Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission „In Zypern verschwundene Personen“.
Auf der Ehrentribüne begrüße ich zu der über dieses Thema geführten Aussprache die Mitglieder des Komitees der Vereinten Nationen für in Zypern verschwundene Personen und insbesondere Herrn Christophe Girod, Präsident des UN-Komitees, Herrn Elias Georgiadis, griechisch-zyprisches Mitglied des Komitees, sowie Frau Gülden Plümer Küçük, türkisch-zyprisches Mitglied desselben Komitees.
(Beifall)
Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission begrüßt und unterstützt den Entschließungsantrag zum Ausschuss für Vermisste. So wie die Abgeordneten dieses Hohen Hauses vertreten auch wir die Auffassung, dass die Angehörigen ein Grundrecht darauf haben zu erfahren, was aus den vermissten Personen wurde. Seit den Unruhen in den 1960-er und 1970-er Jahren werden etwa 1500 griechische Zyprioten und 500 türkische Zyprioten vermisst, wahrscheinlich sind sie nicht mehr am Leben.
Der Ausschuss für Vermisste hat den Auftrag, die Überreste der Vermissten zu finden und zu identifizieren, sie zu ihren Angehörigen zurückzubringen und die Hinterbliebenen zu beraten. Der Ausschuss wird von beiden Seiten der Insel sowie von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Er ist derzeit die wichtigste und erfolgreichste volksgruppenübergreifende vertrauensbildende und Versöhnungsmaßnahme in Zypern. Kürzliche Exhumierungen und die Gründung eines anthropologischen Labors in der neutralen Zone beweisen, dass viel erreicht werden kann, wenn beide Gemeinschaften den politischen Willen aufbringen.
Dieser Ausschuss kann nicht nur auf die politische Unterstützung von Seiten der Kommission zählen, sondern auch auf finanzielle Unterstützung durch die Europäische Union. Im Rahmen des Hilfsprogramms für die türkisch-zypriotische Gemeinschaft wurden 1,5 Millionen Euro dafür vorgesehen. Dies dürfte in etwa den Bedarf des Ausschusses abdecken, und ich hoffe, dass die Arbeit des Ausschusses dazu beitragen wird, die Grundlage für eine umfassende Lösung des langjährigen Konflikts in Zypern zu schaffen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um daran zu erinnern, dass die Überwachung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die Verantwortung des Ministerkomitees des Europarates fällt. Die Kommission verfolgt die Folgemaßnahmen im Anschluss an solche Urteile sehr genau.
Panagiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Fraktionsvorsitzenden danken, die die humanitäre Frage der vermissten Personen in Zypern als außerordentlichen Punkt auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt haben. Mein Dank gilt auch den Fraktionen, die den betreffenden Entschließungsantrag, der morgen verabschiedet werden soll, unterzeichnet haben. Besonderen Dank möchte ich zudem Frau Rothe, Herrn Guardans, Herrn Lagenkijk und Frau Kaufmann sagen, die meinen Vorschlag, diese Angelegenheit zu diskutieren und eine entsprechende Entschließung vorzulegen, von Beginn an unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, Herr Kommissar, wir diskutieren heute über eine rein humanitäre Angelegenheit: die Frage der vermissten Personen. Wir reden heute Abend nicht über die Zypernfrage. Wir reden nicht über das Problem der militärischen Besetzung Zyperns durch die Türkei. Wir politisieren die Angelegenheit nicht. Wir reden über eine menschliche Tragödie, die Tragödie unserer vermissten Mitmenschen. Mehr als 2 000 Personen, griechische Zyprer, türkische Zyprer und andere, sind im Verzeichnis der vermissten Personen eingetragen. Etwa die gleiche Zahl von Familien, von denen einige zwei oder drei Familienmitglieder vermissen, lebt seit Jahrzehnten mit der Angst und dem Schmerz des Verlustes ihrer Angehörigen. Die Zeit ist endlich gekommen, dass sie erfahren – und sie haben das unveräußerliche Recht dazu, wie der Kommissar gesagt hat –, ob ihre Angehörigen tot oder am Leben sind, und falls sie nicht mehr leben, wo sie begraben sind. Es ist an der Zeit, dass alle beteiligten Parteien politisches Zweckdenken, Ängste und Schuldzuweisungen beiseiteschieben und mit dem Ausschuss für die Vermissten zusammenarbeiten.
Insbesondere die Türkei ist aufgefordert, dem Ausschuss die ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Daten bereitzustellen und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Folge zu leisten. Für die Europäische Union wird es jedoch Zeit, ebenfalls eine aktive Rolle zu übernehmen. Die Entschließung, die morgen angenommen werden soll, bekräftigt erneut, dass die Kommission und das Europäische Parlament an dieser humanitären Angelegenheit Anteil nehmen.
Schließlich möchte ich gegenüber den Mitgliedern des Ausschusses für die Vermissten meine tief empfundene Wertschätzung für die von ihnen geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen. Ich begrüße ihre Anwesenheit im Europäischen Parlament am heutigen Abend, wobei ich wünsche und hoffe, dass die menschliche Tragödie der Angehörigen der vermissten Personen so schnell wie möglich ein Ende finden wird.
Panagiotis Beglitis, im Namen der PSE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Zunächst möchte ich sagen, dass ich die besondere Ehre habe, auch im Namen meiner Kollegin, Frau Rothe, zu sprechen, die heute Abend nicht anwesend ist. Ich möchte Kommissar Mandelson zu seiner Erklärung und Herrn Demetriou zu seiner Initiative beglückwünschen sowie all meinen Kollegen aller Fraktionen gratulieren, die entscheidenden Anteil daran gehabt haben, diese bedeutende humanitäre Frage, die die Tragödie der vermissten Personen in Zypern betrifft, auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich bin überzeugt, dass sich alle Abgeordneten ungeachtet ihrer Fraktionszugehörigkeit bereitwillig an der morgigen Abstimmung beteiligen und für den Entschließungsantrag, der die Verteidigung der Menschenrechte bekräftigt und das große humanitäre Problem der vermissten Personen in Zypern unterstreicht, stimmen werden.
Im Jahre 1981 wurde der Ausschuss für die Vermissten unter der Schirmherrschaft des UN-Generalsekretärs ins Leben gerufen. 1995 verabschiedeten wir hier im Parlament die erste Entschließung. Dies war ein wichtiger Schritt bei der Bewusstseinsbildung der öffentlichen Meinung auf europäischer und internationaler Ebene. Im Mai 2001 erließ der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf eine zwischenstaatliche Beschwerde der Republik Zypern hin ein Urteil gegen die türkische Republik. In seinem Urteil – und ich denke, es ist in unser aller Interesse, uns eingehend damit zu befassen – bestätigt er, dass die Türkei eindeutig gegen elementare Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat, insbesondere gegen Artikel 2 über das Recht auf Leben, Artikel 3 über das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie gegen Artikel 4 über das Recht auf faire Behandlung. Jetzt schreiben wir aber trotz alledem das Jahr 2007, und leider hat die Untersuchung des Problems bislang außerordentlich wenige Ergebnisse hervorgebracht.
Meines Erachtens haben wir als Europäische Union und insbesondere als Europäisches Parlament zumindest die humanitäre Verantwortung, das, wie es Herr Mandelson ausdrückte, Grundrecht der Angehörigen der vermissten Personen zu verteidigen, nämlich zu erfahren, was aus den von ihnen vermissten Angehörigen wurde. Und wir müssen morgen unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass wir zu dieser Verantwortung stehen.
Dem Europäischen Parlament kommt dabei die besonders wichtige Aufgabe zu, jeden an seine Verpflichtungen zu erinnern, denn die vermissten Personen sind ein humanitäres Problem, das griechische Zyprer und türkische Zyprer, Griechen und Türken gleichermaßen betrifft. Es ist die Folge der tragischen Ereignisse, die sich in Zypern in den 1960er-Jahren ab 1964 nach den Konflikten zwischen den beiden Gemeinschaften ereignet haben, und natürlich ist es auch das Ergebnis der türkischen Invasion im Jahre 1974.
Ich glaube, wie auch Herr Mandelson ganz richtig gesagt hat, dass die Wiederbelebung des Ausschusses für die Vermissten ein außerordentlich wichtiger Schritt ist. Das gilt auch für seine Finanzierung durch die Europäische Kommission. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Mitgliedstaaten ebenfalls die Verpflichtung haben, Mittel für die Arbeit dieses Ausschusses bereitzustellen. Ich begrüße es, dass Herr Mandelson der Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung beipflichtet und erneut die Bereitschaft der Europäischen Kommission bekräftigt hat, den Ausschuss zu finanzieren.
Mit dieser heutigen Aussprache beleben wir meiner Ansicht nach nicht nur die historische Erinnerung wieder. Vielmehr tragen wir auch, was noch wesentlich wichtiger ist, zur Annäherung der beiden Gemeinschaften in Zypern, den griechischen und den türkischen Zyprern, bei. Deshalb glaube ich, dass unsere Aussprache eine Brücke für die Schaffung vertrauensbildender Maßnahmen bauen kann, die zur Versöhnung und Wiedervereinigung beider Gemeinschaften im Rahmen einer vereinigten Republik Zypern innerhalb der Europäischen Union führen wird. Ich bin ebenfalls überzeugt, dass wir alle hier mit der Sensibilität für humanitäre Angelegenheiten, für die wir bekannt sind, auch in Zukunft demonstrieren werden, dass uns diese Angelegenheit am Herzen liegt. Dabei ist es, wie im Entschließungsantrag festgestellt wird, von außerordentlich großer Bedeutung, dass das Europäische Parlament dazu beiträgt, dass in dieser Angelegenheit weitere Fortschritte erreicht werden, bzw. dass es diese Fortschritte mithilfe der regelmäßigen Berichte, die der Ausschuss vorlegen muss, verfolgt.
Ignasi Guardans Cambó, im Namen der ALDE-Fraktion. – (ES) Herr Präsident! Das Problem der vermissten Personen ist ein Drama, wie es zur Geschichte vieler Länder der Welt gehört. Zypern ist nicht das einzige Land, aber sicherlich dasjenige, das in größter Nähe zu uns liegt und in dem dieses Drama durchaus noch immer Bestandteil der Gegenwart bildet und nicht der Vergangenheit angehört.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir die Arbeit des Ausschusses für vermisste Personen würdigen, der im Rahmen der Vereinten Nationen eingesetzt wurde und von ihnen unlängst einen neuen Impuls erhielt. Er erfüllt eine sehr bewundernswerte Aufgabe, die Anerkennung und Unterstützung verdient. Das ist das wirkliche Ziel der Entschließung, über die wir morgen abstimmen werden. Diese Arbeit dient den Familien der Vermissten und reicht weit über den Konflikt, die politischen Spannungen und das historische Drama hinaus, das die Insel geteilt hat und auch heute noch trennt.
Die vorliegende Entschließung beabsichtigt deshalb, dieses Thema streng aus diesem Blickwinkel zu sehen. Aus humanitärer Sicht orientiert sie auf die Familien und das Leid der Menschen, die das Recht haben, die sterblichen Überreste ihrer Lieben zurückzuführen und die aufgrund des Konflikts nicht in der Lage sind, ohne die Experten und Gerichtsmediziner des Ausschusses für vermisste Personen zu erfahren, wo sie sind oder wer sie sind und ohne die sie nicht identifiziert werden können. Das ist die Absicht dieser Entschließung, ein Aufruf zur Unterstützung für die Institutionen, auch zur finanziellen Unterstützung, die, wie wir wissen, vom Ausschuss für vermisste Personen benötigt wird. Das ist die Botschaft, die von uns ausgehen soll.
Dadurch schließt sich die Wunde nicht, unter der Zypern derzeit leidet. Dafür ist noch zu viel Arbeit erforderlich. Wir wissen, dass es noch lange bis zur Heilung dauern wird, trotz der jüngsten Maßnahmen, von denen wir erfahren haben. Doch es ist wichtig, dass wir diese Debatte über die gemeinsame Unterstützung seitens der beiden Gemeinschaften für diese Institution nicht mit der politischen Spannung belasten, die auch weiterhin existiert, die aber nicht mit unser aller Unterstützung für die Arbeit dieses Ausschusses vermischt werden sollte.
Cem Özdemir, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Seit über dreißig Jahren ist das Thema der verschwundenen Personen auf Zypern eine offene Wunde. Offiziell gelten noch immer 2000 Menschen auf beiden Seiten als vermisst. Jede Seite beschuldigt die andere, sich einer effektiven Kooperation für die Aufklärung der Fälle zu verweigern. Meine Bitte wäre, dass wir diese Vorwürfe wenigstens hier im Hause nicht fortsetzen. Währenddessen leben die Familien der Vermissten immer noch im Zweifel über das Schicksal ihrer Angehörigen. Aber die Tränen der Mütter, das sind dieselben Tränen, egal ob ihre Söhne griechischer oder türkischer Herkunft waren — sie waren alle Zyprioten, sie sind gestorben wegen Enossis und wegen Taksim. Das gehört zur Wahrheit dazu, wenn man sich über diesen Konflikt äußert.
Vor diesem Hintergrund spielt die Arbeit des Komitees für verschwundene Personen eine wichtige Rolle, und der Dank, den wir diesem Komitee aussprechen können, kann gar nicht groß genug sein. Es handelt sich primär um eine humanitäre Angelegenheit, und wir sollten ihm die Arbeit nicht erschweren, indem wir diese Arbeit politisieren. Die Arbeit, die vom Komitee geleistet wird, ist nicht nur wichtig für die Angehörigen der Verschwundenen, sondern sie dient auch beiden Bevölkerungsgruppen, sich anzunähern. Durch diese bikommunale Arbeit an den Massengräbern entstehen eine gemeinsame Erinnerungskultur und das Verständnis für die geschichtlichen Traumata der jeweils anderen Seite. Deshalb ist die finanzielle Unterstützung — da stimme ich meinen Kollegen zu — sehr wichtig.
Wünschenswert ist aber auch, dass wir weitere bikommunale Projekte auf der Insel unterstützen. Ich denke dabei an Projekte von Filmemachern, von Intellektuellen wie Panikos Chrysanthou und Niyazi Kizilyürek, aber auch an das bikommunale Kunstprojekt Manifesta 6 und viele andere Projekte, die wir unterstützen müssen, damit alles das, was wir in der Vergangenheit an schrecklichen Bildern auf Zypern gesehen haben, in der Vergangenheit bleibt und uns in der Zukunft nicht mehr treffen wird.
Der Abriss der Brücke an der Ledra-Straße ist ein Zeichen der Hoffnung. Die Antwort darauf, dass die Mauer, die durch Nikosia geht, ebenfalls abgerissen wurde, ist ein weiteres Zeichen der Hoffnung. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass diesen Zeichen der Hoffnung weitere Zeichen der Hoffnung folgen! Beide Seiten sind aufgefordert, sich konstruktiv und europäisch zu verhalten, damit dieser Konflikt in Europa der Vergangenheit angehört.
Wir können die Toten aus dem Reich der Toten nicht zurückholen, aber wir können dafür sorgen, dass der Nationalismus auf Zypern nie wieder eine Chance erhält.
Kyriacos Triantaphyllides, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Seit Jahren erleben wir nun die Tragödie, dass das Schicksal von nahezu 2 000 unserer türkisch-zypriotischen und griechisch-zypriotischen Mitbürger in Zypern ignoriert wird.
Der zuständige Ausschuss für die Vermissten, dem Vertreter der türkischen Zyprer, der griechischen Zyprer und der UNO angehören, hat bei der Exhumierung und Identifizierung der menschlichen Überreste bereits Fortschritte erzielt. Seine Arbeit muss jedoch beschleunigt werden, und das Leid unserer Mitmenschen sollte so schnell wie möglich ein Ende finden.
Dies ist eine rein humanitäre Angelegenheit, die unsere gesamte Bevölkerung, sowohl die türkischen Zyprer als auch die griechischen Zyprer, betrifft und die niemand für seine politischen oder anderweitigen Zielsetzungen ausnutzen sollte. Wir sind der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten die Arbeit des Ausschusses durch die Aufstockung ihrer finanziellen Hilfe unterstützen sollten, und wir fordern alle Seiten zur Zusammenarbeit auf, um das Schicksal aller vermissten Personen aufzuklären.
Der Fall des jungen griechischen Zyprers, der Zeugenaussagen zufolge 1974 in die Türkei verbracht wurde, bietet eine Gelegenheit, die Zusammenarbeit auszubauen. Wir sind überzeugt, dass die Lösung dieser humanitären Frage ein weiterer Schritt im Hinblick auf unsere Bemühungen sein wird, eine Lösung für das Zypern-Problem zu finden.
Françoise Grossetête (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Die Frage der vermissten Personen in Zypern zeigt besonders anschaulich, welches menschliche Drama sich vor über dreißig Jahren auf der Insel abgespielt hat. Sie betrifft sowohl die griechischen als auch die türkischen Zyprer und nicht nur die Verschwundenen, sondern auch die heute dort noch lebenden Familien der Opfer.
Als Koordinatorin der Hochrangigen Kontaktgruppe für die Beziehungen zur türkisch-zyprischen Gemeinschaft im Nordteil der Insel kann ich dem Haus bestätigen, dass diese Frage die Menschen noch immer beschäftigt und ihre Folgen vor Ort noch immer spürbar sind. Ich habe zudem die Absicht, dieses Thema neben anderen morgen Vormittag auf der Konferenz der Präsidenten anzusprechen, wenn wir unseren schriftlichen Bericht vorlegen.
Die Frage der vermissten Personen in Zypern ist Teil der gemeinsamen Vergangenheit, die die beiden Gemeinschaften heute verstehen und hinter sich lassen wollen. Obwohl es sich hier um einen schwierigen und heiklen Sachverhalt handelt, wurde ein gemeinsames Projekt in die Wege geleitet, das für den Wunsch der beiden Gemeinschaften nach einer gemeinsamen Zukunft steht.
Mit diesem Projekt meine ich den Ausschuss für die Vermissten unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, der wichtige humanitäre Arbeit leistet, indem er die beiden Gemeinschaften dabei unterstützt, nach etwa 2 000 Menschen zu suchen, die nach wie vor als vermisst gelten.
Ich kann mich nur darüber freuen, dass meine Kollegen hier im Parlament Interesse an der Frage der vermissten Personen in Zypern zeigen. Auch ich bin der Auffassung, dass dieses Projekt Unterstützung auf höchster politischer Ebene verdient. Wie dieses Haus immer betont hat, müssen die Bemühungen in der Frage der vermissten Personen im Wesentlichen als humanitär eingestuft werden. Das Vorhaben muss sich auf das Wohlwollen der beiden Gemeinschaften stützen, gemeinsam angegangen und natürlich mit den erforderlichen materiellen, finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet werden.
Seit seiner Gründung ist der Ausschuss auf zahlreiche Hindernisse gestoßen, doch nun ist er in eine neue Phase eingetreten und konnte konkrete und sinnvolle Schritte einleiten. Deswegen möchte ich die Bemühungen zu beiden Seiten der Grünen Linie begrüßen und unterstützen, neue Grenzübergänge an zahlreichen Punkten, darunter auch an der Ledra Street im historischen Stadtzentrum von Nikosia, zu eröffnen.
Der Ausschuss für die Vermissten ist demnach nicht nur ein Symbol, sondern auch ein Instrument des Dialogs zwischen den beiden Gemeinschaften und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer umfassenden Klärung der Zypernfrage.
Marios Matsakis (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich lediglich kurz zu den vermissten Kindern der Tragödie von 1974 auf Zypern äußern.
Christakis Georgiou, ein fünfjähriger Junge, wurde zuhause durch einen Schuss eines türkischen Soldaten während der Invasion im Jahre 1974 leicht verletzt. Er wurde in ein türkisches Feldlazarett gebracht, und das war das letzte Mal, dass er von seiner Mutter gesehen wurde. 33 Jahre danach gibt es stichhaltige Hinweise darauf – unter anderem durch Augenzeugenberichte von türkischen Soldaten –, dass er in die Türkei gebracht wurde, wo er von einem türkischen Armeeoffizier adoptiert wurde, der keine eigenen Kinder hatte. Die Mutter, inzwischen im Rentenalter, möchte ihn vor ihrem Tod unbedingt wiedersehen.
Andreas Kyriakou, ein fünfjähriger Junge, und seine dreijährigen Zwillingsschwestern, Maria und Kika, wurden durch türkische Soldaten, die ihr Dorf angriffen, gewaltsam ihrer Mutter weggenommen. Sie wurden zusammen mit weiteren Zivilisten zu einem nahe gelegenen Feld in der jetzt besetzten Zone von Zypern geführt, von wo wenig später Schüsse zu vernehmen waren. Es wird befürchtet, dass sie in einer blindwütigen Vergeltungsmaßnahme umgebracht worden sein könnten.
Die türkische Armee hat niemals irgendwelche Informationen herausgegeben, was mit ihnen passiert ist. Ihre Mutter hofft und betet, dass sie noch am Leben sind. Wenn nicht, dann bittet sie darum, dass sie die sterblichen Überreste erhält, um sie ordentlich beerdigen zu können.
Das sind 4 von 30 Kindern und von mehr als 1500 Personen, die unter ähnlichen Umständen vermisst wurden, nachdem sie von der türkischen Armee 1974 mitgenommen wurden. Trotz des Urteils durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 10. Mai 2001, in dem die Türkei für ihr Verhalten auf das Schärfste verurteilt wird, schweigt die türkische Regierung zum Aufenthaltsort der Vermissten oder zu den Umständen ihres Verschwindens, dem laut Gerichtsurteil „eine Schwere zukommt, die man nur als unmenschliche Behandlung bezeichnen kann“.
Herr Kommissar, bei den Vermissten geht es nicht um Totenverzeichnisse. Die Angehörigen haben noch die Hoffnung, dass ihre Lieben noch am Leben sein könnten.
Karin Resetarits (ALDE). – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar! Es gibt nicht nur griechisch-zypriotische Vermisste. Es gibt auch türkisch-zypriotische Vermisste. Die parlamentarische High Level Contact Group für Beziehungen zur türkisch-zypriotischen Bevölkerung hat sich nämlich mit eigenen Augen überzeugen können, wie vorbildlich das Komitee für vermiste Personen zusammenarbeitet. Es ist die einzige bikommunale Initiative auf Zypern, die reibungslos funktioniert. Die zypriotische Bevölkerung auf beiden Seiten hat großes Interesse, dieses wirklich dunkle Kapitel der gemeinsamen Geschichte aufzuarbeiten. Zeitzeugen geben den Wissenschaftlern Hinweise über mögliche Fundstellen. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie professionell das internationale Team unter Leitung eines Argentiniers an der Identifizierung der menschlichen Überreste arbeitet.
Es ist gut, dass wir diesem Komitee nun Beachtung schenken und hoffentlich auch noch mehr finanzielle Mittel geben. Aber Vorsicht, ich warne vor einem politischen Missbrauch dieses Themas. Allzu leicht kann dadurch die mühevolle, behutsame Annäherung der beiden Bevölkerungsgruppen gestört und vieles mehr wieder zunichte gemacht werden. Es wäre nicht das erste Mal, denn die dringend notwendigen technischen Komitees, die für eine reibungslose Zusammenarbeit der beiden Bevölkerungsgruppen für alltägliche Notwendigkeiten wie Gesundheit, Verbrechensbekämpfung, Handelserleichterungen schon längst hätten eingerichtet werden sollen, scheitern schon seit drei Jahren. Warum wohl? Die Bürger Zyperns verweigern sich sicher nicht. Es ist der Geist der negativen Machtpolitik, der Verhinderungspolitik, der seit Jahrzehnten auf beiden Seiten ein Miteinander verhindert.
Der Präsident. Zum Abschluss der Aussprache wurde ein Entschließungsantrag zu in Zypern verschwundenen Personen eingereicht.(1)
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt.