Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 28. März 2007 - Brüssel Ausgabe im ABl.

12. Follow-up der Berliner Erklärung (Aussprache)
Protokoll
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt das Follow-up der Berliner Erklärung.

Gestatten Sie mir ein sehr kurzes Wort dazu. Am 17. Januar war die Präsidentin des Europäischen Rates — die ich in unserer Mitte sehr herzlich begrüße — hier im Europäischen Parlament und hat ihr Programm vorgestellt.

Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel! Am 13. Februar waren Sie dann bei meiner Programmrede anwesend. Heute berichten Sie über die Berliner Erklärung vom 25. März, und ich kann somit feststellen, dass Sie — nachdem noch nicht einmal die Hälfte Ihrer Präsidentschaft vorbeigegangen ist — bereits zum dritten Mal das Europäische Parlament aufsuchen, was wir mir Freude sehen. Dafür möchte ich Ihnen im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich und aufrichtig danken.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bewertung der Berliner Erklärung wird jetzt durch die Fraktionsvorsitzenden erfolgen, und dem möchte ich natürlich in keiner Weise vorgreifen. Dennoch möchte ich eines sagen: Bei der Vorbereitung der Berliner Erklärung waren Sie, Frau Bundeskanzlerin, und Ihre Mitarbeiter immer für das Europäische Parlament und den Präsidenten des Europäischen Parlaments und seine beauftragten Mitarbeiter verfügbar, um unsere Überlegungen, so gut Sie es bei 27 Regierungen konnten, zu berücksichtigen.

Ich selbst habe den Beschluss der Konferenz der Präsidenten strikt eingehalten — und eher noch intensiver ausgelegt — und ständig die Verantwortlichen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen informiert und auch konsultiert, ebenso wie das Präsidium und die Konferenz der Präsidenten.

Nun beginnen wir die Debatte. Ich darf neben der Präsidentin des Europäischen Rates, liebe Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch den Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, sehr herzlich begrüßen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Angela Merkel, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin heute wieder gerne ins Europäische Parlament gekommen, dieses Mal nach Brüssel. Wir haben jetzt so etwas wie Halbzeit in der deutschen Präsidentschaft, und ich glaube, dass wir nach dem vergangenen Wochenende sagen können, dass wir zwei wichtige Aufgaben, die in diesem Halbjahr vor uns allen liegen, doch ein Stück weit bewältigt haben.

Das ist zum Ersten das Thema Energie- und Klimapolitik. Darüber hat der deutsche Außenminister, Herr Steinmeier, Ihnen im Europäischen Parlament bereits berichtet. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal hervorheben, dass es dem Rat in diesem wichtigen Bereich der Energie- und Klimapolitik auf der Basis der Vorschläge der Kommission gelungen ist, wesentliche Schlussfolgerungen zu ziehen und damit in diesem Bereich die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union darzustellen. Das ist deshalb so wichtig, weil wir natürlich wissen, dass Europa in diesem Feld nur eine Vorreiterrolle einnehmen kann, wenn es in der Lage ist, sich auch selbst ehrgeizige Ziele zu setzen. Wir wissen, dass das, was die ehrgeizigen Ziele ausmacht, natürlich weiterer Arbeit bedarf. Aber das ist ja normal in der politischen Realität: Man nimmt einen Schritt in Angriff und wenn er erfolgreich ist, tut sich eine Tür zu weiteren Schritten auf. Aber der Geist, in dem wir es geschafft haben, eine Verbesserung von 20 % Energieeffizienz bis zum Jahre 2020 und bindende Ziele über erneuerbare Energien mit 20 % Anteil zu vereinbaren, sollte uns auch in die Lage versetzen, sowohl in den internationalen Verhandlungen, die anstehen, gemeinsam aufzutreten als auch die nun notwendige Aufgabe zu bewältigen, das Herunterbrechen auf die einzelnen Anteile der Nationalstaaten hinzubekommen. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Unterstützung des Parlaments. Wir haben in diesem Bereich schon viel Unterstützung erfahren und, wenn wir angefeuert werden, werden wir dann als Rat sicherlich auch die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen können.

(Beifall und Zwischenrufe)

Wir wollen als einen zweiten wichtigen Schritt das vergangene Wochenende betrachten. Die Berliner Erklärung hat einerseits zum Ausdruck gebracht, welche Erfolgsgeschichte die Europäische Union ist, und auf der anderen Seite, vor welchen großen Aufgaben wir noch gemeinsam stehen.

Ich möchte zuerst dem Präsidenten des Parlaments, Hans-Gert Pöttering, aber auch allen Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament ein ganz herzliches Dankeschön sagen, denn es ist gelungen, eine Berliner Erklärung von Parlament, Kommission und den Ratsmitgliedern unterzeichnen zu lassen. Ich glaube, dieses Gesamtgefühl, dass auf der Basis unserer Kooperation eine solche Berliner Erklärung möglich war, ist schon ein Wert an sich, weil dahinter das Versprechen aller Beteiligten steht, sich gemeinsam für die Zukunft Europas einzusetzen. Wenn wir uns die Berliner Erklärung anschauen, dann ist die Definition unserer gemeinsamen Werte ein ganz wichtiger Teil. Es wird auch sehr ambitioniert gesagt, dass wir ein gemeinsames europäisches Gesellschaftsideal haben, und dass wir uns für dieses Gesellschaftsideal gemeinsam einsetzen wollen. Dieses Gesellschaftsideal besteht auf der Basis von Werten, die uns wichtig sind, nämlich Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Wir werden jeden Tag erneut gefragt, wie wir das konkret umsetzen. Deswegen hat es mich eben sehr berührt, dass die heutige Sitzung des Europäischen Parlaments mit einer klaren Aussage der Parlamentarier und des Parlaments zu dem, was in Simbabwe vorgeht, begonnen hat. Ich habe in meiner Rede am Sonntag in Berlin deutlich gemacht, dass uns das Schicksal der Menschen in Darfur nicht kalt lassen darf.

(Beifall)

Das dürfen wir nicht einfach abtun, sondern hier müssen wir agieren. Wir werden seitens der Ratspräsidentschaft zwar alles daransetzen, härtere Resolutionen im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen, um hier endlich einen Fortschritt zu erreichen, aber wir müssen, wenn das im UN-Sicherheitsrat nicht möglich ist, auch über Sanktionsmaßnahmen seitens der Europäischen Union nachdenken, denn wir müssen handeln und in dieser Frage aktiv sein.

(Beifall)

Ich habe am Sonntag auch deutlich gemacht – und ich denke, das ist auch unser gemeinsames Anliegen –, dass der 25. März der Tag der Unabhängigkeit von Weißrussland ist. Wir rufen unseren Freunden in Weißrussland zu, dass auch sie ein Recht auf die Verwirklichung der europäischen Ideale haben, und dass wir sie auf diesem Weg auch ganz bewusst unterstützen werden.

(Beifall)

Ich möchte diesen Nachmittag im Europäischen Parlament auch nutzen, um zu sagen: Wir werden als Europäische Union sehr deutlich machen, dass es völlig inakzeptabel ist, wenn 15 britische Soldaten gefangen genommen und vom Iran festgehalten werden. Auch hier haben die Briten unsere absolute Solidarität.

(Beifall)

Dies macht auch deutlich: Unsere Stärke liegt im gemeinsamen Auftreten. Es gibt viele Dinge, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn wir uns in schwierigen Phasen als Mitgliedstaaten der Europäischen Union verantwortlich fühlen sollen, dann müssen wir uns auch in möglichst vielen Fragen gemeinsam abstimmen. Integration, Gemeinsamkeit und Solidarität in schwierigen Situationen kann man nur einfordern, wenn sich jeder auch ein Stück weit um die Anliegen des anderen kümmert. Dies sollte unser Leitmotiv bei allen anstehenden schwierigen politischen Entscheidungen sein.

Wir haben uns in der Berliner Erklärung der Zukunft zugewandt und gesagt: Wir wollen zwei Dinge schaffen. Das eine ist, uns bis 2009 – wie wir es in der Berliner Erklärung ausgedrückt haben – eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu geben. Ich möchte an dieser Stelle, obwohl ich weiß, dass die große Mehrheit des Europäischen Parlaments dies massiv unterstützt – und für diese Untererstützung möchte ich Ihnen danken –, noch einmal deutlich machen: Ein Wahlkampf für das Europäische Parlament im Jahre 2009, bei dem wir den Menschen nicht sagen können, dass wir die Europäische Union erweitern können, wie viele Mitglieder denn nun die zukünftige Kommission hat, dass die Energiepolitik europäische Zuständigkeit ist, dass wir in Fragen der inneren Sicherheit und der Rechtspolitik auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen so zusammen arbeiten, wie es die Erfordernisse gebieten,

(Beifall)

ein solcher Wahlkampf wäre ein Wahlkampf, der die Distanz zwischen den Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern Europas nur vergrößern würde. Deshalb kommt es auf die Fähigkeit von uns allen an, gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Deutschen haben den Auftrag bekommen, hierfür einen Fahrplan vorzulegen. Wir werden nicht die Lösung des Problems schaffen – das will ich hier deutlich sagen –, aber dieser Fahrplan muss auch die Richtung deutlich machen. Wir werden mit allem Elan daran arbeiten. Aber ich bitte Sie, das Parlament, uns weiter auf diesem Weg zu unterstützen. Wir können jede Unterstützung dringend brauchen.

(Beifall)

In der Berliner Erklärung haben wir über die zukünftigen Aufgaben der Europäischen Union gemeinsam Auskunft gegeben, und auf dem Weg zwischen heute und dem Juni-Rat liegen noch einige Aufgaben vor uns, auf die ich kurz eingehen möchte. Vorher möchte ich allerdings würdigen, dass es in einigen Fragen bereits auf der Grundlage einer großen Kompromissbereitschaft aller Mitgliedstaaten einige Erfolge gab. Es ist – gerade mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger – gut, dass wir in ganz praktischen Fragen des Alltags Fortschritte erzielen konnten, dass Sie hier im Parlament über Roaming-Gebühren beraten können, dass der Zahlungsverkehr zwischen den europäischen Ländern einfacher wird, dass es gelungen ist, unter den Maßgaben des Europäischen Parlaments die Mittel für die Landwirtschaft freizubekommen, dass wir einen Fortschritt bei dem Open-Sky-Abkommen, d. h bei dem verbesserten Flugverkehr zwischen Europa und Amerika, erreicht haben. Das sind ganz praktische Punkte, an denen die Menschen uns messen. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir in diesen Fragen Fortschritte erzielen konnten, und ich hoffe, dass bis zum Ende unserer Präsidentschaft noch einige, auch ganz praktische, dazukommen.

Vor uns liegen jetzt drei wichtige Gipfel. Der eine ist der EU-USA-Gipfel am 30. April, auf dem wir das Thema transatlantische Wirtschaftspartnerschaft vertiefen wollen. Die Fortschritte im Bereich des Luftverkehrs sind ein gutes Zeichen. Aber wir wissen, dass wir noch viele Synergien zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika freilegen könnten. Ich möchte mich bei der Kommission und auch bei den Parlamentariern, die dies unterstützen, ganz herzlich bedanken. Das Thema transatlantische Wirtschaftspartnerschaft hat an Dynamik gewonnen, und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir auf diesem Gipfel Ende April auch wirklich spürbare Erfolge verzeichnen können.

Zweiter Punkt: Es wird natürlich das Thema Energie und Klimaschutz auf der Tagesordnung dieses Gipfels stehen. Wir wissen, dass die Vorstellungen der Europäischen Union hier sehr weit reichen, und wir werden versuchen, dafür zu werben, damit aus diesen Vorstellungen auch globale Vorstellungen werden. Für mich ist ganz klar, dass Schwellen- und Entwicklungsländer sich uns nur anschließen werden, wenn die Industrieländer sich gemeinsam ambitionierte Ziele setzen. Deshalb werden wir dafür werben. Ich sage bewusst werben, denn Sie alle wissen, dass dies ein dickes Brett ist, das wir zu bohren haben. Man darf an dieser Stelle auch nicht zu viel versprechen.

Wir werden diesen EU-USA-Gipfel auch dazu nutzen, um ein Stück weit – obwohl dies in der Sache nicht zusammenhängt – den G8-Gipfel im Juni in Heiligendamm, Deutschland, vorzubereiten, und wir haben seitens der deutschen G8-Präsidentschaft arrangiert, dass es Anfang Mai ein Treffen der Sherpas geben wird, nicht nur von den Mitgliedstaaten der G8-Länder, sondern auch von den fünf so genannten Outreach-Staaten, d. h. China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Hier wollen wir gemeinsam technische Details des Klimawandels diskutieren, insbesondere auch mit Blick auf den Austausch von neuen Technologien und Innovationen. und damit den G8-Gipfel noch einmal ganz speziell auf das Thema Klimaschutz und Energie vorbereiten.

Im Mai wird dann der Gipfel zwischen der Europäischen Union und Russland stattfinden. Neben der transatlantischen Partnerschaft ist die strategische Partnerschaft mit Russland für uns von allergrößter Bedeutung. Ich hoffe, dass wir die Hemmnisse, die die Kommission von dem Verhandeln mit Russland noch abhalten, überwinden können – ich danke der Kommission, dass sie mit unglaublichem Elan und Einsatz daran arbeitet –, denn die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen sind natürlich essenziell, insbesondere auch im Hinblick auf die Fragen der Energiesicherheit und der Energiepartnerschaft. Deshalb ist der EU-Russland-Gipfel in Samara in Russland von allergrößter Bedeutung.

Wir werden dann auch noch einen Gipfel zwischen der Europäischen Union und Japan haben. Dieser EU-Japan-Gipfel soll sich ganz wesentlich mit der Verbesserung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit befassen, denn die Menschen in Europa werden uns alle, die wir Europa vertreten, daran messen, ob wir das, was Europa stark gemacht hat, also eine Wertegemeinschaft, eine Gemeinschaft der Menschen, die in ihrer individuellen Würde leben können und die den Menschen Wohlstand und sozialen Zusammenhalt gebracht hat, auch für die nächsten Jahrzehnte weiter sichern können.

Ich habe in meiner Rede in Berlin gesagt, die Welt wartet nicht auf Europa. Wir haben die Verantwortung dafür, dass wir Europa mit unseren Vorstellungen in diese Welt einbringen und für unsere Vorstellungen werben. Das heißt nicht, dass man das mit Abwarten, mit Abschotten, mit Mit-sich-selbst Befassen schaffen kann, sondern das kann man nur schaffen, wenn man offensiv für die eigenen Werte und Vorstellungen wirbt. Dies kann Europa nur leisten, wenn es in sich selbst handlungsfähig ist, wenn es nicht den ganzen Tag mit sich selbst beschäftigt ist, und sich nicht selbst im Wege steht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Handlungsfähigkeit möglichst schnell wiederherstellen, damit Europa für die Menschen dieser Europäischen Union das beitragen kann, was die Menschen mit Recht erwarten, dass sie auf eine sichere und auf eine freiheitliche Zukunft blicken können. In diesem Sinne sind wir vereint. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin des Europäischen Rates, liebe Frau Bundeskanzlerin, für diesen Bericht. Der Beifall hat gezeigt, dass das Europäische Parlament Ihr großes europapolitisches Engagement sehr würdigt.

 
  
MPphoto
 
 

  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich die Erklärungen, die der Präsident des Europäischen Parlaments zu Beginn der Sitzung zu Simbabwe und Darfur abgegeben hat, begrüße und ausdrücklich unterstütze. Die dort verübten Menschenrechtsverletzungen sind inakzeptabel. Im Namen der Kommission verurteile ich diese Menschenrechtsverletzungen mit aller Entschiedenheit und fordere die Behörden der daran beteiligten Länder auf, die Menschenrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu achten.

(Beifall)

Am vergangenen Wochenende kamen das Europa der Vergangenheit und das Europa der Zukunft in Berlin zusammen. Wie es in der Erklärung steht, feierten wir fünfzig Jahre europäische Erfolgsgeschichte – Frieden, Freiheit und Solidarität, und einen Wohlstand, von dem nicht einmal die optimistischsten der Gründungsväter zu träumen gewagt hätten. Wie es der historisch glückliche Zufall so wollte, feierten wir unsere Einheit in Berlin – der Stadt, die einst ein Symbol des geteilten Europas war und die jetzt ein Symbol dieses neuen, erweiterten, vereinten Europas mit 27 Mitgliedstaaten und fast 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist. Die Feierlichkeiten in Berlin waren ein sehr denkwürdiger Augenblick für Europa. Ich spreche für viele der Anwesenden, wenn ich sage, dass diese Feierlichkeiten vom europäischen Geist erfüllt waren.

Die Berliner Erklärung erwies sich dieses Anlasses würdig, da sie die europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten erneut den europäischen Werten und europäischen Zielen für das 21. Jahrhundert verpflichtete. Es hat mich sehr gefreut, dass die Erklärung, die auf einen Vorschlag der Kommission vom Mai 2006 zurückgeht, zu einem so passenden Herzstück der Feierlichkeiten wurde.

Ich möchte der Frau Bundeskanzlerin und dem deutschen Ratsvorsitz zu der herausragenden Rolle gratulieren, die sie in dieser großartigen europäischen Erfolgsgeschichte gespielt haben. Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich glaube, dass Ihr persönliches Engagement, Ihre Biographie und die Tatsache, dass Sie um die Bedeutung der Freiheit für Ihr Land und für Europa wissen, ausschlaggebend für den Geist war, der die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs in Berlin erfüllte.

(Beifall)

Außerdem hat es mich mit großem Stolz erfüllt, dass alle drei europäischen Institutionen die Erklärung unterzeichnet haben. Dass das europäische Parlament zu ihnen gehört, ist ein Zeichen der demokratischen Reife unserer Union und verdient besondere Beachtung. Ich möchte zudem die sehr nützliche Rolle würdigen, die Präsident Pöttering im Vorfeld der Berliner Erklärung im Namen des Parlaments gespielt hat.

Ich möchte heute vor diesem Hohen Haus zwei Dinge anmerken. Da wäre zunächst der Erfolg der zweigleisigen Strategie. Die beiden Tagungen des Europäischen Rates im März bildeten zusammen die zweigleisige Strategie in Aktion. Die Frühjahrstagung des Europäischen Rates zeigte, dass sich der Rat der Erzielung von Fortschritten im Energiebereich und der Bekämpfung des Klimawandels verschrieben hat. Aus der Berliner Erklärung ging das Engagement für eine institutionelle Einigung vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2009 hervor. Das zeigt, dass es falsch ist, zwischen einem pragmatischen Ansatz und einer politischen Vision einen Konflikt zu sehen. Im Gegenteil – dieses Engagement für eine zweigleisige Strategie ist der richtige Weg. Auf der einen Seite wird sie zu Ergebnissen führen und die entsprechenden politischen Impulse verleihen, um das institutionelle Problem zu lösen. Auf der anderen Seite brauchen wir, um noch bessere Ergebnisse zu liefern, wirklich effizientere, demokratischere und kohärentere Institutionen. Ein Europa der Ergebnisse ist eine politische Vision, die auf konstruktivem Pragmatismus beruht, die die Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und für europäische Probleme europäische Lösungen findet.

Außerdem brauchen wir wegen der großen globalen Herausforderungen, denen sich Europa in den kommenden Jahren stellen muss, eine Einigung über den Vertrag. Nur gemeinsam, und nur durch effektivere Arbeit, ist die Europäische Union in der Lage, den Herausforderungen der globalisierten Welt zu begegnen. Es liegt auf der Hand, dass nicht einmal die größten Mitgliedstaaten in der Lage sind, den Klimawandel, die Energiesicherheit oder die Massenmigration allein zu bewältigen. Sie können der erhöhten Wettbewerbsfähigkeit dieser globalen Wirtschaft allein nichts entgegensetzen. Das müssen wir gemeinsam und wirklich solidarisch in Angriff nehmen. Ich glaube, dass dies die Botschaft aus Berlin ist, und dass diese Botschaft nun zu einem entsprechenden Engagement für eine Lösung der institutionellen Frage vor den Wahlen im Jahr 2009 geführt hat.

(Beifall)

Es gibt einen weiteren Grund, warum sich die Kommission so sehr für eine schnelle, aber ehrgeizige institutionelle Einigung einsetzt. Zweifellos hängt seit dem Scheitern des Ratifizierungsprozesses des Verfassungsvertrags für immer ein gewisser Zweifel über der Europäischen Union. Selbst wenn bedeutende Ergebnisse – wie auf der Frühjahrstagung – erzielt werden, wird dieser Zweifel, dieser Negativismus, dieser Pessimismus, diese Skepsis immer bleiben. Wir sind immer mit einer Frage konfrontiert, die eine Antwort verdient: „Wie können Sie uns davon überzeugen“, fragen die größten Skeptiker, „dass Sie diese globalen Probleme wirklich lösen wollen, wenn Sie noch nicht mal in der Lage sind, die Probleme im Zusammenhang mit Ihren eigenen Gesetzen und den Institutionen, in denen Sie arbeiten, zu lösen?“. Wie glaubwürdig sind die Institutionen der Europäischen Union und die führenden Politiker Europas, wenn sie nicht in der Lage sind, in diesen Fragen einen Konsens zu erzielen?

Deshalb finde ich, dass wir in dieser Hinsicht Fortschritte brauchen. Wenn wir uns über die institutionellen Fragen nicht einigen können, so wird das zu Uneinigkeit führen, die unsere gemeinsamen Werte gefährden könnte. Die Geschichte Europas sollte uns daran erinnern, dass wir die großartigen Errungenschaften Frieden, Demokratie, Freiheit und Solidarität nie als selbstverständlich ansehen dürfen. Niemand sollte diese Errungenschaften für selbstverständlich halten. Wir müssen ständig für Verbesserungen im Bereich der Politik und der Werte sorgen. Wenn wir diese gemeinsamen Werte bewahren und schützen wollen – die, die wir in unserer Erklärung genannt haben: die unantastbare Würde des Einzelnen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität; also all die Werte, die uns nicht nur zu einem Markt, sondern auch zu einer politischen Gemeinschaft und einer Union machen –, dann müssen wir die Institutionen unserer Rechtsgemeinschaft reformieren.

Die Erhaltung unserer gemeinsamen Werte ist eine ständige Baustelle, die ich als das „unvollendete europäische Abenteuer“ bezeichnen möchte. Um ein besseres Europa zu schaffen, brauchen wir bessere Institutionen, die bessere Ergebnisse liefern. Ich denke, der politische Wille ist vorhanden, doch wir müssen nun auch in diesem Bereich zur Tat schreiten.

Während des informellen Gipfeltreffens im Anschluss an unsere Feierlichkeiten bat ich die Mitgliedstaaten, den Schwung in den kommenden Monaten beizubehalten. Ich bat die Regierungen der Mitgliedstaaten um aktive Mitarbeit. Alle Mitgliedstaaten haben den Vertrag unterzeichnet, der dann aufgrund von zwei negativ ausgefallenen Volksabstimmungen nicht ratifiziert werden konnte. Doch durch die eingegangene Verpflichtung obliegt es allen Mitgliedstaaten, konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung mitzuwirken. Als Präsident der Europäischen Kommission ist es meine Aufgabe, die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, in den kommenden Monaten besondere Anstrengungen zu unternehmen und die deutsche Ratspräsidentschaft bei ihren sehr wichtigen Bemühungen um eine Lösung zu unterstützen.

(Beifall)

Lassen Sie mich die Botschaft wiederholen, die ich an die europäischen Staats- und Regierungschefs gerichtet und in Berlin vorgetragen habe. Für die Zukunft der Europäischen Union ist es wichtig zu verstehen, dass es, wenn wir von Europa reden, nicht nur um die europäischen Institutionen geht, um die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament in Brüssel oder Straßburg. Während dieser Zeremonie, auf der einige von Ihnen anwesend waren, sagte ich, dass die Europäische Kommission keine fremde Macht ist, die in unsere Länder einmarschiert, sondern dass sie unser gemeinsames Projekt ist. Europa sind nicht „die“, Europa sind „wir“. Ich sagte den Staats- und Regierungschefs, dass es verlockend, aber unehrlich ist, wenn Politiker auf nationaler Ebene die Lorbeeren einheimsen und Brüssel alle Schuld zuschieben. Lassen Sie uns dieser Versuchung widerstehen.

(Beifall)

Das ist die Moral, die aus der europäischen Verantwortung erwächst und die für uns alle gelten muss.

Seit unserer Zusammenkunft in Berlin besteht eine politische Verpflichtung, die institutionelle Blockade zu überwinden. Die Kommission wird die deutsche Ratspräsidentschaft mit ganzer Kraft unterstützen, indem sie mit den anderen Mitgliedstaaten gemeinsam daran arbeitet, bis Juni einen klaren und präzisen Fahrplan und – wenn möglich – ein konkretes Mandat zu erarbeiten. Wie ich schon während der Feierlichkeiten vom letzten Wochenende sagte, dürfen wir nicht vergessen, dass es sich hier um die Art historischen Test handelt, dem sich eine Politikergeneration nur einmal im Leben stellen muss.

Ich möchte mit demselben Appell wie in Berlin schließen. Lassen Sie uns mit Stolz auf die Vergangenheit zurückblicken und mit Vertrauen in die Zukunft schauen. Arbeiten wir zusammen – die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und die europäischen Bürgerinnen und Bürger –, um das großartige Vermächtnis unserer Gründungsväter, um diese großartigen Werte ins 21. Jahrhundert zu tragen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herzlichen Dank, Herr Kommissionspräsident, für diese Rede. Ich möchte Ihnen auch für die gute Zusammenarbeit bei der Berliner Erklärung danken. Es war ja Ihre Idee, dass die drei Institutionen gemeinsam eine Erklärung abgeben. Herzlichen Dank, Herr Kommissionspräsident Barroso!

 
  
MPphoto
 
 

  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Wir haben gerade das fünfzigjährige Bestehen der Römischen Verträge gefeiert. Fünfzig Jahre, das sind zwei Generationen – aus historischer Sicht nicht viel, aber ein beträchtliches Alter in den Augen junger Menschen.

In den letzten Tagen wurde oft gesagt, dass die am häufigsten genannten Errungenschaften des europäischen Aufbauwerks – Frieden, Stabilität, relativer Wohlstand, das Sozialmodell – den jungen Generationen wenig sagen, weil sie tagtäglich damit leben. Dazu möchte ich zwei Dinge sagen. Erstens müssen sich junge Menschen ihres Glücks bewusst sein, dass diese Errungenschaften zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind. Zweitens muss diese Sicht der Dinge der Tatsache gegenübergestellt werden, dass die Unsicherheit der modernen Welt – Beispiele hierfür sind die Tragödien vom 11. September in New York, vom 11. März in Madrid und vom 7. Juni in London – uns allen deutlich zeigt, und zwar unabhängig vom Alter, dass ein Leben in Frieden, in Sicherheit und mit gewissen Mitteln nicht für alle Menschen auf dieser Welt eine alltägliche Realität ist, auch nicht in unseren eigenen Ländern. Auch der Gedanke an unsere fünfzehn britischen Soldaten, die gefangen genommen wurden, bewegt mich sehr.

An Frieden und Stabilität muss jeden Tag aufs Neue gearbeitet werden, wie es auch die morgige Aussprache mit Herrn Solana wieder einmal zeigen wird.

Wenn ich wenige Tage vor meinem sechzigsten Geburtstag einmal versuchte, mich in die Lage eines jungen Europäers zu versetzen, würde ich im Abenteuer Europa vielleicht unter anderem den Vorteil sehen, dass ich leichter Fremdsprachen lernen kann, die Möglichkeit habe, an Schüleraustauschen, Praktika, Sportwettkämpfen und kulturellen Ereignissen teilzunehmen – und all dies, indem ich virtuelle Grenzen überquere und ein und dieselbe Währung benutze. Das ist nicht zu verachten. In einem Dorf oder einer Stadt zu leben, die eine Partnerstadt hat, in den Genuss von Programmen zu kommen, die von der Europäischen Union gefördert werden, und direkt oder indirekt vom Wachstum zu profitieren, das durch die Gemeinschaft unserer Länder erzeugt wird, sind keine kleinen Dinge. Bürger von Staaten zu sein, die unseren Partnern und Konkurrenten weltweit gegenüber mehr Einigkeit demonstrieren, die die größten Geber für humanitäre Hilfe sind, die den demokratischen Verlauf von Wahlen auf der ganzen Welt beobachten und die Friedenstruppen in zahlreiche Krisengebiete schicken – dem allen sollte man nicht gleichgültig gegenüber stehen.

Als Beispiel für solche Tätigkeiten würde ich die zivile Mission zur Krisenbewältigung nennen, die die Europäische Union im Kosovo durchführen wird, wenn der künftige Status dieser nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Serbiens geklärt ist. Dies wird für unsere Länder eine ganz neue Art des Einsatzes sein.

All diese Dinge sind positiv und befriedigend und gereichen uns in den Augen der Jugend und eigentlich aller, würde ich sagen, zur Ehre. Zugegeben, Europa ist kein Allheilmittel und löst nicht alle Probleme – bei Weitem nicht – aber dies hat ja auch nie jemand behauptet. Was die EU jedoch tun kann – und zwar besser als unsere Mitgliedstaaten jeder für sich – ist, zur Lösung von Problemen beizutragen, neue Herausforderungen anzunehmen und unsere Prioritäten neu auszurichten.

Ob wir es so wollten oder nicht – die Globalisierung ist eine Realität, vor der wir nicht fliehen können. Auch wenn wir sehr oft – sei es zu Recht oder zu Unrecht – ihre negativen Seiten beklagen, hat die Globalisierung unleugbare Vorteile wie die erleichterte Kommunikation und Information und die Öffnung für andere Kulturen, um nur einige Beispiele zu nennen.

In diesem Globalisierungsprozess hat Europa eine Rolle zu spielen, Werte zu verteidigen und für ein Gesellschaftsmodell zu werben. Europa ist nicht zum Schweigen verdammt, muss nicht stillschweigend alles hinnehmen und sich von den Ereignissen überrollen lassen. Wenn wir wollen, können wir den Lauf der Geschichte beeinflussen, so wie wir es in den vergangenen fünfzig Jahren getan haben.

Ich kann diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne Ihnen, Frau Ratspräsidentin, meinen Glückwunsch und vor allem meinen Dank auszusprechen. Erstens, weil Sie dadurch, dass Sie in drei Monaten bereits dreimal hier im Europäischen Parlament anwesend waren, zeigen, dass Sie der Arbeit der Parlamentsmitglieder Achtung zollen. Dadurch setzen Sie ein Beispiel, dem Ihre Nachfolger sicherlich folgen werden. Zweitens möchte ich Ihnen danken, weil Sie mit dem von Ihnen anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Römischen Verträge organisierten Europa-Fest am 25. März in Berlin – das, wie wir wissen, ein Erfolg war – gezeigt haben, dass Europa nicht nur heißt, Reden zu halten und Gesetze zu verabschieden, sondern auch Emotionen, Freude und Geselligkeit bedeuten kann. Zuletzt möchte ich Ihnen danken, weil die Berliner Erklärung, die von den europäischen Institutionen angenommen wurde, ein gut lesbares und starkes Dokument ist, das Europa wieder auf den Sattel setzt und uns eine neue Perspektive gibt, indem es empfiehlt, bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2009 eine institutionelle Regelung zu finden.

Frau Ratspräsidentin, Ihr entschlossenes öffentliches Auftreten in Verbindung mit Ihrer persönlichen Bescheidenheit und Menschlichkeit ehrt Europa und bringt es voran. Unter Ihrem Vorsitz fanden zwei Tagungen des Europäischen Rates statt, die beide von allen Seiten als erfolgreich bewertet werden. Bei den Schlüsselthemen Energie und Klima hat Europa den Weg vorgegeben, indem es beschlossen hat, sich mit den erforderlichen institutionellen Instrumenten auszustatten, um diesen großen Herausforderungen zu begegnen und seiner Stimme Gehör zu verschaffen. So muss Europa funktionieren und handeln; so werden unsere Mitbürger, insbesondere die jungen unter ihnen, sich dieses Projekt, das moderner ist denn je, zu eigen machen.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Begriff historisch wird inflationär verwendet, dennoch darf uns dies nicht davon abhalten, historische Situationen als solche zu bezeichnen. Wir befinden uns in einer historischen Situation. Allen Kritikern der Berliner Erklärung will ich sagen: Was wäre eigentlich, wenn sie nicht zu Stande gekommen wäre?

Deshalb mein Kompliment an Sie, Frau Ratspräsidentin! Sie haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie haben sich lange nicht in die Karten schauen lassen. Das war taktisch klug. Und Sie haben mit der Berliner Erklärung erreicht, was zum jetzigen Zeitpunkt zu erreichen war. Das war ein positiver Schritt und ein Erfolg für Europa. Aber die historische Phase beginnt jetzt, weil jetzt die Frage zu stellen ist: Wie geht es weiter?

Es ist völlig klar — und ich bedauere das persönlich —, dass der Verfassungsvertrag, wie er auf dem Tisch liegt, nicht in Kraft gesetzt werden wird. Damit müssen wir leben. Diese Verfassung wird es nicht geben. Das darf nicht heißen, dass es keine gibt, auch wenn das Vertragswerk nicht Verfassung heißt. Wir Deutschen leben seit 60 Jahren mit einem Grundgesetz als Verfassung, und es ist eine tolle Verfassung.

Wir sind in der entscheidenden Phase, in der es darum geht, die Frage zu beantworten: Wie geht es mit diesem Kontinent weiter? Es gibt diejenigen, die ein anderes Europa wollen, die eine Vertragsrevision ablehnen und meinen, Nizza sei sowieso schon zu viel, und wir erweitern trotzdem — in jedem Fall und um jeden Preis. Diesen Leuten sage ich im Namen meiner Fraktion, und ich glaube auch im Namen der überwältigenden Mehrheit in diesem Hause: Nein, der europäische Integrationsprozess ist nicht zu Ende, er muss weitergehen, und wir wollen, dass er weitergeht.

(Beifall)

Wir wollen dass er weitergeht, weil wir ihn brauchen. Und all diejenigen, die die Erweiterung der Europäischen Union wollen, denen muss man sagen: Ohne die reformierte Union und ohne den erneuerten Vertrag wird es keine Erweiterungen geben. Ich sage den Herren Kaczyński und Klaus: Sie fügen Kroatien einen großen Schaden zu, wenn Sie die Reform der Europäischen Union verhindern.

(Beifall)

Lassen Sie nicht andere den Preis für Ihre Politik zahlen!

Warum ist das historisch, was wir jetzt tun? Ich würde mir bei denen, die den Integrationsprozess befürworten, den gleichen Enthusiasmus wünschen, wie Sie, Frau Ratspräsidentin, ihn an den Tag legen. Ich würde mir die gleiche Lautstärke bei den Befürwortern eines integrierten Europas wünschen, wie wir sie von den Gegnern des integrierten Europas vernehmen. Ein bisschen mehr Kampfbereitschaft ist jetzt erforderlich, denn Europa glaubt, es sei groß. In Wirklichkeit ist es aber klein.

Die 500 Millionen Einwohner der 27 Mitgliedstaaten machen 8 % der Weltbevölkerung aus — mit sinkender Tendenz. China und Indien, das sind große Länder. Die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer Wirtschafts- und Militärkraft sind eine Supermacht. Wenn das Europa der Integration scheitert und wir ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten bekommen, wenn dieses ohnehin kleine Europa seine eigene Kraft dadurch schwächt, dass es sich in Einzelteile zerlegt, dann wird es scheitern. Deshalb brauchen wir alle 27 Mitgliedstaaten und die Integration in Europa. Sie ist unsere Zukunft.

(Beifall)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Europa scheitern würde, dann scheitert mehr als ein Verfassungsvertrag. Es scheitert eine Idee. Und welche Idee ist das? Was wir hinter uns haben, und was wir durch die 50 Jahre Integration überwunden haben, können wir doch mit Namen benennen: Hass und Intoleranz, Großmachtanspruch und Ausgrenzung von Minderheiten, religiöse Intoleranz und Verfolgung von politisch Andersdenkenden.

Das Großmachtstreben haben wir durch territoriale Integration überwunden. Die soziale Ausgrenzung haben wir durch die Kombination von ökonomischem Fortschritt mit sozialer Sicherheit überwunden. Die ethnische, religiöse, kulturelle Intoleranz haben wir durch das Konzept der Integration überwunden. Aber das, was ich beschrieben habe, gibt es immer noch: Hass, Ausgrenzung, Unterdrückung, auch das Großmachtstreben, gerade jetzt wieder in unserer Union und nicht nur in Osteuropa, überall in Europa.

Das käme mit voller Wucht in unsere Völkergemeinschaft zurück, wenn wir die Integration zerstören würden. Deshalb sind die, die für die Fortsetzung des Integrationsprozesses und für eine Vertiefung der Union kämpfen und für die Werte Europas eintreten, die uns so stark und zu einem Modell gemacht haben, aufgerufen — mit Angela Merkel als Ratspräsidentin — zu kämpfen. Wir können doch nicht zulassen, dass die Kommission in den Verhandlungen mit anderen Staaten sagt: Wenn Ihr in die Union kommen wollt, dann müsst Ihr einen Transformationsprozess durchmachen, der alles außer Kraft setzt, was bis heute bei Euch gültig war. Wir selbst aber, die wir das verlangen, sind nicht in der Lage, unsere eigenen Reformen durchzuführen. Wie wollen wir da glaubwürdig sein?

(reger Beifall)

Wir sind in einer historischen Phase. Sie, Frau Ratspräsidentin — ich muss es zugeben, als deutscher Sozialdemokrat fällt es mir schwer, das zu sagen — haben in Deutschland, aber insbesondere hier, auf diesem Weg die Sozialisten an Ihrer Seite.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Vielen Dank, Martin Schulz. Der Präsident war nicht ganz korrekt. Ich bitte, sich in der Zukunft nicht immer ein Beispiel an der Länge der Redezeit zu nehmen, aber an der Qualität durchaus. Weiter darf der Präsident mit seiner Objektivität nicht gehen.

 
  
MPphoto
 
 

  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Frau Bundeskanzlerin! Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Erfolg – dem Text und dem erreichten Konsens.

Ihre Würdigung des Erfolgs der Union erfolgte zur rechten Zeit und in angemessener Form. Die Sicherheit, den Wohlstand und die Chancen, die unsere Bürgerinnen und Bürger genießen, verdanken wir vor allem der Europäischen Union.

Am Sonntagvormittag im Berliner Historischen Museum fielen mir zwei Dinge auf: Als Erstes Ihre geniale Idee, für diesen Anlass das Europäische Jugendorchester zu engagieren – es ist ein erstklassiges Orchester, und es verdient eine bessere finanzielle Förderung. Als Zweites fiel mir auf, dass von den 31 Personen im Präsidium – unter den Staats- und Regierungschefs, Präsidenten der Institutionen etc. – Sie die einzige Frau waren. Dabei musste ich an einen Vers des Dichters Robert Burns denken:

‘While Europe’s eye is fixed on mighty things,

The fate of empires and the fall of kings;

While quacks of State must each produce his plan,

And even children lisp the Rights of Man;

Amidst this mighty fuss just let me mention,

The Rights of Woman merit some attention.’

Frau Bundeskanzlerin! Sie gehen mit gutem Beispiel voran – wir brauchen mehr Frauen auf der höchsten Ebene der Politik.

(Beifall)

Ja, vielleicht ist es unter den gegenwärtigen Umständen sogar so, dass nur eine Frau einen Konsens erreichen konnte.

Zu der von Ihnen gewählten Vorgehensweise kann ich Ihnen jedoch nicht gratulieren – ein in den Katakomben des Bundeskanzleramts entworfener und von den Präsidenten der drei wichtigsten Institutionen unterzeichneter Text sollte nicht mit den kühnen Worten beginnen: „Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union“. Denn es sind die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, die erst wieder in den Aufbauprozess Europas integriert werden müssen. Präsident Barroso hatte Recht, als er sagte, die Institutionen müssten die Vielfalt respektieren, doch gleichzeitig müssten sich die Mitgliedstaaten für die Einheit engagieren. Die beeindruckenden Feierlichkeiten von Berlin wurden nur in wenigen anderen europäischen Hauptstädten wiederholt. Solange nicht alle Ihre Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat Tag für Tag aktiv für die Sache Europas eintreten, wird es keine solide Grundlage geben.

Es hilft auch nicht, Frau Bundeskanzlerin, wenn es die Europäische Volkspartei – Ihre Partei – als ihr alleiniges Verdienst ansieht, diese Union geschmiedet zu haben. Die Verfasser dieser etwas hochtrabenden EVP-Erklärung preisen zu Recht Monnet, de Gasperi und Kohl, doch ihre Erinnerung ist dabei bestenfalls selektiv. Thatcher, Chirac, Berlusconi – auch sie waren führende Politiker der EVP, deren Beitrag Sie jedoch übersehen zu haben scheinen. Die Union ist nicht das Projekt einer Partei. Sie gehört uns allen.

(Beifall)

Wir hoffen, Frau Bundeskanzlerin, dass die Berliner Erklärung einen neuen Aufbruch einleiten wird. Wir hoffen, dass auf der von Ihnen anberaumten Regierungskonferenz der institutionelle Grundstock für die Zukunft der Europäischen Union geschaffen werden wird. Das neue Europa – das Europa, das in der Berliner Erklärung anvisiert wird –, sollte so sein, dass es seinen Bürgerinnen und Bürgern dabei hilft, die Chancen der Globalisierung zu ergreifen, und ihnen bei der Bewältigung der neuen globalen Herausforderungen solidarisch zur Seite steht; ein Europa, in dem die Demokratie die Oberhand und unsere Werte das letzte Wort haben.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berliner Gipfel war ein Moment großer Emotionen, insbesondere für jemanden, der wie ich seit 1989 in diesem Parlament sitzt, dem Jahr, das die Wiedergeburt Europas markierte. In der Erklärung wird anerkannt, dass Europa eine Union der Staaten und kein neuer Superstaat ist, und in der Anerkennung der Identität der Völker der Union sowie ihrer Unterschiede in einem auf gemeinsamen Zielen beruhenden Staatenbund liegt die Kraft, die uns in die Lage versetzt, den Weg zur Verwirklichung der politischen Union, die wir bisher noch nicht erreicht haben, weiterzuverfolgen.

Wir bedauern, dass kein uneingeschränktes Bekenntnis zu unseren Wurzeln möglich war: Gerade weil wir fest an den weltlichen Charakter der Institutionen glauben, sind wir ebenso fest davon überzeugt, dass die Politik verarmt, wenn wir uns nicht zu all unseren Wurzeln bekennen. In unserer komplexen, multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft, mit unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie im Wege der Demokratie Frieden erreicht werden kann, was Hand in Hand geht mit dem allseitigen Bekenntnis zur Achtung der Menschenwürde, brauchen wir den Dialog der Kulturen, und um die anderen anzuerkennen, müssen wir zunächst uns selbst anerkennen, vom Alltagsleben der einzelnen Menschen bis hin zu dem der Staaten.

Wir lassen nicht locker und bekräftigen erneut die Gefahr der Theokratie jedweder Art, und ebenso die eines extremen Laizismus, der die zentralen gesellschaftlichen Werte in den Individuen und in der Politik langsam zerstört. Wir sind besorgt darüber, dass allzu viele das essenzielle Konzept des weltlichen Charakters der Institutionen mit der Akzeptanz eines kulturellen und politischen Relativismus, der zu übertriebenem Laizismus führt, verwechseln.

Wir sind gegen ein Europa, das nur aus dem Markt besteht, und gegen die Pseudokulturen, die die Bürger dazu drängen, ein virtuelles Leben zu suchen, das aufgrund von Unfähigkeit oder Angst an die Stelle des wirklichen Lebens treten soll. Wir wollen ein politisches Europa, das den Demokratiewunsch in einer Welt anzuregen vermag, in der Millionen Männer und Frauen noch immer unter dem Mangel an Freiheit und Rechtstaatlichkeit leiden.

Europa braucht schnellstens flexible und klar definierte Institutionen, denn heute steht der Terrorismus vor unserer Tür und heute müssen wir fähig sein, unsere Aufgaben zu bestimmen und sofort zu erfüllen – wie wir es im Europäischen Konvent bekräftigt haben –, und zwar innerhalb und außerhalb Europas: von den Energie- und Wasserressourcen über den Klimawandel bis hin zur Durchsetzung der Menschenwürde.

Wir befürchten, dass 2009 zu weit entfernt ist, aber ad impossibilia nemo tenetur – man kann von niemandem Unmögliches verlangen –, auch wenn wir uns des starken und ehrlichen Engagements der deutschen Ratspräsidentschaft und der enormen Fähigkeit von Bundeskanzlerin Merkel, zu vermitteln und gleichzeitig zu überzeugen, derart bewusst sind, das wir ein wenig Hoffnung schöpfen, diese Zeitspanne verkürzen zu können.

 
  
MPphoto
 
 

  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Watson und Herrn Daul, und die anderen, zunächst darauf hinweisen, dass es eine ganz einfache Methode gibt, um die Anzahl der Frauen zu erhöhen: die Ko-Präsidentschaft. In der Verts/ALE-Fraktion waren wir damit erfolgreich – sie funktioniert wirklich gut –, und ich kann sie Ihnen nur wärmstens empfehlen.

Die Berliner Erklärung ermutigt uns wirklich sehr, Frau Bundeskanzlerin. Es gibt Momente, in denen Feierlichkeit, Rhetorik und Förmlichkeit einen Sinn machen, und der 50. Jahrestag der Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist sicher eine solche Gelegenheit, vor allem, weil viele Menschen ihr Leben ließen, um so weit zu kommen, und weil es uns einen sehr harten Kampf und viel Arbeit gekostet hat.

Desgleichen anerkennen wir Ihre Rolle und danken Ihnen dafür – obwohl ich der Meinung bin, dass all das gewissermaßen zur Ihren Pflichten gehört –, und wir stellen erfreut fest, dass in diesem Fall im Unterschied zu anderen – ich möchte ausdrücklich die Energie, die Kraftfahrzeuge usw. nennen – die deutsche Ratspräsidentschaft ein europäisches Bewusstsein demonstriert hat, das sicher der Situation angemessen ist.

Ich denke, die Botschaft ist angekommen und die Öffentlichkeit hat verstanden, dass dieser 50. Jahrestag ein positives Ziel war und wir unsere Bemühungen fortsetzen müssen. Freilich, die europäische Bevölkerung hat dem Text der Erklärung nicht allzu viel Aufmerksamkeit gewidmet bzw. der Arbeit, die erforderlich war, um diese beiden knappen Seiten zusammenzubekommen, die eigentlich nichts Außergewöhnliches oder Originelles enthalten. Vielmehr zeigt sich an dem, was diese Erklärung nicht enthält, meines Erachtens, dass zwischen den Regierungen – ich betone, zwischen den Regierungen – im Hinblick auf die Zukunft Europas eine tiefe Spaltung besteht, die nichts Gutes für die Arbeit verheißt, die Ihnen Frau Bundeskanzlerin, in den nächsten Monaten bevorsteht.

Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass der Traum von einer Europäischen Union noch nicht verwirklicht wurde; dass wir in Darfur noch nicht als Europäische Union eingreifen können, weil wir gespalten sind; dass die Energiepolitik – leider – für viele Regierungen im Wesentlichen bedeutet, vor Präsident Putin zu Kreuze zu kriechen; dass wir nicht imstande sind, eine eigene Politik im Verhältnis zu den USA zu entwickeln und dass wir aus all diesen Gründen eine starke Europäische Union brauchen, die mit einer Verfassung ausgestattet ist.

Frau Bundeskanzlerin, wenn das Ziel in der verbleibenden Zeit Ihrer Ratspräsidentschaft darin besteht, aus der Sackgasse, in der wir uns befinden, herauszukommen, dann dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben: die Methode der reinen Regierungszusammenarbeit wird ebenso wenig funktionieren wie die Methode der Berliner Erklärung, weil es uns in einer Neuauflage der Nächte der Regierungskonferenz von Nizza nicht gelingen wird, zu einer Einigung zu gelangen, die fähig ist, wie Sie es formulierten, die Verfassung im Kern zu erhalten.

Aus diesem Grund appellieren wir an Sie, seien Sie mutig und testen Sie die Demokratie und genehmigen Sie die Eröffnung einer Regierungskonferenz, indem Sie dem Europäischen Parlament die Teilnahme im Wege des Mitentscheidungsverfahrens und eines Shuttlesystems der Publizität und der Debatte ermöglichen; die europäischen Bürger wollen mehr Europa, nicht weniger Europa, doch ihre Regierungen sind nicht immer in der Lage, das zu zeigen. Weisen Sie daher die Idee zurück, wonach uns nur eine Regierungskonferenz zu einem Ergebnis führen kann, denn das wird ihr nicht gelingen und wir werden die Verfassung nicht im Kern bewahren; wir werden lediglich mit leeren Händen dastehen.

 
  
MPphoto
 
 

  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Kanzlerin! Wenn heute vom europäischen Traum die Rede ist, bemühen wir meistens den Amerikaner Jeremy Rifkin. Die Staatschefs der EU bzw. ihre Sherpas träumen jedenfalls nicht, und schon gar nicht gemeinsam.

Die Berliner Erklärung beschreibt weder einen Traum noch nimmt sie sich der Realität an. Im Gegenteil. Sie ist die erneute Verweigerung der Realität, die die Staatschefs daran hindert, die Krise, in der die Union steckt, klar zu erkennen, und folglich gibt es natürlich auch keine Initiative, die einen Ausweg weist. Damit wächst weiterhin die Gefahr von Desintegration und Renationalisierung. Es gibt keine Absage an eine neoliberale, sozial und ökologisch zerstörerische Freihandelszone oder an eine weitere Militarisierung der EU.

In der Erklärung wird nicht ein Wort zur Lage von Millionen Menschen innerhalb der EU gesagt, die von Armut, langanhaltender Arbeitslosigkeit, Prekarität und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Sie gehören de facto nicht dazu. Die Botschaft der Erklärung richtet sich nur an die Regierenden selbst, nicht aber an die Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten. Von Identitätsstiftung kann in diesem Sinne also auch keine Rede sein. Kommentatoren reden von einem Testfall für den Verfassungsprozess. Andere haben das ja im Prinzip heute schon angesprochen. Übertragen heißt das, dass die künftige Verfassung oder der Grundlagenvertrag ein Fall für die Geheimdiplomatie werden ohne jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaften. Danach ist alles nur eine Frage des Drucks auf die Regierungschefs. Für den Fall, dass diese nicht spuren, schwingen einige meiner deutschen Parlamentskollegen aus dem Europäischen Parlament gleich die Austrittskeule. Ich finde, das ist wahrlich eine äußerst demokratische Argumentation. Ich meine das schon so, wie ich es sage.

Wenn es den Regierenden in der EU wirklich ernst wäre mit ihren Versprechungen, die EU bis zu den Wahlen 2009 auf eine tragfähige und erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen, dann hätte das folgende Konsequenz: Aus dem gesamten Entwurf der Europäischen Verfassung wären all jene Passagen zu streichen, die auf eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, Privatisierung und Militarisierung drängen. Die Diskussion über jene Europäische Union, die sich die Mehrzahl der hier lebenden Menschen wünscht, wäre zu eröffnen. Der dritte Teil des vorliegenden Verfassungsentwurfs sollte ganz gestrichen werden. Die detaillierten Politikziele und Vorgaben sind durch klare Kompetenz- und Verfahrensregeln zu ersetzen, die unterschiedliche Politiken ermöglichen. Artikel I Absatz 41 Ziffer 3 muss durch ein klares Verbot des Angriffskrieges und die Festlegung auf das Völkerrecht ersetzt und die im Vorgriff auf den EU-Verfassungsvertrag schon arbeitende Rüstungsagentur geschlossen werden.

 
  
MPphoto
 
 

  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin! Die öffentlichen Feierlichkeiten in den Straßen Berlins waren wundervoll, ihr Grundton war jedoch ein oberflächlicher, pompöser Euronationalismus. Frau Merkel hielt eine gute Rede. Unser Präsident, Herr Pöttering, unterzeichnete ein Dokument im Namen aller Abgeordneten hier im Parlament, auch wenn wir dessen Wortlaut noch nicht zu Gesicht bekamen und noch keine Gelegenheit hatten, Einfluss darauf zu nehmen. So etwas darf nicht noch einmal geschehen. Das Europäische Parlament sollte sich nicht an der Vorbereitung von Dokumenten beteiligen, in die die Abgeordneten vor Annahme des Textes keine Einsicht nehmen dürfen.

Die letzte Klausel ist die wichtigste, mit ihrer Verpflichtung, eine neue Verfassung zu verabschieden, die vor den EU-Wahlen im Juni 2009 in Kraft treten kann. Deutschland will die Verfassung „ausbessern“. Es besteht der Wunsch, ihren Namen zu ändern und eventuell textliche Verweise auf die Flagge und die Hymne, wenn auch nicht Flagge und Hymne selbst, zu entfernen. Teil II würde gestrichen, und zwar mit der Absicht, die gemeinsamen Grundrechte in einem entsprechenden zweizeiligen Verweis anzunehmen. An Teil III würden einige wenige Änderungen vorgenommen, sodass die Verfassung als unschuldiger kleiner Änderungsvertrag präsentiert werden könnte, der Hauptinhalt dagegen noch derselbe wäre wie der des von den französischen und niederländischen Wählern abgelehnten Textes.

Alle demokratischen Kräfte sollten sich daher nun vereinen und Volksabstimmungen über den nächsten Vertrag in allen Ländern fordern, und zwar, warum auch nicht, am selben Tag. Auf diese Weise wären unsere Staats- und Regierungschefs gezwungen ein Dokument zu gestalten, das von den Wählern angenommen werden könnte, und der nächste Vertrag würde den Wählern mehr Einfluss verleihen anstatt ihnen Einfluss zu nehmen, wie es die Verfassung tut. Der Kern der Angelegenheit ist natürlich, dass es in 59 Bereichen eine Verlagerung von Einstimmigkeit hin zu qualifizierter Mehrheitsabstimmung gibt, d. h. von Einstimmigkeit, in der die Wähler jedes Landes das letzte Wort haben, zu qualifizierter Mehrheitsabstimmung unter Beamten, Ministern und Lobbyisten hinter geschlossenen Türen in Brüssel. Dies ist der Tagesbefehl: zu viel Macchiavelli und zu wenig Montesquieu. Vielen Dank, Herr Präsident, auch wenn es in diesem Fall nichts zu danken gibt.

 
  
MPphoto
 
 

  Bruno Gollnisch, im Namen der ITS-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Vor fünfzig Jahren wurden die Römischen Verträge zwischen Ländern unterzeichnet, deren Sozialschutzniveau vergleichbar war und die, obgleich reich an verschiedenen Kulturen, auch eine gemeinsame Zivilisation teilten. Das diesen Verträgen zugrunde liegende Prinzip war die Gemeinschaftspräferenz, die unseren Erzeugern, insbesondere kleinen Bauern, höhere Preise als auf den Weltmärkten garantierte.

Diese Verträge sind völlig aus den Fugen geraten; die Gemeinschaftspräferenz ist einer Ausbreitung von nicht-europäischen Produkten gewichen; die Deindustrialisierung kostet Europa Hunderte Millionen von Arbeitsplätzen, und die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor haben lediglich noch eine Gnadenfrist. Durch die gedankenlose Öffnung seiner Grenzen hat Europa Arbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsplätze und Armut geschaffen, Probleme, die in der Berliner Erklärung keine Erwähnung finden, die ein Denkmal zynischer Selbstzufriedenheit und völlig von der Realität und den Völkern losgelöst ist und diesem Europa keinerlei Inhalt bietet, sei er weltlicher oder geistiger Art. Wie selbst Papst Benedikt XVI. kommentierte, schafft sie es sogar, die christlichen Wurzeln Europas zu verschweigen. Wurde dafür das Einverständnis eines christdemokratischen Präsidenten dieses Parlaments und einer christdemokratischen Ratsvorsitzenden benötigt?

Diese Union ist nicht mehr demokratisch; die internationale Institution wird zum Superstaat, einem Staat, der von der Öffentlichkeit abgelehnt wird. Die Öffentlichkeit verjagte ihn durch die Tür, und Sie versuchen nun, ihn durch das Fenster wieder hereinzuholen. Nichts davon hat noch irgendetwas zu tun mit dem wahren Geist von Europa, und wir werden diese Fehlentwicklungen nicht mittragen.

 
  
MPphoto
 
 

  Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Wenn man die Berliner Erklärung einmal von all den selbstgefälligen Worthülsen befreit, dann bleibt in vielen Bereichen nur sehr wenig Substanz übrig. In Verfolgung des zentralen Grundsatzes der Römischen Verträge, d. h. die Schaffung einer immer engeren Union, die die Erklärung ja würdigen soll, wurde sie von vielen Europa-Enthusiasten als ein wichtiger Meilenstein für die Wiederbelebung der abgelehnten Verfassung angesehen. Doch als die still und heimlich verfasste Erklärung dann vorlag, wurde die Verfassung in ihr nicht einmal erwähnt. Stattdessen enthält sie viel von dem üblichen Quatsch wie z. B., die EU sei die Friedensmaschine Europas. Meines Erachtens hat die NATO – und nicht die EU – das größte Verdienst an der Verteidigung, der Wiederherstellung und der Wahrung von Freiheit und Demokratie in Europa.

Die Idee der europäischen Zusammenarbeit steht außer Frage. Es sind die Mittel und das Ziel, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Europa-Skeptiker glauben an die Vorzüge freiwilliger, wechselseitiger Kooperation zwischen souveränen Nationalstaaten. Was wir ablehnen, ist die Instrumentalisierung dieser Staaten durch eine habgierige, zentralisierende EU zu dem Zweck, den Bürgerinnen und Bürgern dieser Nationalstaaten eine unerwünschte politische Integration aufzuzwingen. Diese Erklärung hält an diesem Ziel fest und ist daher eine mangelhafte Erklärung.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herr Allister! Wir beglückwünschen Sie zu der Regierung in Nordirland. Sie kommen ja aus Nordirland.

 
  
MPphoto
 
 

  Hartmut Nassauer (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ratspräsidentin, Ihre Präsidentschaft macht uns Europäern Mut. Zum ersten Mal seit langer Zeit gewinnen wir den Eindruck, dass Europa aus der Sackgasse des nicht ratifizierten Vertrags wieder herauskommen könnte. Wir werden nicht eine Verfassung anzusteuern haben, aber die Verfasstheit der Europäischen Union muss den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Daran besteht kein Zweifel. Das erfordert Mut und Führungskraft, und die haben Sie bisher bewiesen. Wir unterstützen Sie weiterhin auf Ihrem Weg!

Allerdings müssen Sie nicht nur die Staats- und Regierungschefs – was schwer genug ist – für dieses Vorhaben gewinnen. Sie müssen vor allem die europäischen Völker wieder für die europäische Union gewinnen. Denn die EU droht das Vertrauen ihrer Völker zu verlieren, und möglicherweise ist dies bereits geschehen. Es stellt sich die Frage, ob die von Martin Schulz beschworene Integration das richtige Rezept ist, ungeachtet dessen, dass ich diesen Grundansatz teile, und Integration der Kern des europäischen Weges ist. Aber mehr Integration wird uns die Zustimmung der Europäer nicht sichern. Deswegen appelliere ich an Sie, Frau Bundeskanzlerin, machen Sie sich zur Sprecherin derer, die überzeugte Europäer sind, und auch den integrativen Weg befürworten, die aber unzufrieden mit dem Erscheinungsbild dieser Europäischen Union sind.

Die Quelle des Unbehagens, der Distanz, die Sie auch angesprochen haben, ist eine überregulierende Gesetzgebung, die hier Entscheidungen trifft, die unten als Brüsseler Gängelei ankommen. Falls Sie, Herr Kommissionspräsident, dafür ein Beispiel aus Ihrer Verantwortung haben wollen, dann empfehle ich Ihnen, abends kurz vor dem Schlafengehen die Richtlinie zum Bodenschutz zu studieren. Ich versichere Ihnen, Sie werden in der Nacht Alpträume haben! Das Unbehagen an der Europäischen Union, deren historische Erfolge wir zu Recht mit Stolz feiern, macht deutlich: Europa braucht jetzt nicht generell ein Mehr an Integration, Europa braucht Grenzen, nach außen ebenso wie auch nach innen. Integration ist ja richtig, aber sie ist auf die schiefe Ebene geraten. Wir haben nach innen stellenweise zu viel, und nach außen, wo die Bürger mehr gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik haben wollen, dort haben wir zu wenig. Wer das bezweifelt, der möge sich einmal die Frage stellen: Ist der Appell zur Freilassung der tapferen britischen Soldaten nicht viel wirksamer, wenn die gesamte Europäische Union dahinter steht und nicht nur ein Mitgliedstaat?

Die Europäische Union muss von ihrer integrativen Verkrustung befreit werden. Da ist Ihre Überlegung der Diskontinuität völlig richtig. Ein Gesetzentwurf, der am Ende einer Legislatur nicht erledigt ist, muss verfallen. Das schafft Klarheit, verdeutlicht Verantwortlichkeit und schafft Vertrauen. Deswegen mein Wunsch an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Gewinnen Sie das Vertrauen der europäischen Völker wieder. Sie haben dazu die Chance!

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herr Kollege Nassauer! Wir müssen uns alle gemeinsam mächtig anstrengen. Das wollen wir ja tun.

 
  
MPphoto
 
 

  Edite Estrela (PSE).(PT) Frau Ratspräsidentin! Als Sozialistin und Frau möchte auch ich Frau Merkel zu ihrem Vorsitz gratulieren. Ich denke, sie hat bereits den Unterschied deutlich gemacht und den Beweis erbracht, dass wir mehr Frauen in den Entscheidungsinstanzen brauchen.

Im Verlaufe ihres fünfzigjährigen Bestehens hat die Europäische Union den Traum von Jean Monnet verwirklicht: Sie hat das Projekt des Friedens, der Freiheit und des Fortschritts gestärkt und ihre Grenzen erweitert. Ihr gehören jetzt 27 Mitgliedstaaten an, von denen einige vor 50 Jahren – und wie im Fall meines Heimatlandes Portugal vor noch weniger Jahren – unter dem Joch von Diktaturen gelebt haben. Mehr Frieden, mehr Demokratie, mehr Wohlstand, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der freie Warenverkehr sowie eine von nun 13 Ländern eingeführte Einheitswährung sind ein Vermächtnis von unschätzbarem Wert.

In diesen 50 Jahren hat sich Europa verändert, aber auch die Welt hat sich gewaltig verändert, und mithin die Bedürfnisse der Europäer. Globalisierung, Klimawandel, Energieprobleme, Alterung der Bevölkerung, Einwanderung und Terrorismus sind Herausforderungen, die neue Antworten erfordern. Es ist unsere Pflicht, Lösungen für die Probleme der Gegenwart zu finden und die Erwartungen der Bürger zu erfüllen. Das wird der beste Weg sein, um die soziale Stabilität zu befördern und zum Gleichgewicht in der Welt beizutragen.

Der innere Frieden und die innere Stabilität nützen wenig, wenn wir keine Lösungen für den Krieg im Irak, für die Krise im Nahen Osten sowie für die ernsten Probleme unserer Nachbarn in Nordafrika finden.

Die Berliner Erklärung lässt zu Recht die Debatte über den Verfassungsvertrag wiederaufleben und verpflichtet die 27 Mitgliedstaaten, die Europäische Union bis zu den Europawahlen 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen. Es muss rasch ein Konsens erreicht werden. Dass es Hindernisse gibt, kann nicht geleugnet werden, aber das ist eine gute Gelegenheit für die Mitgliedstaaten, der Welt und den Bürgern zu zeigen, dass das, was uns eint, wichtiger ist als das, was uns trennt. Nur so werden wir das Vertrauen der Bürger gewinnen.

 
  
MPphoto
 
 

  Silvana Koch-Mehrin (ALDE). – Frau Ratspräsidentin! Ich möchte Ihnen vor allem zu zwei Sätzen in der Berliner Erklärung gratulieren. Der Erste: Wir sind zu unserem Glück vereint. Das ist eine wunderschöne Aussage, und ich finde, dass sie sich ganz klar gegen die Nörgler und Zweifler stellt, die immer nur darüber meckern, dass die EU eine Zwangsveranstaltung ist. Es geht wirklich darum: Zu unserem Glück sind wir vereint. Ich finde auch, dass diese bestechend einfache Formulierung den Ton trifft, der für jede Bürgerin und jeden Bürger verständlich ist.

Gratulieren möchte ich Ihnen ferner dazu, dass Sie es geschafft haben, das Jahr 2009 als verbindlichen Zeitpunkt für eine erneuerte Grundlage der Europäischen Union in die Berliner Erklärung aufzunehmen. Das ist so konkret, dass sich keiner Ihrer Herren Regierungschefkollegen, ohne wirklich erheblichen Gesichtsverlust zu erleiden, davon zurückziehen kann.

Es ist gut, dass es diese gemeinsame Erklärung gibt. Allerdings finde ich sie inhaltlich leider ziemlich unkonkret, denn darüber, wie es in Zukunft mit Europa weitergehen soll und vor allem, wie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden sollen, erfährt man in der Erklärung nichts. Deswegen hoffen wir auf die zweite Hälfte Ihrer Präsidentschaft. Wir hoffen auf Vorschläge, wie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden sollen. Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen viel Erfolg. Wann immer Sie Unterstützung dabei benötigen, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, können Sie voll auf uns zählen.

 
  
MPphoto
 
 

  Konrad Szymański (UEN). – (PL) Frau Bundeskanzlerin! Herr Präsident! Die beiden größten Erfolge der Integration sind der Gemeinsame Markt und die Erweiterung. Der Gemeinsame Markt brachte den Europäern Wohlstand, die Erweiterung stärkte die Position der Europäischen Union in den internationalen Beziehungen. Anstatt nun diese Erfolge herauszustellen, werden sie in der Berliner Erklärung gewissermaßen hinter vagen Formulierungen über Offenheit und Zusammenwirken versteckt. Die Rolle der Mitgliedstaaten dermaßen herunterzuspielen, ist ein großer Fehler, wurde die Erklärung doch ausschließlich im Namen der Bürger verfasst. Wenn wir die Integration voranbringen wollen, müssen wir den Mitgliedstaaten, die die Integration unterstützen und ihr nicht feindlich gegenüberstehen, eine größere Bedeutung beimessen.

Herr Schulz, wenn Sie von Erweiterung sprechen, dann verstecken Sie sich bitte nicht hinter dem Verfassungsvertrag, hinter Präsident Kaczyński oder Präsident Klaus. Die Erweiterung zu stoppen, ist einzig und allein Ausdruck unserer und Ihrer Furcht vor der Zukunft.

Was an diesem Dokument auch unangenehm auffällt, ist, dass das Christentum keine Erwähnung findet. Das ist ein Beispiel für Vorurteile, die ein Europa der gemeinsamen Werte unmöglich machen.

 
  
MPphoto
 
 

  Johannes Voggenhuber (Verts/ALE). – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Ich fühle mich heute etwas unsicher, weil ich auch nach zwölf Jahren in diesem Haus keine Übung darin habe, Ratspräsidentschaften zu loben. Aber Ihre Arbeit nötigt mich dazu. Die letzten großen Europäer, die hier gesprochen haben, Mitterrand und Juncker nach seiner Ratspräsidentschaft, waren verzweifelte bis melancholische Europäer. Ich sehe mit großem Respekt, wie Sie die Herausforderung Europa angenommen haben, und dies bei den unglaublichen Erwartungen, die in Ihre Ratspräsidentschaft gesetzt wurden, was Sie vielleicht von vornherein belastet hat. Bei der Berliner Erklärung fehlen 26 Unterschriften von Staats- und Regierungschefs – 26 Unterschriften unter eine Erklärung zum Geburtstag, eine Erklärung voller Selbstverständlichkeiten. Aber es fehlt nicht Ihre. Sie sind zum ersten Mal herausgetreten aus dieser Maschinerie von gegenseitigen Blockaden, Belauerungen, Hindernissen und Fallstricken und haben sich dazu bekannt. Das verdient allen Respekt.

Ich hätte mir gewünscht, dass neben den Erfolgen auch die enttäuschten Erwartungen der Menschen und die Vertrauenskrise der Union stärker angesprochen werden. Ich gratuliere Ihnen und ich erweise Ihnen meinen Respekt dafür, dass Sie dieses Verfassungsprojekt aus dem Packeis befreit haben. Es war ein Stück leadership, es war eine Kür, auch auf dünnem Eis.

Lassen Sie mich noch zwei Dinge zu bedenken geben: Erstens, Ihr Ziel ist das einzige, das Europa nun anstreben kann. Aber ist die Methode geeignet? Gelingt die Überwindung der Verfassungskrise nicht vielmehr durch ein Plus, ein stärkeres, überzeugenderes Europa, vielleicht die eine oder andere Aufgabe mehr, eine überzeugendere Demokratie? Ist Ihr Ziel erreichbar mit einer Methode der berittenen Kuriere zwischen Staatskanzleien, die Ihnen immer nur eine Nachricht geben werden, nämlich die alten Begehrlichkeiten und die alten Ansprüche der nationalen Regierungen.

Zweitens, die Grundrechtecharta. Da beschwöre ich Sie, Frau Ratspräsidentin. Wenn die Grundrechtecharta aus diesem Verfassungsvertrag herausgelöst wird, dann werden Sie die große Bewegung der Verfassungsbefürworter spalten. Dann ist das Ergebnis für viele von uns, die wir für diese Verfassung gekämpft haben, nicht akzeptabel. Die Grundrechte sind der Kern dieses europäischen Projekts.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Voggenhuber, auch dafür, das Sie mit dem Präsidenten im Parlament mitgewirkt haben, so dass das ein Erfolg werden konnte.

 
  
MPphoto
 
 

  Roberto Musacchio (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Merkel ist ernsthaft bemüht, Europa wiederzubeleben; gleichwohl stimme ich mit Methode und Inhalt, mit denen sie dies zu tun gedenkt, nicht überein. Man versucht, die Krise der Gesellschaft, Politik und Demokratie sowie die Bedeutung des französischen Referendums beiseite zu schieben und dabei ausschließlich auf die Methode der Regierungszusammenarbeit zu setzen, die gerade die Parlamente – einschließlich z. B. meiner Person – daran gehindert hat, Kenntnis von der Berliner Erklärung zu erlangen, sowie auf die Fortführung des alten liberalistischen Vertrags, von dem man vielleicht sogar eine minimalistische Version schaffen möchte.

Probleme werden nicht gelöst, indem man denselben Weg fortsetzt, der sie hervorgerufen hat. Vielmehr müssen Text und Kontext geändert und muss der Fokus auf die Demokratie und die Rechte gerichtet werden, indem mehr auf das Volk und die Parlamente gehört wird, angefangen beim Europäischen Parlament, um eine auf das Bürgerschaftsrecht, auf Frieden, Arbeit und Umwelt gegründete Verfassung neu zu schreiben und danach in einem europäischen Referendum zur Abstimmung zu stellen, in dem die Völker das letzte Wort haben.

 
  
MPphoto
 
 

  Vladimír Železný (IND/DEM).(CS) Herr Präsident! Wir haben vor kurzem erfahren, dass weder die tschechische Regierung noch der tschechische Präsident über den Inhalt der Berliner Erklärung informiert wurden.

Das Ziel dieser Geheimhaltung bestand vielleicht darin, am Ende der Erklärung einen Satz einzuschmuggeln, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Mini-Verfassung zu verabschieden, die nicht Verfassung genannt wird, um den Bürgern keine Gelegenheit zu geben, in einem Referendum darüber zu entscheiden. Dieser Satz sollte im letzten Moment vorgelegt werden, über die Köpfe der Mitgliedstaaten hinweg. Für die demokratische Präsidentschaft der EU ziemt sich diese unwürdige Haltung nicht, sie hat im Gegenteil mehr mit der Art von politischen Manipulation gemein, an die wir uns nur allzu gut vom östlichen Teil des heutigen Deutschlands her, mit anderen Worten von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, erinnern. Übrig geblieben ist nun letztlich ein nichtssagender Satz, in dem empfohlen wird, die EU auf eine neue Basis zu stellen, und dies ist ein Satz, dessen Auslegung uns zwei Jahre Diskussionen kosten wird.

In der tschechischen Republik haben wir eine klare Interpretation: „Wir müssen die Union auf ihre ursprünglichen zentralen Werte, die noch erfüllt werden müssen, zurückführen. Wir müssen das Demokratiedefizit beseitigen und den freien Verkehr von Arbeitnehmern und Dienstleistungen gewährleisten. Wir müssen die Agrarpolitik reformieren, die die neuen Mitgliedstaaten diskriminiert. Schließlich müssen wir die Versuche einstellen, endlose Bände von Verordnungen zu produzieren, und die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen lassen.“ Vielen Dank, Herr Präsident.

 
  
MPphoto
 
 

  Timothy Kirkhope (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident Barroso! Ich danke der Bundeskanzlerin und dem Präsidenten für ihre Äußerungen.

(EN) Zunächst einmal möchte ich die historische Bedeutung des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge unterstreichen.

Unabhängig davon, welche Art von Europa wir uns auch immer vorstellen mögen – gibt es meiner Ansicht nach schon einige wichtige begrüßenswerte Ergebnisse, die Europa in den vergangenen fünf Jahrzehnten erzielt hat. Wir haben zur Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen solcher Mitgliedstaaten beigetragen, die aus historischer Sicht bis vor kurzem noch Feinde waren. Europa bietet ein Forum, auf dem demokratisch gewählte Regierungen Entscheidungen treffen können, die auf einem Dialog beruhen. In Europa hat sich ein Binnenmarkt entwickelt, der unseren Völkern neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet hat, und die Erweiterung im Jahr 2004 hat Brücken über Teilendes geschlagen. Ich finde, dass diese und andere Errungenschaften etwas sind, das wir alle begrüßen können.

Doch es ist die Zukunft, der wir uns jetzt zuwenden müssen. Die heutige Europäische Union wird von vielen – nicht zuletzt in meinem Heimatland – als eine ferne Bürokratie angesehen. Man sieht uns immer noch als einen übermäßig regulierten Apparat, der sich in zu viele Angelegenheiten einmischt, die immer noch Sache der Nationalstaaten sein sollten. Die Menschen wollen die europäische Zusammenarbeit, doch sie verstehen nicht, warum die Politiker in diesem Parlament so viel Zeit mit verfassungsmäßigen und institutionellen Angelegenheiten verbringen. Die Menschen fragen, was wir tun werden, um den globalen Klimawandel zu bekämpfen, um die Geißel der weltweiten Armut zu bekämpfen und um unseren Kontinent angesichts der Globalisierung wettbewerbsfähiger zu machen. Die Menschen wollen, dass wir handfeste Ergebnisse liefern und uns nicht zu lange mit verfahrenstechnischen Angelegenheiten aufhalten.

Es mag sein, dass die institutionelle Arbeitsweise der EU durch Vertragsänderungen verbessert werden muss, doch das bedeutet nicht unbedingt, dass eine komplexe neue Verfassung erforderlich ist.

Im 21. Jahrhundert brauchen wir mehr Flexibilität und mehr Dezentralisierung, damit unsere Volkswirtschaften auf den internationalen Märkten Erfolg haben. Wir brauchen nicht noch mehr Regulierung – wir brauchen weniger. Wir brauchen nicht unbedingt eine Ausweitung des Prinzips der qualifizierten Mehrheit, um den Klimawandel oder die weltweite Armut zu bekämpfen – was wir brauchen, ist eine effektivere Regierungszusammenarbeit.

Verfassungen und Institutionen führen nicht per se zu Wohlstand, sie machen unsere Volkswirtschaften nicht wettbewerbsfähiger, sie reduzieren nicht die CO2-Emissionen und sie nähren keine Hungernden in der Dritten Welt. Ich fordere alle Regierungen und die Ratspräsidentschaft auf, jetzt damit weiterzumachen – und sie haben gut begonnen –, politische Substanz zu liefern.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Vielen Dank, und viel Erfolg bei Ihrem Deutschkurs!

 
  
MPphoto
 
 

  Bernard Poignant (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Die Erklärung hat mich an bestimmte Europäer erinnert – an Robert Schuman, weil Sie seiner Methode einer unter strengster Geheimhaltung ausgearbeiteten Erklärung gefolgt sind, was ein durchaus fruchtbarer Ansatz sein kann. Ein anderer Grund, weshalb ich an ihn gedacht habe, war, dass er durch seine Geburt während des Krieges trotz französischem Vater Deutscher war; seine Mutter war Luxemburgerin, und obwohl Französisch nur seine dritte Sprache war, wurde er schließlich Ratspräsident. Ich habe mich auch an Alcide De Gasperi erinnert, der als Österreicher geboren wurde und zur Zeit des österreichisch-ungarischen Kaiserreiches österreichischer Abgeordneter war, bevor er dann ein italienischer wurde.

Diese beiden Männer waren Männer der Grenze, und es sind Männer wie sie, die Europa geschaffen haben, denn die Grenzen bilden die Narbe, die sich über den Wunden der Geschichte bildet, und wir sind hier, damit diese Wunden nie wieder aufreißen.

Dann sind meine Gedanken weiter zu Ihnen Dreien gewandert. Ich habe an Sie gedacht, Herr Präsident, den Schreiber des Friedens, denn Sie gehören meiner Generation an, sind ein Sohn eines Europas des Friedens statt der Flammen, von denen es zuvor verwüstet worden war, ein Mann mit seiner eigenen persönlichen Wunde. Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, Sie sind für mich als Franzose die Kanzlerin, die von der anderen Seite der Mauer kam – heute eine Touristenroute, damals eine unüberwindbare Grenze –, während Sie, Herr Barroso, der Präsident der wiedergefundenen Freiheit sind, der sich verändert hat, seit er 18 Jahre alt war, als Sie politisch gesehen ein wenig rot angehaucht waren.

Als ich Sie Drei betrachtete – mir gefällt diese Erklärung wirklich sehr, und außerdem ist dies ein Jahrestag – sagte ich mir: „Trotzdem, sie haben einen Fehler, sie sind keine Sozialdemokraten.“ Dann habe ich mich aber daran erinnert, was Guy Mollet, der Sozialdemokrat und 1956 Ratspräsident war, sagte: „Wenn Sie Europa aufbauen wollen, sollten Sie nicht erst warten, bis es sozialdemokratisch geworden ist.“

Und es stimmt, es ist ein verdammt gutes Stück Arbeit!

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Poignant, insbesondere für Ihre persönlichen Bemerkungen.

 
  
MPphoto
 
 

  Andrew Duff (ALDE). – (EN) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin! Könnten Sie bitte bestätigen, dass die Ratspräsidentschaft jetzt voll und ganz dafür ist, den Verfassungsvertrag zu verbessern, statt zu verschlechtern, um seine schnelle Ratifizierung zu gewährleisten? Sind Sie fest entschlossen, sich für eine „Verfassung plus“ zu entscheiden, statt für einen Mini-, winzigen oder sogar klitzekleinen Vertrag? Werden Sie eine Regierungskonferenz, deren einziges Ziel darin besteht, die Mitgliedstaaten von der Durchführung von Referenden zu befreien, nicht tolerieren?

Denken Sie an die unerfüllten Ziele von Laeken. Es sollte nicht zugelassen werden, dass die Regierungskonferenz das umfassende Paket, das von den Institutionen und den Mitgliedstaaten ausgehandelt wurde, auseinanderreißt. Stattdessen sollte ihr Augenmerk auf der Reform der Gemeinschaftspolitiken liegen, damit mit diesen auf die Probleme der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft besser reagiert werden kann.

Und was all diejenigen betrifft, die Sie auffordern, den ersten und den zweiten Teil zu lockern – sagen Sie ihnen bitte, dass sie Geduld haben sollen. Lassen Sie den Vertrag erst mal in Kraft treten und uns die Dinge in der Praxis ausprobieren, bevor wir erneut damit anfangen, an der vereinbarten Machtbalance herumzudoktern. Irgendwann wird die historische erste Änderung mit Sicherheit kommen, doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herr Duff, vielen Dank für Ihre Beiträge zum Konsultations- und Informationsprozess des Hohen Hauses.

 
  
MPphoto
 
 

  Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Berlin hat es den europäischen Führern ein wenig an Mut gefehlt, die angesichts der Globalisierung, der Zuwanderung und der Gefahr unseres Identitätsverlusts notwendigen Weichenstellungen aufzuzeigen. Nicht ein Wort wurde zu den geopolitischen Grenzen Europas verloren, das durch seine Erweiterung um die Türkei Gefahr läuft, an Iran, Irak und sogar Syrien zu grenzen.

Einzig und allein Papst Benedikt XVI., der in dieser Situation als geistiger Führer eines ansonsten Ideen und Ideale vermissen lassenden Europas hervortritt, hat uns den Weg gewiesen, der beschritten werden muss: Wie kann jemand nicht begreifen, dass es unmöglich ist, ein gemeinsames europäisches Haus aufzubauen, wenn die kulturelle und moralische Identität der europäischen Völker ignoriert wird? Die europäischen Führer blieben angesichts dieser Warnungen taub und stumm. Es ist gewiss nicht das Europa der Bankiers und der Lobbyisten, das uns vor diesen Übeln, vor der Krise des europäischen Sozialmodells und der Gefahr einer islamischen Invasion, bewahren kann.

Als Verfechter der regionalen Autonomie fällt es uns außerdem schwer, einen Verfassungsentwurf zu akzeptieren, in dem ein bürokratisches und zentralistisches Europa verankert wird, das zudem, wie wir auch in diesen Tagen sehen, durch ernste Skandale und wenig Transparenz gekennzeichnet ist, und das weit entfernt ist vom Traum der großen Denker, die eines Europas der Regionen und der Völker würdig sind.

Nichtsdestotrotz, Frau Bundeskanzlerin, möchte ich Ihnen Dank und Anerkennung zollen für die Sensibilität, die Sie als eine durch die christliche pietas beseelte Führerin unter Beweis gestellt haben, für die Aufmerksamkeit, die Sie auf meine Anregung hin dem noch ungelösten Problem der Anerkennung der Rechte italienischer Militärinternierter widmeten. Ich danke Ihnen in ihrem Namen und im Namen der 50 000 Familien, die darauf warten, dass ihr Opfer anerkannt und ihrer gedacht wird.

 
  
MPphoto
 
 

  Rebecca Harms (Verts/ALE). – Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Ratspräsidentin! Die Blumen im Namen meiner Fraktion hat ja Herr Voggenhuber schon überreicht. Ich glaube, dass es in meiner Fraktion niemanden gibt, der daran zweifelt, dass Sie sie verdient haben. Wir stellen allerdings schon die Frage, wie es weitergeht. Das möchte ich zum Schluss der Debatte noch einmal betonen. Denn gerade der Geist dieser Berliner Erklärung ist unserer Meinung nach nicht damit vereinbar , dass das, was von der Verfassung übrig bleibt, letztlich nur dazu dienen soll, die Technokraten und Bürokraten in Brüssel in Zukunft ein bisschen reibungsloser arbeiten zu lassen.

Für uns ist dieses Verfassungsprojekt tatsächlich ein Anliegen und ein Projekt, das Europa insgesamt demokratischer machen soll. Deswegen gehört der Grundrechte-Katalog, der angesprochen worden ist, für uns unbedingt dazu. Die Frage, wie der Weg dahin ist und wie wir die Einbeziehung der Bürger organisieren, ist für uns nicht banal, sondern wir glauben, dass wir aus den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gelernt haben und dass es wichtig ist, alle Bürger in Europa gleichermaßen einzubeziehen. Es darf nicht zwei Geschwindigkeiten geben, indem der eine Bürger einbezogen wird und der andere nicht. Darüber hätten wir gerne noch Klarheit. Das wäre hilfreich.

 
  
MPphoto
 
 

  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Der deutsche Ratsvorsitz versucht, seine Agenda für die EU durchzupeitschen, um diese nach seinen zunehmend ehrgeizigeren Zielen zu gestalten.

Die Berliner Erklärung ist bei allem Pomp und Getöse nur ein weiterer Schritt in dieser Strategie, die unter anderem darauf abzielt, die wesentlichen Inhalte der – längst abgelehnten – Europäischen Verfassung wiederzubeleben. Aber tatsächlich überwog, ungeachtet der Bemühungen der maßgeblichen Regierungsstellen, dem Event eine gewisse Grandeur zu verleihen, das Gefühl der Unnatürlichkeit und der völligen Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der Erklärung anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge.

Das ist ein Zeichen der Zeit, das verdeutlicht, in welch krassem Widerspruch die Europäische Union zu den Interessen und Erwartungen der Menschen Europas und der Welt steht. Die herrschenden Kräfte der europäischen kapitalistischen Integration sind sich dieses wachsenden Widerspruchs voll bewusst. Deshalb ist der Inhalt der Berliner Erklärung unserer Meinung nach nicht mehr als ein Manöver zur Instrumentalisierung der begründeten Anliegen der Völker Europas. Die Erklärung hat nichts zu tun mit den tatsächlichen Zielen und den konkreten Politiken der EU sowie der daraus resultierenden harten Realität.

 
  
MPphoto
 
 

  Antonio Tajani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren! Der Berliner Gipfel hat Europa sicherlich einen Schritt nach vorn gebracht, denn er leitete eine neue Phase nach einer Zeit der Schwierigkeiten und der Fehlschläge ein.

Die Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestags der Verträge signalisierten die Wiederbelebung einer europäischen, zwischen Rat, Kommission und Parlament abgestimmten Initiative zur Gestaltung der Zukunft Europas. Doch wenn wir über die Zukunft sprechen sollen, dann müssen wir noch vor 2009 die Verabschiedung eines Grundgesetzes anstreben, das Zuständigkeiten und Rolle einer Union regelt, die nicht nur ein Markt ist, sondern auch das Potenzial zu einem Akteur in der internationalen Politik besitzt, der sich mit konkreten Antworten nicht zuletzt auf die Fragen der Bürger zu Wort meldet.

Deshalb, Frau Bundeskanzlerin, befürworte ich die Initiative, eine umfassende Debatte über drei grundlegende Themen einzuleiten: Klimawandel, Energiesicherheit und das Thema Afrika mit seinen Tragödien, die oft im Westen nicht beachtet werden. Doch das Europa, an das wir glauben und an das auch unsere Gründungsväter glaubten, besteht nicht nur aus Politik und Wirtschaft. Es beunruhigt mich zu lesen, dass in Deutschland Hunderte von Kirchen verschwinden, und es erfüllt mich auch mit Sorge festzustellen, dass in Italien immer noch wenig Kinder geboren werden; ich bin entsetzt über die Urteile von Richtern, die Männer freisprechen, die ihre Frauen im Namen ihrer Religion brutal verprügelt haben; ich bin erschrocken über die Verbreitung von Drogen unter europäischen Jugendlichen. Das ist nicht das Europa, mit dem wir uns identifizieren und für das wir uns einsetzen.

Deshalb wäre es ein Fehler, die in der Berliner Erklärung hervorgehobenen Werte zu unterschätzen oder, schlimmer noch, außer Acht zu lassen: Demokratie, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und vor allem die Würde des Menschen, der im Mittelpunkt steht. Wie sollten wir demnach nicht den Worten von Jacques Delors beipflichten, der uns warnt, unsere christlichen Wurzeln nicht zu vergessen. Er sagte heute in einem Interview: „Die Erinnerung ist unsere Zukunft“.

 
  
MPphoto
 
 

  Stephen Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Indem sich die Berliner Erklärung mit der zukünftigen Entwicklung Europas beschäftigt, unterstreicht sie ganz richtig die Bedeutung von Solidarität und sozialem Zusammenhalt für ein europäisches Modell, das wirtschaftlichen Erfolg und soziale Verantwortung in sich vereint. Die Erklärung erinnerte mich an eine andere Erklärung mit dem Titel „Für ein soziales Europa“, die kurz vor dem diesjährigen Frühjahrsgipfel von neun EU-Regierungen angenommen worden war. Diese Erklärung hat zum Ziel, den Maßnahmenkatalog zugunsten von Maßnahmen im beschäftigungspolitischen und Sozialbereich auszutarieren.

Als Reaktion darauf enthielten die Schlussfolgerungen des Frühjahrsgipfels einen klaren Verweis auf angemessene Arbeitsverhältnisse, Arbeitnehmerrechte und Mitwirkung der Arbeitnehmer, Chancengleichheit, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und die Notwendigkeit einer familienfreundlichen Arbeitsorganisation. Außerdem wurde die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts unterstrichen und betont, dass es darauf ankommt, die Armut und insbesondere die Kinderarmut zu bekämpfen. Die Bedeutung der sozialen Dimension wurde deshalb ganz klar hervorgehoben.

In den Schlussfolgerungen wurde auch an die soziale Komponente des Vertrags erinnert, insbesondere sein Engagement für die Verbesserung im Bereich der Beschäftigung und der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das ist Teil von Artikel 136 des Vertrags, der am Sonntag gewürdigt wurde und der als Präambel der sehr eindeutigen rechtlichen Grundlagen dient, die der Kommission zur Verfügung stehen, um Vorschläge zur Verbesserung der Beschäftigungs-, Lebens- und Arbeitsbedingungen zu machen.

Ich denke, die Berliner Erklärung und der Frühjahrsgipfel haben uns rechtzeitig daran erinnert, dass die Kommission wieder eine sozialpolitische Agenda mit Substanz auflegen muss, denn die Kommission scheint durch die gegenwärtige Beschäftigung mit ihrem Arbeitsprogramm vergessen zu haben, dass ihr die rechtlichen Grundlagen zur Verfügung stehen, um zur Tat zu schreiten.

Wir wollen, dass die Kommission sich dieser Sache dringend annimmt. Sie könnte damit beginnen, der gegenwärtigen Verschleierungstaktik im Bereich Flexicurity Substanz entgegenzusetzen. Wir brauchen neue Legislativvorschläge, um gegen ausbeuterische Formen von atypischer Arbeit vorgehen zu können. Wir wollen, dass die Millionen von Beschäftigten, die Flexicurity bisher für einen Vorwand für Ausbeutung hielten, das Wort in Zukunft mit etwas Positivem verbinden.

Ich hoffe, dass für die deutsche Ratspräsidentschaft das soziale Europa weiterhin im Mittelpunkt stehen wird – im Vorfeld des Juni-Gipfels und darüber hinaus. So wird die Berliner Erklärung ihre Glaubwürdigkeit behalten.

 
  
MPphoto
 
 

  Bronisław Geremek (ALDE). – (PL) Frau Bundeskanzlerin! Ich möchte Ihnen vor allem dafür danken, dass es Ihnen gelungen ist, Europa aus dem Zustand der Mutlosigkeit, dem Gefühl des Pessimismus und der Resignation herauszuführen. Am 25. März sangen die Europäer nicht nur die Ode an die Freude, sie haben diese Freude auch wirklich empfunden.

Die Bedeutung der Berliner Erklärung hängt davon ab, wie sie umgesetzt wird. Ihr Platz in der Geschichte der Europäischen Union wird davon bestimmt, was als nächstes geschieht. In der Erklärung wird aber auch etwas ganz Wichtiges festgestellt, nämlich dass Europa tatsächlich geeint ist, und denjenigen, die diese Vereinigung herbeigeführt haben, wird in gebührender Weise Anerkennung gezollt.

Vielleicht sollte man aber auch hinzufügen, dass sich die Vereinigung Europas in Bezug auf Ost und West ja gerade erst vollzieht. Zwei unterschiedliche Entwicklungen in der Vergangenheit und zwei unterschiedliche Befindlichkeiten müssen zusammenfinden. Wir brauchen ein starkes und integriertes Europa.

Unsere Aufgabe ist die europäische Einigung. Eine weitere Herausforderung stellt die bemerkenswerte Aussage in der Berliner Erklärung dar, dass Europa seine Grundlage erneuern muss. Wenn Europa seine Grundlage neu bestimmen muss, dann wird ihm das ohne einen Vertrag, der dieser Grundlage eine politische Dimension verleiht und wirksame Entscheidungen ermöglicht, nicht gelingen. Die Feststellung, dass wir vereint sind, sollte meiner Ansicht nach auch bedeuten, dass wir vereint sind, um Europa voranzubringen.

 
  
MPphoto
 
 

  Angela Merkel, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz möchte ich noch einmal diese Debatte resümieren, für die ich mich ganz herzlich bedanke.

Es ist hier heute deutlich geworden, sicherlich auch über die Parteigrenzen hinweg, dass es einen gemeinsamen Willen des Europäischen Parlaments in seiner ganz großen Mehrheit gibt, dieses Europa voranzubringen, und zwar auch mit einem Stück Optimismus. Das hat ja auch der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Schulz, gesagt – auch ich will ihn heute loben, wenn ich das als Ratspräsidentin darf. Es geht um eine sehr ernsthafte historische Situation, da bin ich vollkommen der Meinung all derer, die das hier heute gesagt haben.

Es gibt immer noch Skeptiker, die zögern, ob wir nun wirklich einen solchen Fahrplan brauchen und ob wir 2009 auch wirklich mit einer erneuerten Grundlage – wie wir dies in der Berliner Erklärung gesagt haben – vor die Bürgerinnen und Bürger treten sollen. Diesen Skeptikern sollten wir sagen: Wir sind uns als deutsche Präsidentschaft, gemeinsam mit dem Parlament und der Kommission schon bewusst, dass es hier auch um das Europa der Projekte geht, wie wir es einmal genannt haben, d. h. also um sehr konkrete Fortschritte, die die Menschen auch sehen können.

Es geht eben nicht nur darum, jetzt irgendwelche Abstimmungsverfahren und institutionelle Fragen zu regeln, sondern es geht gleichzeitig darum, den Menschen zu zeigen, dass wir etwas zustande bringen, das für das Leben jedes Einzelnen von großer Bedeutung ist. Je mehr wir davon in diesem halben Jahr schaffen, in dem wir auch wichtige andere Fragen zu klären haben, umso leichter wird es dann, diese anderen Fragen ebenfalls voranzubringen. Auf jeden Fall werden unsere Anstrengungen in den nächsten drei Monaten parallel auf beides gerichtet sein und ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass sich das Parlament mit vielen dieser praktischen Fragen beschäftigt. Gestern ist es ihm zum Beispiel gelungen, auch die Mittel für den Umweltschutz freizugeben, damit die Projekte anlaufen können. Wir haben auch über die Landwirtschaft gesprochen. Das sind alles Dinge, bei denen die Menschen fragen: „Was bringt Europa nun zustande?“ Daher ist es gut, dass dies nun gelungen ist.

Des Weiteren ist hier gefragt worden, wie die Berliner Erklärung zustande gekommen ist. Ich glaube, es war Churchill, der über die Römischen Verträge gesagt hat: „Nie ist etwas so Wichtiges wie die Römischen Verträge in solchen Hinterstuben zustande gekommen, ohne dass es jemand bemerkt hat“. Das können wir ja heute in unserer medialen Zeit gar nicht wiederholen. Aber ich glaube, wir müssen eine richtige Mischung finden – auch in den kommenden Monaten – zwischen Beteiligung und der Frage, wie kriegen wir etwas zustande, und das geht nicht immer auf dem offenen Markplatz am besten. Deshalb war es ja auch nicht so, dass der Präsident nun einfach „par ordre de mufti“ die Berliner Erklärung mit mir in geheimen Gesprächen abgestimmt hätte, sondern im Parlament war natürlich auch eine Art Einbeziehung der jeweiligen Fraktionen vorhanden. Danach haben wir versucht, die Vorschläge zu reflektieren, genauso wie mit der Kommission und den 27 Mitgliedstaaten.

Jeder weiß aber auch: Demokratie heißt, dass jeder sich selbst zum Teil wieder findet in den Ergebnissen. Das kann manchmal nur parallel gemacht werden und über all das kann man nicht gleichzeitig berichten. Dennoch glaube ich, dass wir die Öffentlichkeit an dem, was jetzt auf dem Spiel steht, teilhaben lassen sollten. Deshalb möchte ich Sie hier um etwas bitten. Herr Präsident, ich würde dem Parlament gerne eine Anregung geben, weil der Rat nicht die richtige Institution ist, um Öffentlichkeitsbeteiligung besonders gut zu zelebrieren. Das Parlament hat Ausschüsse, und vielleicht wäre es möglich, dass Sie eine Anhörung der Zivilgesellschaft, zum Beispiel im Mai, durchführen – der Rat würde auch einen Vertreter dorthin entsenden –, wo das, was über die Erwartungen an diesen Prozess einer erneuerten gemeinsamen Grundlage in der Zivilgesellschaft geredet wird, angesprochen wird. Vor dem nächsten Rat könnten wir dann gemeinsam darüber debattieren, so dass wir auch ein Stück europäische Öffentlichkeit in unsere Debatten mit hinein bringen könnten.

(Beifall)

In diesem Sinne, glaube ich, werden wir auch in den nächsten drei Monaten viel miteinander zu tun haben. Die ersten drei Monate haben Spaß gemacht. Warum sollte es in der zweiten Hälfte nicht auch so sein! Herzlichen Dank!

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am wichtigsten ist, dass deutlich geworden ist, dass wir wieder an Europa glauben und dass wir einander vertrauen. Dieses Vertrauen zwischen dem Europäischen Parlament und Ihnen als der Repräsentantin des Europäischen Rates ist in den letzten Wochen unglaublich gewachsen. Ich kann für viele von uns und besonders für mich sagen, dass die Zusammenarbeit sehr viel Freude gemacht hat und wir uns auf die weitere Zusammenarbeit – auch mit der Kommission – freuen. Ihnen weiter viel Erfolg. Wir stehen an Ihrer Seite.

 
  
MPphoto
 
 

  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN).(PL) Die lange erwartete Berliner Erklärung hat für die Völker Europas eine Überraschung bereitgehalten. Damit meine ich nicht so sehr ihren Inhalt, der in der Presse als „Meisterstück der Unklarheit“ bezeichnet wurde, sondern vielmehr das Fehlen einer öffentlichen Debatte. Es spricht doch Bände, dass die Erklärung nur von drei Personen, nämlich den Repräsentanten der europäischen Organe, und nicht von den Vertretern aller 27 Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde.

Es ist in der Tat so, dass in der Erklärung niemand zu irgendetwas verpflichtet wird und auch die unterschiedlichen Auffassungen zu Rolle und Funktionsweise der Union einander nicht angenähert werden. Es gibt keine Einigung auf eine gemeinsame Außenpolitik und kein Konzept für eine europäische Verteidigungspolitik.

Der entschiedene Widerstand in einigen Ländern gegen eine Bezugnahme auf die christlichen Wurzeln Europas stellt die Bestimmung gemeinsamer europäischer Werte generell in Frage. Ungeachtet all dieser ungelösten Fragen sollten wir künftig den Weg des Dialogs und der Konsultation weiter beschreiten und nicht dazu übergehen, Länder zu erpressen, die Vorbehalte äußern.

 
  
MPphoto
 
 

  József Szájer (PPE-DE).(HU) Die Europäische Union hat ein reifes Alter erreicht, und anscheinend hat sie auch die entsprechende Weisheit erlangt, da es ihr gelungen ist, ein prägnantes Dokument anzunehmen, das sich auf Werte, Grundsätze und die anstehenden Aufgaben konzentriert und dabei zugleich für den Durchschnittsbürger verständlich ist. Die Union hat damit bewiesen, dass sie mit einer Stimme sprechen kann und bereit ist, auf Werten beruhende Maßnahmen zu ergreifen.

Diese Erklärung feiert den 50. Jahrestag der Römischen Verträge, ich möchte jedoch auch an ein weiteres 50-jähriges Jubiläum erinnern, nämlich an das der ungarischen Revolution von 1956, die in den Wurzeln, Ursprüngen und Traditionen der heutigen Europäischen Union gleichermaßen gegenwärtig ist. Ohne das Beispiel von 1956 und der ungarischen Revolutionäre wäre die Europäische Union nicht in der Lage gewesen, sich so zu entwickeln, wie sie es getan hat, und zu dem zu werden, was wir heute als unser gemeinsames Europa bezeichnen können.

Ich bin überzeugt, dass wir eine Europäische Union brauchen, die stark ist, die sich ihrer Werte und Identität bewusst ist, die es ablehnt, von ihren Grundsätzen abzuweichen, und die zu einer List nicht fähig ist. Wir möchten eine Union erleben, die die Kooperation ihrer Mitgliedstaaten vertieft, die interne Zusammenarbeit fördert und sich hin zu größerer Solidarität und politischer Integration bewegt.

Weshalb liegt eine starke Europäische Union in unserem Interesse? Weil mit ihr jeder einzelne Staat auch erheblich stärker werden kann. Um stark zu sein, müssen wir selbstverständlich auch fähig sein, unsere Vergangenheit und unsere Identität klar zu erkennen.

Ich habe den 50. Jahrestag in Rom bei einer Konferenz gefeiert, die von einer Organisation der Zivilgesellschaft ausgerichtet wurde, und ich möchte eine der Botschaften dieser Konferenz an Sie weitergeben, nämlich dass wir unsere Identität erkennen und die Wurzeln Europas, seine christlichen Wurzeln, begreifen und bestätigen müssen. Jeder, der von außen auf Europa blickt, sieht in uns, was uns allen gemeinsam ist. Warum sehen wir dies nicht selbst, und warum fürchten wir uns, dies zuzugeben?

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Vielen Dank, József Szájer, auch für die Zusammenarbeit bei der internen Koordination, an der Sie beteiligt waren.

 
  
MPphoto
 
 

  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Die Berliner Erklärung wurde zu einem für die Europäische Union überaus wichtigen Zeitpunkt unterzeichnet. Die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor fünfzig Jahren war der erste Schritt zur Umsetzung einer ehrgeizigen Idee. Die Anwesenheit der Vertreter von 27 Staaten in Berlin hat deutlich gemacht, welche Auswirkungen diese Idee hat. Als die Union im vom Krieg zerstörten Europa gegründet wurde, waren es gerade einmal sechs Staaten, die die Gründungsurkunde unterzeichneten.

Heute, ein halbes Jahrhundert später, lebt die Union glücklicherweise in Frieden. Sie zählt fast eine halbe Milliarde Einwohner. Sie erstreckt sich über einen großen Teil des Kontinents und besitzt ein größeres Gewicht in der Welt als jemals zuvor. Die Ergebnisse der Integration sind beeindruckend: ein gemeinsamer Markt, eine gemeinsame Währung in dreizehn Staaten und ein freier Personen-, Waren- und Kapitalverkehr. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, etwas für den Umweltschutz zu tun und auf eine nachhaltige Entwicklung hinzuarbeiten. Sie ist ein aktiver und stark beachteter Akteur auf der Weltbühne, der den Nachbarstaaten Stabilität und Wohlstand bringt.

Die Berliner Erklärung ist ein wichtiges Symbol für Europa. Ungeachtet des Gefühls eines offenkundigen Erfolgs fehlt aber immer noch etwas. Zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge hätten wir uns für die Europäische Union eine Verfassung gewünscht. Wir haben nach wie vor eine Reihe von Aufgaben zu bewältigen: der globale wirtschaftliche Wettbewerb, neue Herausforderungen in den Bereichen Sozialpolitik, Umweltschutz, Energie und Sicherheit. Die Bürger Europas wollen eine effektivere und stärkere Union, die nach transparenten Regeln funktioniert. Wir müssen die Hemmnisse beseitigen, denen sich vor allem die Bürger in den neuen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr gegenübersehen. Wir müssen den Schengener Raum und die Eurozone endgültig erweitern. Wir brauchen eine gemeinsame Energiepolitik. Europa braucht Wirtschaftswachstum, neue Arbeitsplätze und mehr soziale Sicherheit.

In diesem Zusammenhang kommt der Aussage in der Erklärung, wonach die institutionellen Grundlagen der Europäischen Union bis zum Jahr 2009 vereinbart sein müssen, große Bedeutung zu. Dies sollte Motivation für alle Mitgliedstaaten sein, die notwendigen institutionellen Reformen durchzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gebührt Anerkennung für den bedeutenden Beitrag, den sie zu unserem gemeinsamen Erfolg geleistet hat. Die Europäische Union trägt heute das Gesicht einer Frau. Die Union ist weiblich.

 
  
MPphoto
 
 

  Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE).(ES) Es wurde hier von der Notwendigkeit einer europäischen Politik gegen den Klimawandel gesprochen, Herr Präsident. Ist das mit den gegenwärtigen Verträgen möglich? Nein.

Weiterhin wurde von der sozialen Integration der Einwanderer gesprochen. Ist das mit den gegenwärtigen Verträgen möglich? Nein.

Und was ist mit einem Energiebinnenmarkt? In den gegenwärtigen Verträgen besteht dafür keine Rechtsgrundlage. Ich sage das, weil sich einfach die Unkenntnis über die Funktionsweise der Europäischen Union zeigt, wenn „die für die Bürgerinnen und Bürger wirklich Besorgnis erregenden Politiken“, wie sie von einigen bezeichnet wurden, den Instrumenten und Techniken entgegengestellt werden, als hätten letztere keine Bedeutung.

Ohne Verfahren, ohne Rechtsgrundlagen ist die Europäische Union handlungsunfähig, und ohne mehr Demokratie agiert sie ohne Legitimität. Deshalb ist es so wichtig, dass wir eine Einigung über den Verfassungsvertrag erreichen.

Meines Erachtens müssen wir nach dem Erfolg des deutschen Vorsitzes beim Treffen in Berlin nunmehr darauf hinarbeiten.

Ich hoffe, dass der Europäische Rat im Juni diesen Punkt eingeplant hat. Es muss keine Einstimmigkeit geben, meiner Ansicht nach ist es sehr wichtig, das Mandat festzulegen. Und bei der Bestimmung des Mandats der Regierungskonferenz – und hier spricht ein Hochschullehrer – müssen wir diejenigen berücksichtigen, die das Examen bestanden haben, in einigen Fällen mit Auszeichnung, und wir müssen denen helfen, die nicht bestanden haben, aber wir dürfen nicht nur jene in Betracht ziehen, die durchgefallen oder nicht zur Prüfung angetreten sind.

Die Mitgliedstaaten, die die Verfassung ratifiziert haben, sind ihrer Verpflichtung nachgekommen, und das müssen wir berücksichtigen, wenn dieses Mandat errichtet wird.

Hier hieß es völlig zu Recht, dass dieses Parlament durch Sie, Herr Präsident, einen entscheidenden Beitrag zur Berliner Erklärung geleistet hat. Ich glaube, dass wir das Gleiche für die Regierungskonferenz beabsichtigen: Wir wollen alle dem Europäischen Rat helfen, da die Kommission Bestandteil der Regierungskonferenz ist, da die nationalen Parlamente das Ergebnis dieser Konferenz ratifizieren werden. Aber wir wollen einen entscheidenden Beitrag leisten, um sicherzustellen, dass die Regierungskonferenz mindestens ein ebenso großer Erfolg wird wie die Berliner Erklärung.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. Herzlichen Dank, Íñigo Méndez de Vigo. Ich möchte Ihnen ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung als der Koordinator der EVP-ED-Fraktion danken.

 
  
MPphoto
 
 

  Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die Feier in Berlin, die die außerordentlich bedeutenden Errungenschaften der vergangenen 50 Jahre überschwänglich in Szene setzte, ist vorüber. Die Lichter der Party sind nun aber erloschen und wir finden uns mit der Tatsache konfrontiert, dass die europäischen Bürger von einem Gefühl der Gleichgültigkeit, der Verbitterung und vor allem der Sorge erfüllt sind. Sie sind davon überzeugt, dass es Europa unter den gegebenen Umständen keineswegs leicht fallen wird, Fortschritte zu machen.

Tröstlich ist, dass Kanzlerin Merkel begriffen hat, dass die vorrangige Aufgabe darin besteht, die Voraussetzungen für das Funktionieren der Mechanismen der Institutionen der Europäischen Union zu schaffen, da die Europäische Union der 27 künftige Herausforderungen gewiss nicht mit den gleichen Strukturen und der gleichen Organisation bewältigen kann, die sie schon hatte, als ihr nur 15 Staaten angehörten. Das ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Auffällig ist, dass die Berliner Erklärung, die von den 27 Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wurde, keinen Bezug auf die Europäische Verfassung enthält, das Thema, das uns am meisten beschäftigt. Die Schaffung des Amtes eines Präsidenten der Union und des Amtes eines Außenministers, die Reduzierung der Zahl der Kommissare, die neue Stimmengewichtung, die Erweiterung der Kompetenzen des Parlaments, die Abschaffung des Drei-Säulen-Systems, die Förderung der Institution der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und die Ausstattung der Europäischen Union mit einer Rechtspersönlichkeit sind einige der Vereinbarungen, die in der Europäischen Verfassung, die allerdings nicht angenommen wurde, getroffen wurden. Meines Erachtens sollten wir sie in einen neuen „Nizza II“-Vertrag einbinden und noch vor den Wahlen 2009 in die Praxis umsetzen.

Lassen Sie uns von den grandiosen Plänen Abschied nehmen. Lassen Sie uns zur Realität zurückkehren. Ich glaube, dass dieses Europa mit dieser realistischen Lösung die Zukunft meistern kann.

 
  
  

VORSITZ: LUISA MORGANTINI
Vizepräsidentin

 
  
MPphoto
 
 

  Margie Sudre (PPE-DE). (FR) Frau Präsidentin, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Die Berliner Erklärung ist an die Völker der EU gerichtet, auf dass sie sich des herausragenden Erfolgs bewusst werden, zu dem unsere gemeinsamen Anstrengungen geführt haben. Sie erinnert an unsere europäischen Werte und soll Grundlage einer neuen Vorstellungskraft sein, die über die Solidarität hinausgeht, die in den letzten fünfzig Jahren die Zusammenführung einiger gemeinsamer Politiken ermöglicht hat.

Wir müssen realistisch sein und die Europäer, ohne die derzeitigen Schwierigkeiten zu verheimlichen, davon überzeugen, dass der Aufbau eines starken und geeinten Europas nicht nur unentbehrlich ist, sondern für jedes unserer 27 Länder und alle 500 Millionen Bürger der EU eine Chance darstellt. Wenn wir sie für uns gewinnen möchten, müssen wir ihnen nicht nur konkrete Ergebnisse und handfeste Beweise für den Mehrwert der EU bieten, sondern auch eine optimistischere Haltung einnehmen, und das ist es, was Angela Merkel getan hat.

Die Europäer sind untereinander gespalten, was den Kurs der europäischen Politik angeht. Manche denken, dass Europa einen zu liberalen Weg einschlägt und sein eigenes Volk nicht ausreichend vor der Globalisierung schützt, während andere denken, dass es nicht protektionistisch genug ist. Wie immer, liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den beiden Extremen.

Unser Kontinent ist einer der wenigen Fixpunkte der Stabilität in einer zunehmend unberechenbaren Welt. Aus der Geschichte der einzelnen Mitgliedstaaten lassen sich Lehren ziehen, und unsere Kulturen weisen eine große Vielfalt auf. Sie sind für viele Völker Bezugspunkte. Unsere Wirtschaft ist im Allgemeinen gesund und weltoffen. Wir setzen uns unablässig für mehr Solidarität mit den ärmsten und instabilsten Regionen der Welt ein.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, die Ratspräsidentin zu würdigen, und zwar nicht nur ihre Errungenschaften, sondern auch ihre Bemühungen, die ihr Anliegen zum Ausdruck bringen, Europa voranzubringen und einen Weg aus dieser Sackgasse zu finden, in der wir uns nun seit einigen Monaten befinden. Dafür möchte ich ihr von ganzem Herzen danken.

 
  
MPphoto
 
 

  Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Herr Kommissionspräsident! Für uns, die Bürger Europas, die wir von jenseits des „Eisernen Vorhangs“ kommen, besitzen die Freiheit einschließlich des freien Marktes und das, was einst unser Nationalprodukt oder – wenn Sie so wollen – unsere regionale Spezialität war, nämlich die Solidarität, größte Bedeutung. Wir kennen auch den Preis für die Verteidigung dieser Werte. Jahrzehntelang haben wir davon geträumt, in die europäische Heimat freier Völker zurückzukehren. Als Heranwachsende haben wir die aus München ausgestrahlten verbotenen Hörfunkprogramme des Senders mit dem stolzen Namen „Radio Freies Europa“ gehört.

Und diesem Europa – einem freien und geeinten Europa – sind wir auch heute noch treu. Als Mitglieder der Europäischen Union haben wir das uneingeschränkte Recht, seine Zukunft mitzugestalten. Es reicht nicht mehr, das Wort „Europa, Europa“ im Mund zu führen, wir müssen uns vielmehr fragen: „Europa – ja, aber was für ein Europa?“ In das Projekt Europa sollten alle seine Mitglieder vollstes Vertrauen setzen. Es darf in der europäischen Debatte keine Tabuthemen geben.

Jedes Land kann den von den Franzosen und Niederländern abgelehnten Verfassungsvertrag erneut einer Analyse unterziehen und die Punkte in Frage stellen, die es für strittig hält.

Es darf jedoch nicht sein, dass der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Herr Schulz, jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um die Mitgliedstaaten in die Ecke zu stellen, die es wagen, eine andere Vorstellung von der künftigen institutionellen Form der Europäischen Union zu haben als er oder die von der Political Correctness abweichen, die die Linke uns aufzuzwingen sucht. Die vom deutschen Ratsvorsitz vorgeschlagene Debatte über den Vertrag sollte von Offenheit und Kompromissbereitschaft gekennzeichnet sein, selbst wenn es um solch schwierige Fragen wie ein neues und gerechtes Abstimmungsverfahren im Rat geht.

Zudem vermisse ich in der Berliner Erklärung jeglichen Bezug auf unsere christlichen Wurzeln.

Abschließend möchte ich den belgischen Politiker Paul-Henri Spaak, in dessen Gebäude wir uns heute befinden, zitieren, der 1957 Folgendes sagte:

(FR) Ich habe das schon einmal in Straßburg gesagt: Wenn die Gegenwart Vergangenheit geworden ist, wenn wir alle schon viele Jahre tot sind und man über das menschliche Abenteuer berichten will, das wir erlebt haben, wird man – unabhängig von unseren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen – nichts anderes sagen können, als dass die Menschen jener Zeit, jenes Jahrhunderts, gemeinsam das unermesslich große Abenteuer der christlichen Zivilisation gelebt haben.

 
  
MPphoto
 
 

  Elmar Brok (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Frau Bundeskanzlerin, es ist mir eine große Ehre, unter Ihrer Präsidentschaft sprechen zu dürfen. Lassen Sie mich einige wenige Bemerkungen machen. Erstens, und das ist mit der Berliner Erklärung deutlich geworden, hat Europa über die europäische Einigung ein Maß an Frieden, Freiheit und Prosperität erreicht, wie das in seiner gesamten Geschichte niemals zuvor der Fall war, und wahrscheinlich auch in der Menschheitsgeschichte einmalig ist.

Zweitens ist deutlich geworden, dass wir Herausforderungen gegenüberstehen, die die Nationalstaaten in vielen Bereichen, wie Terrorismus, Globalisierung, Außen- und Sicherheitspolitik und Energiesicherheit nicht mehr allein bewältigen können. Aus dieser Kombination wird deutlich, dass die Erfolgsstory der Europäischen Union überall dort stattgefunden hat, wo wir uns der Gemeinschaftsmethode bedient, mit einer gemeinsamen Rechtsordnung gearbeitet und die Methode Monet angewandt haben. Dies ist, glaube ich, der Grund dafür, dass auch der Verfassungsprozess auf dieser Grundlage geführt werden sollte, denn wir sind überall dort schwach, wo wir intergouvernemental tätig sind.

Dies bedeutet auch, dass wir, wenn wir jetzt in die neue Phase nach der Berliner Erklärung eintreten und der Verfassungsprozess wieder in Gang gesetzt werden soll, Wert darauf legen, dass diese Grundsätze der Gemeinschaftsmethode gewahrt werden. Dieser Verfassungsvertrag beinhaltet schon vieles, was wir brauchen, um den Herausforderungen zu begegnen.

Die Verfassung löst kein einziges Problem für sich, sie gibt aber den Rahmen der Legitimation und der Entscheidungsfähigkeit vor, damit wir dies schaffen können. Ich hoffe, dass aus diesem Grund allen 27 Staaten — und dies mit Unterstützung der Kommission — klar ist, dass sie schon gute Gründe haben müssen, wenn sie einem solchen Prozess nicht folgen. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Europäische Union als Gemeinschaft der 27 dieser Herausforderung entspricht und nicht in kleine Blöcke zerfällt, die dann entstehen würden, wenn die gesamte Gemeinschaft den Herausforderungen nicht gerecht werden könnte.

 
  
MPphoto
 
 

  Die Präsidentin. Ich erteile Präsident Barroso das Wort und möchte um Entschuldigung bitten für die Abwesenheit in diesem Hohen Haus, nicht der EP-Mitglieder, die dafür bekannt sind, sondern, insbesondere bei einem Thema wie dem hier von uns behandelten, der vielen, die sich an der Aussprache darüber beteiligt haben. Ich bin jedoch sicher, dass sie Ihre Rede lesen oder vielleicht am Bildschirm verfolgen werden.

 
  
MPphoto
 
 

  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, dies war eine interessante Diskussion. Ich hatte die eine oder andere Antwort auf einige konkrete Fragen vorbereitet, aber da die Damen und Herren Abgeordneten, die sie gestellt haben, nicht anwesend sind, kann ich sie vielleicht ein anderes Mal beantworten.

Gleichwohl möchte ich allgemein etwas zu der Kernfrage, um die es hier geht, sagen, nämlich zum Inhaltlichen und zum Verfahren. Wir brauchen beides. Wir müssen die großen Probleme, vor denen wir in Europa stehen, und die Probleme der Globalisierung bewältigen, wir müssen aber auch über die besten Verfahren und Institutionen verfügen. Ich stimme nicht mit denen überein, die die Debatte auf einen dieser Aspekte konzentrieren möchten. Wenn wir die Probleme lösen und wenn wir in der Lage sein wollen, eine Antwort auf die großen Herausforderungen zu finden, brauchen wir effizientere, demokratischere und kohärentere Institutionen.

Wir müssen auch die konstitutionelle Frage lösen. Ob wir den Vertrag nun „Verfassungs“-Vertrag nennen oder nicht – wir müssen diese Frage lösen, und deshalb möchte ich an Sie alle, meine Damen und Herren Abgeordneten, auch an diejenigen, die nicht den gleichen Enthusiasmus wie andere für die Idee der Verfassung zeigen, diesen Appell richten. Ich weiß, dass Sie das Bestreben, die Probleme pragmatisch zu lösen, mit mir teilen. Ich hoffe, dass Sie dazu Ihren Beitrag leisten und allen Regierungen der EU helfen werden, eine Lösung für den Prozess und für die Institutionen zu finden, denn wenn wir Ergebnisse vorweisen wollen, brauchen wir diese Institutionen.

In Bezug auf die Frage, wie die Zivilgesellschaft und die Bürger allgemein in die Debatte über die institutionelle Frage einbezogen werden können, möchte ich auch sagen, dass wir in der Kommission aktiv gewesen sind. Ich selbst bin vor der Annahme der Berliner Erklärung mit der Vizepräsidentin der Kommission, Frau Wallström, und den Führungskräften des Parlaments sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengekommen. Ich begrüße den heute von der Bundeskanzlerin Merkel dem Parlament unterbreiteten Vorschlag, im Mai eine Anhörung der Zivilgesellschaft durchzuführen. Die Kommission möchte diese Initiative unterstützen, wenn das Parlament diesen Vorschlag umsetzt.

Wir sind bereit, gemeinsam mit dem Parlament eine Debatte über diese Fragen ins Leben zu rufen, natürlich unter Wahrung des Verhandlungsspielraums zwischen den Regierungen, und deshalb möchte ich den Vorschlag der Bundeskanzlerin Merkel unterstützen.

(FR) Zum Abschluss werde ich auf Französisch sprechen, weil ich auf Herrn Poignants sehr wichtige Bemerkung eingehen möchte. Ich möchte ihm dafür danken, dass er, mit einem gewissen Humor, einen wesentlichen Punkt angesprochen und gezeigt hat, dass Menschen unterschiedlicher politischer und ideologischer Überzeugung und trotzdem vom selben europäischen Geist getragen sein können. Darin liegt eine Lehre für uns alle. Ich glaube, dass dies unser europäisches Projekt sehr gut zusammenfasst, das zu einem großen Maße über unseren politischen und ideologischen Unterschieden steht. Man mag sich eher der Linken oder der Rechten oder der Mitte zugehörig fühlen, aber was wir brauchen ist eine Koalition des europäischen Geistes. Das ist eine Lehre für uns alle, und ich möchte Ihnen dafür danken, Herr Poignant, so wie ich auch denjenigen danke, die als Mitglieder verschiedener politischer Familien diesen Geist – wenn auch sicherlich in verschiedenen Schattierungen – teilen, denn nur mit diesem Geist, den ich in Berlin empfunden habe, können wir die großen Erwartungen, die Europa an uns stellt, erfüllen.

Zum Thema Solidarität möchte ich insbesondere bestimmten Mitgliedern dieses Parlaments, die Parteien mit einer eher skeptischen Sicht des Aufbauwerks angehören, sagen, dass nicht vergessen werden darf, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist, und dass Sie nicht vergessen sollten, dass wahrscheinlich der Tag kommen wird, an dem auch Ihr eigenes Land konkret die Solidarität der anderen brauchen wird. Wir müssen also alle Solidarität zeigen und verstehen, dass wir nur in diesem Geist eine institutionelle Regelung erreichen und, vor allem, die großen Herausforderungen Europas bewältigen können.

 
  
MPphoto
 
 

  Die Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kommissionspräsident.

Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
MPphoto
 
 

  Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. (FR) In meiner Eigenschaft als französischer Vertreter der EU-Bürger im Europäischen Parlament möchte ich zunächst meiner großen Achtung und Bewunderung für den Präsidenten der Französischen Republik, meinen Freund Jacques Chirac, Ausdruck verleihen, der am 25. März 2007 in Berlin ein letztes Mal als Staatschef an einem Gipfeltreffen des Europäischen Rates teilnahm und dessen Schritte zum Schutz eines starken, unabhängigen Frankreichs innerhalb einer starken und geeinten Europäischen Union stets von Klarsicht, Sachverstand und Menschlichkeit geprägt waren.

Obwohl ich enttäuscht bin, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die die Bürger und Völker Europas repräsentieren, nicht in die Berliner Erklärung einbezogen wurden, begrüße ich die in ihr enthaltene Bekräftigung des Wunsches, das europäische Aufbauwerk weiterzuführen, sowie die Verkündung unserer Werte und die Tatsache, dass sie die Europawahlen 2009 als Frist für die Regelung der institutionellen Fragen festlegt. Ich gratuliere Angela Merkel, der amtierenden Ratspräsidentin und deutschen Kanzlerin, meinem Freund Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, und José Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, für ihre geleistete Arbeit.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen