Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Mary Lou McDonald im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Konsolidierte Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 2006 im Interesse der Europäischen Gemeinschaft zu ratifizieren (KOM(2006)0288 – C6-0241/2006 – 2006/0103(CNS)) (A6-0019/2007).
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Internationale Arbeitsorganisation hat das ambitionierte Seearbeitsübereinkommen angenommen, mit dem Mindestanforderungen für die Arbeit an Bord, die Beschäftigungsbedingungen, die Unterbringungsbedingungen, die soziale Sicherheit und – nicht zu vergessen – Bestimmungen für die Anwendung und Einhaltung des Übereinkommens festgelegt werden.
Der besondere Wert dieses Übereinkommen, das einen wahrhaften Entwurf für ein internationales Arbeitsgesetzbuch der Seefahrt darstellt, besteht darin, dass es die Wirksamkeit der bestehenden Normen erhöht, diese an die Globalisierung anpasst und vor allem dass es die Ratifizierung durch eine größere Zahl von Staaten fördert. Die Kommission wie die IAO betrachten das Ziel des fairen Wettbewerbs als ausschlaggebend. Wir sind überzeugt, dass das Seearbeitsübereinkommen dazu beitragen wird, die Schifffahrt, die keine Mindestnormen beachtet, einzustellen und die Attraktivität des Berufs des Seemanns zu erhöhen.
Allerdings muss das Übereinkommen rasch ratifiziert werden, damit diese positiven Effekte erzielt werden können. Rechtlich ist eine Entscheidung erforderlich, die die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung des Übereinkommens ermächtigt, da nach den Regeln der IAO die Gemeinschaft als solche das Übereinkommen nicht ratifizieren kann, obgleich es Bestimmungen enthält, die unter die Gemeinschaftskompetenz fallen.
Um die Ratifizierungsverfahren nicht zu verzögern, war die Kommission bestrebt, ihren Entscheidungsvorschlag rasch nach der Annahme des Übereinkommens vorzulegen.
In ihrem Vorschlag sieht die Kommission den Grundsatz der Ermächtigung zur Ratifizierung vor und schlägt den 31. Dezember 2008 als Endtermin für die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden vor. Daher ist die Kommission bestrebt, eine verbindliche Formulierung über die Verpflichtung zur Ratifizierung beizubehalten und lehnt jeden Wortlaut ab, mit dem dieser Grundsatz geschwächt würde.
Liebe Frau McDonald, ich möchte Ihnen danken und Ihnen meine ganze Unterstützung für Ihren Bericht zusichern, der den Endtermin 2008 aufrechterhält. Angesichts des Niveaus der europäischen Standards kann man davon ausgehen, dass Drittländer stärker von dem Inkrafttreten des Übereinkommens betroffen sein werden als die Mitgliedstaaten, die bereits anspruchsvollere Standards anwenden. Mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens werden sich die Diskrepanzen zwischen den Standards der meisten Drittländer und denen der Gemeinschaft verringern, was fairere Wettbewerbsbedingungen fördern dürfte.
Ganze Teile des Übereinkommens sind bereits durch entsprechende Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts abgedeckt. Daher müssen die Mitgliedstaaten ihre Rechtsnormen nicht gänzlich ändern und können somit die Ratifizierung beschleunigt durchführen.
Die Kommission kann die internen Zwänge der Mitgliedstaaten verstehen und sich diesbezüglich flexibler zum Endtermin zeigen, nicht aber zum Grundsatz eines unbedingten verbindlichen Termins. Es wäre wirklich schade, den bei den Genfer Verhandlungen vorherrschenden Schwung durch eine Verwässerung des Grundsatzes der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden abzuschwächen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und spreche Frau McDonald nochmals meine Anerkennung aus(1).
Mary Lou McDonald (GUE/NGL), Berichterstatterin. – (EN) Herr Präsident! Das Seearbeitsübereinkommen der IAO sei das Beste, was im Bereich der Seearbeit je auf den Weg gebracht wurde. Das habe nicht ich gesagt, sondern Dierk Lindemann, der als Sprecher der Reeder an den Verhandlungen zum Übereinkommen teilgenommen hat.
Das Übereinkommen fasst 65 Normen der IAO zu einem konsolidierten Dokument zusammen. Es sieht Mindestanforderungen für Seeleute vor und umfasst Bestimmungen für Beschäftigungsbedingungen und die Anheuerung, die Arbeitszeit, den Schutz von Mindestlöhnen, Urlaub und Repatriierung, Unterkunft, Freizeit, die Versorgung mit Lebensmitteln, Gesundheit und medizinische Versorgung, die soziale Fürsorge und den Sozialschutz. Es wird die Bedingungen für Millionen von Arbeitskräften dieses Sektors weltweit enorm verbessern. Da es sich beim Seeverkehr um einen globalen Industriezweig handelt, ist es unbedingt erforderlich, dass globale Normen angenommen werden, um die negativen Auswirkungen der Globalisierung, insbesondere das Sozialdumping, einzudämmen.
Nach seiner Ratifizierung wird das Übereinkommen für alle Schiffe gelten, sogar jene, die unter der Flagge von Staaten fahren, die das Übereinkommen selbst nicht ratifiziert haben. Mit der Schaffung von Mindestnormen wird sich das Verhaltensmuster des ganzen Industriezweigs verlagern, und Sozialdumping kann so vermieden werden.
Unmittelbar nach Annahme des Übereinkommens im Februar 2006 erklärte Chris Horrocks, der Generalsekretär des Internationalen Reederverbandes, diese wegweisende Entscheidung sei erst der Anfang. Nun müsse man dafür sorgen, dass jede Regierung dieses Übereinkommen schnellstmöglich ratifiziert und umfassend umsetzt.
Im Juli 2006 bekräftigten der Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft und der Verband der Verkehrsgewerkschaften in der Europäischen Union in einem Schreiben an die Verkehrsminister der EU ihre uneingeschränkte Unterstützung für das Übereinkommen. In ihrem Schreiben empfehlen sie nachdrücklich, dass die Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifizieren und baldmöglichst entsprechende Vorkehrungen zu diesem Zweck treffen sollten.
Die Vertreterin der IAO Cleopatra Doumbia-Henry erklärte im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, wo das Übereinkommen diskutiert wurde, dass Verzögerungen bei der Ratifizierung die außerordentliche Dynamik, die sich zugunsten des Übereinkommens aufgebaut hat, abschwächen könnten. Für eine Vertreterin der IAO sind das wahrhaft deutliche Worte.
Nachdem die Kommission viel in die Verhandlungen über das Übereinkommen investiert und dafür gesorgt hat, dass es sich im Einklang mit EU-Recht befindet, hat sie sich offiziell für die Ratifizierung des Übereinkommens bis Ende 2008 ausgesprochen. Damit könnte das Übereinkommen bis 2009, also fast zehn Jahre nach Aufnahme der Verhandlungen, in Kraft treten.
Ich habe den Eindruck, dass die Mitgliedstaaten, die erklärt haben, dass sie sich um eine Ratifizierung des Übereinkommens vorzugsweise bis zum 31. Dezember 2010 bemühen wollten, die Einzigen sind, denen nicht an einer Ratifizierung des Übereinkommens bis 2008 gelegen ist.
In der Realität dürfte es der europäischen Schifffahrt ohne das Übereinkommen schwer fallen, sich im Wettbewerb zu behaupten, da sie zunehmend von Schiffen unter Billigflagge unterboten wird. Ich möchte die Abgeordneten dringend auffordern, das Übereinkommen mit überwältigender Mehrheit zu befürworten und mit der Annahme dieses Berichts ein Signal an die Mitgliedstaaten auszusenden, dass der Seeverkehr und vor allem dessen Beschäftigte nicht mehr warten können. Die Mitgliedstaaten sollten endlich Dampf machen und das Übereinkommen zügig ratifizieren.
Ich möchte noch kurz auf einige weitere Maßnahmen eingehen, die die EU ergreifen könnte. Die ausgezeichnete Mitteilung der Kommission über die Stärkung der Arbeitsnormen im Seeverkehr bildet einen guten Ausgangspunkt, und ich hoffe, dass mein Bericht einen kleinen Beitrag genau dazu leistet. Die EU muss sich Bereichen widmen, die vom Übereinkommen nicht vollständig abgedeckt werden. Und sie muss sich vor allem der Regulierung von Anwerbungsagenturen widmen. Die EU sollte prüfen, wie die Normen des IAO-Übereinkommens gestärkt, ergänzt oder erweitert und die Rechte und Interessen von Seeleuten besser geschützt werden können. Die EU sollte Maßnahmen prüfen, mit denen die Risiken einer unterschiedlichen Auslegung des Übereinkommens durch die EU-Mitgliedstaaten verringert werden könnten. Es sollten Vorschläge zugunsten familienfreundlicher Einrichtungen auf Schiffen unterbreitet werden. Die EU sollte versuchen, für alle in ihren Gewässern fahrenden Schiffe Mindestnormen für die Beschäftigung und Entlohnung von Seeleuten durchzusetzen. Vor allem sollte die Kommission meines Erachtens den Vorschlag für eine EU-Fährenrichtlinie erneut vorlegen.
Der erste und wichtigste Schritt ist jedoch die Ratifizierung dieses IAO-Seearbeitsübereinkommens. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, denn diese Sache duldet keinen weiteren Aufschub.
Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr. – (EL) Herr Präsident! Ich möchte der Berichterstatterin ebenfalls für ihre Arbeit danken und begrüße die Tatsache, dass wir kurz vor der Unterzeichnung des Seearbeitsübereinkommens stehen, mit dem sowohl die Sozialrechte und angemessene Lebensbedingungen für Seeleute gewährleistet als auch berufliche Karrieren zu See gefördert werden sollen. Denn nur durch gute Bildung und eine bessere Arbeitsorganisation können wir eine hohe Qualität der Seearbeit sicherstellen, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union dringend erforderlich ist. Abgesehen von der Qualität der Seearbeit könnten auch berufliche Karrieren zu See wieder attraktiver werden, was begrüßenswert wäre, da Seeleute für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Schiffsindustrie von entscheidender Bedeutung sind.
Dieses Übereinkommen ist aber auch für die globale Schiffsindustrie ganz wichtig, da bestimmte Standards für die Organisation der Seearbeit nunmehr einheitlich angewendet werden. Heutzutage wenden verschiedene Staaten zwar schon vereinzelt Bestimmungen an, die auch in diesem Übereinkommen enthalten sind, aber darüber hinaus schafft dieses Übereinkommen auch die Voraussetzungen für einen gesunden Wettbewerb. Durch eine Klausel wird sichergestellt, dass Schiffe unter der Flagge von Staaten, die das Übereinkommen nicht ratifiziert haben, nicht günstiger behandelt werden als Schiffe unter der Flagge von Staaten, die die Ratifizierung vorgenommen haben. Somit soll – wie die Berichterstatterin gerade erwähnt hat – Sozialdumping verhindert werden, das zu unfairen Bedingungen für unsere Seeleute und Schiffsunternehmen führt. Denn momentan sieht es ja so aus, dass zahlreiche Unternehmen bereits Seeleute aus Ländern einstellen können, deren Sozialstandards nicht dem Niveau entsprechen, das in dem internationalen Übereinkommen gefordert und von der Europäischen Union angestrebt wird.
Der andere wichtige Punkt ist die Einführung des Seearbeitszeugnisses und der Erklärung über die Erfüllung der einschlägigen Seearbeitsvorschriften. Hier ist der jeweilige Hafenstaat gefragt, der die Schiffe kontrollieren und festhalten kann, wenn Zweifel an der Einhaltung dieser Standards bestehen. Meines Erachtens sind in diesem Übereinkommen all die Grundsätze enthalten, die wir über die Grenzen der Europäischen Union hinaus in der ganzen Welt verbreiten möchten. Es ist eine gute Sache, dass alle Mitgliedstaaten dieses Übereinkommen bald ratifizieren wollen. Im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr wurden zwar einige Abänderungen vorgeschlagen, in denen ein Aufschub bis 2010 gefordert wurde, da sich bekanntlich die Ratifizierungsverfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten voneinander unterscheiden und unserer Ansicht nach eine angemessene Frist für die gründliche Vorbereitung eines solchen Ratifizierungsverfahrens eingeräumt werden sollte. Doch die vorherrschende Meinung lautet, dass die Verfahren bis 2008 abgeschlossen sein müssen, so dass wir jetzt einen Gang zulegen und hier in der Europäischen Union ein gutes Beispiel für eine gelungene Vereinheitlichung und Durchsetzung abgeben sollten.
Marie Panayotopoulos-Cassiotou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Ich möchte Frau McDonald gratulieren, denn mit ihrem Bericht billigt das Europäische Parlament den Vorschlag des Rates, die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung des Seearbeitsübereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation im Interesse der Europäischen Union zu ermächtigen. Das Parlament trägt somit der Tatsache Rechnung, dass es für den Status der Seeleute außerordentlich wichtig ist, dass angesichts der Globalisierung Schutzbestimmungen vorhanden sind und Ausbeutermethoden unterbunden werden. Außerdem wird damit eine Gemeinschaftsregelung zur Koordinierung der sozialen Versicherungssysteme gewährleistet. Mit der Ratifizierung des Übereinkommens werden die Mitgliedstaaten in erster Linie den globalen sozialen Rahmen stärken, da sie angemessene Arbeitsbedingungen in der ganzen Welt anstreben.
Wir halten es für notwendig, die Sicherheit im Seeverkehr zu verbessern, damit eine berufliche Karriere zu See wieder mehr Interesse bei jungen Europäern findet und folglich 17 000 freie Stellen für Seeleute aus der Gemeinschaft besetzt werden können, was vor allem für Kapitäne und Maschinisten gilt. Hier bietet sich uns die Gelegenheit, Herr Kommissar, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Seeverkehrsausbildung ganz dringend verbessert und die europaweite Kampagne für eine berufliche Karriere auf See ausgebaut werden muss.
Die moderne Technik macht heutzutage den täglichen Kontakt zwischen den Seeleuten und ihren Familien sowie sichere Arbeitsbedingungen möglich. Eine Kampagne, mit der Bürger für eine berufliche Karriere auf See gewonnen werden sollen, muss auch Beschäftigungsaussichten für behinderte Seeleute umfassen, wie Arbeiten an Land oder – alternativ – wechselnde Tätigkeiten an Land und zur See. Außerdem müssen wir den Arbeitsvermittlungsagenturen für Seeleute unter die Arme greifen, damit die vorhandenen Arbeitskräfte optimal eingesetzt werden. Es ist eine gute Sache, dass auf europäischer Ebene ein sozialer Dialog zwischen Seeleuten und Schiffsunternehmen beginnen soll, der hoffentlich zu einer Einigung führen wird. Im internationalen Übereinkommen der IAO ist zudem vorgesehen, dass ein dreigliedriger Ausschuss bestehend aus Vertretern der Schiffsunternehmen, der Seeleute und des Staates über die ordnungsgemäße Anwendung des Übereinkommens wachen soll.
Abschließend möchte ich Sie daran erinnern, dass die Europäische Kommission im Jahr 2001 zu Recht ihren Vorschlag zurückgezogen hat, wonach für alle Seeleute, die in den Gewässern der EU tätig sind, Mindestnormen für die Beschäftigung und Entlohnung gelten sollten. Generell sind zwar die Pläne begrüßenswert, eine Gleichbehandlung aller Seeleute – ganz gleich, ob sie aus der Gemeinschaft stammen oder nicht – sicherzustellen. Doch in der Praxis ist eine EU-Richtlinie für Autofähren nicht umsetzbar, da sämtliche Fahrten als internationale Fahrten anzusehen sind. Wir fordern die Europäische Kommission auf, mit besonderer Umsicht vorzugehen, wenn es um die Vereinbarkeit ihrer Vorschläge mit dem internationalen Seerecht geht.
Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Auch ich begrüße den Bericht, und ich begrüße die Arbeit, die Frau McDonald in diese Problematik investiert hat. Es steht außer Zweifel, dass dieses konsolidierte Übereinkommen über die Arbeitsbedingungen von Seeleuten einen immensen Fortschritt darstellt. Es ist ein Versuch, Übereinkommen, von denen einige aus dem Jahre 1920 stammen, auf den neuesten Stand zu bringen, und globale Normen einzuführen, die hoffentlich humanere Bedingungen an Bord zur Folge haben werden.
Doch wie bereits festgestellt wurde, werden selbst die höheren Mindestnormen, die das Übereinkommen festlegen wird, nicht an die Normen für Arbeitnehmer und Beschäftigung in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU heranreichen. Daher ist es bedauerlich, dass sich Mitgliedstaaten der EU einer zügigen Ratifizierung dieses speziellen Übereinkommens in den Weg stellen. Das ist meiner Ansicht nach Teil des Wettlaufs nach unten, gegen den sich viele Mitgliedstaaten wehren. Als Beispiel sei die Richtlinie über Besatzungsvorschriften für Fährschiffe genannt. In Irland hat man die Erfahrung gemacht, dass das Unternehmen Irish Ferries versuchte, alle Mitarbeiter zu entlassen und anschließend billigere Arbeitskräfte für weniger als die Hälfte des in Irland geltenden gesetzlichen Mindestlohns einzustellen.
Abschließend möchte ich feststellen, dass das Blockieren der Richtlinie über Besatzungsvorschriften für Fährschiffe und der Versuch, die Ratifizierung dieses Übereinkommens hinauszuzögern, meines Erachtens symptomatisch sind für die Haltung einiger Mitgliedstaaten. Ich unterstütze alles, was Frau McDonald bezüglich der Notwendigkeit einer europaweiten Regulierung gesagt hat. Diesbezüglich muss ich ihr aber sagen, dass wir dazu die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit in diesem Bereich brauchen, die wir derzeit nicht haben. Für die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit brauchen wir die vorgeschlagene europäische Verfassung, und ich schlage vor, Frau McDonald überdenkt ihr ablehnende Haltung gegenüber dieser Verfassung, denn andernfalls können wir nicht ernsthaft an die Umsetzung gemeinsamer Arbeitsnormen in ganz Europa gehen.
Robert Navarro (PSE). – (FR) Herr Präsident! Wir befinden uns mitten im Erika-Prozess. Der Fall Erika ist bezeichnend für jene vermeidbaren Katastrophen, die jedoch trotzdem eintreten, weil die Profite einiger weniger unbedingt Vorrang vor allen anderen Dingen haben müssen. Er ist das Ergebnis einer ins Extreme gesteigerten liberalen Profitauffassung, nach der alles erlaubt ist, um einige Euros mehr zu verdienen, sogar die Missachtung der elementarsten Sicherheitsregeln bis hin zur Katastrophe.
Diese gleiche Auffassung herrschte auch in dem unrühmlich bekannten Fall von Irish Ferries vor, von denen bald nur noch der Name irisch sein wird: Im Namen des Profits wird das gesamte Personal eines Unternehmens, das korrekt arbeitet, auf die Straße geworfen.
Diese gleiche Auffassung veranlasst ebenfalls bestimmte Reeder, die innergemeinschaftliche Kabotage ausführen, Schiffe mit zahlenmäßig unzureichender Besatzung und unter Bedingungen zu betreiben, die sowohl die Besatzungen wie auch die Schifffahrt insgesamt gefährden.
Mit diesen erbärmlichen Arbeitsbedingungen werden auch die Traditionen und das Können der europäischen Seeleute aufs Spiel gesetzt, denn sie haben das Ansehen des Sektors so verschlechtert, dass es immer schwieriger wird, europäische Seeleute anzuheuern.
Natürlich wird dieses Profitstreben niemals offen zugegeben. Man greift vielmehr zum Argument der internationalen Konkurrenz, die im Wesentlichen asiatisch und natürlich „unfair“ ist, um diese Praktiken zu rechtfertigen, auch wenn es diese Konkurrenz gar nicht gibt. Oder hat jemand schon davon gehört, dass chinesische Unternehmen Fähren in der Ostsee oder im Ärmelkanal betreiben?
Es geht nicht darum, diesen Wettbewerb zu bestreiten. Er betrifft einen Teil des Sektors und hat auch sein Gutes. Doch er muss kontrolliert werden und fair sein. Es ist durchaus möglich festzulegen, auf welcher Grundlage er zu erfolgen hat. Und auch wenn das soziale Dumping leider eine traurige Realität im Seefahrtsektor ist, so ist es doch nicht unvermeidbar.
Natürlich gibt es diejenigen, die sich damit abfinden und Profit damit zu machen versuchen, doch man kann es auch ablehnen, indem man für eine generelle Anhebung der sozialen Standards weltweit eintritt, damit sich letztlich alle dem internationalen Wettbewerb unter gleichen Bedingungen stellen. Dies ist der Weg, wie Sie sicher verstanden haben werden, auf den sich – wie ich möchte – Europa begeben sollte.
Denn wie wir wissen, kann die Wettbewerbsfähigkeit in Europa nicht durch Kostenminimierung und Absenken der sozialen Standards erreicht werden. Sie kann nur mittels Qualität erreicht werden: der Qualität der Schiffe, der Qualität der Besatzungen, die durch angemessene Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen gesichert wird.
Das heute Abend zur Debatte stehende IAO-Übereinkommen gibt uns Gelegenheit, diese Wahl zu treffen. Es löst nicht alle Probleme, aber es ist ein Schritt nach vorn. Und es bietet den europäischen Reedern und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihr Engagement zur Wahrung bestimmter Werte, die von der Europäischen Union und ihrem sozialen Modell verkörpert werden, unter Beweis zu stellen. Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens im Februar 2006 haben sie eine Absichtserklärung in diesem Sinne abgegeben. Wir erwarten nun, dass sie diese in die Tat umsetzen.
Was die Reeder betrifft, so kann ich nur begrüßen, dass sie sich entschlossen und engagiert am europäischen sozialen Dialog mit ihren gewerkschaftlichen Partnern beteiligen, um bis Jahresende einen europäischen Tarifvertrag abzuschließen, in den die relevanten Bestimmungen dieses Übereinkommens übernommen werden. Eine erste Verhandlungsrunde ist heute zu Ende gegangen, und das Klima scheint sehr konstruktiv zu sein. Dies ist eine gute Sache, und ich denke, wir können auch die konstruktive Rolle begrüßen, die die Europäische Kommission beim Zustandekommen dieses Prozesses gespielt hat.
Die Mitgliedstaaten ihrerseits halten den Schlüssel für das Inkrafttreten dieses Übereinkommen in den Händen. Wie bereits gesagt, wenn die EU und die EFTA ratifizieren, dann tritt das Übereinkommen in Kraft und gilt überall. Wenn Europa rasch ratifiziert und die anderen Länder folgen, dann wird Europa sich als treibende Kraft erweisen und unter Beweis stellen, dass ein anderer Weg als der der Ausbeutung und des Dumpings möglich ist und dass Wettbewerb auch mit Verantwortungsbewusstsein vereinbar ist.
Es ist daher unabdingbar, wenn man an die Besonderheit des europäischen Modells glaubt, dafür zu sorgen, dass dieses Übereinkommen rasch ratifiziert wird. Und es ist ebenfalls unabdingbar, dass an dem von der IAO vorgeschlagenen Termin Ende 2008 festgehalten wird.
Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident! Zunächst möchte ich nochmals Frau McDonald danken. Des Weiteren möchte ich feststellen, dass das IAO-Übereinkommen eine erste Antwort darstellt. Durch die Anhebung der Arbeitsstandards wird es einen faireren Wettbewerb ermöglichen.
Zudem hat die Kommission eine sehr eingehende Studie zum Sektor Fährverkehr durchgeführt. Sie wird zu einem späteren Zeitpunkt prüfen, ob ein neuer Richtlinienvorschlag zu dieser Thematik angebracht und zweckdienlich ist.
Ich möchte ebenfalls feststellen, dass uns bewusst ist, dass der Endtermin Dezember 2008 ein hochgestecktes, aber realistisches Ziel ist. Die IAO hat einen Aktionsplan aufgestellt, der von einem Inkrafttreten des Seearbeitsübereinkommens 2010, spätestens 2011 ausgeht. Mit ihrem Vorschlag, die Ratifizierungsurkunden bis Ende 2008 zu hinterlegen, stellt die Kommission sicher, dass die Mitgliedstaaten den vorgesehenen Zeitplan einhalten. Nach den IAO-Regeln würde das Übereinkommen vor Anfang 2010 in Kraft treten, wenn die Mitgliedstaaten ihre Ratifizierungsurkunden spätestens bis Ende 2008 hinterlegen. Wie Sie sehen, ist es von größter Wichtigkeit, dass wir dieses Datum einhalten.
Weiterhin möchte ich Herrn Navarro und Frau Panayotopoulos antworten. Parallel zu den Beratungen des Europäischen Parlaments über den Standpunkt zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Ermächtigung der Ratifizierung des Übereinkommens sind die Sozialpartner zusammengekommen, um eine eventuelle Sozialvereinbarung auf der Grundlage dieses Übereinkommens auszuhandeln. Ich möchte daran erinnern, dass das Verfahren des sozialen Dialogs eine Chance für die Europäische Union ist, und ich hatte selbst Gelegenheit, den Sozialpartnern, d. h. den Reedern und den Gewerkschaften, meinen Wunsch mitzuteilen, dass sie eine Vereinbarung zu diesem Übereinkommen abschließen mögen.
Die Sozialpartner, denen der bestehende Text vorliegt, sollen ihn nicht neu verhandeln, sondern die geeigneten Bestimmungen auswählen, die dem Gemeinschaftsrecht hinzuzufügen sind. Die Perspektive einer Sozialvereinbarung bis Ende 2007 scheint jetzt wirklich Gestalt anzunehmen. Sobald der Kommission eine Vereinbarung der Sozialpartner vorliegt, wird sie eine Richtlinie vorschlagen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Vereinbarung in ganz Europa eingehalten werden.
Mithilfe des Parlaments beschleunigen wir die erforderliche Ratifizierung der Vereinbarung, und mithilfe der Sozialpartner verfügen wir über eine Vereinbarung, die es ermöglicht, die neuen Bestimmungen rasch in das europäische Recht einzubeziehen. Meiner Meinung nach haben wir damit gemeinsam eine gute Arbeit für die Beschäftigungsbedingungen der Seeleute geleistet, für einen äußerst bedeutenden Schritt nach vorn im sozialen Bereich, der – wie Sie vorhin übereinstimmend hervorgehoben haben – die Einstellung von jungen Matrosen begünstigen wird, die die Europäische Union braucht, um ihren Seeverkehr weiterzuentwickeln.
Ich danke dem Parlament ganz herzlich, Herr Präsident, für sein äußerst entschlossenes Eintreten zugunsten dieses bedeutsamen Übereinkommens. Ich bin froh darüber, dass Europa sich an die Spitze dieser Initiative gesetzt hat und gewissermaßen dazu beiträgt, die Globalisierung mit menschlichem Gesicht voranzubringen, die wir brauchen.
Der Präsident. Danke, Herr Kommissar. Ich möchte die Berichterstatterin, Frau McDonald, beglückwünschen.
Die Kommission kann die Änderungsanträge 1, 2 und 3 annehmen.
Schriftliche Erklärung (Artikel 142)
Marianne Mikko (PSE), schriftlich. – (ET) Die Seewirtschaft bietet 5 Millionen Menschen in der Europäischen Union Arbeit. Die Ostsee ist unser Binnengewässer, das Mittelmeer und das Schwarze Meer spielen in unserer Außenpolitik eine zentrale Rolle, und die Nördliche Dimension dehnt unsere Zuständigkeit bis in arktische Gewässer aus.
Es ist an der Zeit, dass wir in der Europäischen Union auch eine Union von maritimen Staaten sehen und in der Welt einen entsprechenden Standpunkt vertreten.
Mein Heimatland Estland ist seit Jahrhunderten ein maritimes Land. Ernest Hemingway sagte einmal, man könne in jedem Hafen der Welt einen Esten finden. Doch in den letzten zehn Jahren haben wir 57 % der Arbeitsplätze in der Schifffahrt verloren.
Viele Frachtschiffe fahren neuerdings unter Billigflagge, und ihre Arbeitskräfte kommen aus Drittländern, wo man bereitwillig schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptiert. In der europäischen Seeschifffahrt fehlen insgesamt 17 000 Arbeitskräfte. Das ist in erster Linie auf die schlechten Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zurückzuführen.
Wir können eine Vernichtung von Arbeitsplätzen im maritimen Bereich nicht zulassen, vor allem dann nicht, wenn dies eine Senkung der Seearbeitsnormen zur Folge hat.
Wir können uns nicht aus einem strategischen Sektor zurückziehen, der 90 % des weltweiten Warenverkehrs und 40 % des Warenverkehrs in der Europäischen Union gewährleistet. Die Ratifizierung der Seearbeitsnormen durch unsere Mitgliedstaaten würde wesentlich dazu beitragen, dass diese Normen weltweit eine größere Akzeptanz finden.
Indem wir einen Beitrag zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen im globalen Seefrachtverkehr leisten, tragen wir im Wesentlichen auch zur Erreichung der Ziele des Lissabonprozesses bei, da wir damit die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union auf den Meeren erhöhen.
Auf Kosten von Menschenleben und der menschlichen Gesundheit erzielte Wettbewerbsvorteile lassen sich durch wirtschaftliche Überlegungen nicht rechtfertigen. Bedingungen, die für Seeleute wie die Natur gefährlich sind, haben keinen Platz im 21. Jahrhundert.