Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Joost Lagendijk im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Zukunft des Kosovo und die Rolle der EU (2006/2267(INI)) (A6-0067/2007).
Joost Lagendijk (Verts/ALE), Berichterstatter. – (NL) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei einem Rückblick auf den seit 1999 vertretenen Standpunkt dieses Parlaments zum Kosovo kann meines Erachtens nur ein Fazit gezogen werden: Der vorliegende Bericht ist die logische Konsequenz eines langen Beratungsprozesses, den wir in diesem Haus geführt haben und bei dem wir in den letzten beiden Jahren im Wesentlichen zu zwei Schlussfolgerungen gelangt sind.
Die erste Schlussfolgerung ist, dass der derzeitige Status quo im Kosovo keine Option darstellt, da eine solche unerwünscht – äußerst unerwünscht – wäre. Zweitens muss der Kosovo unter allen Umständen, ob es uns nun gefällt oder nicht, in den Genuss einer gewissen Form der Unabhängigkeit gelangen, die allerdings noch genau zu bestimmen sein wird.
In meinem Bericht habe ich zusammenzufassen versucht, wie sich diese allgemeine Position, diese allgemeine Schlussfolgerung in der Praxis auswirken wird. Mit anderen Worten, was wäre nach Ansicht des Parlaments das erstrebenswerteste Ergebnis der im Sicherheitsrat geführten Beratungen über den Status des Kosovo?
Lassen Sie mich ein paar elementare Punkte herausstellen. Der Kosovo muss Zugang zu Einrichtungen wie der Weltbank und dem IWF erhalten, um endlich seine wirtschaftlichen Probleme anpacken und seinen wirtschaftlichen Aufschwung einleiten zu können.
Zweitens muss der multiethnische Charakter des Kosovo erhalten bleiben, was vorläufig am besten durch eine sowohl militärische wie zivile internationale Präsenz gewährleistet ist – sprich, durch die Europäische Union. Dies bringt mich zu dem Schluss, dass der EU eine Schlüsselrolle zufällt, sobald dieser Status festgelegt sein wird. Der Europäischen Union – also uns – obliegt es, dafür Sorge zu tragen, dass die kosovarischen Behörden ihr Land weiter in Richtung eines demokratischen multiethnischen Landes führen, das letztendlich der Europäischen Union beitreten kann, und sofern wir ausreichend und rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden, sind wir im Parlament bereit, die für diese Rolle, für diese Aufgaben erforderlichen Haushaltsmittel bereitzustellen.
Schließlich ist der Kosovo wegen der NATO-Intervention 1990, vor allem aber deswegen, weil dieser Teil Serbiens fast acht Jahre unter UN-Verwaltung gestanden hat, ein einmaliger Fall. Dies bedeutet zugleich, dass die jetzt für die gegenwärtige Situation gesuchten Lösungen einmalig sind und nicht zur Lösung von Konflikten in anderen Teilen der Welt herangezogen werden können.
Bis hierher dürfte die Mehrheit dieses Hauses mir wohl beipflichten. Bei der Diskussion über diesen Bericht in der vergangenen Woche stand nun nicht der von mir soeben dargelegte Inhalt im Vordergrund, sondern die Frage, welches Etikett die angestrebte Situation tragen sollte, anders gesagt, welches Wort wir zur Beschreibung dieser optimalen Situation nach der Unabhängigkeit gebrauchen wollen. Ist es eine überwachte Unabhängigkeit, ist es eine überwachte Souveränität, oder sollten wir vielleicht überhaupt von jeglicher Etikettierung absehen?
Denen, die sich vorerst noch nicht dazu äußern wollen, wie diese Situation bezeichnet werden soll, möchte ich sagen, dass die Europäische Union unbedingt mit einer Stimme sprechen und geschlossen auftreten muss, nicht nur hier in Brüssel, sondern auch im Sicherheitsrat in New York sowie nicht zuletzt in diesem Haus. Wenn wir uns in dem Endziel einig sind, weshalb sagen wir es dann nicht? Dies hätte einen positiven Einfluss auf die schwierigen Beratungen in Brüssel und in New York, und für Russland – das sich entschieden gegen eine künftige Unabhängigkeit ausgesprochen hat – wäre es schwieriger, die Mitglieder der Europäischen Union gegeneinander auszuspielen.
Ein weiteres Argument dagegen, schon jetzt Klarheit zu schaffen, ist die Frage, weshalb wir in diesem Hause den Weg weisen, weshalb wir als erstes EU-Organ uns so eindeutig hinsichtlich des Endergebnisses festlegen sollen; dazu möchte ich bemerken, dass seit Montag dieser Woche jemand anders die Initiative übernommen hat, nämlich Martti Ahtisaari, der Sondergesandte des Generalsekretärs, der in seiner Empfehlung an den Sicherheitsrat erklärte, „der Status des Kosovo sollte eine durch die internationale Gemeinschaft überwachte Unabhängigkeit sein“.
Diese Schlussfolgerung fand die uneingeschränkte Zustimmung von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Mit anderen Worten, die Führung wird von anderen übernommen, und ich hielt es nur für richtig, dass dieses Haus klar zum Ausdruck bringt, was von uns gewünscht wird. Das heißt, wir müssen die Empfehlung von Herrn Ahtisaari unterstützen, indem wir unmissverständlich bekunden, dass unserer Auffassung nach eine überwachte Form der Souveränität das beste Ergebnis des Prozesses wäre.
Wir in diesem Haus sind Parlamentarier, Politiker. Wir sind keine Diplomaten. Ich würde mich freuen, morgen mit Ihrer Unterstützung meines Berichts hier im Plenum rechnen zu können. Ich werde nicht ruhen, bis sich das Parlament unmissverständlich dazu äußert, worin unserer Ansicht nach das Endziel bestehen sollte. Nach meinem Dafürhalten sollte es eine durch die EU überwachte Souveränität sein. Auf eine solche Klarheit haben die Kosovaren Anspruch, haben die Serben Anspruch und haben auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger Anspruch.
Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrter Herr Kollege Lagendijk, meine Damen und Herren! Der Prozess zur Bestimmung des künftigen Status des Kosovo — das momentan drängendste politische Problem auf dem westlichen Balkan — tritt in seine letzte und entscheidende Phase. Am 26. März hat der UNO-Generalsekretär den Statusvorschlag des Sondergesandten der Vereinten Nationen, Martti Ahtisaari, an den Sicherheitsrat in New York übermittelt. Voraussichtlich am 3. April wird der Sondergesandte den Mitgliedern des Sicherheitsrats seinen Vorschlag persönlich erläutern.
Die Außenminister der Europäischen Union haben sich auf dem Rat vom 12. Februar eingehend mit dem Lösungsvorschlag beschäftigt. Sie sprachen Präsident Ahtisaari ihre volle Unterstützung aus. Sie stellten fest, dass der Statusvorschlag darauf abzielt, im Kosovo den Aufbau einer multi-ethnischen und demokratischen Gesellschaft auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Sie haben auch die Überzeugung geäußert, dass die Vorschläge des Sondergesandten die Grundlage für eine nachhaltige wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kosovo schaffen sowie zur Stabilisierung der Region beitragen werden.
Im Februar und März hatten erneute Gesprächsrunden zwischen Belgrad und Priština über die Vorschläge stattgefunden, zunächst auf Expertenebene sowie am 10. März auch auf höchster politischer Ebene.
Als Ergebnis der Gespräche hat Präsident Ahtisaari einige der bereits sehr weitgehenden Bestimmungen zum Schutz der Kosovo-Serben und der serbisch-orthodoxen Kirche noch weiter ausgedehnt.
Insgesamt haben die Gespräche jedoch gezeigt, dass die Divergenzen zwischen beiden Seiten unüberbrückbar sind. Priština hat dem Statuspaket im Ergebnis zugestimmt, während Belgrad es abgelehnt hat. Präsident Ahtisaari hat daraufhin am 10. März die Gespräche für beendet erklärt und angekündigt, seinen Statusvorschlag umgehend an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu leiten. Nach Auffassung der Präsidentschaft völlig zu Recht. Denn auch wenn die Verhandlungen noch Wochen oder Monate andauern würden – die einjährigen Direktverhandlungen zwischen Belgrad und Priština haben gezeigt, dass eine gemeinsam getragene Kompromisslösung nicht näher rückt. Im Gegenteil: In der letzten Verhandlungsrunde hatten sich die Positionen der Parteien sogar wieder verhärtet.
Mit der am vergangenen Montag erfolgten Übermittlung des Statusvorschlags an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist der Prozess zur Bestimmung des Kosovo-Status in seine letzte und entscheidende Phase getreten.
Zum Auftakt dieser Phase ist es von entscheidender Bedeutung — Sie haben gerade darauf hingewiesen, Herr Lagendijk —, dass die Europäische Union nach außen hin geschlossen auftritt und mit einer Stimme spricht. Je sichtbarer die Einigkeit der EU, desto geringer das Risiko einer dauerhaften Blockade im Sicherheitsrat. Die Präsidentschaft der Europäischen Union geht davon aus, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung gerecht wird, und hofft, dass er den Vorschlag zeitgerecht billigen wird.
Einige Worte zur künftigen Rolle der Europäischen Union im Kosovo.
Die Europäische Union ist bereit, bei der Umsetzung der Statusregelung eine wichtige Rolle zu übernehmen. Die Vorarbeiten der Europäischen Union für unseren Beitrag zu einer internationalen Präsenz im Kosovo nach der Regelung der Statusfrage kommen gut voran.
Die Vorarbeiten der EU konzentrieren sich auf folgende drei Bereiche: Erstens auf die Unterstützung für die vorgeschlagene internationale zivile Präsenz. Unser EU-Vorbereitungsteam für diese künftige internationale zivile Präsenz arbeitet vor Ort auch eng mit KFOR, UNMIK und der Führung des Kosovo zusammen, um die Einrichtung und Arbeitsaufnahme des International Civilian Office (ICO) gezielt vorzubereiten.
Zweitens auf die Vorbereitung der ESVP-Rechtsstaatsmission, bei deren Planung wir bereits große Fortschritte gemacht haben. Wir rechnen damit, dass die Europäische Union ein Mandat erhält, das die Überwachung, die Begleitung und die Beratung der lokalen Behörden im weiter gefassten Bereich der Rechtsstaatlichkeit umfasst. Wir rechnen außerdem damit, dass vom Mandat Exekutivbefugnisse in einigen polizeilichen Bereichen abgedeckt werden, einschließlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Menschenansammlungen und Unruhen sowie im Justiz- und Zollbereich. Unsere Planung ist flexibel und wird gegebenenfalls an die Entwicklungen der Lage angepasst.
Drittens konzentrieren sich die Vorarbeiten auf die Konkretisierung der europäischen Perspektive des Kosovo und auf die Unterstützung für seine wirtschaftliche und soziale Entwicklung.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir das Interesse des Europäischen Parlaments am Kosovo, das auch im vorliegenden Berichtsentwurf zum Ausdruck kommt. Der Bericht von Ihnen, Herr Lagendijk, unter dem Titel „Die Zukunft des Kosovo und die Rolle der Europäischen Union“ stellt einen wertvollen Beitrag zu den internationalen Bemühungen zur Förderung einer dauerhaften Lösung im Kosovo dar.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Prozess zur Klärung des Status des Kosovo in eine entscheidende Phase eintritt. Dabei steht die EU vor einer doppelten Herausforderung. Erstens, ihre Einigkeit bei der gemeinsamen Suche mit unseren internationalen Partnern nach einer dauerhaften Lösung für den Kosovo, Serbien und die Region insgesamt zu bewahren und, zweitens, ihre Vorbereitungen für die Unterstützung der internationalen Bemühungen zur Umsetzung des Status zu intensivieren.
Die Kosovo-Statuslösung ist der Endpunkt der Auflösung des ehemaligen Jugoslawiens. Sie ist ein Fall sui generis und kann daher keinerlei Präzedenz für andere so genannte frozen conflicts setzen. Die Statuslösung ist eine Grundvoraussetzung für die Stabilisierung des Kosovo, Serbiens und der gesamten Region. Dauerhafte Stabilität auf dem westlichen Balkan — die Konflikte der neunziger Jahre haben dies belegt — ist eine zentrale, ja vitale Frage europäischer Sicherheit. Wie auch in vielen anderen Bereichen ist dabei unsere Einigkeit und Geschlossenheit ein wesentlicher Schlüssel, um eine dauerhafte Lösung zu erreichen.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Lagendijk, und den Abgeordneten für ihre bedeutende und intensive Arbeit an diesem Bericht danken.
Wie ich hier bereits sagte, wurden der Bericht und der Vorschlag des Sondergesandten Ahtisaari am Montag dem Sicherheitsrat übergeben. Ich schließe mich dem UN-Generalsekretär, Ban Ki-Moon, und der EU-Ratspräsidentschaft an und befürworte den Bericht und den Vorschlag von Herrn Ahtisaari.
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die beiden Parteien in einer idealen Welt selbst in der Lage gewesen wären, einen annehmbaren Kompromiss zu erzielen. Bei den 14-monatigen Verhandlungen wurde zu mehreren praktischen Aspekten der Regelung ein gemeinsamer Standpunkt erzielt. Bedauerlicherweise sind Belgrad und Priština in der entscheidenden Statusfrage selbst nach wie vor genau entgegengesetzter Ansicht.
Mit Herrn Ahtisaaris Vorschlag soll die Bildung einer demokratischen, multiethnischen und auf rechtsstaatlichen Prinzipien basierenden Gesellschaft im Kosovo gefördert werden. Sein Vorschlag enthält weitreichende Bestimmungen, mit denen allen Gemeinschaften im Kosovo eine Zukunft gesichert werden soll und die religiösen Stätten und das Kulturerbe geschützt werden sollen.
Wie Herr Lagendijk zu Recht betonte, ist das Wichtigste an einer Entscheidung zum Kosovo die Einigkeit Europas, hier und in New York. Wir müssen im UN-Sicherheitsrat konsequent und entschlossen hinter Herrn Ahtisaari und seinem Vorschlag stehen. Eine Aufschiebung der Entscheidung bringt keinerlei Vorteile mit sich. Die UNO verwaltet den Kosovo nunmehr seit acht Jahren und der Status quo ist definitiv nicht tragbar. Deswegen erwarte ich vom Sicherheitsrat, dass er seinen Aufgaben im Geiste des verantwortungsvollen Multilateralismus gerecht wird und den Prozess bald erfolgreich abschließt.
Sobald die Statusfrage geklärt ist, beginnt die Durchführungsphase, die selbstverständlich eine eigene Entstehungsgeschichte haben wird. Auch hier muss die EU geschlossen handeln. Sie wird sowohl bei der Leitung internationaler ziviler Missionen als auch bei der Unterstützung der europäischen Perspektive für den Kosovo eine führende Rolle übernehmen müssen. Das wird den Einsatz all unserer Instrumente und beachtliche Ressourcen erfordern. Wir haben für den westlichen Balkan und den Kosovo keine Ausgangs-, sondern nur eine Eingangsstrategie.
Ich möchte hervorheben, dass lokale Eigenverantwortung und eine Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft der Schlüssel zum Erfolg sind, wenn es um die Durchsetzung des Status geht. Die EU und ihre internationalen Partner können die Bemühungen des Kosovo selbst nicht ersetzen, weder was den politischen Willen, noch was die Ressourcen angeht. Aber wir können ihm behilflich sein, und die Regelung der Statusfrage hat ihren Preis.
Wie hoch der Finanzbedarf des Kosovo nach der Gewährung des Status sein wird, können wir nicht genau sagen, aber Schätzungen zufolge könnte in den ersten drei Jahren nach der Regelung der Statusfrage internationale Hilfe in Höhe von rund 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro erforderlich sein.
Dabei werden vier Hauptbereiche abgedeckt werden müssen: Der Anteil des Kosovo an den Schulden Jugoslawiens, die Kosten für die Durchsetzung des Status, der Finanzbedarf für die wirtschaftliche Entwicklung und die Kosten für die internationale Präsenz, einschließlich der geplanten ESVP-Mission, die voraussichtlich die größte zivile Krisenmanagementmission sein wird, die die Europäische Union je entsendet hat. Im Kosovo werden aller Wahrscheinlichkeit nach 1500 bis 2000 internationale Mitarbeiter tätig sein.
Wir alle wissen, dass die EU momentan wichtige außenpolitische Herausforderungen in anderen Gebieten wie dem Nahen Osten, Afghanistan und Darfur bewältigen muss. Der Kosovo ist nicht die einzige Priorität, die finanzielle Unterstützung benötigt. Aber beim Kosovo hat Europa eine besondere Verantwortung, da er an uns angrenzt und künftig zu unserem Hoheitsgebiet gehören wird. Am Freitag werde ich bei der Tagung der EU-Außenminister in Bremen, der Gymnich-Tagung, darauf hinweisen, dass die Mittel nicht allein aus dem EU-Haushalt kommen dürfen. Die EU-Mitgliedstaaten und unsere Partner in der internationalen Gemeinschaft müssen sich die Verantwortung teilen. Die Kommission wird ein Finanzierungspaket zusammenstellen, das das Ausmaß unserer Verantwortung widerspiegelt. Dabei zähle ich auf Ihre Unterstützung, da eine starke Unterstützung seitens der Haushaltsbehörde erforderlich ist, um ein glaubwürdiges Finanzpaket zu schnüren.
Ein letztes Wort noch zu Serbien: Ich versichere Ihnen, dass die EU sich der europäischen Perspektive Serbiens nach wie vor uneingeschränkt verpflichtet fühlt. Wir sind bereit, mit einer neuen Regierung auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Nun ist es an der neuen Regierung Serbiens, die Bedingungen zu erfüllen, um die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union wieder aufzunehmen.
Es ist ein starkes Engagement Serbiens erforderlich, um den Statusprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wir werden einem Serbien, das Vertrauen in seine europäische Zukunft hat, dabei helfen, das Vermächtnis der Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Erika Mann (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. – Frau Präsidentin! Ich werde nur auf einige wenige Punkte eingehen, die wir im Ausschuss für internationalen Handel besprochen haben. Ich selbst bin mehrmals im Kosovo gewesen, in beiden Teilen, sowohl in Priština als auch in Mitrovica, und kann die Lage relativ gut bewerten. Uns liegt besonders am Herzen, dass man die wirtschaftliche und die Handelssituation sehr genau betrachtet, weil wir der Meinung sind, dass nur durch eine wirtschaftliche Stabilität eine langfristige Sicherheit in der gesamten Region gegeben ist.
Die Situation ist überaus problematisch. Die Infrastrukturen sind sehr schwach, Schlüsselindustrien müssen komplett modernisiert und renoviert werden. Es gibt kleine, mittelständische Betriebe, die zwar sehr innovativ sind, die aber viel mehr finanzielle Unterstützung bekommen müssen, sowie eine sehr junge Bevölkerung, die integriert werden muss und die Arbeitsplätze braucht. Das alles ist nur im Rahmen der Integration der Europäischen Union zu schaffen. Integration aber nicht in dem Sinne, dass wir sofort für eine Aufnahme in die EU plädieren, sondern dass wir vor allem das Konzept der Freihandelszonen vollständig ausbauen, damit es auch wirklich funktioniert. Mit vielen Balkanstaaten sind ja bereits Abkommen unterzeichnet worden; sie müssen aber auch tatsächlich funktionsfähig sein.
Wir plädieren auch sehr dafür, dass die exzellente Arbeit, die bis jetzt vor allem im Bereich des vierten Pfeilers von der Europäischen Union geleistet wurde, in die neuen Strukturen übergeführt wird, damit es nicht zu einer vollständigen Überholung der Systeme kommt.
Bernd Posselt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! 1912 wurde der Kosovo als zu 90 % von Albanern bewohnte Region ohne Volksabstimmung Serbien zugesprochen. Er durchlief ein wechselvolles Schicksal, bis Ende der 80er Jahre der Kriegsverbrecher Milošević die Autonomie des Kosovo gegen die jugoslawische Verfassung aufhob. Ein brutales Apartheid-Regime wurde installiert, die Albaner durften weder Kindergärten, noch Schulen und Universitäten besuchen, sie unterlagen einem Berufsverbot, sie durften nicht einmal in öffentliche Schwimmbäder. Es gab ein unvorstellbar grausames System, das ich aus eigener Erfahrung kenne.
Dann kam die Massenvertreibung des Jahres 1998, die nur durch eine Nato-Intervention gestoppt werden konnte, als die Mehrheit der Landesbevölkerung schon über die Grenzen des Landes vertrieben worden war. Die Vereinten Nationen etablierten eine Verwaltung, und nun stehen wir vor einem Neuanfang. Wie kann die Zukunft aussehen? Wenn wir unsere Pflicht tun, wenn wir die Statusfrage rasch, einvernehmlich und geschlossen klären, und auch als EU die Verantwortung internationaler Präsenz im Kosovo übernehmen, dann kann der Kosovo binnen kurzer Zeit eine multiethnische Demokratie mit dem weitestgehenden Minderheitenrecht der Welt sein. Denn das, was im Bericht Ahtisaari steht, ist die weitestgehende Minderheitenregelung der Welt, mit einer EU-Perspektive und auch durchaus mit einer wirtschaftlichen Perspektive.
Hier möchte ich die Kollegin Mann unterstützen. Das Land war jahrzehntelang vernachlässigt. Es braucht Investitionen für eine junge, arbeitslose Bevölkerung, und die wird es nur geben, wenn die Statusfrage geklärt ist, wenn Rechtssicherheit gegeben ist — deshalb müssen wir uns auf Justiz und Inneres konzentrieren —, wenn Friede herrscht und wenn gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Serbien bestehen.
Ich kann an die serbischen Politiker nur appellieren: General De Gaulle hat einmal von der paix des braves, vom Frieden der Tapferen, gesprochen. Die Serben und die Albaner haben dann eine gute, gemeinsame, europäische Zukunft als benachbarte europäische Völker ...
(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)
Csaba Sándor Tabajdi, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte den Berichterstatter, Herrn Lagendijk, zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Die Lösung durch eine stabile, dauerhafte und lebensfähige Regelung für den Kosovo ist von entscheidender Bedeutung für die Stabilität der gesamten westlichen Balkanregion. Eine solche Form der Regierung hat es in Hinblick auf mögliche Änderungen der Grenzen seit dem Zweiten Weltkrieg, seit dem Friedensvertrag von Paris, nie gegeben.
Die Europäische Union hat und wird weiterhin eine entscheidende und besondere Verantwortung haben, indem sie vor Ort im Kosovo international präsent ist und damit die Vereinten Nationen ablöst. Dies ist der größte Test für die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union, die derzeit im Entstehen begriffen ist.
Nötig ist eine gerechte und ausgewogene Lösung. Die internationale Gemeinschaft kann nicht einer der beiden Parteien – den Kosovo-Albanern – den Vorzug geben, und die andere Partei, die Serben, bestrafen. Es muss eine gerechte Lösung gefunden werden. Sobald der Sicherheitsrat den endgültigen Status des Kosovo festgelegt hat, müssen die Probleme des Einflusses berücksichtigt werden, die der Status des Kosovo auf die gesamte Region, auf die Stabilität in ganz Mitteleuropa, auf die Lage innerhalb Serbiens und auf die Einsetzung einer neuen serbischen Regierung hat.
Die sozialdemokratische Fraktion unterstützt Herrn Lagendijks Bericht, und wir billigen den Ahtisaari-Plan, der eine ausgezeichnete Grundlage ist. Aber nicht die Europäische Union wird über den endgültigen Status des Kosovo entscheiden; für diese Frage ist der Sicherheitsrat zuständig. Wir Sozialdemokraten glauben, dass, sobald der Sicherheitsrat einen Beschluss gefasst hat, der endgültige Status in die Dokumente des Europäischen Parlaments aufgenommen werden muss. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokraten beglückwünschen Herrn Lagendijk, und wir bitten das Hohe Haus, unseren Vorschlag zu unterstützen, die Festlegung des endgültigen Status zu vertagen.
Lapo Pistelli, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Obgleich die Europäische Union nicht die außenpolitischen Befugnisse besitzt, die sich viele von uns für sie wünschen würden, ist unsere heutige Aussprache über das Kosovo von größerer politischer Bedeutung als sie es unter anderen Umständen wäre, vor allem weil die Debatte und die Annahme des Berichts Lagendijk zu einem Zeitpunkt erfolgen, da politisch noch alles im Fluss ist, wo sich die Ereignisse Woche für Woche überschlagen und einzelne Beteiligte noch Einfluss darauf nehmen können. Ich halte es daher für äußerst angebracht, dass das Europäische Parlament morgen eine klare Stellungnahme abgibt – und die Europäische Union sozusagen übermorgen. Wenn möglich, sollte das morgen mit großer Mehrheit im Parlament und in einigen Wochen möglichst einstimmig im Rat geschehen.
Ich finde es interessant, dass die Einschätzungen, die wir bisher von Herrn Lagendijk, vom Rat und von der Kommission gehört haben, weitgehend übereinstimmen. Das halte ich für eine vielversprechende Voraussetzung. Ich möchte kurz auf fünf Punkte zu sprechen kommen. Erstens: Die Zukunft des Balkan und des Kosovo liegt in Europa. Der erste klare Schritt, den wir unternehmen können, um ein bisschen Ruhe in diese Regionen zu bringen, besteht darin, allen – sowohl Serbien als auch dem Kosovo – eine positive Perspektive, nämlich die Integration in die Europäische Union, zu bieten. Das ist ein Ziel, das in ihrem, aber auch sehr in unserem Sinne ist, insbesondere um ein Gebiet, das andernfalls instabil wird, in ein Gebiet dauerhaften Friedens, wirtschaftlicher Entwicklung und multiethnischer Demokratie zu verwandeln.
Zweitens: Es gilt, den institutionellen Schwebezustand zu überwinden, der sich nach 1999 herausgebildet hat, und deshalb müssen wir den Bericht von Martti Ahtisaari und den – hoffentlich einstimmig ausfallenden – Standpunkt, den die Europäer im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten werden, unterstützen.
Drittens: Unabhängigkeit ist das Endergebnis, das die ganze Bevölkerung des Kosovo anstrebt und das auch im Lagendijk-Bericht erwähnt wird, was teilweise auf die von uns eingereichten Änderungsanträge zurückzuführen ist. Vielleicht werden uns die Historiker vorwerfen, dass es ein Fehler war, keine alternativen Optionen vorzusehen. Doch das ist heute eine Realität, die auch der serbischen Führung wohlbewusst ist. Sie muss politisch beruhigt und darf nicht erniedrigt werden. Man muss sich klar machen, dass Serbien in symbolischer Hinsicht das Kosovo nie aufgegeben hat, dass es jedoch zugleich eine Tatsache ist, dass sich das Kosovo seit Jahren außerhalb der serbischen Einflusssphäre befindet.
Schlussendlich muss das Europäische Parlament den Ahtisaari-Plan unterstützen – und ich sage es noch einmal, dies muss einstimmig geschehen –, in der Hoffnung, dass dasselbe auch in einigen Wochen im Rat passiert.
Frau Präsidentin, eine letzte Bemerkung: In der Haushaltsdebatte des Europäischen Parlaments, die wir in wenigen Wochen führen werden, müssen wir für Übereinstimmung zwischen unseren politischen Erklärungen und den Finanzinstrumenten sorgen, die wir bewilligen, um das Kosovo bis zum endgültigen Ergebnis zu begleiten.
Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich meinen Kollegen anschließen und dem Berichterstatter für die Arbeit an diesem Bericht danken. Wenn wir über den Kosovo sprechen, neigen wir oft dazu, rein theoretisch über ihn nachzudenken, obwohl er die letzte Stütze der äußerst zersplitterten europäischen Region des westlichen Balkans ist. Meines Erachtens ist es unser aller Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass wir so klar wie möglich zum Ausdruck bringen, dass der demokratische Wille der Menschen im Kosovo geachtet wird, dass die Statusfrage geklärt wird und dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht, wenn es um das weitere Vorgehen geht.
Der Fahrplan wurde uns bereits durch den Plan von Herrn Ahtisaari vorgelegt, der sehr klar und prägnant ist, was die Art des Schutzes und die Mechanismen betrifft, die geschaffen werden können, um die Achtung und Wahrung der Rechte der Kosovaren zu gewährleisten. Am wichtigsten ist jedoch, dass auch die Minderheiten im Kosovo geschützt und vertreten sind und nicht Teil eines eigenartigen Staates werden, in dem sie keinen Einfluss nehmen oder keine Rolle spielen können.
Am allerwichtigsten ist jedoch Folgendes: Wenn wir aus der Geschichte irgendetwas gelernt haben – durch das Beispiel der Schaffung der Europäischen Union oder der Konfliktlösung in anderen Gebieten des europäischen Kontinents –, dann das, dass wir nur durch bessere und engere Beziehungen zu unseren Nachbarn das erreichen können, was man gerechten und dauerhaften Frieden nennt. Aus diesem Grund dürfen wir Serbien nicht ignorieren. Auch wenn viele von uns Serbien für seine Taten in der Vergangenheit und vielleicht für seine Unnachgiebigkeit in der Gegenwart kritisiert haben, hegt das Land berechtigte Bedenken, auf die eingegangen werden muss. Ebenso hat die serbische Minderheit im Kosovo Bedenken, die es zu berücksichtigen gilt.
Wir müssen als Garant dieser Rechte fungieren. Wir müssen zeigen, wie sich am besten der Frieden und die Stabilität erreichen lassen, die uns allen für diese Region Europas so sehr am Herzen liegen. Zurzeit gehören 213 irische Soldaten den im Kosovo stationierten KFOR-Truppen an. Sie spielen bei der Schaffung von Frieden und Stabilität eine unschätzbare Rolle. Wie mein Vorredner sagte, sollten wir, wenn wir künftig über den Haushaltsplan der Europäischen Union abstimmen, an den Aspekt der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik denken, da dies ein Bereich ist, in dem wir erfolgreich sind.
Gisela Kallenbach, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Eine einfache Lösung zur Zukunft von Rest-Jugoslawien einschließlich des Kosovo gibt es nicht. Die Lösung wird aber auch nicht einfacher, wenn man die Probleme nur vor sich herschiebt. Im Gegenteil. Daher bin ich froh, dass nach acht Jahren internationaler Verwaltung ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch des UN-Sicherheitsrates liegt. Ich appelliere an Sie, stimmen wir diesem Vorschlag zu, weil er sich mit dem Bericht von Joost Lagendijk im Wesentlichen trifft. Die Kosovaren, gleich welcher ethnischen Herkunft, aber auch die Serben müssen aus dem Zustand der Ungewissheit heraus. Nur dann ist auch die dringend nötige wirtschaftliche Entwicklung als ein Schritt zur europäischen Integration möglich. Jede Verzögerung bei der jetzigen Entscheidung und der folgenden europäischen Integration würde sonst der Region, aber auch der Europäischen Union teuer zu stehen kommen.
Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Unsere Fraktion wird in ihrer überwiegenden Mehrheit gegen diesen Bericht stimmen. Das hat vor allem damit zu tun, dass hier sehr fahrlässig mit dem Völkerrecht umgegangen wird, ähnlich wie dies im Bericht Ahtisaari selbst der Fall ist. Ahtisaari hat vorgeschlagen, dass es so etwas wie ein Nachfolgeprojekt von UNMIK von Seiten der EU geben soll. D. h. UNMIK würde mit anderen Mitteln fortgesetzt, einschließlich der so genannten Kosovo-Treuhandagentur, die im Kosovo vor allem Privatisierungen durchgeführt hat, was vor Ort zu sehr problematischen Verhältnissen geführt hat.
Wir sagen ganz klar: Hier positioniert sich das Europäische Parlament einseitig und konfliktverschärfend. Wir weisen noch einmal auf den vom Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten beschlossenen Punkt 3 hin, in dem es heißt: „vertritt die Auffassung, dass alle Regelungen hinsichtlich des künftigen Status des Kosovo im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssen“. Ich hoffe, dass dieser Satz in diesem Bericht drin bleiben wird. Ich habe gehört, dass es bereits erste Anträge gibt, ihn herauszunehmen. Wir wissen alle, dass die Situation heute im Kosovo mit dem damaligen Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu tun hat, und ich frage immer wieder – ich habe den Kommissar schon einmal gefragt: Was will die Europäische Union tun, wenn Serbien und insbesondere Russland beim „Nein“ bleiben? Darauf habe ich bis heute keine Antwort erhalten, was bedeutet, dass man hier tatsächlich gegen den Willen dieser beiden Staaten vorgehen will. Das macht meine Fraktion in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht mit, und deshalb werden wir gegen diesen Bericht stimmen!
Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Herr Lagendijk hat einen ausgewogenen Bericht über die komplizierte Situation im Kosovo vorgelegt, und ein wichtiger Aspekt, der darin angesprochen wurde, betrifft die Staatsbürgerschaft auf der Grundlage des mehrsprachigen und multiethnischen Charakters des Kosovo. Erstaunlicherweise wird in dem vorliegenden Bericht kein Sterbenswörtchen über den genauen Status des Kosovo gesagt, trotz des dazu eingereichten Änderungsantrags 13, den wir unterstützen werden.
Anders verhält es sich mit dem UN-Vermittler Martti Ahtisaari, der gestern dem Sicherheitsrat seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, der eine eindeutige Empfehlung enthielt, nämlich Unabhängigkeit für den Kosovo unter internationaler Aufsicht. Ministerpräsident Kostunica verkündete jedoch letzte Woche, Unabhängigkeit für den Kosovo werde für Serbien nie eine Option sein. Er hofft sogar, Russland werde im Sicherheitsrat ein Veto einlegen. Dieser Wunsch steht der Forderung der albanischen „Bewegung für Selbstbestimmung“ diametral entgegen. Ihr Führer, Albin Kurti, will sich nämlich mit nichts anderem zufrieden geben als der bedingungslosen Unabhängigkeit. Wie auch immer, es besteht die reale Gefahr eines ethnischen Zerfalls und einer regionalen Instabilität.
Die große Herausforderung, die sich für die internationale Gemeinschaft stellt, ist mithin offenkundig: Wie lassen sich regionale Stabilität und multiethnische Staatsbürgerschaft in einem souveränen Kosovo miteinander vereinbaren? Kommissar Rehn sprach in diesem Zusammenhang vergangene Woche von einem wichtigen Prüfstein für die EU. Der Kommission und dem Rat wünsche ich in dieser Hinsicht viel Weisheit, breite Unterstützung und vollen Erfolg.
Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Mein Lob gilt meinem Kollegen, dem Berichterstatter Lagendijk, der sich in verantwortungsvoller Weise um eine möglichst breite politische Einigkeit in dem Bericht bemüht hat, mit dem das Europäische Parlament seinen Teil der Verantwortung für die Entscheidung über den endgültigen Status des seit 1999 von den Vereinten Nationen verwalteten Kosovo übernimmt. Die bedauerliche Tatsache, dass in den Verhandlungen keine Lösung erreicht werden konnte, macht die Verantwortung der Europäischen Union nur noch größer.
Kosovo, Serbien, Südosteuropa und ganz Europa brauchen Frieden und Stabilität. Die Menschen in dieser Region haben ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft ein Recht auf Frieden und Stabilität. In Anbetracht der Probleme und Spannungen, die sich im Kosovo angestaut haben, sollte der Prozess hinsichtlich des endgültigen Status so verlaufen, dass eine chaotische Entwicklung verhindert wird, die erneut die Würde jeder der ethnischen Identitäten verletzen oder zur Destabilisierung führen oder neue Hemmnisse für eine europäische Zukunft der Länder dieser Region errichten würde.
Der Berichterstatter und jeder von uns fühlt sich durch unsere gemeinsamen Werte und Grundsätze verbunden, insbesondere durch das Abkommen von Thessaloniki für die Länder Südosteuropas, das aus dem Wunsch heraus abgeschlossen wurde, die Ursachen des Konflikts in diesem Teil Europas für immer zu beseitigen. Gemeinsam wirken wir für eine Lösung, die ein Zusammenleben mehrerer ethnischer Gemeinschaften im Kosovo ermöglicht und in kürzester Zeit die Voraussetzungen dafür schafft, dass der Kosovo, der vor sehr großen wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten steht, allmählich den Weg zu Versöhnung, Fortschritt und Wohlstand beschreiten kann.
VORSITZ: MECHTILD ROTHE Vizepräsidentin
Hannes Swoboda (PSE). – Frau Präsidentin! Wir werden morgen in diesem Haus — ich nehme an, mit einer sehr großen Mehrheit — dem Bericht Lagendijk zustimmen. Es handelt sich dabei aber vor allem um die Zustimmung zur Arbeit von Herrn Ahtisaari und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich glaube, dass die Position, die Herr Ahtisaari vorschlägt, im Wesentlichen der Weg ist, den wir gehen müssen.
Die Frage, die immer wieder gestellt wird, lautet: Unabhängigkeit, ja oder nein? Diese Entscheidung wird von den Vereinten Nationen getroffen, und ich hoffe, sie werden nach allen nötigen Überlegungen die richtige Entscheidung treffen. Wir werden diese Entscheidung voll unterstützen. Das wirklich Wichtige ist aber, wie es nach der Lösung der Statusfrage weitergeht. Die Statusfrage wird für Serbien nicht leicht zu lösen sein — niemand verliert gerne einen wesentlichen Teil seines Territoriums; stellen wir uns das einmal für unser eigenes Land vor.
Die Lösung der Statusfrage wird aber auch nicht die Probleme lösen, die sich für den Kosovo an sich stellen, denn jetzt beginnt erst die Schwierigkeit, ein eigenes, selbständiges Wirtschafts- und Sozialsystem aufzubauen. Die Menschen im Kosovo werden dann fragen: Wo ist jetzt mein Job, wo ist jetzt meine Möglichkeit, Geld zu verdienen, ein Haus zu bauen etc. Und das wird im eigenen Land schwierig genug sein.
Unsere Aufgabe in Europa — und das unterstützt und unterstreicht auch der Bericht über den wir morgen abstimmen — ist es, beiden Seiten zu helfen, diesen schwierigen Prozess vernünftig, mit Anstand, in gegenseitigem Respekt und in Kooperation zu unterstützen. Das ist für uns das Wichtige, auch für die Entscheidung morgen. Wir bekennen uns zu einer klaren Entscheidung in der Statusfrage, wir bekennen uns aber auch dazu, dass wir in Europa — und ganz besonders in diesem Parlament — beide Seiten unterstützen müssen, um sowohl dem Kosovo als auch Serbien eine gute Zukunft zu ermöglichen.
Jelko Kacin (ALDE). – (SL) An diesem Wochenende begingen wir in Rom und in Berlin feierlich den 50. Jahrestag der Römischen Verträge und würdigten eine lange Friedensperiode. Auf dem westlichen Balkan war diese Periode jedoch nicht nur von Frieden gekennzeichnet, sondern auch von äußerst grausamen und verheerenden Kriegen.
Der Völkermord in Srebrenica hat uns alle gelehrt, dass wir eine Wiederholung solch einer menschlichen Katastrophe im Kosovo nicht erlauben oder riskieren können und dürfen. Deshalb haben wir rechtzeitig vor acht Jahren Vorkehrungen durch militärische Intervention getroffen. Zu jener Zeit bestand auch die Gefahr eines Vetos in den Vereinten Nationen; dennoch ist es uns gelungen zu handeln. Heute befindet sich der Kosovo noch immer nur auf halbem Wege, ohne Status, ohne internationale Finanzierung und ohne einen effektiv funktionierenden Rechtsstaat. Nur ein Staat kann und muss die Grundlage und den Rahmen für eine wirtschaftliche Erholung, für in- und ausländische Investitionen und für die so dringend benötigten Arbeitsplätze sicherstellen. Nur ein Staat kann Mitglied der Europäischen Union werden.
Verzögerungen in diesem Prozess der Entscheidung über den Status könnten die prekäre Lage verschärfen und die konstruktiven Prozesse der Stabilisierung der Region, der Förderung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit zwischen den Nachbarn und ihrer Einigung mit dem Ziel der Entwicklung der Zusammenarbeit mit anderen Ländern der Europäischen Union und der Übernahme unserer Modelle für ihr Umfeld verlangsamen. Die durch die Bemühungen von Martti Ahtisaari entstandene Dynamik bei der Festlegung des Status des Kosovo hilft uns jedoch, den Bewohnern dieser Region mehr Hoffnung zu geben und ihnen auch den Geist und die Methoden der Europäischen Union nahezubringen.
Es geht uns hier um ihre Zukunft, ihr Zusammenleben und ihr Wohlergehen. Daher denke ich, dass Politiker im benachbarten Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien sowie auch in Kroatien und Bosnien zusätzlich motiviert werden, sich der Europäischen Union weiter anzunähern.
Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Vielen Dank, Frau Präsidentin! In dem Bericht, über den wir gesprochen haben, hat das Europäische Parlament zu der schwierigen Frage Stellung genommen, wie die Zukunft des Kosovo aussehen soll. Die Region liegt im Herzen Europas, und deshalb muss Europa bei der Gestaltung ihrer Zukunft auch eine aktive Rolle spielen. Wir können die im Bericht genannten Maßnahmen jedoch nicht einfach ohne die Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat umsetzen, und die wird ohne die Zustimmung Russlands nicht zu haben sein.
In ihren Beziehungen zum Westen ist das Kosovo für die Russen eine nützliche Trumpfkarte, die sie in den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ausspielen können.
Außerdem sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass mit der Gewährung der Unabhängigkeit für das Kosovo ein Präzedenzfall geschaffen wird, auf den sich Russland in den Verhandlungen über andere Regionen wie Abchasien, Transnistrien oder Südossetien berufen könnte. Wir müssen deshalb nachdrücklich unterstreichen, dass das Kosovo ein Einzelfall ist und eine Ausnahme darstellt und Russland diese Region nicht als Instrument benutzen darf, um seine Position als Supermacht wiederherzustellen.
Erik Meijer (GUE/NGL). – (NL) Frau Präsidentin! Der Kosovo war der Spaltpilz im ehemaligen Jugoslawien. Noch bevor Slowenien und Kroatien die Unabhängigkeit erlangten, hatten sich die Bewohner des Kosovo mental von Serbien gelöst. Schon damals haben sie ihre Selbstverwaltung und ihr eigenes Bildungssystem aufgebaut sowie alle staatlichen Institutionen boykottiert. Sie verlangten internationale Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, mussten sich aber stattdessen mit Krieg und erneuter Besatzung abfinden.
Seit 1999 sind an die Stelle serbischer Soldaten und Beamter andere Kolonisatoren getreten. Die Bewohner des Kosovo wollen nur eines: Selbstbestimmung – Vetevendosje –, wie aus den Graffiti an jeder Wand zu ersehen ist. Eine Fortsetzung der gegenwärtigen zwielichtigen Situation wird Stagnation und Kriminalität fördern. Die Zwangsrückkehr zu Serbien wird am Ende unausweichlich entweder zu einem Krieg oder zu zwei Millionen Flüchtlingen führen. Eine solche Perspektive ist schlimmer als eine weitere Verletzung des Völkerrechts, nach dem ohne Einvernehmen eine Trennung nicht zulässig ist.
Auch für die Zukunft Serbiens wäre es besser, wenn es von dem nationalistischen Prestigekampf um den Kosovo endlich befreit sein würde. Alle wissen, dass es letztlich keine andere Lösung als einen unabhängigen Kosovo gibt, niemand aber wagt als Erster die Verantwortung dafür zu übernehmen. Leider wird die Umsetzung des abgeschwächten Ahtisaari-Vorschlags dadurch erheblich verzögert.
Doris Pack (PPE-DE). – Frau Vorsitzende, liebe Kollegen! Herzlichen Glückwunsch an Herrn Lagendijk! Ich müsste eigentlich gar nicht reden und könnte mich Ihnen einfach anschließen, wie auch Johannes und Frau Kallenbach. Aber dennoch.
Eines möchte ich vorausschicken: Nach solchen Debatten wird man draußen, vor allen Dingen in der Region, sehr schnell verdächtigt, man sei anti-serbisch oder pro-albanisch. Ich möchte mich dagegen verwahren. Wir versuchen wirklich seit Jahren, den Menschen in Serbien und im Kosovo zu einer friedlichen und prosperierenden Zukunft zu verhelfen. Die Voraussetzungen dazu sind schwierig und der Lösungsvorschlag von Herrn Ahtisaari ermöglicht es, dass die Menschen endlich die vergiftete Vergangenheit von Milošević hinter sich lassen können. Ob das dann gerecht sein kann, lieber Herr Tabajdi, das weiß ich nicht. Gerechte Lösungen sind ganz schwer zu erzielen. Aber ich kenne keine andere Möglichkeit als die, die jetzt vorgeschlagen wurde.
Richtige Verhandlungen sind zwischen Serben und Albanern ja nicht geführt worden. Die extremen Vorstellungen lagen so weit auseinander, dass nie verhandelt wurde. Daher wäre eine Verlängerung der Prozedur überhaupt nicht im Sinne des Erfinders. Ich verstehe auch, dass keine serbische Regierung jemals den Verlust des Kosovo unterschreiben wird. Aber wenn die serbischen Politiker ehrlich sind – manche sind es ja, wenn man mit ihnen redet – dann wissen sie auch, dass mit dem Kosovo in ihrem Staatsgebiet keine friedliche Zukunft möglich sein wird. Und diese friedliche Zukunft verdienen die Menschen in Serbien und im Kosovo, vor allem die jungen Menschen. Die Politiker müssten sich auch einmal fragen, wer in Serbien denn tatsächlich die Folgen des Verbleibs des Kosovo in Serbien tragen will, die finanziellen und sämtliche politischen Folgen. Die Albaner müssen den Serben, die in ihrer Heimat im Kosovo leben möchten, all dies ermöglichen, einschließlich ihrer Rückkehr.
Der Plan Ahtisaari ist für mich die einzige Grundlage für eine friedliche Koexistenz. Leider geraten bei den Diskussionen, auch heute wieder, häufig die Jahre des Apartheid-Regimes von 1989-1998 außer Betracht. Das habe ich z. B. bei Herrn Pflüger bemerkt. Ich denke, nicht der Nato-Angriff war der Anfang, sondern die Aufhebung des Autonomiestatuts. Der Sicherheitsrat wäre wirklich gut beraten, den Knoten endlich so schnell durchzuschlagen, dass wir weiterarbeiten und sowohl Serben als auch Albanern auf ihrem friedlichen Weg in die Europäische Union helfen können.
Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Selbstredend möchte auch ich den Kollegen Lagendijk zu seinem Bericht beglückwünschen, wenngleich wir nicht in allen Einzelheiten miteinander übereinstimmen.
Als Fraktion begrüßen wir natürlich die von dem Unterhändler Martti Ahtesaari am Montag dieser Woche in New York vorgelegten Vorschläge. Das kommt auch in dem Bericht deutlich zum Ausdruck, über den wir morgen abstimmen werden. In dieser Hinsicht unterstützt unsere Fraktion den Bericht in seiner jetzigen Fassung. Diese Vorschläge finden, wie auf dieser Rednertribüne erklärt wurde, gleichermaßen die Zustimmung des Rates und der Kommission.
Nach unserem Dafürhalten kommt es jetzt allerdings vor allem darauf an, dass der Sicherheitsrat eine Entscheidung über den Status des Kosovo trifft. Dies sollte ohne unnötige Verzögerungen erfolgen, damit die Unsicherheit im Kosovo rasch beendet werden kann und sich sowohl die Kosovaren als auch die Serben auf ihre Zukunft in Europa konzentrieren können.
Es ist jedoch nicht Sache der Europäischen Union, zum jetzigen Zeitpunkt dazu Stellung zu beziehen. Infolgedessen sehen wir es nicht als ihre Aufgabe an, dem Endergebnis des Sicherheitsrats in der Statusfrage vorzugreifen. Der Interimsstatus des Kosovo beruht auf einer Resolution des Sicherheitsrats, und Gleiches sollte für seinen endgültigen Status gelten. Da dies von eminenter Wichtigkeit für die internationale Legitimität dieser Entscheidung ist, haben wir die Änderungsanträge von Herrn Posselt abgelehnt.
Nicht minder wichtig ist dies im Hinblick auf die interne Legitimität der Statusentscheidung. Für die Union beginnt die eigentliche Arbeit tatsächlich erst nach der Entscheidung in New York. Der EU wird eine wesentliche Rolle bei der Überwachung der Durchführung der Statusregelung zufallen. Darauf muss die Union gründlich vorbereitet sein, vor allem aber muss sie von vorneherein vermeiden, zwischen die Fronten beider Seiten zu geraten; nicht zuletzt aus diesem Grund wird meine Fraktion morgen gegen den Änderungsantrag stimmen, durch den der Status bereits näher bestimmt wird, ohne dass in New York eine Debatte darüber stattgefunden hat.
In dieser Hinsicht schließen wir uns der vom Vorsitz, aber auch von der Kommission zum Ausdruck gebrachten Linie an, die beide heute Nachmittag mit keinem Wort von einer präzisen Festlegung gesprochen haben.
Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In der Aussprache über das Kosovo ist ein für die internationalen Beziehungen überaus wichtiger Punkt zur Sprache gekommen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren verletzt die internationale Gemeinschaft die territoriale Integrität eines europäischen Landes. Zwar gibt es keine Pläne, dieser neuen politischen Einheit Unabhängigkeit zu gewähren, doch wird dieser neue Quasistaat seine eigene Hymne, seine eigene Flagge und eine Miniarmee haben. Er wird zudem auf unbestimmte Zeit der internationalen Kontrolle unterliegen.
Mit diesem neuartigen Ansatz bei der Einmischung der internationalen Gemeinschaft in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates wird ein Präzedenzfall geschaffen, und die internationale Gemeinschaft könnte künftig versucht sein, Einfluss auf die inneren Angelegenheiten von Ländern mit weit geringeren Problemen zu nehmen.
Die einzig vernünftige Lösung besteht darin, das Kosovo formal im Rahmen der Serbischen Republik zu belassen und ihm eine größere Autonomie zu gewähren, während gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, um die Integration der Region in die Europäische Union zu beschleunigen. In einem unabhängigen Kosovo wird es nach wie vor eine bedeutende serbische Minderheit geben, die das Land destabilisieren wird.
Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Die Lage im Kosovo, Folge und Ergebnis interventionistischer Politiken, ist ein weiteres Problem, das im Rahmen der Vereinten Nationen gelöst werden muss. Der Ahtisaari-Vorschlag, den der von uns diskutierte Bericht im Wesentlichen befürwortet, steht jedoch im Widerspruch zu völkerrechtlichen Grundprinzipien und zur Charta der Vereinten Nationen an sich. Er sieht vor, die Grenzen neu zu ziehen, und verfälscht die Geschichte der Region zu Lasten der serbischen Gemeinschaft.
Vor allem aber propagiert der Ahtisaari-Vorschlag die Schaffung eines unabhängigen Staates, jedenfalls in dem Maße, wie er dies bei einer so starken militärischen Präsenz der NATO und der Umsetzung der europäischen Sicherheitspolitik sein kann. Ich fürchte, er wird eher als Protektorat funktionieren denn als unabhängiger Staat.
Wir sind und werden auch weiterhin für die Selbstbestimmung der Nationen sein, nicht aber dann, wenn dabei willkürlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Es sei nur daran erinnert, dass nach dem Entkolonialisierungsprozess und vor dem Zusammenbruch Jugoslawiens eine Loslösung von der internationalen Gemeinschaft – und zwar aus ganz besonderen Gründen – einzig und allein im Falle Bangladeshs und Pakistans anerkannt worden ist, und es sei davor gewarnt, dass mit der Unabhängigkeit des Kosovo die Büchse der Pandora geöffnet und jegliche sezessionistische Bewegung gestärkt würde.
Francisco José Millán Mon (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin! Die Kosovo-Frage ist eine komplizierte Angelegenheit und hat viele Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen; sie hat Auswirkungen auf die Grundprinzipien, die das Funktionieren der internationalen Gemeinschaft regeln. Daher ist es bei dieser Frage notwendig, vorsichtig zu agieren, den größtmöglichen Konsens zu suchen und das Völkerrecht zu beachten.
Der Kosovo ist auch ein Ausnahmefall. Dies wurde durch den Sondergesandten der Vereinten Nationen und die große Mehrheit der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Angesichts seines Ausnahmecharakters schafft die Lösung keinen Präzedenzfall für andere mögliche Fälle in Europa: so heißt es im Text des Entschließungsantrags, über den wir morgen abstimmen werden.
Wie die Kontaktgruppe in ihren Schlussfolgerungen von Januar 2006 feststellte, ist der spezifische Charakter des Kosovoproblems unter anderem auf die Auflösung Jugoslawiens und die daraus entstandenen Konflikte, die ethnischen Säuberungen und die Ereignisse von 1999, unter denen ich die militärische Intervention der NATO im gleichen Jahr hervorheben würde, zurückzuführen. Ein weiteres Element, das dem Fall des Kosovo Ausnahmecharakter verleiht, ist der lange Zeitraum internationaler Verwaltung gemäß der Resolution 1244.
Frau Präsidentin, ich wäre froh, wenn Herr Ahtisaari eine Lösung erreicht hätte, die die Zustimmung der beiden betroffenen Seiten, Serbiens und des Kosovo, gefunden hätte. Bei so sensiblen Themen, die Grundprinzipien betreffen, und in einer Region, die einen langen Zeitraum von Konflikten und Instabilität durchlebt hat, wäre eine für beide Seiten annehmbare Verhandlungslösung das Beste gewesen. Aber leider ist es in den Verhandlungen im Jahr 2006 und Anfang 2007 nicht gelungen, die unterschiedlichen Positionen anzunähern.
Nun muss der Sicherheitsrat den Vorschlag von Herrn Ahtisaari diskutieren und auf dieser Grundlage die entsprechenden Beschlüsse fassen. Natürlich haben weder das Europäische Parlament noch irgendeine andere Institution die Zuständigkeit, über den endgültigen Status des Territoriums zu entscheiden; dieser muss durch den Sicherheitsrat beschlossen werden, der die Resolution 1244 angenommen hatte. Ich würde es begrüßen, wenn der Sicherheitsrat noch versuchen könnte, innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Einigung zwischen den Beteiligten zu erreichen.
Auf jeden Fall hoffe ich, dass die Mitglieder des Rates und insbesondere seine ständigen Mitglieder in einem so entscheidenden Moment eine konstruktive Haltung einnehmen, wie wir in dem morgen zur Abstimmung stehenden Text fordern.
Adrian Severin (PSE). – (EN) Frau Präsidentin! Immer wenn wir für die Bewältigung einer Krise eine gerechte, machbare und nachhaltige Lösung finden, möchten wir damit einen Präzedenzfall schaffen. Der Grund dafür, dass wir nicht möchten, dass unsere Lösung für den Kosovo zu einem Präzedenzfall wird, besteht darin, dass wir zugeben, dass diese Lösung unglücklich oder zumindest unklug ist. Und zu glauben, dass sie niemand als Präzedenzfall ansehen wird, ist reines Wunschdenken. Daher müssen wir Möglichkeiten finden, die daraus erwachsenden Risiken abzuschwächen.
Hierzu könnten vier Vorschläge in Betracht gezogen werden. Erstens könnte akzeptiert und konstatiert werden, dass die Lösung für den Kosovo auf dem Grundsatz der regionalen Sicherheit basiert und diesen respektieren sollte. Zweitens könnte vereinbart werden, dass der Kosovo innerhalb der Europäischen Union erst dann unabhängig werden kann, wenn er die Kriterien für die Mitgliedschaft erfüllt hat. Drittens könnte Serbien sofort ein klarer EU-Beitrittsplan vorgelegt werden, der keine Bedingungen enthält. Und viertens könnte eine internationale Konferenz zum westlichen Balkan einberufen werden, um die Lösung für den Kosovo in eine Paketlösung für die Region zu integrieren.
Ohne ein Konzept, das über die Grenzen des Kosovo und die Gegenwart hinausgeht, könnten uns die Auswirkungen dieses Plans um die Ohren fliegen.
Ioannis Kasoulides (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin! Der Berichterstatter, Herr Lagendijk, und unser Schattenberichterstatter, Herr Posselt, haben sicherlich hervorragende Arbeit geleistet. Ich werde allerdings aus Gründen des Prinzips nicht für diesen Bericht stimmen. Meines Erachtens muss ein Konflikt dieser Art durch von beiden Seiten ausgehandelte Lösungen und nicht durch einseitige oder von außen aufgezwungene Maßnahmen beigelegt werden. Eine dauerhafte Lösung erfordert den Willen derer, die sie umsetzen werden.
Ich kann die Idee eines unabhängigen Staates mit eingeschränkter Souveränität nicht akzeptieren. Ein unabhängiges Land ist völlig souverän, ansonsten stimmt etwas mit seiner Unabhängigkeit nicht.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass das einzige realistische Ergebnis für den Kosovo weder in der Rückkehr zur serbischen Souveränität, noch in der Teilung oder einer Union mit einem anderen Land bestehen kann. Die Verhandlungen haben vielleicht sehr lange gedauert, aber der Bericht von Herrn Ahtisaari wurde erst vor wenigen Wochen veröffentlicht. Warum kommen wir so schnell zu dem Schluss, dass die Parteien nicht von ihren Standpunkten abweichen werden? Wir sollten sie dazu ermutigen zu verstehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als auf der Grundlage dieses Berichts innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens zu verhandeln.
Der Kommissar sagte, dass eine Verpflichtung gegenüber Serbien als diplomatisches Instrument dienen kann, um Belgrad darin zu unterstützen, seinen Standpunkt in Richtung der Vorschläge von Herrn Ahtisaari zu ändern. Meines Erachtens stellt Geduld eine Tugend dar, die in der internationalen Diplomatie eine große Rolle spielt.
Józef Pinior (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Eine Lösung für den Status des Kosovo zu finden, ist ein guter Test für die im Entstehen begriffene Außenpolitik der Europäischen Union.
Erstens sollten wir den Bemühungen und dem Plan von Martti Ahtisaari, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für den Prozess der Festlegung des künftigen Status des Kosovo, Anerkennung zollen.
Zweitens unterstreicht das Europäische Parlament, dass alle Regelungen, die den künftigen Status des Kosovo betreffen, mit den demokratisch geäußerten Wünschen der Einwohner des Kosovo in Einklang stehen und dass die Menschenrechte und das Völkerrecht geachtet werden müssen.
Drittens muss die Frage des Kosovo im größeren Zusammenhang der Lage auf dem Bałkan gesehen werden.
Zu einem Zeitpunkt, da wir den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begehen, möchte ich vor allem die politische Verantwortung der Europäischen Union betonen, wenn es darum geht, Serbien den Weg in eine künftige Mitgliedschaft in der Union zu öffnen und die Bedingungen hierfür festzulegen. Die Europäische Union muss eine historische Rolle bei der Förderung von Demokratie und Wohlstand für alle Völker des westlichen Balkans spielen.
Peter Šťastný (PPE-DE). – (EN) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich davon überzeugt bin, dass bei unseren gemeinsamen Bemühungen, die serbische Seite zur Unterstützung der endgültigen Lösung zu bewegen, noch nicht alles versucht wurde, begrüße ich den Bericht Lagendijk, weil in ihm betont wird, wie wichtig es ist, die Zustimmung beider beteiligten Parteien zu erhalten.
Ich weiß, dass wir die Menschen im Kosovo nicht viel länger in der Luft hängen lassen können, da sie an jedem Tag, an dem die Verhandlungen verlängert werden, einen sehr hohen Preis zahlen. Wir müssen jedoch unbedingt die Lehren der Geschichte im Hinterkopf behalten: Was passiert, wenn Dritte die Lösung für einen Konflikt zwischen zwei Ländern beschließen, ohne die eindeutige Zustimmung der primär Betroffenen einzuholen? In genau diese Richtung geht der Bericht von Herrn Ahtisaari, in dem die Unterstützung Serbiens schmerzlich vermisst wird.
Momentan sieht es so aus, als seien alle Entscheidungen getroffen und der Kosovo hätte bald einen eigenen Status. Aber wenn uns wirklich an dauerhaftem Frieden und Wohlstand auf dem westlichen Balkan gelegen ist, müssen wir Belgrad weiterhin dazu animieren, oberhalb der gestrichelten Linie zu unterschreiben. Wir verfügen über die Mittel der EU und die globalen Einrichtungen, um ein solches Ziel zu erreichen. Ich hoffe noch immer auf das Beste und werde daher für den Bericht Lagendijk stimmen, räume aber zugleich ein, dass nach der Bekanntgabe des endgültigen Status des Kosovo die Arbeit aller Beteiligten nicht aufhören darf. Je eher wir Serbien dazu bringen, die Lösung zu akzeptieren, desto besser wird dies für den Balkan und ganz Europa sein.
Monika Beňová (PSE). – (SK) Wie meine Kolleginnen und Kollegen möchte auch ich die Arbeit der Berichterstatterin und des Schattenberichterstatters, Herrn Dr. Csaba Tabajdi, würdigen. Ich denke, dass wir uns diesem Thema im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und während der Zusammenkunft mit den Vertretern aus Priština und Belgrad erschöpfend gewidmet haben. Nun ist es Aufgabe des UN-Sicherheitsrates, den Status und insbesondere die Zukunft der heute im Kosovo lebenden Menschen zu bestimmen. Diese Entscheidung wird gleiche Auswirkungen auf Serben und Kosovo-Albaner haben. Sie wird auch Christen und Muslime gleichermaßen beeinflussen und sich auf die Lebensqualität der Menschen auswirken.
Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments bedauere ich sehr, dass wir Serbien dazu gebracht haben, sich auf Russland zu verlassen und die russische Karte als Trumpf auszuspielen, um seine Interessen im UN-Sicherheitsrat zu vertreten. Würde morgen über diesen Bericht abgestimmt werden, würden die Abgeordneten meiner Ansicht nach die Änderungsvorschläge wohl nicht unterstützen, die auf dramatische Art und Weise die Legitimität beider Parteien untergraben. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass dieses hohe Haus nur solche Vorschläge befürwortet, die für die gleiche und gerechte Behandlung beider Seiten sorgen.
Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte Ihnen für diese sehr inhaltsreiche und verantwortungsvolle Aussprache danken. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Bericht – und ich vertraue Ihrer morgigen Abstimmung – die europäische Einheit noch weiter stärken wird, um den Prozess zur endgültigen Regelung des Status des Kosovo zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Mit der Vorlage von Präsident Ahtisaaris Vorschlag beim UNO-Sicherheitsrat tritt der Prozess nun in seine entscheidende Phase ein. Ich bin davon überzeugt, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung nachkommen wird, und hoffe, dass er den Vorschlag rechtzeitig billigen wird.
Dann kommt die für alle Beteiligten schwierigste Phase, die der Umsetzung des Status, die, wie heute hier bereits gesagt wurde, eine echte Bewährungsprobe für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU darstellt. Daher weiß ich die Unterstützung sehr zu schätzen, die das Parlament und der Berichterstatter für den Kosovo, Herr Lagendijk, dieser unserer gemeinsamen Aufgabe zukommen lassen.
Abschließend sei gesagt, dass ich froh bin, dass alle drei Organe der Meinung sind, dass europäische Einheit und eine Führungsrolle der EU nach wie vor erforderlich sind, um eine dauerhafte Einigung zu erzielen, die zu einem demokratischen und multiethnischen Kosovo führt und anhaltende Stabilität in der Region gewährleistet. Gleichzeitig bieten wir Serbien eine greifbare europäische Perspektive, die ihm dabei helfen sollte, die nationalistische Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich einer europäischen Zukunft zuzuwenden.
(Beifall)
Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet morgen, um 11.00 Uhr, statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)
Marianne Mikko (PSE), schriftlich. – (ET) Über einen Zeitraum von acht Jahren hat sich die internationale Gemeinschaft davon überzeugt, dass die Unabhängigkeit für den Kosovo das beste Mittel zur Sicherung der Stabilität in der Region ist. Der UN-Sondergesandte Ahtisaari hat einen Bericht vorgelegt, in dem empfohlen wird, dem Kosovo alle Elemente der Unabhängigkeit zu gewähren, ohne dass das Wort Unabhängigkeit per se verwendet wird.
Der von Kollege Joost Lagendijk vorbereitete Bericht wiederholt alle bekannten Fakten und unterstützt die Empfehlung Ahtisaaris als Grundlage für die Regelung des Status des Kosovo. Ich möchte jedoch fragen, ob Systematisierung und Umschreibung der einzige Mehrwert sind, den das Parlament anbieten kann.
In dem Vorschlag für einen Änderungsantrag, zu dessen Autoren Herr Lagendijk selbst gehört, wurde empfohlen, den Bericht um den Begriff der überwachten Souveränität zu ergänzen, was tatsächlich der Kern des Berichts ist. Dies ist die Art von Klarheit, die von uns erwartet wird.
Das häufigste Argument gegen den Vorschlag für einen Änderungsantrag ist Furcht vor Russlands Unmut. Mehrere Monate lang hat Moskau Warnungen von sich gegeben, dass die Unabhängigkeit für den Kosovo einen Präzedenzfall schaffen wird, auf dessen Grundlage Transnistrien, Abchasien und Ossetien ebenfalls die Unabhängigkeit anstreben könnten.
Der Kreml ist sich aber durchaus bewusst, dass kein rechtlicher Präzedenzfall entstehen kann. Der Kosovo ist das einzige Territorium, auf dem die Vereinten Nationen ein für die Empfehlung der Unabhängigkeit ausreichendes Mandat haben. Als ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats garantierte Russland am 10. Juni 1999 seine Zustimmung zur Unabhängigkeit für den Kosovo.
Russland will einfach nur ein Schrumpfen seines Einflussbereichs in Europa verhindern. Ich bezweifle, dass Russland bereit sein wird, die Verantwortung für ein erneutes Ausbrechen des Blutvergießens im Kosovo zu übernehmen, zu dem es kommen könnte, wenn keine Unabhängigkeit gewährt wird.
Unser äußerstes Ziel ist es, Leid zu verhindern sowie Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten. Dies erfordert bisweilen Mut.
Athanasios Pafilis (GUE/NGL). – (EL) Mit der Annahme des Berichts Ahtisaari über die Errichtung eines „unabhängigen“ Protektorats des Kosovo unter der Besatzung Europas und der NATO schaffen die Europäische Union und das Europäische Parlament vor den Augen der Welt die vollendete Tatsache einer Sezession und eines neuen Staates. Das untergräbt und verstößt gegen alle Abkommen und Grundsätze der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, die seit dem Zweiten Weltkrieg geschlossen bzw. aufgestellt wurden. Der Bericht, der von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, den Liberalen und den Sozialdemokraten unterstützt wurde, spricht sich für die Neufestlegung der Grenzen auf dem Balkan aus, verlängert die Präsenz der militärischen Besatzungstruppen Europas und der NATO und erpresst Serbien in eklatanter Weise, während er zugleich die serbische Gemeinschaft im Kosovo sowie Serbien selbst mit provokativer Unverschämtheit kriminalisiert und aburteilt. Er öffnet die Büchse der Pandora und verschärft damit nationale Widersprüche und Konflikte im gesamten Balkanraum, schürt sezessionistische Bewegungen und versucht, die Präsenz der Besatzungstruppen Europas und der NATO in der Region durchzusetzen und zu legitimieren.
Jetzt erkennen wir die wahren Ziele des verbrecherischen Krieges, den die NATO unter Beteiligung der EU und der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten, sowohl der Mitte-Links-Regierungen als auch der Mitte-Rechts-Regierungen, einschließlich der damaligen PASOK-Regierung in Griechenland, gegen Jugoslawien geführt hat, eine Politik, die heute mit der gleichen Kontinuität von der Nea Dimokratia fortgesetzt wird, was das Bestreben der beiden Parteien in dem Zwei-Parteien-Staat unterstreicht, sich an den verbrecherischen imperialistischen Plänen, die die EU, die NATO und die Vereinigten Staaten in der Region und auf der ganzen Welt verfolgen, zu beteiligen und sie unterstützen.