Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Kinderbetreuung.
Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Unser Präsidentschaftsprogramm im Bereich der Gesellschaftspolitik steht unter dem Motto „Den demographischen Wandel als Chance begreifen und Chancengleichheit für alle in Beruf und Gesellschaft fördern“. Denn der demographische Wandel ist eine Tatsache, die alle Mitgliedstaaten der EU elementar betrifft.
Wir können aber diesen demographischen Trend umkehren, indem wir uns für gute Rahmenbedingungen einsetzen, damit Menschen ihre vorhandenen Kinderwünsche tatsächlich realisieren können. Aber eine wesentliche Rahmenbedingung, um Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, ist dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Rückkehr in die Berufstätigkeit nach einer Familienpause muss ebenso ermöglicht werden wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile, denn eine Analyse im europäischen Vergleich zeigt, dass Länder mit einem gut ausgebauten Kinderbetreuungsangebot eine höhere Erwerbstätigenquote von Frauen insgesamt haben, und ganz besonders von Müttern mit mehreren betreuungsbedürftigen Kindern.
Die Geburtenziffern sind gerade dort besonders niedrig, wo auch die Erwerbsquote von Frauen gering ist. Hochqualifizierte Frauen wiederum schieben die Familiengründung häufiger als andere Frauen weit hinaus oder verzichten ganz auf Kinder. Während bei Männern der durchschnittliche Umfang ihrer Erwerbstätigkeit mit der Zahl ihrer Kinder zunimmt, reduzieren wiederum Frauen, die Mütter sind, die Arbeitszeit. Wir müssen deshalb in den Mitgliedstaaten bestrebt sein, die Voraussetzungen für die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Erwerbsleben zu verbessern und gute Bedingungen zu schaffen.
Der Handlungsbedarf in diesem Bereich ist groß. Deshalb hat Deutschland als erste Präsidentschaft seit 2002 die Kinderbetreuung zu einem Schwerpunkt seiner Ratspräsidentschaft gemacht. Ein erster wichtiger Schritt zur besseren Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen war, dass die Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona bereits 2002 beschlossen haben, dass die Mitgliedstaaten bis 2010 ein Mindestversorgungsangebot erreichen sollen. Für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens ein Drittel der Kinder unter drei Jahren sollen Betreuungsangebote zur Verfügung stehen. Dieses Ziel wurde 2003 im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie aufgegriffen und in den Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008) bekräftigt.
Es gibt Länder, in denen diese Versorgungsquoten schon jetzt — zum Teil sogar deutlich — übertroffen werden. Bei den Angeboten für Kinder unter 3 Jahren sind es etwa sieben Mitgliedstaaten, die die angestrebte Quote von 33 % erfüllen oder übertreffen. Daran merkt man schon: Die übrigen Staaten liegen darunter und haben teilweise eine eklatant niedrige Versorgung. Ähnlich sind die Anteile der Mitgliedstaaten, die über bzw. unter dem Barcelona-Ziel von 90 % für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt liegen.
Das bedeutet, dass viele Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen zur Erreichung der Barcelona-Ziele deutlich verstärken müssen. Der Gemeinsame Beschäftigungsbericht 2006/2007, den der Rat vor wenigen Wochen, nämlich am 22. Februar angenommen hat, geht auf diesen Punkt ein, indem er die langsamen Forschritte im Bereich Kinderbetreuung unmissverständlich kritisiert. Die wenigen Fortschritte im Bereich der Kinderbetreuung könnten sich hemmend auf ein weiteres gemeinsames Ziel im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie auswirken, nämlich die Erwerbstätigenquote der Frauen auf mindestens 60 % im EU-Durchschnitt zu steigern.
Es ist deshalb von herausragender Bedeutung, dass der Europäische Rat am 8. und 9. März die Europäische Allianz für Familien bestätigt hat. Diese Allianz wird der Umsetzung der vereinbarten Ziele im Bereich der Kinderbetreuung und der Erwerbstätigkeit von Frauen wieder mehr Schwung verleihen. Diese Allianz wird auch Gegenstand der Beratungen im EPSCO-Rat am 30.5. dieses Jahres sein.
Die Europäische Allianz für Familien dient der Verbesserung der familienfreundlichen Lebensbedingungen in der Europäischen Union. Sie wird eine Plattform für einen Meinungs- und Informationsaustausch der Mitgliedstaaten schaffen. Sie ist eng mit der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichstellung verbunden, denn eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf dient einer besseren Chancengleichheit im Erwerbsleben.
Expertisen zeigen auch: Wenn wir konsequent unseren Weg gehen, nämlich bessere Rahmenbedingungen für junge Eltern schaffen, die Kinderbetreuung und frühe Bildung ausbauen, mit der Wirtschaft systematisch familienbewusste Arbeitsstrukturen entwickeln, dann wirken wir genau in der Phase positiv, die demographisch und ökonomisch besonders schwierig ist, nämlich in der Zeit von 2020 bis 2030.
Bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber nicht nur der Staat gefordert, sondern auch die Wirtschaft. Kinder sind unsere Zukunft — sie sind die Arbeitskräfte, die Konsumenten, aber auch die Eltern von morgen. Die Rücksichtnahme auf die Belange von Familien muss zur Unternehmensstrategie und Betriebskultur gehören. Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle — für Mütter wie Väter — sollten dann überall Standard sein. Dabei wäre hilfreich, wenn sich in den Unternehmen die Erkenntnis durchsetzen würde, dass es sich auch betriebswirtschaftlich rechnet, auf die Belange von Familien Rücksicht zu nehmen. Denn nur Mütter und Väter, die ihre Kinder tagsüber gut aufgehoben wissen, können sich mit ganzer Kraft auf ihre Arbeit konzentrieren.
Von einer familienfreundlichen Haltung in den Betrieben profitieren auch der Staat und die Sozialversicherungsträger: Je mehr Mütter und Väter sich am Erwerbsleben beteiligen können, desto mehr Steuern und Sozialabgaben werden geleistet.
Es liegt mir aber auch am Herzen, über dem Blick auf Staat und Wirtschaft die Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren. Ihr Wohlergehen sollte in Europa im Mittelpunkt stehen. Kinder brauchen ein qualitativ gutes Angebot, um kognitive und soziale Kompetenzen zu erlernen. Eine gute und anspruchsvolle Kindertagesbetreuung ist eine wichtige, eine notwendige und eine wertvolle Ergänzung zur familiären Erziehung, die Eltern suchen. Unser Ziel darf nicht „Betreuung light“ sein!
Das ist auch aus einer anderen Perspektive wichtig: In vielen Staaten sind wir mit der Realität konfrontiert, dass nicht alle Kinder in der Familie optimal gefördert werden können. Viele Kinder wachsen zudem ohne Geschwister auf. Diese Kinder finden in der Kindertagesstätte und bei der Tagesmutter einen sicheren Platz, stabile Beziehungen und vielfältige Anregungen, etwa zum Spracherwerb. Für Kinder — das zeigen Untersuchungen weltweit — ist die Förderung und Bildung in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagespflegeperson ein Gewinn.
Ich bin sicher, dass wir mit Ihrer Unterstützung Impulse in diesen genannten Bereichen bekommen und auch eine wichtige Diskussion in der Europäischen Union angestoßen haben.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Fünf Jahre sind vergangen, seit der Europäische Rat im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie Ziele für die Verfügbarkeit von vorschulischen Betreuungseinrichtungen für Kinder aufgestellt hat. Im März 2002 kam der Europäische Rat in Barcelona überein, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen sollten, bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen, um Hemmnisse zu beseitigen, die Frauen noch von einer Beteiligung am Erwerbsleben abhalten.
In seinem im März 2006 beschlossenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter bekräftigte der Europäische Rat die Notwendigkeit, diese Ziele zu erreichen. Doch davon sind wir noch meilenweit entfernt. Die Bereitstellung bezahlbarer, zugänglicher und qualitativ hochwertiger Betreuungseinrichtungen für Kinder ist eine der Voraussetzungen dafür, dass Europa seine Agenden für Wachstum, Beschäftigung und Gleichheit der Geschlechter umsetzen kann. Für die Erschließung des produktiven Potenzials der europäischen Arbeitnehmer ist die Kinderbetreuung unerlässlich. Sie gestattet Frauen und Männern mit kleinen Kindern eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder einer solchen nachzugehen und gleichzeitig ihre Lebensqualität zu verbessern. Sie beseitigt einen der Hauptgründe, die den Einzelnen daran hindern, sich frei zu entscheiden und Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen. Außerdem bietet sie Kindern einen ausgezeichneten Start ins Leben.
Zugängliche Kinderbetreuung von hoher Qualität bildet eine Grundvoraussetzung für echte Gleichstellung der Geschlechter. Nach wie vor tragen Frauen die Hauptverantwortung für die Betreuung der Kinder. Zugleich sind Frauen diejenigen, die unter der in Bezug auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Bezahlung nach wie vor bestehenden Kluft zwischen den Geschlechtern zu leiden haben. Die Bereitstellung angemessener und allgemein zugänglicher Betreuungseinrichtungen für Kinder trägt zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen bei. Sie bietet zudem allein erziehenden Eltern, von denen die meisten Frauen sind, die Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Außerdem ist die Kinderbetreuung ein Mittel, um der demografischen Herausforderung sinkender Geburtenraten zu begegnen, indem sie Frauen und Männern die Möglichkeit gibt, sich individuell zu entscheiden, und zwar auch im Hinblick auf die Zahl der Kinder, die sie haben wollen. Stehen bezahlbare und zugängliche Kinderbetreuungseinrichtungen von hoher Qualität zur Verfügung, so behindert eine Mehrfachelternschaft nicht die Teilnahme am Erwerbsleben.
Die Kommission setzt sich engagiert für die Erreichung der Ziele von Barcelona ein. In ihrem Fahrplan für die Gleichstellung von Männern und Frauen für den Zeitraum von 2006 bis 2010 verpflichtete sich die Kommission, sich dafür einzusetzen, dass die Barcelona-Ziele für den Bereich Kinderbetreuung und den Aufbau anderer Betreuungsmöglichkeiten mithilfe der Strukturfonds und des Austauschs bewährter Praktiken erreicht werden. Die derzeitigen Regeln für die Strukturfonds ermöglichen eine Verwendung für diesen Zweck bereits. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass sich Dienstleistungen und Strukturen zu langsam an eine Situation anpassen, in der sowohl Männer als auch Frauen erwerbstätig sind, aber Frauen nach wie vor als die Hauptbetreuungsperson für Kinder und andere Familienangehörige gelten.
Die Umsetzung der Ziele von Barcelona wird im Rahmen der Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung überwacht. Im Jahresfortschrittsbericht vom Dezember wird festgestellt, dass in den Mitgliedstaaten zwar einige Fortschritte bei der Bereitstellung von Betreuungseinrichtungen für Kinder erzielt wurden, die Umsetzung der Ziele von Barcelona jedoch nur sehr schleppend vorankommt. Deshalb hat die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich 2007 darauf zu konzentrieren, dass sie „gemäß ihren eigenen Zielen mehr bezahlbare Kinderbetreuung von hoher Qualität anbieten“.
Im letzten Monat veröffentlichten Jahresbericht zur Gleichheit der Geschlechter für 2006 fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zur Erreichung der Ziele von Barcelona zu intensivieren und die Suche nach Lösungen für die Pflege älterer und behinderter Bürger zu unterstützen. Sie betonte auch den qualitativen Aspekt der Kinderbetreuung und die Tatsache, dass Familien und Eltern mit einer Vollzeitbeschäftigung auf angemessene Öffnungszeiten und einen flexiblen Zugang angewiesen sind.
Die Kommission begrüßt die Bildung einer Allianz für Familien, die in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates angekündigt worden war. Die „Allianz für Familien“ wird als Plattform für den Gedanken- und Erfahrungsaustausch über familienfreundliche Maßnahmen und für den Austausch bewährter Praktiken unter den Mitgliedstaaten dienen. Die Kommission forderte die Mitgliedstaaten zudem auf, die Möglichkeiten umfassend zu nutzen, die die Kohäsionspolitik im Rahmen der aus den Strukturfonds mitfinanzierten Programme zur Förderung der Gleichheit zwischen Männern und Frauen einschließlich der Verbesserung des Zugangs zu bezahlbarer Kinderbetreuung bietet.
Nach Ansicht der Kommission sollte die Kinderbetreuung als wesentlicher Bestandteil eines umfassenden Ansatzes in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesehen werden. Männer sollten angeregt werden, familiäre Aufgaben zu gleichen Teilen zu übernehmen. Das kann vor allem durch Anreize zur Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub und die Entwicklung innovativer und flexibler Beschäftigungsformen geschehen. Ferner sollte nach Lösungen für die Betreuung von Schulkindern und anderen Familienangehörigen gesucht werden. Ich freue mich, heute ankündigen zu können, dass ich beabsichtige, 2008 eine Mitteilung zur Kinderbetreuung vorzulegen, in der ich konkrete Vorschläge zur Verbesserung von Bereitstellung, Bezahlbarkeit und Qualität von Einrichtungen der Kinderbetreuung unterbreiten werde. Unserer Ansicht nach dürfte das ein wichtiger Anreiz für die Mitgliedstaaten sein, die Barcelona-Ziele zu erfüllen.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Ich begrüße die Verpflichtung, die sowohl die Kommission als auch der Rat eingegangen sind, für eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben zu sorgen und das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu erschwinglichen Kosten zu erhöhen.
Allerdings kann ich meine Enttäuschung angesichts der dürftigen Ergebnisse nach der Ratstagung von Barcelona im Jahr 2002 nicht verhehlen. Wie die Studie Ihrer Generaldirektion Beschäftigung im September 2005 feststellte, stellt die unzureichende Anzahl von Betreuungseinrichtungen zu erschwinglichen Kosten nicht nur ein Hindernis für die wirtschaftliche und soziale Integration wirtschaftlich benachteiligter Familien dar, sondern auch und vor allem eine wesentliche Bremse für die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen und Männern in den Arbeitsmarkt und eine ausgewogene Aufgabenteilung zwischen Frauen und Männern im Familienleben.
Aus sehr vielen Studien wird deutlich, dass die Europäer Kinder nicht bekommen können, wie sie möchten, oder so viele sie möchten. Darüber hinaus müssten die Mitgliedstaaten angesichts der Entwicklung des Bedarfs und der Erfordernisse des Arbeitsmarktes für mehr Flexibilität und eine größere Vielfalt der Kinderbetreuungseinrichtungen sorgen, um die Wahlmöglichkeiten zu erweitern und den Präferenzen, Bedürfnissen und spezifischen Umständen der Eltern und der Familien gerecht zu werden. Es gibt Personen, die die Betreuung ihrer Kinder selbst übernehmen möchten; diese Menschen dürfen wir nicht im Stich lassen oder benachteiligen, da sie dazu beitragen, den sozialen Zusammenhalt des Familiengefüges zu bewahren.
Die Männer und Frauen, die sich ständig oder zeitweilig um Betreuungsbedürftige kümmern, sollten in den Genuss eines anerkannten Status kommen, der ihnen insbesondere Rechte in Bezug auf Sozialschutz und Rentenversorgung einräumt. Und sie sollten ebenso wie jene, die einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen, in den Genuss einer lebenslangen Bildung kommen und in die Lage versetzt werden, den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.
Jan Andersson, im Namen der PSE-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Herr Kommissar! Wie gerade erklärt wurde, haben wir uns auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona ehrgeizige Ziele in Bezug auf die bessere Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen gestellt. Einige Länder haben diese Ziele bereits erreicht, während andere noch ein gutes Stück davon entfernt sind, was überhaupt nicht zufrieden stellen kann. Warum ist nun die Kinderbetreuung so wichtig? Sie ist wichtig, damit Familien Berufs- und Familienleben miteinander vereinbaren können. Ferner spielt sie eine wichtige Rolle für die Gleichstellung, denn traditionell sind es die Frauen gewesen, die die Kinder betreut haben und daher nicht auf den Arbeitsmarkt gelangten. Für die Kinder ist eine Kinderbetreuung von hoher Qualität ein wichtiger Teil ihrer Entwicklung in Richtung auf die Schule, die Welt der Erwachsenen usw.
Die Kinderbetreuung wirkt sich auch positiv auf die Beschäftigung und das Wachstum aus, denn wenn wir uns die Länder anschauen, die bereits gute Fortschritte beim Ausbau der Kinderbetreuung erreicht haben, so können diese auch auf einen hohen Beschäftigungsgrad verweisen, einschließlich der Beschäftigung von Frauen, und damit auch auf ein stärkeres Wachstum. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung wird deutlich, dass wir die Frauen – ja, alle Menschen – auf dem Arbeitsmarkt brauchen.
Die Methode, die uns zur Verfügung steht, ist die der bewährten Verfahren. Viele Beschlüsse werden von den Mitgliedstaaten auf lokaler und regionaler Ebene gefasst, aber ich muss sagen, dass es mich freut, dass die Diskussion sich jetzt ausgeweitet hat. So verfolge ich beispielsweise die Debatte in Deutschland, die jetzt wesentlich intensiver ist als in der Vergangenheit. Es ist wichtig, dass eine solche Diskussion in unseren Mitgliedstaaten geführt wird und dass wir die Notwendigkeit der Kinderbetreuung erkennen, damit eine solche Entwicklung auf den Weg gebracht werden kann.
Ich möchte der deutschen Ratspräsidentschaft danken, dass sie mich in meiner Eigenschaft als Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit zu der informellen Tagung des Rates im Mai eingeladen hat, auf der diese Fragen diskutiert werden, und nehme diese Einladung mit Freude an. Wir hoffen, dass wir den Ausbau der Kinderbetreuung beschleunigen können, nicht nur im Interesse der Kinder und Familien, sondern auch der Beschäftigung.
Hannu Takkula, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Ich begrüße diese Initiative für Familien und Kinderbetreuung auf das wärmste. Kinder und Jugendliche sind das Wertvollste, was wir für unsere Zukunft haben. Wir müssen solche Entscheidungen treffen, die es ihnen ermöglichen, ein ausgefülltes und sicheres Leben zu leben, und diese Entscheidungen müssen jetzt getroffen werden.
Ich selbst war diesbezüglich privilegiert, da ich in Finnland, als meine Kinder noch klein waren, fünf Jahre lang „Hausmann“ war. In unserer Gesellschaft gab es die Möglichkeit als Ehemann zu Hause bleiben zu können, und das ist auch heute noch so. Rückblickend kann ich daher sagen, dass die fünf Jahre, die ich „Hausmann“ war und in denen ich mich um meine zwei Jungen gekümmert habe, ohne Zweifel zu den besten Jahren meines Lebens gehören.
Es scheint mir, als versuchten wir, wenn wir heute von Elternschaft sprechen, die Last der Verantwortung noch immer auf die herkömmliche Art und Weise allein auf die Schultern der Mütter und der Frauen zu laden. Elternschaft bedeutet, dass auch Väter die volle Verantwortung für ihre Kinder übernehmen müssen. Wir müssen auch sicherstellen, dass Arbeit und Familie miteinander in Einklang gebracht werden können, damit Familien die Wahl haben, wer von den Eltern arbeiten geht, wenn es denn nicht möglich ist, dass beide dies tun. Andererseits sollten wir Formen der Tagesbetreuung für Kinder entwickeln, damit Kinder eine gute, erstklassige Betreuung erhalten, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind.
Die Kindheit ist eine wichtige Zeit, das zeigen die Forschungsergebnisse. Die ersten vier bis fünf Jahre im Leben eines Kindes spiegeln sich im Rest des Lebens dieses Kindes wider. Entscheidungen, die in dieser Zeit getroffen werden, die Fürsorge und die Liebe, die ein Kind empfängt, und die Sicherheit, die es verspürt, wirken sich auf sein ganzes Leben aus.
Ich bin daher für diese Ziele, um die Stellung von Familien und Kindern zu fördern. Ich hoffe, dass dabei auch etwas Konkretes herauskommt und dass sie nicht bloß Ziele bleiben.
Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Sie, die Vertreter der Kommission und des Rates sowie alle hier im Plenum Anwesenden darauf aufmerksam machen, dass sich die demografische Situation in Europa nicht verbessern wird, solange sich die Politiker nicht ernsthaft für die Interessen der Kinder einsetzen.
Das ist aber nur möglich, wenn den Kindern politische Rechte zugestanden werden. Ich denke dabei an Stimmrechte – Rechte, die den Kindern garantiert und von ihren gesetzlichen Vertretern, also den Eltern, ausgeübt werden.
Einen solchen Versuch hat es bereits im deutschen Bundestag gegeben, wo über einen Gesetzesentwurf debattiert wurde, wonach Kinder von Geburt an ein Stimmrecht erhalten sollen. Dieses Recht würde den Eltern und gesetzlichen Vormunden der Kinder übertragen. Dazu müssten natürlich bedeutende Gesetzesänderungen vorgenommen werden, was jedoch der Verbesserung der demografischen Situation in Europa dienlicher sein dürfte als die bestehenden gesetzlichen Regelungen.
Bedauerlicherweise wurde die Gesetzesvorlage eben wegen dieser Änderungen im Bundestag abgelehnt, obwohl sie von zahlreichen führenden Politikern und auch von dem Ausschuss, in dem sie beraten wurde, unterstützt wurde. Darauf wollte ich hingewiesen haben.
Eva-Britt Svensson, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Der wichtigste Grund für die Gleichstellung von Frauen und Männern ist das Recht und die Möglichkeit für Frauen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Das bedeutet, ihnen nicht nur das Recht auf Arbeit, sondern auch die Möglichkeit zu geben, dieses wahrzunehmen, indem ihnen eine gute Kinderbetreuung von hoher Qualität zur Verfügung gestellt wird. Solange die Gesellschaft nicht ihren Beitrag dazu leistet, dass alle Kinder Zugang zu guter Kinderbetreuung zu vernünftigen Kosten für die Eltern haben, und auch die Verantwortung dafür übernimmt, sind Frauen für ihre Versorgung von anderen abhängig. Aber ich möchte, ebenso wie die Ratspräsidentschaft, in diesem Zusammenhang die Rechte der Kinder und die Perspektive des Kindes hervorheben.
Es ist von größter Bedeutung für Kinder, Kontakt mit anderen Kindern zu haben, andere Erwachsene als ihre Eltern zu treffen und Zugang zu den pädagogischen Erfahrungen zu erhalten, die für ihre Entwicklung so wichtig sind. Kinder, die den Vorteil einer Kinderbetreuung haben, bei der sie Kontakt sowohl mit anderen Kindern als auch mit Erwachsenen mit pädagogischer Ausbildung haben, erhalten einen besseren Start im Leben und erhöhen ihre soziale Kompetenz. Eine gute Kinderbetreuung ist also nicht nur wichtig für die Gleichstellung und das Wirtschaftswachstum, sondern auch mindestens ebenso für die Kinder selbst. Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, dass sich die EU-Institutionen und vor allem die Mitgliedstaaten für die Rechte der Kinder mindestens ebenso engagieren wie bisher für den Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen. Anderenfalls werden wir die Zielvorgaben von Barcelona nicht einmal annähernd erreichen.
Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Kommissar! Ich bin stark auf Betreuungseinrichtungen für Kinder und ältere Menschen angewiesen, um heute an dieser Sitzung teilnehmen und meinen Redebeitrag zu dieser Aussprache halten zu können.
Es ist wichtig für eine Frau, das Recht auf Ausübung ihres Berufes zu haben, sofern sie dies wünscht. Dafür ist eine gute, bezahlbare Kinderbetreuung von ausschlaggebender Bedeutung. Da ich zu Hause gearbeitet und eine große Familie versorgt habe, weiß ich aber auch, dass ich eine wichtige Rolle bei der Entwicklung meiner Kinder gespielt habe. Ich hatte das Glück, zu Hause bei meinen Kindern bleiben zu können, und meine Kinder hatten das Glück, dass ich mich um sie kümmern konnte.
Worum geht es eigentlich in dieser Aussprache? Es ist wichtig, ehrlich zu sein. Geht es in dieser Aussprache um die Kinder? Mein erstes Enkelkind ist heute Vormittag zur Welt gekommen. Wenn wir es fragen könnten, dann würde es antworten, dass es am liebsten von seiner Mutter betreut werden möchte. Geht es in dieser Aussprache um die Entscheidungsfreiheit der Frauen? Wenn ja, dann würden wir einerseits die Kinderbetreuung und flexible Arbeitsbedingungen für all jene Mütter fördern, die sich für ihren Beruf entscheiden, und andererseits all die Mütter finanziell unterstützen, die lieber zu Hause bleiben und ihre Kinder selbst betreuen möchten.
Wenn es in dieser Aussprache um die EU-Wirtschaft geht, dann macht es durchaus Sinn, kurzfristig ein flächendeckendes Kinderbetreuungssystem aufzubauen und ein Netz von Rechtsvorschriften zu schaffen, mit denen die Frauen zum Eintritt in den Arbeitsmarkt bewegt werden, ganz gleich, ob dies ihren Wünschen entspricht oder nicht. Doch angesichts des demografischen Wandels in Europa und der komplizierten kindlichen Entwicklung werden wir es meines Erachtens eines Tages bereuen, wenn wir langfristig die große Mehrzahl der Mütter während der ersten Lebensjahre ihrer Kinder bereits auf den Arbeitsmarkt lenken.
Der Präsident. Ich bin sicher, das Europäische Parlament wird sich meinen Glückwünschen zur heutigen Geburt Ihres Enkels anschließen.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Das Problem der Betreuung von Kindern in Vorschuleinrichtungen steht in engem Zusammenhang mit einem Thema, das wir gestern Abend hier im Parlament erörtert haben, nämlich der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Chancengleichheit.
Eine Frau möchte nicht nur eine gleichberechtigte Partnerin in der Arbeitswelt sein, sondern eines Tages auch Mutter werden. Einer der Gründe, warum Frauen eher selten den Sprung in die Führungsetagen schaffen, besteht im unzureichenden Angebot an Betreuungseinrichtungen, die der Staat für Vorschulkinder bereithält. Deshalb wurden auf dem EU-Gipfel in Barcelona ganz konkrete Ziele gesetzt. Man legte fest, dass alle EU-Mitgliedstaaten bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei und sechs Jahren und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung stellen sollen. Es ist allgemein bekannt, dass Kinder in diesem Alter besonders schnell wachsen und sich rasch weiterentwickeln. Daher ist unbedingt erforderlich, dass diese Zeit bestmöglich genutzt wird und die Kinder nicht nur auf die Schule, sondern auch auf das Leben vorbereitet werden.
Wenn wir diese Zielvorgaben erst einmal erreicht haben, dann werden wir auch bei der sozialen Integration von Kindern aus problematischen Bevölkerungsgruppen besser vorankommen. Der Staat sollte dafür Sorge tragen, dass Kinder aus allen sozialen Schichten gleichermaßen die Chance haben, in den Genuss einer Grundausbildung zu kommen, um sie so auf ihr späteres Leben vorzubereiten. Und der Staat sollte sicherstellen, dass diese Chance nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Angesichts sinkender Geburtenraten in Europa und düsterer demografischer Statistiken sollten wir einen Moment innehalten und darüber nachdenken, warum junge Familien nicht motiviert sind, um Kinder haben zu wollen. Sie stimmen mir sicher alle zu, dass die bestmögliche und effektivste Mischung aus einem kurzen Mutterschaftsurlaub gleich nach der Geburt des Kindes, einer sich nahtlos anschließenden Teilzeitbeschäftigung und der Nutzung des vorhandenen Angebots qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungseinrichtungen besteht. Damit werden die Voraussetzungen für das gesunde Heranwachsen der jungen Generation und die Erfüllung der beruflichen Ziele ihrer Eltern geschaffen.
Edit Bauer (PPE-DE). – (SK) Ich begrüße nachdrücklich die Erklärung der Europäischen Kommission und des Rates, in der die Mitgliedstaaten auf ihre Verpflichtungen aufmerksam gemacht wurden, die sie im Jahr 2002 in Barcelona übernommen haben. Uns bleibt nämlich nicht mehr viel Zeit, um diese Verpflichtungen zu erfüllen.
Wie zu hören war, hat nicht einmal ein Viertel der Mitgliedstaaten die Zielvorgaben erreicht. Während sich die Lage in verschiedenen Mitgliedstaaten anscheinend ganz unterschiedlich darstellt, ist in vielen neuen Mitgliedstaaten keine Verbesserung, sondern eher noch eine Verschlechterung zu beobachten. Es wäre wirklich eine Schande, wenn wir weiterhin Zeit verschwenden und dann im Jahr 2010 erklären würden, dass die Ziele illusorisch und nicht realisierbar waren. Denn es gibt keine Entschuldigung für fehlende Handlungsbereitschaft, und in diesem besonderen Fall kennt die Zeit kein Erbarmen.
Es steht außer Frage, dass ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen eine der Grundvoraussetzungen für ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben darstellt. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht die Frauenerwerbsquote erhöhen und die – wirklich extrem hohe – Arbeitslosenquote junger Menschen reduzieren können, wenn wir nicht die Voraussetzungen für eine gute Kinderbetreuung sowie für die Betreuung hilfsbedürftiger Familienangehöriger schaffen.
Auch ist die Forderung durchaus vernünftig, diese Dienstleistungen an flexiblere Arbeitsmodelle anzupassen und besser auf neue Anforderungen und sich verändernde Bedingungen abzustimmen. Es wäre überlegenswert, diesen Bereich in das Konzept der „Flexicurity“ mit einzubeziehen, denn ohne Flexibilität und die mit diesen Dienstleistungen verbundene soziale Sicherheit und Rechtssicherheit ist das Konzept der „Flexicurity“ nicht praktikabel.
Im Zusammenhang mit dem Ausbau dieses Betreuungsnetzes stellt sich die Frage, wer nicht nur die Anlaufkosten, sondern auch die Betriebskosten übernehmen sollte. Es besteht kein Zweifel daran, dass die diesbezügliche Verantwortung bei den Mitgliedstaaten liegt.
Zita Gurmai (PSE). – (EN) Herr Präsident! Vor fünf Jahren legte die EU Zielvorgaben für die Kinderbetreuung fest. Demnach sollen die Mitgliedstaaten darauf hinarbeiten, bis 2010 Kinderbetreuungseinrichtungen für wenigstens 90% der Kinder zwischen drei Jahren und dem schulpflichtigen Alter und für 33% der Kinder unter drei Jahren zur Verfügung zu stellen.
Heute – am fünften Jahrestag der Zielvorgaben von Barcelona – sitzen wir nun zusammen, um die Fortschritte in diesem Bereich zu beurteilen. Leider wurden diese Ziele noch nicht verwirklicht. Nur fünf Länder haben die Vorgabe von 33 % erreicht: Belgien, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden. Wir müssen prüfen, wie weit die anderen Mitgliedstaaten gekommen sind. Ich frage mich, ob die Kommission die Umsetzung dieser Ziele tatsächlich beobachtet hat. Ist die Kommission dabei, eine Analyse zu erarbeiten? Gibt es gemeinsame Standards, um die Kinderbetreuungsangebote zu prüfen? Welche Konsequenzen drohen den Mitgliedstaaten, die diese Ziele nicht umsetzen?
Warum sollte Europa in die Kinderbetreuung investieren? Es kommt nicht von ungefähr, dass die Sozialdemokratische Partei eine Kinderbetreuungskampagne gestartet hat, denn sie macht sich für gut zugängliche, erschwingliche Betreuungsangebote in hoher Qualität für Kinder stark. Wir haben diese Kampagne ins Leben gerufen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Investitionen in die Kinderbetreuung auch Investitionen in unsere Zukunft darstellen. An erster Stelle müssen unsere Kinder stehen; dann bieten wir ihnen einen guten Start ins Leben und Chancengleichheit beim späteren Eintritt in den Arbeitsmarkt. Dadurch kann die EU die demografischen Herausforderungen besser meistern, um einen wettbewerbsfähigeren EU-Markt und ein sozialeres Europa aufzubauen. Und dadurch können wir – wie der Kommissar in seinem Redebeitrag erwähnte – eine größere Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt sicherstellen und die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben für Männer und Frauen fördern. Es steht also außer Frage, dass wir durch Investitionen in die Kinderbetreuung den Grundsatz der Chancengleichheit Wirklichkeit werden lassen und die Lebenschancen für alle Kinder verbessern können. Dies kann – unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund – auch zur Beseitigung der Armut beitragen.
Daher fordere ich die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, sich gemeinsam und entschlossen an die Verwirklichung dieser Ziele zu machen. Ungarn gibt insofern ein gutes Beispiel: Der Sozial- und Justizminister ist sich der Bedeutung der Kinderbetreuung bewusst und hat sich zum Ziel gesetzt, die Kinderbetreuung, insbesondere was Kinder zwischen 0 und 3 Jahren betrifft, in den nächsten fünf Jahren von 8 % auf 33 % auszubauen.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Unsere Kinder sind mit Abstand das wichtigste Gut, das wir haben. Zugleich sind sie aber auch das zerbrechlichste Gut, was nicht nur an ihren besonderen physischen und psychischen Bedürfnissen während ihrer Entwicklung liegt, sondern auch an den zahlreichen Gefahrenquellen des modernen Lebens. Aus diesen Gründen – abgesehen von vielen weiteren Gründen – brauchen und verdienen unserer Kinder zweifelsohne größte Fürsorge und Aufmerksamkeit. Doch in einer Welt, in der beide Eltern wie wild versuchen, auf das Schwindel erregende Karrierekarussell aufzuspringen; in einer Welt, in der beide Elternteile voll und ganz damit beschäftigt sind, sich tagtäglich ein höheres Einkommen zu erkämpfen; in einer Welt, in der durch den starken sozialen Druck der familiäre Zusammenhalt zerstört wird; in einer Welt, in der große geografische Entfernungen dazu führen, dass die wertvolle Hilfe der Großeltern und anderer enger Familienangehöriger weitestgehend wegfällt – in solch einer Welt kann sich die Kinderbetreuung durch die Eltern ganz erheblich verschlechtern.
Das ist die Welt, der die Mitgliedstaaten schnell und umfassend helfen müssen. Es sollten Initiativen gefördert werden, um eine flächendeckende und qualitativ hochwertigere Kinderbetreuung sicherzustellen. Wir sollten dafür Sorge tragen, dass Eltern ihre Elternzeit flexibel gestalten können und die Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse der Eltern angepasst werden. Das sind nur einige der wichtigsten Punkte. Darüber hinaus sollten auch innovative Maßnahmen gefördert und ausgebaut werden, wie Beratungsangebote für Eltern oder Elternschulen, wo sich die Eltern neues Wissen aneignen können und beraten werden, wie sie bessere Eltern werden und mit den Problemen des Elterndaseins leichter zurechtkommen können.
Letztendlich sollten wir nie vergessen, dass keine Kinderbetreuungseinrichtung, wie gut sie auch sein mag, elterliche Liebe und Zuneigung ersetzen kann. Neben allen anderen Maßnahmen sollten wir die Menschen vielleicht auch dazu anregen, ihre eigenen Lebensprioritäten zu überdenken. Ist es besser für eine Familie, über ein höheres Einkommen zu verfügen, dafür aber die Eltern-Kind-Beziehung zu vernachlässigen? Tut es einer Familie wirklich gut, zwei in Vollzeit beschäftigte, auf ihre Karriere fixierte Elternteile zu haben, die sich höchst selten gemeinsam am Abendbrottisch der Familie einfinden? Alle Eltern sollten vielleicht diese Fragen überdenken und versuchen, sie um ihrer Kinder willen ehrlich zu beantworten.
Marek Aleksander Czarnecki (UEN). – (PL) Herr Präsident! Unsere Augen und Ohren sagen uns, dass Europa altert. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden immer weniger Kinder geboren.
Woran liegt das? Lieben wir Kinder nicht mehr? Das ist ganz sicher nicht der Fall. Wir sind uns einfach stärker der Tatsache bewusst geworden, wie schwierig es ist, Kinder großzuziehen. Hinzu kommt, dass die Frauen in Europa immer später eine Familie gründen, wenn sie sich denn überhaupt für Kinder entscheiden.
Ein Grund dafür liegt in der Bereitstellung von Möglichkeiten zur Kinderbetreuung während der Arbeitszeit. Frauen können sich nur dann auf ihre beruflichen Pflichten konzentrieren, wenn sie ihr Kind gut betreut wissen. In den Staaten, die den Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, während der Stillzeit und später bei der Erziehung der Kinder entsprechende Fürsorge zuteil werden lassen, ist die Frauenarbeitslosigkeit am niedrigsten.
Ein entsprechender Umgang mit den Bürgern, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft, und die Schaffung von Voraussetzungen für ihre positive Entwicklung sowie ihren Schutz vom Moment der Geburt an bis ins hohe Alter sind ein Grundsatz, der in der Welt von heute einfach befolgt werden muss.
Pier Antonio Panzeri (PSE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das von uns erörterte Thema ist von größter Wichtigkeit und rückt erneut die Frage des sozialen Europas in den Mittelpunkt. Seit langem dringen wir auf dieses Ziel, und deshalb lohnt es sich zu betonen, dass Investitionen in eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und deren Ausdehnung sowie die Gewährleistung einer besseren Ausbildung, einer guten Tagesbetreuung und neuer Gebäude für Kinder ein unmissverständliches Signal des politischen Willens wären, in die richtige Richtung zu gehen.
Es ist völlig klar, dass das Einstehen für Kinder mit entsprechenden sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht nur bedeutet, sich ernsthafte Gedanken über ihre Zukunft zu machen, sondern auch zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen für Familien beizutragen; das würde vielen Eltern, und vor allem vielen Frauen, eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen.
Im Übrigen könnte dies, wie bereits gesagt worden ist, eine Antwort auf die Herausforderungen sein, denen sich Europa stellen muss – die des geografischen Wandels beispielsweise –, denn der Arbeitsmarkt würde auf positivem Wege aufgefüllt, die europäische Wettbewerbsfähigkeit verstärkt und der Reichtum unserer Gesellschaft vermehrt werden.
Herr Kommissar, deshalb braucht es mehr Mut und Weitblick, um den Rückstand einzelner Mitgliedstaaten aufzuholen, und folglich müssen Parlament und Kommission Einsatz zeigen und energisch und entschlossen für die Erreichung der gesteckten Ziele eintreten.
Edite Estrela (PSE). – (PT) Zunächst einmal möchte ich die Erklärungen des Rates und der Kommission begrüßen. Wir sind uns alle einig, dass es nie eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter geben wird, solange nicht Männer und Frauen ihr Berufs- und Familienleben miteinander vereinbaren können.
Ein zentrales Anliegen besteht darin, dass sich Männer an den familiären Pflichten beteiligen und Frauen ihrem Beruf nachgehen können. Dazu müssen die Mitgliedstaaten jetzt dringend ein Netzwerk an qualitativ hochwertigen, erschwinglichen Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen, die zu vernünftigen Zeiten geöffnet haben.
Es ist höchst bedauerlich, dass wir im Jahr 2007 – dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle – noch weit von den Barcelona-Zielen entfernt sind. Dabei braucht die Europäische Union angesichts der Überalterung der Bevölkerung und zurückgehender Geburtenraten möglichst viele Erwachsene auf dem Arbeitsmarkt, d. h. auch wesentlich mehr Frauen.
Wir sehen erwartungsvoll dem Dokument zu diesem Themenbereich entgegen, das Kommissar Špidla hier im Plenum für 2008 angekündigt hat.
Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich sehr herzlich für Ihre Beiträge bedanken. Wenn ich alles richtig verfolgt habe, herrscht große Übereinstimmung hinsichtlich des Ziels, das wir uns vorgenommen haben. Die Ziele sind ja vor einigen Jahren formuliert worden. Die Verpflichtungen sind auch übernommen worden. Wir haben aber gesehen, dass es noch nicht gelungen ist, diese Ziele in allen Mitgliedstaaten zu realisieren. Es bleibt uns relativ wenig Zeit, die Einlösung der Vorgaben bis zum Jahr 2010 zu erreichen.
Es ist auch wichtig, dass der Debatte über die Allianz für Familien neuer Schwung verliehen wird, und zwar – und ich sage dies ganz bewusst – nicht nur in Deutschland, wie Kollege Andersson zu Beginn seines Beitrags gesagt hat. Verschiedentlich wurde auf die besondere Thematik eingegangen, ob möglicherweise vorgeschrieben wird, dass Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen müssen. Also Stichwort Wahlfreiheit.
Wahlfreiheit ist ein ganz wichtiges Ziel. Niemand schreibt vor, in welche Betreuung Kinder kommen sollen oder wie viele Kinder man überhaupt haben muss. Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Allerdings ist in speziellen Fällen diese Wahlfreiheit gar nicht gegeben, weil besondere Betreuungseinrichtungen nicht vorhanden sind. Deshalb ist es wichtig, wie es die Kommission, Sie in Ihren Beiträgen, aber auch die Präsidentschaft dargelegt hat, vor dem Hintergrund verschiedenster Aspekte an diesem Ziel festzuhalten.
Das Thema Chancengleichheit ist angesprochen worden sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der demographische Wandel oder Bildung für Kinder. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir uns verpflichtet haben, die Erwerbstätigenquote bei Frauen anzuheben, auch unter dem Aspekt der Flexicurity. Verschiedene Aspekte haben also in dieser Debatte Berücksichtigung gefunden.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich begrüßen, was Kommissar Špidla gesagt hat, nämlich dass er im nächsten Jahr ein Dokument vorlegen wird, um zu sehen, was aufgrund der Debatten im Rat und im Europäischen Parlament geschehen ist und wie es um die Realisierung dieser Ziele steht?
Ich bedanke mich ausdrücklich für diese offene Debatte und kann nur noch einmal sagen, dass jeder von uns in dem jeweiligen Mitgliedstaat, in dem die Ziele bisher noch nicht erreicht wurden oder möglicherweise die Gefahr besteht, dass sie bis 2010 nicht erreicht werden, aufgefordert ist, entsprechende politische Impulse zu setzen, damit wir bis 2010 die Ziele, auf die wir uns verständigt haben, hoffentlich auch erreichen.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Verehrte Abgeordnete! Ich glaube, es liegt deutlich auf der Hand, dass die Ziele von Barcelona sinnvoll sind und dass die Aussprache bestätigt hat, dass es in dieser Frage einen breiten Konsens gibt. Es steht außer Zweifel, dass einige Länder von der Erreichung der Ziele noch weit entfernt sind und dass wir die Mitgliedstaaten nach besten Kräften moralisch unterstützen müssen, damit sie diese Mängel beheben.
Die Vorzüge der Barcelona-Strategie sind klar, aber ich würde dennoch gern kurz auf sie zurückkommen. Erstens wird es ohne verantwortungsvolle Betreuungseinrichtungen für Kinder nicht möglich sein, grundlegende Ziele in der Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Zweitens können wir die Frage der demografischen Alterung ohne Vorkehrungen in diesem Bereich nicht verantwortungsbewusst in Angriff nehmen.
Die Aussprache hat eindeutig zwei Fragen aufgeworfen: Erstens ging es darum, ob die Kommission die Umsetzung der Barcelona-Strategie kontrolliert hat. Wie ich in meinem Bericht im Rahmen der Lissabon-Strategie betont habe, kann diese Frage mit Ja beantwortet werden. Die zweite Frage betraf Maßnahmen zum Vergleich der einzelnen Länder. Der Vergleich der einzelnen Länder erfolgt derzeit auf der Grundlage von Daten, die diese individuell einreichen, und es ist methodologisch schwierig, diese Daten zu vergleichen. Es ist einfach, die Entwicklung im eigenen Land zu verfolgen, aber es ist extrem schwierig, die einzelnen Länder miteinander zu vergleichen. Diese Situation ist unbefriedigend, und wir arbeiten an Methoden, mit denen es möglich sein wird, die verschiedenen individuellen Standpunkte zu bewerten. Diese Arbeiten dürften bis Jahresende abgeschlossen sein.
Es zeichnete sich noch eine dritte Frage ab, und zwar ging es darum, ob wir im Rahmen der Barcelona-Strategie auf Wahlmöglichkeiten für Eltern abzielen. Ja, das ist in Übereinstimmung mit den formulierten Zielen eindeutig der Fall. Die Mitgliedstaaten sind angehalten, bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen; das heißt, eine Betreuung anzubieten oder den Eltern freizustellen, ob sie diese Möglichkeit nutzen wollen. Diesbezüglich liegt der Zweck der Zielsetzung klar auf der Hand.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für diese Aussprache. Meines Erachtens ist deutlich geworden, dass noch viel zu tun bleibt, dass wir aber auch in der Lage sind, sehr viel zu erreichen.