an das Parlament vom 17. Januar zum Ausdruck. Ich kann Ihnen versichern, dass eine zufrieden stellende Lösung für uns oberste Priorität hat. Wir wissen, dass das ein tragischer Fall ist. Derzeit befindet sich unser Verhandlungsteam im Dialog mit den libyschen Behörden. Der Ausgang ist noch offen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass vor Abschluss des Gerichtsverfahrens keine Entscheidung getroffen wird. Ein Schritt steht noch aus.

Auf der Grundlage künftiger Entwicklungen werden die Kommission und der Rat dann die Situation neu einschätzen und über weitere Maßnahmen entscheiden. Wie ich schon sagte, befinden wir uns im Dialog mit den libyschen Behörden.

Ich muss darauf hinweisen, dass zwischen Libyen und der Europäischen Union keine internationale Vereinbarung existiert. Deshalb gibt es keinen Rahmen für die offizielle Zusammenarbeit mit Ausnahme der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Oktober 2004, die zu spezifischen Fragen wie HIV/AIDS und Migration eine Politik des Engagements mit Libyen vorsehen.

 
  
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  Evgeni Kirilov (PSE).(EN) Frau Kommissarin! Ich bin Ihnen sehr dankbar für alles, was Sie getan haben. Ich bin auch allen europäischen Politikern sehr dankbar, die ständig nach Libyen reisen und diese Sache dort ansprechen. Aber man kann wohl eindeutig feststellen, dass nach so langer Zeit noch immer kein Resultat vorliegt. Im Gegenteil: Die libysche Seite – und selbst Oberst Gaddafi – sprechen ständig von irgendeiner westlichen Verschwörung zur Ermordung dieser Kinder, in die unsere Krankenschwestern verwickelt sind. Diese Anschuldigungen treffen auf niemanden zu, und wenn man dem libyschen Gericht vertraut, dann muss man feststellen, dass das Gericht vor einigen Jahren entschieden hat, dass es keine derartige Verschwörung gab. Trotzdem ist nach wie vor die Rede davon. Wenn es stimmt, dann ist das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Warum fechten wir die libysche….

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Zunächst einmal bin ich nicht ständig dahin gereist. Ich war einmal dort, und dann habe ich mit einigen anderen eine Gruppe gebildet. Wir agieren vertraulich, weil es sich hier um eine sehr heikle Angelegenheit handelt.

Ich möchte feststellen, dass die Behauptung, wie hätten nie reagiert, nicht stimmt. Ganz im Gegenteil. Wir haben ganz eindeutig reagiert und versucht, die Krankenschwestern da herauszuholen. Wir hatten bis vor kurzem gehofft, dass uns das gelingt. Leider war das nicht der Fall. Bedauerlicherweise wurde das Todesurteil im Dezember 2006 erneut bestätigt. Wir hatten auf ein ganz anderes Urteil gehofft. Was die Frage der Anschuldigung in Bezug auf die HIV/Aids-Infektion angeht, so verweise ich Sie auf die Schlussfolgerungen der jüngsten Ratstagung der Außenminister, in der eindeutig festgestellt wird: „Bei diesem Urteil wurden insbesondere stichhaltige, von weltweit anerkannten internationalen Experten vorgebrachte Beweise für die Unschuld der Angeklagten ignoriert.“ All diese Fragen liegen also, wie ich bereits sagte, auf dem Tisch. Haben Sie ein wenig Geduld. Hier sind auch ein wenig Vertrauen und ein wenig Vertraulichkeit erforderlich. Das ist eine äußerst heikle Angelegenheit, aber wir wollen sie lösen.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Wir haben gerade darüber gesprochen, dass verschiedene Staaten Wirtschaftskraft einsetzen, um politische Interessen durchzusetzen. Gedenkt die Europäische Union, in diesem Fall auch wirtschaftlichen Druck zu erzeugen und wirtschaftliche Kraft einzusetzen, um europäischen Bürgerinnen und Bürgern Rechtsstaatlichkeit und Freiheit zu garantieren? Ich denke, es wäre an der Zeit, hier einmal unsere Kraft spüren zu lassen.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. Herr Präsident! Die Sache ist – wie ich vorhin bereits sagte – die, dass wir bisher mit Libyen in keinen internationalen Rahmen eingetreten sind. Deshalb ist es natürlich auch nicht so einfach, hier Wirtschaftskraft einzusetzen. Wir haben aber sozusagen Wirtschaftskraft in einer anderen und übrigens positiven Form eingesetzt, wie auch in den Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Januar dieses Jahres bekräftigt wurde. Erstens haben wir seitens der Kommission schon im Jahr 2005 einen Aktionsplan auf die Beine gestellt. Zweitens haben wir zusammen mit anderen einen Bengasi International Fonds gegründet, mit dessen Hilfe wir versuchen, Hilfestellung zu leisten, vor allem natürlich für die aidsinfizierten Kinder.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 42 von Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (H-0006/07)

Betrifft: Probleme bei der Lieferung von Energierohstoffen aus Russland

Zur Jahreswende 2006/2007 drohte den Mitgliedstaaten der EU, darunter auch Polen, wegen eines Streits zwischen Russland und Weißrussland ein Stopp der Erdgaslieferungen und am 8. Januar 2007 stellte Russland, ebenfalls wegen eines Streits mit Weißrussland, die Erdöllieferungen nach Deutschland, Polen, die Slowakei und Tschechien ein. Hierbei handelt es sich leider um weitere Fälle, in denen Russland die Lieferung von Energierohstoffen einsetzt, um auf die Mitgliedstaaten der EU und Drittstaaten politischen Druck auszuüben. Zudem wird der Beweis erbracht, dass Russland in der Energiefrage kein zuverlässiger Partner ist.

Wie wird die Kommission diese Probleme im Rahmen der europäischen Energiestrategie lösen?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Frage der Versorgungssicherheit ist für die Europäische Union von besonderer Bedeutung, und eine Reihe von Ereignissen in den letzten Jahren macht deutlich, dass die Europäische Union in diesem Bereich gezielter tätig werden muss. Denken wir nur an das Alarmsignal, das der Disput zwischen Russland und der Ukraine im letzten Jahr und zwischen Russland und Weißrussland in diesem Jahr ausgelöst hat. Ich möchte Ihnen heute eine kurze Zusammenfassung der Initiativen geben, die die Kommission zur Verbesserung der Versorgungssicherheit im Allgemeinen und im Hinblick auf die Beziehungen mit der Russischen Föderation im Besonderen ergriffen hat.

Die Energielieferungen aus der Russischen Föderation tragen maßgeblich zur Deckung des europäischen Energiebedarfs bei und machen fast 30 % der Öleinfuhren der EU und 44 % unserer Gaseinfuhren aus. Gleichzeitig entfallen 67 % der russischen Öl- und Gasausfuhren auf den europäischen Markt, und in Anbetracht der Bedeutung, die diese Beziehungen für beide Seiten hat, wurde 2000 ein Energiedialog zwischen der Russischen Föderation und der EU eingerichtet, um Fragen aus dem Bereich Energie einschließlich Energiepolitik, Marktentwicklungen, Infrastruktur und der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland im Bereich Technologie und Energieeffizienz zu erörtern.

Zusätzlich wurde auf dem EU-Russland-Gipfel im Mai 2005 ein Fahrplan für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum beschlossen, der auch die Zusammenarbeit zu vielfältigen Fragen im Bereich Energie und damit verbundenen Tätigkeiten umfasst. Ferner stehen Verhandlungen mit der Russischen Föderation über ein neues Abkommen an, das das Ende des Jahres auslaufende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland ablösen soll. Inzwischen ist geplant, dass das neue Abkommen eine umfassende Vereinbarung zu Energiefragen umfassen soll.

Außerdem hat die Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung „Eine Energiepolitik für Europa“ eine Reihe von Vorschlägen zur Reduzierung unserer wachsenden Abhängigkeit von externen Energielieferungen und zur Erhöhung der Versorgungssicherheit unterbreitet. Die Kommission unterstreicht, dass es keine eingleisige Lösung gibt, sondern dass man eine Vielzahl unterschiedlicher Initiativen verfolgen müsse. Dazu zählen die Steigerung der Energieeffizienz, die Förderung von erneuerbaren Energiequellen, eine breitere Streuung der Energielieferungen, ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarktes und interne Solidaritätsmechanismen, die im Falle potenzieller Lieferunterbrechungen greifen, einschließlich der Zusammenarbeit mit der Internationalen Energieagentur. Ferner wird in der Mitteilung unterstrichen, dass es auch auf eine Stärkung unserer Beziehungen mit allen unserer wichtigsten Energielieferanten und Transitländern ankommt und dass die EU mit einer Stimme sprechen müsse.

Als Reaktion auf die jüngsten Unterbrechungen von Energielieferungen über Belarus durch Russland hat die Kommission Anfang des Jahres zudem Tagungen der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ und der Gruppe „Erdölversorgung“, die u. a. aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehen, einberufen. Auf diesen Tagungen, zu denen auch Vertreter der betroffenen Drittländer hinzugebeten worden waren, um entsprechende Informationen bereitzustellen, wurden die Auswirkungen der fraglichen Ereignisse auf die interne Energiesicherheit der EU sowie Gegenmaßnahmen geprüft.

Was abschließend den Ausbau des Energiedialogs betrifft, so gedenkt die Kommission unsere Energiebeziehungen nicht nur zur Russischen Föderation mittels bilateraler Vereinbarungen und Energiedialogen aufrechtzuerhalten und zu stärken, sondern auch zu anderen wichtigen Energie produzierenden Ländern und Regionen wie Norwegen, die OPEC-Länder, den Kooperationsrat der Golfstaaten, die Länder des Kaspischen und des Schwarzmeerbeckens, Zentralasiens und Nordafrikas.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk (UEN). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte der Europäischen Kommission für ihr Interesse an den Problemen im Zusammenhang mit der Energieversorgung aller Mitgliedstaaten danken. Aber gleichzeitig möchte ich feststellen, dass Russland meines Erachtens nach wie vor versucht, über die Energielieferungen politischen Druck auf die Mitgliedstaaten und Drittländer auszuüben. Das ist leider überaus offensichtlich.

Ferner möchte ich fragen, ob die Unterstützung der Europäischen Kommission für die nördliche Gaspipeline, also die Pipeline auf dem Grund der Ostsee, ein Ausdruck der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ist oder ein Ausdruck der fehlenden Solidarität.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte dem Herrn Abgeordneten für seine Bemerkungen danken. Was die Frage der Ostseepipeline angeht, so ist sie natürlich von transeuropäischem Interesse, aber wichtig ist, dass wir als Europäische Union – also alle Mitgliedstaaten – europäische Solidarität beweisen. Das bedeutet, dass wir uns solidarisch mit unseren eigenen Mitgliedstaaten verhalten müssen; das ist unser Standpunkt.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Mich würde interessieren, wie die Strategie der Kommission in Bezug auf Pipelines und LNG-Tanker aussieht. Wir haben viele Möglichkeiten, die Versorgung zu diversifizieren. Wie sehen die Pläne der Kommission aus?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Gemeinsam mit den USA planen wir die Finanzierung einer Durchführbarkeitsstudie für eine transkaspische Pipeline, die sich auch mit der Frage von Flüssigerdgas – LNG – befassen wird. Das ist ein Beitrag zur Diversifizierung von Energielieferungen nach Europa, die unserer Ansicht nach zum jetzigen Zeitpunkt sehr wichtig ist.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Letzten Sommer hat Russland die Gasversorgung Litauens über die Gaspipeline „Druschba“ unterbrochen. Es wurden weitere derartige Fälle erwähnt. Das bedeutet, dass alternative Versorgungswege gefunden werden müssen. Ist die Kommission nicht auch der Meinung, dass Infrastrukturmaßnahmen in der Ostsee koordiniert werden sollten und dass vor dem Bau neuer Gasleitungen eine unabhängige Untersuchung zu den Auswirkungen der Nordeuropäischen Gaspipeline durchgeführt werden sollte?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Dazu möchte ich feststellen, dass es sich bei dem von Ihnen erwähnten Problem um eine technische Unterbrechung handelt. Natürlich müssen wir die Gespräche mit den Russen fortsetzen, um sicherzustellen, dass diese Unterbrechungen nicht von Dauer sind und um sie künftig gänzlich auszuschließen. Ich denke, das ist, was wir im Moment tun, und ich hoffe, dass der derzeitige Energiedialog wirklich zur Vertrauensbildung beitragen wird. Wir haben erst kürzlich ein Troika-Treffen mit Russland durchgeführt, auf dem Energiefragen generell diskutiert wurden. Übrigens hat Präsident Putin offiziell erklärt, dass er die in der Energiecharta verankerten Grundsätze der Zugänglichkeit, des freien und gleichberechtigten Marktzugangs und vor allem der Transparenz akzeptiert. Das ist eine Sache der Transparenz.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 43 von Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (H-0054/07)

Betrifft: „Friedenskanal“ im Nahen Osten

Am 10. Dezember prüften Vertreter Jordaniens, Israels und Palästinas sowie der Weltbank eine Durchführbarkeitsstudie über den Bau eines „Friedenskanals“ mit einer Länge von 180 Kilometern, der das Rote mit dem Toten Meer verbinden soll. Dieses Projekt hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung (Bewässerung der Negevwüste, Versorgung von Wasserkraftwerken und Entsalzungsanlagen, Bereitstellung von einer Milliarde Kubikmeter Trinkwasser jährlich), politische Bedeutung (Dialog und Zusammenarbeit zwischen Israel, Palästina und Jordanien) sowie ökologische Bedeutung (der Gefahr einer Austrocknung des Toten Meers bis 2050 wird entgegengewirkt).

Die Gesamtkosten belaufen sich voraussichtlich auf 15,5 Millionen Dollar, die die Weltbank bereits eingeplant hat.

Wird sich die Kommission angesichts der Bedeutung des Kanals für zahlreiche Bereiche im Rahmen der Zusammenarbeit Europa-Mittelmeer an der Umsetzung (Planung/Finanzierung) dieses ehrgeizigen Projekts beteiligen? Wenn nicht, wird sie sich finanziell an der nächsten Phase beteiligen, in der drei Milliarden Dollar für die Fertigstellung des Vorhabens in den nächsten fünf Jahren investiert werden? Können Investitionen auch über die Europäische Investitionsbank getätigt werden, damit die Finanzierung gesichert ist?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Der Pegel des toten Meeres sinkt jährlich um einen Meter. Die Kommission befürwortet nachdrücklich zukunftsorientierte Vorhaben, die sich mit dem Wasserbedarf und den Umweltbedürfnissen der Region befassen, und sie unterstützt alle Initiativen, die die Zusammenarbeit zu speziellen Fragen zwischen den Nachbarn erfordern, und zwar insbesondere zum Thema Wasser, das eine sehr wichtige Ressource in der Region darstellt, um eine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung zu finden. Wir müssen aber auch feststellen, dass der Bau des „Friedenskanals“ ein enormes Unterfangen, eine riesige Aufgabe darstellt, das bzw. die signifikante Auswirkungen für die Umwelt haben könnte, ohne notwendigerweise die Ursachen des sinkenden Pegels des Toten Meeres zu bekämpfen.

Deshalb ist unserer Ansicht nach ein recht vorsichtiger Ansatz erforderlich. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass unlängst eine Durchführbarkeitsstudie einschließlich einer Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben wurde. Es wurde ein multilateraler Treuhandfonds gebildet, in dessen Rahmen Frankreich, die USA, die Niederlande und Japan bereits feste Hilfezusagen unterbreiten.

Der Vertrag für die Durchführbarkeitsstudie wird voraussichtlich im kommenden Juli vergeben, die dann über zwei Jahre in Anspruch nehmen könnte. Die Kommission wird nach Veröffentlichung der Durchführbarkeitsstudie deren Ergebnisse sehr sorgfältig überprüfen und auf der Grundlage der darin gegebenen Empfehlungen die Europäische Investitionsbank konsultieren. Wir werden zum gegebenen Zeitpunkt auch das Parlament über unsere Überlegungen eingehend informieren.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). – (EL) Vielen Dank für Ihre Antwort, Frau Kommissarin, sowie für Ihr Engagement und ihre Effizienz, die Sie bei Ihrer Beschäftigung mit Entwicklungsfragen im Nahen Osten zeigen.

Sie haben nur allzu Recht, wenn Sie sagen, dass für ein solch großes Projekt eine Durchführbarkeitsstudie erforderlich ist, damit wir sehen können, inwieweit die Europäische Union selbst Verpflichtungen eingehen wird. Ich möchte Sie fragen, ob wir über Abschlussberichte zu den bislang umgesetzten Programmen verfügen, die es uns ermöglichen, uns mit den Ursachen auseinander zu setzen, denn wir kennen die Situation rund um den Jordan und wir wissen, in welchem Maße das Wasser Anlass für Streitigkeiten zwischen den Ländern der Region ist. Haben wir Informationen darüber, ob unsere Programme umgesetzt worden sind, und können wir einschätzen, was dadurch sowohl in wirtschaftlicher als auch diplomatischer Hinsicht sowie im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den Ländern erreicht worden ist?

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. (EN) Von anderen Studien ist mir derzeit nichts bekannt. Ich kann nur sagen, dass diese Durchführbarkeitsstudie offenbar einen Umfang von 15 Millionen Euro haben und dass sich die Kommission möglicherweise beteiligen wird. Das Gesamtprojekt wird einen Umfang von 3 Milliarden Euro haben. Es handelt sich um ein riesiges Projekt, und deshalb ist es meines Erachtens sinnvoll, im Vorfeld alles gründlich abzuklären. All das geschieht im Kontext des politischen Umfelds und einer politischen Lösung, und die Tatsache, dass sich die Möglichkeit einer Regierung der nationalen Einheit in Palästina abzeichnet, gibt derzeit Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Bleibt zu hoffen, dass wir wieder eine Art regionale Zusammenarbeit aufnehmen können – zumindest zwischen einigen Ländern und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Drücken wir also die Daumen und hoffen das Beste, aber ich denke, dass es im Moment positive Impulse gibt.

 
  
  

Zweiter Teil

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 44 von Alain Hutchinson (H-1072/06)

Betrifft: Vollständige Liberalisierung der Postdienste ab 1. Januar 2009

Am 18. Oktober nahm die Kommission den endgültigen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste KOM(2006)0594 endg. an. Dabei geht es um die vollständige Liberalisierung der Postdienste, d. h. um die Kleinsendungen unter 50 Gramm. Zwei Aspekte werden häufig bemängelt: die Entscheidung der Kommission, den 1. Januar 2009 als Tag des Inkrafttretens beizubehalten, obwohl bekannt ist, dass zahlreiche Mitgliedstaaten auf dieses Datum nicht eingestellt sind, und die Unangemessenheit der von der Kommission ins Auge gefassten und von zehn etablierten Erbringern von Postdiensten bemängelten Maßnahmen zur Finanzierung des Universaldienstes.

Wie steht die Kommission zu dieser Kritik? Hat sie sich konkret und eingehend mit den Auswirkungen der vollständigen Liberalisierung der Postdienste in Schweden befasst, wo diese bereits vor mehreren Jahren vorgenommen wurde? Kam es in Schweden zu einem Anstieg der Portokosten für Kleinsendungen und zu Verlusten an öffentlichen Arbeitsplätzen? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wie hoch ist der Grad der Zufriedenheit der Schweden nach der Liberalisierung? Ist die schwedische Erfahrung, die als konkretes Beispiel gesehen werden kann und kein bloßes Ergebnis einer Studie bzw. einer theoretischen Annahme oder ideologisch verbrämten Hypothese ist, als voller Erfolg zu werten?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Sowohl der Stand der Vorbereitung der Postmärkte auf die vollständige Öffnung als auch die Finanzierung der Universaldienste am offenen Markt wurden von der Kommission sehr aufmerksam und sehr sorgfältig analysiert.

Die Analyse der Kommission auf der Grundlage mehrjähriger Studien und kontinuierlicher und transparenter Diskussionen mit allen Betroffenen hat detaillierten Eingang in die vorbereitenden Dokumente der Kommission gefunden. Der Vorschlag für eine Richtlinie und die entsprechenden Begleitdokumente liegen dem Rat und dem Europäischen Parlament derzeit zur Diskussion vor. Es ist jetzt an Ihnen und den Mitgliedstaaten im Rat, eine Evaluierung vorzunehmen. Die Kommission hat die von dem Herrn Abgeordneten erwähnten schwedischen Erfahrungen ebenso berücksichtigt wie alle sonstigen Markt- und ordnungspolitischen Entwicklungen auf dem Postsektor. Es geht hier nicht darum, ein Werturteil zu einer oder zu allen diesen Entwicklungen abzugeben oder vorzuschlagen, das schwedische oder irgendein anderes Modell zu kopieren. Sondern es geht vielmehr darum zu zeigen, dass unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten existieren. Diese können entsprechend den jeweiligen konkreten Bedingungen der einzelnen nationalen Märkte umgesetzt werden, um die erforderliche Reform der Postdienste bei gleichzeitiger Gewährleistung eines effizienten Universaldienstes durchzuführen.

Es wäre anzumerken, dass die Marktöffnung in Schweden bei Gewährleistung des Universaldienstes abgeschlossen werden konnte, ohne dass eine Zusatzfinanzierung notwendig war. Die schwedische Regierung legte kürzlich eine ausführliche Studie zur Öffnung des schwedischen Postmarktes vor, deren Ergebnisse die von dem Herrn Abgeordneten geäußerten Befürchtungen nicht zu bestätigen scheinen.

Wie ich bereits sagte, ist die Kommission der Ansicht, dass es ohne die Vollendung der Postreform schwierig sein dürfte, die Effizienz und Qualität des Postdienstes weiter zu verbessern und langfristig die Wirtschaftlichkeit des Postsektors und der damit verbundenen Geschäftsmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu garantieren.

 
  
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  Alain Hutchinson (PSE). – (FR) Herr Kommissar! Danke für Ihre Antwort, die nach meinem Dafürhalten eher leerem Gerede ähnelt als einer wirklichen Antwort auf die Fragen, die ich Ihnen zur Liberalisierung der Postdienste gestellt habe. In der Anfrage erwähnte ich Lösungen, die durch den Untersuchungsausschuss zur Liberalisierung der Post geprüft werden. Wenn man von Lösungen spricht, gibt es ein Problem. Wir stellen heute fest, dass es bei der Briefpostzustellung – die jetzt auf der Tagesordnung steht – kein Problem gibt. Die Bürger sind zufrieden, die Zustellung funktioniert gut. Hingegen ist dort, wo die Briefpostzustellung liberalisiert wurde, wie in Schweden, die Gebühr teurer und der Service weniger gut.

Herr Kommissar, warum schließt die Kommission die Beibehaltung des reservierten Bereichs, wie wir ihn kennen, aus, der den Universaldienst für alle Europäer ermöglicht und gewährleistet, was nach den bisherigen Erfahrungen bei den Projekten, die Sie vorschlagen, sicher nicht der Fall sein wird.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Meinen Informationen zufolge funktionieren die Postdienste in Schweden jetzt besser als zuvor, und das ist auf den Wettbewerb zurückzuführen. Außerdem ist der durchschnittliche Preis für Postsendungen (von denen nur ein geringer Teil auf Postsendungen der Verbraucher entfällt), einschließlich von Geschäftspost an Verbraucher drastisch gesunken.

Der von uns vorgelegte Vorschlag bietet den Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Möglichkeiten, um ihrer Universaldienstverpflichtung gerecht zu werden. Sie werden feststellen, dass ich in Bezug auf die Universaldienstverpflichtung keinerlei Änderungen vorgenommen habe und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gebe, aus einer breiten Palette von Optionen die für sie sinnvollste zur Finanzierung auszuwählen.

Unser Paket dürfte all diejenigen, die diese Debatte verfolgen, nicht überraschen, denn diese Debatte und die Öffnung der Märkte laufen seit 15 Jahren, und dies hier ist der letzte Schritt in diesem speziellen Prozess.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE). – (EN) Herr Kommissar! Ich komme aus Finnland, wo der Postdienstleistungsmarkt so wie in Schweden ebenfalls liberalisiert wurde. Ich muss sagen, ich freue mich, dass jemand aus einem Land, in dem die Liberalisierung noch aussteht, das schwedische und finnische Modell als Beispiel für die positive Wirkung anführt, die die Liberalisierung des Postmarktes hatte.

Das einzige Problem, das wir in den Ländern festgestellt haben, in denen der Postdienst früher als in anderen Mitgliedstaaten liberalisiert wurde, bestand darin, dass die alten Monopolunternehmen aus den Mitgliedstaaten, in denen es noch einen Monopolmarkt gibt, versucht haben, Zugang zu unseren Märkten zu erlangen und die Liberalisierung auszunutzen. Das war eine sehr negative Folge der frühen Öffnung der Märkte.

Deshalb möchte ich die Kommission fragen, ob sie gedenkt, an dem Termin festzuhalten und die Märkte wirklich bis 2009 zu öffnen. In diesem Falle hätte sie unsere volle Unterstützung.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Ich freue mich, dass sich Frau Kauppi zu dieser Thematik geäußert hat, denn Finnland ist ein sehr dünn besiedeltes Land, und die Universaldienstverpflichtung wird dort ebenso wie in Schweden erfüllt. Diese Märkte profitieren von den Vorteilen des freien Wettbewerbs, und das gilt auch für die anderen Märkte, die ihren Postbereich geöffnet haben.

Wir haben die Absicht, am Termin 2009 festzuhalten, der in der Richtlinie zur Liberalisierung des Marktes von 2002 genannt wurde. Diese Richtlinie sah außerdem vor, dass die Kommission bis Ende 2006 Vorschläge zur Bestätigung oder Streichung des Termins 2009 sowie zu sonstigen Maßnahmen, die gegebenenfalls erforderlich sind, vorlegen würde, und das haben wir getan. Die Sache liegt jetzt in den Händen der Mitgesetzgeber im Parlament und im Ministerrat.

 
  
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  Hélène Goudin (IND/DEM). – (SV) Ich komme aus Nordschweden und kann sagen, dass die Liberalisierung in Schweden recht erfolgreich war, was unsere Städte betrifft. An anderen Orten ist jedoch der Staat zum Eingreifen gezwungen. Im nordschwedischen Pajala, wo ich wohne, haben wir beispielsweise eine Postrunde von 270 km Länge, an der nur 200 Haushalte liegen. Kann der Herr Kommissar garantieren, dass diese Haushalte mit einer gemeinsamen Richtlinie auch zukünftig ihre Post erhalten werden?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Ja, das kann ich, weil wir mit der Vorlage des Vorschlags entschieden haben, die Pflichten im Rahmen der Universaldienstverpflichtung vollständig beizubehalten. Es ist alles so wie im Vorschlag, der derzeit den Mitwirkungsbehörden vorliegt.

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Neben den schlechten Erfahrungen, die in Schweden gemacht wurden, gibt es zahlreiche andere Mitgliedstaaten, die der überhasteten Eile der Kommission negativ gegenüber stehen, und zehn große etablierte Erbringer von Postdiensten haben bereits schriftlich auf ernsthafte Gefahren hingewiesen.

Ich frage Sie direkt: Werden Sie diesen Widerständen Rechnung tragen oder dogmatisch auf dem Termin des 1. Januar 2009 bestehen?

Ich habe noch eine zweite Frage: Was werden Sie unternehmen, um zu gewährleisten, dass an dem Konzept eines universellen Postdienstes, der allen Bürgern zugänglich ist, keine Abstriche gemacht werden, zumal uns die Probleme, die es damit bereits in Schweden gibt, bekannt sind?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Ich habe in Beantwortung entsprechender Fragen wiederholt gesagt, dass wir an der Universaldienstverpflichtung absolut nichts ändern werden. Als wir unseren Vorschlag vorlegten, haben sich einige Leute für eine Veränderung oder Abschwächung der Auflagen im Rahmen der Universaldienstverpflichtung stark gemacht. Ich habe mich dagegen entschieden, und folglich hat sich absolut nichts an den Auflagen in Bezug auf die Universaldienstverpflichtung geändert. Soweit ich weiß und wie Frau Kauppi bestätigt hat, hat man in Schweden nur positive Erfahrungen gemacht.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 45 von Georgios Toussas (H-1085/06)

Betrifft: Missbräuchliche Praktiken der Banken

Die umfassenderen unpopulären Politiken der EU und der Regierungen der Mitgliedstaaten haben dazu geführt, dass unzulässige zinswucherische Praktiken der Banken gefördert werden, die von den Kreditnehmern und allgemeiner von den Beschäftigten in missbräuchlicher Weise äußerst hohe Geldbeträge erheben. Als typisches Beispiel sei genannt, dass die Bank von Griechenland Kreditinstitute aufgrund des Mangels an Transparenz und missbräuchlicher Praktiken mit einer Geldstrafe in Höhe von 25 Millionen Euro belegte, gleichzeitig flexiblere Sanktionen für ungedeckte Schecks einführte und sich weigerte, die mit Strafen belegten Banken zu nennen.

Welchen Standpunkt vertritt die Kommission im Hinblick darauf, den Massenmedien die Namen der Banken mitzuteilen, die von den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten aufgrund missbräuchlicher und unzulässiger Praktiken mit Strafen belegt wurden, damit Kreditnehmer und allgemeiner die Sparer informiert und bis zu einem gewissen Grad geschützt werden?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte dem Herrn Abgeordneten eingangs dafür danken, dass er uns auf die Probleme aufmerksam gemacht hat, denen sich die Verbraucher im Bereich des Privatkundenbankgeschäfts in Griechenland gegenübersehen.

Wir kennen die Bedenken bezüglich der Höhe der in Griechenland geltenden Zinssätze und haben mehrere schriftliche Fragen zu diesem Thema beantwortet. Wir haben in unseren Antworten auf eine Reihe von Initiativen verwiesen, die sich auf die Höhe der Zinsen im Privatkundengeschäft in Europa auswirken könnten. Dazu zählen Initiativen zu Hypothekar- und Verbraucherkrediten sowie die im Juni 2005 angelaufenen Sektoruntersuchungen in den Bereichen Unternehmensversicherung und Privatkundengeschäft von Banken. Diese Initiativen dürften zusammen mit anderen Initiativen, die im Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für den Zeitraum 2005 bis 2010 vorgesehen sind, den Wettbewerb und die Effizienz der Finanzdienstleistungsmärkte für Privatkunden verbessern und den europäischen Verbrauchern praktische Vorteile bringen.

In Beantwortung der konkreten Frage des Herrn Abgeordneten wäre festzustellen, dass wir Initiativen zur Erhöhung der Transparenz der europäischen Finanzmärkte unterstützen. Transparenz ist für die Verbraucher, die vollständige und genaue Informationen brauchen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, besonders wichtig. Im Bereich Wettbewerb gibt die Kommission die Namen von Banken bekannt, gegen die nach Abschluss eines Verfahrens wegen Verletzung der Wettbewerbsvorschriften ein Beschluss gefasst wird. Es gibt jedoch keine gemeinschaftlichen Regelungen, die die Bekanntgabe der Namen der Banken vorschreiben, die von den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten wegen unethischer und gesetzwidriger Praktiken mit Geldstrafen belegt wurden.

Wir werden die Höhe der Zinssätze vor dem Hintergrund unserer Initiativen zu den Finanzdienstleistungen im Privatkundengeschäft auch künftig überwachen, um zu gewährleisten, dass die Vorteile der Integration den europäischen Verbrauchern praktisch zugute kommen.

 
  
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  Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Rechtswidrige und missbräuchliche Praktiken der Banken nehmen den Medien zufolge, die sie täglich anprangern, immer mehr zu.

Das ist ein Aspekt des Problems. Es gibt jedoch noch einen anderen Aspekt: Die Europäische Zentralbank hat die Zinssätze im Jahre 2006 zweimal angehoben. Dementsprechend haben auch die Mitgliedstaaten ihre Zinssätze erhöht.

Was schließen wir daraus? Dass die Kluft zwischen den Zinssätzen für Spareinlagen und den Zinssätzen für Kredite zu Lasten der Kreditnehmer und der Arbeitnehmer generell größer wird.

Welche Maßnahmen gedenkt die Kommission zu unternehmen, um die Diskrepanz zwischen Sparzinsen und Kreditzinsen abzubauen?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Wie ich bereits in meiner Erwiderung sagte, wissen wir um die Bedenken bezüglich der Höhe der Zinssätze in Griechenland, und wir haben bereits mehrere schriftliche Fragen zu dieser Thematik beantwortet. Aber die Festsetzung der Zinssätze für das Privatkundengeschäft ist vor allem Sache der Finanzinstitutionen und unterliegt keinerlei Gemeinschaftsvorschriften und –regelungen.

Wie in früheren Erwiderungen bereits erläutert wurde, haben wir eine Reihe von Initiativen ergriffen, die sich auf die Höhe der Zinssätze für Privatkunden in Europa auswirken könnten. Dazu zählen Initiativen im Bereich der Hypothekarkredite und der Verbraucherkredite. Im Juni 2005 haben wir ferner sektorspezifische Wettbewerbsuntersuchungen in den Bereichen Unternehmensversicherung und Privatkundengeschäft der Banken eingeleitet.

Ja, es ist bekannt, dass die Zinssätze in Griechenland besonders hoch sind, aber für entsprechende Änderungen sind wir nicht zuständig und werden es voraussichtlich auch künftig nicht sein. In anderen Mitgliedstaaten, in denen ein schärferer Wettbewerbswind weht, sind die gegenüber den Verbrauchern erhobenen Zinsen drastisch gesunken. Ich kann dabei auf ganz persönliche Erfahrungen in meinem Heimatland verweisen. Als eine Privatkundenbank aus einem anderen Mitgliedstaat ankündigte, dass sie beabsichtigte, eine Niederlassung in dem Mitgliedstaat zu eröffnen, den ich am besten kenne, sind die Zinssätze urplötzlich gesunken.

 
  
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  David Martin (PSE). – (EN) Sicher sind dem Kommissar Berichte bekannt, denen zufolge die Europäische Kommission Zinsen in Millionenhöhe gezahlt hat, um die von der Hamas geführte Regierung in Palästina zu umgehen. Wird er im Interesse der Transparenz, für die sich die Kommission seinen Worten zufolge im Banksektor einsetzt, öffentlich bekanntgeben, wieso die Kommission derart hohe Gebühren zahlt und an welche Banken?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. – (EN) Ich bin nicht in der Lage, Ihre spezielle Frage zu beantworten, Herr Martin, aber ich werde das prüfen lassen.

 
  
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  Robert Evans (PSE). – (EN) Herr Kommissar! Ich möchte auf die missbräuchlichen Bankgebühren zurückkommen und Sie fragen, was Sie von den exorbitanten Gebühren halten, die einige Banken für grenzüberschreitende Geldüberweisungen in das Euro-Währungsgebiet berechnen. So kostet einen Briten eine Überweisung an eine Bank im Euro-Währungsgebiet bis zu zehnmal mehr, obwohl das natürlich alles ganz einfach per Computer-Knopfdruck erfolgt. Sind Sie auch der Meinung, dass die Gebühren exorbitant sind, und meinen Sie, dass die ganze Frage des grenzüberschreitenden Geldverkehrs etwas reguliert werden sollte, damit sie dem Grundsatz des freien Kapitalverkehrs innerhalb der EU entspricht?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Nun, wie der Herr Abgeordnete weiß, wäre das Projekt SEPA, also der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum, das große europäische Projekt in diesem Bereich. Das wird natürlich zunächst nur im Euro-Währungsgebiet Anwendung finden. Meine guten Manieren verbieten mir auszuführen, was in Großbritannien bezüglich des Euroraums getan werden sollte, aber ich bin natürlich davon überzeugt, dass die Antwort auf Ihre Frage „mehr Wettbewerb“ lautet.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 46 von Sarah Ludford (H-0007/07)

Betrifft: Geldwäsche

Die Verwaltungsbehörde der City of London hat vor kurzem glaubhaft festgestellt, dass der Kampf der Europäischen Union gegen Geldwäsche – und somit gegen die mögliche Finanzierung von Terroristen – mittels der Schaffung eines wirksamen Systems der Abschreckung und Aufspürung von Straftätern durch die inkonsequente, ungleiche und unangemessene Umsetzung der Zweiten Richtlinie über Geldwäsche von 2001 behindert wird.

Welche Strategie verfolgt die Kommission mit Blick auf die dritte Richtlinie über Geldwäsche, die 2007 umgesetzt werden soll, nun zur Durchsetzung der raschen, korrekten und einheitlichen Anwendung des EU-Rechts in diesem für alle Mitgliedstaaten so wichtigen Bereich, damit die Chancen zur Aufdeckung verdächtiger Transaktionen verbessert werden und gleichzeitig den Unternehmen und den ehrlichen Kunden möglichst wenig unnötige Kosten und bürokratischer Aufwand entstehen?

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Bekanntlich ist die dritte Richtlinie über Geldwäsche von den Mitgliedstaaten bis spätestens zum 15. Dezember 2007 vollständig in nationales Recht umzusetzen.

Diese Richtlinie verleiht unseren Maßnahmen im Kampf gegen die Finanzierung von Terroristen Nachdruck. Sie sieht einheitliche Vorschriften vor, nach denen die entsprechend verpflichteten Einrichtungen und Personen im Rahmen der Anwendung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden das Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in Betracht ziehen. Wir verfolgen eine Dreifachstrategie, um die Mitgliedstaaten bei der fristgerechten und ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie zu unterstützen.

Erstens haben wir im November 2006 einen ersten Umsetzungs-Workshop durchgeführt. Ziel dieser Veranstaltung waren der Meinungsaustausch sowie die Klärung von Auslegungsfragen oder sonstiger Probleme im Zusammenhang mit der Umsetzung.

Zweitens haben wir eine europäische Plattform zwischen den zentralen Meldestellen (FIU) eingerichtet. Dabei handelt es sich um nationale Behörden, deren Aufgabe es ist, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern und zu bekämpfen. Zu diesem Zweck nehmen sie von Kredit- und Finanzinstitutionen sowie ausgewählten Unternehmen und Berufsgruppen sonstiger Bereiche Meldungen über verdächtige Transaktionen entgegen und analysieren diese. Die FIU sind direkt an der Durchsetzung der Richtlinie beteiligt. Die europäische Plattform führt regelmäßige Treffen zum Zweck des Informationsaustauschs durch, bei dem es gerade auch um die Rückmeldung an die Meldestellen geht.

Drittens unterstützen wir die Arbeit der Task Force zur Bekämpfung der Geldwäsche, die der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden gemeinsam mit den europäischen Aufsichtsbehörden für Versicherungen und Wertpapiermärkte gebildet hat. Ziel dieser Task Force ist es, den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zwischen Aufsichtsbehörden im Finanzdienstleistungsbereich zu ermöglichen. Das ist für die einheitliche Umsetzung der Richtlinie in der gesamten Europäischen Union von entscheidender Bedeutung. Die Kommission spielt dabei eine Beobachterrolle.

 
  
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  Sarah Ludford (ALDE).(EN) Vielen Dank, Herr Kommissar! Da werden wohl sehr viele Informationen bei Ihnen einlaufen. Aber werden Sie einige Leitlinien veröffentlichen, um eine einheitlichere Anwendung zu gewährleisten? Denn im Moment haben wir die, wie mir scheint, denkbar ungünstigsten Bedingungen: ungleiche Ausgangsbedingungen für die Unternehmen und damit unterschiedliche Kosten; keinen einheitlichen Verbraucherschutz; z. B. in Bezug darauf, ob das in der Datenschutzrichtlinie vorgesehene Recht der Verbraucher auf Zugang zu Informationen durch die so genannten Tipping-off-Bestimmungen im Rahmen der Gesetze zur Bekämpfung der Geldwäsche, die zur Meldung von Verdachtsmomenten verpflichten, außer Kraft gesetzt wird und ob Banken kommerziell nützliche Fragen unter dem Vorwand, dass man seine Kunden ja kennen sollte, einfließen lassen.

Ich weiß Ihre Maßnahmen zu würdigen, aber wäre es nicht sinnvoll, einige Leitlinien zu veröffentlichen, die für mehr Einheitlichkeit sorgen könnten? Andernfalls wird das Chaos nur noch größer, wenn es an die Umsetzung der dritten Geldwäscherichtlinie geht.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Ich halte die Ausführungen der Frau Abgeordneten für recht vernünftig. Ich weiß von früheren Richtlinien, dass die Praxis in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt wird. Hinzu kommt, dass es innerhalb der Mitgliedstaaten möglicherweise Unterschiede zwischen den Finanzinstitutionen gibt – auch dessen bin ich mir bewusst, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass wir noch ganz am Anfang stehen. Ich weiß, dass wir bei der dritten Geldwäscherichtlinie angelangt sind, aber der Lernprozess geht weiter, und mithilfe der von uns eingeleiteten Prozesse, wie beispielsweise die Einsetzung der von mir erwähnten Gremien, können wir hoffentlich Bestlösungen entwickeln, und die Beteiligten können voneinander lernen.

Ich würde die Erarbeitung der von der Frau Abgeordneten angesprochenen Leitlinien nicht völlig ausschließen. Das wäre künftig denkbar und könnte entweder durch die Kommission oder eine von uns beauftragte Agentur im Rahmen all dieser Prozesse erfolgen. Wir haben uns jedoch, das wird die verehrte Abgeordnete verstehen, für einen risikobasierten Ansatz entschieden, der den Einrichtungen ein gewisses Maß an Flexibilität bietet, und das hat einige der eben erläuterten Probleme zur Folge.

Wenn wir uns andererseits für einen dirigistischeren Ansatz entschieden hätten, dann hätte eine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund der unterschiedlichen Kultur in diesem Bereich wahrscheinlich ewig gedauert. Bleibt zu hoffen, dass wir weiter lernen. Ich schließe eine künftige Initiative in diesem Bereich, die für mehr Einheitlichkeit sorgen würde, welche sich meines Erachtens jeder wünscht, nicht aus.

 
  
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  Der Präsident. Die Anfragen Nr. 47 und 48 werden schriftlich beantwortet.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 49 von Carl Schlyter (H-1081/06)

Betrifft: Verbot der Einfuhr von unter Missachtung des Völkerrechts gewonnenen Rohstoffen

Die Menschen von der Black Mesa (USA), Dineh- und Hopi-Indianer haben über 30 Jahre lang gegen den Kohleabbau auf ihrem Territorium mit allen damit verbundenen Folgen gekämpft.

Zu Beginn dieses Jahres wurden das Kohlenbergwerk und die Wasserleitung, die aus dem einzigen Wasserreservoir der Indianer gespeist wurde, geschlossen. Leider war die Freude von kurzer Dauer, denn nun ist geplant, den Abbau wieder aufzunehmen und sogar auszuweiten, was mit entsprechenden Zwangsumsiedlungen einhergeht.

Der Berg Black Mesa ist für diese Menschen heilig, und was hier geplant ist, ist etwa so, wie wenn ein Unternehmen Notre Dame in Paris als Steinbruch benutzen würde (der Berg wird als eine Frau angesehen). Verstößt dies nicht gegen den Grundsatz der Religionsfreiheit, wenn das Heiligtum einer Religion einfach abgetragen wird?

Beabsichtigt die Kommission, die Einfuhr von Rohstoffen zu verbieten, die unter Missachtung des Völkerrechts gewonnen wurden, und in Verbindung damit ein Einfuhrverbot gegen Produkte der beteiligten Unternehmen zu verhängen, falls diese die ausgeweitete Bergwerkstätigkeit tatsächlich aufnehmen?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich möchte dem Herrn Abgeordneten für diese Frage danken. Die Europäische Union ist bestrebt, die 1993 anlässlich der Weltkonferenz über Menschenrechte in Wien bekräftigte Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte – der zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte – aufrechterhalten.

Soweit die Kommission weiß, wollen die Dineh- und Hopi-Indianer ihre Identität bewahren, indem sie die Bergbauaktivitäten auf ihrem Territorium kontrollieren. Obwohl die Kommission nicht davon überzeugt ist, dass der Betrieb eines Kohlenbergwerks Völkerrechtsinstrumente zum Schutz der Religionsfreiheit verletzt, nimmt sie dennoch die Rechte indigener Völker sehr ernst, wie dem Arbeitsdokument der Kommission über indigene Völker von Mai 1998 zu entnehmen ist.

Die Kohleerzeugung in den USA unterliegt jedoch der Umweltgesetzgebung, und das gesamte Problem der entsprechenden Rechte fällt in die Zuständigkeit der US-Regierung. Zu dem allgemeineren Problem in Bezug darauf, ob Einfuhrverbote für Kohle zum Schutz der Rechte von Menschen in bestimmten Gebieten beitragen könnten, wäre festzustellen, dass es schwierig wäre, die genaue Herkunft der in die Europäische Union eingeführten Kohle zu ermitteln. Folglich wäre ein Verbot dieser Art in der Praxis nur schwer durchzusetzen.

 
  
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  Carl Schlyter (Verts/ALE). – (SV) Außerdem gibt es die Resolution 2 des UNO-Menschenrechtsrats von 2006, in der das Recht der indigenen Völker auf Heiligtümer deutlich hervorgehoben wird. In diesem Fall stellt der gesamte Berg, und vor allem das in ihm enthaltene Wasser, das Heiligtum dar. Große Mengen Wasser werden zum Transport der Kohle in einer Pipeline verwendet, was bedeutet, dass sowohl die Kohle als auch das Wasser in einer Weise aus diesem Heiligtum gewonnen werden, die die Indianer ihrer Rechte als indigene Völker beraubt. Ich weiß nicht, ob wir gegenwärtig Kohle aus diesem Berg in Europa haben. Zurzeit werden Untersuchungen zu einer möglichen Ausweitung der Bergbauaktivitäten durchgeführt.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission versteht sehr gut, dass die Region, in der die Dineh- und Hopi-Indianer leben, für deren Religion von großer Bedeutung ist, und ich behaupte nicht das Gegenteil. Wir wissen auch, dass ihre Rechte durch die amerikanische Verfassung geschützt werden. Daher sind grundsätzlich die Gerichte der USA für diese Angelegenheit zuständig, und es ist nicht unsere Aufgabe einzugreifen. Ich möchte wiederholen, was ich bereits sagte, dass nämlich Einfuhrverbote der vorgeschlagenen Art nach Ansicht der Kommission keine geeignete Lösung für dieses Problem darstellen. Ein Einfuhrverbot wäre wirkungslos, wenn die fragliche Kohle in andere Länder als die der Europäischen Union exportiert würde, was zweifellos der Fall wäre. Folglich hätten unsere Sanktionen unserer Ansicht nach keine spürbaren Auswirkungen auf die konkrete Situation dieser indigenen Völker.

 
  
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  Der Präsident. Da der Fragesteller nicht anwesend ist, ist die Anfrage Nr. 50 hinfällig.

 
  
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  Der Präsident. Da sie dasselbe Thema betreffen, werden die folgenden Anfragen gemeinsam behandelt:

Anfrage Nr. 51 von Brian Crowley, vertreten von Sean Ó Neachtain (H-0030/07)

Betrifft: Welthandelsgespräche

Kann die Kommission sich dazu äußern, wie wahrscheinlich eine ernsthafte Wiederaufnahme der Doha-Runde der Welthandelsgespräche in nächster Zukunft ist?

und

Anfrage Nr. 52 von Pedro Guerreiro (H-0069/07)

Betrifft: Verhandlungen im Rahmen der WTO

In mehreren Berichten der Vereinten Nationen wird angeprangert, dass die Unterschiede beim Einkommen, in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht, zwischen einzelnen Ländern und innerhalb der Länder in den letzten Jahren größer geworden sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund gleich bleibend hoher oder noch ansteigender Armuts- und Arbeitslosigkeitsindikatoren, während gleichzeitig festgestellt wird, dass die Gewinne der multinationalen Großunternehmen und die Konzentration des Reichtums wachsen – eine Realität, die offenkundig mit der weltweit zunehmenden Liberalisierung des Handels und der Kapitalflüsse zu tun hat.

Welche Vorschläge und welchen Zeitplan unterbreitet die Kommission im Zusammenhang mit den jüngsten Kontakten zwischen dem EU-Ratsvorsitz, der Europäischen Kommission und der US-Administration im Hinblick auf die Verhandlungen im Rahmen der WTO, die sich derzeit in einer Sackgasse befinden, insbesondere in Bezug auf Landwirtschaft, nicht-landwirtschaftliche Erzeugnisse (einschließlich Textil und Bekleidung) und Dienstleistungen?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte das Haus eingehend über den Stand der Dinge in Bezug auf die Welthandelsgespräche informieren.

Das Treffen der WTO-Handelsminister, das im Januar in Davos stattfand, signalisierte die offizielle Wiederaufnahme der Arbeit aller Verhandlungsgruppen in Genf. Dem war eine Erneuerung des politischen Engagements für die Verhandlungen auf oberster Ebene – auch durch Präsident Bush – vorausgegangen. Ich halte das für glaubwürdig und meine, dass nunmehr wieder politisch in diesen Prozess investiert wird, was neue Möglichkeiten für eine erfolgreiche Lösung schafft. Ausgehend davon kündigte der Generaldirektor der WTO am 31. Januar im Trade Negotiating Committee an, dass die Verhandlungen in Genf in allen Verhandlungsgruppen auf multilateraler Ebene wieder aufgenommen werden sollten.

Dreh- und Angelpunkt bleiben die Agrarsubventionen. Doch Fortschritte im Bereich der Agrarwirtschaft müssen vernünftige Verpflichtungen zur Senkung der Zollsätze für Industriegüter und schließlich konkrete Marktöffnungszusagen in Bezug auf den Dienstleistungshandel auslösen. In diesen Bereichen erwarten wir ein sinnvolles und wesentliches Entgegenkommen seitens der Schwellenländer in der G-20-Gruppe, ohne das es nicht möglich sein wird, die Runde abzuschließen.

Gleichzeitig ist Bewegung in die amerikanische Verhandlungsbereitschaft gekommen, aber es lässt sich noch nicht absehen, welche neue Senkung der handelsverzerrenden Agrarsubventionen sie vorzuschlagen gedenken. Für die von uns angestrebten Fortschritte ist das aber unverzichtbar. Die US-Handelsbeauftragte Susan Schwab versucht, dem demokratisch geführten Kongress entgegenzukommen, um einige der erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen und zu prüfen, wie sie dessen Auflagen für eine Verlängerung der Sonderermächtigung der Regierung (Trade Promotion Authority) erfüllen kann, aber bisher hat sie noch nicht den entscheidenden Schritt getan, um eine Einigung mit dem Kongress oder eine Annäherung an die Standpunkte der amerikanischen Handelspartner zu wichtigen Aspekten der laufenden Verhandlungen zu erzielen.

Der von der amerikanischen Regierung letzte Woche vorgelegte vorläufige Vorschlag für ein Farm Bill ist zu begrüßen, aber in diesem Zusammenhang etwas enttäuschend. Wenn die WTO-Gespräche Erfolg haben sollen, dann müssen die USA das neue Farm Bill mit ehrgeizigeren Kürzungen der handelsverzerrenden Subventionen und entsprechenden Regelungen, wie im Rahmen der Doha-Runde ausgehandelt, untersetzen.

In Bezug auf Fristen ist der amerikanische Fahrplan etwas klarer. Substanzielle Fortschritte in Kernfragen der Doha-Entwicklungsagenda bilden die Plattform, auf der sich die Bush-Regierung nach eigener Auskunft vor Ablauf der TPA-Ermächtigung im Juni um eine neue Ermächtigung bzw. deren Verlängerung bemühen werde. Dazu sind in den kommenden Monaten wesentliche Fortschritte zu den wichtigsten Punkten der Verhandlungen erforderlich.

Es liegt in unserem Interesse, die sich derzeit für einen Abschluss bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Meines Erachtens sollten wir uns jetzt mit Nachdruck um eine Lösung bemühen, da ein Aufschub bis zum Sommer oder darüber hinaus keine realistische Option darstellt. Wir würden angesichts der Ungewissheit in den USA und andernorts riskieren, dass die schwachen Impulse wieder erlahmen. Diese Einschätzung entspricht dem Standpunkt des Europäischen Rates, wie er in der Zusammenfassung der Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ am Montag durch den Ratsvorsitz zum Ausdruck kommt. Ein Ergebnis in Bezug auf die Doha-Entwicklungsagenda wäre aus ökonomischer und politischer Sicht wünschenswert und käme dem internationalen System zugute, und deshalb werden wir uns in den Verhandlungen auch weiterhin konstruktiv, aber konsequent um eine Lösung bemühen.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN), Ionadaí don údar. – Ba mhaith liom ceist a chur ar an gCoimisinéir, an bhfuil i gceist aige agus ag an gCoimisiún níos mó gearradh siar a dhéanamh ar an dleacht a chuirtear ar tháirgí feola a thagann isteach san Aontas Eorpach chun an Margadh Trádála Domhanda a luaigh sé a bhaint amach?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Die Kommission unterbreitete im Oktober 2005 ein umfassendes Angebot, das sämtliche Aspekte der Agrarverhandlungen betraf. Im Sommer 2006 erläuterte ich den Spielraum, den wir im Rahmen unseres Mandats hatten, um unser Angebot zu verbessern, vorausgesetzt, unsere Verhandlungspartner im Bereich Landwirtschaft wie auch in anderen Bereichen würden uns entsprechend entgegenkommen.

Wir sind der festen Überzeugung – und ich spreche hier im Sinne meiner Kollegin Frau Fischer Boel, der Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung –, dass ein derart aufgestocktes Angebot, sollte es durch das Verhalten unserer Verhandlungspartner gerechtfertigt sein, den Rahmen unseres Mandats nicht sprengen würde, wobei dieses Mandat aus den Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik resultiert, die wir 2003 vereinbart haben und seither umsetzen.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Ich möchte die folgende Frage stellen, die mit der letzten Antwort zusammenhängt. Plant die Europäische Kommission neue Zugeständnisse im Agrarsektor, damit bei den Verhandlungen in Genf – die ja wohl, da ihre Eröffnung bekannt gegeben worden ist, wieder aufgenommen wurden – letztendlich eine Übereinkunft über ein globales Paket erzielt werden kann, das, wie Sie sagten, die Frage der Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen einschließt?

Zudem möchte ich die Kommission auffordern, etwas dazu zu sagen, wie die auf Ratsebene erzielte Übereinkunft, künftig Freihandelszonen mit den Schwellenländern in Asien einzurichten, mit der derzeitigen Eröffnung von Verhandlungen im Rahmen der WTO zu vereinbaren ist?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Der letzte Punkt ist derzeit nicht Bestandteil der Verhandlungen im Rahmen der WTO-Runde. In Beantwortung der vorhergehenden Frage kann ich dazu ganz klar Folgendes sagen: Um zu den anderen Abschnitten der Verhandlungen zu gelangen, zu den Gesprächen, die mit dem größten ökonomischen und entwicklungspolitischen Nutzen für die Weltwirtschaft und vor allem für die Entwicklungsländer verbunden sein werden – nämlich Industriezölle, Liberalisierung der Dienstleistungen, Stärkung der Handelsregeln und vor allem Handelsförderung – müssen wir zunächst aus der Sackgasse im Bereich der Agrarwirtschaft herausfinden, in der diese Verhandlungen nun schon seit vielen Monaten stecken.

Dazu brauchen wir von den USA einen eindeutigen Hinweis auf die Richtung, die ihre Politik in Bezug auf handelsverzerrende Agrarsubventionen einschlagen wird. Solange das nicht klar ist, können die USA keine klaren Antworten auf ihre Fragen bezüglich des Marktzugangs für Agrarprodukte erhalten, denn es liegt auf der Hand, dass die Entwicklungsländer auf die Frage der USA und anderer landwirtschaftlich hoch entwickelter Länder, wie weit sie ihre Märkte für Agrarerzeugnisse aus den USA und anderen Ländern öffnen werden, erwidern werden: „Tja, was importieren wir eigentlich? Wofür sollen wir unsere Märkte öffnen? Für Agrarerzeugnisse oder Subventionen des amerikanischen Schatzamtes?“

Das ist für die Entwicklungsländer eine durchaus vernünftige Frage, und deshalb wird es erst dann, wenn wir etwas klarer und zuverlässiger über die Absichten der USA in Bezug auf Agrarsubventionen Bescheid wissen, einfacher sein, auch eine Antwort auf andere Fragen im Rahmen der anderen Agrarsäulen der Verhandlungen – Marktzugang und Exportwettbewerb – zu finden und uns damit den wichtigen Verhandlungen in den anderen Sektoren dieser Gespräche zuzuwenden.

Wie ich bereits in meinen einführenden Bemerkungen feststellte, bin ich der Ansicht, dass die USA durchaus Entgegenkommen zeigen. Sie bemühen sich gegenüber dem Kongress und ihren Verhandlungspartnern um Fortschritte bei den Gesprächen, aber ein klares, konkretes neues Angebot zu den Agrarsubventionen steht noch immer aus, und solange das der Fall ist, wird es anderen schwer fallen, ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten.

 
  
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  David Martin (PSE). – Herr Kommissar! Darf ich Ihnen zunächst zu Ihrer Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit gratulieren, mit der Sie sich um die Wiederaufnahme dieser Gespräche bemühen, die eigentlich nicht mehr zu retten waren.

Sie haben sich ganz zu Recht auf den Marktzugang für Agrarerzeugnisse, Nicht-Agrarerzeugnisse und Dienstleistungen konzentriert. Aber sind Sie nicht auch der Ansicht, dass dies der geeignete Zeitpunkt wäre, um eine den Handel fördernde Aid-for-Trade-Initiative ins Leben zu rufen, um die Entwicklungsländer, über die Sie gesprochen haben, an das globale Handelsnetz anzuschließen? Wie Sie ganz richtig sagten, befürchten viele dieser Länder, dass sich die Marktöffnung zu einer Einbahnstraße entwickelt, so dass sie zwar mehr importieren, aber nicht notwendigerweise mehr exportieren. Sollten wir ihnen nicht diese Sorge nehmen und sie besser zur Teilnahme am globalen Handelssystem befähigen?

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Ich danke dem Herrn Abgeordneten dafür, dass er diesen Punkt angesprochen hat, denn er ist für das Selbstvertrauen, mit dem gerade die ärmeren, bedürftigeren Entwicklungsländer ihre schrittweise Integration in die internationale Wirtschaft angehen, von grundlegender Bedeutung. Meines Erachtens wird das eine Bedingung dafür sein, dass sie das Endresultat – den Ausgang dieser Verhandlungen – unterstützen werden.

Die Kommission setzt sich im Namen der Europäischen Union schon seit langem sehr konsequent für die Aid-for-Trade-Hilfe ein. Ich freue mich feststellen zu können, dass auf der Ministerkonferenz in Hongkong eine klare Verpflichtung abgegeben wurde, die nicht Teil der Gesamtverpflichtung ist. Ich hoffe, dass andere Vertreter der entwickelten Welt in der Lage sein werden, sich ähnlich stark wie wir zu engagieren, um das Programm und die dafür erforderlichen Ressourcen Realität werden zu lassen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Bedeutung des zollfreien und quotenfreien Zugangs der am wenigsten entwickelten Länder in der WTO zu den Märkten anderer hervorheben. Das ist eine Verpflichtung, die wir für einen sehr langen Zeitraum eingegangen sind, und wir fordern sowohl andere entwickelte Länder als auch die Schwellenländer auf, unserem Beispiel im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu folgen. Ein angemessener Aufwand bei den Welthandelsgesprächen würde für mehr Fairness und einen angemessenen Nutzen für jene sorgen, die in den Entwicklungsländern am meisten darauf angewiesen sind.

 
  
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  Der Präsident. Die Anfragen Nr. 53 und 54 werden schriftlich beantwortet.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 55 von Bernd Posselt (H-1067/06)

Betrifft: Ländliche Entwicklung im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet

Wie beurteilt die Kommission die Chancen für die ländliche Entwicklung im Grenzgebiet zwischen Bayern und Böhmen, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders gelitten hat, und zwar sowohl auf der deutschen als auch auf der tschechischen Seite? Inwieweit umfassen Programme zur ländlichen Entwicklung auch kulturelle Projekte?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Im Programmplanungszeitraum 2000 bis 2006 wurden in Bayern 1,6 Milliarden Euro aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft bereitgestellt. Im nächsten Programmplanungszeitraum von 2007 bis 2013 wird sich dieser Betrag auf annähernd 1,3 Milliarden Euro in Form von Geldern aus der Europäischen Union belaufen. Diese Mittel stehen zur Förderung der ländlichen Gebiete in Bayern bereit.

Zu den durchgeführten Maßnahmen zählen die Dorferneuerung, die Förderung verschiedener Fremdenverkehrsaktivitäten und die Unterstützung von Landwirten, die in benachteiligten Gebieten tätig sind.

Im zurückliegenden Programmplanungszeitraum haben die Menschen in den Grenzgebieten zur Tschechischen Republik maßgeblich von der Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen im Rahmen des Programms für die ländliche Entwicklung Bayerns profitiert, und das wird auch im nächsten Programmplanungszeitraum der Fall sein.

Der Entwurf für das neue operationelle EFRE-Programm für Bayern für den Zeitraum 2007-2013 widmet den ländlichen und strukturschwachen Gebieten an der Grenze zur Tschechischen Republik besondere Aufmerksamkeit. Die bayerischen Behörden haben vorgeschlagen, von dem EFRE-Beitrag in Höhe von insgesamt 575 Millionen Euro über 300 Millionen Euro auf diese Gebiete zu konzentrieren, einschließlich einer Sonderzuweisung in Höhe von 84 Millionen Euro allein für die Grenzgebiete. Diese Gelder sind für Kofinanzierungsvorhaben zur Förderung u. a. des Fremdenverkehrs und verschiedener kultureller Aktivitäten bestimmt.

Im Zeitraum 2004 bis 2006 wurden im Rahmen des laufenden EAGFL insgesamt fast 85 Millionen Euro einschließlich tschechischer Beiträge in den tschechischen Grenzregionen ausgegeben, und daran wird deutlich, dass die Aufnahmekapazität tatsächlich sehr groß ist. Die Kommission ist der Ansicht, dass sich diese Tendenz auch während des nächsten Programmplanungszeitraums von 2007 bis 2013 fortsetzen wird.

Der Entwurf für den ländlichen Entwicklungsplan für die Tschechische Republik, für den annähernd 50 Millionen Euro aus dem EFRE vorgesehen sind, umfasst auch Maßnahmen zur Förderung des kulturellen Erbes. Ferner umfasst das am 1. Januar 2007 angelaufene INTERREG-Programm für den bayerisch-tschechischen Grenzraum einen Etat in Höhe von 115 Millionen Euro. Dieses Programm, das der Kommission eben erst offiziell vorgelegt wurde, erstreckt sich sowohl auf die ländliche Entwicklung als auch die Förderung verschiedener kultureller Maßnahmen.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE). – Frau Kommissarin! Ich danke Ihnen für diese sehr präzisen Ausführungen. Ich möchte nur kurz zwei Punkte zur Ergänzung ansprechen. Erstens: Wie sehen Sie die Frage des kulturellen architektonischen Erbes? Ist auch die Erneuerung von historischen Gebäuden im tschechischen Grenzland Teil dieses Programms, also des architektonischen Erbes? Zweitens: Wie sehen Sie den Bereich des Kultur- und Jugendaustausches über die Grenzen hinweg, vor allem, was die Menschen im Grenzland und auch die Minderheiten betrifft. Es gibt ja den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Können Sie sich vorstellen, dass es hier Kooperationen geben könnte?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Zunächst denke ich, dass ich in meiner ersten Antwort deutlich gemacht habe, dass Mittel zur Förderung des kulturellen Erbes zur Verfügung stehen. Das ist meines Erachtens eine sehr wichtige Frage, die von den beiden Regionen auch in Betracht gezogen wird. Es gibt Möglichkeiten im Rahmen der Subsidiarität, die unserer Ansicht nach in unserer ländlichen Entwicklungspolitik ein zentrales Anliegen darstellt, und im Rahmen der dritten Achse dieser Politik könnten Wünsche speziell zur Förderung dieser Sektoren in den verschiedenen Regionen berücksichtigt werden.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE). – (LT) Das ist meines Erachtens eine wirklich wichtige Frage, zumal ja die Tschechische Republik, Böhmen und Deutschland ein halbes Jahrhundert lang voneinander getrennt waren. Ich denke, dass die Regionen, die während des Kalten Krieges abgeschnitten waren, besondere Aufmerksamkeit und Mittel verdienen, damit sie wieder zusammenwachsen können. Gleiches lässt sich auch über die litauisch-polnische Grenze sagen, die im 20. Jahrhundert gezogen wurde und zwei Länder trennte, die im Mittelalter ein einziges Land waren.

Was halten Sie von dem Vorschlag, dass der Wiederzusammenführung dieser Regionen, die während des Kalten Krieges isoliert waren, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Meines Erachtens ist es unbedingt erforderlich, dass wir in unseren ländlichen Entwicklungsprogrammen die Subsidiarität erhalten, weil dies den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, über Prioritäten selbst zu entscheiden. Wir prüfen derzeit die neuen Programme für den nächsten Finanzierungszeitraum (2007-2013), und wir werden dann eine sehr genaue Vorstellung von der Bedeutung dieser speziellen Gebiete haben. Sie haben ganz Recht. In einigen Grenzregionen gibt es spezielle Interessen, und ich bin sicher, dass diese in den Programmen der verschiedenen Mitgliedstaaten entsprechende Berücksichtigung finden werden.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 56 von Georgios Papastamkos (H-1084/06)

Betrifft: Überprüfung des ordnungspolitischen Rahmens für De-minimis-Beihilfen

Am 12.12.2006 kündigte die Kommission eine Änderung des ordnungspolitischen Rahmens für De-minimis-Beihilfen an. Demzufolge soll der Geltungsbereich der Regelung auf die Vermarktung und die Verarbeitung von Agrarerzeugnissen ausgedehnt werden.

Welche sind die konkreten Voraussetzungen dafür, dass Beihilfen für Unternehmen, die Agrarerzeugnisse vermarkten und verarbeiten, unter die De-minimis-Regelung fallen? In welchem Verhältnis steht dieser ordnungspolitische Rahmen zu den besonderen Regeln für die Landwirtschaft – auf deren Grundlage die Landwirtschaft in der Vergangenheit vom Geltungsbereich der Regelungen für De-minimis-Beihilfen ausgeschlossen wurde? Wo liegen die Grenzen für die Kumulierung von De-minimis-Beihilfen mit staatlichen Beihilfen? Welche Auswirkungen wird dieser flexiblere ordnungspolitische Rahmen voraussichtlich auf die Entwicklung der Landwirtschaft in der EU und insbesondere in Griechenland haben?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Unternehmen, die die in Anhang 1 EG-Vertrag aufgeführten Agrarerzeugnisse verarbeiten und vermarkten, haben Anspruch auf De-minimis-Beihilfen bis zu einer Höhe von 200 000 Euro über einen Zeitraum von drei Haushaltsjahren, vorausgesetzt natürlich, dass eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden.

Bis zum 1. Januar 2007 wurden die De-minimis-Beihilfen für die Verarbeitung und Vermarktung von der Verordnung (EG) Nr. 1860/2004 der Kommission geregelt und auf 3 000 Euro je Empfänger innerhalb von drei Jahren begrenzt, wobei die für jeden Mitgliedstaat festgelegten Gesamtbeträge nicht überschritten werden durften.

Der Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von Agrarerzeugnissen wurde aufgrund seiner Ähnlichkeiten mit dem Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von nicht-landwirtschaftlichen Erzeugnissen in den Geltungsbereich des neuen ordnungspolitischen Rahmens aufgenommen.

Im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von Agrarerzeugnissen können De-minimis-Beihilfen mit staatlichen Beihilfen kumuliert werden, vorausgesetzt dass die Beihilfeintensität für Maßnahmen, die durch staatliche Beihilfen gefördert werden, nicht überschritten wird.

Mit den neuen und flexibleren Vorschriften für De-minimis-Beihilfen werden Griechenland so wie alle anderen Mitgliedstaaten in der Lage sein, Beihilfen viel rascher zu gewähren, weil De-minimis-Beihilfen nicht mehr gemeldet werden müssen. Es werden günstigere Bedingungen gelten als die in anderen Vorschriften für staatliche Beihilfen vorgesehenen Bedingungen. Diese Flexibilität wird der Entwicklung des Agrarsektors in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugute kommen.

 
  
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  Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Kommissar! Ich möchte Ihnen zu dem Vorschlag, einen neuen ordnungspolitischen Rahmen einzuführen, gratulieren. Ich halte die Ausnahmeregelung für die kleinen und mittleren Agrarbetriebe für außerordentlich wichtig.

Könnten Sie die einzelnen Punkte zu den De-minimis-Beihilfeobergrenzen für kleine Agrarbetriebe in entlegenen Gebieten und auf den Ägäischen Inseln sowie die Punkte im Zusammenhang mit der schnelleren Bereitstellung von Beihilfen für Landwirte, die Verluste durch schlechtes Wetter erlitten haben, noch näher erläutern?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Die Ähnlichkeiten mit anderen Produktionsbereichen waren eindeutig der Grund dafür, weshalb wir die dafür geltenden Bedingungen auf die Verarbeitung und Vermarktung von Agrarerzeugnissen ausgedehnt und die Möglichkeit geschaffen haben, über einen Zeitraum von drei Haushaltsjahren Beihilfen bis zu 200 000 Euro in Anspruch zu nehmen.

Wir machen keinen Unterschied zwischen kleineren und größeren Unternehmen. Die einzige Bedingung ist die, dass es sich nicht um Primärproduktion handeln darf. Folglich können diese 200 000 Euro nicht zur Förderung eines Primärerzeugers oder Landwirts verwendet werden. Für Landwirte gelten nach wie vor die derzeitigen Regelungen, d. h. sie haben Anspruch auf De-minimis-Beihilfen bis zu 3 000 Euro unter denselben Bedingungen über einen Zeitraum von drei Jahren. Wir werden uns aber Ende 2008 mit der alten De-minimis-Regelung für den Agrarsektor befassen.

 
  
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  Paul Rübig (PPE-DE). – Herr Präsident, sehr geehrte Frau Kommissarin! Eine der wirklichen Herausforderungen ist das Energiekonzept bis zum Jahr 2010. Es gibt Vorschläge für eine Beimengung von 10% Bioethanol, Biodiesel und erneuerbare Energie. Hier werden wir dringend Produktionsanlagen für die Aufbereitung brauchen. Glauben Sie, dass die De-minimis-Regelungen auch für diese Fortschritte verwendet werden könnten?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Für die Primärerzeuger erneuerbarer Energien, also die Landwirte, haben wir einen speziellen Anreiz in Höhe von 45 Euro je Hektar geschaffen, sofern eine vertragliche Bindung zur Erzeugung erneuerbarer Energien eingegangen wird. Wir haben diese Problematik mit den neuen Mitgliedstaaten diskutiert, und sie wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2007 in dieses Programm aufgenommen.

Will man beispielsweise auf Betriebsebene in Bioenergie investieren, dann könnte man prüfen, welche Möglichkeiten die erste und zweite Säule der ländlichen Entwicklungspolitik im Hinblick auf Wettbewerb und Umwelt bieten. Für die Förderung im Bereich Energie gibt es also verschiedene Möglichkeiten.

 
  
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  Der Präsident.

Anfrage Nr. 57 von José Manuel García-Margallo y Marfil (H-1088/06)

Betrifft: Entwurf für die Reform der GMO für Obst und Gemüse

Mit dem Verordnungsvorschlag über die Reform der GMO für Obst und Gemüse wird die derzeitige Regelung für die Verarbeitung bestimmter Zitrusfrüchte (Verordnung (EG) 2202/96(1)) geändert und in eine flächengebundene entkoppelte Beihilfe umgewandelt, die in der einmaligen Zahlung enthalten ist (Verordnung (EG) 1782/2003(2)), die, nach Anrechnung des Beihilfebetrags für die gesamte Zitrusanbaufläche jedes einzelnen Mitgliedstaats zur Folge hat, dass für einen Hektar Zitrusanbaufläche in Italien etwa 700 Euro, in Griechenland etwa 600 und in Spanien ungefähr 300 Euro gezahlt werden.

Hat die Kommission angesichts der Tatsache, dass das Beihilfeniveau für den Obst- und Gemüseanbau sehr gering ist und unter jenem anderer Gemeinschaftssektoren liegt, berechnet, ob innerhalb der globalen Unterstützungsmaßnahme für den Obst- und Gemüsesektor nicht ausreichend Spielraum besteht, um diese gekoppelte Beihilfe in ihrer derzeitigen Form aufrecht zu erhalten? Aufgrund welcher technischen Informationen plant sie, falls ein solcher Spielraum besteht, die Änderung der derzeitigen Regelung und ihre Umwandlung in entkoppelte Beihilfen?

Hat die Kommission eine Analyse der Folgen der Entkoppelung der Beihilfen im Saftsektor der Gemeinschaft und über die möglichen Auswirkungen auf die Höhe der Preise und die aus Drittländern, namentlich aus Brasilien, eingeführten Saftmengen durchführen lassen?

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Die Kommission möchte den Herrn Abgeordneten daran erinnern, dass der Obst- und Gemüsesektor in Einklang mit der reformierten gemeinsamen Agrarpolitik gebracht werden muss, also mit den 2003 eingeleiteten Reformen. Die Einbeziehung des Obst- und Gemüsesektors in die einheitliche Betriebsprämienregelung würde die Marktorientierung des Sektors erhöhen und eine gewisse Einkommensstabilität für die Erzeuger bewirken.

Der Herr Abgeordnete hat eine Beihilfeverteilung im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung vorausgesagt, die im Moment noch niemand absehen kann, da sie sich nach dem für den jeweiligen Mitgliedstaat gültigen System richtet, welches variieren kann. Die Zuteilung der Beihilfe richtet sich nach den von den Mitgliedstaaten nach objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien vergebenen Rechten.

Dem Vorschlag sind verschiedene Initiativen vorausgegangen. Im Jahre 2004 legte die Kommission eine Mitteilung vor, auf deren Grundlage der niederländische Ratsvorsitz das weitere Vorgehen festlegte. Im Mai 2005 legte das Europäische Parlament dann einen Initiativbericht vor.

Heute sind bei der Kommission mehrere Evaluierungsstudien zu diesem Sektor eingegangen. Es wurde ein Dokument zur Folgenabschätzung erarbeitet, die auch eine umfassende Konsultation der Öffentlichkeit vorsieht. Die Mehrzahl der teilnehmenden Organisationen sprach sich für die Fortsetzung der Unterstützung für Erzeugerorganisationen aus. Eine bessere Verbrauchsförderung für den Sektor war ebenfalls ein zentrales Anliegen.

In Bezug auf die Entkoppelung gehen die Meinungen je nach Erzeugnis auseinander. Einige Teilnehmer halten sie für den richtigen Ansatz für die Managementprobleme und Unterschiede in der Behandlung, die den Sektor heute kennzeichnen.

Die Kommission ist der festen Überzeugung, dass sich der Reformvorschlag auf den gesamten Obst- und Gemüsesektor positiv auswirken wird.

 
  
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  José Manuel García-Margallo y Marfil (PPE-DE).(ES) Frau Kommissarin! Ich bedauere, Ihren Standpunkt nicht teilen zu können. Der Vorschlag der Kommission wurde mit zwei Erbsünden geboren. Erstens, er unterscheidet nicht zwischen Zitrusfrüchten und Obst- und Gemüseprodukten, er unterscheidet nicht zwischen Bäumen und Pflanzen, und zweitens, er belohnt diejenigen, die nicht arbeiten, und bestraft jene, die gut arbeiten.

Neben diesen beiden Erbsünden wurde vier Vorschlägen der Regierung von Valencia und der Regierung von Murcia keine Beachtung geschenkt: Schaffung eines Krisenfonds für die Aufrechterhaltung des Marktes, Verbot von Neuanpflanzungen, verstärkte Kontrolle der Herkunft der Zitrusfrüchte aus anderen Ländern und schließlich Förderung eines globalen Umstrukturierungsplans für Zitrusfrüchte, um die Produktion an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Wenn wir eine halbe Stunde Zeit hätten, würde ich Ihnen gern die Einzelheiten und verschiedenen Elemente der Obst- und Gemüsereform erläutern. Ich bin ganz sicher, dass wir im Zusammenhang mit unserem neuen Reformvorschlag, zu dem ich eine sehr interessante und eingehende Diskussion mit dem Landwirtschaftsausschuss geführt habe, zu dieser Problematik zurückkehren werden.

Zunächst einmal geht es uns darum, den Sektor mit unserer Reform zu stärken. Wieso sollten wir nicht versuchen, eine solche Lösung anzustreben? Ich bin ziemlich sicher, dass der Vorschlag zu einer besseren Marktausrichtung des Sektors und zu seiner Stärkung beitragen wird.

Der Vorschlag sieht auch eine Stärkung der Erzeugerorganisationen vor, denn als wir uns angeschaut haben, wie es in den verschiedenen Mitgliedstaaten um das Problem der Erzeugerorganisationen bestellt ist, haben wir festgestellt, dass es große Unterschiede gibt. In Mitgliedstaaten mit einem leistungsfähigen Obst- und Gemüsesektor gibt es nicht so viele Erzeugerorganisationen und der Organisationsgrad unter den Erzeugern ist sehr hoch. Das stärkt den Sektor im Wettbewerb mit dem Einzelhandel, und das wird für die Zukunft von entscheidender Bedeutung sein.

Der Vorschlag umfasst auch ein Instrumentarium für die Erzeugerorganisationen zum Krisenmanagement. Damit sollen die Erzeugerorganisationen für Erzeuger attraktiver werden.

Ferner haben wir mit dem neuen Vorschlag das System vereinfacht, denn die gesamte Fläche für den Obst- und Gemüseanbau, für Äpfel und Speisekartoffeln wird in das System der einheitlichen Betriebsprämie aufgenommen werden. Das stellt eine enorme Vereinfachung dar, denn bisher galten dafür unterschiedliche Anspruchsregelungen.

Ja, das wird für den Sektor von Vorteil sein, und ich bin gern bereit, zurückzukommen und diese Problematik eingehender zu diskutieren.

 
  
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  Der Präsident. Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

Die Fragestunde ist geschlossen.

 
  

(1) ABl. L 297 vom 21.11.1996, S. 49.
(2) ABl. L 270 vom 21.10.2003, S. 1.


10. Mitteilung des Präsidenten: siehe Protokoll
  

(Die Sitzung wird um 19.05 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: LUISA MORGANTINI
Vizepräsidentin

 

11. Reform der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Katerina Batzeli im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über die Reform der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein (2006/2109(INI)) (A6-0016/2007).

 
  
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  Katerina Batzeli (PSE), Berichterstatterin. – (EL) Frau Präsidentin! Wie Sie bereits sagten, wird mit der heutigen Aussprache im Europäischen Parlament über die Reform der GMO für Wein eine neue Runde von Diskussionen über die Zukunft eines der wichtigsten produktiven, wirtschaftlichen und kommerziellen Sektoren in der Europäischen Union eingeleitet.

Bei dieser Reform müssen wir uns jetzt auf Folgendes konzentrieren: Auf das Ziel, die weltweit führende Position des europäischen Weinbausektors auch in Zukunft zu behaupten, auf die Vereinfachung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, die Kompatibilität mit anderen europäischen Entwicklungspolitiken, die Produktanerkennung, die Verhältnismäßigkeit der Politiken und die Kohärenz aller Weinanbaugebiete.

Dies war auch die Botschaft der Diskussionen im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und der Stellungnahmen des Ausschusses für internationalen Handel und des Ausschusses für regionale Entwicklung sowie der Konsultationen mit den Akteuren dieses Sektors auf nationaler und europäischer Ebene.

Bei der Reform des Sektors müssen die spezifischen regionalen und nationalen Besonderheiten der Weinerzeugung, die Struktur und Organisation des Sektors, seine Exportkapazität sowie die Tatsache berücksichtigt werden, dass dies möglicherweise das einzige Erzeugnis ist, bei dem die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften mit einem hohen Maß an Subsidiarität zur Anwendung kommen.

Die im Rahmen der gegenwärtigen Politiken und Finanzierungsmodelle vereinbarten Regelungen für die derzeit geltende GMO, die häufig zur Marktverzerrung beigetragen und die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts beeinträchtigt haben, sollten so modifiziert werden, dass der Gemeinschaftshaushalt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro im Rahmen des ersten Pfeilers für die Durchführung von Politiken bereitgestellt wird, die langfristig auf folgende Zielsetzungen ausgerichtet sind:

- die Erhaltung und Förderung der europäischen Weinbaubetriebe;

- die Stärkung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors auf europäischer und internationaler Ebene;

- einen territorialen Ansatz, der dem Umweltschutz und dem Schutz natürlicher Ressourcen durch die Finanzierung landwirtschaftlicher Anbaupraktiken Rechnung trägt;

- die Regulierung von Angebot und Nachfrage durch die Kontrolle der Produktion mithilfe des Mechanismus für die Destillation von Nebenprodukten und Trinkalkohol sowie durch die Aktualisierung der Weinbaukartei;

- die Kompatibilität der GMO mit den Maßnahmen der GAP bzw. die Anpassung der GMO an die GAP-Maßnahmen;

- die Gewährleistung der Anerkennung der Qualität europäischer Weine und der Weine mit geografischen Angaben und Herkunftsbezeichnungen, deren Klassifikation grundsätzlich der Rat auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten der Internationalen Organisation für Rebe und Wein vornehmen muss, auf internationaler und überregionaler Ebene;

- die Förderung der Zusammenarbeit zwischen allen Weinbauakteuren von der Produktions- bis zur Vertriebsebene mithilfe operationeller Programme;

- die Stärkung des ländlichen und regionalen Weinanbaus durch zusätzliche strukturelle Interventionen.

Um diese strategischen Ziele zu erreichen, schlägt der Landwirtschaftsausschuss unter anderem vor:

- Erstens, eine Übergangsreform durchzuführen, die es den Erzeugern erlaubt, die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen, durch die sie in die Lage versetzt werden, ohne Marktfördermaßnahmen auszukommen und zu Strukturmaßnahmen, neuen Anbaupraktiken und kommerziellen Tätigkeiten überzugehen;

- Zweitens, einheitliche Gemeinschaftsmaßnahmen auf der Grundlage der Prioritäten und Zielsetzungen, die von jedem Mitgliedstaat nach Konsultation mit den Beteiligten auf nationaler und regionaler Ebene festgelegt werden, in die nationalen Entwicklungs- und Förderprogramme des Sektors einzubeziehen.

Die Finanzierung dieser Programme, also die nationalen Rahmen, muss auf Gemeinschaftsebene auf der Basis einheitlicher objektiver Kriterien beschlossen werden, um Verzerrungen oder Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und den Regionen zu vermeiden.

Frau Kommissarin, der Markt macht zurzeit seine verletzlichste und sensibelste Phase durch. Er ist an einem gefahrvollen Wendepunkt angekommen. Mit Ihren Vorschlägen haben Sie jedoch den Wagen in den Straßengraben gelenkt. Sie verdrängen den europäischen Wein und die Weinbauern vom Markt.

Laut einer Studie des Wine Spectators werden die Vereinigten Staaten im Jahre 2010 der größte Verbraucher qualitativ hochwertiger und teurer Weine sein. Mit Ihren aggressiven finanziellen Interventionen im Zusammenhang mit Rodung, Destillation und Anreicherung, also all den Maßnahmen, mit denen Sie 760 Millionen Euro einsparen, würden Sie erreichen, dass weit geringere Weinmengen erzeugt werden, zugleich aber würden wir dadurch den europäischen Wein vom Markt verdrängen, obwohl das durch seine Entwicklung nicht gerechtfertigt ist. Die Folge wäre im Grunde eine radikale Umverteilung von Gemeinschaftsmitteln zugunsten reicher, leistungsfähiger Weinanbaugebiete, was zu Lasten der regionalen und Berggebiete und zu Lasten der Vielfältigkeit der europäischen Weine ginge, sowie eine Neuaufteilung des Marktes zugunsten importierter Weine.

Ich möchte jedoch auch zu den im Plenum eingereichten Änderungsanträgen Stellung nehmen. Die Standpunkte meiner Kollegen sind verständlich und ich bin mir sicher, dass sie ihre lokalen und nationalen Interessen und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen wollen.

Dieser Bericht, wie er im Landwirtschaftsausschuss angenommen wurde, ist ein ausgewogener und integrierter Bericht und kann so, wie er ist, auf den Verhandlungstisch kommen, an dem der Legislativtext erarbeitet werden soll. Eine Schwächung der in diesem Bericht enthaltenen Standpunkte würde eine Schwächung der Position und der Glaubwürdigkeit des Europäischen Parlaments bedeuten. Wir können nicht lautstark eine radikale Reform fordern und dann im Grunde einen radikalen Status quo vorschlagen. Wir können nicht die Kommission wegen der Liberalisierung von Standpunkten verurteilen und im Gegenzug die Nationalisierung vorantreiben.

Und schließlich sollten unsere Vorschläge darauf abzielen, die Zukunft zu gestalten, und nicht alles, was in der Vergangenheit erreicht worden ist, umzustoßen.

(Beifall)

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich bin dem Europäischen Parlament und insbesondere der Berichterstatterin Frau Batzeli sowie dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, dem Ausschuss für internationalen Handel und dem Ausschuss für regionale Entwicklung sehr dankbar für die Erarbeitung eines Initiativberichts zur Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor“.

Ich wusste, bevor ich den Reformprozess einleitete, dass er schwierig und komplex sein würde. Die letzten Monate haben diesen Eindruck gewiss bestätigt. Meine Debatten im Ausschuss für Landwirtschaft sowie mit einer Reihe von Abgeordneten in der interfraktionellen Arbeitsgruppe Wein hier sowie in ihren Wahlbezirken haben deutlich gemacht, dass wir es hier mit einem schwierigen Reizthema zu tun haben.

Deshalb begrüße ich den Bericht. Das ist ein ehrgeiziger Bericht, der auf eine ganze Reihe von in der Mitteilung angesprochenen Aspekten eingeht. Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich feststelle, dass Frau Batzeli die zahlreichen gegensätzlichen Belange erfasst hat, die es gilt, im Verlaufe der Reform unter einen Hut zu bringen. Das war ein kühnes Unterfangen, und wir werden den Bericht jetzt sorgfältig prüfen.

Ich möchte heute Abend auf der Grundlage der ersten Lesung dieses Berichts einige einführende Bemerkungen machen. Erstens möchte ich ein gewisses Bedauern zum Ausdruck bringen. Der Bericht stellt eingangs fest, dass die Kommission, indem sie sich für eine Reform in der Europäischen Union einsetzt, das Image des europäischen Weins nicht ausreichend würdigt. Dazu möchte ich eines klarstellen. Der Weinsektor der Europäischen Union ist unübertroffen. Er produziert den qualitativ hochwertigsten Wein der Welt, ist äußerst vielseitig und ein wichtiger Teil unseres Erbes.

Doch einige Bereiche des Sektors haben mit großen Problemen zu kämpfen. Jährlich fließen Millionen von Hektolitern in die Krisendestillation. Das ist wohl kaum ein Zeichen dafür, dass sich ein Sektor in guter Verfassung befindet, und genau die strebe ich an. Ich möchte, dass sich der Sektor im Wettbewerb behaupten kann, damit Europa der weltweit führende Weinproduzent bleibt. Deshalb muss sich am jetzigen System etwas ändern. Es hat seine Nachhaltigkeit eingebüßt.

Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass der Sektor ein strukturelles Ungleichgewicht aufweist. Die Lager sind voll, und das hat niedrige Preise für viele Weine und gesunkene Einkommen für die Weinbauern zur Folge. Diese Entwicklungen in Verbindungen mit einem sinkenden Verbrauch, sich verändernden Lebensgewohnheiten und steigenden Einfuhren aus Drittländern zwingen uns zu Veränderungen. Ich denke, das wird generell akzeptiert.

Die Richtung, die wir alle einschlagen wollen, wird in Erwägung K Ihres Berichts beschrieben. Darin heißt es, dass es in erster Linie darum gehe, den Sektor dynamischer und wettbewerbsfähiger zu machen, ohne dass Marktanteile auf internationalen Märkten eingebüßt werden, wobei die Interessen der Produzenten und Verbraucher zu berücksichtigen und die Tradition sowie die Qualität und Authentizität zu achten sind.

Sie äußern selbstverständlich Kritik an bestimmten Elementen der Mitteilung. Das betrifft beispielsweise Probleme wie die Verbrauchsvorhersagen und -warnungen und den Widerspruch zwischen Rodungsmaßnahmen und der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Kommission ist ebenfalls der Ansicht, dass eine der größten Herausforderungen die Belebung der Nachfrage darstellt, aber die Rentabilität ist noch wichtiger. Zuerst kommt es darauf an, strukturelle Überschüsse, die niedrigere Preise und Negativeinkommen zur Folge haben, abzubauen. Rentabilität ist keine Frage der Konzentration der Produktion in wenigen Händen mit anschließender Standardisierung des Weins. Es gibt Weinerzeuger, die hervorragende Weine herstellen und die zudem sehr rentabel arbeiten, und ich sehe keinen Grund, weshalb es die nicht auch in Zukunft geben soll. Die Rodung gestattet jedoch jenen Weinproduzenten, die sich im Wettbewerb nie behaupten werden und die nicht in der Lage sind, auf die Nachfrage der Verbraucher zu reagieren, sich in Würde und mit einer Entschädigung zu verabschieden. Sicher will niemand hier, dass diese Produzenten, die keine profitable, kalkulierbare Zukunft in diesem Sektor haben, nur deshalb weitermachen, weil sie sich einen Ausstieg nicht leisten können. Mir ist vollkommen klar, dass Rodungen ein heikles Thema sind. Deshalb weiß ich die konstruktive Haltung, die das Europäische Parlament in dieser Frage gezeigt hat, besonders zu würdigen. Ich begrüße Ihre Feststellung, dass die Entscheidung zur Aufgabe von Flächen vom Weinbauer kommen muss, und in diesem Zusammenhang habe ich auch Ihre Vorschläge sehr aufmerksam studiert.

Sie stellen ferner ganz klar fest, dass die Entscheidung zur Flächenaufgabe nicht in einem Vakuum getroffen werden kann und sollte. Das meine ich auch. Sie haben Vorschläge unterbreitet, um sicherzustellen, dass bei der Rodung eine Reihe von sozialen und ökologischen Bedingungen erfüllt werden, und ich kann Ihnen versichern, dass wir uns bei unseren Überlegungen in Bezug auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Rodungen in unserem Legislativvorschlag auch auf Ihre Vorschläge stützen werden.

Ich habe ferner zur Kenntnis genommen, dass Sie vorschlagen, die Reform in zwei Stufen durchzuführen. Wir werden ausreichend Zeit haben, um uns über die Fristensetzung und die Justierung der verschiedenen Instrumente auf den verschiedenen Stufen zu unterhalten, aber ich teile die Ansicht, dass wir uns zunächst um die strukturellen Ungleichgewichte kümmern müssen, die gegenwärtig schwer auf unserem Sektor lasten.

Ein Punkt, auf den Sie im Bericht zurückkommen und der auch in unseren früheren Aussprachen eine Schlüsselrolle spielte, ist die Tatsache, dass Sie für ein Verbleiben des Weinhaushalts im ersten Pfeiler plädieren. Ich bin erstens der Ansicht, dass sich das im Widerspruch zum Standpunkt der Gemeinschaft befindet, dem zufolge ländliche Entwicklungsmaßnahmen einen wesentlichen Beitrag zu den notwendigen Verbesserungen in den Weinbauregionen leisten können. Wir sollten nicht vergessen, dass wir im Haushalt für die ländliche Entwicklung gezielt Mittel für Weinregionen vorsehen können. Ich glaube aber auch, dass Ihr Standpunkt in dieser Frage auf der irrtümlichen Annahme beruht, dass ich die Absicht habe, Mittel in beträchtlicher Höhe aus dem ersten Pfeiler abzuziehen, und das ist nicht der Fall. Ich habe mehrfach gesagt und werde das auch heute Abend wiederholen, dass der größte Teil der Mittel für diesen Sektor auch künftig aus dem ersten Pfeiler kommt, aber das sollte uns nicht daran hindern, die auf der Hand liegenden Vorteile zu nutzen, die eine mögliche Inanspruchnahme des zweiten Pfeilers bietet.

Ich weiß, dass sich dieses Parlament für mehr Werbung seitens der Gemeinschaft einsetzt. Es ist tatsächlich wichtig, dass wir die Informationen über die Vorzüge des moderaten und verantwortungsbewussten Weinkonsums verbessern und dass wir die Werbung in Drittländern ankurbeln. Ich denke, dass Sie mir beipflichten wenn ich sage, dass wir einen progressiveren und moderneren Ansatz brauchen. Diesem Punkt werde ich im Legislativvorschlag auf jeden Fall die entsprechende Aufmerksamkeit widmen.

Abschließend möchte ich feststellen, dass ich seit zweieinhalb Jahren mit diesem Parlament zusammenarbeite. Dabei haben Sie eindeutig Ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, selbst in schwierigen Situationen wie der Zuckerreform progressiv und kreativ zu handeln, um ausgewogene Reformlösungen zu erzielen, die die Landwirtschaft der Europäischen Union in die Lage versetzen, sich den heutigen und künftigen Herausforderungen zu stellen. Aber wenn ich mir einige Ihrer Standpunkte anschaue, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Anreicherung, Destillation und private Lagerhaltung, dann stelle ich fest, dass Sie Ihrem üblichen Reformdrang offenbar Zügel angelegt haben. Ich erwarte nicht, dass wir uns jetzt zu diesen Fragen einigen, aber das sind die Bereiche, in denen wir meines Erachtens innovativ und kreativ sein müssen.

Vor uns liegt ein schweres Stück Arbeit, aber ich freue mich auf Ihre weitere wertvolle Zuarbeit. Ich begrüße die Gelegenheit zur Aussprache, die wir heute Abend haben. Ich entschuldige mich beim Vorsitz, dass ich meine Redezeit überbeansprucht habe, aber wir haben es hier mit einem sehr wichtigen Thema zu tun, das in allen Regionen Europas mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt wird, und deshalb habe ich mir die Freiheit genommen und etwas länger als gewöhnlich gesprochen.

 
  
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  Béla Glattfelder (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. – (HU) In seiner Stellungnahme betonte der Ausschuss für internationalen Handel, dass es bei der Reform des Weinsektors in erster Linie darum gehen sollte, die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinsektors auf internationalen wie auch internen Märkten zu steigern. Das ist keinesfalls eine einfache Aufgabe, da die Regulierung des Weinmarktes außerordentlich komplex ist und die europäischen Weinkellereien mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

In seinen Empfehlungen betont der Ausschuss für internationalen Handel vor allem, dass der Schwerpunkt der Reform nicht auf der Rodung von Rebflächen liegen darf. Dafür bedarf es einer wesentlich komplexeren Regelung. Was die Unterstützung der Rodung betrifft, so muss sich diese meiner Ansicht nach auf jene Regionen konzentrieren, in denen derzeit ein Überschuss erzeugt wird.

Man kann in Regionen mit einem Produktionsdefizit, wo also mehr verbraucht als erzeugt wird, bzw. in Regionen mit einem Gleichgewicht feststellen, dass nicht in erster Linie Weine aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die Zunahme der Einfuhren verantwortlich sind, sondern Weine aus Drittstaaten. Wenn also in diesen Regionen, die bisher genug Wein für den Eigenbedarf produziert haben, die dazu aber nicht mehr in der Lage sein werden, Rodungen durchgeführt werden, ist es alles andere als sicher, dass dies zur Verringerung des in der Europäischen Union erzeugten Überschusses beitragen wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass dies zu einem Anstieg der Einfuhren aus Drittstaaten führen wird.

Außerdem ist der Ausschuss für internationalen Handel der Ansicht, dass wir uns in internationalen Foren, d. h. im Rahmen der WTO, und in bilateralen Handelsabkommen konsequent für den Schutz von geografischen Herkunftsbezeichnungen einsetzen müssen.

 
  
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  Iratxe García Pérez (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung.(ES) Der Ausschuss für regionale Entwicklung wollte in seiner Stellungnahme einige Punkte hervorheben, die wir aus Sicht der territorialen Kohäsion bei der Durchführung einer Reform, die auf einige europäische Regionen erhebliche Auswirkungen hat, für wichtig halten.

Die Rebflächen und die Weinproduktion spielen in einigen Regionen eine entscheidende strukturelle Rolle als Motor für die ländliche Entwicklung, und wenn es dann also um die Anpassung der Rechtsvorschriften zur Regulierung des Weinsektors geht, müssen solche Aspekte wie die zunehmende Entvölkerung, von der viele europäische Regionen bedroht sind, berücksichtigt werden.

Deshalb möchten wir die Aufmerksamkeit auf die von der Kommission vorgeschlagenen Rodungen lenken, die die wirtschaftliche und soziale Situation einiger Regionen, in denen der Weinsektor die Hauptquelle für Beschäftigung und Wohlstand bildet, ernsthaft beeinträchtigen würden. Wir sind der Ansicht, dass die Kommission Maßnahmen zur Modernisierung der Weinbautechniken und der Vermarktungsmethoden vorschlagen muss.

Nicht zuletzt muss die Reform schrittweise sowie mit Übergangszeiten und einer laufenden Abschätzung der Folgen der Reform für die wirtschaftliche und soziale Lage der Regionen in der Europäischen Union umgesetzt werden.

 
  
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  Elisabeth Jeggle, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich noch einmal betonen, dass wir hier über einen Initiativbericht als Reaktion des Europäischen Parlaments auf die Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein reden. Als Berichterstatterin für die EVP-ED kann ich sagen, dass die Kommission richtig liegt, wenn sie die Stärkung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit des Weinsektors in Europa und in der Welt als oberstes Ziel dieser Reform ansieht. Absatzförderungs- und Informationskampagnen für einen verantwortungsbewussten Konsum von Wein gehören dazu.

Um diese Ziele konzentriert verfolgen zu können, erscheint es uns unabdingbar, dass die gesamte Finanzierung des Weinsektors in der ersten Säule bleibt. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Anwendung der neuen Regelungen nach dem Subsidiaritätsprinzip durch Umsetzung in nationale, bei der Kommission ratifizierte Programme. Rodung und endgültige Aufgabe von Rebflächen kann Teil, darf aber nicht Kernstück dieser Reform sein. Ebenso soll vor Erteilung von Neuanpflanzungsrechten in den einzelnen Weinbauregionen die Situation hinsichtlich illegaler Anpflanzungen überprüft werden.

Um zu einer ehrgeizigen und zukunftsorientierten Weinmarktpolitik zu kommen, müssen wir differenziert über die heutige Finanzierung nachdenken. Die aktuelle Destillation mit einem Anteil von 600 Millionen Euro von insgesamt 1,4 Milliarden Euro ist sicherlich keine Zukunftsoption. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Unterstützung der Destillation von Nebenprodukten der Weinbereitung sowie der Destillation von Trinkalkohol noch beibehalten werden soll.

Hinsichtlich Weinbautradition in den einzelnen Mitgliedstaaten besteht der Kompromiss darin, die unterschiedlichen Traditionen – und zu traditionellen Weinbereitungsverfahren gehört auch die Anreicherung mit Saccharose – zu respektieren. Weinbau gehört über den wirtschaftlichen Wert hinaus zum Kulturerbe der verschiedenen Regionen der EU. Die neuen Herausforderungen machen Regeln erforderlich, die die Nachhaltigkeit und eine in die Zukunft reichende Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen. Dies zu erreichen, muss unser Ziel sein.

 
  
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  Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion.(ES) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich die Berichterstatterin, Frau Batzeli, zu dem gewaltigen Arbeitsumfang beglückwünschen, den sie bewältigt hat.

Zweitens möchte ich der Kommissarin sagen, dass nach ihrer eigenen Analyse der Weinkonsum in der Europäischen Union zurückgeht, unsere Handelsbilanz mit Drittländern sich verschlechtert und eine Überproduktion vorhanden ist, die die Kommission mit 15 % der Gesamtproduktion für 2011 beziffert.

Ich stimme der Kommissarin zwar zu, dass diese Reform notwendig ist, hoffe aber, sie hat die Botschaft des Europäischen Parlaments verstanden, dass Rodungen nicht das zentrale Element dieser Reform sein dürfen, sondern nur ein weiteres Instrument der strukturellen Anpassung, das der Kontrolle durch die Mitgliedstaaten unterliegt.

Wir brauchen eine Reform, die das Beste von dem bewahrt, was wir sind. Es sollte nicht darum gehen, weniger zu produzieren, um Raum für Drittländer zu lassen, sondern wir müssen die notwendigen Änderungen vornehmen, um unsere eigenen Produktions- und Verarbeitungsstrukturen und vor allem, wie es der Sektor fordert, unsere Vermarktungsstrukturen zu verbessern.

Bei der Finanzierung unterstützt dieses Parlament ohne Wenn und Aber die Beibehaltung des derzeitigen Haushalts im ersten Pfeiler der GAP. Seine Vorabaufteilung unter den Erzeugerländern anhand der historischen Daten mittels der so genannten „nationalen Pakete“ wird zu einer besseren Umsetzung der Reform beitragen.

Was die Liberalisierung der Pflanzungsrechte angeht, so vertrete ich die Auffassung, dass sie mit Bedacht und unter ständiger Überwachung und Kontrolle der Mitgliedstaaten erfolgen muss.

Ich möchte auch offen meine Unterstützung für den Änderungsantrag von Frau Fraga erklären, die empfiehlt, für die Anreicherung die in der Europäischen Union hergestellten Moste zu verwenden.

 
  
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  Anne Laperrouze, im Namen der ALDE-Fraktion. (FR) Frau Kommissarin, Frau Batzeli, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Weinsektor der Europäischen Union stellt einen äußerst bedeutenden Wirtschaftszweig dar, insbesondere hinsichtlich des Exports. Die Europäische Union ist die führende Weinbauregion der Welt. Der weltweite Verbrauch nimmt zu, und trotzdem macht der europäische Weinbausektor eine Krise durch: Das ist paradox.

Wir haben in diesem Parlament mit Leidenschaft an den Grundzügen für eine Reform der GMO Wein gearbeitet. Die Winzer setzen ihr Fachkönnen ein, um die Tradition unter den Bedingungen einer modernen Weinbaukultur fortzuführen. Diese Frauen und Männer üben ihren Beruf mit Leidenschaft aus. Unsere Aufgabe ist es, sie mit Leidenschaft zu verteidigen, ihnen dabei zu helfen, mit den wirtschaftlichen Realitäten fertig zu werden, ihnen unsere Unterstützung zu zeigen. Auf die Leidenschaft antwortet die Kommission jedoch eiskalt mit „Massenrodung, Liberalisierung der Pflanzrechte und Abschaffung der Destillationsmechanismen“.

Dieser Bericht, der am Donnerstag zur Abstimmung steht, zeigt, wie ich denke, dass das Parlament zwar mit einem Vorschlag für eine Reform, jedoch für eine progressive Reform antwortet. Aus meiner Sicht muss man den Mitgliedstaaten und vor allem den Regionen deutliche Handlungsspielräume lassen, denn niemand kann leugnen, dass in manchen Regionen nichts anderes wächst als Wein. Ebenso kann niemand bestreiten, welchen Beitrag die Winzer zur Landschaftsstruktur leisten.

Dank ihrer Kompetenzen im Bereich der Territorialplanung verfügen die Staaten und die Regionen also über die erforderlichen Fähigkeiten, um die Pflanz- oder Rodungspolitiken in enger Zusammenarbeit mit den Erzeugern und den Vertretern der Branche bewerten zu können.

Wenngleich einige Instrumente der gegenwärtigen GMO nicht mehr zeitgemäß sind oder schlecht genutzt werden, erwarte ich von der Kommission, dass sie sich die Zeit nimmt, mit den Mitgliedstaaten zu prüfen, welche Konsequenzen die Abschaffung oder Ersetzung dieser Instrumente der gegenwärtigen GMO, vor allem der Destillationsmechanismen, hätte. Ich erwarte von der Kommission, dass sie Instrumente für die Marktregulierung und die Bewältigung potenzieller Krisen vorschlägt.

Das Rezept ist einfach: Qualitätswein und Absatzförderung. Der Verbrauch nimmt weltweit zu, und der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung einiger Länder geht mit einem Interesse am Weinkonsum einher. Die Wettbewerbsfähigkeit der Branche auf Gemeinschaftsebene muss durch Maßnahmen in allen Stadien der Erzeugung und der Vermarktung gesteigert werden. Auf dem Gebiet der önologischen Praktiken verfügen die neuen Erzeugerländer über flexiblere Rechtsvorschriften. Ich würde mir ein umsichtiges Herangehen wünschen, um zu vermeiden, dass unsere Charakterweine zu globalisierten Weinen werden. Gewiss muss man die Auflagen für die europäischen Erzeuger lockern, um eine Anpassung an die Nachfrage sowie eine bessere Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen. Ich unterstütze ein Verbot der Weinherstellung aus Importmosten sowie deren Mischung mit Most aus gemeinschaftlichem Anbau.

Abschließend möchte ich Sie daran erinnern, Frau Kommissarin, dass die Weine den Geschmack ihres Bodens, die Farbe der Jahreszeiten und den Geist der Winzer aufweisen. Sie haben das Aroma der Länder der Europäischen Union. Da fällt mir ein anonymes Zitat ein: „Um einen großen Wein zu erzeugen, braucht man einen passionierten Verrückten, um den Wein anzubauen, einen Weisen, um ihn zu reglementieren, einen erleuchteten Künstler, um den Wein herzustellen, einen Liebhaber, um ihn zu trinken, und einen Dichter, um ihn zu besingen“.

 
  
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  Sergio Berlato, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, Frau Fischer Boel, meine Damen und Herren! Über seine Rolle als Agrar- und Wirtschaftsprodukt hinaus verkörpert der Wein für uns auch Geschichte, Kultur und Tradition. Deshalb können wir eine im Wesentlichen auf die Schrumpfung eines Sektors abzielende Reform nicht akzeptieren, der lediglich 3 % der Haushaltsmittel verbraucht, während er einen Mehrwert von 7 % erwirtschaftet.

Die Kommission schlägt vor, die Produktion zurückzufahren und etwa 400 000 Hektar Weinberge innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zu roden, was sie mit der Notwendigkeit begründet, die Managementkosten für die Überschussproduktion zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verbessern – getreu nach dem Grundsatz, „nur die Stärksten werden auf dem Markt überleben“. Es ist schon merkwürdig zu beobachten, dass, während in Europa die Rodung von Weinbergen gefördert wird, in anderen Ländern, zum Beispiel in Südamerika und in Südafrika, ihre Anpflanzung subventioniert wird.

Da die Weltnachfrage nicht sinkt, sondern steigt, scheint die Kommission das Gleichgewicht im Binnenmarkt der Europäischen Union wiederherstellen zu wollen, ohne die globale Nachfrage und das Gleichgewicht auf dem Weltmarkt zu berücksichtigen; ohne die Gefahr in Betracht zu ziehen, dass durch die vorschnelle Senkung der europäischen Weinproduktion einige Rebflächen vernichtet werden könnten, die, obwohl sie keine besonders marktstarken Erzeugnisse hervorbringen, regionale Qualitätsbetriebe mit stark verwurzelten historischen Traditionen sind, die bis zum heutigen Tag als Sozialgefüge für ganze Regionen wirken.

Tatsache ist, dass die Weine aus der Neuen Welt dank einer fortschreitenden Verbesserung der Erzeugnisqualität verbunden mit der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Preise Marktanteile erobern. Die neuen Interventionsmaßnahmen sollten es dem gesamten Sektor ermöglichen, die neuen Herausforderungen eines zunehmend globalisierten Marktes zu bewältigen. Das Erfolgsrezept besteht nach wie vor darin, in die Qualität und in die spezifischen Eigenschaften europäischer Weine, in die Kostensenkung und die Absatzförderung für Wein zu investieren, um seinen Markt zu erweitern, denn wir befürchten, dass die Ausbreitung neuer Weinbereitungsverfahren den Ruf des Weins schädigen und demzufolge das Vertrauensverhältnis zwischen Konsument und Produkt beeinträchtigen kann, was verheerende Folgen für den Verbrauch hätte.

Frau Fischer Boel, der Weinsektor braucht eine Reform, die eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit europäischer Weine fördert, wobei die Umstrukturierung der Rebflächen mit dem Ziel, sie wettbewerbsfähiger zu machen, fortgeführt und der Erhalt des Weinbaus gefördert werden muss, um die Landschaft und die Umwelt zu schützen. Geografische Angaben und Ursprungsbezeichnungen müssen als unverzichtbare Instrumente für die Absicherung und den Schutz der europäischen Erzeuger verstanden werden.

Wiederbelebung und Stärkung des Sektors auf dem Weltmarkt – das ist es schließlich, Frau Fischer Boel, was wir von einer neuen Weinpolitik der Union verlangen.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Wir haben in der Berichterstatterin eine wirklich entschiedene Kämpferin für den europäischen Wein. Ich stimme in vielen Dingen nicht mit ihr überein, aber dass sie sich einsetzt, das muss man ihr wirklich zugute halten. Auch wenn ich den Vorschlägen der Kommission eher zuneige, muss ich zu bedenken geben, dass die Liberalisierung, die dort vorsichtig vorgenommen wird, in vielen Regionen als eine etwas kaltschnäuzige Politik aus Brüssel wahrgenommen wird. Das sollten Sie ernst nehmen, darauf weist die Berichterstatterin auch hin. Als sie uns heute Abend zu griechischem Wein eingeladen hat, war ich vollständig mit ihr einverstanden – ich hoffe Sie auch –, dass niemand auf die Idee käme, aus dem Wein, der uns dort kredenzt wurde, Sprit zu machen. Und das ist genau das Problem. Wir müssen den Wein als ein Qualitätsprodukt auf den Markt bringen, und wir müssen den Winzerinnen und Winzern auch die Möglichkeit geben, dies zu tun.

Bei der Frage der Rodung – die ja keine Zwangsrodung sein soll, das müssen Sie auch immer wieder deutlich machen, sondern ein Angebot an die Winzer aufzuhören, wenn sie keine Zukunft auf dem Weinmarkt sehen – sollten von der Kommission Maßnahmen ergriffen werden, um die Zukunft des Marktes besser zu gestalten. Also vorher Angebote machen und dann sagen, wenn alles nichts nützt, könnt ihr mit Hilfe öffentlicher Gelder aus dem Weinanbau ausscheiden.

Dann stellt sich auch die Frage im Zusammenhang mit den Regionen. Es geht ums Geld, Frau Kommissarin! Die Regionen haben Geld bezogen, und wenn man nun eine bestimmte Maßnahme einstellt, wird den Regionen das Geld entzogen. Es wird also um rein materielle Dinge gekämpft. Auch hier sollte den Regionen versichert werden, dass ihnen diese Mittel weiterhin zur Verfügung gestellt werden – nach bestimmten Kriterien im sozial-ökologischen Angebot und in Hinwendung zum Markt –, um diese Regionen weiterhin als Weinregionen zu gestalten. Wenn das so läuft, ist viel an Spannung herausgenommen, und dann kann man sich auch mit der Berichterstatterin einigen.

 
  
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  Diamanto Manolakou, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Frau Präsidentin! Ziel der letzten Reform der GAP war es, im Agrarsektor Kürzungen in noch rascherem Tempo vorzunehmen und die Unterstützung für diesen Sektor einzuschränken, um Mittel für andere volksfeindliche Politiken einzusparen.

Gleichzeitig wird die Ausrottung kleiner und mittlerer Landwirtschaftsbetriebe vorangetrieben, um Land, Produktion und Handel in wenigen Händen zu konzentrieren. Der Wein bildet dabei keine Ausnahme.

Was macht es, dass Europa aufgrund der guten Qualität der vom ihm produzierten Weine bei der Erzeugung, dem Verbrauch und den Exporten weltweit an führender Stelle steht? Für Europa sind der Wettbewerb und die Liberalisierung der Einfuhr von Wein und Most das Wichtigste, wodurch jedoch zugleich die Qualität untergraben wird.

Deshalb wird die Massenrodung aufoktroyiert, deshalb werden starke Anreize geschaffen und werden die Rechte kleiner und mittlerer Weinbaubetriebe an Unternehmen der Branche veräußert, was der Schaffung von Kartellen Vorschub leistet. Als Vorwand dienen die strukturellen Überschüsse und die Notwendigkeit, Angebot und Nachfrage auf dem Gemeinschaftsmarkt zu regulieren, um bessere Preise zu sichern.

Dieser Vorwand ist ein Witz, denn die Liberalisierung der Exporte von Most und Wein aus Drittländern und die Legalisierung ihrer Vermischung mit Mosten und Weinen der Gemeinschaft sowie die Anerkennung von Praktiken, bei denen für die Weinherstellung Stoffe aus dem Ausland verwendet werden, wodurch aus dem Agrarprodukt Wein ein Industrieprodukt gemacht wird, erleichtern die Einfuhr billiger Weine und untergraben die Qualität.

Sicher ist, dass die Zahl der europäischen Weinbaubetriebe zurückgehen wird, dass kleine und mittlere Weinerzeuger von der Bildfläche verschwinden und die Importe obsiegen werden. Dazu kommt, dass in der Vergangenheit, vor zehn Jahren, die Methode des Rodens zum Einsatz kam.

In Griechenland sind 20 000 Hektar gerodet worden. Überschüsse wurden vorübergehend abgebaut, doch das Problem kam mit den Massenimporten wieder zum Vorschein und führte letzten Endes dazu, dass sogar hochklassige Weine destilliert wurden.

Im Zuge dessen sind jedoch Tausende kleiner und mittlerer Weinbaubetriebe ausgerottet worden. Darum kann der Vorschlag der Kommission keine Diskussionsgrundlage darstellen, weil er sich nicht mit den Problemen des Weinanbaus befasst.

Auch mit dem heutigen Bericht kann ich mich nicht einverstanden erklären, da er im Grunde eine längere Übergangsphase für die Umsetzung der neuen Verordnung vorschlägt und er gegenüber den vorgeschlagenen Maßnahmen lediglich einige Änderungen vornimmt, die dazu dienen sollen, die Folgen abzumildern.

 
  
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  Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin! Weinproduzenten in anderen Teilen der Welt ist es gelungen, Weine nach dem Geschmack der europäischen Verbraucher zu produzieren, die zudem noch preiswerter sind als Weine aus Europa. Der Berichterstatterin zufolge muss dem entgegengewirkt werden, indem mehr Geld in die Agrarpolitik gepumpt wird, wobei gleichzeitig verschiedene Kampagnen durchgeführt werden sollen.

In Europa werden zweifellos hervorragende Weine produziert. Die grundsätzlich interessante Frage lautet jedoch, ob man zulassen soll, dass ärmere Länder verdrängt werden, damit wir die europäische Weinproduktion schützen können.

Zur Neuen Welt gehören zwar solche Wirtschaftsriesen wie die USA und Australien, aber auch relativ junge Industrieländer wie Südafrika, Chile und Argentinien, wo die Weine oft in armen, unterentwickelten Regionen produziert werden. In diesen Ländern gibt es kein System der sozialen Sicherheit, das mit den Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten vergleichbar wäre. Würde die Weinproduktion in diesen Gebieten behindert, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die Bevölkerung.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang ein ganzheitliches Bild, zu dem auch die Frage der Volksgesundheit gehört. Langfristig sind die protektionistischen Züge dieses Berichts von Nachteil für die Weinproduzenten der EU und der Neuen Welt. Wein ist trotz allem ein alkoholisches Getränk. Daher sollte die EU keine Kampagnen finanzieren, die zu einem verstärkten Weinkonsum auffordern.

 
  
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  Jean-Claude Martinez, im Namen der ITS-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Seit dem 22. Juli 1993, dem Zeitpunkt des ersten Reformprojekts für den Weinbausektor, erklärt man uns, wir müssten unsere Weinstöcke roden, und belegt das mit Zahlen.

Zum Beispiel wurde uns im Jahr 1993 gesagt, der Verbrauch würde im Jahr 2000 auf 115 Millionen Hektoliter absinken; er lag dann bei 127 Millionen – die Kommission hatte sich um 12 Millionen verrechnet. Uns wurde auch gesagt, es gäbe eine Überproduktion, aber wo? Auf dem weltweiten Markt der Trinkalkohole fehlten im Jahr 2002 neun Millionen Hektoliter und 11 Millionen im Jahr 2003. Und wir wissen, dass die Zukunft der Winzer vor allem in China liegt, wo der Vorsitzende Mao einst sagte: „Lasst das Volk Wein trinken“.

Was verbirgt sich also hinter dieser Reform der freien Anpflanzungen, der Anreicherung mit Zucker, der Destillation, der Beigabe von Holzspänen, der Mosteinfuhren und natürlich der Rodungen? In Wahrheit verfolgt die Kommission mit dieser Rodung von 400 000 Hektar – den umfangreichsten Rodungen in der gesamten Geschichte des Weinbaus in der Welt, denn man muss bis zu Kaiser Domitian im Jahr 92 zurückgehen, um Gleiches festzustellen – zwei Ziele. Zunächst sollen etwa bis 2015 unsere Weinexporte im Austausch gegen deren Dienstleistungsmarkt an die Südhalbkugel abgegeben werden. Zweitens sollen die Rentner aus Nordeuropa sich allmählich in Südeuropa niederlassen. Europa braucht also eine Bodenreserve, und diese Reserve liegt in den 400 000 Hektar, die gerodet werden sollen, um Häuser zu errichten – 4 Millionen Häuser auf 4 Milliarden Quadratmetern, was einen Markt von 1000 Milliarden Euro darstellt.

In diesem Grundstücksraub liegt die Tragödie, denn der Wein ist nicht nur eine GMO. Wein ist mehr als Landwirtschaft und sogar mehr als Kultur, trotz der Maler, der 275 Weinpoeten, der architektonischen Struktur der fünftausend Weindörfer in Europa: der Wein ist die Schnittstelle mit dem Göttlichen. Im Übrigen bestand das erste Wunder Jesu bei der Hochzeit von Kanaa nicht darin, dass er Wasser in Whisky-Cola oder in Nokia-Handys verwandelte, sondern in Wein. Dies aufzugeben lässt sich nicht mit der Aufgabe der Schafzucht in Neuseeland oder der Hühnerzucht in Brasilien vergleichen – es bedeutet, die Identität Europas aufzugeben.

Deshalb müssen Sie, Frau Kommissarin, am Wein festhalten, von dem der Argentinier Jorge Luis Borges sagte, er sei der tiefe patriarchalische Fluss, der durch die Weltgeschichte fließt.

 
  
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  Giuseppe Castiglione (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich möchte meiner Kollegin, Frau Batzeli, für ihre Arbeit danken, aber ebenso Kommissarin Fischer Boel, die seit Veröffentlichung der Mitteilung ihre Fähigkeit, uns Gehör zu schenken, unter Beweis gestellt hat. Wir hoffen, uns wird ein Legislativvorschlag unterbreitet, der mit den vielen Empfehlungen sowohl des Parlaments als auch der europäischer Erzeuger im Einklang steht. Wir stehen vor einer entscheidenden Herausforderung: den europäischen Weinbau in die Lage zu versetzen, dem Markt neue Impulse zu verleihen, seine Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerlangen und vor allem dafür Sorge zu tragen, dass unsere Weine mit denen aus Drittländern mithalten können, indem alte Märkte zurückerobert, aber auch neue Märkte erschlossen werden.

Einige Lösungsansätze überzeugen uns nicht ganz, Frau Fischer Boel, und vor allem darf die endgültige Rodung nicht das Kernstück der Reform sein. Diese Maßnahme wird zur massiven und unkontrollierten Aufgabe des schwierigen Weinbaus führen, der neben seiner produktiven Funktion auch eine Rolle beim Umwelt- und Landschaftsschutz spielt. Rodungen zu einem Zeitpunkt durchzuführen, da die neuen Erzeugerstaaten Weinberge anpflanzen, hieße, ihnen neue, große Marktanteile zu überlassen. Es geht um eine Grundsatzentscheidung, und unsere Option kann nur ein Qualitätswein sein, der nicht mit einem x-beliebigen Getränk vergleichbar ist. Wenn wir für unsere Weine werben, müssen wir unsere Traditionen, unsere Landschaften, unsere Kultur, unsere Wertschöpfung als Ausdruck eines bedeutenden Geschichts- und Kulturerbes fördern.

Aus diesem Grunde überzeugt mich auch weder der Vorschlag, die Verwendung von eingeführtem Most zur Anreicherung unserer Weine oder deren Verschnitt mit Drittlandsweinen zu gestatten, noch die Idee, auf dem Etikett von Weinen ohne geografische Angabe den Jahrgang und die Rebsorte anzugeben, wodurch die Verwendung von an das Anbaugebiet gebundenen Sorten ermöglicht wird, vor allem aber die große Gefahr entsteht, den Verbraucher zu verwirren.

Was die Liberalisierung angeht, so müssen wir vielmehr die Bemühungen und die Investitionen unserer Weinbauern schützen, unsere geografischen Angaben auf internationaler Ebene fördern und deren wirtschaftliche Abwertung vermeiden. Zwei Worte sollten wir im Gedächtnis behalten: Flexibilität und Marktausrichtung. Doch Flexibilität heißt nicht, plötzlich alle gegenwärtigen Steuermechanismen vollständig und ausnahmslos über Bord zu werfen. Außerdem, Frau Fischer Boel, sollten die Mittel meiner Auffassung nach auf der Grundlage der Mittelausschöpfung in den letzten Jahren neu verteilt werden, d. h. nach demselben Kriterium, das bei allen anderen bisherigen Reformen herangezogen wurde.

 
  
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  Vincenzo Lavarra (PSE). – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich betrachte den Bericht Batzeli über die GMO Wein als Vorbereitungsschritt auf einen Dialog, der uns bis zum Jahresende zu dem Legislativbericht und somit zur endgültigen Beschlussfassung führen wird. Gleichwohl halte ich es für eine gute Idee, dass das Parlament zu einigen Kernpunkten des Vorschlags, zu denen gewiss die Rodung zählt, seine Auffassung äußert.

Ebenso wie andere Kolleginnen und Kollegen kann auch ich diesen Vorschlag nicht als einzige und ausschließliche Möglichkeit zur Wiederherstellung des Marktgleichgewichts betrachten. Wir müssen uns mit anderen auf dem Weltmarkt messen, und die Stärke des europäischen Weins liegt in der Betonung der Qualität und der traditionellen Verfahren sowie in seiner Verbindung mit den Weinbaugebieten und den jahrhundertealten Verfahren, die in diesem Bereich angewendet werden.

Deshalb lehne auch ich die Einfuhr von Most ab. Als Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament haben wir zu dieser Frage einen Änderungsantrag eingereicht. Ich denke, der Dialog wird, nicht zuletzt durch die heutige Aussprache, auch bei den Übergangszeiten zu positiven Ergebnissen führen, denn werden Maßnahmen wie zum Beispiel die Destillation abrupt abgeschafft, bricht von heute auf morgen das Sicherheitsnetz für viele Weinbauern weg. Ich glaube, wenn wir uns gegenseitig Gehör schenken, wird es uns gelingen, die europäische Weinproduktion auf dem Weltmarkt zu halten.

 
  
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  Marie-Hélène Aubert (Verts/ALE). – (FR) Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor einigen Monaten wurden wir mit dem mit den USA abgeschlossenen Weinabkommen überrascht, zu dem wir eine Dringlichkeitsdebatte beantragen mussten und das bereits einige der üblen Zutaten der Reform enthielt, die Sie heute vorschlagen: Schwächung der europäischen Qualitätskriterien für Wein, Verwischungen hinsichtlich der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen, Akzeptanz äußerst umstrittener önologischer Praktiken, verstärkte Marktöffnung zugunsten von standardisierten Produkten, die dem ebenfalls als standardisiert angenommenen Geschmack des weltweiten Verbrauchers entsprechen sollen.

Ganz unbestreitbar kommen die Händler und Exporteure dabei auf ihre Kosten, gewiss aber nicht die Entwicklung von Erzeugnissen; die kulturell eng mit ihrem Anbaugebiet verbunden sind, gewiss nicht die Vielfalt und die Vielzahl der Aromen der europäischen Weine, gewiss nicht der Verbraucher, der künftig ein Gebräu schlucken muss, das kaum noch den Namen Wein verdient, und gewiss nicht die Winzer, die hart arbeiten, vielfach in schwierigen Regionen und auf kleinen Flächen, um ein hohes Niveau der Qualität des Weins und der Freude an seinem Genuss aufrechtzuerhalten.

Machen wir also Schluss mit den abwegigsten Instrumenten, die die Überproduktion fördern und allzu viele negative Nebeneffekte haben, und bitte, Frau Kommissarin, kämpfen Sie gemeinsam mit uns und nutzen Sie alle Mittel, um die Qualitätsweine zu fördern, die Vielfalt des Geschmacks und der Weinbaugebiete zur Geltung zu bringen, die Böden und die Artenvielfalt zu erhalten und schließlich der ganzen Welt diese wunderbare Schöpfung nahe zu bringen, die der Wein in Europa seit mehr als zwei Jahrtausenden darstellt.

 
  
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  Vincenzo Aita (GUE/NGL). – (IT) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, die Zahlen sprechen für sich: In den letzten Jahren ging die Weinerzeugung in Europa zurück, während andere, außereuropäische Länder ihre Produktionsanteile stetig gesteigert haben. Wenn Europa heute eine Reform der GMO Wein auf den Weg bringt, muss es berücksichtigen, dass etwa 3 400 000 Hektar und 3 000 000 Beschäftigte davon betroffen sind. Die Rodung als Instrument zur Herstellung des Marktgleichgewichts zu betrachten bedeutet, denselben Weg wie bei den vorangegangenen Reformen der GMO für Tabak und für Zucker zu beschreiten. Wir dürfen diesen Weg nicht weitergehen, der zu Einbrüchen beim Beschäftigungsniveau und zur Aufgabe ganzer Agrargebiete führt, die oft in hydrogeologisch instabilen Landschaften liegen.

Jede Reform muss daher vor allem auf die Unternehmen, die Arbeitnehmer und die Umweltbedingungen Rücksicht nehmen, und nur wenn wir das europäische landwirtschaftliche Produktionssystem schützen und bewahren, können wir Qualität und Sicherheit für die Verbraucher gewährleisten. Zweifellos hat die Berichterstatterin, Frau Batzeli, durch ihre Bemühungen die Positionen der Frau Kommissarin verbessert. Nichtsdestotrotz bin ich der Ansicht, dass es immer noch Elemente gibt, die besorgniserregend sind.

Vor allem müssen wir von dem Rodungsszenario abrücken und die Produktionsumstellung in Betrieben mit Marktschwierigkeiten als Hebel einsetzen, damit sie Qualitätsweine erzeugen. Wie die letzten Daten zu den europäischen Ausfuhren zeigen, muss der Akzent auf der Qualität liegen und demzufolge auf einer Weinerzeugung, die sich mit den Anbaugebieten und mit unseren Traditionen identifiziert. Das ist der Weg, den wir weiterverfolgen müssen, und nicht den, der zur Umwandlung des Weins in ein bloßes Industrieerzeugnis führt. Deshalb ist die Verwendung von Zucker für die Anreicherung abzulehnen und müssen genaue Regeln für die Weinbereitung aufgestellt werden.

Demzufolge darf die Anreicherung mit aus Europa stammendem Most nicht bestraft werden, denn das ist ein traditionelles Verfahren des europäischen Weinbaus und beeinträchtigt nicht die Weinqualität. Aus diesem Grunde muss die Beihilfe für Most beibehalten werden. Letzen Endes kann keine Reform umhin, die gegenwärtigen Klimaänderungen zu berücksichtigen, die in einigen südeuropäischen Regionen dramatische Auswirkungen haben und deren Produktionssysteme erschüttern werden. Für Europa ist nun der Zeitpunkt gekommen, sein Anbaugebiet, seine Zivilisation und seine Traditionen zu verteidigen.

 
  
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  Esther Herranz García (PPE-DE).(ES) Wein wird nicht hergestellt, er wird entwickelt und gepflegt. Das ist ein feiner, aber wichtiger Unterschied, denn er sagt viel über die Person aus, die über ihn spricht, und über ihren Standpunkt und ihre Sensibilität gegenüber dem Sektor. Der europäische Weinsektor hat Probleme. Das Hauptproblem, mit dem er im Moment zu kämpfen hat, sind die Schwierigkeiten infolge der erhöhten Binnennachfrage, denn der Verbrauch nimmt weltweit weiter zu.

Doch dieses Problem muss gelöst werden, und dabei sind seine zahlreichen Auswirkungen zu berücksichtigen, denn der europäische Sektor ist mit steigenden Importen konfrontiert. Das Problem ist deshalb nicht, was wir produzieren, sondern zu welchem Preis wir es verkaufen. Warum verkaufen wir zu einem anderen Preis? Vor allem, weil die europäischen Produzenten nicht die gleichen Anforderungen erfüllen müssen wie die Produzenten aus Drittländern, sondern viel mehr, und sie deshalb nicht die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.

Wir müssen den Sektor wettbewerbsfähig machen, aber nicht durch die Vernichtung von 400 000 Hektar Rebflächen, nicht durch eine unüberlegte Liberalisierung, sondern vielmehr durch Kontrolle, Förderung und Sicherung der Kultur, Tradition und Qualität der europäischen Weine, denn Wein wird nicht hergestellt, er wird gepflegt und entwickelt. Deshalb müssen wir diese Kultur unterstützen und helfen, den Verbrauchern zu erklären, welchen Wein sie trinken und wann ein Wein ein vino de crianza oder ein vino de reserva, ein gran reserva, ein Tischwein, ein vino de la tierra, ein vino de añada ist oder wie immer wir ihn beschreiben wollen. Wir müssen alle Weinqualitäten verbessern und vervollkommnen, die Weinbautechniken kontrollieren, einen verantwortungsvollen Konsum fördern und vor allem Forschung, Entwicklung und Innovation voranbringen. Nicht durch die Herstellung, sondern durch die Entwicklung des Weins im Rahmen einer Kultur, Tradition und Qualität, die die europäischen Weine ausmachen, unter Wahrung unserer Traditionen und vor allem durch höhere Anforderungen, um die Qualität nach oben und nicht nach unten zu harmonisieren.

Deshalb hoffen wir, dass der Vorschlag der Kommission zumindest Durchsetzungsvermögen und Ideenreichtum offenbaren und die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors wirklich gewährleisten wird.

 
  
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  Luis Manuel Capoulas Santos (PSE).(PT) Zunächst möchte ich Frau Batzeli zu ihrer hervorragenden Arbeit unter schwierigen Umständen gratulieren und Frau Fischer Boel noch einmal dafür danken, dass sie hier im Plenarsaal anwesend ist.

All die politischen Aussprachen, Anhörungen, Treffen mit Vertretern des Sektors, unsere Besuche in den Weinanbaugebieten verschiedener Mitgliedstaaten und die Hunderte von Änderungsanträgen belegen nachweislich das Interesse der Abgeordneten an einer Analyse dieses für die europäische Landwirtschaft so wichtigen Themas.

Über die Notwendigkeit einer Reform sind wir uns einig, und der Hinweis, dass zu dem von der Kommission vorgelegten Modell keine Alternativen vorgestellt wurden, ist richtig. Es bestehen allerdings deutliche Differenzen zwischen Parlament und Kommission im Hinblick auf den Zeitplan, den Umfang der wichtigsten Maßnahmen und die Art und Weise ihrer Umsetzung. Sicher ist es notwendig, Rebflächen geringer Qualität zu roden, begonnen werden müsste jedoch mit den illegalen Rebflächen. Auch sollte die endgültige Entscheidung über die Rodung der Flächen unbedingt den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Gewiss ist es notwendig, die subventionierte Destillation einzustellen. Beizubehalten ist aber auf jeden Fall die Förderung der Destillation von Trinkalkohol, der für die für europäische Exporte so wichtigen Brennweine so große Bedeutung hat.

Es ist sinnlos, die Authentizität und Typizität der europäischen Weine zu verteidigen und sich gleichzeitig für die freie Einfuhr von konzentrierten Mosten aus Drittländern auszusprechen. Dieser Bericht verdeutlicht den guten Willen und das Engagement des Parlaments. Ich hoffe, die Kommission greift unsere Vorschläge auf, damit wir eine für den Sektor zufrieden stellende Reform verwirklichen können.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL).(PT) Wie Frau Fischer Boel in ihrem Redebeitrag bestätigte, geht es bei ihrer Reform der GMO Wein vor allem um die Rodung der Weinanbauflächen, um das Gleichgewicht des Weinbaumarktes sicherzustellen. Das bedeutet, dass die am wenigsten entwickelten Regionen und vor allem Familienbetriebe und Landwirte mit geringem Einkommen am stärksten betroffen wären, was verheerende Auswirkungen im sozialen und Umweltbereich nach sich ziehen und zu einer zunehmenden Verödung und somit zur Aufgabe ländlicher Gebiete führen wird.

Für riesige Gegenden in südlichen Ländern wie Portugal könnten die Folgen ebenso katastrophal sein wie die tragischen Waldbrände im Sommer. Aus diesem Grund liegt uns der Schutz des Weinanbaus so sehr am Herzen, der einen wichtigen Teil der europäischen Zivilisation, insbesondere des Mittelmeerraums, ausmacht. Wir wollen, dass unsere Landwirte auch weiterhin immer besseren Wein erzeugen und die Destillation von Trinkalkohol aufrechterhalten. Wir sind gegen die Herabwürdigung der Erzeugung von Wein aus Trauben und gegen den Ersatz dieses Weins durch Industriewein, der mithilfe aus Drittländern importierter Moste hergestellt wird. Unsere Qualitätsweine müssen geschützt werden, Frau Kommissarin!

 
  
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  Christa Klaß (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin Fischer-Boel, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Was Europa auszeichnet, was seine Seele ausmacht, ist der Umgang mit unserer Vielfalt“ und „Europas Seele ist die Toleranz“. So unsere Ratspräsidentin, Angela Merkel, in ihrer Rede am 17. Januar hier im Europäischen Parlament.

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viele Diskussionen über die Vorschläge zur Weinmarktreform geführt. Nord und Süd, die einzelnen Weinbauregionen – eine Vielfalt von Meinungen und Interessen trafen aufeinander. Der Bericht Batzeli würde für jeden von uns – hätte er ihn alleine schreiben können – anders, prägnanter, konkreter und kürzer aussehen. Aber wir haben es geschafft, alle Interessenlagen auf ein moderates Maß zu bringen, so dass sie auch von allen mitgetragen werden können.

Ein Kompromiss also, der die Vielfalt des Weinsektors in Europa nicht nur toleriert, sondern respektiert, und – wenn auch in kleinen Schritten – weiterentwickelt.

Sie, Frau Kommissarin, haben sich die Mühe gemacht und in den letzten Monaten viele Weinregionen besucht. Danke dafür. Sie haben festgestellt, wie unterschiedlich die Regionen sind. Wir brauchen gerade im Weinbereich mehr nationale, mehr regionale Gestaltungsmöglichkeiten, nationale Budgets aus der ersten Säule, aus denen heraus die passenden Maßnahmen aus einem von der Europäischen Union zusammengestellten Maßnahmenkatalog für den Wein in den Regionen ausgewählt und umgesetzt werden können.

Wir sind uns einig, wir wollen nicht aufgeben, nicht roden, keine 400 000 Hektar stilllegen. Wir wollen kämpfen um Marktanteile, um unsere Arbeitsplätze, unsere Kulturlandschaft und um unsere europäische Lebenskultur. Der Wein gehört zu Europa und wir müssen die Traditionen und damit auch die althergebrachten önologischen Verfahren erhalten. Die Mitbewerber, Frau Kommissarin, stehen weltweit bereit, um das, was wir abbauen, zu beliefern.

Eines hat die Diskussion klargemacht: Die Dinge lassen sich nicht kurzfristig ändern, wir brauchen einen langen Atem. Politik muss verlässlich sein. Aber langfristig angelegt müssen sich die Aktionen auf den Markt ausrichten.

 
  
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  Béatrice Patrie (PSE). – (FR) Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Arbeit war nicht umsonst. Lassen Sie mich zunächst Frau Batzeli für ihren Bericht danken, der die allzu liberalen Vorschläge, welche die Kommission im letzten Sommer vorgelegt hat, grundlegend und sehr positiv abändert.

Es ist nun an uns, eine starke Botschaft an den gesamten Weinbausektor zu richten, der von einer schweren Krise betroffen ist. Bekanntlich hat der Rückgang des Verbrauchs in Europa, gepaart mit wachsenden Einfuhren aus Drittländern, zu einem Verfall der Preise und der Einkommen der Winzer geführt, und nur eine zielgerichtete Regulierungspolitik, nicht aber eine Liberalisierung um jeden Preis wird uns aus dieser Krise herausführen.

Wir wollen einen Weinbau von hoher Qualität fördern, der den Charakter und die Traditionen unserer Anbaugebiete sowie die Vielfalt der Betriebe, vor allem der Familienbetriebe, bewahrt. Die massive und undifferenzierte Stilllegung von 400 000 Hektar, die als eine strukturelle Lösung angesehen wird, muss eindeutig ausgeschlossen werden. Die Pflanzrechte müssen beibehalten werden, doch gleichzeitig müssen die Kontrollen verstärkt werden, um illegale Pflanzungen zu verhindern. Die Vergabe neuer Pflanzrechte, die im angepassten Weinbaukataster einzutragen sind, muss vorrangig jungen Erzeugern von Qualitätsweinen zugute kommen.

Die Berufsorganisationen spielen eine herausragende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors, und sie müssen über nationale operationelle Programme gestärkt werden. Schließlich erfordert die Förderung eines vernünftigen Weinverbrauchs, gepaart mit einer dynamischen exportorientierten Handelspolitik einschließlich einer Vereinfachung der Kennzeichnung, die reale Bereitstellung substanzieller Haushaltsmittel.

 
  
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  Ioannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Wir sind im Begriff, den Bericht über die Mitteilung der Kommission zur Gemeinsamen Marktordnung für Wein zusammen mit einer Reihe von Änderungsanträgen anzunehmen.

Worin besteht nun die Hauptbotschaft, die wir der Kommission übermitteln wollen:

- Erstens, ein Nein zur unkontrollierten Rodung, die u möglicherweise zur Vernichtung wertvoller Produktionsgebiete führt, in denen wertvolle Qualitätsweine erzeugt werden;

- Zweitens, die Beibehaltung bestimmter Interventionsmaßnahmen – und damit meine ich die Destillation –, die dazu dienen, ein Marktgleichgewicht herzustellen und indirekt das Einkommen der Erzeuger zu fördern;

- Drittens, die Schaffung nationaler Rahmen, die verschiedene Aktivitäten beinhalten, aus denen die Mitgliedstaaten wählen können. Um die Effektivität dieser Rahmen zu gewährleisten, müssen sie angemessen finanziert werden;

- Viertens sollte natürlich vermieden werden, Mittel vom ersten auf den zweiten Pfeiler zu übertragen, da dies im Endeffekt die GMO schwächen würde.

Wir sollten unsere Aufmerksamkeit darauf richten, tief greifende Lösungen zu finden, von denen ich zwei nennen möchte:

- Erstens müssen wir alles tun, um die hohe Qualität der Weinerzeugung in der Gemeinschaft auch in Zukunft zu gewährleisten. Darauf können wir uns verlassen;

- Zweitens müssen wir, was noch wichtiger ist, Anstrengungen unternehmen, um die Weine der Gemeinschaft noch intensiver zu unterstützen. Marktanteile erhöhen sich nicht durch Wunschdenken. Nur mit einer aggressiven Politik kann eine Steigerung des Verbrauchs innerhalb und außerhalb der Europäischen Union erreicht werden.

Natürlich gibt es unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Punkten der Mitteilung, wie beispielsweise zur Anreicherung von Wein. Für uns – für mich – ist ein Wein, der unter Zugabe von Zucker und Wasser hergestellt wird, kein Wein. Wein ist ein Trauben- und kein Zuckerrübenprodukt.

Mir ist klar, dass die Zugabe von Zucker beschlossene Sache ist. Wenn das geschieht, dann muss es auf dem Etikett ausgewiesen sein. Wir müssen offen und ehrlich sein und sowohl die Verbraucher als auch die Erzeuger schützen.

 
  
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  Bogdan Golik (PSE).(PL)Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich Sie zu Ihrer Wahl und zur Leitung dieser Aussprache beglückwünschen und Ihnen im Namen aller Kollegen für Ihre große Geduld danken, mit der Sie uns gestattet haben, die Zeitvorgabe zu überschreiten, was ja uns allen zugute kommt.

Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich möchte eingangs Frau Batzeli, der Berichterstatterin, zu der umfangreichen Arbeit gratulieren, die sie in den letzten Monaten bei der Erstellung ihres Berichts über die Reform des Weinsektors geleistet hat, sowie zu der exzellenten Art und Weise, in der die Arbeit an diesem Dokument im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung koordiniert wurde.

Ich teile die Ansicht, dass die Gemeinsame Marktorganisation für Wein einer grundlegenden Reform sowie der Anpassung der Struktur der Weinherstellung bedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit und Ausgewogenheit des europäischen Weinsektors zu sichern. Es muss möglichst bald etwas unternommen werden, um eine ausgewogene Marktentwicklung zu fördern, denn das Fehlen einer solchen Ausgewogenheit verschlingt immer größere Mengen an europäischen Haushaltsmitteln.

Ich möchte Sie ferner darauf aufmerksam machen, dass die Entwicklung ländlicher Gebiete in Regionen gefördert werden sollte, in denen der Weinbau für den lokalen Fremdenverkehr und die Diversifizierung der Landwirtschaft von großer Bedeutung ist, auch wenn er im Rahmen der Gemeinschaft insgesamt eine eher unbedeutende Rolle spielt. Auch diese Gebiete werden alle von den Reformen betroffen sein. Deshalb müssen wir Lösungen für die Reformierung des Weinmarktes finden, die dem Weinanbau in lokalem Maßstab keine unangemessenen wirtschaftlichen Beschränkungen auferlegen. Es besteht zudem keine direkte Beziehung zwischen der lokalen Innovation beim Weinbau in den ländlichen Gebieten der neuen Mitgliedstaaten und dem europäischen Weinmarkt, und deshalb kann er auch auf eine Regulierung auf der Grundlage strenger Marktprinzipien verzichten. Diese Regionen haben keine teuren Weinüberschüsse erzeugt, und folglich sollten Gebiete mit geringer Weinproduktion auch von jeglichen Maßnahmen zur Begrenzung der Überproduktion ausgeschlossen werden.

 
  
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  Carmen Fraga Estévez (PPE-DE).(ES) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Die Tatsache, dass vor der Annahme dieses Berichts kein Kompromiss zustande kam, hat zu einer Reihe von Fehlern und Widersprüchen geführt, die hoffentlich bei der Abstimmung in diesem Plenum ausgeräumt werden.

Einen dieser Fehler möchte ich ansprechen. Er ist in Ziffer 18 enthalten, die sich auf die Destillation von Nebenprodukten bezieht und besagt, dass der bei einer solchen Destillation entstandene Alkohol zumindest teilweise für den Trinkalkoholmarkt zugelassen werden muss.

Dies offenbart mangelnde Kenntnisse über die verschiedenen Arten der Destillation und der dabei entstehenden Alkoholprodukte, denn Trinkalkohol, der ausschließlich für die Produktion von Brandys, Portweinen und Likören eingesetzt wird, ist ein hochwertiges Produkt, das auf gar keinen Fall durch Alkohol aus der Destillation von Nebenprodukten gewonnen werden kann.

Aus allen diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass wir gegen diesen Punkt stimmen müssen, um weitere Verwirrungen in Bezug auf die Destillationsarten und die dabei produzierten Alkohole zu vermeiden.

Ich möchte außerdem etwas hervorheben, das für jede GMO-Reform entscheidend ist: die Haushaltsaspekte. Bisher kam bei allen GMO-Reformen eine Verteilung der Mittel anhand eines historischen Kriteriums zur Anwendung. Erstaunlicherweise ist bei der Weinreform beabsichtigt, zu anderen Verfahren überzugehen, die noch nicht ganz klar sind, die aber zu einer großen Unsicherheit im Sektor führen.

Damit der Bericht von Frau Batzeli hier eindeutiger wird, schlage ich deshalb auch vor, für die Änderungsanträge zu stimmen, die sich für das historische Kriterium bei der Verteilung der Mittel einsetzen.

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE). – (HU) Sehr geehrte Frau Fischer Boel! Glauben Sie mir; auch wir wollen die Reform: eine gründliche und radikale Reform, und diesbezüglich sollten die Kommission und das Europäische Parlament Verbündete sein. Anderer Meinung sind wir in Bezug auf die Rodungen. Im Gegensatz zur Kommissarin möchten wir den Schwerpunkt nicht auf Rodungen legen, da sich alle Parteien darin einig sind, dass strukturelle Veränderungen und Modernisierung mindestens ebenso wichtig sind wie Rodungen.

Ich möchte die Frau Kommissarin darauf aufmerksam machen, dass in den neuen Mitgliedstaaten die Gefahr besteht, dass arme Weinbauern zu große Flächen roden und die Probleme der neuen Mitgliedstaaten damit nur verstärken. Deshalb müssen alle Zahlungen in den nationalen Finanzrahmen erfolgen, und ich möchte die Frau Kommissarin dazu beglückwünschen, denn ein nationaler Finanzrahmen kann nicht nur für den Wein, sondern für die gesamte gemeinsame Agrarpolitik die Zukunft bedeuten. Lassen Sie uns die Obergrenzen festlegen und die Mittel dann gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität in den nationalen Finanzrahmen einsetzen.

Das ist eine ausgezeichnete Lösung, aber unsere Gründe für die Festlegung der nationalen Finanzrahmen sind problematisch, Frau Kommissarin, wenn es stimmt, dass wir ihnen zu 20 % territoriale und zu 80 % historische Referenzwerte zugrunde legen. Das käme einer schwer wiegenden Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten gleich. Folglich käme für die neuen Mitgliedstaaten nur eine Verteilung der Mittel des nationalen Finanzrahmens auf der Grundlage des Territoriums in Frage, wenn diese Informationen stimmen – was ich allerdings nicht hoffe.

Was den fünften Aspekt, die Destillation, betrifft, so haben Sie Recht: Sie muss komplett eingestellt werden. Hinsichtlich der ländlichen Entwicklung sollten wir die Verwendung zusätzlicher für diesen Zweck vorgesehener und über die für den Weinsektor geplanten Mittel hinausgehender Gelder für die Entwicklung der Weinregionen ermöglichen.

 
  
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  Astrid Lulling (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Ich darf zunächst einmal mit Genugtuung feststellen, dass die Frauen in dieser Debatte den Ton angeben. Leider stand dieser Bericht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Der Bericht ist zwar etwas besser geworden, ist aber für mich noch viel zu konfus, um die richtigen und klaren Signale an die Kommission zu senden, damit diese auch begreift, Frau Fischer Boel, dass die Suppe nicht so heiß gegessen wird, wie Sie sie in ihrer Mitteilung gekocht haben. Ich werde die Teile des Berichts mittragen, die weiterhin eine spezifische Marktordnung für Wein als unabdingbar ansehen. Es ist für mich aber geradezu eine Provokation, dass die Kommission sich jetzt vordergründig mit Vorschlägen für eine einzige Marktordnung für alle landwirtschaftlichen Produkte beschäftigt, wir uns aber hier gleichzeitig monatelang die Köpfe über die Reform der gemeinsamen Ordnung für Wein, Obst und Gemüse einschlagen.

Wie ernst nimmt uns die Kommission eigentlich? Was hat sie im Hinterkopf? Was die Ausrichtung der Weinmarktordnung angeht, so brauchen wir das Geld im ersten Pfeiler. Wir brauchen eine bessere Verwendung der Mittel mit dem Ziel, unser Produktionspotenzial zu erhalten und zu verbessern, alte Märkte zurückzugewinnen, neue zu erobern, den gemäßigten, gesunden Weinkonsum zu fördern. Wir brauchen mehr Subsidiarität, mehr Verantwortung des Berufs, um das Geld regional gezielter auszugeben. Allerdings dürfen die Regionen, die sich am wenigsten bemüht haben, qualitativ guten Wein herzustellen und zu vermarkten, nicht aufgrund so genannter „historischer Kriterien“ noch einmal bei der Verteilung der nationalen Mittel dafür belohnt werden, dass sie Hunderte Millionen für die Destillierung von unverkäuflichem Wein eingesteckt haben. Das geht nicht! Es kommt auch nicht in Frage, dass den nördlichen Regionen, die ihren Qualitätswein ohne europäisches Geld vermarktet haben, verboten wird, ihre Weine nach traditionellen Methoden herzustellen. Das löst die Strukturprobleme in den Regionen nicht, in denen die Strukturreformen auf dem Ruhekissen der Destillationsmillionen verschlafen wurden.

Eigentlich haben wir in Europa keinen strukturellen Überschuss an Wein, sondern wir haben quantitativ genau den Wein zuviel, der illegal angepflanzt wurde. Wenn ein Winzer vorzeitig aufgeben will, soll das möglich sein und sozial abgefedert werden, aber ohne im Rahmen des Perimeters für Qualitätsweine nicht wieder gutzumachende Umweltschäden durch Rodung zu verursachen. Um Absatzmärkte muss weltweit unter fairen Wettbewerbsbedingungen gekämpft werden können. Europäische Weine dürfen nicht mit Wasser aus Europa und importiertem Most aus Drittländern fabriziert werden. Auch Verschnitte von europäischen und importierten Weinen kommen nicht in Frage. Was hat sich die Kommission eigentlich dabei gedacht?

(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Margrietus van den Berg (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich möchte einen anderen Ansatz versuchen. Es wäre kurzsichtig zu denken, dass die Politik der Europäischen Union sich in diesem Zeitalter der Globalisierung nur auf unsere eigenen Bürger auswirkt. Wenn Europa seine Politik hinsichtlich des Weinsektors ändert, wird dies Folgen für sehr viele andere Menschen außerhalb Europas haben, Menschen, deren Einkommen durch unfairen Wettbewerb des europäischen Weinsektors Einbußen erleiden wird. Daher muss die Politik in verschiedenen Bereichen kohärent gestaltet werden. Die Vorschläge der Kommission für die Reform des Weinsektors sind ein Schritt in die richtige Richtung. Als stellvertretender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses und als Sozialdemokrat bin ich sehr enttäuscht, dass der Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung die europäische Entwicklungspolitik und den fairen Handel außer Acht lässt. Dem Bericht zufolge soll der Weinsektor aus den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsrunde ausgeschlossen bleiben.

Laut dem Bericht werden die Schwierigkeiten im Weinsektor nämlich durch die zunehmenden Importe aus Drittländern verursacht. In der Zwischenzeit muss die Kommission jedoch alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, um unseren Weinsektor zu schützen. Warum sollten wir Entwicklungsländern mit der einen Hand wegnehmen, was wir ihnen mit der anderen Hand über die EU-Entwicklungspolitik zukommen lassen? Warum sollten wir unseren Markt dem fairen Wettbewerb verschließen wollen? Warum soll nicht der Verbraucher entscheiden, welchen Wein er trinken möchte, ob das nun ein französischer Bordeaux, ein südafrikanischer Chardonnay oder ein chilenischer Merlot ist? Fairer Handel mit anderen Ländern schließt einen wettbewerbsfähigen europäischen Weinsektor nicht aus, protektionistische Weinpolitik hingegen grenzt zehntausende Menschen aus, die für ihr täglich Brot von einem fairen Weinhandel mit Europa abhängig sind. Deshalb trinke ich gerne mit Ihnen ein Gläschen „Groot geluk“ aus Südafrika und sage: „Auf eine kohärente europäische Politik; ich unterstütze die Kommission. Zum Wohl!“.

 
  
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  Oldřich Vlasák (PPE-DE). – (CS) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Weinmarkt hatte in den letzten Jahren mit dem Problem von Überschüssen zu kämpfen, das die aktuelle Politik für den gemeinsamen Weinmarkt nicht zufrieden stellend lösen konnte. Die Unterstützung für Weindestillation beispielsweise ist in meinen Augen eine sinnlose Verschwendung begrenzter Mittel. Der reformierte Weinmarkt ermuntert die Produzenten von Tafelweinen von geringer Qualität heute nicht, sich der Produktion von hochwertigerem Wein zuzuwenden. Daher ist eine Reform dieses Marktes so wichtig.

Wir brauchen unbedingt eine wesentliche Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinsektors. In diesem Zusammenhang bietet der Bericht Batzeli zahlreiche Anregungen, und ich halte diesen Bericht für sehr ausgewogen.

Der Schlüsselbereich, auf den wir uns konzentrieren müssen, ist die Haushaltsreform. Subventionen müssen im Verhältnis zu dem für Weinanbau genutzten Gebiet und zum Wert der Weinproduktion stehen. Mittel sollten nicht für die Rodung von Rebflächen, die gegen den Acquis verstoßen, bewilligt werden. Die Exportzahlungen für Tafelwein erfolgen völlig unsystematisch und sind gewiss nicht dabei behilflich, den guten Ruf des europäischen Weins zu fördern.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt müssen wir verstehen, dass wir europäische Produzenten nicht verfolgen dürfen, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produkte unterstützen wollen. Die geografischen Bedingungen in Ländern des Nordens unterscheiden sich völlig von denen im Süden. Die Anreicherung des Weins mit Zucker ist ebenso Tradition in nördlichen Ländern wie die Säuerung von Wein in südlichen Ländern. Ein Verbot würde das Aus für viele gute Weinbauern-Familien in unseren Ländern bedeuten, wobei Traditionen zerstört werden und damit auch die Lösungen für Probleme der bäuerlichen Produktion. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Françoise Castex (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Der europäische Weinbau braucht eine ehrgeizige Reform. Wie Sie wohl verstanden haben, wollen wir, dass diese Reform die europäische Weinbautradition ebenso achtet wie die Männer und Frauen, die in diesem Sektor arbeiten.

Lassen Sie mich jedoch Ihre Aufmerksamkeit auf die Stellungnahme des Ausschusses für internationalen Handel lenken, der in dem Bericht von Frau Batzeli enthalten ist. Die Reform der GMO Wein muss in der Tat den handelspolitischen Herausforderungen Rechnung tragen. Europa ist nach wie vor der größte Weinexporteur der Welt, doch seine Wettbewerbsfähigkeit muss gegenüber der zunehmenden Konkurrenz durch Weine aus der Neuen Welt gestärkt werden. Die Exportfähigkeit dieses Sektors basiert vor allem auf einer weltweit anerkannten Qualität und Authentizität.

Wir brauchen daher eine offensive Handelspolitik, um die Qualität der europäischen Weine zu fördern. So wäre es beispielsweise abwegig und kontraproduktiv, die Weinproduktion aus eingeführten Mosten und die Mischung von europäischen und außereuropäischen Weinen zuzulassen.

Folglich spricht sich der Bericht des Europäischen Parlaments ganz entschieden dagegen aus. Im gleichen Sinne ist es erforderlich, einen besseren Schutz der geschützten geografischen Angaben (ggA) sowie die geschützten Ursprungsbezeichnungen (gUB) in den WTO-Verhandlungen und bilateralen Abkommen zu erreichen. Wir wollen eine anbaugebietsbezogene Weinerzeugung gegenüber weitgehend unregulierten Weinen verteidigen.

Frau Kommissarin, ich hoffe, dass die Europäische Kommission die Stellungnahmen berücksichtigt, die im Bericht von Frau Batzeli, die ich heute Abend grüßen und beglückwünschen möchte, enthalten sind.

 
  
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  Armando Veneto (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns dessen bewusst, dass die Reform, die wir durchzuführen versuchen, eine angemessene Antwort auf die Herausforderung geben muss, die in der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinsektors im globalen System besteht. Wie sind uns darin einig, dass Europa diese schwierige Aufgabe nur meistern kann, wenn es die Qualität seiner Weine bewahrt und verbessert und ihre Besonderheiten stärker zur Geltung bringt. Allerdings werden nicht alle Antworten, die wir gefunden haben, diesem obersten Ziel vollauf gerecht. Daher können wir sagen, dass der Text, den wir im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung angenommen haben, zwar der bestmögliche Text ist, der jedoch nichtsdestotrotz weitere Abänderungen erforderlich macht.

Daher muss eine besonnene, stufenweise, sorgfältig gesteuerte Reform auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips vorgenommen werden, um die bestehenden nationalen und regionalen Besonderheiten zu wahren. Aus all diesen Gründen müssen die Agrarmittel im ersten Pfeiler verbleiben: Es gilt, Informationskampagnen zur Förderung eines verantwortungsbewussten Konsums durchzuführen; die Destillationsverfahren, zumindest vorläufig, als Sicherheit für die Erzeuger beizubehalten; den Mitgliedstaaten die Begrenzung der Rodungen von Weinbergen nach strikten ökologischen und sozialen Kriterien zu erlauben und der kleinen, qualitativ hochwertigen Produktion den Vorzug zu geben.

Was die Aufrechterhaltung der geltenden Bestimmungen über zulässige Weinbereitungsverfahren, die Zuckeranreicherung und den Most anbelangt, so gebe ich zu bedenken, dass die unermüdliche Verteidigung dieser Verfahren durch einige Delegationen das Problem der nationalen Interessen im Vergleich zu denen der Union aufwirft und an die Notwendigkeit erinnert, das Konzept des vereinigten Europas zu stärken und Marktverzerrungen, die übertriebener Nationalismus mit sich bringt, zu meiden. Wenn die Herausforderung darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Weine zu verbessern, so läuft der Vorschlag, die Beigabe von Saccharose und die Verwendung von Most beizubehalten, dem zuwider, weil die Verwendung solcher Zusatzstoffe die Qualität mindert und die Unterschiede, die doch der beste Ausdruck des Weinanbaus sind, verringert.

Vielleicht hätten wir uns stärker für diesen Aspekt einsetzen und das Problem der Gemeinschaftsinteressen anschneiden müssen, um, wie ich es tue, zu fordern, dass alle Länder der Union – und zwar ohne Ausnahme – übereinstimmen, wie unangebracht und politisch unkorrekt es ist, nationale Interessen den Interessen Europas voranzustellen, und wie entscheidend es ist, das richtige Verhältnis zwischen diesen Erfordernissen zu finden.

 
  
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  Christine De Veyrac (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich die Berichterstatterin, Frau Batzeli, beglückwünschen, die, wie wir gehört haben, einen Standpunkt vertritt, der in diesem Saal auf weitgehende Zustimmung trifft.

Es sei nochmals gesagt, dass die Vorschläge der Kommission so nicht akzeptabel sind. Wir sind weit davon entfernt, zu leugnen, dass es Probleme gibt: Der europäische Verbrauch geht zurück, unsere Ausfuhren stagnieren, während gleichzeitig unsere Weinimporte zunehmen. Auf diese Situation reagiert die Kommission mit der Vorlage eines Plans zur massiven Rodung von Rebflächen, der das Aus für unsere Winzer wäre.

Man spricht von Überproduktion. Die gibt es zwar, doch die Ablehnung der Einflussnahme auf die Einfuhren bedeutet, die europäische Erzeugung als „Sicherheitsventil“ zur Marktanpassung zu benutzen. Das ist nicht akzeptabel. Wir können der Rodung von Rebflächen nur zustimmen, wenn sie auf Freiwilligkeit basiert, was substanzielle finanzielle Entschädigungen einschließt, und wenn von der Idee zeitweiliger Rodungen ausgegangen wird.

Zweitens ist nach meiner Überzeugung die Kürzung der Haushaltsmittel für die GMO Wein ebenfalls nicht akzeptabel. Die Kommission deutet die Möglichkeit an, einen Teil der Mittel auf die ländliche Entwicklung umzulenken. Wenn man nicht den Grundsatz einer speziellen GMO für Wein überhaupt in Frage stellen will, ist für mich kaum vorstellbar, wie man die bereits geringen Mittel weiter kürzen will, zumal wir gerade zwei neue Staaten aufgenommen haben, die selbst Erzeuger sind. Wir sind also, wie einige Redner bereits gesagt haben, gegen einen Transfer, gegen jeden Transfer von Mitteln von der ersten auf die zweite Säule der GAP.

Meine dritte Feststellung, mit der ich zum Schluss kommen will, besteht darin, dass wir unsererseits an eine Zukunft für den europäischen Weinbau glauben. Wir glauben, dass die Zeit der Winzer noch nicht vorbei ist. Dass die Zukunft nicht in der Konzentration der Betriebe liegt, wie der Plan für die massive Rodung von Rebflächen glauben machen will. Diese Zukunft müssen wir aufbauen, indem wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Weine vor allem im Ausland stärken. Deshalb meinen wir, dass die erste Priorität einer Reform der GMO für Wein in einer Stärkung der Attraktivität unserer Weine durch einen umfassenden Plan zu ihrer Absatzförderung und Vermarktung in der Welt bestehen sollte.

Ich habe mich gefreut, dass Sie dies vorhin ebenfalls geäußert haben, Frau Kommissarin; nun erwarten wir Taten.

 
  
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  Giorgos Dimitrakopoulos (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte meiner Kollegin, Frau Batzeli, herzlich zu ihrer hervorragenden Arbeit gratulieren und meiner Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, dass die Ausarbeitung dieses Berichts von unserer Abgeordneten aus Griechenland übernommen wurde, das auf eine jahrhundertealte Tradition des Weinanbaus zurückblicken kann.

Wein als Agrarerzeugnis hat in unserem Leben, unseren Sitten, unserer Tradition, unserer Geschichte sowie in Freud und Leid stets einen zentralen Platz eingenommen. Mit anderen Worten, er ist ein untrennbarer Bestandteil unserer Zivilisation.

Es ist daher außerordentlich begrüßenswert, dass dieser Bericht in hohem Maße die Standpunkte des griechischen Weinbausektors widerspiegelt. Gleichzeitig macht der Bericht von Frau Batzeli die Haltung des Europäischen Parlaments gegenüber der neuen, von der Kommission geplanten gemeinsamen Organisation des Weinmarktes deutlich und setzt er den meines Erachtens übereiligen und simplifizierenden ursprünglichen Überlegungen der Kommission Umsicht und Logik entgegen.

Ich möchte darum bitten, dass wir den Bericht so annehmen, wie er ist.

 
  
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  Agnes Schierhuber (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei der Berichterstatterin und allen Schattenberichterstattern für ihre Arbeit bedanken. Es ist die dritte Reform des Weinsektors innerhalb von 12 Jahren, und ich bin froh, dass es mit einer Mitteilung der Kommission einmal möglich ist, eine Annäherung der sehr unterschiedlichen Positionen und Ziele zu erreichen. Zu Beginn lagen unsere Standpunkte sehr weit auseinander, weil der Wein ein sehr emotionales Thema ist – ich sage immer, der Wein gehört zu den elegantesten Produkten der Landwirtschaft. Das hat sich auch durch die fast 600 Änderungsanträge bewiesen. Den vorliegenden Bericht kann man meines Erachtens über weite Strecken sehr positiv sehen. Es finden sich viele Kompromisse darin. Besonders möchte ich hervorheben, dass die traditionellen önologischen Verfahren auch wirklich berücksichtigt wurden. Es muss aber ganz klar sein, dass es keine in irgendwelcher Form gegebene Möglichkeit einer doppelten Ausgleichszahlung oder Stützung für Regionen gibt, denn das können wir vor den Steuerzahlern in Europa nicht verantworten.

Es gibt noch ein Problem, dass für uns in Österreich von Bedeutung ist. Bis jetzt wurde die Frage der Etikettierung von Tafelweinen nicht wirklich berücksichtigt. Wir wollen auf jeden Fall, dass Tafelweine nicht so etikettiert werden wie Qualitätsweine. Hier muss es eine für die Konsumenten klar erkennbare Unterscheidung geben.

Zum Schluss möchte ich die Kommission bitten, diesen Initiativbericht genau zu lesen. Ich bin überzeugt, Frau Kommissarin, dass Sie und alle Ihre Beamte das tun werden. Es sind gute Vorschläge darin, die wir hoffentlich dann im Vorschlag der Kommission für die neue Gemeinsame Marktordnung für Wein, der uns im Sommer vorgelegt werden soll, wiederfinden werden.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte nur kurz auf einige der wesentlichsten Punkte eingehen, die von vielen von Ihnen in dieser sehr wichtigen Aussprache angesprochen wurden.

Fast jeder von Ihnen hat Rodungen erwähnt. Ich bin nicht sicher, ob Sie meinen einführenden Bemerkungen genau zugehört haben, in denen ich feststellte, dass wir gewährleisten müssen, dass bei den Rodungen keine wichtigen und legitimen sozialen und ökologischen Belange in Mitleidenschaft gezogen werden dürfen. Bitte hören Sie genau zu, und ich werde dies bei der Erarbeitung der Legislativvorschläge berücksichtigen.

Herr Graefe zu Baringdorf sagte ganz klar, dass die Rodungen den Weinbauern nicht aufgezwungen werden sollten. Genau. Das sollte nicht passieren, denn es sollte ganz allein die Entscheidung der Weinbauern sein, ob sie roden oder nicht. Diese Entscheidung ist nicht von den Mitgliedstaaten oder der Kommission zu treffen, sondern einzig und allein von den Weinbauern. Aber wir sollten Weinbauern, die versuchen, ein Geschäft aufrechtzuerhalten, in dem sie Jahr für Jahr ohne Gewinn arbeiten, nicht zu etwas zwingen. Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, in Würde aus diesem Sektor auszuscheiden.

Ein Wort zur Destillation. Ich habe noch niemanden getroffen, der bereit gewesen wäre, mir im Vertrauen zu sagen, dass die Krisendestillation irgendeinen Sinn ergibt. Im Gegenteil. Sie liefert unseren Bürgern Argumente, um die gemeinsame Agrarpolitik unter Verweis auf die überholten Methoden und Instrumente, die wir in der Vergangenheit eingesetzt haben, in den düstersten Farben zu malen. Wir können Ausgaben in Höhe von einer halben Milliarde Euro jährlich zur Beseitigung von Wein, den niemand trinken will, nicht rechtfertigen. Das funktioniert nicht, und ich hoffe, dass Sie mich in diesem Punkt unterstützen.

Deshalb brauchen wir die Werbung. Das wird vom Europäischen Parlament immer wieder betont, und ich bin bereit, einen Vorstoß zu wagen. Aber die Werbung auf europäischer Ebene darf kein Ruhekissen für den Weinsektor sein. Er muss sich diesbezüglich selbst weit mehr anstrengen.

In Irland ist der Weinkonsum angestiegen. Gegenwärtig werden 70 % des in Irland konsumierten Weins von außerhalb der Europäischen Union eingeführt. Deshalb konnte ich einfach nicht verstehen, weshalb auf den Weltmeisterschaften im Pflügen, die unlängst in Irland stattfanden und 250 000 Besucher anzogen, lediglich zwei Weinproduzenten vertreten waren, die beide nicht aus Europa kamen. Ich kann nur fragen, wieso.

Was die Weinbereitung aus eingeführtem Most betrifft, so habe ich von Anfang an ganz klar gesagt, dass wir alles offen auf den Tisch legen müssen, und ich habe die Reaktionen des Europäischen Parlaments, verschiedener Mitgliedstaaten und Betroffener zur Kenntnis genommen.

Christa Klaß erwähnte, dass zwischen den einzelnen Regionen enorme Unterschiede bestehen. Davon konnte ich mich selbst überzeugen, und deshalb meine ich, dass wir die Bedeutung der in der Mitteilung der Kommission erwähnten nationalen Finanzrahmen hervorheben sollten. Meines Erachtens stellt das für Mitgliedstaaten und Regionen eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, um die verschiedenen Instrumente und Gelder im Rahmen des nationalen Finanzrahmens konkret auf die Bedürfnisse der verschiedenen Regionen zugeschnitten einzusetzen. Das halte ich für eine wesentliche Überlegung.

Recht viele von Ihnen betonten, dass mit Blick auf die Zukunft des Weinsektors Qualität an oberster Stelle stehen muss, und das kann ich uneingeschränkt unterstützen.

Ich freue mich auf weitere Diskussionen mit Ihnen über die Weinreform, die ich dem Rat hoffentlich noch vor der Sommerpause vorlegen werde, und ich bin gern bereit, sie gleichzeitig Ihnen hier im Europäischen Parlament als Grundlage für unsere weiteren Diskussionen zu präsentieren.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. (SK) Der europäische Weinsektor produziert einige der besten Weine der Welt und verfügt über ein enormes Potenzial, das auf nachhaltige Weise weiterentwickelt werden muss. Das konstante Wachstum des Markts in China, das jetzt aktiv die Weinproduktion in Angriff nimmt, plus die wachsende Produktion in anderen Ländern wie Australien, Neuseeland, USA, Kanada und Südafrika, hat dazu geführt, dass Weine aus der „Neuen Welt“ einen erheblichen Marktanteil zu Lasten der europäischen Weine erobern.

Ich stimme der Kommission zu, dass das gestörte Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Weinsektor und wachsende Herausforderungen an den europäischen und den internationalen Weinmarkt auf die Notwendigkeit einer Reform auch dieses Sektors hinweisen. Einigen in der Mitteilung der Kommission vom 22. Juni 2006 vorgeschlagenen Lösungen kann ich jedoch keinesfalls zustimmen. Die Pläne für eine massive und wahllose Rodung von Rebflächen bedrohen die Umwelt in erheblichem Maße und stellen in meinen Augen einen ungerechtfertigten Angriff auf das europäische Weinerbe dar. Der Weinbau, der in erster Linie von natürlichen Ressourcen abhängig ist, wirkt sich positiv auf den Schutz des Bodens vor Erosion aus. Als treibende Kraft der ländlichen Entwicklung bietet der Weinbau auch eine Aussicht auf den ersehnten Wohlstand für zahlreiche europäische Regionen.

Mit ihrer Weinbautradition haben die slowakischen Regionen sich auf die Förderung des Weintourismus konzentriert, indem sie das Potenzial der Weinstraßen der Kleinen Karpaten und von Kamenín, Hont und Tokaj abschöpfen, und sie erwarten nun eine Reform der GMO im Weinsektor, um das dynamische Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinsektors durch die Bereitstellung angemessener finanzieller Mittel und vor allem durch die Förderung von Innovation sicherzustellen.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI), schriftlich. – (IT) Ich stimme mit der Kommission dahingehend überein, dass es gilt, die Rechtsetzungsmaßnahmen zu vereinfachen und zu harmonisieren sowie die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Weinsektors zu stärken, indem gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit gewährleistet wird. Doch auch wenn es einerseits erforderlich ist, die Unterstützung für die europäischen Landwirte und den erdrückenden Agrarhaushalt allmählich zugunsten anderer Politikbereiche zu kürzen, muss die EU andererseits die wesentlichen Sektoren ihrer Wirtschaft schützen. Der Weinsektor ist zweifellos einer von ihnen, mit einer Produktion, die 2005 fast 2 Millionen Euro Gewinn abgeworfen hat und allein in Italien über 2 500 000 Betriebe betrifft. Er darf deshalb nicht vollkommen den Regeln des freien Marktes überlassen werden: Der freie Wettbewerb könnte schädliche Auswirkungen auf Qualität und Vielfalt unserer Produktion haben, die sich größtenteils auf die Tätigkeit von Kleinbetrieben stützt, die im internationalen Wettbewerb nicht mithalten können. Bedauerlich finde ich außerdem den leider von den nordeuropäischen Ländern unternommenen Versuch, die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU zu verfälschen, indem sie Beihilfen für die Verwendung von Saccharose zur Erhöhung des Alkoholgehalts vorschlagen, ohne die Beihilfen für die Mosterzeugung beizubehalten, die ein geläufiges Verfahren in Italien und in anderen Mittelmeerländern darstellt und eine höhere Qualität unserer Erzeugnisse gewährleistet.

 

12. Fakultative Modulation der Direktzahlungen im Rahmen der GAP (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Lutz Goepel im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit Bestimmungen zur fakultativen Modulation der Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 (KOM(2006)0241 – C6-0235/2006 – 2006/0083(CNS)) (A6-0009/2007).

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Wir haben zum zweiten Mal die Gelegenheit, über den Vorschlag zur fakultativen Modulation zu beraten, und ich möchte Herrn Goepel nochmals für seinen Bericht danken.

Es ist keine große Überraschung, dass Sie Ihre im letzten Herbst vertretenen Ansichten noch einmal bekräftigt und die Kommission abermals aufgerufen haben, ihren Vorschlag zurückzunehmen. Ich kenne die Bedenken des Parlaments zur fakultativen Modulation und verstehe sie auch. Mein Standpunkt dazu ist Ihnen wohlbekannt, und eine Wiederholung Ihrer und meiner Argumente ist nicht nötig, doch wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Als Alternativlösung zur fakultativen Modulation hätte ich die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel in unserer Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums bevorzugt, aber auf dem Europäischen Gipfel wurde anders entschieden.

Eines steht für mich jedenfalls fest: Die Einwände des Europäischen Parlaments stoßen nicht auf taube Ohren. Auch wenn der Rat erneut seinen Wunsch bekräftigt hat, den Vorschlag aufrechtzuerhalten, werden derzeit Anstrengungen unternommen, um Ihren Anliegen Rechnung zu tragen. Es hat Bedenken dahingehend gegeben, dass die fakultative Modulation die Gemeinsame Agrarpolitik zunichte machen würde, doch nach dem jetzigen Stand der Dinge deutet alles darauf hin, dass die fakultative Modulation nur in einer sehr begrenzten Anzahl von Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen wird, um ihren jeweiligen Programmen für die ländliche Entwicklung Auftrieb zu geben.

Wie Sie sich erinnern werden, haben wir vorgeschlagen, dass die Mittel unter Beachtung fast aller Vorschriften für die ländliche Entwicklung ausgegeben werden müssen. Außerdem halte ich es für sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten, die die fakultative Modulation anwenden wollen, vor der Umsetzung eine Folgenabschätzung durchführen; zudem sollten wir darauf achten, dass wir die Umsetzung der fakultativen Modulation sorgfältig überwachen, gerade im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Landwirte. Ich bin außerdem der Meinung, dass dieses Instrument eher einen vorübergehenden als einen ständigen Charakter haben sollte. Meiner Ansicht nach sollte jede künftige Anhebung des Prozentsatzes der obligatorischen Modulation zu einer entsprechenden Verringerung des Prozentsatzes der fakultativen Modulation führen. Die Einführung solcher Bestimmungen im Zusammenhang mit diesem Vorschlag hätte die volle Unterstützung der Kommission.

Wie Sie wissen, habe ich die Absicht, die fakultative und obligatorische Modulation nochmals unter die Lupe zu nehmen, wenn wir uns mit der Generalüberprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik befassen. Alles in allem ist die Kommission weiterhin offen für realisierbare Vorschläge, die zu einem für das Parlament, den Rat und die Kommission vertretbaren Kompromiss führen könnten.

Wir möchten konstruktiv sein, doch erwarten wir das auch von Ihnen.

Abschließend möchte ich noch ein Thema ansprechen, das mir große Sorgen bereitet. Wir stehen nun vor einer neuen Generation von Programmen zur ländlichen Entwicklung. Die Mitgliedstaaten haben bereits in die Erarbeitung solider einzelstaatlicher Strategiepläne und Programme investiert, um die Ziele zu erreichen, für die das Europäische Parlament eintritt, nämlich eine wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft, Umweltverträglichkeit, die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine lebendige Sozialstruktur in den ländlichen Gebieten. Wir befinden uns in einer Phase, die für das reibungslose Anlaufen dieser Programme entscheidend ist.

Mit den 20 %, die das Europäische Parlament bei den Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen für die Entwicklung des ländlichen Raums in die Reserve gestellt hat, droht dies alles in Gefahr zu geraten. Ich bin sehr besorgt über diese Verknüpfung und das grundlegende Problem, das damit für den Beginn der neuen Politik für die ländliche Entwicklung geschaffen wird. Frau Grybauskaitė und ich haben unsere Bedenken ausführlich in einem gemeinsamen Schreiben an die Vorsitzenden des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und des Haushaltsausschusses zum Ausdruck gebracht. Die Reserve verhindert eine vernünftige Umsetzung der ländlichen Entwicklungspolitik. Da das Parlament klar hinter dieser Politik steht, werden Sie hoffentlich verstehen, welches Problem durch diese Reserve entstehen wird. Mit der Reserve werden für die Mitgliedstaaten zusätzliche Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Programmgestaltung geschaffen, und dies, wo doch bereits auf dem Gipfel im Dezember 2005 Reservekürzungen beim Haushalt für ländliche Entwicklung beschlossen wurden. Eine Genehmigung der Programme für die ländliche Entwicklung wird verzögert, denn die Kommission kann die Programme erst genehmigen, wenn die Mittel für alle Programme der Union im Haushalt zur Verfügung stehen. Das heißt, wenn die Kommission nicht die vollen Beträge bereitstellen kann, werden die Mitgliedstaaten ihre Programme oder Vorschläge zurückziehen und geänderte Vorschläge unterbreiten müssen, in denen die 20%ige Kürzung berücksichtigt wird. Wird die Reserve dann später aufgehoben, werden alle Programme für die ländliche Entwicklung entsprechend angepasst werden müssen. Vielleicht verstehen Sie, dass dadurch die Aufnahme der Programme in der schwierigen Anlaufphase möglicherweise behindert wird.

Wir wollen eine akzeptable Lösung zur fakultativen Modulation finden, doch sollten wir dies nicht auf Kosten unserer Programme für den ländlichen Raum tun. Bei der Lösung dieser Probleme zähle ich auf Sie.

 
  
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  Lutz Goepel (PPE-DE), Berichterstatter. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kommissarin! Ich weiß nicht, ob es so klug war, jetzt in dem letzten großen Kapitel die 20% Reserve anzusprechen, denn wir sprechen hier über die so genannte freiwillige Modulation, und das ist eigentlich Sinn dieser Aussprache. Über alles andere kann man zwar reden, aber vielleicht nicht gerade zu diesem Zeitpunkt.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diesem Hause über das Für und Wider dieser Modulation diskutieren, da haben Sie vollkommen Recht.

Seit unserer letzten Debatte hat sich, was den Gesetzgebungsvorschlag angeht, nicht viel verändert. Zwar senden Rat und Kommission deutliche Signale, dass sie uns entgegenkommen wollen. Bis dies allerdings definitiv feststeht, müssen wir von unserer Seite noch einmal ein deutliches Signal senden, dass wir diesen Vorschlag in der jetzigen Form ablehnen.

Die völlige Missachtung der politischen und budgetären Mitspracherechte des Europäischen Parlaments bei der entscheidenden Einigung im Rat macht wieder deutlich, dass die anderen Institutionen uns bei wichtigen Grundsatzfragen nicht nur nicht ernst nehmen, nein, sie nehmen uns schlichtweg nicht wahr. Das kann und darf so nicht bleiben, Verfassung hin oder her.

Bis uns Rat und Kommission ein belastbares Angebot unterbreiten, sollten wir daher in unserer Ablehnung fest zusammenstehen. Nur so werden wir etwas erreichen, und ich glaube, wenn wir das tun, dann wird dieses Dossier dazu beitragen, die Rolle des EP zu stärken und vor allem die europäischen Landwirte zu unterstützen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal allen Mitgliedern meines Ausschusses danken, dass sie bisher diesen Weg gemeinsam mit mir geschlossen gegangen sind. Lassen Sie mich aber auch den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und den Vertretern aller Fraktionen einen ganz herzlichen Dank aussprechen, dass sie den Agrarausschuss auf seinem schwierigen Weg unterstützt haben. Stellvertretend für viele möchte ich hier vor allen Dingen die Kollegen Jan Mulder und Herbert Bösch nennen, die ganz wesentlich die Haltung dieses Hauses mitgeprägt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte stimmen Sie morgen geschlossen gegen den Vorschlag der Kommission und lassen Sie uns gemeinsam mit Rat und Kommission nach Wegen zu einer besseren Lösung suchen. Bitte vergessen Sie aber nicht, dass die Ablehnung des Vorschlags Voraussetzung dafür ist, dass sich vor allem der Rat, aber auch die Kommission bewegen. Ich hoffe daher auf Ihre uneingeschränkte Unterstützung.

Frau Präsidentin, Folgendes noch zum Verfahren: Der zweite Bericht zur fakultativen Modulation bestätigt den ersten Bericht, in dem der Kommissionsvorschlag ebenfalls abgelehnt wurde und deshalb nach Artikel 52 Absatz 3 der Geschäftsordnung an den Ausschuss rücküberwiesen wurde. Wenn wir nun morgen erneut den Kommissionsvorschlag ablehnen, dann werden wir, wenn die Kommission ihren Vorschlag nicht zurückzieht – und davon gehe ich aus – auch über den Entwurf der legislativen Entschließung abzustimmen haben.

 
  
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  Agnes Schierhuber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich beim Berichterstatter und den Schattenberichterstattern ganz herzlich bedanken, denn durch sie ist es möglich geworden, dass das Europäische Parlament und seine Mitglieder jetzt von allen Institutionen ernster genommen werden. Ich bin überzeugt davon, dass sich gemeinsam ein Ausweg finden lässt. Die Frau Kommissarin hat ja schon manches angedeutet. Aber auch der Rat muss sich endlich bewegen, und ich denke, dass das in guten Gesprächen auch möglich ist.

Wie schon bei der ersten Abstimmung gilt eines: Keine Aufweichung der Gemeinsamen Agrarpolitik – sie ist nach wie vor die einzige wirklich vergemeinschaftete Politik der Europäischen Union – und keine Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Europa lebt von Solidarität, Respekt und Achtung gegenüber jedem einzelnen. Die europäische Landwirtschaft hat sich in den letzten fünfzehn Jahren wie keine andere unserer Politiken weit reichenden Reformen unterzogen. Wir befassen uns – Sie haben das schon angesprochen, Frau Kommissarin – mit dem „Health Check“, den wir nächstes Jahr zu diskutieren beginnen, um für die Zeit nach 2013 gerüstet zu sein. Es ist ganz besonders wichtig, dass wir hier im Europäischen Parlament weiterhin diese einheitliche Linie über alle Ausschuss- und Fraktionsgrenzen hinweg verfolgen, denn nur so kann man erreichen, dass das Europäische Parlament und seine Vertreter nicht weiter ignoriert werden.

Daher meine Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen, dem Vorschlag unseres Berichterstatters und der Schattenberichterstatter morgen so wie bei der ersten Abstimmung zu folgen.

 
  
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  Bernadette Bourzai, im Namen der PSE-Fraktion.(FR) Frau Präsidentin! Wir haben im November den Vorschlag einer Verordnung über die fakultative Modulation mit großer Mehrheit abgelehnt.

Da die Europäische Kommission ihren Text nicht verändert hat, sind die Gründe für eine erneute Ablehnung des Textes nach wie vor gegeben; ich will sie nicht wiederholen, denn sie sind allgemein bekannt: die bei der zweiten Säule vorgenommenen Einschnitte, der Verzicht auf die Kofinanzierung, die Tatsache, dass diese Kofinanzierung Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten zur Folge hat, und das Ungleichgewicht, das dadurch in der Struktur der Gemeinsamen Agrarpolitik entsteht, die, wie ich erinnern möchte, die einzige gemeinsame europäische Politik ist und damit Gefahr läuft renationalisiert zu werden.

Allerdings ist der Finanzbedarf für die Politik der ländlichen Entwicklung real, und ich fürchte wirklich eine zunehmende Verödung unserer ländlichen Gebiete, wenn nichts für die Modernisierung der Agrarstrukturen, den Nachwuchs an Landwirten, die Lebens- und Umweltqualität und die wirtschaftliche Diversifizierung der ländlichen Gebiete getan wird.

Deshalb bitte ich Sie, Frau Kommissarin, anstelle der fakultativen Modulation eine Erhöhung der obligatorischen Modulation vorzuschlagen, die in allen Mitgliedstaaten identisch ist. Zugleich möchte ich unterstreichen, dass die obligatorische Modulation derzeit angewandt wird, sobald ein Betrieb mehr als 5 000 Euro Beihilfen jährlich erhält, d. h. bei einer großen Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe.

Um über ein echtes Instrument für die Umverteilung der Agrarbeihilfen zu verfügen, müssten auch andere Kriterien herangezogen werden, wie die Größe des Betriebes, seine Beihilfeabhängigkeit, die beschäftigten Arbeitskräfte, der Standarddeckungsbeitrag usw. Darüber hinaus könnte man eine Deckelung der Direktbeihilfen in Erwägung ziehen, um eine bessere Verteilung zu gewährleisten.

Doch selbst wenn das Europäische Parlament diesen Vorschlag, der normalerweise ein wichtiger Legislativakt sein müsste, ein zweites Mal massiv ablehnt, handelt es sich leider nur um eine Stellungnahme, und da teile ich die Meinung von Herrn Goepel vollkommen. Mir scheint es daher notwendig, weiterhin Druck auf die Kommission und den Rat auszuüben und vorläufig die Haushaltsreserve von 20 % der Mittel für die ländliche Entwicklung für das Jahr 2007 aufrechtzuerhalten.

 
  
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  Kyösti Virrankoski, im Namen der ALDE-Fraktion.(FI) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Vor uns liegt der zweite Bericht von Herrn Goepel über die freiwillige Modulation, in dem es um die direkten Beihilfen für die Landwirtschaft geht. Ich danke dem Berichterstatter für seine ausgezeichnete Arbeit sowohl als Fürsprecher der Landwirtschaft als auch als Wächter über die Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments.

Der Vorschlag der Kommission geht auf einen Beschluss des Europäischen Rates zurück, als dieser sich auf einen Kompromiss zum mehrjährigen Finanzrahmen einigte. Nach diesem Kompromiss hat ein Mitgliedstaat die Möglichkeit, die direkten Beihilfen für die Landwirtschaft um bis zu 20 Prozent zu kappen und diese Mittel nach eigenem Ermessen für die Entwicklung des ländlichen Raums einzusetzen. Die freiwillige Modulation wäre damit eine zusätzliche Steuer, die ein Mitgliedstaat von seinen Landwirten erheben könnte. Dazu kämen natürlich für die Landwirte die Steuern entsprechend der Steuergesetzgebung des jeweiligen Mitgliedstaats. Nach diesem System würden die Einkünfte der Landwirte sinken, ohne dass dies irgendwie anderweitig ausgeglichen werden würde. Ein Mitgliedstaat könnte die modulierte Summe einsetzen, um seinen Eigenanteil für die Entwicklung des ländlichen Raums zu bestreiten, so dass die Modulation nicht einmal die Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums erhöhen würde.

Die freiwillige Modulation würde damit das sensible Gleichgewicht stören, welches zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Regionen besteht, und ihre Landwirte in eine ungleiche Position bringen. Sie würde den Binnenmarkt verfälschen. Andererseits würde die freiwillige Modulation Mittel innerhalb des EU-Haushalts umschichten. Insbesondere würden sich die Mengen und das Verhältnis zwischen obligatorischen und nicht-obligatorischen Ausgaben ändern. Dazu kommt, dass das Europäische Parlament dabei kein Mitspracherecht hätte.

Die Klassifizierung und die Höhe der dafür vorgesehenen Ausgaben sind in einer Interinstitutionellen Vereinbarung präzise festgelegt; ein Abweichen davon würde also dieser Vereinbarung widersprechen und deren Änderung erforderlich machen. Es ist nicht vorstellbar, dass der Rat wirklich die Absicht hat, eine Interinstitutionelle Vereinbarung bereits einen reichlichen Monat nach deren Inkrafttreten zu verletzen.

Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik ist es, stabile, klare und gleichwertige Bedingungen für Landwirte bei der Ausübung ihres Berufs zu gewährleisten. Die freiwillige Modulation würde im deutlichen Widerspruch zu diesen Prinzipien stehen. Die Existenzberechtigung der EU, ihre ureigenste Legitimität basiert auf der Ausübung einer fairen und ausgewogenen Politik. Die freiwillige Modulation wird diesen Ansprüchen nicht gerecht.

EU-Mittel sollten jeweils für die Zwecke verwendet werden, für die sie im Haushalt vorgesehen wurden. Wenn Mitgliedstaaten dazu übergehen, EU-Mittel anstelle ihrer eigenen Haushaltsmittel einzusetzen, dann untergräbt das die gesamte Haushaltspolitik der EU. Die Lösung liegt jetzt in den Händen des Rates und der Kommission, darin eingeschlossen die Schaffung einer 20 %-Reserve für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Die Antwort darauf hätte schon längst vorliegen können, wenn denn die Kommission und der Rat mit dem Parlament verhandelt hätten.

 
  
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  Andrzej Tomasz Zapałowski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Für viele Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses ist die heutige Aussprache über die freiwillige Modulation, also über die Beschränkung von Direktzahlungen, Anlass, den Plänen der Europäischen Kommission eine deutliche Abfuhr zu erteilen.

Wir sagen NEIN zu Versuchen, Landwirte zu diskriminieren und ihnen die Kosten des Programms für landwirtschaftliche Entwicklung aufzubürden, für das Mittel in ausreichender Höhe aus dem Haushalt der Europäischen Union bereitgestellt werden sollten.

Im Verlaufe dieser Debatte wurde auch eine mögliche Diskriminierung der Landwirte angesprochen, die gegen die Verträge verstößt sowie einer Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik und einer Wettbewerbsverzerrung gleichkommt. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Landwirte in vielen der neuen Mitgliedstaaten während der Beitrittsphase der Diskriminierung ausgesetzt waren, und der freie Wettbewerb war im Bereich der Landwirtschaft wirklich eingeschränkt. Über lange Jahre erhielten die neuen Mitglieder niedrigere Subventionen. Erst wenn die allgemeinen Kürzungen der GAP-Ausgaben in Kraft treten, werden diese Subventionen das gleiche Niveau wie in den alten Mitgliedstaaten erreichen. Es ist nur schwer verständlich, weshalb Empfänger, die weniger als 5 000 Euro erhalten, von der Modulation ausgeschlossen werden sollen. Diese Zahlungen fließen kleinen landwirtschaftlichen Betrieben zu. Wenn letztlich irgendeine Zahlungsbeschränkung eingeführt werden soll, dann sollte die Schwelle auf 50 000 Euro angehoben werden. Größere Betriebe können den Verlust von Subventionen leichter bewältigen.

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin! Das Parlament hat viele gute Vorschläge zur mittelfristigen Finanzplanung gemacht, die vom Rat jedoch nicht übergenommen wurden. Der Rat hat die Mittel für die ländliche Entwicklung gegenüber dem Vorschlag der Kommission und des Parlaments – wir waren uns da ja einig – um 20 Milliarden gekürzt. Wir brauchen uns jetzt nicht verantwortlich zu fühlen für den Unsinn, den der Rat angerichtet hat. Wenn derartige Vorschläge vom Parlament gekommen wären, hätten wir uns geradezu lächerlich gemacht.

Wir haben damals gesagt, dass wir eine Kofinanzierung ins Auge fassen wollen, um Mittel bereitzustellen, falls es knapp wird. Wir wollen eine gleiche Behandlung der ersten und zweiten Säule hinsichtlich der Leistungen der Mitgliedstaaten. Das alles ist nicht passiert. Wir haben jetzt die Situation, dass z. B. in Deutschland die Mittel der zweiten Säule um 40 % gekürzt werden, und selbstverständlich müssen wir die deutsche Regierung auffordern, diese 20 % fakultative Modulation wahrzunehmen, um das auszugleichen. Aber auf europäischer Ebene können wir einem solchen Unsinn nicht zustimmen, weil es bessere Vorschläge gibt.

Wenn Sie jetzt sagen – der Rat spricht auch davon –, wenn wir das in die Reserve stellen, werden der ländliche Raum und die Entwicklung als Geisel genommen – so ist das nicht richtig! Nein, wir sind diejenigen, die die ländliche Wirtschaftsentwicklung verteidigen und die dem Unsinn des Rates einen Riegel vorschieben. Wenn der Rat nicht mit besseren Vorschlägen kommt oder wenn er nicht bessere Vorschläge von Ihnen übernimmt, dann werden wir zu anderen Maßnahmen greifen müssen, die die Mitentscheidung des Parlaments gewährleisten, die uns sonst nicht zugestanden wird. Die Vernunft liegt in dieser Frage nicht beim Rat, sondern beim Europäischen Parlament. Ich bitte Sie, als Kommissarin, sich an unsere Seite zu stellen, wie wir uns an Ihre Seite gestellt haben, und den Rat in die Pflicht zu nehmen, vernünftig zu denken und zu handeln.

 
  
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  Kartika Tamara Liotard, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Ich möchte die Dinge von einem etwas anderen Blickwinkel aus angehen. Seit der Ablehnung der Verfassung in den Niederlanden ist in meinem Land eine Diskussion vom Zaun gebrochen über unnütze Einmischung der EU in Angelegenheiten, die die Mitgliedstaaten sehr gut selbst regeln können. Nahezu alle niederländischen Parteien haben angegeben, dass die Mitgliedstaaten ihres Erachtens mehr Freiheit bei Themen haben müssen, die nicht notwendigerweise von Europa geregelt werden müssen. Die Kommission hat nun endlich einen Vorschlag unterbreitet. Er ist nicht perfekt, aber doch ein guter Anfang, indem er den Mitgliedstaaten bei der Verwendung von Agrarmitteln mehr Freiheit gibt, ohne dass die Einkommen von Kleinbauern gefährdet werden. Zu meiner Überraschung haben letztes Mal fast alle niederländischen Parteien gegen diesen Vorschlag gestimmt. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen eindringlich, den Vorschlag dieses Mal zu befürworten und so ihre Worte in Taten umzusetzen.

 
  
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  Димитър Стоянов, от името на групата ITS. – Аз мисля, че Европейският съюз е съюз на суверенни държави, които са се събрали, за да си сътрудничат взаимно, а не да налагат една на друга какво да правят с плодовете на това сътрудничество.

Въпреки това, искам да кажа, че резервите на докладчика и на Парламента не са без основание, защото по наши данни 95% от земеделските производители в България нямат никаква представа как да кандидатстват за финансиране от Европейския съюз. Затова разрешаването на една доброволна модулация ще доведе до това, че тези 20% ще бъдат изцяло на разположение на Министерството на земеделието в България. А Министерството на земеделието от шест години вече е в лапите на турската етническа партия „Движение за права и свободи“, чийто лидер не се посрами да каже съвсем открито, че около неговата партия има обръч от фирми. И затова не храня абсолютно никакво съмнение, че именно този кръг ще се облагодетелства от доброволната модулация, която сега се предлага, а впоследствие той ще се отблагодари на своите благодетели чрез вноска в черната партийна каса.

Затова искам да кажа, че аз не мога да подкрепя този доклад, защото той орязва националните правомощия, но в същото време смятам, че трябва да има много по-големи контролни механизми относно общата политика на Съюза и, че вместо до развитие, липсата на такива механизми ще доведе до отчаяние, по-голяма корупция и социално разочарование.

 
  
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  Jim Allister (NI).(EN) Frau Präsidentin! Ich lehne diese Verordnung nach wie vor ab, und zwar aus fünf Gründen, die für meinen Wahlkreis wichtig sind. Erstens bedeutet die freiwillige Modulation schon ihrem Wesen nach nichts anderes, als dass die nationalen Regierungen Gelder von Landwirten schlichtweg einsacken. Freiwillig ist daran gar nichts.

Zweitens werden die Ungleichheiten in Europa weiter verstärkt und der Markt verzerrt, wobei offensichtlich allein das Vereinigte Königreich darauf aus ist, seine Landwirte durch die fakultative Modulation zu schröpfen. Die obligatorische Modulation ist ja schlimm genug, aber wenigstens ist sie gleichmäßig verteilt.

Drittens werden die Mitgliedstaaten nach diesem Vorschlag im Gegensatz zu der vorherigen Regelung nicht gezwungen, entsprechende Ausgleichsmittel bereitzustellen, was in meinem Wahlkreis konkret bedeutet, dass die bauernfeindliche britische Regierung keinerlei Finanzierung dieser Art tätigen wird. Das Resultat sind doppelte Einbußen für die britischen Landwirte, nämlich eine zusätzliche Kappung ihrer Betriebsprämien und keine entsprechenden Ausgleichsmittel vom Fiskus für die ländliche Wirtschaft.

Viertens werden damit absolut notwendige lokale Unterschiede unmöglich gemacht, indem regionale Konzepte verboten werden, die nach der auslaufenden Regelung erlaubt waren. Sowohl die Politik der ersten als auch der zweiten Säule ist im Allgemeinen eine regionale Angelegenheit in Großbritannien, weshalb es vernünftig ist, lokale Unterschiede bei den Modulationssätzen zu ermöglichen.

Fünftens schließlich beinhaltet der Vorschlag der Kommission weiterhin eine Wahlmöglichkeit, die es einigen erlaubt, die Zahlungen zu umgehen, während andere draufzahlen müssen. Und genau aus diesen Gründen werde ich ebenso, wie ich es im November getan habe, erneut gegen diese ungerechte Verordnung stimmen.

 
  
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  Neil Parish (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Ich glaube, die Kommissarin sitzt gerade zwischen zwei Stühlen.

Frau Kommissarin, Sie wissen ganz genau, dass Sie den Vorschlag des Rates nicht mögen, und Sie wissen, dass Sie ihn nach den institutionellen Vereinbarungen vorlegen müssen. Wir hören uns jetzt also an, was Sie zu sagen haben, aber wir missbilligen die fakultative Modulation entschieden, so dass wir auf die Unterbreitung eines neuen Vorschlags warten. Das Beste in dieser Situation ist wohl, wenn wir einfach weitermachen, den Vorschlag erneut ablehnen und Sie möglichst rasch einen neuen Vorschlag vorlegen, schließlich sind wir alle an der Entwicklung des ländlichen Raums interessiert, aber eben auch an gleichen Wettbewerbsbedingungen.

Wie Herr Allister schon eben ansprach, handelt es sich hierbei für all diejenigen Landwirte, die ihre Zahlungen einbüßen, nicht um eine freiwillige Modulation. Vielleicht sollte man sie ihnen wirklich anbieten und fragen: „Wollen Sie freiwillig 20 % Ihrer Zahlungen einbüßen?“ Ich glaube nicht, dass viele von ihnen darauf mit „Ja“ antworten würden. Es handelt sich also um eine ziemlich obligatorische Modulation, die aber wohl nur zwei Mitgliedstaaten betrifft, nämlich Großbritannien und Portugal.

Zudem wird sie nicht nur nicht freiwillig sein, sondern nicht einmal einheitlich angewandt in Großbritannien, da unsere jetzige Regierung unterschiedliche Modulationssätze im Land haben möchte. Deshalb ist es in dem von mir vertretenen und an Wales angrenzenden Gebiet, nämlich Südwestengland, durchaus möglich, dass eine ganz andere Modulation angewandt wird als jenseits der Grenze. Die englischen Landwirte werden möglicherweise um mindestens 20 oder 25 % schlechter dran sein als ihre walisischen Kollegen. Wie Sie ganz richtig sagen, benötigen wir eine Folgenabschätzung, die wir jetzt wirklich auf dem Tisch haben wollen. Das hätte vom Rat in die Wege geleitet werden sollen, und dann wären wir dem Ganzen vielleicht auch eher wohl gesonnen gewesen. Wir sind also, wie ich bereits sagte, zu Verhandlungen bereit.

Übrigens ist es schön, dass Brian Simpson heute hier ist, denn das letzte Mal, als wir darüber berieten, war niemand von der Labour Party da, um den Standpunkt des Rates zu verteidigen. Nun hören sie uns vielleicht wenigstens zu.

Ich bin sehr gespannt auf den neuen Vorschlag der Kommission.

 
  
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  Herbert Bösch (PSE). – Frau Präsidentin! Ich unterstütze die Position des Berichterstatters, und ich denke, der Haushaltsausschuss dieses Hauses auch. Wir hören die ganze Zeit von der Kommission, dass sie eine effiziente Verwaltung und Institution sein will. Frau Kommissarin, Sie haben drei Monate lang geschlafen! Wir haben vor drei Monaten erstmals über diesen Bericht Goepel abgestimmt. Sie wissen, was das Parlament will. Sie kennen die Rechte dieses Hauses, und Sie negieren das einfach. Ich hätte mir gedacht, Sie kommen heute mit einem akzeptablen Vorschlag. Ihr Direktor Sivenas hat gestern beim Rat angekündigt, es würde kurzfristig einen Vorschlag geben, um die 20 % aufzulösen. Den hätte ich gerne heute von Ihnen gehört. Doch ich höre nichts. Ich sehe also keinen Grund, unseren bisher gewählten Weg in irgendeiner Form zu ändern.

 
  
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  Jan Mulder (ALDE).(NL) Frau Präsidentin! Ich möchte zunächst den Herren Goepel und Bösch danken. Sie haben, wie bereits gesagt wurde, ausgezeichnete Arbeit geliefert. Es geht bei dieser Aussprache nicht nur um das Thema fakultative Modulation, sondern vor allem um parlamentarische Demokratie, mit anderen Worten darum, welche Rechte dieses Parlament im Bereich der ländlichen Entwicklung und dergleichen hat. Ich möchte auch Kommissarin Fischer Boel meinen Dank aussprechen. Sie ist dem Parlament stets aufgeschlossen gegenübergetreten und hat auch in Einzelgesprächen immer freimütig gesprochen.

Es sind bereits viele Dinge gesagt worden. Weshalb bin ich gegen das System der fakultativen Modulation? Erstens, weil es an den Wurzeln der Gemeinsamen Agrarpolitik ansetzt, was falsch ist, und zweitens, weil es zu leichtfertig mit den Haushaltsrechten des Parlaments umgeht.

Die Kommission muss zwischen Rat und Parlament manövrieren. Wir haben im Mai dieses Jahres die Finanzielle Vorausschau erstellt, in der das Parlament seine Meinung zur fakultativen Modulation deutlich kundgetan hat. Die Vorschläge der Kommission sind eine bloße Widerspiegelung der Standpunkte des Rats, was ich für verwerflich halte. Die Wünsche des Parlaments haben nahezu keine Berücksichtigung gefunden. Es ist für mich wirklich nicht nachvollziehbar, dass die Europäische Kommission zu einer Zeit, wo jeder in Europa darüber spricht, die Bürger mehr in Europa einzubeziehen, die Position des Parlaments völlig ignoriert!

Ich bin erfreut über die Worte der Kommissarin, als sie am Ende andeutete, ein Kompromiss sei möglich. Selbstverständlich wäre das Parlament zu einem Kompromiss bereit. Auch wir befürworten die Entwicklung des ländlichen Raums, aber wir unterstützen auch diese gemeinsamen Märkte. Wir müssen auf der Basis dieser beiden Schlüsselkonzepte eine Lösung finden. Ist es möglich, so wie es in der Vergangenheit der Fall war, für bestimmte Länder Ausnahmeregelungen vorzusehen? Ist es möglich, in der Zukunft die obligatorische Modulation auf intelligentere Weise zu nutzen und sie auf bestimmte Wünsche auszurichten, wie es das Parlament in der Vergangenheit formuliert hat? Dies wäre beispielsweise mit dem Health Check möglich. Wenn der Standpunkt des Parlaments bei der morgigen Abstimmung erneut bestätigt wird, ist die Zeit für die Kommission gekommen, die Initiative für einen Kompromiss zu ergreifen, der für den Rat und für das Parlament realistisch und akzeptabel ist. Das Parlament und der Rat verfügen im Bereich der Politik der ländlichen Entwicklung über genau dieselben Rechte, und die Kommission täte gut daran, wenn sie die Meinung des Parlaments berücksichtigen würde.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene und vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und vom Haushaltsausschuss zu Recht abgelehnte freiwillige Modulation ist auf den extrem niedrigen Haushalt der Europäischen Union zurückzuführen, der auf gerade einmal 1 % des BIP festgesetzt wurde. Sowohl Rat als auch Kommission wussten bei der Erarbeitung der Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007 bis 2013 sehr wohl, dass eine Kürzung der Mittel für die ländliche Entwicklung von 88 Milliarden Euro auf 69 Milliarden Euro eine schmerzhafte Unterfinanzierung zur Folge haben würde.

Versuche einer Ausgabenkorrektur im Rahmen der GAP und bestimmter Elemente davon haben lediglich Verwirrung gestiftet und die regionalen Ungleichgewichte weiter vertieft. Der Versuch, diesen Fehler durch Kürzung von Direktzahlungen zu korrigieren – und damit die Landwirte in die Armut zu treiben – ist die schlechteste aller Lösungen. Die vorgeschlagene Nationalisierung der GAP durch eine zusätzliche freiwillige Modulation in Höhe von 20 % ist Ausdruck der Widersprüche in der Gestaltung der GAP und ein Versuch, sie zu renationalisieren. Deshalb, meine Damen und Herren, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Vorschlag der Kommission abzulehnen.

 
  
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  Alyn Smith (Verts/ALE).(EN) Frau Präsidentin! Dies ist meine erste Rede als Vertreter Schottlands im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, und ich stelle mit Freude fest, dass ich mit einer deutlichen Mehrheit des Hohen Hauses völlig einer Meinung bin.

Wie bereits mehrfach gesagt wurde, ist die freiwillige Modulation der Agrarzahlungen für die Landwirte, die dabei den Kürzeren ziehen, alles andere als freiwillig; freiwillig ist sie nur für die Mitgliedstaaten, die ihnen das Geld abknöpfen. Die stärkere obligatorische Modulation, die nun EU-weit finanziert wird, hat zwar eine gewisse Berechtigung, aber nur die Londoner Regierung käme auf die Idee, dass die schottischen Landwirte gegenüber ihren Kollegen vom Kontinent 20 % einbüßen sollen; daher ist es richtig, diesen mangelhaften Vorschlag abzulehnen. Wenn wir ihn nicht ablehnen, akzeptieren wir einen schlechten Vorschlag, der uns heute vorgelegt wurde.

Hierbei möchte ich unsere Frau Kommissarin aber nachdrücklich darauf hinweisen, dass bei allen Varianten, die nun letztlich vorgeschlagen werden, soviel Subsidiarität wie möglich herrschen muss. Das schottische Parlament ist zwar noch kein vollwertiges Parlament eines Mitgliedstaates, aber es ist für Agrar- und Lebensmittelfragen in Schottland zuständig, und es ist nur richtig, dass das schottische Parlament, wer auch immer dort das Sagen hat, das zuständige Organ für diese Angelegenheiten bleiben sollte, denn wer immer dort das Sagen hat, wird die Sache besser machen als die Regierung in London.

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM).(EN) Frau Präsidentin, auf ein Neues! Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung lehnt diesen Vorschlag weiterhin ab, und die Kommission wirft ihn immer wieder in den Ring. Wenn dieses Pingpong-Spiel etwas zeigt, dann doch ganz klar, wie sinnlos dieses Parlament und seine Ausschüsse sind.

Dieses Parlament soll die Demokratie in der EU repräsentieren. Wie kommt es also, dass die Kommission es dermaßen missachtet? Vielleicht, weil sie weiß, dass dieses Parlament in Wirklichkeit ein Trugbild der Demokratie ist, ein besserer Debattierclub ohne größeren oder nennenswerten Einfluss auf irgendetwas.

Dieser Standpunkt ist für sie vielleicht ungewöhnlich, aber die UK Independence Party ist dagegen, der britischen Regierung mehr freie Hand zu lassen, das heißt in diesem Fall, GAP-Mittel von der Nahrungsmittelproduktion abzuzweigen und in nebulöse Programme der ländlichen Entwicklung fließen zu lassen, bei denen es um alles Mögliche gehen könnte, von der Pflege eines Dorfangers bis hin zum Bau von Themenparks oder zum Betrieb von Tierreservaten. Schließlich sollte es hier ja um die Gemeinsame Agrarpolitik und nicht um die gemeinsame Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums gehen.

Die britischen Landwirte brauchen Unterstützung. Es wäre unvernünftig, wenn mein Land auf die Erzeugung eigener Lebensmittel verzichten würde. Ein Land sollte nicht auf Einfuhren angewiesen sein, um sich ernähren zu können, aber genau darauf steuert Großbritannien zu, wenn wir Gelder von der eigentlichen Landwirtschaft abzweigen und sie stattdessen in wohlklingende Umweltprojekte lenken.

Die UK Independence Party ist kein Befürworter der EU und ihrer Subventionsregelung. Aber solange Großbritannien ein Mitglied ist, können wir genauso gut dafür sorgen, dass die Mittel, die wir erhalten – es ist schließlich unser eigenes Geld, das die EU für rückgabewürdig hält – an der richtigen Stelle ausgegeben werden.

Die Lebensmittelversorgung der Menschen in Großbritannien muss als wichtiger eingestuft werden als das, was man in manchen Fällen als „kosmetische Umweltprojekte“ bezeichnen könnte.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – Doresc să susţin raportul colegului nostru Lutz Goepel care ne recomandă respingerea propunerii Comisiei privind modularea facultativă a plăţilor directe din agricultură din cel puţin două motive: în primul rând propunerea pune în dificultate statele care sunt în procesul de phasing-in al subvenţiilor europene. Agricultorii români, de exemplu, beneficiază în prezent doar de un sfert din plăţile pe care le primesc fermierii din vechile state membre, urmând ca în zece ani să atingă nivelul comun al Uniunii.

Modularea obligatorie, cumulată cu cea facultativă, vor face ca acest nivel comun al Uniunii să fie destul de redus în momentul în care agricultorii români vor putea beneficia de el. Această ţintă mişcătoare poate destabiliza atât piaţa românească, cât şi pe cea europeană, deoarece agricultorii nu pot planifica nici măcar pe termen scurt, necunoscându-şi veniturile viitoare.

În plus, termenul de facultativ induce în eroare. O dată adoptată de către statele membre, modularea devine obligatorie pentru fermieri, putând duce la scăderea plăţilor directe la hectar cu până la 25%. Acest proces contribuie la renaţionalizarea politicii agricole comune, adică la o modificare a acestei politici, simbol al solidarităţii europene.

În al doilea rând, propunerea Comisiei este injustă, întrucât ignoră participarea noastră la dezbaterea viitorului financiar al Uniunii. Vocea Parlamentului trebuie să se facă auzită convingător, atât înainte, cât şi în timpul controlului de sănătate planificat pentru 2008-2009. Noi nu putem porni pe acest drum cu concluzii deja luate, iar introducerea modulării facultative duce tocmai la un rezultat cunoscut dinainte al controlului de sănătate. Mai mult, din câte ştiu, Comisia nu a efectuat studiul de impact necesar prevăzut în acordul interinstituţional cu Parlamentul European. Toate aceste elemente fac din propunerea de regulament a Comisiei un compromis nedorit de nimeni ale cărui victime vor fi însă fermierii europeni.

 
  
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  Luis Manuel Capoulas Santos (PSE).(PT) Ich möchte bekräftigen, dass ich mich ebenso nachdrücklich gegen den zweiten Bericht Goepel wende wie gegen den ersten. Den im Bericht angeführten Gründen kann ich nicht zustimmen, da sie zu ganz anderen Schlussfolgerungen führen.

Leider habe ich keine Zeit, dies so ausführlich darzulegen, wie ich es gerne tun würde, möchte aber Folgendes fragen: Kann es eine bessere Untersuchung geben als jene, in der die derzeitige Ungerechtigkeit bei der Aufteilung des ersten Pfeilers der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit Zahlen belegt worden ist? Läuft bei der Kofinanzierung die Tatsache, dass Mitgliedstaaten, die über weniger Mittel verfügen, dazu gezwungen werden, mit ihren eigenen Haushalten einen Beitrag zu gemeinsamen Politiken zu leisten, nicht auf eine Renationalisierung der GAP hinaus?

Meiner Auffassung nach spiegelt dieser Bericht eine konservative Einstellung wider, die ich nicht teile. Ich kann einfach nur missbilligen, dass er sich über das Subsidiaritätsprinzip hinwegsetzt und dass ganz klar die größten Nutznießer der GAP geschützt werden sollen. Ebenso muss ich gegen den in den Berichten Goepel enthaltenden Vorschlag des Parlaments protestieren, 20 % der Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums für 2007 einzufrieren. Die Landwirte dürfen nicht zu „Bauernopfern“ der Streitigkeiten zwischen den Institutionen werden. Ich appelliere daher an den gesunden Menschenverstand und fordere Kompromissbereitschaft, damit wir die verhärteten Fronten so schnell wie möglich aufbrechen können.

 
  
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  Marian Harkin (ALDE).(EN) Frau Präsidentin! Der Berichterstatter hat meine volle Unterstützung, wenn er diese Vorschläge ablehnt. Sie würden nämlich tatsächlich bedeuten, dass 20 % der Mittel von den Direktzahlungen und den Marktstützungsmaßnahmen der GAP auf die Entwicklung des ländlichen Raums übertragen würden.

Ich bin sehr wohl für Investitionen in die ländliche Entwicklung; ich halte sie sogar für unerlässlich, wenn ländliche Gebiete zur Lissabonner Agenda beitragen wollen. Aber diese Investitionen dürfen nicht aus den Taschen der Landwirte finanziert werden.

Frau Kommissarin, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Risiken für die ländliche Entwicklung befürchten, wenn wir diesen Vorschlag ablehnen. Aber was ist mit den Risiken für die Landwirtschaft, wenn dieser Vorschlag durchkäme? Und wo wir schon die Taschen der Landwirte erwähnt haben: Dieser Vorschlag hätte für sie drastische Einkommenskürzungen zur Folge. Wenn wir bei dem Betrag der Direktzahlungen an die Landwirte zunächst von 100 % ausgehen, 5 % für die obligatorische Modulation abziehen, etwa weitere 8 % für den Beitritt Rumäniens und Bulgariens – die in keiner Weise dafür verantwortlich sind, dass wir keine vernünftige Finanzierung vorgesehen haben –, und wenn dann noch weitere 20 % für die fakultative Modulation abgezogen werden, dann werden diese Landwirte etwa 33 % – sprich ein Drittel – ihres im Zuge der GAP-Reform versprochenen Einkommens verloren haben.

Aber es geht hier nicht nur um Geld. Eine fakultative Modulation in der vorgeschlagenen Form würde den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten verzerren. Sie wäre in Wirklichkeit eine Renationalisierung der GAP und würde meines Erachtens die Sicherheit der Nahrungsmittelerzeugung in der EU aufs Spiel setzen.

Frau Kommissarin, wir beide sind uns einig, dass die Landwirtschaft Stabilität braucht – das weiß ich. Als Sie letztes Jahr im irischen Parlament waren, sagten Sie: „Ich möchte für die Landwirte in Irland und der übrigen EU soviel Stabilität wie möglich schaffen“. Aber jetzt herrschen schwierige und unsichere Zeiten für Landwirte. Wenn sie allein die heutigen Debatten im Parlament hören würden, in denen Kommissar Mandelson vorhin von weiterer Flexibilisierung im Rahmen der WTO sprach und heute Abend eine mögliche Renationalisierung der GAP ins Spiel gebracht wurde, wären sie noch stärker verunsichert.

Dieses Parlament und die europäischen Landwirte zählen auf die Kommission, damit sie ihnen in dieser Frage helfen. Sie sagten uns, Sie wüssten um unsere Sorgen und könnten sie verstehen. Diese Sorgen sind heute Abend sehr deutlich formuliert worden, und jetzt erwarten wir eine positive Reaktion.

 
  
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  Jan Tadeusz Masiel (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die späte Stunde und die technischen Probleme werden uns nicht daran hindern, den Vorschlag der Kommission ein zweites Mal heftig zu kritisieren. Dieser Vorschlag könnte dazu führen, dass die europäischen Landwirte 30 % der Direktzahlungen, die sie erhalten, einbüßen. Für viele landwirtschaftliche Betriebe ist das eine beträchtliche Summe. Die Kommissarin hat möglicherweise einige Ausgleichsmaßnahmen erwähnt, aber derart einschneidende Änderungen müssen viel früher angekündigt werden, damit sich die Menschen darauf einstellen können. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass die Landwirte ihr Vertrauen in die Europäische Union und die GAP verlieren, Vertrauen, das bei den polnischen Landwirten ohnehin einen Tiefstand erreicht hat. Die Tatsache, dass Betriebe, die weniger als 5 000 Euro erhalten, von dieser Änderung ausgenommen sind, ist dabei ein schwacher Trost. Sinnvoller wäre ein Grenzwert in der Größenordnung von 20 000 Euro.

 
  
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  James Nicholson (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Ich habe der Kommissarin mit großem Interesse zugehört, aber bei allem Respekt, Frau Kommissarin, Sie waren heute Abend noch weniger überzeugend als das letzte Mal, als wir über dieses Thema berieten.

Ich weiß, dass es sehr schwer ist, eine schlechte Politik zu verteidigen. Ich weiß, dass es fast unmöglich ist, eine schlechte Politik zu verteidigen. Darin beneide ich Sie wirklich nicht. Aber aus einer schlechten Politik lässt sich eben niemals eine gute machen. Mit dieser Politik werden alle Bemühungen, einigermaßen gleiche Voraussetzungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu schaffen, auf absehbare Zeit zunichte gemacht.

Frau Kommissarin, ich möchte Sie ganz direkt fragen: Haben Sie irgendwelche Nebenabsprachen mit dem Rat getroffen, wie die Zukunft in puncto Modulation vielleicht aussehen könnte?

In der Lokalpresse meiner Region habe ich mit großem Interesse gelesen, dass der für Agrarfragen zuständige Verantwortliche gesagt hat, er würde von Ihnen und dem Rat bis Juni eine Abmachung auf dem Tisch haben.

Frage Nummer eins, Frau Kommissarin: Können Sie bestätigen, dass eine solche Absprache getroffen wurde? Wenn ja, worum ging es im Einzelnen? Sieht diese Absprache auch eine Regionalisierung vor? Und welche Prozentsätze werden nach dieser Absprache zur Anwendung kommen? Das sind nur einige der Fragen, die ich heute aus zeitlichen Gründen nicht alle stellen kann.

Aber ich appelliere an Sie, dem Rat wirklich die Wahrheit zu sagen. Es handelt sich hier schlicht um einen schlechten Abschluss, den die Landwirte niemals akzeptieren werden. Zumindest ich als ihr öffentlicher Vertreter werde ihn niemals akzeptieren.

Sie haben heute Abend an uns appelliert, Ihre Worte nicht auf taube Ohren stoßen zu lassen. Sie wollen, dass wir konstruktiv sind. Das klingt wunderbar! Aber ich frage Sie, wie können wir denn konstruktiv sein? Wie können wir zuhören, wenn Sie gegen unseren Willen von oben herab diktieren, was wir zu akzeptieren haben?

Das ist nicht unser Problem. Das ist Ihr Problem, Frau Kommissarin, und Sie werden es lösen müssen.

 
  
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  Marc Tarabella (PSE).(FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst an die überwältigende Abstimmung des Plenums vom 14. November erinnern: 559 Gegenstimmen bei 64 Jastimmen und 16 Enthaltungen. Mit einer solchen Mehrheit hat das Europäische Parlament den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die fakultative Modulation der Direktzahlungen äußerst eindeutig abgelehnt. Ich bedauere, dass die Kommission sich damals nicht entschieden hat, den Text zurückzuziehen.

Ich verstehe zwar die Notwendigkeit, die zweite Säule für die ländliche Entwicklung besser zu finanzieren und teile diese Auffassung, jedoch kann ich nicht akzeptieren, dass dies so einschneidend auf Kosten der ersten Säule und auf alle Fälle nicht fakultativ erfolgt, denn die Folgen einer solchen Maßnahme wären zweifellos verheerend. So würde die Billigung des Vorschlags der Kommission zur Folge haben, die Existenz zahlreicher Betriebe zu gefährden und Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen. Außerdem könnte der Vorschlag dazu führen, dass die GAP aufgegeben oder renationalisiert wird. Weiterhin missachtet er die Ziele der Gemeinschaft hinsichtlich des ländlichen Raums. Diese Gründe, die zur Ablehnung des Vorschlags der Kommission im November geführt haben, sind heute nach wie vor aktuell.

Aufgrund dieser Erwägungen, die im Bericht von Herrn Goepel ausführlich dargelegt werden, unterstütze ich daher seine Position voll und ganz.

 
  
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  Wiesław Stefan Kuc (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Ich bin mir der scharfen Kritik bewusst, die an diesem zur Diskussion stehenden Vorschlag für eine Verordnung geäußert wird, aber dieser Vorschlag muss doch mindestens eine positive Seit haben. Noch nie zuvor hat sich dieses Haus so negativ über etwas geäußert, dass es unmöglich gewesen wäre, der Sache wenigstens einen positiven Aspekt abzuringen. Aus diesem Grund bin ich bei meiner Suche nach etwas Positivem – ohne im Detail zu prüfen, ob 20 % das richtige Niveau oder 5 000 Euro der richtige Betrag ist – tatsächlich fündig geworden.

Erstens wird die Einführung der Modulation den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität in ihrer ländlichen Entwicklungs- und Agrarpolitik bieten, und das ist wichtig. Zweitens wird es den Kritikern der EU den Wind aus den Segeln nehmen. Gerade haben wir wieder gehört, dass die EU alles regulieren will, einschließlich der Form von Bananen, der Größe von Erbsen usw. Der vorliegende Fall ist zumindest ein 20%iger Beweis dafür, dass wir nicht alles bis ins kleinste Detail regulieren wollen. Drittens würde die Modulation gemeinsame Maßnahmen zum Wiederaufbau und zur Modernisierung ländlicher Gebiete ermöglichen. Aber damit die Landwirte derartige Aktivitäten unterstützen, müssen wir zunächst den ländlichen Behörden die Möglichkeit geben zu entscheiden …

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Brian Simpson (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Angesichts der Bedeutung dieses Dossiers für die britischen Landwirte und unsere ländlichen Gemeinden kann ich den Empfehlungen des Berichterstatters, dieses Dossier zur fakultativen Modulation abzulehnen, nach wie vor nicht zustimmen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch alle britischen Abgeordneten aller Parteien daran erinnern, dass eine Ablehnung ernste Konsequenzen für die britischen Ausgabenpläne im Bereich der ländlichen Entwicklung haben wird und Sie damit nämlich für massive Kürzungen von über 1,2 Milliarden Euro in den ländlichen Gebieten Großbritanniens im Laufe der nächsten sechs Jahre stimmen werden.

Zudem erinnere ich alle Mitglieder des Hohen Hauses daran, dass das System der fakultativen Modulation aufgrund der für Großbritannien im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten geringen Mittelzuweisungen für die ländliche Entwicklung nicht nur benötigt wird, sondern sogar unverzichtbar ist, um ehrgeizige und wirkungsvolle Programme für die ländliche Entwicklungen in meinem Land in die Tat umzusetzen.

Ich glaube, wir sollten uns einmal ganz in Ruhe vor Augen führen, was dies alles bedeutet, nur um einmal klarzustellen, wie wichtig diese Dinge sind.

Erstens wird die fakultative Modulation Großbritannien ermöglichen, in viel größerem Maße Umweltergebnisse zu erzielen, die der erklärten Politik der EU entsprechen.

Zweitens müssen wir uns, auch wenn ich mir der politischen Sensibilität in Bezug auf die Rechte des Parlaments durchaus bewusst bin, auf die Chancen konzentrieren, durch die die Entwicklung ländlicher Gebiete wirklich profitieren kann. So können wir zum Beispiel an Landwirte Zahlungen im Rahmen von Agrar-Umweltmaßnahmen leisten, mit denen der Umweltschutz und die biologische Vielfalt verbessert werden sollen; wir können Landwirte in den Bergen und im Hochland fördern; wir können Regelungen erarbeiten, mit denen die Auswirkungen des Klimawandels begrenzt werden können, etwa durch die Förderung von Energiepflanzen und anderer erneuerbarer Energieprodukte, und wir können zum Schutz wichtiger natürlicher Ressourcen auf dem Lande beitragen.

Dies alles wird durch die Haltung des Parlaments zur fakultativen Modulation aufs Spiel gesetzt, weshalb die Europaabgeordneten der Labour-Partei gegen die kurzsichtige Empfehlung des Ausschusses stimmen werden. Ohne die fakultative Modulation wird Großbritannien lediglich die bestehenden Vereinbarungen erfüllen und nie und nimmer das leisten können, was wir gerne hätten.

Zum Schluss möchte ich noch…

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Thijs Berman (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Die niederländischen Sozialdemokraten werden morgen gegen den Bericht Goepel und gegen eine weitere Blockade der neuen Agrarpolitik stimmen. Wir müssen die Sackgasse zwischen Rat und Parlament durchbrechen. Neue Projekte für die ländlichen Gebiete in Europa dürfen nicht gefährdet werden. Ich fordere Sie dringend auf, den Mitgliedstaaten eine Chance zu geben, mehr Mittel für diesen Zweck innerhalb einer europäischen Strategie für ländliche Regionen, Landschaft und Natur bereitzustellen. Die Zukunft der europäischen Agrarpolitik liegt im Abbau von Einkommenssubventionen, zunächst bei den landwirtschaftlichen Großbetrieben, und zugleich in Investitionen in die ländlichen Gebiete. Wenn das Parlament sich nun erneut für eine Sperre entscheidet, mit dem Druckmittel, 20 % des Budgets für ländliche Regionen zu blockieren, würde es für ein Wiederholungsszenario optieren, obwohl wir mehr als alles andere eine neue Politik für alle Bewohner des ländlichen Raums benötigen. Durch die Blockade von 2,48 Milliarden Euro würden viele fundierte Projekte gefährdet. Im Falle der Niederlande ginge es um 14 Millionen Euro, ein kleiner Betrag, aber viel Geld für die Betroffenen. All diese Pläne für einen lebendigen ländlichen Raum dürfen nicht einem Brüsseler Konflikt zum Opfer fallen. Wir müssen nach anderen Waffen Ausschau halten, und auch der Rat muss einen Schritt machen. Der Kompromiss kann in mehr obligatorischer Modulation für alle Mitgliedstaaten liegen. Diese würde darauf hinauslaufen, mehr Geld von den Subventionen für landwirtschaftliche Großbetriebe abzuschöpfen, zum Vorteil von Investitionen in den ländlichen Raum. Nicht 5 %, wie es jetzt der Fall ist, sondern 15 %, wenn 20 % für den Rat zu viel sind. Je größer der Betrieb, desto mehr Modulation. Auch das scheint angemessen. Dies ist ein Aspekt, auf den sich die Kommission konzentrieren sollte. Die ländlichen Regionen Europas können heute keine Pläne machen, und die Landwirte wissen nicht, woran sie sind. Das ist unverantwortlich.

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE). – (HU) Vergangenen November lehnte das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission zur freiwilligen Modulation der Direktzahlungen ab. Jetzt sind wir wieder am gleichen Punkt angelangt und müssen uns mit einem Vorschlag befassen, den wir schon einmal abgelehnt haben. Wir müssen aber gegen ihn stimmen, und zwar nicht nur, weil er nicht wesentlich geändert wurde, sondern vor allem, weil einige Punkte des Vorschlags Anlass zu großer Sorge geben.

Erstens wird er mit seinen Renationalisierungsbestrebungen der Gemeinsamen Agrarpolitik den Todesstoß versetzen. Außerdem würden die verschiedenen Mitgliedstaaten in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen haushaltspolitischen Lage die Möglichkeit in unterschiedlicher Weise nutzen, und das hätte schwer wiegende Wettbewerbsverzerrungen zur Folge. Wir können nicht zulassen, dass Landwirte, die jetzt schon erhebliche Probleme haben, benachteiligt werden, weil bestimmte Mitgliedstaaten den Gürtel enger schnallen.

Natürlich ist uns allen bewusst, dass die Verordnung auf die vom Rat 2005 erzielte Einigung abgestimmt werden muss, aber wir müssen jede Option sorgfältig prüfen, damit wir die Regelungen einheitlich und angemessen verändern können. Deshalb ist der Bericht in seiner jetzigen Fassung unvertretbar. Wir müssen eine Lösung finden, die das Leben der Landwirte verbessert, und dürfen ihnen nicht noch mehr Steine in den Weg legen.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die große Zahl von Redebeiträgen in dieser Aussprache zeigt, wie wichtig das Thema fakultative Modulation Ihnen allen zu sein scheint. Ich bin auch der Ansicht, dass der Vorschlag zur fakultativen Modulation in einem breiteren Kontext betrachtet werden muss, der auch die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik im Allgemeinen und die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums im Besonderen umfasst.

Fakultative Modulation ist sicher nicht das beste Mittel, um eine Stärkung der zweiten Säule zu erreichen. Das räume ich ein. Aber wie ich bereits in der heutigen Aussprache betont habe, werden Anstrengungen unternommen, um den im Europäischen Parlament geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen. Diese Anstrengungen werden in den kommenden Tagen und Wochen fortgesetzt, wie ich in meiner Einführung klargemacht habe. Die Kommission ist bereit, ihren Teil dazu beizutragen, dass die vorgebrachten Bedenken so weit wie möglich im Ergebnis berücksichtigt werden. Ich hoffe, dass wir uns auf einen Kompromiss werden einigen können.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM), schriftlich.(EN) Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Kommission die GAP nicht zu mögen scheint und sich früher oder später ihr Ende herbeiwünscht. Ich möchte die Kommission daran erinnern, dass die Vereinbarung über die GAP bis 2013 gilt. Bereits jetzt sorgen die vorgeschriebenen Modulationssätze in den ländlichen Gebieten meines Wahlkreises für Härten. Dieser Vorschlag läuft auf eine Renationalisierung der Agrarpolitik hinaus, lässt allerdings unberücksichtigt, dass die Direktzahlungen dann dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben und damit keine Möglichkeit besteht, die Verwendung der Mittel zu überwachen. Zudem zeigt der Vorschlag weder Alternativen zur Landwirtschaft auf, noch enthält er einen Mechanismus, der verhindert, dass sich die Wettbewerbssituation der betroffenen Landwirte unverhältnismäßig verschlechtert. In manchen Ländern funktioniert es vielleicht, Geld von der Landwirtschaft abzuzweigen und es in ländliche Gebiete zu investieren, aber in weiten Teilen Irlands bildet die Landwirtschaft die Grundlage des ländlichen Lebens. Ohne die Landwirtschaft erleben die Männer und Frauen in den ländlichen Gebieten Irlands eine Entvölkerung, oder sie werden gezwungen, sich mit umweltverschmutzenden Industrien zu arrangieren, damit Arbeitsplätze entstehen und die Menschen in der Gegend bleiben. Je mehr Geld wir in Irland von der Landwirtschaft in die ländliche Entwicklung umleiten, desto stärker schädigen wir beide Bereiche. Mit einer Folgenabschätzung hätte man dies vorhersehen können.

(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 142 Absatz 7)

 

13. Der Weg zu einer europäischen Frequenzpolitik (Aussprache)
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  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Fiona Hall im Namen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie „Der Weg zu einer europäischen Frequenzpolitik“ (2006/2212(INI)) (A6-0467/2006).

 
  
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  Fiona Hall (ALDE), Berichterstatterin.(EN) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich all denjenigen danken, die mir mit ihrem Wissen und ihrer Sachkenntnis zur Seite standen, als ich den Bericht erarbeitet habe. Besonders danken möchte ich der Kommission für ihre großzügige Unterstützung sowie meinen Kolleginnen und Kollegen, den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen, für ihre konstruktiven und kooperativen Anregungen.

Im Bericht geht es im Wesentlichen darum, dass die gegenwärtige Methode der Frequenzverwaltung angesichts der ständigen Entwicklung neuer Technologien nicht länger angemessen ist. Diese neuen Technologien müssen auf das Funkfrequenzspektrum zurückgreifen, doch wird allein durch die Gesetze der Physik die Menge der Frequenzen immer begrenzt bleiben, so dass wir neue Wege finden müssen, um sicherzustellen, dass diese wertvolle Ressource so effizient wie möglich genutzt wird.

Frequenzpolitik klingt vielleicht nach einer recht obskuren Angelegenheit, die den Normalbürger nicht unbedingt interessiert, aber letzten Endes ist diese Politik von entscheidender Bedeutung, weil es bei ihr um Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum geht. Wenn wir es nicht schaffen, die Handhabung unserer Funkfrequenzen zu reformieren, dann lassen wir die europäische Industrie im Stich, die kurz davor ist, in der Kommunikationstechnologie weltweit in Führung zu gehen. Alle in dieser Branche getätigten Innovationen werden sich nicht vernünftig weiterentwickeln lassen, wenn keine Frequenzen zur Verfügung stehen und die Branche daran gehindert wird, in einem gesamteuropäischen Markt mit 500 Millionen Menschen zu operieren.

Die Lissabonner Agenda ist die treibende Kraft hinter diesem neuen Ansatz in der Frequenzverwaltung. Allerdings muss Europa auch nach vorn schauen, indem es Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zur Verfügung stellt. Ich werde gleich noch darauf zurückkommen.

Zunächst möchte ich kurz auf die vorgeschlagenen Änderungen eingehen. Derzeit werden die Frequenzen durch ein verwaltungstechnisches „Befehls- und Kontrollmodell“ verwaltet, bei dem bestimmte Frequenzen für bestimmte Nutzungsarten zugewiesen werden. Im Bericht wird die Ansicht vertreten, dass dieses verwaltungstechnische Modell nun durch ein flexibleres Konzept ergänzt werden muss, wozu auch eine Ausweitung der lizenzfreien Frequenznutzung und das Instrument des Frequenzhandels gehören würden.

Ein entscheidendes Element dieses flexibleren Ansatzes besteht darin, dass die Frequenzen ohne Bedingungen bezüglich des zu nutzenden Dienstes oder der zu nutzenden Technologie bereitgestellt werden sollten. Mit anderen Worten, das marktbasierte Element der Frequenzverwaltung wäre im Hinblick auf die Technologie und die Dienste neutral.

Diese Freigabe von Frequenzen würde für die gegenwärtigen Nutzer sicher eine Reihe von Problemen aufwerfen, wie etwa die Frage möglicher Interferenzen. Daher ist es sehr wichtig, dass die Veränderungen innerhalb eines klaren rechtlichen Rahmens erfolgen, der auch zuvor festgelegte Streitbeilegungsmechanismen umfasst.

An verschiedenen Stellen des Berichts, wie etwa in den Ziffern 11, 13 und so weiter, wird betont, wie wichtig es ist, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse aufrechtzuerhalten und die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern. Diese politische Verpflichtung sollte auf keinen Fall mit der technischen Frage, wie diese Dienstleistungen zu erbringen sind, verwechselt werden.

Ich denke, es wäre es großer Fehler, die gegenwärtig von den Rundfunkdiensten verwendeten Frequenzen einzugrenzen, indem man darauf besteht, dass sie aus jedem neuen Ansatz für die Frequenzverwaltung herausgenommen werden. Denn damit würden wir uns nämlich der Möglichkeit berauben, ein breites Spektrum für die Gesellschaft sinnvoller Dienste zu unterstützen, wenn wir darauf bestehen würden, dass die Übermittlungsverfahren für die Erbringung dieser Dienste exakt dieselben bleiben und in einer Phase, in der es bei allen anderen Frequenznutzungen sehr rasche Entwicklungen gibt, auf ewig beibehalten werden.

Um ein Beispiel zu nennen: Wir stehen in der EU vor der großen Aufgabe zu verhindern, dass eine Kluft zwischen Menschen mit und Menschen ohne Internetanschluss entsteht. Ein einfacher Weg, das Internet in den ärmsten Regionen unserer ärmsten Ländern zugänglich zu machen, wären drahtlose Breitbandverbindungen, für die man einige der Sendefrequenzen nutzen könnte, die durch den Wechsel vom analogen zum digitalen Rundfunk, der digitalen Dividende, frei werden.

Dass soll nur ein Beispiel dafür sein, warum wir uns zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bekennen müssen, aber auch ein Beispiel dafür, warum wir die gegenwärtig vom Rundfunk genutzten Frequenzen nicht wie ein Tabuthema behandeln dürfen. Wir müssen alle Chancen bestmöglich nutzen, um Dienste auf neue Art und Weise und durch neue Technologien mehr Menschen, als es heute der Fall ist, zugänglich zu machen. Und das ist unabdingbar, um das Wachstum eines wissensbasierten Wirtschaftsraums in Europa zu fördern. Deshalb ist es wichtig, Möglichkeiten für eine flexiblere Nutzung des gesamten Frequenzspektrums zu schaffen, ohne dabei bestimmte Frequenzen auszusparen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich den Änderungsantrag der PSE-Fraktion begrüße, denn er liefert eine ausgewogene Zusammenfassung der anstehenden Hauptprobleme.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Dem Europäischen Parlament und insbesondere der Berichterstatterin, Frau Hall, muss ich mein Kompliment aussprechen, denn Sie haben erkannt, wie wichtig die Entscheidungen sind, die Europa zur Funkfrequenzpolitik nun zu treffen hat.

Es handelt sich um einen Bereich, in dem sich politische Entscheidungen unmittelbar auf die Qualität der Arbeitsplätze und des Wachstums in der europäischen Wirtschaft auswirken. Frequenzabhängige Dienste machen etwa zwei bis drei Prozent des europäischen BIP aus. Für die Weltbank und die OECD wurden Studien durchgeführt, in denen der Ausbau der elektronischen Kommunikationsdienste eindeutig mit dem Wirtschaftswachstum in Zusammenhang gebracht wurde. In einer ökonometrischen Studie für die Kommission wurde vorsichtig geschätzt, dass eine ausgewogenere Zuteilung der Funkfrequenzen ein zusätzliches BIP-Wachstum von 0,1 % jährlich bewirken könnte. Dies würde sich rasch in echten Gewinnen niederschlagen.

Wie dringend dieses Thema ist, zeigt sich ganz gut in dem Begriff „Konvergenz“. Bei praktisch allen Formen der Kommunikation findet eine rasche Digitalisierung statt, und es gibt eine zunehmende Zahl von Infrastrukturen, die in der Diensteerbringung konkurrieren. Die alten Kategorien verschwinden, weshalb wir mit einer neuen Verordnung reagieren müssen, die es den Frequenznutzern ermöglicht, die Mischung aus Diensten und Technologien auszuwählen, die ihnen am meisten zusagt, und die es ihnen ermöglicht, Frequenzrechte untereinander zu kaufen und zu verkaufen.

Es gibt nach wie vor gute Gründe für eine Regulierung. Wir müssen die Interferenzen in den Griff bekommen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Rechte zur Frequenznutzung klar festgelegt sind und dass gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Der Bericht, über den wir heute Abend beraten, ist in den meisten Punkten mit diesen politischen Zielsetzungen vereinbar, und ich möchte der Berichterstatterin für Ihre Bemühungen danken.

Ein Bereich, in dem es Differenzen gibt, ist allerdings die Einbeziehung der Frequenzen für terrestrische Ausstrahlung in die geplanten Reformen. Wir stellen die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Fernsehanstalten oder ihren Beitrag zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt keineswegs in Frage. Allerdings sollten wir gründlich überlegen, bevor wir einer bestimmten Form des Rundfunks den Vorzug geben, ohne die Kosten die berücksichtigen, die unserer Gesellschaft in punkto Chancengleichheit entstehen.

Ein konkretes Beispiel: Im Bericht werden drahtlose Breitbandverbindungen ganz zu Recht als Mittel zur ländlichen Entwicklung und zur Überwindung der digitalen Kluft angeführt. Dies erfordert harte Entscheidungen zum Gleichgewicht zwischen dem Rundfunk und anderen Dienstleistungen. Es müssen notwendige Entscheidungen getroffen werden, um die Ressourcen und die Arbeitsweise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, jedoch sollten wir die Frequenzpolitik nicht als Ersatz für eine echte Debatte nutzen. Durch die Änderung kommt mehr Ausgewogenheit hinein, indem auf die Notwendigkeit verwiesen wird, die Stabilität und Kontinuität der Mediendienste sicherzustellen und gleiche Bedingungen für neue Marktteilnehmer und neue Technologien zu gewährleisten.

Zum Schluss noch eine Bemerkung: Ausgehend von der umfassenden Analyse haben die nationalen Regulierungsbehörden die Aufgabe, den Rundfunkanstalten Frequenzen zuzuweisen. Diese Nutzer müssen der gleichen Verpflichtung wie alle anderen Nutzer unterliegen, mit öffentlichen Mittel verantwortungsvoll umzugehen und sie möglichst effizient zu nutzen. Wir glauben, dass wir mit unserem Reformvorschlag zur Umsetzung dieses Prinzips beitragen können.

 
  
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  Etelka Barsi-Pataky, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (HU) Die technologische Innovation eröffnet für Europa konkrete neue Möglichkeiten. Die Umstellung auf Digitaltechnik führt zu einem Überschuss an bisher knappen Frequenzen. Daher ist es sinnvoll und notwendig, einen Teil dieses Überangebots für neue Technologien bereitzustellen und damit ein dynamisches Umfeld für die europäische Informations- und Kommunikationsindustrie zu schaffen.

Bei der für diesen Zweck erforderlichen Regelung ist dafür zu sorgen, dass das traditionelle System, die lizenzfreie Nutzung und der Frequenzhandel, Teil einer effektiven Frequenzverwaltung ist. Es sind klare Vorschriften notwendig, aus denen Art und Umfang des zulässigen Frequenzhandels ersichtlich werden.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten ist der Ansicht, dass wir den Frequenzhandel sowie die dafür geltenden Bedingungen möglichst bald präzisieren sollten. Diesbezüglich müssen wir mit Sendefrequenzen besonders sorgfältig umgehen. Wir müssen dafür sorgen, dass Frequenzen nicht gehortet und keine Monopole gebildet werden können. Wir müssen die Einführung neuer Technologien in weniger entwickelten und ländlichen Regionen fördern und dabei darauf achten, dass sie nicht die Kosten dafür zu tragen haben.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei ist der festen Überzeugung, dass wir bei der Regulierung dieses Bereichs soziale, kulturelle und politische Überlegungen berücksichtigen sollten, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern. Ich habe bei der Erstellung des Berichts immer wieder auf die Besonderheiten der neuen Mitgliedstaaten verwiesen, die bei der Erarbeitung der Regelungen berücksichtigt werden müssen. Ich freue mich daher über Frau Trautmanns Initiative in dieser Angelegenheit und unterstütze sie. Abschließend sei festgestellt, dass die Mitgliedstaaten Frequenzen für eine europaweite Harmonisierung freigeben sollten, was wiederum in gegenseitigem Einvernehmen geschehen sollte.

 
  
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  Catherine Trautmann, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, Frau Berichterstatterin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind aufgerufen, uns zur Neuvergabe der Funkfrequenzen zu äußern.

Es handelt sich um ein wichtiges Dossier, und die Gründe, die die Kommission veranlassen, einen Vorschlag anzustreben, der den Nutzen dieser Ressource optimieren bzw. maximieren soll, liegen natürlich in der Entwicklung der Technologien, der Existenz der digitalen Dividende und dem im Rahmen der Lissabon-Ziele erklärten Willen, den Zugang aller zu den neuen Diensten, sei es Internet, Mobilfunk oder anderes mehr, sicherzustellen.

Hier war insbesondere von der Breitbandtechnologie die Rede, die es ermöglichen könnte, die digitale Kluft zu verringern, unter der die Union besonders in den ländlichen und dünn besiedelten Regionen leidet. Wir müssen uns also bemühen, eine rationelle Nutzung der Frequenzen zu gewährleisten, die eine universelle Abdeckung in den 27 EU-Ländern mit Blick auf eine nachhaltige Raumordnung sichert.

Die Frequenzen stellen in der Tat eine Ressource dar, ein öffentliches Gut, das uns allen gemeinsam gehört und für die Union von strategischer Bedeutung ist, und wir müssen eine dauerhafte Effizienz des Funkspektrums erreichen. Ebenso wie wir von Energieeffizienz sprechen, glaube ich, können wir auch von Spektraleffizienz sprechen.

Ich begrüße die Anstrengungen der Kommission, die der Nutzung dieser digitalen Dividende eine neue europäische Dimension verleihen und vermeiden will, dass das wirkliche Problem sich wiederholt, das wir erlebt haben und das von den Unternehmen als solches empfunden wurde, als es um die Versteigerung der UMTS-Netze ging. Die Kommission schlägt uns vor, einen Markt zu schaffen. Wir müssen die Wege finden, um eine größere Flexibilität zu gewährleisten, Spekulation und Monopolbildung zu vermeiden und die Frequenzen für neue Dienste und neue Marktteilnehmer zugänglich zu machen.

Ich halte diese Absicht für gerechtfertigt. Wir müssen neue Innovationsmöglichkeiten erschließen, gleichzeitig aber mit Bedacht vorgehen, wenn es um ihre Vermarktung geht, ob über Lizenzen, Versteigerungen, Abtretungen insbesondere von öffentlichen bzw. kostenlos zugänglichen Dienstleistungen, auch auf vorübergehender Basis. Diese verschiedenen Modalitäten gilt es noch festzulegen.

Wir haben innerhalb unseres Ausschusses eine Debatte über die Stellung der Rundfunksender geführt, und ich möchte hier nachdrücklich unterstreichen, dass ich meinerseits stets den besonderen Charakter der Informations- und der Kultursendungen verteidigt habe, die die Sender ausstrahlen, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die nicht über das notwendige private Kapital verfügen, um sich einen Marktzugang zu den gleichen Bedingungen zu sichern wie die, sagen wir, gewöhnlichen Unternehmen.

Aus diesem Grunde hat, um dieser Situation Rechnung zu tragen und gerecht und fair vorzugehen, die Sozialdemokratische Fraktion einen Änderungsantrag eingebracht, der darauf abzielt, die Effizienz des Funkspektrums, das Gleichgewicht zwischen der Achtung der öffentlich-rechtlichen Sendungen und der Achtung der staatlichen Sendungen zur Sicherheit, jedoch auch die Rolle der Regulierungsbehörden und die Rolle der Unternehmen zu berücksichtigen.

 
  
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  Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich mache es ganz kurz. Für meine Fraktion, die den Ansatz der Kommission im Grundsatz begrüßt, sind fünf Punkte wichtig. Wir wollen, dass der neue Ansatz, den die Kommission vorschlägt, nicht zur Bildung von Oligopolen führt. Wir haben bei der Versteigerung von UMTS-Lizenzen in Deutschland negative Erfahrungen gemacht. Wir wollen, dass Vielfalt sichernde Dienste unbedingt Vorrang genießen. Ich schließe an Frau Trautmann an: Rundfunkveranstalter sollen immer mit besonderem Respekt für ihre Aufgaben, für unsere Gesellschaften und die Öffentlichkeit behandelt werden. Wir wollen, dass Technologieneutralität und Interoperabilität gewährleistet werden. Wir wollen, dass tatsächlich eine flächendeckende Versorgung gewährleistet wird. Das ist auch für Sie als Kommissarin, die für den ländlichen Raum mit zuständig ist, wichtig. Wir wollen im ländlichen Raum nicht weiter benachteiligt werden und wollen auch Zugang zu schnellen Internetangeboten haben. Auch sollen in Zukunft, wenn es denn zu Versteigerungen kommt, die Verfahren komplett transparent und nachvollziehbar gehandhabt werden.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich gehe davon aus, dass hierzu eine Antwort der Kommission erwartet wird, aber ich verspreche, dass ich mich kurz fasse.

Ich teile die Einschätzung des Parlaments, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen und andere Medien für die Demokratie, die Vielfalt und die Förderung einer öffentlichen Debatte eine entscheidende Rolle spielen. Bei künftigen Regelungen muss weiterhin sichergestellt sein, dass diese Programme im Einklang mit den von diesen Sendeanstalten eingegangenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen den Bürgern zugänglich gemacht werden. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Ziele erreicht werden können, und gleichzeitig die Konvergenz nicht aus den Augen verlieren, sollten wir jedoch sorgfältig abwägen, wie viele Frequenzen benötigt werden, um öffentlich-rechtliche Rundfunkdienste anzubieten und ihre effiziente Nutzung zu gewährleisten. Folglich müssen wir die Sendeanstalten mit den Mitteln und der Flexibilität ausstatten, die erforderlich sind, um ihr Angebot zum Nutzen unserer Gesellschaft weiter auszubauen.

Wir haben aufmerksam zugehört und werden Ihre Bemerkungen bei der Überarbeitung der Telekommunikationsverordnung, die bis zur zweiten Jahreshälfte 2007 vorgeschlagen wird, berücksichtigen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet am Mittwoch um 12.00 Uhr statt.

 

14. Klimawandel (annonce de propositions de résolution déposées): siehe Protokoll

15. PNR / SWIFT (eingereichte Entschließungsanträge): siehe Protokoll

16. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

17. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 24.00 Uhr geschlossen.)

 
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