Index 
Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 28. März 2007 - Brüssel Ausgabe im ABl.
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
 2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 3. Erklärung des Präsidenten (Simbabwe)
 4. Einem Abgeordneten übertragene Aufgabe
 5. Begrüßung
 6. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 7. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 8. Schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll
 9. Mündliche Anfragen und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll
 10. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll
 11. Tagesordnung: siehe Protokoll.
 12. Follow-up der Berliner Erklärung (Aussprache)
 13. Weitere Konvergenz bei den Aufsichtspraktiken auf der Ebene der EU (Aussprache)
 14. Die Zukunft des Kosovo und die Rolle der EU (Aussprache)
 15. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
 16. Ökologische Erzeugung und Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen (Aussprache)
 17. Zukunft der Eigenmittel der Europäischen Union (Aussprache)
 18. Leitlinien für das Haushaltsverfahren 2008
 19. Die Zukunft des Profifußballs in Europa – Sicherheit bei Fußballspielen (Aussprache)
 20. Erfüllung der Flaggenstaatpflichten – Zivilrechtliche Haftung und Sicherheitsleistungen von Schiffseignern (Aussprache)
 21. Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in die GAP (Aussprache)
 22. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 23. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

(Die Sitzung wird um 17.05 Uhr eröffnet.)

 
1. Wiederaufnahme der Sitzungsperiode
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  Der Präsident. Ich erkläre die am Donnerstag, dem 15. März 2007 unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wieder aufgenommen.

 

2. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll

3. Erklärung des Präsidenten (Simbabwe)
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  Der Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionsvorsitzenden haben mich einstimmig gebeten, zu Simbabwe folgende Erklärung abzugeben. Es handelt sich dabei um einen sehr ernsthaften Vorgang. In den vergangenen Wochen ist die politische Lage in Simbabwe weiter eskaliert. Es kam zu gewaltsamen Übergriffen durch von der Regierung gesteuerte Kräfte. Am 11. März wurde eine Versammlung in einem Vorort der Hauptstadt Harare von bewaffneter Polizei gesprengt und dabei ein Oppositionsmitglied, Gift Tandare, erschossen und zahlreiche Demonstranten verletzt. Vierzig wichtige Oppositionspolitiker, darunter die Vorsitzenden der wichtigsten Oppositionspartei MDC Movement for Democratic Change, Morgan Tsvangirai und Arthur Mutambara, wurden verhaftet und in Polizeigewahrsam misshandelt. Am 18. März wurde der Abgeordnete Nelson Chamisa zusammengeschlagen und mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Er war auf dem Weg zu den Sitzungen der Ausschüsse der Gemeinsamen Paritätischen Versammlung AKP-EU. Dieser Übergriff hat den Vorstand der Gemeinsamen Parlamentarischen Versammlung mit der Zustimmung der afrikanischen Mitglieder zu einer Verurteilung dieses Vorfalls bewegt. Der Vorstand ruft die simbabwische Regierung auf, die Gewalt im Land zu beenden und Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu respektieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verurteilen entschieden jegliche Gewalt und Unterdrückung durch die Regierung des Präsidenten Mugabe! Rat und Kommission sollten mit allen interessierten internationalen, regionalen und nationalen Kräften zusammenarbeiten, um eine Übergangslösung vom gegenwärtigen Regime zu einer wirklichen Demokratie durchzusetzen.

(Beifall)

 
  
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  Glenys Kinnock (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte die Abgeordneten darüber informieren, dass die Polizei- und Sicherheitskräfte in Harare Morgan Tsvangirai vor einer Stunde abermals verhaftet haben. Er und seine Mitarbeiter wollten eine Pressekonferenz geben, um über die Ereignisse zu diskutieren, die Sie in Ihrer Rede geschildert haben.

Ich bitte das Hohe Haus daher, die erneute Verhaftung von Morgan Tsvangirai zu verurteilen und zu erklären, dass das brutale Vorgehen gegen die Opposition ein Ende haben muss. Die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika muss auf ihrer Zusammenkunft diese Woche in Tansania ebenfalls reagieren.

(Beifall)

 

4. Einem Abgeordneten übertragene Aufgabe
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  Der Präsident. Bevor wir zur Tagesordnung kommen, muss ich Ihnen noch eine Mitteilung machen. Der Ministerpräsident der Tschechischen Republik hat mich über seine Entscheidung informiert, Herrn Jan Zahradil als seinen Vertreter bei den Beratungen über die Berliner Erklärung sowie ganz allgemein im Rahmen der Wiederbelebung des Verfassungsprozesses während der deutschen Ratspräsidentschaft zu ernennen. Der Rechtsausschuss, der gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Geschäftsordnung mit dieser Frage befasst wurde, ist in seiner Sitzung vom 19./20. März 2007 zu dem Schluss gelangt, dass dieses Amt mit Geist und Buchstaben des Aktes zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments vereinbar ist, dass daher keine Unvereinbarkeit vorliegt und dass Herr Jan Zahradil sein parlamentarisches Mandat weiter ausüben kann.

 

5. Begrüßung
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  Der Präsident. Dann möchte ich einen Willkommensgruß an eine Delegation aus dem Irak richten. Es ist mir eine große Freude, heute Nachmittag eine fünfköpfige Delegation des irakischen Parlaments unter Führung von Herrn Hamid Mousa als Gäste im Europäischen Parlament begrüßen zu dürfen.

(Beifall)

Die Lage im Irak ist uns ein ständiges Anliegen, und ein Besuch unserer Kolleginnen und Kollegen, der uns die Möglichkeit gibt, aus erster Hand Informationen über die Entwicklungen zu erhalten, ist sehr nötig und willkommen. Ich hatte gestern bereits die Möglichkeit, die Delegation zu treffen, und ich bin mir zutiefst der äußerst schwierigen Bedingungen bewusst, unter denen die Parlamentarier arbeiten. Ich bin mir sicher, dass die Gespräche mit dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und anderen Mitgliedern dieses Hauses nützlich waren und beiden Seiten zugute kommen. Ich hoffe, dass der laufende Prozess der Verfassungsreform allen Gruppen im Irak die Gelegenheit bieten wird, einen breiten Konsens über die wesentlichen Fragen zu erzielen und ihrem Land den Weg in die Zukunft zu bereiten.

Ich wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und Ihrem Land das Beste und hoffe, dass Ihr Besuch zur Schaffung solider parlamentarischer Beziehungen zwischen unseren beiden Parlamenten, Ihrem Parlament im Irak und dem Europäischen Parlament, beitragen wird. Alle guten Wünsche für Sie in Ihrem leidgeprüften Land.

 

6. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll

7. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

8. Schriftliche Erklärungen (Artikel 116 GO): siehe Protokoll

9. Mündliche Anfragen und schriftliche Erklärungen (Vorlage): siehe Protokoll

10. Weiterbehandlung der Entschließungen des Parlaments: siehe Protokoll

11. Tagesordnung: siehe Protokoll.

12. Follow-up der Berliner Erklärung (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt das Follow-up der Berliner Erklärung.

Gestatten Sie mir ein sehr kurzes Wort dazu. Am 17. Januar war die Präsidentin des Europäischen Rates — die ich in unserer Mitte sehr herzlich begrüße — hier im Europäischen Parlament und hat ihr Programm vorgestellt.

Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel! Am 13. Februar waren Sie dann bei meiner Programmrede anwesend. Heute berichten Sie über die Berliner Erklärung vom 25. März, und ich kann somit feststellen, dass Sie — nachdem noch nicht einmal die Hälfte Ihrer Präsidentschaft vorbeigegangen ist — bereits zum dritten Mal das Europäische Parlament aufsuchen, was wir mir Freude sehen. Dafür möchte ich Ihnen im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich und aufrichtig danken.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bewertung der Berliner Erklärung wird jetzt durch die Fraktionsvorsitzenden erfolgen, und dem möchte ich natürlich in keiner Weise vorgreifen. Dennoch möchte ich eines sagen: Bei der Vorbereitung der Berliner Erklärung waren Sie, Frau Bundeskanzlerin, und Ihre Mitarbeiter immer für das Europäische Parlament und den Präsidenten des Europäischen Parlaments und seine beauftragten Mitarbeiter verfügbar, um unsere Überlegungen, so gut Sie es bei 27 Regierungen konnten, zu berücksichtigen.

Ich selbst habe den Beschluss der Konferenz der Präsidenten strikt eingehalten — und eher noch intensiver ausgelegt — und ständig die Verantwortlichen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen informiert und auch konsultiert, ebenso wie das Präsidium und die Konferenz der Präsidenten.

Nun beginnen wir die Debatte. Ich darf neben der Präsidentin des Europäischen Rates, liebe Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch den Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, sehr herzlich begrüßen.

(Beifall)

 
  
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  Angela Merkel, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin heute wieder gerne ins Europäische Parlament gekommen, dieses Mal nach Brüssel. Wir haben jetzt so etwas wie Halbzeit in der deutschen Präsidentschaft, und ich glaube, dass wir nach dem vergangenen Wochenende sagen können, dass wir zwei wichtige Aufgaben, die in diesem Halbjahr vor uns allen liegen, doch ein Stück weit bewältigt haben.

Das ist zum Ersten das Thema Energie- und Klimapolitik. Darüber hat der deutsche Außenminister, Herr Steinmeier, Ihnen im Europäischen Parlament bereits berichtet. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal hervorheben, dass es dem Rat in diesem wichtigen Bereich der Energie- und Klimapolitik auf der Basis der Vorschläge der Kommission gelungen ist, wesentliche Schlussfolgerungen zu ziehen und damit in diesem Bereich die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union darzustellen. Das ist deshalb so wichtig, weil wir natürlich wissen, dass Europa in diesem Feld nur eine Vorreiterrolle einnehmen kann, wenn es in der Lage ist, sich auch selbst ehrgeizige Ziele zu setzen. Wir wissen, dass das, was die ehrgeizigen Ziele ausmacht, natürlich weiterer Arbeit bedarf. Aber das ist ja normal in der politischen Realität: Man nimmt einen Schritt in Angriff und wenn er erfolgreich ist, tut sich eine Tür zu weiteren Schritten auf. Aber der Geist, in dem wir es geschafft haben, eine Verbesserung von 20 % Energieeffizienz bis zum Jahre 2020 und bindende Ziele über erneuerbare Energien mit 20 % Anteil zu vereinbaren, sollte uns auch in die Lage versetzen, sowohl in den internationalen Verhandlungen, die anstehen, gemeinsam aufzutreten als auch die nun notwendige Aufgabe zu bewältigen, das Herunterbrechen auf die einzelnen Anteile der Nationalstaaten hinzubekommen. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Unterstützung des Parlaments. Wir haben in diesem Bereich schon viel Unterstützung erfahren und, wenn wir angefeuert werden, werden wir dann als Rat sicherlich auch die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen können.

(Beifall und Zwischenrufe)

Wir wollen als einen zweiten wichtigen Schritt das vergangene Wochenende betrachten. Die Berliner Erklärung hat einerseits zum Ausdruck gebracht, welche Erfolgsgeschichte die Europäische Union ist, und auf der anderen Seite, vor welchen großen Aufgaben wir noch gemeinsam stehen.

Ich möchte zuerst dem Präsidenten des Parlaments, Hans-Gert Pöttering, aber auch allen Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament ein ganz herzliches Dankeschön sagen, denn es ist gelungen, eine Berliner Erklärung von Parlament, Kommission und den Ratsmitgliedern unterzeichnen zu lassen. Ich glaube, dieses Gesamtgefühl, dass auf der Basis unserer Kooperation eine solche Berliner Erklärung möglich war, ist schon ein Wert an sich, weil dahinter das Versprechen aller Beteiligten steht, sich gemeinsam für die Zukunft Europas einzusetzen. Wenn wir uns die Berliner Erklärung anschauen, dann ist die Definition unserer gemeinsamen Werte ein ganz wichtiger Teil. Es wird auch sehr ambitioniert gesagt, dass wir ein gemeinsames europäisches Gesellschaftsideal haben, und dass wir uns für dieses Gesellschaftsideal gemeinsam einsetzen wollen. Dieses Gesellschaftsideal besteht auf der Basis von Werten, die uns wichtig sind, nämlich Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Wir werden jeden Tag erneut gefragt, wie wir das konkret umsetzen. Deswegen hat es mich eben sehr berührt, dass die heutige Sitzung des Europäischen Parlaments mit einer klaren Aussage der Parlamentarier und des Parlaments zu dem, was in Simbabwe vorgeht, begonnen hat. Ich habe in meiner Rede am Sonntag in Berlin deutlich gemacht, dass uns das Schicksal der Menschen in Darfur nicht kalt lassen darf.

(Beifall)

Das dürfen wir nicht einfach abtun, sondern hier müssen wir agieren. Wir werden seitens der Ratspräsidentschaft zwar alles daransetzen, härtere Resolutionen im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen, um hier endlich einen Fortschritt zu erreichen, aber wir müssen, wenn das im UN-Sicherheitsrat nicht möglich ist, auch über Sanktionsmaßnahmen seitens der Europäischen Union nachdenken, denn wir müssen handeln und in dieser Frage aktiv sein.

(Beifall)

Ich habe am Sonntag auch deutlich gemacht – und ich denke, das ist auch unser gemeinsames Anliegen –, dass der 25. März der Tag der Unabhängigkeit von Weißrussland ist. Wir rufen unseren Freunden in Weißrussland zu, dass auch sie ein Recht auf die Verwirklichung der europäischen Ideale haben, und dass wir sie auf diesem Weg auch ganz bewusst unterstützen werden.

(Beifall)

Ich möchte diesen Nachmittag im Europäischen Parlament auch nutzen, um zu sagen: Wir werden als Europäische Union sehr deutlich machen, dass es völlig inakzeptabel ist, wenn 15 britische Soldaten gefangen genommen und vom Iran festgehalten werden. Auch hier haben die Briten unsere absolute Solidarität.

(Beifall)

Dies macht auch deutlich: Unsere Stärke liegt im gemeinsamen Auftreten. Es gibt viele Dinge, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn wir uns in schwierigen Phasen als Mitgliedstaaten der Europäischen Union verantwortlich fühlen sollen, dann müssen wir uns auch in möglichst vielen Fragen gemeinsam abstimmen. Integration, Gemeinsamkeit und Solidarität in schwierigen Situationen kann man nur einfordern, wenn sich jeder auch ein Stück weit um die Anliegen des anderen kümmert. Dies sollte unser Leitmotiv bei allen anstehenden schwierigen politischen Entscheidungen sein.

Wir haben uns in der Berliner Erklärung der Zukunft zugewandt und gesagt: Wir wollen zwei Dinge schaffen. Das eine ist, uns bis 2009 – wie wir es in der Berliner Erklärung ausgedrückt haben – eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu geben. Ich möchte an dieser Stelle, obwohl ich weiß, dass die große Mehrheit des Europäischen Parlaments dies massiv unterstützt – und für diese Untererstützung möchte ich Ihnen danken –, noch einmal deutlich machen: Ein Wahlkampf für das Europäische Parlament im Jahre 2009, bei dem wir den Menschen nicht sagen können, dass wir die Europäische Union erweitern können, wie viele Mitglieder denn nun die zukünftige Kommission hat, dass die Energiepolitik europäische Zuständigkeit ist, dass wir in Fragen der inneren Sicherheit und der Rechtspolitik auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen so zusammen arbeiten, wie es die Erfordernisse gebieten,

(Beifall)

ein solcher Wahlkampf wäre ein Wahlkampf, der die Distanz zwischen den Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern Europas nur vergrößern würde. Deshalb kommt es auf die Fähigkeit von uns allen an, gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Deutschen haben den Auftrag bekommen, hierfür einen Fahrplan vorzulegen. Wir werden nicht die Lösung des Problems schaffen – das will ich hier deutlich sagen –, aber dieser Fahrplan muss auch die Richtung deutlich machen. Wir werden mit allem Elan daran arbeiten. Aber ich bitte Sie, das Parlament, uns weiter auf diesem Weg zu unterstützen. Wir können jede Unterstützung dringend brauchen.

(Beifall)

In der Berliner Erklärung haben wir über die zukünftigen Aufgaben der Europäischen Union gemeinsam Auskunft gegeben, und auf dem Weg zwischen heute und dem Juni-Rat liegen noch einige Aufgaben vor uns, auf die ich kurz eingehen möchte. Vorher möchte ich allerdings würdigen, dass es in einigen Fragen bereits auf der Grundlage einer großen Kompromissbereitschaft aller Mitgliedstaaten einige Erfolge gab. Es ist – gerade mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger – gut, dass wir in ganz praktischen Fragen des Alltags Fortschritte erzielen konnten, dass Sie hier im Parlament über Roaming-Gebühren beraten können, dass der Zahlungsverkehr zwischen den europäischen Ländern einfacher wird, dass es gelungen ist, unter den Maßgaben des Europäischen Parlaments die Mittel für die Landwirtschaft freizubekommen, dass wir einen Fortschritt bei dem Open-Sky-Abkommen, d. h bei dem verbesserten Flugverkehr zwischen Europa und Amerika, erreicht haben. Das sind ganz praktische Punkte, an denen die Menschen uns messen. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir in diesen Fragen Fortschritte erzielen konnten, und ich hoffe, dass bis zum Ende unserer Präsidentschaft noch einige, auch ganz praktische, dazukommen.

Vor uns liegen jetzt drei wichtige Gipfel. Der eine ist der EU-USA-Gipfel am 30. April, auf dem wir das Thema transatlantische Wirtschaftspartnerschaft vertiefen wollen. Die Fortschritte im Bereich des Luftverkehrs sind ein gutes Zeichen. Aber wir wissen, dass wir noch viele Synergien zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika freilegen könnten. Ich möchte mich bei der Kommission und auch bei den Parlamentariern, die dies unterstützen, ganz herzlich bedanken. Das Thema transatlantische Wirtschaftspartnerschaft hat an Dynamik gewonnen, und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir auf diesem Gipfel Ende April auch wirklich spürbare Erfolge verzeichnen können.

Zweiter Punkt: Es wird natürlich das Thema Energie und Klimaschutz auf der Tagesordnung dieses Gipfels stehen. Wir wissen, dass die Vorstellungen der Europäischen Union hier sehr weit reichen, und wir werden versuchen, dafür zu werben, damit aus diesen Vorstellungen auch globale Vorstellungen werden. Für mich ist ganz klar, dass Schwellen- und Entwicklungsländer sich uns nur anschließen werden, wenn die Industrieländer sich gemeinsam ambitionierte Ziele setzen. Deshalb werden wir dafür werben. Ich sage bewusst werben, denn Sie alle wissen, dass dies ein dickes Brett ist, das wir zu bohren haben. Man darf an dieser Stelle auch nicht zu viel versprechen.

Wir werden diesen EU-USA-Gipfel auch dazu nutzen, um ein Stück weit – obwohl dies in der Sache nicht zusammenhängt – den G8-Gipfel im Juni in Heiligendamm, Deutschland, vorzubereiten, und wir haben seitens der deutschen G8-Präsidentschaft arrangiert, dass es Anfang Mai ein Treffen der Sherpas geben wird, nicht nur von den Mitgliedstaaten der G8-Länder, sondern auch von den fünf so genannten Outreach-Staaten, d. h. China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Hier wollen wir gemeinsam technische Details des Klimawandels diskutieren, insbesondere auch mit Blick auf den Austausch von neuen Technologien und Innovationen. und damit den G8-Gipfel noch einmal ganz speziell auf das Thema Klimaschutz und Energie vorbereiten.

Im Mai wird dann der Gipfel zwischen der Europäischen Union und Russland stattfinden. Neben der transatlantischen Partnerschaft ist die strategische Partnerschaft mit Russland für uns von allergrößter Bedeutung. Ich hoffe, dass wir die Hemmnisse, die die Kommission von dem Verhandeln mit Russland noch abhalten, überwinden können – ich danke der Kommission, dass sie mit unglaublichem Elan und Einsatz daran arbeitet –, denn die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen sind natürlich essenziell, insbesondere auch im Hinblick auf die Fragen der Energiesicherheit und der Energiepartnerschaft. Deshalb ist der EU-Russland-Gipfel in Samara in Russland von allergrößter Bedeutung.

Wir werden dann auch noch einen Gipfel zwischen der Europäischen Union und Japan haben. Dieser EU-Japan-Gipfel soll sich ganz wesentlich mit der Verbesserung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit befassen, denn die Menschen in Europa werden uns alle, die wir Europa vertreten, daran messen, ob wir das, was Europa stark gemacht hat, also eine Wertegemeinschaft, eine Gemeinschaft der Menschen, die in ihrer individuellen Würde leben können und die den Menschen Wohlstand und sozialen Zusammenhalt gebracht hat, auch für die nächsten Jahrzehnte weiter sichern können.

Ich habe in meiner Rede in Berlin gesagt, die Welt wartet nicht auf Europa. Wir haben die Verantwortung dafür, dass wir Europa mit unseren Vorstellungen in diese Welt einbringen und für unsere Vorstellungen werben. Das heißt nicht, dass man das mit Abwarten, mit Abschotten, mit Mit-sich-selbst Befassen schaffen kann, sondern das kann man nur schaffen, wenn man offensiv für die eigenen Werte und Vorstellungen wirbt. Dies kann Europa nur leisten, wenn es in sich selbst handlungsfähig ist, wenn es nicht den ganzen Tag mit sich selbst beschäftigt ist, und sich nicht selbst im Wege steht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Handlungsfähigkeit möglichst schnell wiederherstellen, damit Europa für die Menschen dieser Europäischen Union das beitragen kann, was die Menschen mit Recht erwarten, dass sie auf eine sichere und auf eine freiheitliche Zukunft blicken können. In diesem Sinne sind wir vereint. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin des Europäischen Rates, liebe Frau Bundeskanzlerin, für diesen Bericht. Der Beifall hat gezeigt, dass das Europäische Parlament Ihr großes europapolitisches Engagement sehr würdigt.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (EN) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich die Erklärungen, die der Präsident des Europäischen Parlaments zu Beginn der Sitzung zu Simbabwe und Darfur abgegeben hat, begrüße und ausdrücklich unterstütze. Die dort verübten Menschenrechtsverletzungen sind inakzeptabel. Im Namen der Kommission verurteile ich diese Menschenrechtsverletzungen mit aller Entschiedenheit und fordere die Behörden der daran beteiligten Länder auf, die Menschenrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu achten.

(Beifall)

Am vergangenen Wochenende kamen das Europa der Vergangenheit und das Europa der Zukunft in Berlin zusammen. Wie es in der Erklärung steht, feierten wir fünfzig Jahre europäische Erfolgsgeschichte – Frieden, Freiheit und Solidarität, und einen Wohlstand, von dem nicht einmal die optimistischsten der Gründungsväter zu träumen gewagt hätten. Wie es der historisch glückliche Zufall so wollte, feierten wir unsere Einheit in Berlin – der Stadt, die einst ein Symbol des geteilten Europas war und die jetzt ein Symbol dieses neuen, erweiterten, vereinten Europas mit 27 Mitgliedstaaten und fast 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist. Die Feierlichkeiten in Berlin waren ein sehr denkwürdiger Augenblick für Europa. Ich spreche für viele der Anwesenden, wenn ich sage, dass diese Feierlichkeiten vom europäischen Geist erfüllt waren.

Die Berliner Erklärung erwies sich dieses Anlasses würdig, da sie die europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten erneut den europäischen Werten und europäischen Zielen für das 21. Jahrhundert verpflichtete. Es hat mich sehr gefreut, dass die Erklärung, die auf einen Vorschlag der Kommission vom Mai 2006 zurückgeht, zu einem so passenden Herzstück der Feierlichkeiten wurde.

Ich möchte der Frau Bundeskanzlerin und dem deutschen Ratsvorsitz zu der herausragenden Rolle gratulieren, die sie in dieser großartigen europäischen Erfolgsgeschichte gespielt haben. Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich glaube, dass Ihr persönliches Engagement, Ihre Biographie und die Tatsache, dass Sie um die Bedeutung der Freiheit für Ihr Land und für Europa wissen, ausschlaggebend für den Geist war, der die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs in Berlin erfüllte.

(Beifall)

Außerdem hat es mich mit großem Stolz erfüllt, dass alle drei europäischen Institutionen die Erklärung unterzeichnet haben. Dass das europäische Parlament zu ihnen gehört, ist ein Zeichen der demokratischen Reife unserer Union und verdient besondere Beachtung. Ich möchte zudem die sehr nützliche Rolle würdigen, die Präsident Pöttering im Vorfeld der Berliner Erklärung im Namen des Parlaments gespielt hat.

Ich möchte heute vor diesem Hohen Haus zwei Dinge anmerken. Da wäre zunächst der Erfolg der zweigleisigen Strategie. Die beiden Tagungen des Europäischen Rates im März bildeten zusammen die zweigleisige Strategie in Aktion. Die Frühjahrstagung des Europäischen Rates zeigte, dass sich der Rat der Erzielung von Fortschritten im Energiebereich und der Bekämpfung des Klimawandels verschrieben hat. Aus der Berliner Erklärung ging das Engagement für eine institutionelle Einigung vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2009 hervor. Das zeigt, dass es falsch ist, zwischen einem pragmatischen Ansatz und einer politischen Vision einen Konflikt zu sehen. Im Gegenteil – dieses Engagement für eine zweigleisige Strategie ist der richtige Weg. Auf der einen Seite wird sie zu Ergebnissen führen und die entsprechenden politischen Impulse verleihen, um das institutionelle Problem zu lösen. Auf der anderen Seite brauchen wir, um noch bessere Ergebnisse zu liefern, wirklich effizientere, demokratischere und kohärentere Institutionen. Ein Europa der Ergebnisse ist eine politische Vision, die auf konstruktivem Pragmatismus beruht, die die Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und für europäische Probleme europäische Lösungen findet.

Außerdem brauchen wir wegen der großen globalen Herausforderungen, denen sich Europa in den kommenden Jahren stellen muss, eine Einigung über den Vertrag. Nur gemeinsam, und nur durch effektivere Arbeit, ist die Europäische Union in der Lage, den Herausforderungen der globalisierten Welt zu begegnen. Es liegt auf der Hand, dass nicht einmal die größten Mitgliedstaaten in der Lage sind, den Klimawandel, die Energiesicherheit oder die Massenmigration allein zu bewältigen. Sie können der erhöhten Wettbewerbsfähigkeit dieser globalen Wirtschaft allein nichts entgegensetzen. Das müssen wir gemeinsam und wirklich solidarisch in Angriff nehmen. Ich glaube, dass dies die Botschaft aus Berlin ist, und dass diese Botschaft nun zu einem entsprechenden Engagement für eine Lösung der institutionellen Frage vor den Wahlen im Jahr 2009 geführt hat.

(Beifall)

Es gibt einen weiteren Grund, warum sich die Kommission so sehr für eine schnelle, aber ehrgeizige institutionelle Einigung einsetzt. Zweifellos hängt seit dem Scheitern des Ratifizierungsprozesses des Verfassungsvertrags für immer ein gewisser Zweifel über der Europäischen Union. Selbst wenn bedeutende Ergebnisse – wie auf der Frühjahrstagung – erzielt werden, wird dieser Zweifel, dieser Negativismus, dieser Pessimismus, diese Skepsis immer bleiben. Wir sind immer mit einer Frage konfrontiert, die eine Antwort verdient: „Wie können Sie uns davon überzeugen“, fragen die größten Skeptiker, „dass Sie diese globalen Probleme wirklich lösen wollen, wenn Sie noch nicht mal in der Lage sind, die Probleme im Zusammenhang mit Ihren eigenen Gesetzen und den Institutionen, in denen Sie arbeiten, zu lösen?“. Wie glaubwürdig sind die Institutionen der Europäischen Union und die führenden Politiker Europas, wenn sie nicht in der Lage sind, in diesen Fragen einen Konsens zu erzielen?

Deshalb finde ich, dass wir in dieser Hinsicht Fortschritte brauchen. Wenn wir uns über die institutionellen Fragen nicht einigen können, so wird das zu Uneinigkeit führen, die unsere gemeinsamen Werte gefährden könnte. Die Geschichte Europas sollte uns daran erinnern, dass wir die großartigen Errungenschaften Frieden, Demokratie, Freiheit und Solidarität nie als selbstverständlich ansehen dürfen. Niemand sollte diese Errungenschaften für selbstverständlich halten. Wir müssen ständig für Verbesserungen im Bereich der Politik und der Werte sorgen. Wenn wir diese gemeinsamen Werte bewahren und schützen wollen – die, die wir in unserer Erklärung genannt haben: die unantastbare Würde des Einzelnen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität; also all die Werte, die uns nicht nur zu einem Markt, sondern auch zu einer politischen Gemeinschaft und einer Union machen –, dann müssen wir die Institutionen unserer Rechtsgemeinschaft reformieren.

Die Erhaltung unserer gemeinsamen Werte ist eine ständige Baustelle, die ich als das „unvollendete europäische Abenteuer“ bezeichnen möchte. Um ein besseres Europa zu schaffen, brauchen wir bessere Institutionen, die bessere Ergebnisse liefern. Ich denke, der politische Wille ist vorhanden, doch wir müssen nun auch in diesem Bereich zur Tat schreiten.

Während des informellen Gipfeltreffens im Anschluss an unsere Feierlichkeiten bat ich die Mitgliedstaaten, den Schwung in den kommenden Monaten beizubehalten. Ich bat die Regierungen der Mitgliedstaaten um aktive Mitarbeit. Alle Mitgliedstaaten haben den Vertrag unterzeichnet, der dann aufgrund von zwei negativ ausgefallenen Volksabstimmungen nicht ratifiziert werden konnte. Doch durch die eingegangene Verpflichtung obliegt es allen Mitgliedstaaten, konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung mitzuwirken. Als Präsident der Europäischen Kommission ist es meine Aufgabe, die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, in den kommenden Monaten besondere Anstrengungen zu unternehmen und die deutsche Ratspräsidentschaft bei ihren sehr wichtigen Bemühungen um eine Lösung zu unterstützen.

(Beifall)

Lassen Sie mich die Botschaft wiederholen, die ich an die europäischen Staats- und Regierungschefs gerichtet und in Berlin vorgetragen habe. Für die Zukunft der Europäischen Union ist es wichtig zu verstehen, dass es, wenn wir von Europa reden, nicht nur um die europäischen Institutionen geht, um die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament in Brüssel oder Straßburg. Während dieser Zeremonie, auf der einige von Ihnen anwesend waren, sagte ich, dass die Europäische Kommission keine fremde Macht ist, die in unsere Länder einmarschiert, sondern dass sie unser gemeinsames Projekt ist. Europa sind nicht „die“, Europa sind „wir“. Ich sagte den Staats- und Regierungschefs, dass es verlockend, aber unehrlich ist, wenn Politiker auf nationaler Ebene die Lorbeeren einheimsen und Brüssel alle Schuld zuschieben. Lassen Sie uns dieser Versuchung widerstehen.

(Beifall)

Das ist die Moral, die aus der europäischen Verantwortung erwächst und die für uns alle gelten muss.

Seit unserer Zusammenkunft in Berlin besteht eine politische Verpflichtung, die institutionelle Blockade zu überwinden. Die Kommission wird die deutsche Ratspräsidentschaft mit ganzer Kraft unterstützen, indem sie mit den anderen Mitgliedstaaten gemeinsam daran arbeitet, bis Juni einen klaren und präzisen Fahrplan und – wenn möglich – ein konkretes Mandat zu erarbeiten. Wie ich schon während der Feierlichkeiten vom letzten Wochenende sagte, dürfen wir nicht vergessen, dass es sich hier um die Art historischen Test handelt, dem sich eine Politikergeneration nur einmal im Leben stellen muss.

Ich möchte mit demselben Appell wie in Berlin schließen. Lassen Sie uns mit Stolz auf die Vergangenheit zurückblicken und mit Vertrauen in die Zukunft schauen. Arbeiten wir zusammen – die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und die europäischen Bürgerinnen und Bürger –, um das großartige Vermächtnis unserer Gründungsväter, um diese großartigen Werte ins 21. Jahrhundert zu tragen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank, Herr Kommissionspräsident, für diese Rede. Ich möchte Ihnen auch für die gute Zusammenarbeit bei der Berliner Erklärung danken. Es war ja Ihre Idee, dass die drei Institutionen gemeinsam eine Erklärung abgeben. Herzlichen Dank, Herr Kommissionspräsident Barroso!

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Wir haben gerade das fünfzigjährige Bestehen der Römischen Verträge gefeiert. Fünfzig Jahre, das sind zwei Generationen – aus historischer Sicht nicht viel, aber ein beträchtliches Alter in den Augen junger Menschen.

In den letzten Tagen wurde oft gesagt, dass die am häufigsten genannten Errungenschaften des europäischen Aufbauwerks – Frieden, Stabilität, relativer Wohlstand, das Sozialmodell – den jungen Generationen wenig sagen, weil sie tagtäglich damit leben. Dazu möchte ich zwei Dinge sagen. Erstens müssen sich junge Menschen ihres Glücks bewusst sein, dass diese Errungenschaften zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind. Zweitens muss diese Sicht der Dinge der Tatsache gegenübergestellt werden, dass die Unsicherheit der modernen Welt – Beispiele hierfür sind die Tragödien vom 11. September in New York, vom 11. März in Madrid und vom 7. Juni in London – uns allen deutlich zeigt, und zwar unabhängig vom Alter, dass ein Leben in Frieden, in Sicherheit und mit gewissen Mitteln nicht für alle Menschen auf dieser Welt eine alltägliche Realität ist, auch nicht in unseren eigenen Ländern. Auch der Gedanke an unsere fünfzehn britischen Soldaten, die gefangen genommen wurden, bewegt mich sehr.

An Frieden und Stabilität muss jeden Tag aufs Neue gearbeitet werden, wie es auch die morgige Aussprache mit Herrn Solana wieder einmal zeigen wird.

Wenn ich wenige Tage vor meinem sechzigsten Geburtstag einmal versuchte, mich in die Lage eines jungen Europäers zu versetzen, würde ich im Abenteuer Europa vielleicht unter anderem den Vorteil sehen, dass ich leichter Fremdsprachen lernen kann, die Möglichkeit habe, an Schüleraustauschen, Praktika, Sportwettkämpfen und kulturellen Ereignissen teilzunehmen – und all dies, indem ich virtuelle Grenzen überquere und ein und dieselbe Währung benutze. Das ist nicht zu verachten. In einem Dorf oder einer Stadt zu leben, die eine Partnerstadt hat, in den Genuss von Programmen zu kommen, die von der Europäischen Union gefördert werden, und direkt oder indirekt vom Wachstum zu profitieren, das durch die Gemeinschaft unserer Länder erzeugt wird, sind keine kleinen Dinge. Bürger von Staaten zu sein, die unseren Partnern und Konkurrenten weltweit gegenüber mehr Einigkeit demonstrieren, die die größten Geber für humanitäre Hilfe sind, die den demokratischen Verlauf von Wahlen auf der ganzen Welt beobachten und die Friedenstruppen in zahlreiche Krisengebiete schicken – dem allen sollte man nicht gleichgültig gegenüber stehen.

Als Beispiel für solche Tätigkeiten würde ich die zivile Mission zur Krisenbewältigung nennen, die die Europäische Union im Kosovo durchführen wird, wenn der künftige Status dieser nach Unabhängigkeit strebenden Provinz Serbiens geklärt ist. Dies wird für unsere Länder eine ganz neue Art des Einsatzes sein.

All diese Dinge sind positiv und befriedigend und gereichen uns in den Augen der Jugend und eigentlich aller, würde ich sagen, zur Ehre. Zugegeben, Europa ist kein Allheilmittel und löst nicht alle Probleme – bei Weitem nicht – aber dies hat ja auch nie jemand behauptet. Was die EU jedoch tun kann – und zwar besser als unsere Mitgliedstaaten jeder für sich – ist, zur Lösung von Problemen beizutragen, neue Herausforderungen anzunehmen und unsere Prioritäten neu auszurichten.

Ob wir es so wollten oder nicht – die Globalisierung ist eine Realität, vor der wir nicht fliehen können. Auch wenn wir sehr oft – sei es zu Recht oder zu Unrecht – ihre negativen Seiten beklagen, hat die Globalisierung unleugbare Vorteile wie die erleichterte Kommunikation und Information und die Öffnung für andere Kulturen, um nur einige Beispiele zu nennen.

In diesem Globalisierungsprozess hat Europa eine Rolle zu spielen, Werte zu verteidigen und für ein Gesellschaftsmodell zu werben. Europa ist nicht zum Schweigen verdammt, muss nicht stillschweigend alles hinnehmen und sich von den Ereignissen überrollen lassen. Wenn wir wollen, können wir den Lauf der Geschichte beeinflussen, so wie wir es in den vergangenen fünfzig Jahren getan haben.

Ich kann diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne Ihnen, Frau Ratspräsidentin, meinen Glückwunsch und vor allem meinen Dank auszusprechen. Erstens, weil Sie dadurch, dass Sie in drei Monaten bereits dreimal hier im Europäischen Parlament anwesend waren, zeigen, dass Sie der Arbeit der Parlamentsmitglieder Achtung zollen. Dadurch setzen Sie ein Beispiel, dem Ihre Nachfolger sicherlich folgen werden. Zweitens möchte ich Ihnen danken, weil Sie mit dem von Ihnen anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Römischen Verträge organisierten Europa-Fest am 25. März in Berlin – das, wie wir wissen, ein Erfolg war – gezeigt haben, dass Europa nicht nur heißt, Reden zu halten und Gesetze zu verabschieden, sondern auch Emotionen, Freude und Geselligkeit bedeuten kann. Zuletzt möchte ich Ihnen danken, weil die Berliner Erklärung, die von den europäischen Institutionen angenommen wurde, ein gut lesbares und starkes Dokument ist, das Europa wieder auf den Sattel setzt und uns eine neue Perspektive gibt, indem es empfiehlt, bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2009 eine institutionelle Regelung zu finden.

Frau Ratspräsidentin, Ihr entschlossenes öffentliches Auftreten in Verbindung mit Ihrer persönlichen Bescheidenheit und Menschlichkeit ehrt Europa und bringt es voran. Unter Ihrem Vorsitz fanden zwei Tagungen des Europäischen Rates statt, die beide von allen Seiten als erfolgreich bewertet werden. Bei den Schlüsselthemen Energie und Klima hat Europa den Weg vorgegeben, indem es beschlossen hat, sich mit den erforderlichen institutionellen Instrumenten auszustatten, um diesen großen Herausforderungen zu begegnen und seiner Stimme Gehör zu verschaffen. So muss Europa funktionieren und handeln; so werden unsere Mitbürger, insbesondere die jungen unter ihnen, sich dieses Projekt, das moderner ist denn je, zu eigen machen.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Begriff historisch wird inflationär verwendet, dennoch darf uns dies nicht davon abhalten, historische Situationen als solche zu bezeichnen. Wir befinden uns in einer historischen Situation. Allen Kritikern der Berliner Erklärung will ich sagen: Was wäre eigentlich, wenn sie nicht zu Stande gekommen wäre?

Deshalb mein Kompliment an Sie, Frau Ratspräsidentin! Sie haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie haben sich lange nicht in die Karten schauen lassen. Das war taktisch klug. Und Sie haben mit der Berliner Erklärung erreicht, was zum jetzigen Zeitpunkt zu erreichen war. Das war ein positiver Schritt und ein Erfolg für Europa. Aber die historische Phase beginnt jetzt, weil jetzt die Frage zu stellen ist: Wie geht es weiter?

Es ist völlig klar — und ich bedauere das persönlich —, dass der Verfassungsvertrag, wie er auf dem Tisch liegt, nicht in Kraft gesetzt werden wird. Damit müssen wir leben. Diese Verfassung wird es nicht geben. Das darf nicht heißen, dass es keine gibt, auch wenn das Vertragswerk nicht Verfassung heißt. Wir Deutschen leben seit 60 Jahren mit einem Grundgesetz als Verfassung, und es ist eine tolle Verfassung.

Wir sind in der entscheidenden Phase, in der es darum geht, die Frage zu beantworten: Wie geht es mit diesem Kontinent weiter? Es gibt diejenigen, die ein anderes Europa wollen, die eine Vertragsrevision ablehnen und meinen, Nizza sei sowieso schon zu viel, und wir erweitern trotzdem — in jedem Fall und um jeden Preis. Diesen Leuten sage ich im Namen meiner Fraktion, und ich glaube auch im Namen der überwältigenden Mehrheit in diesem Hause: Nein, der europäische Integrationsprozess ist nicht zu Ende, er muss weitergehen, und wir wollen, dass er weitergeht.

(Beifall)

Wir wollen dass er weitergeht, weil wir ihn brauchen. Und all diejenigen, die die Erweiterung der Europäischen Union wollen, denen muss man sagen: Ohne die reformierte Union und ohne den erneuerten Vertrag wird es keine Erweiterungen geben. Ich sage den Herren Kaczyński und Klaus: Sie fügen Kroatien einen großen Schaden zu, wenn Sie die Reform der Europäischen Union verhindern.

(Beifall)

Lassen Sie nicht andere den Preis für Ihre Politik zahlen!

Warum ist das historisch, was wir jetzt tun? Ich würde mir bei denen, die den Integrationsprozess befürworten, den gleichen Enthusiasmus wünschen, wie Sie, Frau Ratspräsidentin, ihn an den Tag legen. Ich würde mir die gleiche Lautstärke bei den Befürwortern eines integrierten Europas wünschen, wie wir sie von den Gegnern des integrierten Europas vernehmen. Ein bisschen mehr Kampfbereitschaft ist jetzt erforderlich, denn Europa glaubt, es sei groß. In Wirklichkeit ist es aber klein.

Die 500 Millionen Einwohner der 27 Mitgliedstaaten machen 8 % der Weltbevölkerung aus — mit sinkender Tendenz. China und Indien, das sind große Länder. Die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer Wirtschafts- und Militärkraft sind eine Supermacht. Wenn das Europa der Integration scheitert und wir ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten bekommen, wenn dieses ohnehin kleine Europa seine eigene Kraft dadurch schwächt, dass es sich in Einzelteile zerlegt, dann wird es scheitern. Deshalb brauchen wir alle 27 Mitgliedstaaten und die Integration in Europa. Sie ist unsere Zukunft.

(Beifall)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Europa scheitern würde, dann scheitert mehr als ein Verfassungsvertrag. Es scheitert eine Idee. Und welche Idee ist das? Was wir hinter uns haben, und was wir durch die 50 Jahre Integration überwunden haben, können wir doch mit Namen benennen: Hass und Intoleranz, Großmachtanspruch und Ausgrenzung von Minderheiten, religiöse Intoleranz und Verfolgung von politisch Andersdenkenden.

Das Großmachtstreben haben wir durch territoriale Integration überwunden. Die soziale Ausgrenzung haben wir durch die Kombination von ökonomischem Fortschritt mit sozialer Sicherheit überwunden. Die ethnische, religiöse, kulturelle Intoleranz haben wir durch das Konzept der Integration überwunden. Aber das, was ich beschrieben habe, gibt es immer noch: Hass, Ausgrenzung, Unterdrückung, auch das Großmachtstreben, gerade jetzt wieder in unserer Union und nicht nur in Osteuropa, überall in Europa.

Das käme mit voller Wucht in unsere Völkergemeinschaft zurück, wenn wir die Integration zerstören würden. Deshalb sind die, die für die Fortsetzung des Integrationsprozesses und für eine Vertiefung der Union kämpfen und für die Werte Europas eintreten, die uns so stark und zu einem Modell gemacht haben, aufgerufen — mit Angela Merkel als Ratspräsidentin — zu kämpfen. Wir können doch nicht zulassen, dass die Kommission in den Verhandlungen mit anderen Staaten sagt: Wenn Ihr in die Union kommen wollt, dann müsst Ihr einen Transformationsprozess durchmachen, der alles außer Kraft setzt, was bis heute bei Euch gültig war. Wir selbst aber, die wir das verlangen, sind nicht in der Lage, unsere eigenen Reformen durchzuführen. Wie wollen wir da glaubwürdig sein?

(reger Beifall)

Wir sind in einer historischen Phase. Sie, Frau Ratspräsidentin — ich muss es zugeben, als deutscher Sozialdemokrat fällt es mir schwer, das zu sagen — haben in Deutschland, aber insbesondere hier, auf diesem Weg die Sozialisten an Ihrer Seite.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Martin Schulz. Der Präsident war nicht ganz korrekt. Ich bitte, sich in der Zukunft nicht immer ein Beispiel an der Länge der Redezeit zu nehmen, aber an der Qualität durchaus. Weiter darf der Präsident mit seiner Objektivität nicht gehen.

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Frau Bundeskanzlerin! Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Erfolg – dem Text und dem erreichten Konsens.

Ihre Würdigung des Erfolgs der Union erfolgte zur rechten Zeit und in angemessener Form. Die Sicherheit, den Wohlstand und die Chancen, die unsere Bürgerinnen und Bürger genießen, verdanken wir vor allem der Europäischen Union.

Am Sonntagvormittag im Berliner Historischen Museum fielen mir zwei Dinge auf: Als Erstes Ihre geniale Idee, für diesen Anlass das Europäische Jugendorchester zu engagieren – es ist ein erstklassiges Orchester, und es verdient eine bessere finanzielle Förderung. Als Zweites fiel mir auf, dass von den 31 Personen im Präsidium – unter den Staats- und Regierungschefs, Präsidenten der Institutionen etc. – Sie die einzige Frau waren. Dabei musste ich an einen Vers des Dichters Robert Burns denken:

‘While Europe’s eye is fixed on mighty things,

The fate of empires and the fall of kings;

While quacks of State must each produce his plan,

And even children lisp the Rights of Man;

Amidst this mighty fuss just let me mention,

The Rights of Woman merit some attention.’

Frau Bundeskanzlerin! Sie gehen mit gutem Beispiel voran – wir brauchen mehr Frauen auf der höchsten Ebene der Politik.

(Beifall)

Ja, vielleicht ist es unter den gegenwärtigen Umständen sogar so, dass nur eine Frau einen Konsens erreichen konnte.

Zu der von Ihnen gewählten Vorgehensweise kann ich Ihnen jedoch nicht gratulieren – ein in den Katakomben des Bundeskanzleramts entworfener und von den Präsidenten der drei wichtigsten Institutionen unterzeichneter Text sollte nicht mit den kühnen Worten beginnen: „Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union“. Denn es sind die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, die erst wieder in den Aufbauprozess Europas integriert werden müssen. Präsident Barroso hatte Recht, als er sagte, die Institutionen müssten die Vielfalt respektieren, doch gleichzeitig müssten sich die Mitgliedstaaten für die Einheit engagieren. Die beeindruckenden Feierlichkeiten von Berlin wurden nur in wenigen anderen europäischen Hauptstädten wiederholt. Solange nicht alle Ihre Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat Tag für Tag aktiv für die Sache Europas eintreten, wird es keine solide Grundlage geben.

Es hilft auch nicht, Frau Bundeskanzlerin, wenn es die Europäische Volkspartei – Ihre Partei – als ihr alleiniges Verdienst ansieht, diese Union geschmiedet zu haben. Die Verfasser dieser etwas hochtrabenden EVP-Erklärung preisen zu Recht Monnet, de Gasperi und Kohl, doch ihre Erinnerung ist dabei bestenfalls selektiv. Thatcher, Chirac, Berlusconi – auch sie waren führende Politiker der EVP, deren Beitrag Sie jedoch übersehen zu haben scheinen. Die Union ist nicht das Projekt einer Partei. Sie gehört uns allen.

(Beifall)

Wir hoffen, Frau Bundeskanzlerin, dass die Berliner Erklärung einen neuen Aufbruch einleiten wird. Wir hoffen, dass auf der von Ihnen anberaumten Regierungskonferenz der institutionelle Grundstock für die Zukunft der Europäischen Union geschaffen werden wird. Das neue Europa – das Europa, das in der Berliner Erklärung anvisiert wird –, sollte so sein, dass es seinen Bürgerinnen und Bürgern dabei hilft, die Chancen der Globalisierung zu ergreifen, und ihnen bei der Bewältigung der neuen globalen Herausforderungen solidarisch zur Seite steht; ein Europa, in dem die Demokratie die Oberhand und unsere Werte das letzte Wort haben.

(Beifall)

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berliner Gipfel war ein Moment großer Emotionen, insbesondere für jemanden, der wie ich seit 1989 in diesem Parlament sitzt, dem Jahr, das die Wiedergeburt Europas markierte. In der Erklärung wird anerkannt, dass Europa eine Union der Staaten und kein neuer Superstaat ist, und in der Anerkennung der Identität der Völker der Union sowie ihrer Unterschiede in einem auf gemeinsamen Zielen beruhenden Staatenbund liegt die Kraft, die uns in die Lage versetzt, den Weg zur Verwirklichung der politischen Union, die wir bisher noch nicht erreicht haben, weiterzuverfolgen.

Wir bedauern, dass kein uneingeschränktes Bekenntnis zu unseren Wurzeln möglich war: Gerade weil wir fest an den weltlichen Charakter der Institutionen glauben, sind wir ebenso fest davon überzeugt, dass die Politik verarmt, wenn wir uns nicht zu all unseren Wurzeln bekennen. In unserer komplexen, multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft, mit unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie im Wege der Demokratie Frieden erreicht werden kann, was Hand in Hand geht mit dem allseitigen Bekenntnis zur Achtung der Menschenwürde, brauchen wir den Dialog der Kulturen, und um die anderen anzuerkennen, müssen wir zunächst uns selbst anerkennen, vom Alltagsleben der einzelnen Menschen bis hin zu dem der Staaten.

Wir lassen nicht locker und bekräftigen erneut die Gefahr der Theokratie jedweder Art, und ebenso die eines extremen Laizismus, der die zentralen gesellschaftlichen Werte in den Individuen und in der Politik langsam zerstört. Wir sind besorgt darüber, dass allzu viele das essenzielle Konzept des weltlichen Charakters der Institutionen mit der Akzeptanz eines kulturellen und politischen Relativismus, der zu übertriebenem Laizismus führt, verwechseln.

Wir sind gegen ein Europa, das nur aus dem Markt besteht, und gegen die Pseudokulturen, die die Bürger dazu drängen, ein virtuelles Leben zu suchen, das aufgrund von Unfähigkeit oder Angst an die Stelle des wirklichen Lebens treten soll. Wir wollen ein politisches Europa, das den Demokratiewunsch in einer Welt anzuregen vermag, in der Millionen Männer und Frauen noch immer unter dem Mangel an Freiheit und Rechtstaatlichkeit leiden.

Europa braucht schnellstens flexible und klar definierte Institutionen, denn heute steht der Terrorismus vor unserer Tür und heute müssen wir fähig sein, unsere Aufgaben zu bestimmen und sofort zu erfüllen – wie wir es im Europäischen Konvent bekräftigt haben –, und zwar innerhalb und außerhalb Europas: von den Energie- und Wasserressourcen über den Klimawandel bis hin zur Durchsetzung der Menschenwürde.

Wir befürchten, dass 2009 zu weit entfernt ist, aber ad impossibilia nemo tenetur – man kann von niemandem Unmögliches verlangen –, auch wenn wir uns des starken und ehrlichen Engagements der deutschen Ratspräsidentschaft und der enormen Fähigkeit von Bundeskanzlerin Merkel, zu vermitteln und gleichzeitig zu überzeugen, derart bewusst sind, das wir ein wenig Hoffnung schöpfen, diese Zeitspanne verkürzen zu können.

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Watson und Herrn Daul, und die anderen, zunächst darauf hinweisen, dass es eine ganz einfache Methode gibt, um die Anzahl der Frauen zu erhöhen: die Ko-Präsidentschaft. In der Verts/ALE-Fraktion waren wir damit erfolgreich – sie funktioniert wirklich gut –, und ich kann sie Ihnen nur wärmstens empfehlen.

Die Berliner Erklärung ermutigt uns wirklich sehr, Frau Bundeskanzlerin. Es gibt Momente, in denen Feierlichkeit, Rhetorik und Förmlichkeit einen Sinn machen, und der 50. Jahrestag der Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist sicher eine solche Gelegenheit, vor allem, weil viele Menschen ihr Leben ließen, um so weit zu kommen, und weil es uns einen sehr harten Kampf und viel Arbeit gekostet hat.

Desgleichen anerkennen wir Ihre Rolle und danken Ihnen dafür – obwohl ich der Meinung bin, dass all das gewissermaßen zur Ihren Pflichten gehört –, und wir stellen erfreut fest, dass in diesem Fall im Unterschied zu anderen – ich möchte ausdrücklich die Energie, die Kraftfahrzeuge usw. nennen – die deutsche Ratspräsidentschaft ein europäisches Bewusstsein demonstriert hat, das sicher der Situation angemessen ist.

Ich denke, die Botschaft ist angekommen und die Öffentlichkeit hat verstanden, dass dieser 50. Jahrestag ein positives Ziel war und wir unsere Bemühungen fortsetzen müssen. Freilich, die europäische Bevölkerung hat dem Text der Erklärung nicht allzu viel Aufmerksamkeit gewidmet bzw. der Arbeit, die erforderlich war, um diese beiden knappen Seiten zusammenzubekommen, die eigentlich nichts Außergewöhnliches oder Originelles enthalten. Vielmehr zeigt sich an dem, was diese Erklärung nicht enthält, meines Erachtens, dass zwischen den Regierungen – ich betone, zwischen den Regierungen – im Hinblick auf die Zukunft Europas eine tiefe Spaltung besteht, die nichts Gutes für die Arbeit verheißt, die Ihnen Frau Bundeskanzlerin, in den nächsten Monaten bevorsteht.

Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass der Traum von einer Europäischen Union noch nicht verwirklicht wurde; dass wir in Darfur noch nicht als Europäische Union eingreifen können, weil wir gespalten sind; dass die Energiepolitik – leider – für viele Regierungen im Wesentlichen bedeutet, vor Präsident Putin zu Kreuze zu kriechen; dass wir nicht imstande sind, eine eigene Politik im Verhältnis zu den USA zu entwickeln und dass wir aus all diesen Gründen eine starke Europäische Union brauchen, die mit einer Verfassung ausgestattet ist.

Frau Bundeskanzlerin, wenn das Ziel in der verbleibenden Zeit Ihrer Ratspräsidentschaft darin besteht, aus der Sackgasse, in der wir uns befinden, herauszukommen, dann dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben: die Methode der reinen Regierungszusammenarbeit wird ebenso wenig funktionieren wie die Methode der Berliner Erklärung, weil es uns in einer Neuauflage der Nächte der Regierungskonferenz von Nizza nicht gelingen wird, zu einer Einigung zu gelangen, die fähig ist, wie Sie es formulierten, die Verfassung im Kern zu erhalten.

Aus diesem Grund appellieren wir an Sie, seien Sie mutig und testen Sie die Demokratie und genehmigen Sie die Eröffnung einer Regierungskonferenz, indem Sie dem Europäischen Parlament die Teilnahme im Wege des Mitentscheidungsverfahrens und eines Shuttlesystems der Publizität und der Debatte ermöglichen; die europäischen Bürger wollen mehr Europa, nicht weniger Europa, doch ihre Regierungen sind nicht immer in der Lage, das zu zeigen. Weisen Sie daher die Idee zurück, wonach uns nur eine Regierungskonferenz zu einem Ergebnis führen kann, denn das wird ihr nicht gelingen und wir werden die Verfassung nicht im Kern bewahren; wir werden lediglich mit leeren Händen dastehen.

 
  
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  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Kanzlerin! Wenn heute vom europäischen Traum die Rede ist, bemühen wir meistens den Amerikaner Jeremy Rifkin. Die Staatschefs der EU bzw. ihre Sherpas träumen jedenfalls nicht, und schon gar nicht gemeinsam.

Die Berliner Erklärung beschreibt weder einen Traum noch nimmt sie sich der Realität an. Im Gegenteil. Sie ist die erneute Verweigerung der Realität, die die Staatschefs daran hindert, die Krise, in der die Union steckt, klar zu erkennen, und folglich gibt es natürlich auch keine Initiative, die einen Ausweg weist. Damit wächst weiterhin die Gefahr von Desintegration und Renationalisierung. Es gibt keine Absage an eine neoliberale, sozial und ökologisch zerstörerische Freihandelszone oder an eine weitere Militarisierung der EU.

In der Erklärung wird nicht ein Wort zur Lage von Millionen Menschen innerhalb der EU gesagt, die von Armut, langanhaltender Arbeitslosigkeit, Prekarität und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Sie gehören de facto nicht dazu. Die Botschaft der Erklärung richtet sich nur an die Regierenden selbst, nicht aber an die Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten. Von Identitätsstiftung kann in diesem Sinne also auch keine Rede sein. Kommentatoren reden von einem Testfall für den Verfassungsprozess. Andere haben das ja im Prinzip heute schon angesprochen. Übertragen heißt das, dass die künftige Verfassung oder der Grundlagenvertrag ein Fall für die Geheimdiplomatie werden ohne jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaften. Danach ist alles nur eine Frage des Drucks auf die Regierungschefs. Für den Fall, dass diese nicht spuren, schwingen einige meiner deutschen Parlamentskollegen aus dem Europäischen Parlament gleich die Austrittskeule. Ich finde, das ist wahrlich eine äußerst demokratische Argumentation. Ich meine das schon so, wie ich es sage.

Wenn es den Regierenden in der EU wirklich ernst wäre mit ihren Versprechungen, die EU bis zu den Wahlen 2009 auf eine tragfähige und erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen, dann hätte das folgende Konsequenz: Aus dem gesamten Entwurf der Europäischen Verfassung wären all jene Passagen zu streichen, die auf eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, Privatisierung und Militarisierung drängen. Die Diskussion über jene Europäische Union, die sich die Mehrzahl der hier lebenden Menschen wünscht, wäre zu eröffnen. Der dritte Teil des vorliegenden Verfassungsentwurfs sollte ganz gestrichen werden. Die detaillierten Politikziele und Vorgaben sind durch klare Kompetenz- und Verfahrensregeln zu ersetzen, die unterschiedliche Politiken ermöglichen. Artikel I Absatz 41 Ziffer 3 muss durch ein klares Verbot des Angriffskrieges und die Festlegung auf das Völkerrecht ersetzt und die im Vorgriff auf den EU-Verfassungsvertrag schon arbeitende Rüstungsagentur geschlossen werden.

 
  
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  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin! Die öffentlichen Feierlichkeiten in den Straßen Berlins waren wundervoll, ihr Grundton war jedoch ein oberflächlicher, pompöser Euronationalismus. Frau Merkel hielt eine gute Rede. Unser Präsident, Herr Pöttering, unterzeichnete ein Dokument im Namen aller Abgeordneten hier im Parlament, auch wenn wir dessen Wortlaut noch nicht zu Gesicht bekamen und noch keine Gelegenheit hatten, Einfluss darauf zu nehmen. So etwas darf nicht noch einmal geschehen. Das Europäische Parlament sollte sich nicht an der Vorbereitung von Dokumenten beteiligen, in die die Abgeordneten vor Annahme des Textes keine Einsicht nehmen dürfen.

Die letzte Klausel ist die wichtigste, mit ihrer Verpflichtung, eine neue Verfassung zu verabschieden, die vor den EU-Wahlen im Juni 2009 in Kraft treten kann. Deutschland will die Verfassung „ausbessern“. Es besteht der Wunsch, ihren Namen zu ändern und eventuell textliche Verweise auf die Flagge und die Hymne, wenn auch nicht Flagge und Hymne selbst, zu entfernen. Teil II würde gestrichen, und zwar mit der Absicht, die gemeinsamen Grundrechte in einem entsprechenden zweizeiligen Verweis anzunehmen. An Teil III würden einige wenige Änderungen vorgenommen, sodass die Verfassung als unschuldiger kleiner Änderungsvertrag präsentiert werden könnte, der Hauptinhalt dagegen noch derselbe wäre wie der des von den französischen und niederländischen Wählern abgelehnten Textes.

Alle demokratischen Kräfte sollten sich daher nun vereinen und Volksabstimmungen über den nächsten Vertrag in allen Ländern fordern, und zwar, warum auch nicht, am selben Tag. Auf diese Weise wären unsere Staats- und Regierungschefs gezwungen ein Dokument zu gestalten, das von den Wählern angenommen werden könnte, und der nächste Vertrag würde den Wählern mehr Einfluss verleihen anstatt ihnen Einfluss zu nehmen, wie es die Verfassung tut. Der Kern der Angelegenheit ist natürlich, dass es in 59 Bereichen eine Verlagerung von Einstimmigkeit hin zu qualifizierter Mehrheitsabstimmung gibt, d. h. von Einstimmigkeit, in der die Wähler jedes Landes das letzte Wort haben, zu qualifizierter Mehrheitsabstimmung unter Beamten, Ministern und Lobbyisten hinter geschlossenen Türen in Brüssel. Dies ist der Tagesbefehl: zu viel Macchiavelli und zu wenig Montesquieu. Vielen Dank, Herr Präsident, auch wenn es in diesem Fall nichts zu danken gibt.

 
  
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  Bruno Gollnisch, im Namen der ITS-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Vor fünfzig Jahren wurden die Römischen Verträge zwischen Ländern unterzeichnet, deren Sozialschutzniveau vergleichbar war und die, obgleich reich an verschiedenen Kulturen, auch eine gemeinsame Zivilisation teilten. Das diesen Verträgen zugrunde liegende Prinzip war die Gemeinschaftspräferenz, die unseren Erzeugern, insbesondere kleinen Bauern, höhere Preise als auf den Weltmärkten garantierte.

Diese Verträge sind völlig aus den Fugen geraten; die Gemeinschaftspräferenz ist einer Ausbreitung von nicht-europäischen Produkten gewichen; die Deindustrialisierung kostet Europa Hunderte Millionen von Arbeitsplätzen, und die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor haben lediglich noch eine Gnadenfrist. Durch die gedankenlose Öffnung seiner Grenzen hat Europa Arbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsplätze und Armut geschaffen, Probleme, die in der Berliner Erklärung keine Erwähnung finden, die ein Denkmal zynischer Selbstzufriedenheit und völlig von der Realität und den Völkern losgelöst ist und diesem Europa keinerlei Inhalt bietet, sei er weltlicher oder geistiger Art. Wie selbst Papst Benedikt XVI. kommentierte, schafft sie es sogar, die christlichen Wurzeln Europas zu verschweigen. Wurde dafür das Einverständnis eines christdemokratischen Präsidenten dieses Parlaments und einer christdemokratischen Ratsvorsitzenden benötigt?

Diese Union ist nicht mehr demokratisch; die internationale Institution wird zum Superstaat, einem Staat, der von der Öffentlichkeit abgelehnt wird. Die Öffentlichkeit verjagte ihn durch die Tür, und Sie versuchen nun, ihn durch das Fenster wieder hereinzuholen. Nichts davon hat noch irgendetwas zu tun mit dem wahren Geist von Europa, und wir werden diese Fehlentwicklungen nicht mittragen.

 
  
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  Jim Allister (NI). – (EN) Herr Präsident! Wenn man die Berliner Erklärung einmal von all den selbstgefälligen Worthülsen befreit, dann bleibt in vielen Bereichen nur sehr wenig Substanz übrig. In Verfolgung des zentralen Grundsatzes der Römischen Verträge, d. h. die Schaffung einer immer engeren Union, die die Erklärung ja würdigen soll, wurde sie von vielen Europa-Enthusiasten als ein wichtiger Meilenstein für die Wiederbelebung der abgelehnten Verfassung angesehen. Doch als die still und heimlich verfasste Erklärung dann vorlag, wurde die Verfassung in ihr nicht einmal erwähnt. Stattdessen enthält sie viel von dem üblichen Quatsch wie z. B., die EU sei die Friedensmaschine Europas. Meines Erachtens hat die NATO – und nicht die EU – das größte Verdienst an der Verteidigung, der Wiederherstellung und der Wahrung von Freiheit und Demokratie in Europa.

Die Idee der europäischen Zusammenarbeit steht außer Frage. Es sind die Mittel und das Ziel, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Europa-Skeptiker glauben an die Vorzüge freiwilliger, wechselseitiger Kooperation zwischen souveränen Nationalstaaten. Was wir ablehnen, ist die Instrumentalisierung dieser Staaten durch eine habgierige, zentralisierende EU zu dem Zweck, den Bürgerinnen und Bürgern dieser Nationalstaaten eine unerwünschte politische Integration aufzuzwingen. Diese Erklärung hält an diesem Ziel fest und ist daher eine mangelhafte Erklärung.

 
  
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  Der Präsident. Herr Allister! Wir beglückwünschen Sie zu der Regierung in Nordirland. Sie kommen ja aus Nordirland.

 
  
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  Hartmut Nassauer (PPE-DE). – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ratspräsidentin, Ihre Präsidentschaft macht uns Europäern Mut. Zum ersten Mal seit langer Zeit gewinnen wir den Eindruck, dass Europa aus der Sackgasse des nicht ratifizierten Vertrags wieder herauskommen könnte. Wir werden nicht eine Verfassung anzusteuern haben, aber die Verfasstheit der Europäischen Union muss den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Daran besteht kein Zweifel. Das erfordert Mut und Führungskraft, und die haben Sie bisher bewiesen. Wir unterstützen Sie weiterhin auf Ihrem Weg!

Allerdings müssen Sie nicht nur die Staats- und Regierungschefs – was schwer genug ist – für dieses Vorhaben gewinnen. Sie müssen vor allem die europäischen Völker wieder für die europäische Union gewinnen. Denn die EU droht das Vertrauen ihrer Völker zu verlieren, und möglicherweise ist dies bereits geschehen. Es stellt sich die Frage, ob die von Martin Schulz beschworene Integration das richtige Rezept ist, ungeachtet dessen, dass ich diesen Grundansatz teile, und Integration der Kern des europäischen Weges ist. Aber mehr Integration wird uns die Zustimmung der Europäer nicht sichern. Deswegen appelliere ich an Sie, Frau Bundeskanzlerin, machen Sie sich zur Sprecherin derer, die überzeugte Europäer sind, und auch den integrativen Weg befürworten, die aber unzufrieden mit dem Erscheinungsbild dieser Europäischen Union sind.

Die Quelle des Unbehagens, der Distanz, die Sie auch angesprochen haben, ist eine überregulierende Gesetzgebung, die hier Entscheidungen trifft, die unten als Brüsseler Gängelei ankommen. Falls Sie, Herr Kommissionspräsident, dafür ein Beispiel aus Ihrer Verantwortung haben wollen, dann empfehle ich Ihnen, abends kurz vor dem Schlafengehen die Richtlinie zum Bodenschutz zu studieren. Ich versichere Ihnen, Sie werden in der Nacht Alpträume haben! Das Unbehagen an der Europäischen Union, deren historische Erfolge wir zu Recht mit Stolz feiern, macht deutlich: Europa braucht jetzt nicht generell ein Mehr an Integration, Europa braucht Grenzen, nach außen ebenso wie auch nach innen. Integration ist ja richtig, aber sie ist auf die schiefe Ebene geraten. Wir haben nach innen stellenweise zu viel, und nach außen, wo die Bürger mehr gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik haben wollen, dort haben wir zu wenig. Wer das bezweifelt, der möge sich einmal die Frage stellen: Ist der Appell zur Freilassung der tapferen britischen Soldaten nicht viel wirksamer, wenn die gesamte Europäische Union dahinter steht und nicht nur ein Mitgliedstaat?

Die Europäische Union muss von ihrer integrativen Verkrustung befreit werden. Da ist Ihre Überlegung der Diskontinuität völlig richtig. Ein Gesetzentwurf, der am Ende einer Legislatur nicht erledigt ist, muss verfallen. Das schafft Klarheit, verdeutlicht Verantwortlichkeit und schafft Vertrauen. Deswegen mein Wunsch an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Gewinnen Sie das Vertrauen der europäischen Völker wieder. Sie haben dazu die Chance!

 
  
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  Der Präsident. Herr Kollege Nassauer! Wir müssen uns alle gemeinsam mächtig anstrengen. Das wollen wir ja tun.

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Frau Ratspräsidentin! Als Sozialistin und Frau möchte auch ich Frau Merkel zu ihrem Vorsitz gratulieren. Ich denke, sie hat bereits den Unterschied deutlich gemacht und den Beweis erbracht, dass wir mehr Frauen in den Entscheidungsinstanzen brauchen.

Im Verlaufe ihres fünfzigjährigen Bestehens hat die Europäische Union den Traum von Jean Monnet verwirklicht: Sie hat das Projekt des Friedens, der Freiheit und des Fortschritts gestärkt und ihre Grenzen erweitert. Ihr gehören jetzt 27 Mitgliedstaaten an, von denen einige vor 50 Jahren – und wie im Fall meines Heimatlandes Portugal vor noch weniger Jahren – unter dem Joch von Diktaturen gelebt haben. Mehr Frieden, mehr Demokratie, mehr Wohlstand, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der freie Warenverkehr sowie eine von nun 13 Ländern eingeführte Einheitswährung sind ein Vermächtnis von unschätzbarem Wert.

In diesen 50 Jahren hat sich Europa verändert, aber auch die Welt hat sich gewaltig verändert, und mithin die Bedürfnisse der Europäer. Globalisierung, Klimawandel, Energieprobleme, Alterung der Bevölkerung, Einwanderung und Terrorismus sind Herausforderungen, die neue Antworten erfordern. Es ist unsere Pflicht, Lösungen für die Probleme der Gegenwart zu finden und die Erwartungen der Bürger zu erfüllen. Das wird der beste Weg sein, um die soziale Stabilität zu befördern und zum Gleichgewicht in der Welt beizutragen.

Der innere Frieden und die innere Stabilität nützen wenig, wenn wir keine Lösungen für den Krieg im Irak, für die Krise im Nahen Osten sowie für die ernsten Probleme unserer Nachbarn in Nordafrika finden.

Die Berliner Erklärung lässt zu Recht die Debatte über den Verfassungsvertrag wiederaufleben und verpflichtet die 27 Mitgliedstaaten, die Europäische Union bis zu den Europawahlen 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen. Es muss rasch ein Konsens erreicht werden. Dass es Hindernisse gibt, kann nicht geleugnet werden, aber das ist eine gute Gelegenheit für die Mitgliedstaaten, der Welt und den Bürgern zu zeigen, dass das, was uns eint, wichtiger ist als das, was uns trennt. Nur so werden wir das Vertrauen der Bürger gewinnen.

 
  
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  Silvana Koch-Mehrin (ALDE). – Frau Ratspräsidentin! Ich möchte Ihnen vor allem zu zwei Sätzen in der Berliner Erklärung gratulieren. Der Erste: Wir sind zu unserem Glück vereint. Das ist eine wunderschöne Aussage, und ich finde, dass sie sich ganz klar gegen die Nörgler und Zweifler stellt, die immer nur darüber meckern, dass die EU eine Zwangsveranstaltung ist. Es geht wirklich darum: Zu unserem Glück sind wir vereint. Ich finde auch, dass diese bestechend einfache Formulierung den Ton trifft, der für jede Bürgerin und jeden Bürger verständlich ist.

Gratulieren möchte ich Ihnen ferner dazu, dass Sie es geschafft haben, das Jahr 2009 als verbindlichen Zeitpunkt für eine erneuerte Grundlage der Europäischen Union in die Berliner Erklärung aufzunehmen. Das ist so konkret, dass sich keiner Ihrer Herren Regierungschefkollegen, ohne wirklich erheblichen Gesichtsverlust zu erleiden, davon zurückziehen kann.

Es ist gut, dass es diese gemeinsame Erklärung gibt. Allerdings finde ich sie inhaltlich leider ziemlich unkonkret, denn darüber, wie es in Zukunft mit Europa weitergehen soll und vor allem, wie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden sollen, erfährt man in der Erklärung nichts. Deswegen hoffen wir auf die zweite Hälfte Ihrer Präsidentschaft. Wir hoffen auf Vorschläge, wie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden sollen. Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen viel Erfolg. Wann immer Sie Unterstützung dabei benötigen, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, können Sie voll auf uns zählen.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN). – (PL) Frau Bundeskanzlerin! Herr Präsident! Die beiden größten Erfolge der Integration sind der Gemeinsame Markt und die Erweiterung. Der Gemeinsame Markt brachte den Europäern Wohlstand, die Erweiterung stärkte die Position der Europäischen Union in den internationalen Beziehungen. Anstatt nun diese Erfolge herauszustellen, werden sie in der Berliner Erklärung gewissermaßen hinter vagen Formulierungen über Offenheit und Zusammenwirken versteckt. Die Rolle der Mitgliedstaaten dermaßen herunterzuspielen, ist ein großer Fehler, wurde die Erklärung doch ausschließlich im Namen der Bürger verfasst. Wenn wir die Integration voranbringen wollen, müssen wir den Mitgliedstaaten, die die Integration unterstützen und ihr nicht feindlich gegenüberstehen, eine größere Bedeutung beimessen.

Herr Schulz, wenn Sie von Erweiterung sprechen, dann verstecken Sie sich bitte nicht hinter dem Verfassungsvertrag, hinter Präsident Kaczyński oder Präsident Klaus. Die Erweiterung zu stoppen, ist einzig und allein Ausdruck unserer und Ihrer Furcht vor der Zukunft.

Was an diesem Dokument auch unangenehm auffällt, ist, dass das Christentum keine Erwähnung findet. Das ist ein Beispiel für Vorurteile, die ein Europa der gemeinsamen Werte unmöglich machen.

 
  
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  Johannes Voggenhuber (Verts/ALE). – Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Ich fühle mich heute etwas unsicher, weil ich auch nach zwölf Jahren in diesem Haus keine Übung darin habe, Ratspräsidentschaften zu loben. Aber Ihre Arbeit nötigt mich dazu. Die letzten großen Europäer, die hier gesprochen haben, Mitterrand und Juncker nach seiner Ratspräsidentschaft, waren verzweifelte bis melancholische Europäer. Ich sehe mit großem Respekt, wie Sie die Herausforderung Europa angenommen haben, und dies bei den unglaublichen Erwartungen, die in Ihre Ratspräsidentschaft gesetzt wurden, was Sie vielleicht von vornherein belastet hat. Bei der Berliner Erklärung fehlen 26 Unterschriften von Staats- und Regierungschefs – 26 Unterschriften unter eine Erklärung zum Geburtstag, eine Erklärung voller Selbstverständlichkeiten. Aber es fehlt nicht Ihre. Sie sind zum ersten Mal herausgetreten aus dieser Maschinerie von gegenseitigen Blockaden, Belauerungen, Hindernissen und Fallstricken und haben sich dazu bekannt. Das verdient allen Respekt.

Ich hätte mir gewünscht, dass neben den Erfolgen auch die enttäuschten Erwartungen der Menschen und die Vertrauenskrise der Union stärker angesprochen werden. Ich gratuliere Ihnen und ich erweise Ihnen meinen Respekt dafür, dass Sie dieses Verfassungsprojekt aus dem Packeis befreit haben. Es war ein Stück leadership, es war eine Kür, auch auf dünnem Eis.

Lassen Sie mich noch zwei Dinge zu bedenken geben: Erstens, Ihr Ziel ist das einzige, das Europa nun anstreben kann. Aber ist die Methode geeignet? Gelingt die Überwindung der Verfassungskrise nicht vielmehr durch ein Plus, ein stärkeres, überzeugenderes Europa, vielleicht die eine oder andere Aufgabe mehr, eine überzeugendere Demokratie? Ist Ihr Ziel erreichbar mit einer Methode der berittenen Kuriere zwischen Staatskanzleien, die Ihnen immer nur eine Nachricht geben werden, nämlich die alten Begehrlichkeiten und die alten Ansprüche der nationalen Regierungen.

Zweitens, die Grundrechtecharta. Da beschwöre ich Sie, Frau Ratspräsidentin. Wenn die Grundrechtecharta aus diesem Verfassungsvertrag herausgelöst wird, dann werden Sie die große Bewegung der Verfassungsbefürworter spalten. Dann ist das Ergebnis für viele von uns, die wir für diese Verfassung gekämpft haben, nicht akzeptabel. Die Grundrechte sind der Kern dieses europäischen Projekts.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Voggenhuber, auch dafür, das Sie mit dem Präsidenten im Parlament mitgewirkt haben, so dass das ein Erfolg werden konnte.

 
  
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  Roberto Musacchio (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Merkel ist ernsthaft bemüht, Europa wiederzubeleben; gleichwohl stimme ich mit Methode und Inhalt, mit denen sie dies zu tun gedenkt, nicht überein. Man versucht, die Krise der Gesellschaft, Politik und Demokratie sowie die Bedeutung des französischen Referendums beiseite zu schieben und dabei ausschließlich auf die Methode der Regierungszusammenarbeit zu setzen, die gerade die Parlamente – einschließlich z. B. meiner Person – daran gehindert hat, Kenntnis von der Berliner Erklärung zu erlangen, sowie auf die Fortführung des alten liberalistischen Vertrags, von dem man vielleicht sogar eine minimalistische Version schaffen möchte.

Probleme werden nicht gelöst, indem man denselben Weg fortsetzt, der sie hervorgerufen hat. Vielmehr müssen Text und Kontext geändert und muss der Fokus auf die Demokratie und die Rechte gerichtet werden, indem mehr auf das Volk und die Parlamente gehört wird, angefangen beim Europäischen Parlament, um eine auf das Bürgerschaftsrecht, auf Frieden, Arbeit und Umwelt gegründete Verfassung neu zu schreiben und danach in einem europäischen Referendum zur Abstimmung zu stellen, in dem die Völker das letzte Wort haben.

 
  
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  Vladimír Železný (IND/DEM).(CS) Herr Präsident! Wir haben vor kurzem erfahren, dass weder die tschechische Regierung noch der tschechische Präsident über den Inhalt der Berliner Erklärung informiert wurden.

Das Ziel dieser Geheimhaltung bestand vielleicht darin, am Ende der Erklärung einen Satz einzuschmuggeln, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Mini-Verfassung zu verabschieden, die nicht Verfassung genannt wird, um den Bürgern keine Gelegenheit zu geben, in einem Referendum darüber zu entscheiden. Dieser Satz sollte im letzten Moment vorgelegt werden, über die Köpfe der Mitgliedstaaten hinweg. Für die demokratische Präsidentschaft der EU ziemt sich diese unwürdige Haltung nicht, sie hat im Gegenteil mehr mit der Art von politischen Manipulation gemein, an die wir uns nur allzu gut vom östlichen Teil des heutigen Deutschlands her, mit anderen Worten von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, erinnern. Übrig geblieben ist nun letztlich ein nichtssagender Satz, in dem empfohlen wird, die EU auf eine neue Basis zu stellen, und dies ist ein Satz, dessen Auslegung uns zwei Jahre Diskussionen kosten wird.

In der tschechischen Republik haben wir eine klare Interpretation: „Wir müssen die Union auf ihre ursprünglichen zentralen Werte, die noch erfüllt werden müssen, zurückführen. Wir müssen das Demokratiedefizit beseitigen und den freien Verkehr von Arbeitnehmern und Dienstleistungen gewährleisten. Wir müssen die Agrarpolitik reformieren, die die neuen Mitgliedstaaten diskriminiert. Schließlich müssen wir die Versuche einstellen, endlose Bände von Verordnungen zu produzieren, und die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen lassen.“ Vielen Dank, Herr Präsident.

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident Barroso! Ich danke der Bundeskanzlerin und dem Präsidenten für ihre Äußerungen.

(EN) Zunächst einmal möchte ich die historische Bedeutung des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge unterstreichen.

Unabhängig davon, welche Art von Europa wir uns auch immer vorstellen mögen – gibt es meiner Ansicht nach schon einige wichtige begrüßenswerte Ergebnisse, die Europa in den vergangenen fünf Jahrzehnten erzielt hat. Wir haben zur Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen solcher Mitgliedstaaten beigetragen, die aus historischer Sicht bis vor kurzem noch Feinde waren. Europa bietet ein Forum, auf dem demokratisch gewählte Regierungen Entscheidungen treffen können, die auf einem Dialog beruhen. In Europa hat sich ein Binnenmarkt entwickelt, der unseren Völkern neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet hat, und die Erweiterung im Jahr 2004 hat Brücken über Teilendes geschlagen. Ich finde, dass diese und andere Errungenschaften etwas sind, das wir alle begrüßen können.

Doch es ist die Zukunft, der wir uns jetzt zuwenden müssen. Die heutige Europäische Union wird von vielen – nicht zuletzt in meinem Heimatland – als eine ferne Bürokratie angesehen. Man sieht uns immer noch als einen übermäßig regulierten Apparat, der sich in zu viele Angelegenheiten einmischt, die immer noch Sache der Nationalstaaten sein sollten. Die Menschen wollen die europäische Zusammenarbeit, doch sie verstehen nicht, warum die Politiker in diesem Parlament so viel Zeit mit verfassungsmäßigen und institutionellen Angelegenheiten verbringen. Die Menschen fragen, was wir tun werden, um den globalen Klimawandel zu bekämpfen, um die Geißel der weltweiten Armut zu bekämpfen und um unseren Kontinent angesichts der Globalisierung wettbewerbsfähiger zu machen. Die Menschen wollen, dass wir handfeste Ergebnisse liefern und uns nicht zu lange mit verfahrenstechnischen Angelegenheiten aufhalten.

Es mag sein, dass die institutionelle Arbeitsweise der EU durch Vertragsänderungen verbessert werden muss, doch das bedeutet nicht unbedingt, dass eine komplexe neue Verfassung erforderlich ist.

Im 21. Jahrhundert brauchen wir mehr Flexibilität und mehr Dezentralisierung, damit unsere Volkswirtschaften auf den internationalen Märkten Erfolg haben. Wir brauchen nicht noch mehr Regulierung – wir brauchen weniger. Wir brauchen nicht unbedingt eine Ausweitung des Prinzips der qualifizierten Mehrheit, um den Klimawandel oder die weltweite Armut zu bekämpfen – was wir brauchen, ist eine effektivere Regierungszusammenarbeit.

Verfassungen und Institutionen führen nicht per se zu Wohlstand, sie machen unsere Volkswirtschaften nicht wettbewerbsfähiger, sie reduzieren nicht die CO2-Emissionen und sie nähren keine Hungernden in der Dritten Welt. Ich fordere alle Regierungen und die Ratspräsidentschaft auf, jetzt damit weiterzumachen – und sie haben gut begonnen –, politische Substanz zu liefern.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, und viel Erfolg bei Ihrem Deutschkurs!

 
  
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  Bernard Poignant (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Die Erklärung hat mich an bestimmte Europäer erinnert – an Robert Schuman, weil Sie seiner Methode einer unter strengster Geheimhaltung ausgearbeiteten Erklärung gefolgt sind, was ein durchaus fruchtbarer Ansatz sein kann. Ein anderer Grund, weshalb ich an ihn gedacht habe, war, dass er durch seine Geburt während des Krieges trotz französischem Vater Deutscher war; seine Mutter war Luxemburgerin, und obwohl Französisch nur seine dritte Sprache war, wurde er schließlich Ratspräsident. Ich habe mich auch an Alcide De Gasperi erinnert, der als Österreicher geboren wurde und zur Zeit des österreichisch-ungarischen Kaiserreiches österreichischer Abgeordneter war, bevor er dann ein italienischer wurde.

Diese beiden Männer waren Männer der Grenze, und es sind Männer wie sie, die Europa geschaffen haben, denn die Grenzen bilden die Narbe, die sich über den Wunden der Geschichte bildet, und wir sind hier, damit diese Wunden nie wieder aufreißen.

Dann sind meine Gedanken weiter zu Ihnen Dreien gewandert. Ich habe an Sie gedacht, Herr Präsident, den Schreiber des Friedens, denn Sie gehören meiner Generation an, sind ein Sohn eines Europas des Friedens statt der Flammen, von denen es zuvor verwüstet worden war, ein Mann mit seiner eigenen persönlichen Wunde. Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, Sie sind für mich als Franzose die Kanzlerin, die von der anderen Seite der Mauer kam – heute eine Touristenroute, damals eine unüberwindbare Grenze –, während Sie, Herr Barroso, der Präsident der wiedergefundenen Freiheit sind, der sich verändert hat, seit er 18 Jahre alt war, als Sie politisch gesehen ein wenig rot angehaucht waren.

Als ich Sie Drei betrachtete – mir gefällt diese Erklärung wirklich sehr, und außerdem ist dies ein Jahrestag – sagte ich mir: „Trotzdem, sie haben einen Fehler, sie sind keine Sozialdemokraten.“ Dann habe ich mich aber daran erinnert, was Guy Mollet, der Sozialdemokrat und 1956 Ratspräsident war, sagte: „Wenn Sie Europa aufbauen wollen, sollten Sie nicht erst warten, bis es sozialdemokratisch geworden ist.“

Und es stimmt, es ist ein verdammt gutes Stück Arbeit!

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Poignant, insbesondere für Ihre persönlichen Bemerkungen.

 
  
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  Andrew Duff (ALDE). – (EN) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin! Könnten Sie bitte bestätigen, dass die Ratspräsidentschaft jetzt voll und ganz dafür ist, den Verfassungsvertrag zu verbessern, statt zu verschlechtern, um seine schnelle Ratifizierung zu gewährleisten? Sind Sie fest entschlossen, sich für eine „Verfassung plus“ zu entscheiden, statt für einen Mini-, winzigen oder sogar klitzekleinen Vertrag? Werden Sie eine Regierungskonferenz, deren einziges Ziel darin besteht, die Mitgliedstaaten von der Durchführung von Referenden zu befreien, nicht tolerieren?

Denken Sie an die unerfüllten Ziele von Laeken. Es sollte nicht zugelassen werden, dass die Regierungskonferenz das umfassende Paket, das von den Institutionen und den Mitgliedstaaten ausgehandelt wurde, auseinanderreißt. Stattdessen sollte ihr Augenmerk auf der Reform der Gemeinschaftspolitiken liegen, damit mit diesen auf die Probleme der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft besser reagiert werden kann.

Und was all diejenigen betrifft, die Sie auffordern, den ersten und den zweiten Teil zu lockern – sagen Sie ihnen bitte, dass sie Geduld haben sollen. Lassen Sie den Vertrag erst mal in Kraft treten und uns die Dinge in der Praxis ausprobieren, bevor wir erneut damit anfangen, an der vereinbarten Machtbalance herumzudoktern. Irgendwann wird die historische erste Änderung mit Sicherheit kommen, doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

 
  
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  Der Präsident. Herr Duff, vielen Dank für Ihre Beiträge zum Konsultations- und Informationsprozess des Hohen Hauses.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Berlin hat es den europäischen Führern ein wenig an Mut gefehlt, die angesichts der Globalisierung, der Zuwanderung und der Gefahr unseres Identitätsverlusts notwendigen Weichenstellungen aufzuzeigen. Nicht ein Wort wurde zu den geopolitischen Grenzen Europas verloren, das durch seine Erweiterung um die Türkei Gefahr läuft, an Iran, Irak und sogar Syrien zu grenzen.

Einzig und allein Papst Benedikt XVI., der in dieser Situation als geistiger Führer eines ansonsten Ideen und Ideale vermissen lassenden Europas hervortritt, hat uns den Weg gewiesen, der beschritten werden muss: Wie kann jemand nicht begreifen, dass es unmöglich ist, ein gemeinsames europäisches Haus aufzubauen, wenn die kulturelle und moralische Identität der europäischen Völker ignoriert wird? Die europäischen Führer blieben angesichts dieser Warnungen taub und stumm. Es ist gewiss nicht das Europa der Bankiers und der Lobbyisten, das uns vor diesen Übeln, vor der Krise des europäischen Sozialmodells und der Gefahr einer islamischen Invasion, bewahren kann.

Als Verfechter der regionalen Autonomie fällt es uns außerdem schwer, einen Verfassungsentwurf zu akzeptieren, in dem ein bürokratisches und zentralistisches Europa verankert wird, das zudem, wie wir auch in diesen Tagen sehen, durch ernste Skandale und wenig Transparenz gekennzeichnet ist, und das weit entfernt ist vom Traum der großen Denker, die eines Europas der Regionen und der Völker würdig sind.

Nichtsdestotrotz, Frau Bundeskanzlerin, möchte ich Ihnen Dank und Anerkennung zollen für die Sensibilität, die Sie als eine durch die christliche pietas beseelte Führerin unter Beweis gestellt haben, für die Aufmerksamkeit, die Sie auf meine Anregung hin dem noch ungelösten Problem der Anerkennung der Rechte italienischer Militärinternierter widmeten. Ich danke Ihnen in ihrem Namen und im Namen der 50 000 Familien, die darauf warten, dass ihr Opfer anerkannt und ihrer gedacht wird.

 
  
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  Rebecca Harms (Verts/ALE). – Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Ratspräsidentin! Die Blumen im Namen meiner Fraktion hat ja Herr Voggenhuber schon überreicht. Ich glaube, dass es in meiner Fraktion niemanden gibt, der daran zweifelt, dass Sie sie verdient haben. Wir stellen allerdings schon die Frage, wie es weitergeht. Das möchte ich zum Schluss der Debatte noch einmal betonen. Denn gerade der Geist dieser Berliner Erklärung ist unserer Meinung nach nicht damit vereinbar , dass das, was von der Verfassung übrig bleibt, letztlich nur dazu dienen soll, die Technokraten und Bürokraten in Brüssel in Zukunft ein bisschen reibungsloser arbeiten zu lassen.

Für uns ist dieses Verfassungsprojekt tatsächlich ein Anliegen und ein Projekt, das Europa insgesamt demokratischer machen soll. Deswegen gehört der Grundrechte-Katalog, der angesprochen worden ist, für uns unbedingt dazu. Die Frage, wie der Weg dahin ist und wie wir die Einbeziehung der Bürger organisieren, ist für uns nicht banal, sondern wir glauben, dass wir aus den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gelernt haben und dass es wichtig ist, alle Bürger in Europa gleichermaßen einzubeziehen. Es darf nicht zwei Geschwindigkeiten geben, indem der eine Bürger einbezogen wird und der andere nicht. Darüber hätten wir gerne noch Klarheit. Das wäre hilfreich.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL).(PT) Der deutsche Ratsvorsitz versucht, seine Agenda für die EU durchzupeitschen, um diese nach seinen zunehmend ehrgeizigeren Zielen zu gestalten.

Die Berliner Erklärung ist bei allem Pomp und Getöse nur ein weiterer Schritt in dieser Strategie, die unter anderem darauf abzielt, die wesentlichen Inhalte der – längst abgelehnten – Europäischen Verfassung wiederzubeleben. Aber tatsächlich überwog, ungeachtet der Bemühungen der maßgeblichen Regierungsstellen, dem Event eine gewisse Grandeur zu verleihen, das Gefühl der Unnatürlichkeit und der völligen Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der Erklärung anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge.

Das ist ein Zeichen der Zeit, das verdeutlicht, in welch krassem Widerspruch die Europäische Union zu den Interessen und Erwartungen der Menschen Europas und der Welt steht. Die herrschenden Kräfte der europäischen kapitalistischen Integration sind sich dieses wachsenden Widerspruchs voll bewusst. Deshalb ist der Inhalt der Berliner Erklärung unserer Meinung nach nicht mehr als ein Manöver zur Instrumentalisierung der begründeten Anliegen der Völker Europas. Die Erklärung hat nichts zu tun mit den tatsächlichen Zielen und den konkreten Politiken der EU sowie der daraus resultierenden harten Realität.

 
  
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  Antonio Tajani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren! Der Berliner Gipfel hat Europa sicherlich einen Schritt nach vorn gebracht, denn er leitete eine neue Phase nach einer Zeit der Schwierigkeiten und der Fehlschläge ein.

Die Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestags der Verträge signalisierten die Wiederbelebung einer europäischen, zwischen Rat, Kommission und Parlament abgestimmten Initiative zur Gestaltung der Zukunft Europas. Doch wenn wir über die Zukunft sprechen sollen, dann müssen wir noch vor 2009 die Verabschiedung eines Grundgesetzes anstreben, das Zuständigkeiten und Rolle einer Union regelt, die nicht nur ein Markt ist, sondern auch das Potenzial zu einem Akteur in der internationalen Politik besitzt, der sich mit konkreten Antworten nicht zuletzt auf die Fragen der Bürger zu Wort meldet.

Deshalb, Frau Bundeskanzlerin, befürworte ich die Initiative, eine umfassende Debatte über drei grundlegende Themen einzuleiten: Klimawandel, Energiesicherheit und das Thema Afrika mit seinen Tragödien, die oft im Westen nicht beachtet werden. Doch das Europa, an das wir glauben und an das auch unsere Gründungsväter glaubten, besteht nicht nur aus Politik und Wirtschaft. Es beunruhigt mich zu lesen, dass in Deutschland Hunderte von Kirchen verschwinden, und es erfüllt mich auch mit Sorge festzustellen, dass in Italien immer noch wenig Kinder geboren werden; ich bin entsetzt über die Urteile von Richtern, die Männer freisprechen, die ihre Frauen im Namen ihrer Religion brutal verprügelt haben; ich bin erschrocken über die Verbreitung von Drogen unter europäischen Jugendlichen. Das ist nicht das Europa, mit dem wir uns identifizieren und für das wir uns einsetzen.

Deshalb wäre es ein Fehler, die in der Berliner Erklärung hervorgehobenen Werte zu unterschätzen oder, schlimmer noch, außer Acht zu lassen: Demokratie, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und vor allem die Würde des Menschen, der im Mittelpunkt steht. Wie sollten wir demnach nicht den Worten von Jacques Delors beipflichten, der uns warnt, unsere christlichen Wurzeln nicht zu vergessen. Er sagte heute in einem Interview: „Die Erinnerung ist unsere Zukunft“.

 
  
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  Stephen Hughes (PSE). – (EN) Herr Präsident! Indem sich die Berliner Erklärung mit der zukünftigen Entwicklung Europas beschäftigt, unterstreicht sie ganz richtig die Bedeutung von Solidarität und sozialem Zusammenhalt für ein europäisches Modell, das wirtschaftlichen Erfolg und soziale Verantwortung in sich vereint. Die Erklärung erinnerte mich an eine andere Erklärung mit dem Titel „Für ein soziales Europa“, die kurz vor dem diesjährigen Frühjahrsgipfel von neun EU-Regierungen angenommen worden war. Diese Erklärung hat zum Ziel, den Maßnahmenkatalog zugunsten von Maßnahmen im beschäftigungspolitischen und Sozialbereich auszutarieren.

Als Reaktion darauf enthielten die Schlussfolgerungen des Frühjahrsgipfels einen klaren Verweis auf angemessene Arbeitsverhältnisse, Arbeitnehmerrechte und Mitwirkung der Arbeitnehmer, Chancengleichheit, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und die Notwendigkeit einer familienfreundlichen Arbeitsorganisation. Außerdem wurde die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts unterstrichen und betont, dass es darauf ankommt, die Armut und insbesondere die Kinderarmut zu bekämpfen. Die Bedeutung der sozialen Dimension wurde deshalb ganz klar hervorgehoben.

In den Schlussfolgerungen wurde auch an die soziale Komponente des Vertrags erinnert, insbesondere sein Engagement für die Verbesserung im Bereich der Beschäftigung und der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das ist Teil von Artikel 136 des Vertrags, der am Sonntag gewürdigt wurde und der als Präambel der sehr eindeutigen rechtlichen Grundlagen dient, die der Kommission zur Verfügung stehen, um Vorschläge zur Verbesserung der Beschäftigungs-, Lebens- und Arbeitsbedingungen zu machen.

Ich denke, die Berliner Erklärung und der Frühjahrsgipfel haben uns rechtzeitig daran erinnert, dass die Kommission wieder eine sozialpolitische Agenda mit Substanz auflegen muss, denn die Kommission scheint durch die gegenwärtige Beschäftigung mit ihrem Arbeitsprogramm vergessen zu haben, dass ihr die rechtlichen Grundlagen zur Verfügung stehen, um zur Tat zu schreiten.

Wir wollen, dass die Kommission sich dieser Sache dringend annimmt. Sie könnte damit beginnen, der gegenwärtigen Verschleierungstaktik im Bereich Flexicurity Substanz entgegenzusetzen. Wir brauchen neue Legislativvorschläge, um gegen ausbeuterische Formen von atypischer Arbeit vorgehen zu können. Wir wollen, dass die Millionen von Beschäftigten, die Flexicurity bisher für einen Vorwand für Ausbeutung hielten, das Wort in Zukunft mit etwas Positivem verbinden.

Ich hoffe, dass für die deutsche Ratspräsidentschaft das soziale Europa weiterhin im Mittelpunkt stehen wird – im Vorfeld des Juni-Gipfels und darüber hinaus. So wird die Berliner Erklärung ihre Glaubwürdigkeit behalten.

 
  
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  Bronisław Geremek (ALDE). – (PL) Frau Bundeskanzlerin! Ich möchte Ihnen vor allem dafür danken, dass es Ihnen gelungen ist, Europa aus dem Zustand der Mutlosigkeit, dem Gefühl des Pessimismus und der Resignation herauszuführen. Am 25. März sangen die Europäer nicht nur die Ode an die Freude, sie haben diese Freude auch wirklich empfunden.

Die Bedeutung der Berliner Erklärung hängt davon ab, wie sie umgesetzt wird. Ihr Platz in der Geschichte der Europäischen Union wird davon bestimmt, was als nächstes geschieht. In der Erklärung wird aber auch etwas ganz Wichtiges festgestellt, nämlich dass Europa tatsächlich geeint ist, und denjenigen, die diese Vereinigung herbeigeführt haben, wird in gebührender Weise Anerkennung gezollt.

Vielleicht sollte man aber auch hinzufügen, dass sich die Vereinigung Europas in Bezug auf Ost und West ja gerade erst vollzieht. Zwei unterschiedliche Entwicklungen in der Vergangenheit und zwei unterschiedliche Befindlichkeiten müssen zusammenfinden. Wir brauchen ein starkes und integriertes Europa.

Unsere Aufgabe ist die europäische Einigung. Eine weitere Herausforderung stellt die bemerkenswerte Aussage in der Berliner Erklärung dar, dass Europa seine Grundlage erneuern muss. Wenn Europa seine Grundlage neu bestimmen muss, dann wird ihm das ohne einen Vertrag, der dieser Grundlage eine politische Dimension verleiht und wirksame Entscheidungen ermöglicht, nicht gelingen. Die Feststellung, dass wir vereint sind, sollte meiner Ansicht nach auch bedeuten, dass wir vereint sind, um Europa voranzubringen.

 
  
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  Angela Merkel, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz möchte ich noch einmal diese Debatte resümieren, für die ich mich ganz herzlich bedanke.

Es ist hier heute deutlich geworden, sicherlich auch über die Parteigrenzen hinweg, dass es einen gemeinsamen Willen des Europäischen Parlaments in seiner ganz großen Mehrheit gibt, dieses Europa voranzubringen, und zwar auch mit einem Stück Optimismus. Das hat ja auch der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Schulz, gesagt – auch ich will ihn heute loben, wenn ich das als Ratspräsidentin darf. Es geht um eine sehr ernsthafte historische Situation, da bin ich vollkommen der Meinung all derer, die das hier heute gesagt haben.

Es gibt immer noch Skeptiker, die zögern, ob wir nun wirklich einen solchen Fahrplan brauchen und ob wir 2009 auch wirklich mit einer erneuerten Grundlage – wie wir dies in der Berliner Erklärung gesagt haben – vor die Bürgerinnen und Bürger treten sollen. Diesen Skeptikern sollten wir sagen: Wir sind uns als deutsche Präsidentschaft, gemeinsam mit dem Parlament und der Kommission schon bewusst, dass es hier auch um das Europa der Projekte geht, wie wir es einmal genannt haben, d. h. also um sehr konkrete Fortschritte, die die Menschen auch sehen können.

Es geht eben nicht nur darum, jetzt irgendwelche Abstimmungsverfahren und institutionelle Fragen zu regeln, sondern es geht gleichzeitig darum, den Menschen zu zeigen, dass wir etwas zustande bringen, das für das Leben jedes Einzelnen von großer Bedeutung ist. Je mehr wir davon in diesem halben Jahr schaffen, in dem wir auch wichtige andere Fragen zu klären haben, umso leichter wird es dann, diese anderen Fragen ebenfalls voranzubringen. Auf jeden Fall werden unsere Anstrengungen in den nächsten drei Monaten parallel auf beides gerichtet sein und ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass sich das Parlament mit vielen dieser praktischen Fragen beschäftigt. Gestern ist es ihm zum Beispiel gelungen, auch die Mittel für den Umweltschutz freizugeben, damit die Projekte anlaufen können. Wir haben auch über die Landwirtschaft gesprochen. Das sind alles Dinge, bei denen die Menschen fragen: „Was bringt Europa nun zustande?“ Daher ist es gut, dass dies nun gelungen ist.

Des Weiteren ist hier gefragt worden, wie die Berliner Erklärung zustande gekommen ist. Ich glaube, es war Churchill, der über die Römischen Verträge gesagt hat: „Nie ist etwas so Wichtiges wie die Römischen Verträge in solchen Hinterstuben zustande gekommen, ohne dass es jemand bemerkt hat“. Das können wir ja heute in unserer medialen Zeit gar nicht wiederholen. Aber ich glaube, wir müssen eine richtige Mischung finden – auch in den kommenden Monaten – zwischen Beteiligung und der Frage, wie kriegen wir etwas zustande, und das geht nicht immer auf dem offenen Markplatz am besten. Deshalb war es ja auch nicht so, dass der Präsident nun einfach „par ordre de mufti“ die Berliner Erklärung mit mir in geheimen Gesprächen abgestimmt hätte, sondern im Parlament war natürlich auch eine Art Einbeziehung der jeweiligen Fraktionen vorhanden. Danach haben wir versucht, die Vorschläge zu reflektieren, genauso wie mit der Kommission und den 27 Mitgliedstaaten.

Jeder weiß aber auch: Demokratie heißt, dass jeder sich selbst zum Teil wieder findet in den Ergebnissen. Das kann manchmal nur parallel gemacht werden und über all das kann man nicht gleichzeitig berichten. Dennoch glaube ich, dass wir die Öffentlichkeit an dem, was jetzt auf dem Spiel steht, teilhaben lassen sollten. Deshalb möchte ich Sie hier um etwas bitten. Herr Präsident, ich würde dem Parlament gerne eine Anregung geben, weil der Rat nicht die richtige Institution ist, um Öffentlichkeitsbeteiligung besonders gut zu zelebrieren. Das Parlament hat Ausschüsse, und vielleicht wäre es möglich, dass Sie eine Anhörung der Zivilgesellschaft, zum Beispiel im Mai, durchführen – der Rat würde auch einen Vertreter dorthin entsenden –, wo das, was über die Erwartungen an diesen Prozess einer erneuerten gemeinsamen Grundlage in der Zivilgesellschaft geredet wird, angesprochen wird. Vor dem nächsten Rat könnten wir dann gemeinsam darüber debattieren, so dass wir auch ein Stück europäische Öffentlichkeit in unsere Debatten mit hinein bringen könnten.

(Beifall)

In diesem Sinne, glaube ich, werden wir auch in den nächsten drei Monaten viel miteinander zu tun haben. Die ersten drei Monate haben Spaß gemacht. Warum sollte es in der zweiten Hälfte nicht auch so sein! Herzlichen Dank!

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am wichtigsten ist, dass deutlich geworden ist, dass wir wieder an Europa glauben und dass wir einander vertrauen. Dieses Vertrauen zwischen dem Europäischen Parlament und Ihnen als der Repräsentantin des Europäischen Rates ist in den letzten Wochen unglaublich gewachsen. Ich kann für viele von uns und besonders für mich sagen, dass die Zusammenarbeit sehr viel Freude gemacht hat und wir uns auf die weitere Zusammenarbeit – auch mit der Kommission – freuen. Ihnen weiter viel Erfolg. Wir stehen an Ihrer Seite.

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN).(PL) Die lange erwartete Berliner Erklärung hat für die Völker Europas eine Überraschung bereitgehalten. Damit meine ich nicht so sehr ihren Inhalt, der in der Presse als „Meisterstück der Unklarheit“ bezeichnet wurde, sondern vielmehr das Fehlen einer öffentlichen Debatte. Es spricht doch Bände, dass die Erklärung nur von drei Personen, nämlich den Repräsentanten der europäischen Organe, und nicht von den Vertretern aller 27 Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde.

Es ist in der Tat so, dass in der Erklärung niemand zu irgendetwas verpflichtet wird und auch die unterschiedlichen Auffassungen zu Rolle und Funktionsweise der Union einander nicht angenähert werden. Es gibt keine Einigung auf eine gemeinsame Außenpolitik und kein Konzept für eine europäische Verteidigungspolitik.

Der entschiedene Widerstand in einigen Ländern gegen eine Bezugnahme auf die christlichen Wurzeln Europas stellt die Bestimmung gemeinsamer europäischer Werte generell in Frage. Ungeachtet all dieser ungelösten Fragen sollten wir künftig den Weg des Dialogs und der Konsultation weiter beschreiten und nicht dazu übergehen, Länder zu erpressen, die Vorbehalte äußern.

 
  
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  József Szájer (PPE-DE).(HU) Die Europäische Union hat ein reifes Alter erreicht, und anscheinend hat sie auch die entsprechende Weisheit erlangt, da es ihr gelungen ist, ein prägnantes Dokument anzunehmen, das sich auf Werte, Grundsätze und die anstehenden Aufgaben konzentriert und dabei zugleich für den Durchschnittsbürger verständlich ist. Die Union hat damit bewiesen, dass sie mit einer Stimme sprechen kann und bereit ist, auf Werten beruhende Maßnahmen zu ergreifen.

Diese Erklärung feiert den 50. Jahrestag der Römischen Verträge, ich möchte jedoch auch an ein weiteres 50-jähriges Jubiläum erinnern, nämlich an das der ungarischen Revolution von 1956, die in den Wurzeln, Ursprüngen und Traditionen der heutigen Europäischen Union gleichermaßen gegenwärtig ist. Ohne das Beispiel von 1956 und der ungarischen Revolutionäre wäre die Europäische Union nicht in der Lage gewesen, sich so zu entwickeln, wie sie es getan hat, und zu dem zu werden, was wir heute als unser gemeinsames Europa bezeichnen können.

Ich bin überzeugt, dass wir eine Europäische Union brauchen, die stark ist, die sich ihrer Werte und Identität bewusst ist, die es ablehnt, von ihren Grundsätzen abzuweichen, und die zu einer List nicht fähig ist. Wir möchten eine Union erleben, die die Kooperation ihrer Mitgliedstaaten vertieft, die interne Zusammenarbeit fördert und sich hin zu größerer Solidarität und politischer Integration bewegt.

Weshalb liegt eine starke Europäische Union in unserem Interesse? Weil mit ihr jeder einzelne Staat auch erheblich stärker werden kann. Um stark zu sein, müssen wir selbstverständlich auch fähig sein, unsere Vergangenheit und unsere Identität klar zu erkennen.

Ich habe den 50. Jahrestag in Rom bei einer Konferenz gefeiert, die von einer Organisation der Zivilgesellschaft ausgerichtet wurde, und ich möchte eine der Botschaften dieser Konferenz an Sie weitergeben, nämlich dass wir unsere Identität erkennen und die Wurzeln Europas, seine christlichen Wurzeln, begreifen und bestätigen müssen. Jeder, der von außen auf Europa blickt, sieht in uns, was uns allen gemeinsam ist. Warum sehen wir dies nicht selbst, und warum fürchten wir uns, dies zuzugeben?

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, József Szájer, auch für die Zusammenarbeit bei der internen Koordination, an der Sie beteiligt waren.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) Die Berliner Erklärung wurde zu einem für die Europäische Union überaus wichtigen Zeitpunkt unterzeichnet. Die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor fünfzig Jahren war der erste Schritt zur Umsetzung einer ehrgeizigen Idee. Die Anwesenheit der Vertreter von 27 Staaten in Berlin hat deutlich gemacht, welche Auswirkungen diese Idee hat. Als die Union im vom Krieg zerstörten Europa gegründet wurde, waren es gerade einmal sechs Staaten, die die Gründungsurkunde unterzeichneten.

Heute, ein halbes Jahrhundert später, lebt die Union glücklicherweise in Frieden. Sie zählt fast eine halbe Milliarde Einwohner. Sie erstreckt sich über einen großen Teil des Kontinents und besitzt ein größeres Gewicht in der Welt als jemals zuvor. Die Ergebnisse der Integration sind beeindruckend: ein gemeinsamer Markt, eine gemeinsame Währung in dreizehn Staaten und ein freier Personen-, Waren- und Kapitalverkehr. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, etwas für den Umweltschutz zu tun und auf eine nachhaltige Entwicklung hinzuarbeiten. Sie ist ein aktiver und stark beachteter Akteur auf der Weltbühne, der den Nachbarstaaten Stabilität und Wohlstand bringt.

Die Berliner Erklärung ist ein wichtiges Symbol für Europa. Ungeachtet des Gefühls eines offenkundigen Erfolgs fehlt aber immer noch etwas. Zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge hätten wir uns für die Europäische Union eine Verfassung gewünscht. Wir haben nach wie vor eine Reihe von Aufgaben zu bewältigen: der globale wirtschaftliche Wettbewerb, neue Herausforderungen in den Bereichen Sozialpolitik, Umweltschutz, Energie und Sicherheit. Die Bürger Europas wollen eine effektivere und stärkere Union, die nach transparenten Regeln funktioniert. Wir müssen die Hemmnisse beseitigen, denen sich vor allem die Bürger in den neuen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr gegenübersehen. Wir müssen den Schengener Raum und die Eurozone endgültig erweitern. Wir brauchen eine gemeinsame Energiepolitik. Europa braucht Wirtschaftswachstum, neue Arbeitsplätze und mehr soziale Sicherheit.

In diesem Zusammenhang kommt der Aussage in der Erklärung, wonach die institutionellen Grundlagen der Europäischen Union bis zum Jahr 2009 vereinbart sein müssen, große Bedeutung zu. Dies sollte Motivation für alle Mitgliedstaaten sein, die notwendigen institutionellen Reformen durchzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gebührt Anerkennung für den bedeutenden Beitrag, den sie zu unserem gemeinsamen Erfolg geleistet hat. Die Europäische Union trägt heute das Gesicht einer Frau. Die Union ist weiblich.

 
  
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  Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE).(ES) Es wurde hier von der Notwendigkeit einer europäischen Politik gegen den Klimawandel gesprochen, Herr Präsident. Ist das mit den gegenwärtigen Verträgen möglich? Nein.

Weiterhin wurde von der sozialen Integration der Einwanderer gesprochen. Ist das mit den gegenwärtigen Verträgen möglich? Nein.

Und was ist mit einem Energiebinnenmarkt? In den gegenwärtigen Verträgen besteht dafür keine Rechtsgrundlage. Ich sage das, weil sich einfach die Unkenntnis über die Funktionsweise der Europäischen Union zeigt, wenn „die für die Bürgerinnen und Bürger wirklich Besorgnis erregenden Politiken“, wie sie von einigen bezeichnet wurden, den Instrumenten und Techniken entgegengestellt werden, als hätten letztere keine Bedeutung.

Ohne Verfahren, ohne Rechtsgrundlagen ist die Europäische Union handlungsunfähig, und ohne mehr Demokratie agiert sie ohne Legitimität. Deshalb ist es so wichtig, dass wir eine Einigung über den Verfassungsvertrag erreichen.

Meines Erachtens müssen wir nach dem Erfolg des deutschen Vorsitzes beim Treffen in Berlin nunmehr darauf hinarbeiten.

Ich hoffe, dass der Europäische Rat im Juni diesen Punkt eingeplant hat. Es muss keine Einstimmigkeit geben, meiner Ansicht nach ist es sehr wichtig, das Mandat festzulegen. Und bei der Bestimmung des Mandats der Regierungskonferenz – und hier spricht ein Hochschullehrer – müssen wir diejenigen berücksichtigen, die das Examen bestanden haben, in einigen Fällen mit Auszeichnung, und wir müssen denen helfen, die nicht bestanden haben, aber wir dürfen nicht nur jene in Betracht ziehen, die durchgefallen oder nicht zur Prüfung angetreten sind.

Die Mitgliedstaaten, die die Verfassung ratifiziert haben, sind ihrer Verpflichtung nachgekommen, und das müssen wir berücksichtigen, wenn dieses Mandat errichtet wird.

Hier hieß es völlig zu Recht, dass dieses Parlament durch Sie, Herr Präsident, einen entscheidenden Beitrag zur Berliner Erklärung geleistet hat. Ich glaube, dass wir das Gleiche für die Regierungskonferenz beabsichtigen: Wir wollen alle dem Europäischen Rat helfen, da die Kommission Bestandteil der Regierungskonferenz ist, da die nationalen Parlamente das Ergebnis dieser Konferenz ratifizieren werden. Aber wir wollen einen entscheidenden Beitrag leisten, um sicherzustellen, dass die Regierungskonferenz mindestens ein ebenso großer Erfolg wird wie die Berliner Erklärung.

 
  
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  Der Präsident. Herzlichen Dank, Íñigo Méndez de Vigo. Ich möchte Ihnen ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung als der Koordinator der EVP-ED-Fraktion danken.

 
  
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  Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Die Feier in Berlin, die die außerordentlich bedeutenden Errungenschaften der vergangenen 50 Jahre überschwänglich in Szene setzte, ist vorüber. Die Lichter der Party sind nun aber erloschen und wir finden uns mit der Tatsache konfrontiert, dass die europäischen Bürger von einem Gefühl der Gleichgültigkeit, der Verbitterung und vor allem der Sorge erfüllt sind. Sie sind davon überzeugt, dass es Europa unter den gegebenen Umständen keineswegs leicht fallen wird, Fortschritte zu machen.

Tröstlich ist, dass Kanzlerin Merkel begriffen hat, dass die vorrangige Aufgabe darin besteht, die Voraussetzungen für das Funktionieren der Mechanismen der Institutionen der Europäischen Union zu schaffen, da die Europäische Union der 27 künftige Herausforderungen gewiss nicht mit den gleichen Strukturen und der gleichen Organisation bewältigen kann, die sie schon hatte, als ihr nur 15 Staaten angehörten. Das ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Auffällig ist, dass die Berliner Erklärung, die von den 27 Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wurde, keinen Bezug auf die Europäische Verfassung enthält, das Thema, das uns am meisten beschäftigt. Die Schaffung des Amtes eines Präsidenten der Union und des Amtes eines Außenministers, die Reduzierung der Zahl der Kommissare, die neue Stimmengewichtung, die Erweiterung der Kompetenzen des Parlaments, die Abschaffung des Drei-Säulen-Systems, die Förderung der Institution der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und die Ausstattung der Europäischen Union mit einer Rechtspersönlichkeit sind einige der Vereinbarungen, die in der Europäischen Verfassung, die allerdings nicht angenommen wurde, getroffen wurden. Meines Erachtens sollten wir sie in einen neuen „Nizza II“-Vertrag einbinden und noch vor den Wahlen 2009 in die Praxis umsetzen.

Lassen Sie uns von den grandiosen Plänen Abschied nehmen. Lassen Sie uns zur Realität zurückkehren. Ich glaube, dass dieses Europa mit dieser realistischen Lösung die Zukunft meistern kann.

 
  
  

VORSITZ: LUISA MORGANTINI
Vizepräsidentin

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE). (FR) Frau Präsidentin, Frau Ratspräsidentin, Herr Kommissionspräsident, meine Damen und Herren! Die Berliner Erklärung ist an die Völker der EU gerichtet, auf dass sie sich des herausragenden Erfolgs bewusst werden, zu dem unsere gemeinsamen Anstrengungen geführt haben. Sie erinnert an unsere europäischen Werte und soll Grundlage einer neuen Vorstellungskraft sein, die über die Solidarität hinausgeht, die in den letzten fünfzig Jahren die Zusammenführung einiger gemeinsamer Politiken ermöglicht hat.

Wir müssen realistisch sein und die Europäer, ohne die derzeitigen Schwierigkeiten zu verheimlichen, davon überzeugen, dass der Aufbau eines starken und geeinten Europas nicht nur unentbehrlich ist, sondern für jedes unserer 27 Länder und alle 500 Millionen Bürger der EU eine Chance darstellt. Wenn wir sie für uns gewinnen möchten, müssen wir ihnen nicht nur konkrete Ergebnisse und handfeste Beweise für den Mehrwert der EU bieten, sondern auch eine optimistischere Haltung einnehmen, und das ist es, was Angela Merkel getan hat.

Die Europäer sind untereinander gespalten, was den Kurs der europäischen Politik angeht. Manche denken, dass Europa einen zu liberalen Weg einschlägt und sein eigenes Volk nicht ausreichend vor der Globalisierung schützt, während andere denken, dass es nicht protektionistisch genug ist. Wie immer, liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den beiden Extremen.

Unser Kontinent ist einer der wenigen Fixpunkte der Stabilität in einer zunehmend unberechenbaren Welt. Aus der Geschichte der einzelnen Mitgliedstaaten lassen sich Lehren ziehen, und unsere Kulturen weisen eine große Vielfalt auf. Sie sind für viele Völker Bezugspunkte. Unsere Wirtschaft ist im Allgemeinen gesund und weltoffen. Wir setzen uns unablässig für mehr Solidarität mit den ärmsten und instabilsten Regionen der Welt ein.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, die Ratspräsidentin zu würdigen, und zwar nicht nur ihre Errungenschaften, sondern auch ihre Bemühungen, die ihr Anliegen zum Ausdruck bringen, Europa voranzubringen und einen Weg aus dieser Sackgasse zu finden, in der wir uns nun seit einigen Monaten befinden. Dafür möchte ich ihr von ganzem Herzen danken.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Herr Kommissionspräsident! Für uns, die Bürger Europas, die wir von jenseits des „Eisernen Vorhangs“ kommen, besitzen die Freiheit einschließlich des freien Marktes und das, was einst unser Nationalprodukt oder – wenn Sie so wollen – unsere regionale Spezialität war, nämlich die Solidarität, größte Bedeutung. Wir kennen auch den Preis für die Verteidigung dieser Werte. Jahrzehntelang haben wir davon geträumt, in die europäische Heimat freier Völker zurückzukehren. Als Heranwachsende haben wir die aus München ausgestrahlten verbotenen Hörfunkprogramme des Senders mit dem stolzen Namen „Radio Freies Europa“ gehört.

Und diesem Europa – einem freien und geeinten Europa – sind wir auch heute noch treu. Als Mitglieder der Europäischen Union haben wir das uneingeschränkte Recht, seine Zukunft mitzugestalten. Es reicht nicht mehr, das Wort „Europa, Europa“ im Mund zu führen, wir müssen uns vielmehr fragen: „Europa – ja, aber was für ein Europa?“ In das Projekt Europa sollten alle seine Mitglieder vollstes Vertrauen setzen. Es darf in der europäischen Debatte keine Tabuthemen geben.

Jedes Land kann den von den Franzosen und Niederländern abgelehnten Verfassungsvertrag erneut einer Analyse unterziehen und die Punkte in Frage stellen, die es für strittig hält.

Es darf jedoch nicht sein, dass der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Herr Schulz, jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um die Mitgliedstaaten in die Ecke zu stellen, die es wagen, eine andere Vorstellung von der künftigen institutionellen Form der Europäischen Union zu haben als er oder die von der Political Correctness abweichen, die die Linke uns aufzuzwingen sucht. Die vom deutschen Ratsvorsitz vorgeschlagene Debatte über den Vertrag sollte von Offenheit und Kompromissbereitschaft gekennzeichnet sein, selbst wenn es um solch schwierige Fragen wie ein neues und gerechtes Abstimmungsverfahren im Rat geht.

Zudem vermisse ich in der Berliner Erklärung jeglichen Bezug auf unsere christlichen Wurzeln.

Abschließend möchte ich den belgischen Politiker Paul-Henri Spaak, in dessen Gebäude wir uns heute befinden, zitieren, der 1957 Folgendes sagte:

(FR) Ich habe das schon einmal in Straßburg gesagt: Wenn die Gegenwart Vergangenheit geworden ist, wenn wir alle schon viele Jahre tot sind und man über das menschliche Abenteuer berichten will, das wir erlebt haben, wird man – unabhängig von unseren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen – nichts anderes sagen können, als dass die Menschen jener Zeit, jenes Jahrhunderts, gemeinsam das unermesslich große Abenteuer der christlichen Zivilisation gelebt haben.

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE). – Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Herr Kommissionspräsident! Frau Bundeskanzlerin, es ist mir eine große Ehre, unter Ihrer Präsidentschaft sprechen zu dürfen. Lassen Sie mich einige wenige Bemerkungen machen. Erstens, und das ist mit der Berliner Erklärung deutlich geworden, hat Europa über die europäische Einigung ein Maß an Frieden, Freiheit und Prosperität erreicht, wie das in seiner gesamten Geschichte niemals zuvor der Fall war, und wahrscheinlich auch in der Menschheitsgeschichte einmalig ist.

Zweitens ist deutlich geworden, dass wir Herausforderungen gegenüberstehen, die die Nationalstaaten in vielen Bereichen, wie Terrorismus, Globalisierung, Außen- und Sicherheitspolitik und Energiesicherheit nicht mehr allein bewältigen können. Aus dieser Kombination wird deutlich, dass die Erfolgsstory der Europäischen Union überall dort stattgefunden hat, wo wir uns der Gemeinschaftsmethode bedient, mit einer gemeinsamen Rechtsordnung gearbeitet und die Methode Monet angewandt haben. Dies ist, glaube ich, der Grund dafür, dass auch der Verfassungsprozess auf dieser Grundlage geführt werden sollte, denn wir sind überall dort schwach, wo wir intergouvernemental tätig sind.

Dies bedeutet auch, dass wir, wenn wir jetzt in die neue Phase nach der Berliner Erklärung eintreten und der Verfassungsprozess wieder in Gang gesetzt werden soll, Wert darauf legen, dass diese Grundsätze der Gemeinschaftsmethode gewahrt werden. Dieser Verfassungsvertrag beinhaltet schon vieles, was wir brauchen, um den Herausforderungen zu begegnen.

Die Verfassung löst kein einziges Problem für sich, sie gibt aber den Rahmen der Legitimation und der Entscheidungsfähigkeit vor, damit wir dies schaffen können. Ich hoffe, dass aus diesem Grund allen 27 Staaten — und dies mit Unterstützung der Kommission — klar ist, dass sie schon gute Gründe haben müssen, wenn sie einem solchen Prozess nicht folgen. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Europäische Union als Gemeinschaft der 27 dieser Herausforderung entspricht und nicht in kleine Blöcke zerfällt, die dann entstehen würden, wenn die gesamte Gemeinschaft den Herausforderungen nicht gerecht werden könnte.

 
  
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  Die Präsidentin. Ich erteile Präsident Barroso das Wort und möchte um Entschuldigung bitten für die Abwesenheit in diesem Hohen Haus, nicht der EP-Mitglieder, die dafür bekannt sind, sondern, insbesondere bei einem Thema wie dem hier von uns behandelten, der vielen, die sich an der Aussprache darüber beteiligt haben. Ich bin jedoch sicher, dass sie Ihre Rede lesen oder vielleicht am Bildschirm verfolgen werden.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. (PT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, dies war eine interessante Diskussion. Ich hatte die eine oder andere Antwort auf einige konkrete Fragen vorbereitet, aber da die Damen und Herren Abgeordneten, die sie gestellt haben, nicht anwesend sind, kann ich sie vielleicht ein anderes Mal beantworten.

Gleichwohl möchte ich allgemein etwas zu der Kernfrage, um die es hier geht, sagen, nämlich zum Inhaltlichen und zum Verfahren. Wir brauchen beides. Wir müssen die großen Probleme, vor denen wir in Europa stehen, und die Probleme der Globalisierung bewältigen, wir müssen aber auch über die besten Verfahren und Institutionen verfügen. Ich stimme nicht mit denen überein, die die Debatte auf einen dieser Aspekte konzentrieren möchten. Wenn wir die Probleme lösen und wenn wir in der Lage sein wollen, eine Antwort auf die großen Herausforderungen zu finden, brauchen wir effizientere, demokratischere und kohärentere Institutionen.

Wir müssen auch die konstitutionelle Frage lösen. Ob wir den Vertrag nun „Verfassungs“-Vertrag nennen oder nicht – wir müssen diese Frage lösen, und deshalb möchte ich an Sie alle, meine Damen und Herren Abgeordneten, auch an diejenigen, die nicht den gleichen Enthusiasmus wie andere für die Idee der Verfassung zeigen, diesen Appell richten. Ich weiß, dass Sie das Bestreben, die Probleme pragmatisch zu lösen, mit mir teilen. Ich hoffe, dass Sie dazu Ihren Beitrag leisten und allen Regierungen der EU helfen werden, eine Lösung für den Prozess und für die Institutionen zu finden, denn wenn wir Ergebnisse vorweisen wollen, brauchen wir diese Institutionen.

In Bezug auf die Frage, wie die Zivilgesellschaft und die Bürger allgemein in die Debatte über die institutionelle Frage einbezogen werden können, möchte ich auch sagen, dass wir in der Kommission aktiv gewesen sind. Ich selbst bin vor der Annahme der Berliner Erklärung mit der Vizepräsidentin der Kommission, Frau Wallström, und den Führungskräften des Parlaments sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengekommen. Ich begrüße den heute von der Bundeskanzlerin Merkel dem Parlament unterbreiteten Vorschlag, im Mai eine Anhörung der Zivilgesellschaft durchzuführen. Die Kommission möchte diese Initiative unterstützen, wenn das Parlament diesen Vorschlag umsetzt.

Wir sind bereit, gemeinsam mit dem Parlament eine Debatte über diese Fragen ins Leben zu rufen, natürlich unter Wahrung des Verhandlungsspielraums zwischen den Regierungen, und deshalb möchte ich den Vorschlag der Bundeskanzlerin Merkel unterstützen.

(FR) Zum Abschluss werde ich auf Französisch sprechen, weil ich auf Herrn Poignants sehr wichtige Bemerkung eingehen möchte. Ich möchte ihm dafür danken, dass er, mit einem gewissen Humor, einen wesentlichen Punkt angesprochen und gezeigt hat, dass Menschen unterschiedlicher politischer und ideologischer Überzeugung und trotzdem vom selben europäischen Geist getragen sein können. Darin liegt eine Lehre für uns alle. Ich glaube, dass dies unser europäisches Projekt sehr gut zusammenfasst, das zu einem großen Maße über unseren politischen und ideologischen Unterschieden steht. Man mag sich eher der Linken oder der Rechten oder der Mitte zugehörig fühlen, aber was wir brauchen ist eine Koalition des europäischen Geistes. Das ist eine Lehre für uns alle, und ich möchte Ihnen dafür danken, Herr Poignant, so wie ich auch denjenigen danke, die als Mitglieder verschiedener politischer Familien diesen Geist – wenn auch sicherlich in verschiedenen Schattierungen – teilen, denn nur mit diesem Geist, den ich in Berlin empfunden habe, können wir die großen Erwartungen, die Europa an uns stellt, erfüllen.

Zum Thema Solidarität möchte ich insbesondere bestimmten Mitgliedern dieses Parlaments, die Parteien mit einer eher skeptischen Sicht des Aufbauwerks angehören, sagen, dass nicht vergessen werden darf, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist, und dass Sie nicht vergessen sollten, dass wahrscheinlich der Tag kommen wird, an dem auch Ihr eigenes Land konkret die Solidarität der anderen brauchen wird. Wir müssen also alle Solidarität zeigen und verstehen, dass wir nur in diesem Geist eine institutionelle Regelung erreichen und, vor allem, die großen Herausforderungen Europas bewältigen können.

 
  
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  Die Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kommissionspräsident.

Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. (FR) In meiner Eigenschaft als französischer Vertreter der EU-Bürger im Europäischen Parlament möchte ich zunächst meiner großen Achtung und Bewunderung für den Präsidenten der Französischen Republik, meinen Freund Jacques Chirac, Ausdruck verleihen, der am 25. März 2007 in Berlin ein letztes Mal als Staatschef an einem Gipfeltreffen des Europäischen Rates teilnahm und dessen Schritte zum Schutz eines starken, unabhängigen Frankreichs innerhalb einer starken und geeinten Europäischen Union stets von Klarsicht, Sachverstand und Menschlichkeit geprägt waren.

Obwohl ich enttäuscht bin, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die die Bürger und Völker Europas repräsentieren, nicht in die Berliner Erklärung einbezogen wurden, begrüße ich die in ihr enthaltene Bekräftigung des Wunsches, das europäische Aufbauwerk weiterzuführen, sowie die Verkündung unserer Werte und die Tatsache, dass sie die Europawahlen 2009 als Frist für die Regelung der institutionellen Fragen festlegt. Ich gratuliere Angela Merkel, der amtierenden Ratspräsidentin und deutschen Kanzlerin, meinem Freund Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, und José Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, für ihre geleistete Arbeit.

 

13. Weitere Konvergenz bei den Aufsichtspraktiken auf der Ebene der EU (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über:

- die mündliche Anfrage an den Rat über die weitere Konvergenz bei den Aufsichtspraktiken auf der Ebene der EU von Pervenche Berès im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (O-0125/2006 – B6-0010/2007), und

- die mündliche Anfrage an die Kommission über die weitere Konvergenz bei den Aufsichtspraktiken auf der Ebene der EU von Pervenche Berès im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (O-0126/2006 – B6-0449/2006).

 
  
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  Pervenche Berès (PSE), Verfasserin. – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat es für nötig erachtet, unter den europäischen Institutionen eine Diskussion über die Aufsichtspraktiken einzuleiten, und wir wollten dies in Anwesenheit des Rates und der Kommission tun können. Wir, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, begrüßen es, dass sowohl im Rat als auch in der Kommission die Gespräche und die Arbeiten zur Bewältigung der Krise auf den Finanzmärkten wieder aufgenommen wurden. Eine effizientere und bessere Aufsicht und die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden sind notwendig, doch um wirklich Erfolg zu haben, ist unseres Erachtens in dieser Phase der Entwicklung und tief greifenden Veränderung der Finanzmärkte die Einleitung einer interinstitutionellen Debatte zu diesem Thema zweifellos der beste Weg, um voranzukommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hat sich intensiv mit der Analyse des europäischen Finanzsystems und den Auswirkungen auf die Konsolidierung der Finanzdienstleistungen befasst, nicht zuletzt im Bericht von Joseph Muscat. In diesem Bericht unterstützen wir die Einrichtung eines Ausschusses der Weisen, dessen Aufgabe nicht nur darin bestehen soll, die Auswirkungen der Konsolidierung der Märkte und Finanzinstitutionen zusammen mit den Auswirkungen der Finanzaufsicht, der Finanzstabilität und dem Krisenmanagement zu untersuchen, sondern auch, genaue Vorstellungen zu den bestehenden Strukturen zu unterbreiten und in einen Bericht an dieses Hohe Haus aufzunehmen.

Ziel der heutigen interinstitutionellen Aussprache ist es, ein deutliches Signal für die Einleitung – oder die erneute Einleitung – der großen Debatte über die Zukunft der europäischen Aufsichtssysteme zu geben, die nicht nur im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzmarktes selbst, sondern auch der Stabilität des Finanzsystems der Europäischen Union äußerst wichtig ist.

Gestatten Sie mir nun einige Bemerkungen. Erstens sei gesagt, dass es grundlegende Änderungen des Finanzsystems in Europa und weltweit gab. Tagtäglich sehen wir, wie sich die Märkte und die Innovationen auf diesen Märkten unablässig verändern – diese Entwicklungen kommen u. a. darin zum Ausdruck, dass die Macht von Hedgefonds oder privaten Kapitalanlagefonds zunimmt. Durch die laufende Konsolidierung der Finanzmärkte konnten sich Schlüsselakteure etablieren und weitgehend grenzüberschreitend tätig werden. Fusionen und Übernahmen, die durch das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit begründet sind, haben auf nationaler und europäischer Ebene sowie weltweit zugenommen. Sie haben ihre eigenen Antriebskräfte entwickelt, und daher haben sich Strukturen der Märkte und die Art und Weise, in der sich die Akteure auf den Märkten Geschäfte betreiben, grundlegend verändert. Dies bringt neue Herausforderungen und neue Aufgaben mit sich.

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die Konsolidierung der Strukturen der Finanzaufsicht mit der Konsolidierung der Märkte selbst einhergehen muss, denn zuweilen hat man den Eindruck, sie hätten einen unterschiedlichen Rhythmus. In diesem Zusammenhang kann man sich fragen, ob das derzeitige Aufsichtssystem der Europäischen Union – bei dem die Aufsichtsbehörden für besondere und sehr verschiedene Strukturen zuständig sind, höchst unterschiedliche Kompetenzen, Befugnisse und Zuständigkeiten haben und aufgrund eines nationalen Mandats handeln – in der Lage ist, eine geeignete Aufsicht über große multinationale Finanzkonzerne zu gewährleisten. Es fragt sich, ob das System tragfähig ist, und ob es nicht die finanzielle Stabilität des europäischen Systems selbst untergraben könnte.

Drittens möchte ich die Besonderheiten des Finanzsystems der Europäischen Union hervorheben, das durch die Vielfalt und Fülle der Marktteilnehmer gekennzeichnet ist, seien es nun lokale Akteure – lokale Banken beispielsweise – oder solche, die über die Grenzen hinweg tätig sind, auf beiden Seiten des Atlantiks und weltweit. Dies erfordert einen soliden, effizienten und gut angepassten Aufsichtsrahmen, der auf die Herausforderungen der regionalen Integration, der Globalisierung, der Innovation und der Zentralisierung der Verwaltung reagieren kann, und gleichzeitig ein hohes Niveau bei der Aufsicht bietet und sicherstellt, dass das System gesund und stabil ist.

Viertens möchte ich darauf hinweisen, dass die Verbesserung der Aufsichtssysteme im Interesse aller Akteure ist – vor allem natürlich im Interesse des Systems selbst, aber auch im Interesse der Marktteilnehmer, die uns auffordern, das Aufsichtssystem zu verbessern, um ihre Tätigkeiten auf allen Märkten zu erleichtern. Ich bin davon überzeugt, dass der Endnutzer auch ein Interesse an der Verbesserung des Systems haben wird.

Fünfter und letzter Punkt: Die Frage der europäischen Leistungen bei Regulierungsfragen hat eine transatlantische Dimension, und im Bewusstsein dessen halte ich die Zeit für gekommen, Fortschritte zu machen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass angesichts dieser Beobachtungen wir als europäische Gesetzgeber einer großen Aufgabe gegenüberstehen: Europa mit soliden und effizienten Aufsichtsstrukturen auszustatten, die eine angemessene Aufsicht über alle Finanzakteure gewährleisten, seien es nun große multinationale Konzerne oder die Bank in der Nachbarschaft, und es ermöglichen, dass die Aufsicht zur Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Modells auf internationaler Ebene beiträgt.

Die Frage lautet nun, wie das geschehen soll. Sollen wir einen Ausschuss der Weisen einsetzen? Oder sind wir vielleicht auf interinstitutioneller Ebene besser in der Lage, die gemeinsame europäische Intelligenz arbeiten zu lassen? Dies ist jedenfalls die Botschaft, die das Parlament mit der heutigen Debatte aussenden will, und ich bin dem Rat und der Kommission sehr dankbar, dass sie eingewilligt haben, sie im Parlament zu führen.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Kollegin Berès! Sie sprachen gerade in Ihrem Beitrag auch im Hinblick auf Finanzdienstleistungen eine Reihe wichtiger Fragen an. Ich kann Ihnen versichern, dass der Rat diesem Aspekt eine zentrale Bedeutung beimisst.

Ich unterstreiche noch einmal, dass das europäische Finanzsystem auch als ein wichtiger Beitrag zur Lissabon-Strategie angesehen wird und eine entscheidende Rolle bei der Konsolidierung des Rahmens für Finanzstabilität in der Europäischen Union spielt. Es geht dabei aber genauso darum, die Effizienz der Finanzaufsicht zu stärken, ohne dem Finanzsektor exzessive Aufsichtslasten aufzubürden. Auch hierdurch sollte der Wettbewerb nicht eingeschränkt werden. Erlauben Sie mir, auf drei wesentliche Punkte der genannten Ratsschlussfolgerungen hinzuweisen.

Erstens: Der Rat hat zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der Europäischen Union die Bedeutung fairer und nicht diskriminierender nationaler Aufsichtspraktiken hervorgehoben. Zugleich hat er aber auch auf ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Verpflichtungen des Heimatlandes und den Verpflichtungen des Gastlandes Wert gelegt. Aber auch die Bedeutung einer angemessenen und unabhängigen Finanzaufsicht für die Gewährleistung der Finanzstabilität wurde noch einmal betont.

Zweitens: Der Rat hat die drei Stufe-3-Ausschüsse ersucht, bei ihren Bemühungen um die Konvergenz von Vorschriften und Praktiken die in ihren Arbeiten und Berichten aufgezeigten Hindernisse ebenso zu berücksichtigen wie den Bericht des Ausschusses für Finanzdienstleistungen über die Konvergenz auf dem Gebiet der Aufsicht. Hierbei geht es insbesondere darum, gemeinsame Formate für das Meldewesen der Finanzinstitute an die Aufsichtsbehörden zu erarbeiten, damit Mehrfachkosten vermieden werden.

Der Rat hat drittens die Absicht der Kommission unterstützt, im Rahmen ihrer Befugnisse auch die Einhaltung der Regeln im Wettbewerbs- und Beihilferecht zu gewährleisten. Im Rat wurde es als vorrangig betrachtet, die Arbeiten der drei Stufe-3-Ausschüsse zu fördern. Dazu benötigen sie geeignete Aufsichtsinstrumente. Die Schlussfolgerungen des Rates von Mai 2006 enthalten auch ein umfassendes kurz- und mittelfristiges Aktionsprogramm für diesen Bereich, das sich auf einen Bericht des Ausschusses für Finanzdienstleistungen stützt. Einen Meilenstein bilden die gründlich überarbeiteten Aufsichtsvorschriften für Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen. Diese stellen die Zusammenarbeit der Aufseher auf eine neue Grundlage, was der Finanzstabilität und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Finanzwirtschaft zugute kommt.

Im Bericht des AFD wurden drei Herausforderungen aufgezeigt, die weiteres Handeln erforderlich erscheinen lassen. Ich glaube, dass diese Herausforderungen insbesondere für die unmittelbar vor uns liegende Zeit von Belang sind. Erstens müssen die Konvergenz und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Aufsicht weiter verstärkt werden. Zweitens muss die Effizienz des Aufsichtssystems erhöht werden und drittens muss im Hinblick auf die Zunahme grenzüberschreitender Finanzkonzerne die internationale Aufsicht verbessert werden.

Angesichts dieser Herausforderungen umfasst das im Mai vergangenen Jahres vom Rat gebilligte Aktionsprogramm eine Kombination mehrerer Instrumente. Diese zielen darauf ab, die Entstehung einer europäischen Aufsichtskultur und eines Mediations- und Delegierungsverfahrens sowie Regelungen für den elektronischen Datenaustausch und gemeinsame Formate für das Meldewesen zu fördern. Ich stelle fest, dass auf Ebene des Europäischen Parlaments im Bericht Muskat ebenfalls mit Nachdruck auf den zuletzt genannten Aspekt hingewiesen wurde. Ich begrüße auch hier die Übereinstimmung der Ansichten.

Der Ausschuss für Finanzdienstleistungen ist gebeten worden, insbesondere die Fortschritte zu überwachen, die die drei Ausschüsse der Stufe drei bei der Umsetzung der verschiedenen Instrumente erzielt haben.

Ferner ist der AFD beauftragt worden, die Konvergenz der Aufsichtsbefugnisse auf einer geeigneten Ebene zu überwachen. Ich weiß, dass die Kommission diesen Aspekten ebenfalls große Aufmerksamkeit widmet und bin zuversichtlich, dass auch das Europäische Parlament diesen Prozess im Rahmen seines Dialogs mit den Stufe-3-Ausschüssen fördern wird. Weitere Erkenntnisse sind von der Arbeit der interinstitutionellen Überwachungsgruppe zu erwarten.

Lassen Sie mich nun zu den langfristigen Perspektiven und der Frage des Herangehens an aufsichtsrechtliche Fragen kommen. Neben den bereits genannten bestehenden Herausforderungen muss der AFD bei der Festlegung langfristiger, strategischer Prioritäten auch die sich aus den Marktentwicklungen ergebenden Fragen berücksichtigen. Im Hinblick darauf hat der AFD unlängst eine neue Untergruppe gebildet, die bis Herbst 2007 einen Bericht über langfristige Aufsichtsthemen vorlegen wird. Bei diesem neuen Arbeitsstrang wird von folgendem Bottom-up-Ansatz ausgegangen: Weitere grundlegende Änderungen der Aufsichtsaufgaben sollen nur aufgrund nachweislicher Probleme erfolgen.

Ich möchte ferner betonen, dass die allgemeine Frage der Aufsichtskonvergenz im Zusammenhang mit der Konsolidierung der Märkte und Finanzinstitutionen gesehen werden muss. Daher freut mich besonders, dass es dem Europäischen Parlament und dem Rat bereits im März gelungen ist, sich in erster Linie auf einen Text zur Beteiligungsrichtlinie im Finanzsektor zu einigen. Dies ist ein deutliches Zeichen für unsere gemeinsame Entschlossenheit, den EU-Rahmen für die tägliche Arbeit unserer Aufsichtsbehörden zu verbessern.

Zum Abschluss möchte ich Folgendes betonen: In den genannten Bereichen müssen wir sämtlichen Herausforderungen, mit denen die EU-Organe hier konfrontiert sind, Rechnung tragen. Hierzu gehören die Stärkung der Finanzstabilität durch Aufsichtsregelungen und -verfahren sowie die Förderung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Beiden dient die Erleichterung der Konsolidierung unserer Finanzwirtschaft. Sie muss im Rahmen eines Prozesses erfolgen, der auch dem Schutz der Verbraucherinteressen förderlich ist. Bei all den genannten Aspekten arbeitet der Rat mit der Kommission zusammen, und wir begrüßen auch das starke Interesse des Europäischen Parlaments, das auch in dieser Aussprache deutlich wird. Ich danke ausdrücklich für Ihre Zusage, weitere Fortschritte zu fördern.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Der europäische Finanzsektor hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Kapitalmärkte haben expandiert und sind immer stärker integriert. Es haben sich neue Anlagetechniken entwickelt. Die Konsolidierung des Bankensektors geht immer schneller vonstatten. Gesamteuropäische Konglomerate spielen mittlerweile auf allen nationalen Märkten eine wichtige Rolle.

Diese Veränderungen wirken sich vorteilhaft auf die Effizienz unserer Finanzindustrie aus und sollten begrüßt werden. Sie stellen die Entscheidungsträger allerdings auch vor neue Herausforderungen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Regelungen für die Finanzaufsicht an die Bedürfnisse eines stärker integrierten EU-Finanzsektors angepasst werden, was für die finanzielle Stabilität und die Wettbewerbfähigkeit unserer Industrie unerlässlich ist.

In diesem Zusammenhang ist eine stärkere Zusammenarbeit und Konvergenz der europäischen Aufsichtsbehörden von größter Bedeutung. Seit ich Kommissar bin, war dies stets eine meiner Prioritäten und wird es auch bis zum Ende meiner Amtszeit bleiben.

Ich möchte kurz ins Gedächtnis zurückrufen, was die Kommission bereits unternommen hat, um ein effektiveres und effizienteres Aufsichtssystem in Europa zu fördern.

Im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses hat sie europäische Ausschüsse der Aufsichtsbehörden für den Wertpapier-, Banken- und Versicherungssektor geschaffen. Diese Ausschüsse haben bereits zu stärkerer Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden und mehr Konvergenz bei den Aufsichtsverfahren geführt. Ich gehe davon aus, dass sie ihre Arbeit in diesen Bereichen fortsetzen und beschleunigen werden, denn das ist für die Koordinierung in Krisensituationen unerlässlich.

Die Kommission hat auf eine vereinfachtere Aufsicht der großen Finanzinstitutionen gedrängt, und zwar insbesondere durch die Aufnahme des Konzepts der konsolidierenden Aufsichtsbehörde in die Richtlinien über Kapitalerfordernisse. Die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist im Falle einer Krise für einen angemessenen Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Finanzministerien zuständig. Ihre Rolle ist die wichtigste, weswegen ich weitere und ehrgeizigere Schritte in Richtung Konsolidierung der Aufsicht im Versicherungswesen im Rahmen des Projekts Solvabilität II vorschlagen möchte.

Bei den Wertpapierdienstleistungen wenden wir den Grundsatz stärkerer zentraler Kontrolle an, bei dem für gewisse Branchen begrenzte Ausnahmen gelten.

Um sich konkreter mit Fragen der Finanzmarktstabilität beschäftigen zu können, befassen sich meine Referate zurzeit mit fünf zusammenhängenden Bereichen, bei denen Klarheit vonnöten ist, wenn wir unsere Reaktionsfähigkeit bei Finanzkrisen verbessern wollen. Diese Fragen sind Liquiditätsvereinbarungen, Krisenmanagement, Fragen in Bezug auf den Kreditgeber der letzten Instanz, Einlagensicherungssysteme und Abwicklung von Finanzinstitutionen. Am 26. Juni wird eine Kommissionskonferenz zu diesen Themen stattfinden, an der auch Frau Berès als Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung teilnehmen wird.

Die Bemühungen der Kommission sind in Verbindung mit der Arbeit des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ zu sehen. Im Jahr 2006 fand eine Krisensimulation statt, in deren Nachgang der Rat 2007 darüber nachdenken wird, wie grenzübergreifende Krisensituationen besser bewältigt werden können, und zudem klären wird, inwieweit die Lasten aufgeteilt werden können. Darüber hinaus arbeitet der Ausschuss für Finanzdienstleistungen bereits an Fragen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Effizienz der Aufsicht.

Auch der Interinstitutionelle Kontrollausschuss für das Lamfalussy-Verfahren wird seinen Abschlussbericht im Jahr 2007 fertigstellen. Ich gehe davon aus, dass dieser nützliche Empfehlungen enthalten wird, wie die Ausschüsse der Aufsichtsbehörden besser arbeiten und ihre Zusammenarbeit vertiefen können. Dadurch könnten sie mögliche Fragen der Finanzmarktstabilität künftig noch besser bewältigen.

Gegen Ende des Jahres wird die Kommission auch ihre eigene Einschätzung der Funktionsweise des Lamfalussy-Verfahrens vorlegen. Bei dieser allgemeinen Einschätzung wird die Arbeitsweise der Ausschüsse der Aufsichtsbehörden ganz sicher eine wesentliche Rolle spielen. Ich sehe den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments zu dieser Frage erwartungsvoll entgegen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Aussprache durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Parlament, Rat und Kommission voranbringen können. Es wird notwendig sein, aus den verschiedenen laufenden Aktivitäten Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich bin offen für Anregungen, wie wir hierbei vorgehen sollten. Allerdings glaube ich, dass es noch zu früh wäre, zum jetzigen Zeitpunkt einen „Rat der Weisen“ einzusetzen. Ich würde eher abwarten, bis die verschiedenen Initiativen dieses Jahr abgeschlossen sind und dann erst den nächsten Schritt planen.

Lassen Sie mich das Gesagte kurz zusammenfassen: Die Finanzmärkte der EU sind stark. Wir haben kein kaputtes Aufsichtssystem, das repariert werden muss. In den letzten Jahren wurden große Erfolge erzielt, was die Modernisierung der Aufsichtsregelungen der EU angeht, aber es sind auch weitere Verbesserungen notwendig, die sich aus der Integration ergeben. Hier sind wir uns alle einig. Wir sollten unsere Bemühungen fortsetzen, die Lamfalussy-Struktur zu dem Regulierungsinstrument zu machen, mit dem die effektive, effiziente und konvergierte Aufsicht, die ein Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen erfordert, in die Tat umgesetzt werden kann. Es wird zurzeit untersucht, wie die Lamfalussy-Struktur und unsere Regelungen für die Finanzmarktstabilität weiter verbessert werden können, um den Bedürfnissen, die durch eine stärkere europäische Integration entstehen, gerecht zu werden.

Ich freue mich darauf, zu gegebener Zeit mit dem Parlament zu diskutieren, welche Initiativen konkret erforderlich sind, um auf die genannten Probleme zu reagieren und unseren europäischen Finanzsektor mit dem bestmöglichen Aufsichtssystem auszustatten. Das ist entscheidend, da für die langfristigen Konkurrenten auf dem EU-Kapitalmarkt in der Weltwirtschaft hochkarätige Aufsichts- und Regulierungsstrukturen unerlässlich sind.

 
  
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  Karsten Friedrich Hoppenstedt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Es ist gut, dass die Frage von Frau Berès über den Ausschuss für Wirtschaft und Währung hier heute diskutiert und beantwortet wird. Damit ergibt sich ein nahtloser Anschluss an den Bericht Muscat, aber auch an die gestrige Diskussion im Ausschuss, auch mit Ihnen, Herr Kommissar!

Die Krisensimulation zur Überprüfung der Finanzstabilität in der EU, die im letzten September auf der ECOFIN-Sitzung in Helsinki vorgestellt wurde, hat in der Tat Defizite offen gelegt. Dieses Szenario – also ständig neu entwickelte Finanzinstrumente wie z. B. Hedge-Fonds und Derivate – verdeutlicht die Notwendigkeit weiterer Diskussionen, die der Sicherheit der Verbraucher ausreichend Rechnung tragen. Wir brauchen deshalb ein System von funktionierenden, ineinandergreifenden Aufsichtsregeln und Praktiken in der Europäischen Union.

Verbraucherschutz, aber auch die Effektivität der Finanzwirtschaft und die Stabilität der Finanzmärkte bilden das oberste Ziel der Finanzaufsicht bei gleichzeitiger Unterstützung der Wirtschaft bei der Ausschöpfung ihres Potenzials und ihrer Kreativität. Deswegen muss sich eine gute Aufsicht an den vorhandenen Risiken orientieren und prinzipienbasiert vorgehen anstatt sich detaillierter Einzelbetrachtung hinzugeben. Sie darf keine zusätzliche Belastung für die Unternehmen darstellen, die Regeln müssen in engem Kontakt mit der Finanzwirtschaft entwickelt werden und grenzüberschreitende Finanzmärkte müssen in gleichem Maße gesamteuropäisch wie global behandelt werden.

Die Aufsicht sollte sich auf das wirklich Notwendige und Sinnvolle beschränken. Existierende Maßnahmen sollten vorsichtiger und marktfreundlich angewandt werden. Unnötige Belastung muss vermieden werden. Zum derzeitigen Zeitpunkt bin ich strikt gegen eine europäische Zentralaufsicht, die zusätzlich und parallel zu den nationalen Aufsichten agiert, das Subsidiaritätsprinzip der EU aushebelt und jeglicher demokratischer Legitimität entbehrt. Eine derartige Einrichtung würde nicht nur bei vielen Unverständnis hervorrufen, zumal sie weitere intransparente Bürokratie errichtet, sondern sie geht auch mit einem gravierenden Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten einher, da sie sich im Krisenfall über nationale Budgets hinwegsetzt.

Lassen Sie uns doch erst mal abwarten, wie sich die Aufsichtsgremien der neu formierten 27 zusammenfinden und ihre Arbeit machen. Wir brauchen keine einheitliche, zentralistische Aufsichtsstruktur, sondern wir brauchen eine gemeinsame Aufsichtskultur, die von gleichen Werten und Zielen geprägt ist.

 
  
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  Joseph Muscat, im Namen der PSE-Fraktion. – (MT) Es wird immer wieder auf einen von mir ausgearbeiteten Bericht Bezug genommen, der im Detail auf diesen Bereich eingeht und vom Parlament genehmigt wurde.

Dieser Bericht, der nun als Stellungnahme vom Parlament verabschiedet wurde, beinhaltet die Analyse einer immer akuter werdenden Situation. Einer der wichtigsten Punkte, ist dabei die Tatsache, dass auf nationaler Ebene unterschiedliche Praktiken und Aufsichtshierarchien existieren. Aus europäischer Sicht bedeutet dies sowohl einen Rückgang der Markteffizienz, als auch weitere Betriebskosten für die in verschiedenen Ländern operierenden Institutionen. Der Bericht hinterfragt, inwiefern das derzeitige System überhaupt eine effiziente Überwachung großer Konzerne gewährleisten kann, die in unterschiedlichen Ländern und Sektoren tätig sind. Wir haben eine noch detailliertere Überprüfung des europäischen Sozialmodells im Hinblick auf eine vernünftige Stabilität und geeignete Krisenmanagement-Strukturen gefordert. Wir sind darin übereingekommen, dass wir auf europäischer Ebene ein effizientes Krisenmanagement benötigen. Die gegenwärtige Marktentwicklung zeigt, dass sich eine Krise, die zunächst nur ein Land betrifft, wie ein Lauffeuer auf andere Länder ausbreiten kann.

Die Reaktion auf eine derartige Krise wird aufgrund der großen Zahl von betroffenen Institutionen und mangelnder Klarheit darüber, welche Rolle ihnen eigentlich zukommt, zunehmend komplex. Die europäischen Verbraucher und Investoren sind letztendlich diejenigen, die in diesem Bereich am meisten unter fehlenden Maßnahmen zu leiden haben. Innerhalb dieses Rahmens hat das Parlament sich geeinigt, einen Experten-Ausschuss zu berufen, der diese Auswirkungen untersucht und uns dann im Anschluss seine Empfehlungen vorlegt.

Ich bin mir bewusst, dass die Meinungen zu dieser Initiative und ihrer Form auseinander gehen. Nach meinem Dafürhalten ist inzwischen die Zeit gekommen, um eine umfassende Debatte zu diesem Thema unter Beteiligung aller Institutionen zu führen. Was wir gerade nicht brauchen, ist gegenseitige Ignoranz, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Form die Überwachung der europäischen Finanzmärkte haben sollte. Ich denke, dass wir unsere Anstrengungen in erster Linie auf den dringenden Diskussionsbedarf in dieser Sache richten und betonen sollten, dass keine Zeit zu verlieren ist.

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė, im Namen der ALDE-Fraktion. – (LT) Ich möchte sagen, dass es wohl in den meisten Ländern ein Sprichwort gibt, in dem es heißt, dass man bereits im Sommer mit den Vorbereitungen auf den Winter beginnen muss. In der Diskussion über dieses Thema möchten wir die Europäische Kommission und den Rat an diese alte Binsenwahrheit erinnern. Denn bisher wurde uns stets gesagt, es würden Arbeitsgruppen gebildet und diese Frage würde diskutiert. Zweifellos hat Konsolidierung ihre positiven Aspekte; mit ihr einher geht jedoch ein zunehmendes systematisches Risiko am Markt. Finanzkonzerne operieren in allen Ländern der Europäischen Union und die Abhängigkeit von ihrer Tätigkeit sowie der Einfluss ihrer Aktivitäten sind oft hoch. Wenn wir von einer Reform des Aufsichtsprozesses sprechen, müssen wir die Frage, die ich in der Regel an die Leiter der europäischen Aufsichtsorgane richte, zuerst uns selbst stellen: Wenn ein Tochterunternehmen in einem bestimmten Land operiert und die Wirtschaft dieses Landes wegen der unbefriedigenden Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens Schaden zu nehmen beginnt, wer wird dafür zahlen? Wer wird verantwortlich sein? Die Gesetze welchen Landes werden gelten? Eine andere Frage. Wenn sich in dem Tochterunternehmen eine Krise entwickelt, wie wird sie bewältigt? Auf nationaler Ebene oder auf der Ebene des Finanzkonzerns? Leider haben wir bisher noch keine Antwort auf diese einfachen Fragen erhalten. Ich bin recht erfreut über die Information, die Vertreter des Rats und der Kommission uns in Bezug auf das, was getan wird, geliefert haben; ich möchte jedoch erneut betonen, dass wir, da neue riskante Produkte ihren Weg auf den Markt finden, alle Prozesse beschleunigen und uns zusammensetzen müssen, um die Grundfragen zu klären, und uns nicht in Details verlieren dürfen. Diskussionen über die verschiedenen Arten der Koordination und dergleichen sind schön und gut, bis sich eine Krise entwickelt. Der Bezugspunkt für unsere Entscheidungen über eine Reform des Aufsichtsprozesses muss das sein, was wir in einer Krisensituation tun würden.

 
  
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  Piia-Noora Kauppi (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Ich möchte der Vorsitzenden unseres Ausschusses, Frau Berès, für ihren Beitrag danken, der genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgte. Wir haben in dieser Woche damit begonnen, uns im Ausschuss mit dem Bericht van den Burg auseinanderzusetzen, und eines der wichtigsten Themen auch in der Zeit der Post-FSAP-Agenda besteht darin, wie ein gutes Aufsichtssystem für Europa entwickelt werden kann. Für uns ist es sehr wichtig zu wissen, wie Rat und Kommission über die Zukunft dieser gemeinsamen Agenda denken.

Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen ist jetzt mehr oder weniger vollständig, weswegen wir uns nun hauptsächlich mit der Konvergenz im Bereich Umsetzung und Aufsicht beschäftigen. Wir sind der Auffassung, dass wir, obwohl die nationalen Regulierungsbehörden bereits recht gute Verfahren entwickeln konnten, die Arbeit fortsetzen müssen, die über die Lamfalussy-Ausschüsse hinausgehen muss. So ist es zum Beispiel sehr positiv, dass wir jetzt Aufsichtsgremien haben, die sich mit großen, gesamteuropäischen Fällen befassen, für die mehrere Gerichte zuständig sind. Zuweilen fehlt es diesen Gremien jedoch an Autorität; sie haben nicht genügend Ressourcen und treffen nicht genug Mehrheitsentscheidungen. So wäre es zum Beispiel hervorragend, wenn wir sowohl in den Stufe-3-Ausschüssen als auch in den Aufsichtsgremien häufiger die qualifizierte Mehrheitsabstimmung ins Auge fassen könnten.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir in Frau van den Burgs Berichtsentwurf einer neuen Idee zum Durchbruch verholfen haben: Für die größten gesamteuropäischen Akteure sollten wir über eine gut ausgestattete europäische Aufsichtsbehörde innerhalb des Systems verfügen. Wir würden gerne eine europäische Aufsichtsbehörde einrichten, die allerdings nicht außerhalb des derzeitigen Zuständigkeitsbereichs der Kommission, sondern vielmehr innerhalb des Systems tätig sein sollte. Diese Idee könnte die Kommission meines Erachtens auch in Erwägung ziehen.

Zu guter Letzt ist es auch wichtig, die Zusammenarbeit auf globaler Ebene weiterzuentwickeln. Wir wissen, dass die finanziellen Risiken und aufsichtsrechtlichen Herausforderungen nicht nur auf europäischer Seite bestehen, sondern dass sie auch sehr stark die großen Marktteilnehmer in Amerika usw. betreffen, weswegen es sehr gut ist, dass die Kommission diesen Dialog über die Finanzdienstleistungen mit den transatlantischen Partnern ernst genommen hat – es muss allerdings eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattfinden.

 
  
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  Charlie McCreevy, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte allen Abgeordneten für ihre äußerst wertvollen Beiträge danken.

Wie ich bereits sagte, kommt der Entwicklung der Finanzaufsicht entscheidende Bedeutung zu. Ein stabiles Finanzumfeld ist für die wirtschaftliche Entwicklung, die die EU braucht, und den Verbraucherschutz unabdingbar. Es ist also wichtig, Finanzkrisen zu verhindern. Die Aufsicht muss so effizient und effektiv wie möglich sein. Wir müssen dafür sorgen, dass die Praktiken der nationalen Aufsichtsbehörden sich einander annähern, damit die Belastungen für grenzüberschreitende Unternehmen so gering wie möglich sind. Wir brauchen eine gemeinsame Aufsichtskultur: mehr Aufsichtsgremien, die mehr Dinge auf dieselbe Art und Weise tun.

Dies sind wichtige Fragen und ich freue mich darauf, mit Ihnen daran zu arbeiten.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.

 

14. Die Zukunft des Kosovo und die Rolle der EU (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Joost Lagendijk im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Zukunft des Kosovo und die Rolle der EU (2006/2267(INI)) (A6-0067/2007).

 
  
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  Joost Lagendijk (Verts/ALE), Berichterstatter. (NL) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei einem Rückblick auf den seit 1999 vertretenen Standpunkt dieses Parlaments zum Kosovo kann meines Erachtens nur ein Fazit gezogen werden: Der vorliegende Bericht ist die logische Konsequenz eines langen Beratungsprozesses, den wir in diesem Haus geführt haben und bei dem wir in den letzten beiden Jahren im Wesentlichen zu zwei Schlussfolgerungen gelangt sind.

Die erste Schlussfolgerung ist, dass der derzeitige Status quo im Kosovo keine Option darstellt, da eine solche unerwünscht – äußerst unerwünscht – wäre. Zweitens muss der Kosovo unter allen Umständen, ob es uns nun gefällt oder nicht, in den Genuss einer gewissen Form der Unabhängigkeit gelangen, die allerdings noch genau zu bestimmen sein wird.

In meinem Bericht habe ich zusammenzufassen versucht, wie sich diese allgemeine Position, diese allgemeine Schlussfolgerung in der Praxis auswirken wird. Mit anderen Worten, was wäre nach Ansicht des Parlaments das erstrebenswerteste Ergebnis der im Sicherheitsrat geführten Beratungen über den Status des Kosovo?

Lassen Sie mich ein paar elementare Punkte herausstellen. Der Kosovo muss Zugang zu Einrichtungen wie der Weltbank und dem IWF erhalten, um endlich seine wirtschaftlichen Probleme anpacken und seinen wirtschaftlichen Aufschwung einleiten zu können.

Zweitens muss der multiethnische Charakter des Kosovo erhalten bleiben, was vorläufig am besten durch eine sowohl militärische wie zivile internationale Präsenz gewährleistet ist – sprich, durch die Europäische Union. Dies bringt mich zu dem Schluss, dass der EU eine Schlüsselrolle zufällt, sobald dieser Status festgelegt sein wird. Der Europäischen Union – also uns – obliegt es, dafür Sorge zu tragen, dass die kosovarischen Behörden ihr Land weiter in Richtung eines demokratischen multiethnischen Landes führen, das letztendlich der Europäischen Union beitreten kann, und sofern wir ausreichend und rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden, sind wir im Parlament bereit, die für diese Rolle, für diese Aufgaben erforderlichen Haushaltsmittel bereitzustellen.

Schließlich ist der Kosovo wegen der NATO-Intervention 1990, vor allem aber deswegen, weil dieser Teil Serbiens fast acht Jahre unter UN-Verwaltung gestanden hat, ein einmaliger Fall. Dies bedeutet zugleich, dass die jetzt für die gegenwärtige Situation gesuchten Lösungen einmalig sind und nicht zur Lösung von Konflikten in anderen Teilen der Welt herangezogen werden können.

Bis hierher dürfte die Mehrheit dieses Hauses mir wohl beipflichten. Bei der Diskussion über diesen Bericht in der vergangenen Woche stand nun nicht der von mir soeben dargelegte Inhalt im Vordergrund, sondern die Frage, welches Etikett die angestrebte Situation tragen sollte, anders gesagt, welches Wort wir zur Beschreibung dieser optimalen Situation nach der Unabhängigkeit gebrauchen wollen. Ist es eine überwachte Unabhängigkeit, ist es eine überwachte Souveränität, oder sollten wir vielleicht überhaupt von jeglicher Etikettierung absehen?

Denen, die sich vorerst noch nicht dazu äußern wollen, wie diese Situation bezeichnet werden soll, möchte ich sagen, dass die Europäische Union unbedingt mit einer Stimme sprechen und geschlossen auftreten muss, nicht nur hier in Brüssel, sondern auch im Sicherheitsrat in New York sowie nicht zuletzt in diesem Haus. Wenn wir uns in dem Endziel einig sind, weshalb sagen wir es dann nicht? Dies hätte einen positiven Einfluss auf die schwierigen Beratungen in Brüssel und in New York, und für Russland – das sich entschieden gegen eine künftige Unabhängigkeit ausgesprochen hat – wäre es schwieriger, die Mitglieder der Europäischen Union gegeneinander auszuspielen.

Ein weiteres Argument dagegen, schon jetzt Klarheit zu schaffen, ist die Frage, weshalb wir in diesem Hause den Weg weisen, weshalb wir als erstes EU-Organ uns so eindeutig hinsichtlich des Endergebnisses festlegen sollen; dazu möchte ich bemerken, dass seit Montag dieser Woche jemand anders die Initiative übernommen hat, nämlich Martti Ahtisaari, der Sondergesandte des Generalsekretärs, der in seiner Empfehlung an den Sicherheitsrat erklärte, „der Status des Kosovo sollte eine durch die internationale Gemeinschaft überwachte Unabhängigkeit sein“.

Diese Schlussfolgerung fand die uneingeschränkte Zustimmung von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Mit anderen Worten, die Führung wird von anderen übernommen, und ich hielt es nur für richtig, dass dieses Haus klar zum Ausdruck bringt, was von uns gewünscht wird. Das heißt, wir müssen die Empfehlung von Herrn Ahtisaari unterstützen, indem wir unmissverständlich bekunden, dass unserer Auffassung nach eine überwachte Form der Souveränität das beste Ergebnis des Prozesses wäre.

Wir in diesem Haus sind Parlamentarier, Politiker. Wir sind keine Diplomaten. Ich würde mich freuen, morgen mit Ihrer Unterstützung meines Berichts hier im Plenum rechnen zu können. Ich werde nicht ruhen, bis sich das Parlament unmissverständlich dazu äußert, worin unserer Ansicht nach das Endziel bestehen sollte. Nach meinem Dafürhalten sollte es eine durch die EU überwachte Souveränität sein. Auf eine solche Klarheit haben die Kosovaren Anspruch, haben die Serben Anspruch und haben auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger Anspruch.

 
  
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  Günter Gloser, amtierender Ratspräsident. Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrter Herr Kollege Lagendijk, meine Damen und Herren! Der Prozess zur Bestimmung des künftigen Status des Kosovo — das momentan drängendste politische Problem auf dem westlichen Balkan — tritt in seine letzte und entscheidende Phase. Am 26. März hat der UNO-Generalsekretär den Statusvorschlag des Sondergesandten der Vereinten Nationen, Martti Ahtisaari, an den Sicherheitsrat in New York übermittelt. Voraussichtlich am 3. April wird der Sondergesandte den Mitgliedern des Sicherheitsrats seinen Vorschlag persönlich erläutern.

Die Außenminister der Europäischen Union haben sich auf dem Rat vom 12. Februar eingehend mit dem Lösungsvorschlag beschäftigt. Sie sprachen Präsident Ahtisaari ihre volle Unterstützung aus. Sie stellten fest, dass der Statusvorschlag darauf abzielt, im Kosovo den Aufbau einer multi-ethnischen und demokratischen Gesellschaft auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Sie haben auch die Überzeugung geäußert, dass die Vorschläge des Sondergesandten die Grundlage für eine nachhaltige wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kosovo schaffen sowie zur Stabilisierung der Region beitragen werden.

Im Februar und März hatten erneute Gesprächsrunden zwischen Belgrad und Priština über die Vorschläge stattgefunden, zunächst auf Expertenebene sowie am 10. März auch auf höchster politischer Ebene.

Als Ergebnis der Gespräche hat Präsident Ahtisaari einige der bereits sehr weitgehenden Bestimmungen zum Schutz der Kosovo-Serben und der serbisch-orthodoxen Kirche noch weiter ausgedehnt.

Insgesamt haben die Gespräche jedoch gezeigt, dass die Divergenzen zwischen beiden Seiten unüberbrückbar sind. Priština hat dem Statuspaket im Ergebnis zugestimmt, während Belgrad es abgelehnt hat. Präsident Ahtisaari hat daraufhin am 10. März die Gespräche für beendet erklärt und angekündigt, seinen Statusvorschlag umgehend an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu leiten. Nach Auffassung der Präsidentschaft völlig zu Recht. Denn auch wenn die Verhandlungen noch Wochen oder Monate andauern würden – die einjährigen Direktverhandlungen zwischen Belgrad und Priština haben gezeigt, dass eine gemeinsam getragene Kompromisslösung nicht näher rückt. Im Gegenteil: In der letzten Verhandlungsrunde hatten sich die Positionen der Parteien sogar wieder verhärtet.

Mit der am vergangenen Montag erfolgten Übermittlung des Statusvorschlags an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist der Prozess zur Bestimmung des Kosovo-Status in seine letzte und entscheidende Phase getreten.

Zum Auftakt dieser Phase ist es von entscheidender Bedeutung — Sie haben gerade darauf hingewiesen, Herr Lagendijk —, dass die Europäische Union nach außen hin geschlossen auftritt und mit einer Stimme spricht. Je sichtbarer die Einigkeit der EU, desto geringer das Risiko einer dauerhaften Blockade im Sicherheitsrat. Die Präsidentschaft der Europäischen Union geht davon aus, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung gerecht wird, und hofft, dass er den Vorschlag zeitgerecht billigen wird.

Einige Worte zur künftigen Rolle der Europäischen Union im Kosovo.

Die Europäische Union ist bereit, bei der Umsetzung der Statusregelung eine wichtige Rolle zu übernehmen. Die Vorarbeiten der Europäischen Union für unseren Beitrag zu einer internationalen Präsenz im Kosovo nach der Regelung der Statusfrage kommen gut voran.

Die Vorarbeiten der EU konzentrieren sich auf folgende drei Bereiche: Erstens auf die Unterstützung für die vorgeschlagene internationale zivile Präsenz. Unser EU-Vorbereitungsteam für diese künftige internationale zivile Präsenz arbeitet vor Ort auch eng mit KFOR, UNMIK und der Führung des Kosovo zusammen, um die Einrichtung und Arbeitsaufnahme des International Civilian Office (ICO) gezielt vorzubereiten.

Zweitens auf die Vorbereitung der ESVP-Rechtsstaatsmission, bei deren Planung wir bereits große Fortschritte gemacht haben. Wir rechnen damit, dass die Europäische Union ein Mandat erhält, das die Überwachung, die Begleitung und die Beratung der lokalen Behörden im weiter gefassten Bereich der Rechtsstaatlichkeit umfasst. Wir rechnen außerdem damit, dass vom Mandat Exekutivbefugnisse in einigen polizeilichen Bereichen abgedeckt werden, einschließlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Menschenansammlungen und Unruhen sowie im Justiz- und Zollbereich. Unsere Planung ist flexibel und wird gegebenenfalls an die Entwicklungen der Lage angepasst.

Drittens konzentrieren sich die Vorarbeiten auf die Konkretisierung der europäischen Perspektive des Kosovo und auf die Unterstützung für seine wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir das Interesse des Europäischen Parlaments am Kosovo, das auch im vorliegenden Berichtsentwurf zum Ausdruck kommt. Der Bericht von Ihnen, Herr Lagendijk, unter dem Titel „Die Zukunft des Kosovo und die Rolle der Europäischen Union“ stellt einen wertvollen Beitrag zu den internationalen Bemühungen zur Förderung einer dauerhaften Lösung im Kosovo dar.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Prozess zur Klärung des Status des Kosovo in eine entscheidende Phase eintritt. Dabei steht die EU vor einer doppelten Herausforderung. Erstens, ihre Einigkeit bei der gemeinsamen Suche mit unseren internationalen Partnern nach einer dauerhaften Lösung für den Kosovo, Serbien und die Region insgesamt zu bewahren und, zweitens, ihre Vorbereitungen für die Unterstützung der internationalen Bemühungen zur Umsetzung des Status zu intensivieren.

Die Kosovo-Statuslösung ist der Endpunkt der Auflösung des ehemaligen Jugoslawiens. Sie ist ein Fall sui generis und kann daher keinerlei Präzedenz für andere so genannte frozen conflicts setzen. Die Statuslösung ist eine Grundvoraussetzung für die Stabilisierung des Kosovo, Serbiens und der gesamten Region. Dauerhafte Stabilität auf dem westlichen Balkan — die Konflikte der neunziger Jahre haben dies belegt — ist eine zentrale, ja vitale Frage europäischer Sicherheit. Wie auch in vielen anderen Bereichen ist dabei unsere Einigkeit und Geschlossenheit ein wesentlicher Schlüssel, um eine dauerhafte Lösung zu erreichen.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Zunächst möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Lagendijk, und den Abgeordneten für ihre bedeutende und intensive Arbeit an diesem Bericht danken.

Wie ich hier bereits sagte, wurden der Bericht und der Vorschlag des Sondergesandten Ahtisaari am Montag dem Sicherheitsrat übergeben. Ich schließe mich dem UN-Generalsekretär, Ban Ki-Moon, und der EU-Ratspräsidentschaft an und befürworte den Bericht und den Vorschlag von Herrn Ahtisaari.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die beiden Parteien in einer idealen Welt selbst in der Lage gewesen wären, einen annehmbaren Kompromiss zu erzielen. Bei den 14-monatigen Verhandlungen wurde zu mehreren praktischen Aspekten der Regelung ein gemeinsamer Standpunkt erzielt. Bedauerlicherweise sind Belgrad und Priština in der entscheidenden Statusfrage selbst nach wie vor genau entgegengesetzter Ansicht.

Mit Herrn Ahtisaaris Vorschlag soll die Bildung einer demokratischen, multiethnischen und auf rechtsstaatlichen Prinzipien basierenden Gesellschaft im Kosovo gefördert werden. Sein Vorschlag enthält weitreichende Bestimmungen, mit denen allen Gemeinschaften im Kosovo eine Zukunft gesichert werden soll und die religiösen Stätten und das Kulturerbe geschützt werden sollen.

Wie Herr Lagendijk zu Recht betonte, ist das Wichtigste an einer Entscheidung zum Kosovo die Einigkeit Europas, hier und in New York. Wir müssen im UN-Sicherheitsrat konsequent und entschlossen hinter Herrn Ahtisaari und seinem Vorschlag stehen. Eine Aufschiebung der Entscheidung bringt keinerlei Vorteile mit sich. Die UNO verwaltet den Kosovo nunmehr seit acht Jahren und der Status quo ist definitiv nicht tragbar. Deswegen erwarte ich vom Sicherheitsrat, dass er seinen Aufgaben im Geiste des verantwortungsvollen Multilateralismus gerecht wird und den Prozess bald erfolgreich abschließt.

Sobald die Statusfrage geklärt ist, beginnt die Durchführungsphase, die selbstverständlich eine eigene Entstehungsgeschichte haben wird. Auch hier muss die EU geschlossen handeln. Sie wird sowohl bei der Leitung internationaler ziviler Missionen als auch bei der Unterstützung der europäischen Perspektive für den Kosovo eine führende Rolle übernehmen müssen. Das wird den Einsatz all unserer Instrumente und beachtliche Ressourcen erfordern. Wir haben für den westlichen Balkan und den Kosovo keine Ausgangs-, sondern nur eine Eingangsstrategie.

Ich möchte hervorheben, dass lokale Eigenverantwortung und eine Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft der Schlüssel zum Erfolg sind, wenn es um die Durchsetzung des Status geht. Die EU und ihre internationalen Partner können die Bemühungen des Kosovo selbst nicht ersetzen, weder was den politischen Willen, noch was die Ressourcen angeht. Aber wir können ihm behilflich sein, und die Regelung der Statusfrage hat ihren Preis.

Wie hoch der Finanzbedarf des Kosovo nach der Gewährung des Status sein wird, können wir nicht genau sagen, aber Schätzungen zufolge könnte in den ersten drei Jahren nach der Regelung der Statusfrage internationale Hilfe in Höhe von rund 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro erforderlich sein.

Dabei werden vier Hauptbereiche abgedeckt werden müssen: Der Anteil des Kosovo an den Schulden Jugoslawiens, die Kosten für die Durchsetzung des Status, der Finanzbedarf für die wirtschaftliche Entwicklung und die Kosten für die internationale Präsenz, einschließlich der geplanten ESVP-Mission, die voraussichtlich die größte zivile Krisenmanagementmission sein wird, die die Europäische Union je entsendet hat. Im Kosovo werden aller Wahrscheinlichkeit nach 1500 bis 2000 internationale Mitarbeiter tätig sein.

Wir alle wissen, dass die EU momentan wichtige außenpolitische Herausforderungen in anderen Gebieten wie dem Nahen Osten, Afghanistan und Darfur bewältigen muss. Der Kosovo ist nicht die einzige Priorität, die finanzielle Unterstützung benötigt. Aber beim Kosovo hat Europa eine besondere Verantwortung, da er an uns angrenzt und künftig zu unserem Hoheitsgebiet gehören wird. Am Freitag werde ich bei der Tagung der EU-Außenminister in Bremen, der Gymnich-Tagung, darauf hinweisen, dass die Mittel nicht allein aus dem EU-Haushalt kommen dürfen. Die EU-Mitgliedstaaten und unsere Partner in der internationalen Gemeinschaft müssen sich die Verantwortung teilen. Die Kommission wird ein Finanzierungspaket zusammenstellen, das das Ausmaß unserer Verantwortung widerspiegelt. Dabei zähle ich auf Ihre Unterstützung, da eine starke Unterstützung seitens der Haushaltsbehörde erforderlich ist, um ein glaubwürdiges Finanzpaket zu schnüren.

Ein letztes Wort noch zu Serbien: Ich versichere Ihnen, dass die EU sich der europäischen Perspektive Serbiens nach wie vor uneingeschränkt verpflichtet fühlt. Wir sind bereit, mit einer neuen Regierung auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Nun ist es an der neuen Regierung Serbiens, die Bedingungen zu erfüllen, um die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union wieder aufzunehmen.

Es ist ein starkes Engagement Serbiens erforderlich, um den Statusprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wir werden einem Serbien, das Vertrauen in seine europäische Zukunft hat, dabei helfen, das Vermächtnis der Vergangenheit hinter sich zu lassen.

 
  
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  Erika Mann (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für internationalen Handel. – Frau Präsidentin! Ich werde nur auf einige wenige Punkte eingehen, die wir im Ausschuss für internationalen Handel besprochen haben. Ich selbst bin mehrmals im Kosovo gewesen, in beiden Teilen, sowohl in Priština als auch in Mitrovica, und kann die Lage relativ gut bewerten. Uns liegt besonders am Herzen, dass man die wirtschaftliche und die Handelssituation sehr genau betrachtet, weil wir der Meinung sind, dass nur durch eine wirtschaftliche Stabilität eine langfristige Sicherheit in der gesamten Region gegeben ist.

Die Situation ist überaus problematisch. Die Infrastrukturen sind sehr schwach, Schlüsselindustrien müssen komplett modernisiert und renoviert werden. Es gibt kleine, mittelständische Betriebe, die zwar sehr innovativ sind, die aber viel mehr finanzielle Unterstützung bekommen müssen, sowie eine sehr junge Bevölkerung, die integriert werden muss und die Arbeitsplätze braucht. Das alles ist nur im Rahmen der Integration der Europäischen Union zu schaffen. Integration aber nicht in dem Sinne, dass wir sofort für eine Aufnahme in die EU plädieren, sondern dass wir vor allem das Konzept der Freihandelszonen vollständig ausbauen, damit es auch wirklich funktioniert. Mit vielen Balkanstaaten sind ja bereits Abkommen unterzeichnet worden; sie müssen aber auch tatsächlich funktionsfähig sein.

Wir plädieren auch sehr dafür, dass die exzellente Arbeit, die bis jetzt vor allem im Bereich des vierten Pfeilers von der Europäischen Union geleistet wurde, in die neuen Strukturen übergeführt wird, damit es nicht zu einer vollständigen Überholung der Systeme kommt.

 
  
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  Bernd Posselt, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Frau Präsidentin! 1912 wurde der Kosovo als zu 90 % von Albanern bewohnte Region ohne Volksabstimmung Serbien zugesprochen. Er durchlief ein wechselvolles Schicksal, bis Ende der 80er Jahre der Kriegsverbrecher Milošević die Autonomie des Kosovo gegen die jugoslawische Verfassung aufhob. Ein brutales Apartheid-Regime wurde installiert, die Albaner durften weder Kindergärten, noch Schulen und Universitäten besuchen, sie unterlagen einem Berufsverbot, sie durften nicht einmal in öffentliche Schwimmbäder. Es gab ein unvorstellbar grausames System, das ich aus eigener Erfahrung kenne.

Dann kam die Massenvertreibung des Jahres 1998, die nur durch eine Nato-Intervention gestoppt werden konnte, als die Mehrheit der Landesbevölkerung schon über die Grenzen des Landes vertrieben worden war. Die Vereinten Nationen etablierten eine Verwaltung, und nun stehen wir vor einem Neuanfang. Wie kann die Zukunft aussehen? Wenn wir unsere Pflicht tun, wenn wir die Statusfrage rasch, einvernehmlich und geschlossen klären, und auch als EU die Verantwortung internationaler Präsenz im Kosovo übernehmen, dann kann der Kosovo binnen kurzer Zeit eine multiethnische Demokratie mit dem weitestgehenden Minderheitenrecht der Welt sein. Denn das, was im Bericht Ahtisaari steht, ist die weitestgehende Minderheitenregelung der Welt, mit einer EU-Perspektive und auch durchaus mit einer wirtschaftlichen Perspektive.

Hier möchte ich die Kollegin Mann unterstützen. Das Land war jahrzehntelang vernachlässigt. Es braucht Investitionen für eine junge, arbeitslose Bevölkerung, und die wird es nur geben, wenn die Statusfrage geklärt ist, wenn Rechtssicherheit gegeben ist — deshalb müssen wir uns auf Justiz und Inneres konzentrieren —, wenn Friede herrscht und wenn gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Serbien bestehen.

Ich kann an die serbischen Politiker nur appellieren: General De Gaulle hat einmal von der paix des braves, vom Frieden der Tapferen, gesprochen. Die Serben und die Albaner haben dann eine gute, gemeinsame, europäische Zukunft als benachbarte europäische Völker ...

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte den Berichterstatter, Herrn Lagendijk, zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Die Lösung durch eine stabile, dauerhafte und lebensfähige Regelung für den Kosovo ist von entscheidender Bedeutung für die Stabilität der gesamten westlichen Balkanregion. Eine solche Form der Regierung hat es in Hinblick auf mögliche Änderungen der Grenzen seit dem Zweiten Weltkrieg, seit dem Friedensvertrag von Paris, nie gegeben.

Die Europäische Union hat und wird weiterhin eine entscheidende und besondere Verantwortung haben, indem sie vor Ort im Kosovo international präsent ist und damit die Vereinten Nationen ablöst. Dies ist der größte Test für die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union, die derzeit im Entstehen begriffen ist.

Nötig ist eine gerechte und ausgewogene Lösung. Die internationale Gemeinschaft kann nicht einer der beiden Parteien – den Kosovo-Albanern – den Vorzug geben, und die andere Partei, die Serben, bestrafen. Es muss eine gerechte Lösung gefunden werden. Sobald der Sicherheitsrat den endgültigen Status des Kosovo festgelegt hat, müssen die Probleme des Einflusses berücksichtigt werden, die der Status des Kosovo auf die gesamte Region, auf die Stabilität in ganz Mitteleuropa, auf die Lage innerhalb Serbiens und auf die Einsetzung einer neuen serbischen Regierung hat.

Die sozialdemokratische Fraktion unterstützt Herrn Lagendijks Bericht, und wir billigen den Ahtisaari-Plan, der eine ausgezeichnete Grundlage ist. Aber nicht die Europäische Union wird über den endgültigen Status des Kosovo entscheiden; für diese Frage ist der Sicherheitsrat zuständig. Wir Sozialdemokraten glauben, dass, sobald der Sicherheitsrat einen Beschluss gefasst hat, der endgültige Status in die Dokumente des Europäischen Parlaments aufgenommen werden muss. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokraten beglückwünschen Herrn Lagendijk, und wir bitten das Hohe Haus, unseren Vorschlag zu unterstützen, die Festlegung des endgültigen Status zu vertagen.

 
  
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  Lapo Pistelli, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Obgleich die Europäische Union nicht die außenpolitischen Befugnisse besitzt, die sich viele von uns für sie wünschen würden, ist unsere heutige Aussprache über das Kosovo von größerer politischer Bedeutung als sie es unter anderen Umständen wäre, vor allem weil die Debatte und die Annahme des Berichts Lagendijk zu einem Zeitpunkt erfolgen, da politisch noch alles im Fluss ist, wo sich die Ereignisse Woche für Woche überschlagen und einzelne Beteiligte noch Einfluss darauf nehmen können. Ich halte es daher für äußerst angebracht, dass das Europäische Parlament morgen eine klare Stellungnahme abgibt – und die Europäische Union sozusagen übermorgen. Wenn möglich, sollte das morgen mit großer Mehrheit im Parlament und in einigen Wochen möglichst einstimmig im Rat geschehen.

Ich finde es interessant, dass die Einschätzungen, die wir bisher von Herrn Lagendijk, vom Rat und von der Kommission gehört haben, weitgehend übereinstimmen. Das halte ich für eine vielversprechende Voraussetzung. Ich möchte kurz auf fünf Punkte zu sprechen kommen. Erstens: Die Zukunft des Balkan und des Kosovo liegt in Europa. Der erste klare Schritt, den wir unternehmen können, um ein bisschen Ruhe in diese Regionen zu bringen, besteht darin, allen – sowohl Serbien als auch dem Kosovo – eine positive Perspektive, nämlich die Integration in die Europäische Union, zu bieten. Das ist ein Ziel, das in ihrem, aber auch sehr in unserem Sinne ist, insbesondere um ein Gebiet, das andernfalls instabil wird, in ein Gebiet dauerhaften Friedens, wirtschaftlicher Entwicklung und multiethnischer Demokratie zu verwandeln.

Zweitens: Es gilt, den institutionellen Schwebezustand zu überwinden, der sich nach 1999 herausgebildet hat, und deshalb müssen wir den Bericht von Martti Ahtisaari und den – hoffentlich einstimmig ausfallenden – Standpunkt, den die Europäer im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten werden, unterstützen.

Drittens: Unabhängigkeit ist das Endergebnis, das die ganze Bevölkerung des Kosovo anstrebt und das auch im Lagendijk-Bericht erwähnt wird, was teilweise auf die von uns eingereichten Änderungsanträge zurückzuführen ist. Vielleicht werden uns die Historiker vorwerfen, dass es ein Fehler war, keine alternativen Optionen vorzusehen. Doch das ist heute eine Realität, die auch der serbischen Führung wohlbewusst ist. Sie muss politisch beruhigt und darf nicht erniedrigt werden. Man muss sich klar machen, dass Serbien in symbolischer Hinsicht das Kosovo nie aufgegeben hat, dass es jedoch zugleich eine Tatsache ist, dass sich das Kosovo seit Jahren außerhalb der serbischen Einflusssphäre befindet.

Schlussendlich muss das Europäische Parlament den Ahtisaari-Plan unterstützen – und ich sage es noch einmal, dies muss einstimmig geschehen –, in der Hoffnung, dass dasselbe auch in einigen Wochen im Rat passiert.

Frau Präsidentin, eine letzte Bemerkung: In der Haushaltsdebatte des Europäischen Parlaments, die wir in wenigen Wochen führen werden, müssen wir für Übereinstimmung zwischen unseren politischen Erklärungen und den Finanzinstrumenten sorgen, die wir bewilligen, um das Kosovo bis zum endgültigen Ergebnis zu begleiten.

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte mich meinen Kollegen anschließen und dem Berichterstatter für die Arbeit an diesem Bericht danken. Wenn wir über den Kosovo sprechen, neigen wir oft dazu, rein theoretisch über ihn nachzudenken, obwohl er die letzte Stütze der äußerst zersplitterten europäischen Region des westlichen Balkans ist. Meines Erachtens ist es unser aller Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass wir so klar wie möglich zum Ausdruck bringen, dass der demokratische Wille der Menschen im Kosovo geachtet wird, dass die Statusfrage geklärt wird und dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht, wenn es um das weitere Vorgehen geht.

Der Fahrplan wurde uns bereits durch den Plan von Herrn Ahtisaari vorgelegt, der sehr klar und prägnant ist, was die Art des Schutzes und die Mechanismen betrifft, die geschaffen werden können, um die Achtung und Wahrung der Rechte der Kosovaren zu gewährleisten. Am wichtigsten ist jedoch, dass auch die Minderheiten im Kosovo geschützt und vertreten sind und nicht Teil eines eigenartigen Staates werden, in dem sie keinen Einfluss nehmen oder keine Rolle spielen können.

Am allerwichtigsten ist jedoch Folgendes: Wenn wir aus der Geschichte irgendetwas gelernt haben – durch das Beispiel der Schaffung der Europäischen Union oder der Konfliktlösung in anderen Gebieten des europäischen Kontinents –, dann das, dass wir nur durch bessere und engere Beziehungen zu unseren Nachbarn das erreichen können, was man gerechten und dauerhaften Frieden nennt. Aus diesem Grund dürfen wir Serbien nicht ignorieren. Auch wenn viele von uns Serbien für seine Taten in der Vergangenheit und vielleicht für seine Unnachgiebigkeit in der Gegenwart kritisiert haben, hegt das Land berechtigte Bedenken, auf die eingegangen werden muss. Ebenso hat die serbische Minderheit im Kosovo Bedenken, die es zu berücksichtigen gilt.

Wir müssen als Garant dieser Rechte fungieren. Wir müssen zeigen, wie sich am besten der Frieden und die Stabilität erreichen lassen, die uns allen für diese Region Europas so sehr am Herzen liegen. Zurzeit gehören 213 irische Soldaten den im Kosovo stationierten KFOR-Truppen an. Sie spielen bei der Schaffung von Frieden und Stabilität eine unschätzbare Rolle. Wie mein Vorredner sagte, sollten wir, wenn wir künftig über den Haushaltsplan der Europäischen Union abstimmen, an den Aspekt der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik denken, da dies ein Bereich ist, in dem wir erfolgreich sind.

 
  
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  Gisela Kallenbach, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Eine einfache Lösung zur Zukunft von Rest-Jugoslawien einschließlich des Kosovo gibt es nicht. Die Lösung wird aber auch nicht einfacher, wenn man die Probleme nur vor sich herschiebt. Im Gegenteil. Daher bin ich froh, dass nach acht Jahren internationaler Verwaltung ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch des UN-Sicherheitsrates liegt. Ich appelliere an Sie, stimmen wir diesem Vorschlag zu, weil er sich mit dem Bericht von Joost Lagendijk im Wesentlichen trifft. Die Kosovaren, gleich welcher ethnischen Herkunft, aber auch die Serben müssen aus dem Zustand der Ungewissheit heraus. Nur dann ist auch die dringend nötige wirtschaftliche Entwicklung als ein Schritt zur europäischen Integration möglich. Jede Verzögerung bei der jetzigen Entscheidung und der folgenden europäischen Integration würde sonst der Region, aber auch der Europäischen Union teuer zu stehen kommen.

 
  
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  Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Unsere Fraktion wird in ihrer überwiegenden Mehrheit gegen diesen Bericht stimmen. Das hat vor allem damit zu tun, dass hier sehr fahrlässig mit dem Völkerrecht umgegangen wird, ähnlich wie dies im Bericht Ahtisaari selbst der Fall ist. Ahtisaari hat vorgeschlagen, dass es so etwas wie ein Nachfolgeprojekt von UNMIK von Seiten der EU geben soll. D. h. UNMIK würde mit anderen Mitteln fortgesetzt, einschließlich der so genannten Kosovo-Treuhandagentur, die im Kosovo vor allem Privatisierungen durchgeführt hat, was vor Ort zu sehr problematischen Verhältnissen geführt hat.

Wir sagen ganz klar: Hier positioniert sich das Europäische Parlament einseitig und konfliktverschärfend. Wir weisen noch einmal auf den vom Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten beschlossenen Punkt 3 hin, in dem es heißt: „vertritt die Auffassung, dass alle Regelungen hinsichtlich des künftigen Status des Kosovo im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssen“. Ich hoffe, dass dieser Satz in diesem Bericht drin bleiben wird. Ich habe gehört, dass es bereits erste Anträge gibt, ihn herauszunehmen. Wir wissen alle, dass die Situation heute im Kosovo mit dem damaligen Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu tun hat, und ich frage immer wieder – ich habe den Kommissar schon einmal gefragt: Was will die Europäische Union tun, wenn Serbien und insbesondere Russland beim „Nein“ bleiben? Darauf habe ich bis heute keine Antwort erhalten, was bedeutet, dass man hier tatsächlich gegen den Willen dieser beiden Staaten vorgehen will. Das macht meine Fraktion in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht mit, und deshalb werden wir gegen diesen Bericht stimmen!

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Herr Lagendijk hat einen ausgewogenen Bericht über die komplizierte Situation im Kosovo vorgelegt, und ein wichtiger Aspekt, der darin angesprochen wurde, betrifft die Staatsbürgerschaft auf der Grundlage des mehrsprachigen und multiethnischen Charakters des Kosovo. Erstaunlicherweise wird in dem vorliegenden Bericht kein Sterbenswörtchen über den genauen Status des Kosovo gesagt, trotz des dazu eingereichten Änderungsantrags 13, den wir unterstützen werden.

Anders verhält es sich mit dem UN-Vermittler Martti Ahtisaari, der gestern dem Sicherheitsrat seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, der eine eindeutige Empfehlung enthielt, nämlich Unabhängigkeit für den Kosovo unter internationaler Aufsicht. Ministerpräsident Kostunica verkündete jedoch letzte Woche, Unabhängigkeit für den Kosovo werde für Serbien nie eine Option sein. Er hofft sogar, Russland werde im Sicherheitsrat ein Veto einlegen. Dieser Wunsch steht der Forderung der albanischen „Bewegung für Selbstbestimmung“ diametral entgegen. Ihr Führer, Albin Kurti, will sich nämlich mit nichts anderem zufrieden geben als der bedingungslosen Unabhängigkeit. Wie auch immer, es besteht die reale Gefahr eines ethnischen Zerfalls und einer regionalen Instabilität.

Die große Herausforderung, die sich für die internationale Gemeinschaft stellt, ist mithin offenkundig: Wie lassen sich regionale Stabilität und multiethnische Staatsbürgerschaft in einem souveränen Kosovo miteinander vereinbaren? Kommissar Rehn sprach in diesem Zusammenhang vergangene Woche von einem wichtigen Prüfstein für die EU. Der Kommission und dem Rat wünsche ich in dieser Hinsicht viel Weisheit, breite Unterstützung und vollen Erfolg.

 
  
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  Alojz Peterle (PPE-DE). – (SL) Mein Lob gilt meinem Kollegen, dem Berichterstatter Lagendijk, der sich in verantwortungsvoller Weise um eine möglichst breite politische Einigkeit in dem Bericht bemüht hat, mit dem das Europäische Parlament seinen Teil der Verantwortung für die Entscheidung über den endgültigen Status des seit 1999 von den Vereinten Nationen verwalteten Kosovo übernimmt. Die bedauerliche Tatsache, dass in den Verhandlungen keine Lösung erreicht werden konnte, macht die Verantwortung der Europäischen Union nur noch größer.

Kosovo, Serbien, Südosteuropa und ganz Europa brauchen Frieden und Stabilität. Die Menschen in dieser Region haben ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft ein Recht auf Frieden und Stabilität. In Anbetracht der Probleme und Spannungen, die sich im Kosovo angestaut haben, sollte der Prozess hinsichtlich des endgültigen Status so verlaufen, dass eine chaotische Entwicklung verhindert wird, die erneut die Würde jeder der ethnischen Identitäten verletzen oder zur Destabilisierung führen oder neue Hemmnisse für eine europäische Zukunft der Länder dieser Region errichten würde.

Der Berichterstatter und jeder von uns fühlt sich durch unsere gemeinsamen Werte und Grundsätze verbunden, insbesondere durch das Abkommen von Thessaloniki für die Länder Südosteuropas, das aus dem Wunsch heraus abgeschlossen wurde, die Ursachen des Konflikts in diesem Teil Europas für immer zu beseitigen. Gemeinsam wirken wir für eine Lösung, die ein Zusammenleben mehrerer ethnischer Gemeinschaften im Kosovo ermöglicht und in kürzester Zeit die Voraussetzungen dafür schafft, dass der Kosovo, der vor sehr großen wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten steht, allmählich den Weg zu Versöhnung, Fortschritt und Wohlstand beschreiten kann.

 
  
  

VORSITZ: MECHTILD ROTHE
Vizepräsidentin

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). – Frau Präsidentin! Wir werden morgen in diesem Haus — ich nehme an, mit einer sehr großen Mehrheit — dem Bericht Lagendijk zustimmen. Es handelt sich dabei aber vor allem um die Zustimmung zur Arbeit von Herrn Ahtisaari und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich glaube, dass die Position, die Herr Ahtisaari vorschlägt, im Wesentlichen der Weg ist, den wir gehen müssen.

Die Frage, die immer wieder gestellt wird, lautet: Unabhängigkeit, ja oder nein? Diese Entscheidung wird von den Vereinten Nationen getroffen, und ich hoffe, sie werden nach allen nötigen Überlegungen die richtige Entscheidung treffen. Wir werden diese Entscheidung voll unterstützen. Das wirklich Wichtige ist aber, wie es nach der Lösung der Statusfrage weitergeht. Die Statusfrage wird für Serbien nicht leicht zu lösen sein — niemand verliert gerne einen wesentlichen Teil seines Territoriums; stellen wir uns das einmal für unser eigenes Land vor.

Die Lösung der Statusfrage wird aber auch nicht die Probleme lösen, die sich für den Kosovo an sich stellen, denn jetzt beginnt erst die Schwierigkeit, ein eigenes, selbständiges Wirtschafts- und Sozialsystem aufzubauen. Die Menschen im Kosovo werden dann fragen: Wo ist jetzt mein Job, wo ist jetzt meine Möglichkeit, Geld zu verdienen, ein Haus zu bauen etc. Und das wird im eigenen Land schwierig genug sein.

Unsere Aufgabe in Europa — und das unterstützt und unterstreicht auch der Bericht über den wir morgen abstimmen — ist es, beiden Seiten zu helfen, diesen schwierigen Prozess vernünftig, mit Anstand, in gegenseitigem Respekt und in Kooperation zu unterstützen. Das ist für uns das Wichtige, auch für die Entscheidung morgen. Wir bekennen uns zu einer klaren Entscheidung in der Statusfrage, wir bekennen uns aber auch dazu, dass wir in Europa — und ganz besonders in diesem Parlament — beide Seiten unterstützen müssen, um sowohl dem Kosovo als auch Serbien eine gute Zukunft zu ermöglichen.

 
  
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  Jelko Kacin (ALDE). – (SL) An diesem Wochenende begingen wir in Rom und in Berlin feierlich den 50. Jahrestag der Römischen Verträge und würdigten eine lange Friedensperiode. Auf dem westlichen Balkan war diese Periode jedoch nicht nur von Frieden gekennzeichnet, sondern auch von äußerst grausamen und verheerenden Kriegen.

Der Völkermord in Srebrenica hat uns alle gelehrt, dass wir eine Wiederholung solch einer menschlichen Katastrophe im Kosovo nicht erlauben oder riskieren können und dürfen. Deshalb haben wir rechtzeitig vor acht Jahren Vorkehrungen durch militärische Intervention getroffen. Zu jener Zeit bestand auch die Gefahr eines Vetos in den Vereinten Nationen; dennoch ist es uns gelungen zu handeln. Heute befindet sich der Kosovo noch immer nur auf halbem Wege, ohne Status, ohne internationale Finanzierung und ohne einen effektiv funktionierenden Rechtsstaat. Nur ein Staat kann und muss die Grundlage und den Rahmen für eine wirtschaftliche Erholung, für in- und ausländische Investitionen und für die so dringend benötigten Arbeitsplätze sicherstellen. Nur ein Staat kann Mitglied der Europäischen Union werden.

Verzögerungen in diesem Prozess der Entscheidung über den Status könnten die prekäre Lage verschärfen und die konstruktiven Prozesse der Stabilisierung der Region, der Förderung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit zwischen den Nachbarn und ihrer Einigung mit dem Ziel der Entwicklung der Zusammenarbeit mit anderen Ländern der Europäischen Union und der Übernahme unserer Modelle für ihr Umfeld verlangsamen. Die durch die Bemühungen von Martti Ahtisaari entstandene Dynamik bei der Festlegung des Status des Kosovo hilft uns jedoch, den Bewohnern dieser Region mehr Hoffnung zu geben und ihnen auch den Geist und die Methoden der Europäischen Union nahezubringen.

Es geht uns hier um ihre Zukunft, ihr Zusammenleben und ihr Wohlergehen. Daher denke ich, dass Politiker im benachbarten Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien sowie auch in Kroatien und Bosnien zusätzlich motiviert werden, sich der Europäischen Union weiter anzunähern.

 
  
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  Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Vielen Dank, Frau Präsidentin! In dem Bericht, über den wir gesprochen haben, hat das Europäische Parlament zu der schwierigen Frage Stellung genommen, wie die Zukunft des Kosovo aussehen soll. Die Region liegt im Herzen Europas, und deshalb muss Europa bei der Gestaltung ihrer Zukunft auch eine aktive Rolle spielen. Wir können die im Bericht genannten Maßnahmen jedoch nicht einfach ohne die Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat umsetzen, und die wird ohne die Zustimmung Russlands nicht zu haben sein.

In ihren Beziehungen zum Westen ist das Kosovo für die Russen eine nützliche Trumpfkarte, die sie in den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ausspielen können.

Außerdem sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass mit der Gewährung der Unabhängigkeit für das Kosovo ein Präzedenzfall geschaffen wird, auf den sich Russland in den Verhandlungen über andere Regionen wie Abchasien, Transnistrien oder Südossetien berufen könnte. Wir müssen deshalb nachdrücklich unterstreichen, dass das Kosovo ein Einzelfall ist und eine Ausnahme darstellt und Russland diese Region nicht als Instrument benutzen darf, um seine Position als Supermacht wiederherzustellen.

 
  
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  Erik Meijer (GUE/NGL). – (NL) Frau Präsidentin! Der Kosovo war der Spaltpilz im ehemaligen Jugoslawien. Noch bevor Slowenien und Kroatien die Unabhängigkeit erlangten, hatten sich die Bewohner des Kosovo mental von Serbien gelöst. Schon damals haben sie ihre Selbstverwaltung und ihr eigenes Bildungssystem aufgebaut sowie alle staatlichen Institutionen boykottiert. Sie verlangten internationale Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, mussten sich aber stattdessen mit Krieg und erneuter Besatzung abfinden.

Seit 1999 sind an die Stelle serbischer Soldaten und Beamter andere Kolonisatoren getreten. Die Bewohner des Kosovo wollen nur eines: Selbstbestimmung – Vetevendosje –, wie aus den Graffiti an jeder Wand zu ersehen ist. Eine Fortsetzung der gegenwärtigen zwielichtigen Situation wird Stagnation und Kriminalität fördern. Die Zwangsrückkehr zu Serbien wird am Ende unausweichlich entweder zu einem Krieg oder zu zwei Millionen Flüchtlingen führen. Eine solche Perspektive ist schlimmer als eine weitere Verletzung des Völkerrechts, nach dem ohne Einvernehmen eine Trennung nicht zulässig ist.

Auch für die Zukunft Serbiens wäre es besser, wenn es von dem nationalistischen Prestigekampf um den Kosovo endlich befreit sein würde. Alle wissen, dass es letztlich keine andere Lösung als einen unabhängigen Kosovo gibt, niemand aber wagt als Erster die Verantwortung dafür zu übernehmen. Leider wird die Umsetzung des abgeschwächten Ahtisaari-Vorschlags dadurch erheblich verzögert.

 
  
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  Doris Pack (PPE-DE). – Frau Vorsitzende, liebe Kollegen! Herzlichen Glückwunsch an Herrn Lagendijk! Ich müsste eigentlich gar nicht reden und könnte mich Ihnen einfach anschließen, wie auch Johannes und Frau Kallenbach. Aber dennoch.

Eines möchte ich vorausschicken: Nach solchen Debatten wird man draußen, vor allen Dingen in der Region, sehr schnell verdächtigt, man sei anti-serbisch oder pro-albanisch. Ich möchte mich dagegen verwahren. Wir versuchen wirklich seit Jahren, den Menschen in Serbien und im Kosovo zu einer friedlichen und prosperierenden Zukunft zu verhelfen. Die Voraussetzungen dazu sind schwierig und der Lösungsvorschlag von Herrn Ahtisaari ermöglicht es, dass die Menschen endlich die vergiftete Vergangenheit von Milošević hinter sich lassen können. Ob das dann gerecht sein kann, lieber Herr Tabajdi, das weiß ich nicht. Gerechte Lösungen sind ganz schwer zu erzielen. Aber ich kenne keine andere Möglichkeit als die, die jetzt vorgeschlagen wurde.

Richtige Verhandlungen sind zwischen Serben und Albanern ja nicht geführt worden. Die extremen Vorstellungen lagen so weit auseinander, dass nie verhandelt wurde. Daher wäre eine Verlängerung der Prozedur überhaupt nicht im Sinne des Erfinders. Ich verstehe auch, dass keine serbische Regierung jemals den Verlust des Kosovo unterschreiben wird. Aber wenn die serbischen Politiker ehrlich sind – manche sind es ja, wenn man mit ihnen redet – dann wissen sie auch, dass mit dem Kosovo in ihrem Staatsgebiet keine friedliche Zukunft möglich sein wird. Und diese friedliche Zukunft verdienen die Menschen in Serbien und im Kosovo, vor allem die jungen Menschen. Die Politiker müssten sich auch einmal fragen, wer in Serbien denn tatsächlich die Folgen des Verbleibs des Kosovo in Serbien tragen will, die finanziellen und sämtliche politischen Folgen. Die Albaner müssen den Serben, die in ihrer Heimat im Kosovo leben möchten, all dies ermöglichen, einschließlich ihrer Rückkehr.

Der Plan Ahtisaari ist für mich die einzige Grundlage für eine friedliche Koexistenz. Leider geraten bei den Diskussionen, auch heute wieder, häufig die Jahre des Apartheid-Regimes von 1989-1998 außer Betracht. Das habe ich z. B. bei Herrn Pflüger bemerkt. Ich denke, nicht der Nato-Angriff war der Anfang, sondern die Aufhebung des Autonomiestatuts. Der Sicherheitsrat wäre wirklich gut beraten, den Knoten endlich so schnell durchzuschlagen, dass wir weiterarbeiten und sowohl Serben als auch Albanern auf ihrem friedlichen Weg in die Europäische Union helfen können.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma (PSE). – (NL) Frau Präsidentin! Selbstredend möchte auch ich den Kollegen Lagendijk zu seinem Bericht beglückwünschen, wenngleich wir nicht in allen Einzelheiten miteinander übereinstimmen.

Als Fraktion begrüßen wir natürlich die von dem Unterhändler Martti Ahtesaari am Montag dieser Woche in New York vorgelegten Vorschläge. Das kommt auch in dem Bericht deutlich zum Ausdruck, über den wir morgen abstimmen werden. In dieser Hinsicht unterstützt unsere Fraktion den Bericht in seiner jetzigen Fassung. Diese Vorschläge finden, wie auf dieser Rednertribüne erklärt wurde, gleichermaßen die Zustimmung des Rates und der Kommission.

Nach unserem Dafürhalten kommt es jetzt allerdings vor allem darauf an, dass der Sicherheitsrat eine Entscheidung über den Status des Kosovo trifft. Dies sollte ohne unnötige Verzögerungen erfolgen, damit die Unsicherheit im Kosovo rasch beendet werden kann und sich sowohl die Kosovaren als auch die Serben auf ihre Zukunft in Europa konzentrieren können.

Es ist jedoch nicht Sache der Europäischen Union, zum jetzigen Zeitpunkt dazu Stellung zu beziehen. Infolgedessen sehen wir es nicht als ihre Aufgabe an, dem Endergebnis des Sicherheitsrats in der Statusfrage vorzugreifen. Der Interimsstatus des Kosovo beruht auf einer Resolution des Sicherheitsrats, und Gleiches sollte für seinen endgültigen Status gelten. Da dies von eminenter Wichtigkeit für die internationale Legitimität dieser Entscheidung ist, haben wir die Änderungsanträge von Herrn Posselt abgelehnt.

Nicht minder wichtig ist dies im Hinblick auf die interne Legitimität der Statusentscheidung. Für die Union beginnt die eigentliche Arbeit tatsächlich erst nach der Entscheidung in New York. Der EU wird eine wesentliche Rolle bei der Überwachung der Durchführung der Statusregelung zufallen. Darauf muss die Union gründlich vorbereitet sein, vor allem aber muss sie von vorneherein vermeiden, zwischen die Fronten beider Seiten zu geraten; nicht zuletzt aus diesem Grund wird meine Fraktion morgen gegen den Änderungsantrag stimmen, durch den der Status bereits näher bestimmt wird, ohne dass in New York eine Debatte darüber stattgefunden hat.

In dieser Hinsicht schließen wir uns der vom Vorsitz, aber auch von der Kommission zum Ausdruck gebrachten Linie an, die beide heute Nachmittag mit keinem Wort von einer präzisen Festlegung gesprochen haben.

 
  
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  Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! In der Aussprache über das Kosovo ist ein für die internationalen Beziehungen überaus wichtiger Punkt zur Sprache gekommen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren verletzt die internationale Gemeinschaft die territoriale Integrität eines europäischen Landes. Zwar gibt es keine Pläne, dieser neuen politischen Einheit Unabhängigkeit zu gewähren, doch wird dieser neue Quasistaat seine eigene Hymne, seine eigene Flagge und eine Miniarmee haben. Er wird zudem auf unbestimmte Zeit der internationalen Kontrolle unterliegen.

Mit diesem neuartigen Ansatz bei der Einmischung der internationalen Gemeinschaft in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates wird ein Präzedenzfall geschaffen, und die internationale Gemeinschaft könnte künftig versucht sein, Einfluss auf die inneren Angelegenheiten von Ländern mit weit geringeren Problemen zu nehmen.

Die einzig vernünftige Lösung besteht darin, das Kosovo formal im Rahmen der Serbischen Republik zu belassen und ihm eine größere Autonomie zu gewähren, während gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, um die Integration der Region in die Europäische Union zu beschleunigen. In einem unabhängigen Kosovo wird es nach wie vor eine bedeutende serbische Minderheit geben, die das Land destabilisieren wird.

 
  
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  Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Die Lage im Kosovo, Folge und Ergebnis interventionistischer Politiken, ist ein weiteres Problem, das im Rahmen der Vereinten Nationen gelöst werden muss. Der Ahtisaari-Vorschlag, den der von uns diskutierte Bericht im Wesentlichen befürwortet, steht jedoch im Widerspruch zu völkerrechtlichen Grundprinzipien und zur Charta der Vereinten Nationen an sich. Er sieht vor, die Grenzen neu zu ziehen, und verfälscht die Geschichte der Region zu Lasten der serbischen Gemeinschaft.

Vor allem aber propagiert der Ahtisaari-Vorschlag die Schaffung eines unabhängigen Staates, jedenfalls in dem Maße, wie er dies bei einer so starken militärischen Präsenz der NATO und der Umsetzung der europäischen Sicherheitspolitik sein kann. Ich fürchte, er wird eher als Protektorat funktionieren denn als unabhängiger Staat.

Wir sind und werden auch weiterhin für die Selbstbestimmung der Nationen sein, nicht aber dann, wenn dabei willkürlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Es sei nur daran erinnert, dass nach dem Entkolonialisierungsprozess und vor dem Zusammenbruch Jugoslawiens eine Loslösung von der internationalen Gemeinschaft – und zwar aus ganz besonderen Gründen – einzig und allein im Falle Bangladeshs und Pakistans anerkannt worden ist, und es sei davor gewarnt, dass mit der Unabhängigkeit des Kosovo die Büchse der Pandora geöffnet und jegliche sezessionistische Bewegung gestärkt würde.

 
  
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  Francisco José Millán Mon (PPE-DE).(ES) Frau Präsidentin! Die Kosovo-Frage ist eine komplizierte Angelegenheit und hat viele Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen; sie hat Auswirkungen auf die Grundprinzipien, die das Funktionieren der internationalen Gemeinschaft regeln. Daher ist es bei dieser Frage notwendig, vorsichtig zu agieren, den größtmöglichen Konsens zu suchen und das Völkerrecht zu beachten.

Der Kosovo ist auch ein Ausnahmefall. Dies wurde durch den Sondergesandten der Vereinten Nationen und die große Mehrheit der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Angesichts seines Ausnahmecharakters schafft die Lösung keinen Präzedenzfall für andere mögliche Fälle in Europa: so heißt es im Text des Entschließungsantrags, über den wir morgen abstimmen werden.

Wie die Kontaktgruppe in ihren Schlussfolgerungen von Januar 2006 feststellte, ist der spezifische Charakter des Kosovoproblems unter anderem auf die Auflösung Jugoslawiens und die daraus entstandenen Konflikte, die ethnischen Säuberungen und die Ereignisse von 1999, unter denen ich die militärische Intervention der NATO im gleichen Jahr hervorheben würde, zurückzuführen. Ein weiteres Element, das dem Fall des Kosovo Ausnahmecharakter verleiht, ist der lange Zeitraum internationaler Verwaltung gemäß der Resolution 1244.

Frau Präsidentin, ich wäre froh, wenn Herr Ahtisaari eine Lösung erreicht hätte, die die Zustimmung der beiden betroffenen Seiten, Serbiens und des Kosovo, gefunden hätte. Bei so sensiblen Themen, die Grundprinzipien betreffen, und in einer Region, die einen langen Zeitraum von Konflikten und Instabilität durchlebt hat, wäre eine für beide Seiten annehmbare Verhandlungslösung das Beste gewesen. Aber leider ist es in den Verhandlungen im Jahr 2006 und Anfang 2007 nicht gelungen, die unterschiedlichen Positionen anzunähern.

Nun muss der Sicherheitsrat den Vorschlag von Herrn Ahtisaari diskutieren und auf dieser Grundlage die entsprechenden Beschlüsse fassen. Natürlich haben weder das Europäische Parlament noch irgendeine andere Institution die Zuständigkeit, über den endgültigen Status des Territoriums zu entscheiden; dieser muss durch den Sicherheitsrat beschlossen werden, der die Resolution 1244 angenommen hatte. Ich würde es begrüßen, wenn der Sicherheitsrat noch versuchen könnte, innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Einigung zwischen den Beteiligten zu erreichen.

Auf jeden Fall hoffe ich, dass die Mitglieder des Rates und insbesondere seine ständigen Mitglieder in einem so entscheidenden Moment eine konstruktive Haltung einnehmen, wie wir in dem morgen zur Abstimmung stehenden Text fordern.

 
  
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  Adrian Severin (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Immer wenn wir für die Bewältigung einer Krise eine gerechte, machbare und nachhaltige Lösung finden, möchten wir damit einen Präzedenzfall schaffen. Der Grund dafür, dass wir nicht möchten, dass unsere Lösung für den Kosovo zu einem Präzedenzfall wird, besteht darin, dass wir zugeben, dass diese Lösung unglücklich oder zumindest unklug ist. Und zu glauben, dass sie niemand als Präzedenzfall ansehen wird, ist reines Wunschdenken. Daher müssen wir Möglichkeiten finden, die daraus erwachsenden Risiken abzuschwächen.

Hierzu könnten vier Vorschläge in Betracht gezogen werden. Erstens könnte akzeptiert und konstatiert werden, dass die Lösung für den Kosovo auf dem Grundsatz der regionalen Sicherheit basiert und diesen respektieren sollte. Zweitens könnte vereinbart werden, dass der Kosovo innerhalb der Europäischen Union erst dann unabhängig werden kann, wenn er die Kriterien für die Mitgliedschaft erfüllt hat. Drittens könnte Serbien sofort ein klarer EU-Beitrittsplan vorgelegt werden, der keine Bedingungen enthält. Und viertens könnte eine internationale Konferenz zum westlichen Balkan einberufen werden, um die Lösung für den Kosovo in eine Paketlösung für die Region zu integrieren.

Ohne ein Konzept, das über die Grenzen des Kosovo und die Gegenwart hinausgeht, könnten uns die Auswirkungen dieses Plans um die Ohren fliegen.

 
  
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  Ioannis Kasoulides (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Der Berichterstatter, Herr Lagendijk, und unser Schattenberichterstatter, Herr Posselt, haben sicherlich hervorragende Arbeit geleistet. Ich werde allerdings aus Gründen des Prinzips nicht für diesen Bericht stimmen. Meines Erachtens muss ein Konflikt dieser Art durch von beiden Seiten ausgehandelte Lösungen und nicht durch einseitige oder von außen aufgezwungene Maßnahmen beigelegt werden. Eine dauerhafte Lösung erfordert den Willen derer, die sie umsetzen werden.

Ich kann die Idee eines unabhängigen Staates mit eingeschränkter Souveränität nicht akzeptieren. Ein unabhängiges Land ist völlig souverän, ansonsten stimmt etwas mit seiner Unabhängigkeit nicht.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass das einzige realistische Ergebnis für den Kosovo weder in der Rückkehr zur serbischen Souveränität, noch in der Teilung oder einer Union mit einem anderen Land bestehen kann. Die Verhandlungen haben vielleicht sehr lange gedauert, aber der Bericht von Herrn Ahtisaari wurde erst vor wenigen Wochen veröffentlicht. Warum kommen wir so schnell zu dem Schluss, dass die Parteien nicht von ihren Standpunkten abweichen werden? Wir sollten sie dazu ermutigen zu verstehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als auf der Grundlage dieses Berichts innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens zu verhandeln.

Der Kommissar sagte, dass eine Verpflichtung gegenüber Serbien als diplomatisches Instrument dienen kann, um Belgrad darin zu unterstützen, seinen Standpunkt in Richtung der Vorschläge von Herrn Ahtisaari zu ändern. Meines Erachtens stellt Geduld eine Tugend dar, die in der internationalen Diplomatie eine große Rolle spielt.

 
  
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  Józef Pinior (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Eine Lösung für den Status des Kosovo zu finden, ist ein guter Test für die im Entstehen begriffene Außenpolitik der Europäischen Union.

Erstens sollten wir den Bemühungen und dem Plan von Martti Ahtisaari, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für den Prozess der Festlegung des künftigen Status des Kosovo, Anerkennung zollen.

Zweitens unterstreicht das Europäische Parlament, dass alle Regelungen, die den künftigen Status des Kosovo betreffen, mit den demokratisch geäußerten Wünschen der Einwohner des Kosovo in Einklang stehen und dass die Menschenrechte und das Völkerrecht geachtet werden müssen.

Drittens muss die Frage des Kosovo im größeren Zusammenhang der Lage auf dem Bałkan gesehen werden.

Zu einem Zeitpunkt, da wir den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begehen, möchte ich vor allem die politische Verantwortung der Europäischen Union betonen, wenn es darum geht, Serbien den Weg in eine künftige Mitgliedschaft in der Union zu öffnen und die Bedingungen hierfür festzulegen. Die Europäische Union muss eine historische Rolle bei der Förderung von Demokratie und Wohlstand für alle Völker des westlichen Balkans spielen.

 
  
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  Peter Šťastný (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich davon überzeugt bin, dass bei unseren gemeinsamen Bemühungen, die serbische Seite zur Unterstützung der endgültigen Lösung zu bewegen, noch nicht alles versucht wurde, begrüße ich den Bericht Lagendijk, weil in ihm betont wird, wie wichtig es ist, die Zustimmung beider beteiligten Parteien zu erhalten.

Ich weiß, dass wir die Menschen im Kosovo nicht viel länger in der Luft hängen lassen können, da sie an jedem Tag, an dem die Verhandlungen verlängert werden, einen sehr hohen Preis zahlen. Wir müssen jedoch unbedingt die Lehren der Geschichte im Hinterkopf behalten: Was passiert, wenn Dritte die Lösung für einen Konflikt zwischen zwei Ländern beschließen, ohne die eindeutige Zustimmung der primär Betroffenen einzuholen? In genau diese Richtung geht der Bericht von Herrn Ahtisaari, in dem die Unterstützung Serbiens schmerzlich vermisst wird.

Momentan sieht es so aus, als seien alle Entscheidungen getroffen und der Kosovo hätte bald einen eigenen Status. Aber wenn uns wirklich an dauerhaftem Frieden und Wohlstand auf dem westlichen Balkan gelegen ist, müssen wir Belgrad weiterhin dazu animieren, oberhalb der gestrichelten Linie zu unterschreiben. Wir verfügen über die Mittel der EU und die globalen Einrichtungen, um ein solches Ziel zu erreichen. Ich hoffe noch immer auf das Beste und werde daher für den Bericht Lagendijk stimmen, räume aber zugleich ein, dass nach der Bekanntgabe des endgültigen Status des Kosovo die Arbeit aller Beteiligten nicht aufhören darf. Je eher wir Serbien dazu bringen, die Lösung zu akzeptieren, desto besser wird dies für den Balkan und ganz Europa sein.

 
  
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  Monika Beňová (PSE).(SK) Wie meine Kolleginnen und Kollegen möchte auch ich die Arbeit der Berichterstatterin und des Schattenberichterstatters, Herrn Dr. Csaba Tabajdi, würdigen. Ich denke, dass wir uns diesem Thema im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und während der Zusammenkunft mit den Vertretern aus Priština und Belgrad erschöpfend gewidmet haben. Nun ist es Aufgabe des UN-Sicherheitsrates, den Status und insbesondere die Zukunft der heute im Kosovo lebenden Menschen zu bestimmen. Diese Entscheidung wird gleiche Auswirkungen auf Serben und Kosovo-Albaner haben. Sie wird auch Christen und Muslime gleichermaßen beeinflussen und sich auf die Lebensqualität der Menschen auswirken.

Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments bedauere ich sehr, dass wir Serbien dazu gebracht haben, sich auf Russland zu verlassen und die russische Karte als Trumpf auszuspielen, um seine Interessen im UN-Sicherheitsrat zu vertreten. Würde morgen über diesen Bericht abgestimmt werden, würden die Abgeordneten meiner Ansicht nach die Änderungsvorschläge wohl nicht unterstützen, die auf dramatische Art und Weise die Legitimität beider Parteien untergraben. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass dieses hohe Haus nur solche Vorschläge befürwortet, die für die gleiche und gerechte Behandlung beider Seiten sorgen.

 
  
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  Olli Rehn, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte Ihnen für diese sehr inhaltsreiche und verantwortungsvolle Aussprache danken. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Bericht – und ich vertraue Ihrer morgigen Abstimmung – die europäische Einheit noch weiter stärken wird, um den Prozess zur endgültigen Regelung des Status des Kosovo zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Mit der Vorlage von Präsident Ahtisaaris Vorschlag beim UNO-Sicherheitsrat tritt der Prozess nun in seine entscheidende Phase ein. Ich bin davon überzeugt, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung nachkommen wird, und hoffe, dass er den Vorschlag rechtzeitig billigen wird.

Dann kommt die für alle Beteiligten schwierigste Phase, die der Umsetzung des Status, die, wie heute hier bereits gesagt wurde, eine echte Bewährungsprobe für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU darstellt. Daher weiß ich die Unterstützung sehr zu schätzen, die das Parlament und der Berichterstatter für den Kosovo, Herr Lagendijk, dieser unserer gemeinsamen Aufgabe zukommen lassen.

Abschließend sei gesagt, dass ich froh bin, dass alle drei Organe der Meinung sind, dass europäische Einheit und eine Führungsrolle der EU nach wie vor erforderlich sind, um eine dauerhafte Einigung zu erzielen, die zu einem demokratischen und multiethnischen Kosovo führt und anhaltende Stabilität in der Region gewährleistet. Gleichzeitig bieten wir Serbien eine greifbare europäische Perspektive, die ihm dabei helfen sollte, die nationalistische Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich einer europäischen Zukunft zuzuwenden.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen, um 11.00 Uhr, statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Marianne Mikko (PSE) , schriftlich. – (ET) Über einen Zeitraum von acht Jahren hat sich die internationale Gemeinschaft davon überzeugt, dass die Unabhängigkeit für den Kosovo das beste Mittel zur Sicherung der Stabilität in der Region ist. Der UN-Sondergesandte Ahtisaari hat einen Bericht vorgelegt, in dem empfohlen wird, dem Kosovo alle Elemente der Unabhängigkeit zu gewähren, ohne dass das Wort Unabhängigkeit per se verwendet wird.

Der von Kollege Joost Lagendijk vorbereitete Bericht wiederholt alle bekannten Fakten und unterstützt die Empfehlung Ahtisaaris als Grundlage für die Regelung des Status des Kosovo. Ich möchte jedoch fragen, ob Systematisierung und Umschreibung der einzige Mehrwert sind, den das Parlament anbieten kann.

In dem Vorschlag für einen Änderungsantrag, zu dessen Autoren Herr Lagendijk selbst gehört, wurde empfohlen, den Bericht um den Begriff der überwachten Souveränität zu ergänzen, was tatsächlich der Kern des Berichts ist. Dies ist die Art von Klarheit, die von uns erwartet wird.

Das häufigste Argument gegen den Vorschlag für einen Änderungsantrag ist Furcht vor Russlands Unmut. Mehrere Monate lang hat Moskau Warnungen von sich gegeben, dass die Unabhängigkeit für den Kosovo einen Präzedenzfall schaffen wird, auf dessen Grundlage Transnistrien, Abchasien und Ossetien ebenfalls die Unabhängigkeit anstreben könnten.

Der Kreml ist sich aber durchaus bewusst, dass kein rechtlicher Präzedenzfall entstehen kann. Der Kosovo ist das einzige Territorium, auf dem die Vereinten Nationen ein für die Empfehlung der Unabhängigkeit ausreichendes Mandat haben. Als ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats garantierte Russland am 10. Juni 1999 seine Zustimmung zur Unabhängigkeit für den Kosovo.

Russland will einfach nur ein Schrumpfen seines Einflussbereichs in Europa verhindern. Ich bezweifle, dass Russland bereit sein wird, die Verantwortung für ein erneutes Ausbrechen des Blutvergießens im Kosovo zu übernehmen, zu dem es kommen könnte, wenn keine Unabhängigkeit gewährt wird.

Unser äußerstes Ziel ist es, Leid zu verhindern sowie Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten. Dies erfordert bisweilen Mut.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL). – (EL) Mit der Annahme des Berichts Ahtisaari über die Errichtung eines „unabhängigen“ Protektorats des Kosovo unter der Besatzung Europas und der NATO schaffen die Europäische Union und das Europäische Parlament vor den Augen der Welt die vollendete Tatsache einer Sezession und eines neuen Staates. Das untergräbt und verstößt gegen alle Abkommen und Grundsätze der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, die seit dem Zweiten Weltkrieg geschlossen bzw. aufgestellt wurden. Der Bericht, der von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten, den Liberalen und den Sozialdemokraten unterstützt wurde, spricht sich für die Neufestlegung der Grenzen auf dem Balkan aus, verlängert die Präsenz der militärischen Besatzungstruppen Europas und der NATO und erpresst Serbien in eklatanter Weise, während er zugleich die serbische Gemeinschaft im Kosovo sowie Serbien selbst mit provokativer Unverschämtheit kriminalisiert und aburteilt. Er öffnet die Büchse der Pandora und verschärft damit nationale Widersprüche und Konflikte im gesamten Balkanraum, schürt sezessionistische Bewegungen und versucht, die Präsenz der Besatzungstruppen Europas und der NATO in der Region durchzusetzen und zu legitimieren.

Jetzt erkennen wir die wahren Ziele des verbrecherischen Krieges, den die NATO unter Beteiligung der EU und der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten, sowohl der Mitte-Links-Regierungen als auch der Mitte-Rechts-Regierungen, einschließlich der damaligen PASOK-Regierung in Griechenland, gegen Jugoslawien geführt hat, eine Politik, die heute mit der gleichen Kontinuität von der Nea Dimokratia fortgesetzt wird, was das Bestreben der beiden Parteien in dem Zwei-Parteien-Staat unterstreicht, sich an den verbrecherischen imperialistischen Plänen, die die EU, die NATO und die Vereinigten Staaten in der Region und auf der ganzen Welt verfolgen, zu beteiligen und sie unterstützen.

 

15. Ausführungen von einer Minute zu wichtigen politischen Fragen
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgen die Ausführungen von einer Minute nach Artikel 144 der Geschäftsordnung.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE).(SK) Es gibt in der Geschichte fast jeder Nation magere Jahre, die durch Naturereignisse oder soziale Geschehnisse verursacht wurden. Dessen ungeachtet war die Hungersnot, die die Ukraine in den Jahren 1932 und 1933 heimsuchte, ein außergewöhnliches Phänomen. Millionen ukrainischer Bauern starben im Ergebnis einer vorsätzlichen Politik, die darauf abzielte, die Bevölkerung mittels einer Verhungerungstaktik zu terrorisieren. Dieses barbarische Verbrechen eines totalitären Regimes in der ehemaligen Sowjetunion, das an Millionen von unschuldigen ukrainischen Bürgern verübt wurde, gehörte zu einer der grausamsten Gewalttaten des 20. Jahrhunderts in Europa.

Ich schätze die gemeinsame Verpflichtung aller führenden ukrainischen Politiker, historische Gerechtigkeit (wieder)herzustellen und Licht in eine Vergangenheit zu bringen, über die für so viele Jahre der Mantel des Schweigens ausgebreitet wurde. In früheren Jahren hätte jeder Versuch, die totalitären Praktiken des unantastbaren Stalin zu verurteilen, mindestens zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe – wie im Falle meines Vaters, der neun Höllenjahre im Gulag überstand – oder sogar zum sofortigen Tod geführt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die verheerenden Bilder, die derzeit in der Ausstellung zur Hungersnot gezeigt werden, welche im Europäischen Parlament in Anwesenheit von Viktor Janukowitsch feierlich eröffnet wurde, muss uns dazu ermutigen, die furchtbaren Verbrechen des Stalinismus, die in der ehemaligen Sowjetunion verübt wurden, entschieden zu verurteilen. Im Europäischen Parlament verleihen wir unserer Solidarität mit dem ukrainischen Volk Ausdruck, indem wir die Hungersnot als Genozid begreifen. In einer schriftlichen Erklärung (Erklärung 4/2007), welche der Großteil der Abgeordneten bis zum 15. April unterzeichnet haben wird, werden wir dies noch bekräftigen.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). – Frau Präsidentin! Ich hatte auch den Eindruck, dass Herr Evans und Frau Gil in ihrem Enthusiasmus für ihre Fraktionsvorsitzenden kaum zu bremsen sind.

Ich möchte Sie und die Kollegen dieses Hauses auf einen Vorgang aufmerksam machen, der höchst bedenklich ist und uns große Sorgen bereitet. Seit einigen Monaten erleben wir in der Europäischen Union in zunehmendem Maße Attacken auf Journalisten. Es geht hier sehr präzise um eine Entwicklung in Bulgarien, die repräsentativ ist für eine Reihe von Entwicklungen, die uns Sorgen bereiten. In Bulgarien sind Journalisten, die sich kritisch gegenüber einer Partei der extremen Rechten, die auch in diesem Haus vertreten ist, geäußert haben, von Vertretern dieser Partei physisch, psychisch und materiell bedroht worden. Es handelt sich wie gesagt um eine Partei, die auch in diesem Haus vertreten ist, und wir sind gut beraten und aufgerufen, darauf aufmerksam zu machen, dass die zunehmende Aggressivität gegen Journalisten, deren Meinungsäußerungen bestimmten politischen Kräften nicht gefallen, eben nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Europäischen Union stattfindet. Ich erbitte die Aufmerksamkeit für den Schutz, die Unabhängigkeit und Unversehrtheit von Journalisten!

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE).(EN) Frau Präsidentin! Gestern war der 200. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei. Diese brutale Praxis stand in Zusammenhang mit der weltweiten Kolonialisierung, die vor allem die europäischen Länder betrieben. Die Sklaverei wurde zwar abgeschafft, aber die Kolonialisierung gibt es noch immer. Zwei EU-Mitgliedstaaten, Großbritannien und Frankreich, besitzen nach wie vor Kolonien. Großbritannien hat 14 Kolonien und Frankreich noch viel mehr. Die britischen Kolonien, mit Ausnahme der Britischen Antarktis, erstrecken sich auf eine Gesamtfläche von 50 000 km2 mit 250 000 Einwohnern. Die französischen Kolonien befinden sich auf einer Gesamtfläche von 123 000 km2 und haben 2,5 Millionen Einwohner. Obwohl die politischen und Menschenrechte der Bürger dieser Kolonien erheblich verletzt werden, verschließen die Organe der EU davor ihre Augen.

Das Europäische Parlament bildet da keine Ausnahme. In keinem der vom Parlament im Laufe der Jahre verabschiedeten Menschenrechtsberichte wird die Kolonialisierung auch nur im Geringsten erwähnt, und Versuche einzelner Abgeordneter, das Thema zur Sprache zu bringen, stoßen auf uneingeschränkte Ablehnung. Wie merkwürdig, oder sollte ich sagen, wie heuchlerisch? Wir verurteilen die Menschenrechtsverletzungen jedes Landes in der Welt, außer wenn sie unsere eigenen Mitgliedstaaten betreffen. Ist es das, worum es bei der EU geht? Was für eine Schande!

 
  
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  Hanna Foltyn-Kubicka (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Wie oft das Europäische Parlament, die anderen Institutionen der Gemeinschaft oder der Europarat Belarus schon aufgefordert haben, Maßnahmen zu unterlassen, die die Grundrechte seiner Bürger verletzen, lässt sich nicht an einer Hand abzählen.

Wie das Lukaschenko-Regime auf alle Appelle aus Europa reagiert, haben ja die Ereignisse am letzten Sonntag gezeigt, als der Tag der Freiheit zum Vorwand genommen wurde, um die Menschen in Belarus daran zu erinnern, dass sie in Unfreiheit leben. Tränengas, Gummiknüppel und Wasserwerfer sind die Antwort der Tyrannen auf den Wunsch des Volkes nach Brot und Freiheit. Wir können nicht zulassen, dass ein Mann sich über ganz Europa lustig macht und sein autoritäres Regime direkt unter unseren Augen ungestraft weiterführt.

Als Vertreter eines vereinten Europas müssen wir uns weiter für ein freies Belarus einsetzen. Auch sollten wir uns fragen, ob die bisher eingesetzten Mittel ausreichend sind, ob wir die Einhaltung unserer Forderungen an die Behörden dieses Landes nicht nachdrücklicher kontrollieren und die dortige demokratische Opposition nicht wirksamer und offener unterstützen sollten.

 
  
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  Věra Flasarová (GUE/NGL)(CS) Ein wichtiger Bestandteil der Strategie der EU ist die Chancengleichheit für Männer und Frauen. Die Bevölkerung wird nicht in allen Mitgliedstaaten regelmäßig über die Bedeutung der Geschlechtergleichstellung informiert.

Die als Teil des Programms EQUAL geschaffene geplante Partnerschaft hat die Initiative für den Gender Equality Day, den Tag der Gleichstellung der Geschlechter, ergriffen, der bereits in einigen Mitgliedstaaten am 19. Juni stattfindet. Das Ziel ist, die Achtung vor der Geschlechtergleichstellung herzustellen, ein positives Bild der Partnerschaft zwischen Mann und Frau zu zeichnen und die Öffentlichkeit für die Wichtigkeit des Themas zu sensibilisieren.

Der Gender Equality Day richtet sich auch an Männer, da ja auch Männer unter Diskriminierung leiden und angegriffen werden können. Dieser internationale Tag ist ein Zeichen der Anerkennung für die langjährigen Bemühungen der Frauenrechtlerinnen und stärkt die politische, wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Frauen. Er fördert darüber hinaus die Chancengleichheit für beide Geschlechter.

Der 19. Juni ist im Kalender nicht weit weg vom Vatertag und bietet somit Gelegenheit, um unser gemeinsames Interesse hinsichtlich der Rolle der Väter bei der Kinderbetreuung und in der Familie zu betonen. Ich denke daher, dass dieses Jahr der Chancengleichheit für alle ein ausgesprochen geeigneter Moment ist, um den Gender Equality Day in der EU zu etablieren.

 
  
  

VORSITZ: PIERRE MOSCOVICI
Vizepräsident

 
  
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  Jim Allister (NI).(EN) Herr Präsident! Anknüpfend an die Äußerungen des Präsidenten zu den Entwicklungen in Belfast möchte ich sagen, dass aus dieser Entfernung die Euphorie angesichts der politischen Entwicklungen in Belfast verständlich ist.

Ich muss dem Hohen Haus jedoch sagen, dass es für mich und viele Menschen in Nordirland nichts zu feiern gibt, wenn diejenigen voreilig an die Regierung gelassen werden, die eine Kampagne des brutalen Terrorismus, bei der tausende unschuldige Mitbürger ums Leben kamen, persönlich genehmigt, durchgeführt und freimütig unterstützt haben. Ich sage „voreilig“, weil die Sinn Féin sogar jetzt noch immer wählerisch bei ihrer Unterstützung der Polizei vorgeht, indem prominente Mitglieder durch die Polizei durchgeführte rechtmäßige Verhaftungen aufgrund schwerer Verbrechen verurteilen und die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der Polizei verweigern, die das Ziel hat, die Verantwortlichen für Gewalttaten wie den Bombenanschlag in Omagh, bei dem 29 unschuldige Menschen beim Einkaufen getötet wurden, vor Gericht zu bringen.

Wo sonst in der Welt würden Sie davon ausgehen, dass in einer Regierung Minister tätig sind, die mit einem illegalen Armeerat ihrer eigenen illegalen Privatarmee untrennbar verbunden und vielleicht noch immer dessen Mitglieder sind? Doch genau das ist es, dem viele in diesem Hohen Hause in Bezug auf Nordirland Beifall schenken.

Böses kann zu nichts Gutem führen.

 
  
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  Атанас Папаризов (PSE). – Г-н Председател, българските граждани и редица правозащитни и професионални организации, с масови публични изяви и демонстрации, отбелязаха седемте години от задържането на петте български медицински сестри и палестинския лекар, осъдени на смърт от либийския съд. Резолюцията на Европейския парламент от 18 януари и заключенията на Съвета по общи въпроси от 22 януари и 22 февруари са израз на загрижеността на европейските институции и на страните-членки за положението на българските медици. Солидарността на страните-членки и постоянната загриженост на европейските институции са основа въпросът на българските медицински сестри да се реши. Единната европейска позиция, която, надяваме се, Европейският съюз и страните-членки ще изработят до края на този месец, може да стане основа за разговори с либийската страна за приключване на случая.

Уважаеми г-н Председател, уверен съм, че Европейският парламент, Съветът на министрите и Европейската комисия ще продължат съгласувано да действат в полза на решаването на въпроса на българските медицински сестри в Либия.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! In der Berliner Erklärung werden die Werte genannt, die allen Europäern gemeinsam sind, einschließlich der Menschenrechte und der Demokratie. Der Vorzug dieser Erklärung besteht zweifellos darin, dass sie die gemeinsamen Werte der Mitgliedstaaten und Bürger der Europäischen Union auf prägnante Weise aufzeigt. Erwähnung finden zudem die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Solidarität, auf denen die europäische Integration basiert, sowie die Werte, denen die Europäische Union stets einen hohen Stellenwert einräumt, nämlich Würde und Eigenständigkeit.

Die Erklärung führt den Bürgern Europas vor Augen, dass die Union das einzige wirksame Instrument ist, um die mit der Globalisierung und dem Wettbewerb verbundenen Herausforderungen zu bewältigen.

In der Erklärung werden jedoch keine substanziellen Aussagen zur künftigen Erweiterung Europas getroffen noch wird näher auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingegangen.

Nach meinem Dafürhalten ist die Erklärung ein guter Anfang für die künftige Arbeit an den neuen Rahmenbedingungen für die Europäische Union. Sie hat jedoch mehr von einer formalen Stellungnahme als von einer inspirierenden Eröffnungsfeier. Wenn die Berliner Erklärung einen Neubeginn markieren soll, dann braucht es dazu den guten Willen der Mitgliedstaaten. Die Zukunft Europas liegt in unserer Hand. Dessen sollten wir uns stets bewusst sein.

 
  
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  Marco Cappato (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Normalerweise reagiert der Präsident dieses Parlaments darauf, wenn die Führer von Diktaturen (China, Kuba und andere) das Europäische Parlament wegen seiner Entschließungen und Beschlüsse attackieren.

Nun, der Repräsentant eines absolutistischen Staates, des Staates Vatikanstadt, nämlich Kardinal Angelo Scola, beklagte sich darüber, dass es „in Bereichen wie Ehe, Familie und Leben“ – ich zitiere Kardinal Scola – „nicht angebracht ist, wenn das gegenwärtige Europäische Parlament fortwährend Erklärungen abgibt und faktisch Druck auf die einzelnen Länder ausübt und ihnen Vorschriften macht“.

Ähnlich äußerte sich Kardinal Scola gegenüber dem Präsidenten unseres Parlaments, weshalb ich der Auffassung bin, der Präsident des Europäischen Parlaments und das Parlament selbst sollten reagieren, wie sie es für gewöhnlich tun, wenn die Unabhängigkeit und die Beschlüsse dieses Hohen Hauses angegriffen werden.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine italienische Zeitung, „Il Giornale di Milano“, und einige italienische und ukrainische Agenturen berichteten über einen Vorfall, der all diejenigen, die noch Erinnerungen und vielleicht sogar offene Familienwunden aufgrund des Schicksals der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs haben, tief betroffen gemacht hat.

Es geht um die sterblichen Überreste von über 200 italienischen Militärangehörigen, die das Pech haben, auf einem Grundstück eines kleinen Ortes in der Ukraine begraben zu sein, wo schon einmal versucht wurde, ein riesiges zehnstöckiges Wohngebäude zu errichten. Nun wird erneut ein solcher Versuch gestartet, mit der Absicht, dort einen Supermarkt zu bauen.

Ich denke, kraft der Werte, auf die sich die Europäische Union gründet, sollten wir das klar verurteilen und einen konsequenten Standpunkt vertreten. Daher empfehle ich dem Parlamentspräsidenten, bei den ukrainischen Behörden zu intervenieren, um diese Schandtat zu verhindern.

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL). – A Uachtaráin, ó thaobh an méid a dúirt Uachtarán na Parlaiminte inniu faoi imeachtaí na seachtaine seo i mBéal Feirste, ba mhaith liom fosta fáilte a chur roimh ráiteas na seachtaine seo ó Ian Paisley agus ó Gerry Adams.

Léiríonn an comhaontú idir Sinn Féin agus agus an DUP – agus an gealltanas soiléir sin ó Ian Paisley faoi athbhunú na n-institiúidí polaitiúla ar an ochtú lá de mhí na Bealtaine – tús ré nua polaitiúla in Éirinn. Bhí sé d’onóir domsa freastal ar an chruinniú stairiúil idir Sinn Féin agus an DUP dhá lá ó shin. Taispeánann na cainteanna agus taispeánann an comhaontú idir ár ndá pháirtí cad is féidir a bhaint amach anois.

Ba mhaith le Sinn Féin caidreamh nua a thógáil inar féidir le gach duine a bheith páirteach i dtodhchaí rathúil, shíochánta agus chóir. Caithfear dul i ngleic ar ndóigh le cuid mhór dúshlán agus cuid mhór deacrachtaí go fóill, ach níor chóir do dhuine ar bith meas faoi luach a thabhairt ar chuntasacht fhorbairtí na seachtaine seo, agus na féidearthachtaí a chruthaíonn siad don dul chun cinn polaitíochta in Éirinn.

 
  
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  Мартин Димитров (PPE-DE). – Уважаеми г-н Председател, уважаеми колеги, оставам с впечатлението, че европейският комисар Ласло Ковач е решил да увеличи всички възможни минимални акцизи, започна с алкохола, продължи с дизела.

На 13 март Европейската комисия прие предложение за промяна на Директива 96, като предвижда увеличаване на минималните нива на акциза върху дизел от 302 евро на 380 евро за хиляда литра. Според Комисията, с увеличението на акциза се опазва околната среда. В анализа си Комисията пропуска да отбележи, че страни като България и Румъния още не са достигнали сегашните минимални нива на акцизите, а се предлага ново увеличение. Ако се приеме това предложение, България ще трябва да увеличи акциза върху дизела с 40%. Това би довело до покачване на цените на основни потребителски стоки абсолютно несъизмеримо с ръста на доходите в България. Едно такова нарастване на цените ще доведе до евроскептицизъм, особено в източната част на Европейския съюз и до проблеми с приемането на еврото. Европейският парламент трябва категорично да се противопостави на едно такова необосновано предложение.

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE).(MT) Die Nachstudien zum Bau der Marsascala-Anlage werden von jedermann als Farce bezeichnet, einschließlich der Beamten der maltesischen Umweltbehörden. Bei diesem Verfahren wurden eine Reihe von Auftragsbestimmungen ignoriert, und es lief auch zahlreichen europäischen Richtlinien zuwider. Die Studie zur erforderlichen Technologie bleibt unter Geheimhaltung, während vergleichende Analysen zu alternativen Standorten als nicht ernst zu nehmend, manipuliert und fehlerhaft betrachtet werden.

Die sozioökonomischen Forschungen zu den Bewohnern des Areals wurden weder sorgfältig, noch in Übereinstimmung mit den Auftragsbestimmungen durchgeführt, wobei man die Studie zum Einfluss der Umweltbedingungen auf die Gesundheit vollständig außer Acht gelassen hat. Man sollte dabei nicht vergessen, dass die Anlage mitten in einem Wohngebiet, nur etwa 250 m von einer bewohnten Siedlung entfernt, errichtet werden soll.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE).(LT) Das Projekt „Via Baltica“ ist für die Integration der Verkehrssysteme der baltischen, nord- und mitteleuropäischen Länder mit der übrigen Europäischen Union von großer Bedeutung. Die Europäische Kommission hat gegen den Bau der Augustów-Umgehungsstraße als Teilstück der Via Baltica durch Polen, der begonnen wurde, bevor Polen Mitglied der EU wurde, Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Die Klage beruht auf Behauptungen, dass die Umweltschutzauflagen für das Rospuda-Tal, durch das die geplante Straße verlaufen muss, nicht erfüllt werden. Laut Plan sollen bis zu 4 % der Projektmittel in den Ausgleich von Umweltschäden, in Wildwechselbrücken und Wiederaufforstung investiert werden. Die Kommission hat nicht eine einzige Alternativroute vorgeschlagen und auch keinerlei klaren Entschädigungsvorschlag unterbreitet. Hinsichtlich der nördlichen Gaspipeline, die ein Natura-2000-Gebiet durchqueren soll und unvorhersehbare ökologische Folgen haben könnte, wurden jedoch keine derartigen Umweltschutzfragen aufgeworfen. Die Europäische Kommission sorgt sich auch nicht um die Bewohner von Augustów und die Verschmutzung, die sie ertragen müssen. Werden wir jemals ein Ende der Anwendung doppelter Standards durch die EU erleben, wenn es um die „Big Boys“ in Europa und um ihren strategischen Partner Russland geht?

 
  
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  Milan Gaľa (PPE-DE).(SK) Die Europäische Kommission verklagt die Slowakei wegen Vertragsbruchs, weil gewisse Eigner von unter slowakischer Flagge fahrenden Schiffen sich der Dienste von in Bulgarien und der Türkei niedergelassenen Klassifikationsgesellschaften bedienen. Diese wurden bislang von der Kommission nicht in die Liste der anerkannten Klassifikationsgesellschaften aufgenommen. In der Sache geht es um 20 Seeschiffe unter slowakischer Flagge, die verschiedenen ausländischen Gesellschaften gehören, die wiederum in unterschiedlichen Ländern registriert sind.

Letzten Endes wird es jedoch der slowakische Staat sein, der die Geldstrafe in Höhe von 480 Millionen SKK zu tragen haben wird. Die Verträge mit den betreffenden Gesellschaften wurden bereits vor dem Beitritt der Slowakei zur EU geschlossen. Letztes Jahr im November trat eine neue Richtlinie in Kraft, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ausschließlich von der Europäischen Union zugelassene Gesellschaften anzuerkennen.

Die Slowakei hat die Europäische Union um Anerkennung der bulgarischen Schiffsklassifikation gebeten. Nach meinem Dafürhalten wird die Slowakei alles daransetzen, in dieser Situation schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen. Aus diesem Grund möchte ich die Kommission bitten, übereilte Schritte zu vermeiden.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE). – (PL) In den letzten Wochen ist in der europäischen Presse viel über den Konflikt zwischen der polnischen Polizei und den Umweltgruppen geschrieben worden, die das einzigartige Rospuda-Tal schützen wollen, das im Rahmen des Natura-2000-Programms zum Schutzgebiet erklärt wurde.

Wie wir wissen, hat die Europäische Kommission ja die Frage der geplanten Straße, die durch das Rospuda-Tal führen soll, an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Obwohl ich die Bemühungen des für Umweltfragen zuständigen Kommissars, Herrn Stavros Dimas, zu schätzen weiß, muss ich doch mein tiefes Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es nicht gelungen ist, eine Lösung für die festgefahrene Situation zu finden und mit der polnischen Regierung zu einer Übereinkunft zu gelangen, anstatt die polnische Gesellschaft unnötig gegen sich aufzubringen. Eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts könnte letztendlich dazu führen, dass Polen – und ganz konkret die polnischen Steuerzahler – eine Strafe in Höhe von mehreren Millionen zahlen muss, während der gegenwärtige Baustopp für die betreffende Straße verlängert wird. Die Tatsache, dass es keine Vorschläge für eine alternative Streckenführung gibt, wird nicht dazu beitragen, die derzeitigen Verkehrsprobleme der Einwohner dieser Region zu lösen.

Allem Anschein nach wird am Ende der Durchschnittsbürger wieder einmal für die Verbohrtheit und die Missachtung des Gesetzes seitens der Behörden zahlen müssen.

 
  
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  Brian Crowley (UEN).(EN) Herr Präsident! Anknüpfend an die Berliner Erklärung vom vergangenen Wochenende und den Fahrplan für 2009 als Jahr der Verjüngung oder Verlängerung des Vertrags in Verbindung mit den Europawahlen möchte ich einen Vorschlag unterbreiten, das Jahr 2009 zum Jahr des Kindes zu ernennen, und zwar nicht nur um diejenigen zu schützen, die am schwächsten sind, und gemeinsame Normen für den Kinderschutz in der gesamten Europäischen Union vorzulegen, sondern auch als Stimme des Optimismus in künftigen Generationen, da sie die Möglichkeit haben, das Projekt der Europäischen Union 50 Jahre nach ihrer Schaffung und Entwicklung fortzusetzen. Daher möchte ich diesen Vorschlag unterbreiten und meine Kolleginnen und Kollegen bitten, ihn so weit wie möglich zu unterstützen.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Einigung über die neuen Außenhilfeinstrumente der EU und vor allem das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument lenken, das dem Parlament größere Kontrolle über die Durchführung der Gemeinschaftshilfe garantiert.

Das Parlament ist bereit, bei der Durchführung der Außenhilfeinstrumente der EU eine aktive Rolle zu übernehmen, doch die Kommission ist nicht zu einer offenen und rechtzeitigen Zusammenarbeit mit dem Parlament bereit.

Das Parlament ist nur am Entwurf von Dokumenten beteiligt – d. h. an Strategiepapieren, Aktionsplänen und nationalen Richtprogrammen – und zwar nur vor deren Annahme, wenn es so gut wie keine Möglichkeit gibt, seine Meinung zu einem Thema zu ändern bzw. zu äußern. Somit ist das Parlament nach wie vor nur ein passiver Beobachter, wenn es um die Durchführung des ENPI geht.

In dieser Hinsicht denke ich, dass wir die Kommission auffordern sollten, mit dem Parlament zu kommunizieren und es uneingeschränkt und rechtzeitig in die Ausarbeitung, Umsetzung und Überwachung der Europäischen Nachbarschaftspolitik und vor allem des ENPI einzubeziehen.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE). – Herr Präsident! Es freut mich, dass ich jetzt beim dritten Versuch doch noch zu Wort komme, aber ich sehe schon ein, dass man — wenn sogar Fraktionsvorsitzende diese Gelegenheit hier nutzen — als kleiner Hinterbänkler nicht so viele Chancen hat.

Ich kritisiere aufs Äußerste die Absicht der polnischen Regierung, kranke Menschen — auch Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union — des Landes zu verweisen. Dies werte ich als einen massiven Anschlag auf die Grundfreiheiten der Europäischen Union, wie etwa die Niederlassungsfreiheit und den freien Personenverkehr. Ich fordere die Europäische Kommission auf, umgehend die nötigen Schritte einzuleiten, um diesen ständigen Provokationen der beiden Brüder an der Regierungsspitze Einhalt zu gebieten.

Auch würde mich interessieren, warum die Kommission in so vielen Bereichen, wie beispielsweise auch in der Frage der deutschen Studenten in Österreich, sofort aktiv wird, bei derart massiven Problemen aber überhaupt nichts tut. Ich halte das für einen Skandal.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! Joseph Conrad sagte einmal, dass das, wonach alle Menschen wirklich streben, eine Form, oder vielleicht nur eine Formel für Frieden ist. In der Woche, in der wir den 50. Jahrestag dieses einzigartigen europäischen Projekts feiern, das unserem Kontinent Frieden und Stabilität gebracht hat, gab es auch noch nie dagewesene, bemerkenswerte und äußerst positive Entwicklungen, was den Frieden und Fortschritte auf der Insel Irland angeht. Endlich haben wir nicht nur eine Form, sondern auch eine Formel für eine friedliche Zukunft für die Bürger Irlands, im Norden und im Süden.

Ich möchte die zentralisierte Regierung und ihre Rückkehr nach Nordirland aufs Herzlichste begrüßen. Die Entscheidung, die die größten Fraktionen, die DUP und die Sinn Féin, in dieser Woche getroffen haben, nämlich sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten und sich darauf zu einigen, innerhalb von sechs Wochen eine gemeinsame Regierung zu bilden, stellt einen viel versprechenden Meilenstein dar und ist endlich die letzte Etappe des langwierigen Friedensprozesses in Nordirland, nach 40 Jahren der Gewalt.

Es ist wichtig, dass wir im Europäischen Parlament anerkennen, was für außergewöhnliche Dinge sich diese Woche in Stormont ereignet haben. Besondere Anerkennung verdienen meines Erachtens die Rolle der Ulster Unionist Party und der SDLP, David Trimble und John Hume, die ehemaligen Vorsitzenden, die derzeitigen Vorsitzenden …

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Neena Gill (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte Sie auf die jüngsten Ereignisse in Pakistan im Zusammenhang mit der Suspendierung des Obersten Richters am Obersten Gerichtshof, Mohammed Chaudhry, aufmerksam machen, die zu weit verbreiteten Unruhen geführt hat.

Im Dezember habe ich als Vorsitzende der SAARC-Delegation bei einem Besuch in Pakistan auf höchster Ebene die Bedeutung der Freiheit der Justiz und der Medien angesprochen. Es ist daher enttäuschend, dass es Berichten zufolge an beidem mangelt. Ich bin dem pakistanischen Botschafter bei der EU allerdings dankbar dafür, dass er mir die Erklärungen seiner Regierung zukommen ließ, in der diese sich der Pressefreiheit verpflichtet, und begrüße insbesondere seine Zusicherungen, dass die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt wird.

Ich möchte dem Präsidenten des Parlaments jedoch dringend ans Herz legen, im Interesse der Transparenz eine Kopie der an den Obersten Gerichtshof übermittelten Dokumente sowie eine ausführliche Begründung für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Suspendierung des Richters Chaudhry zu erbitten.

Abschließend ersuche ich den Präsidenten, die Regierung von Pakistan darüber hinaus dringend zu bitten, so begründet die Suspendierung des Obersten Richters auch sein mag, offene Anhörungen abzuhalten, damit die internationale Gemeinschaft die Fairness des Gerichtsverfahrens beurteilen kann.

 
  
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  Robert Evans (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte beim gleichen Teil der Welt bleiben und dieses Hohe Haus auf die sich verschlimmernde Lage in Sri Lanka hinweisen – dort wird der Waffenstillstand überhaupt nicht eingehalten, was in meinen Augen eine Tragödie ist. Durch die erneuten Kämpfe mussten mehr als 200 000 Menschen ihre Häuser verlassen. Dabei kamen über 3 000 Zivilisten und natürlich zahlreiche Soldaten auf allen Seiten ums Leben.

Was dieses Parlament tun könnte ist, unabhängige Menschenrechtsbeobachter zu fordern, die die Verstöße und zahlreichen Misshandlungen seitens der sri-lankischen Sicherheitskräfte, der LTTE und der anderen bewaffneten Gruppen, die auf der ganzen Insel verstreut sind, beobachten. Meines Erachtens muss dieses Europäische Parlament handeln, um die Bewohner dieser wundervollen Insel zu unterstützen, eine friedliche Lösung herbeizuführen und den Konflikt so bald wie möglich zu beenden.

Vielen Dank. 47 Sekunden!

(Heiterkeit)

 
  
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  Der Präsident. – Die Sekunden, die Sie gespart haben, haben Sie Frau Gill gegeben.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei meinem Abflug von Bergamo nach Brüssel begegnete mir eine Delegation von 27 Witwen, eine für jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union, die sich darüber beklagten, dass die Hinterbliebenenrenten, die den Witwen von Rentnern und Arbeitnehmern gezahlt werden, nur die Hälfte der Rentenbezüge betragen, die ihre Ehemänner erhielten.

Die Witwen baten mich, dieses Problem vor das Europäische Parlament zu bringen – was ich hiermit tue –, und sie waren sich sicher, dass ihr Forderung bei allen 27 Regierungen der Europäischen Union Gehör finden würde. Sie hoffen, dass endlich – wie auch ich es fordere – eine europäische Rente eingeführt wird, um allen europäischen Bürger zu gleichen und besseren Rechten zu verhelfen.

 
  
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  Der Präsident. – Es tut mir Leid, aber wir müssen zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen. Ich teile Ihnen jedoch mit, dass alle, die heute um das Wort gebeten haben, auf der Straßburg-Sitzung im April bevorzugt an die Reihe kommen werden; allerdings müssen sie sich der Form halber neu eintragen. Der Vorsitz dieser Sitzung wird darüber unterrichtet, und diese Mitglieder des Europäischen Parlaments werden als Erste auf die Rednerliste gesetzt.

 
  
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  Димитър Стоянов (ITS). – В съвременното демократично общество медиите и тяхната свобода са нещо много важно. Тяхното влияние над обществото е толкова голямо, че ние често се обръщаме към тях като към четвърта власт.

Вземам думата по отношение на изказването на г-н Шулц, което ме засегна лично, относно свободата на медиите. Защото ние знаем, че в съвременната демокрация основната характеристика на всяка власт е, че тя бива контролирана по някакъв начин, за да не се позволяват злоупотреби с нея. И за да ви опиша по-добре какъв е случаят специално, който г-н Шулц имаше предвид в България ...

(г-н Стоянов и прекъснат от председателя)

 
  
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  Der Präsident. – Herr Stoyanov, ich muss Ihnen jetzt das Wort entziehen. Ich möchte wissen, auf der Grundlage welchen Artikels der Geschäftsordnung Sie um das Wort bitten und zu welchem Thema, denn im Augenblick sind Ihre Ausführungen eher allgemeiner Natur.

 
  
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  Димитър Стоянов (ITS). – Относно чл. 145 от Правилника.

(Г-н Стоянов е прекъснат от председателя)

 
  
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  Der Präsident. – Ich weise Sie darauf hin, dass es in Artikel 145 zu einem Redner, der das Wort ergreift, um persönliche Bemerkungen abzugeben, heißt, er „darf nicht zum Gegenstand der Aussprache sprechen, sondern muss sich darauf beschränken, Äußerungen, die sich in der Aussprache auf die eigene Person bezogen haben, oder ihm unterstellte Ansichten zurückzuweisen oder eigene Ausführungen richtig zu stellen.“ Sprechen Sie deshalb bitte nicht über allgemeine Themen, und kommen Sie auf den Punkt, der Sie betrifft, denn Sie haben das Wort ergriffen, um eine persönliche Bemerkung zu machen.

 
  
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  Димитър Стоянов (ITS). – Не съм съгласен г-н Председател, защото моят отговор изисква изясняване на обстоятелствата, за да мога да отхвърля твърденията ...

(Г-н Стоянов е прекъснат от председателя)

 
  
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  Der Präsident. – Sie müssen nicht zustimmen oder ablehnen. So lautet die Geschäftsordnung.

 
  
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  Димитър Стоянов (ITS). – Значи това е диктатура, г-н Председател.

(Г-н Стоянов е прекъснат от председателя)

Няма свобода на словото в този парламент.

Няма свобода на словото в този парламент.

(Г-н Стоянов е прекъснат от председателя)

Това е свободата на словото в този парламент. Отнема се думата, без да се даде възможност....

(Председателят отнема думата на г-н Стоянов)

 
  
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  Der Präsident. – Dies ist keine Diktatur, im Gegenteil, es ist eine Demokratie. Wir haben eine Geschäftsordnung, und sie muss eingehalten werden. Kein Mitglied des Parlaments kann in diesem Haus allgemeine Bemerkungen zu einem beliebigen, von ihm ausgewählten Thema machen.

Herr Stoyanov, ich dachte, Sie hätten um das Wort gebeten, um eine persönliche Bemerkung abzugeben. Dies ist nicht der Fall, und ich kann Ihnen nicht gestatten fortzufahren.

 

16. Ökologische Erzeugung und Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen (Aussprache)
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht von Marie-Hélène Aubert im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die ökologische/biologische Erzeugung und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen (KOM(2005)0671 – C6-0032/2006 – 2005/0278(CNS)) (A6-0061/2007).

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich begrüße diese Gelegenheit zur Erörterung unseres Vorschlags für eine neue Verordnung des Rates über die ökologische/biologische Erzeugung. Zunächst möchte ich der Berichterstatterin, Frau Aubert, sowie den Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für ihre Bemühungen danken. Die sorgfältige Arbeit, die sie geleistet haben, ist ein überaus wertvoller Beitrag zu unseren Erörterungen.

Mit 160 000 Ökohöfen und mehr als 6 Millionen Hektar Landfläche in der Europäischen Union beläuft sich der Umsatz mit ökologisch erzeugten Produkten auf schätzungsweise 13 bis 14 Milliarden Euro. Die Tendenz ist weiter steigend, so dass es in der Tat eine wichtige Branche ist. Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass diesem expandierenden Sektor eine bedeutende Rolle zukommt. Hier geht es um weitreichende Interessen der Öffentlichkeit und der Verbraucher, nämlich um Erwartungen in Bezug auf die Qualität der Nahrungsmittel, Sorge um die Umwelt, das Wohlergehen von Tieren und Möglichkeiten zur Landschaftsgestaltung.

Diesem Sektor wohnen auch großer Optimismus und Zuversicht in Bezug darauf inne, was die Zukunft bereithält, wovon ich mich selbst kürzlich auf der BioFach in Nürnberg überzeugen konnte. Um aber sein volles Potenzial entwickeln und erreichen zu können, ist der Sektor auf einen angemessenen Rechtsrahmen angewiesen, was wir im Grunde mit unserer neuen Verordnung zu erreichen versuchen. Es ist daher ein äußerst wichtiger Legislativvorschlag, und ich freue mich sehr über die Fortschritte, die wir in unseren Beratungen im vergangenen Jahr erzielen konnten.

Im Jahre 2006 wurde unser Vorschlag im Rat und im Parlament sehr intensiv erörtert. Im Ergebnis dessen sind einige Teile des ursprünglichen Vorschlags, die sich als recht kritisch erwiesen, inzwischen vollständig verschwunden. Dazu zählt ein Verbot höherer Forderungen, die gegenseitige Anerkennung privater Standards durch Inspektionsgremien sowie die Biokennzeichnung durch die EU.

Das Parlament hat ferner eine Reihe von Änderungsanträgen zur Verbesserung des Wortlauts der Ziele und Grundsätze des ökologischen Landbaus, zur Herkunftsangabe von Erzeugnissen, zum ausdrücklichen Recht der Verwendung nationaler und privater Logos, zur Einbettung des Kontrollsystems in die offiziellen Nahrungs- und Futtermittelkontrollen sowie die verstärkten Garantien bei Importen vorgelegt. Mit diesen Änderungsanträgen wird der Originalvorschlag verbessert und ich nehme sie daher sehr gern auf.

Es ist uns auch gelungen, ein stärkeres Augenmerk auf die Verordnung zur Bodenfruchtbarkeit, zu Verfahrensweisen in Bezug auf Bodenleben und Bodenbewirtschaftung zu richten. Die Frage des genetisch veränderten Saatguts und der ökologischen Landwirtschaft hat zu zahlreichen Diskussionen geführt. Ich habe den Wunsch des Parlaments zur Kenntnis genommen, dass der Wirtschaftsteilnehmer nachweisen können muss, dass er alle notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung zufälliger oder technisch unvermeidbarer Kontamination durch GVO getroffen hat, und ich kann das mit aller Vehemenz unterstützen. Obwohl also diese Änderungsanträge eine bestehende Anforderung wiederholen, habe ich sie wegen der außerordentlichen Sensibilität der Thematik akzeptiert.

Lassen Sie mich jedoch Folgendes absolut klarstellen: der Schwellenwert für die zufällige Anwesenheit von GVO ist nicht, wie manche meinen, ein De-facto-Schwellenwert zur GVO-Toleranz. GVO und deren Ableitungen bleiben auch weiterhin von der Verwendung im ökologischen Landbau ausdrücklich ausgeschlossen.

Zwar sind sich Kommission und Parlament bei den grundsätzlichen Aspekten der neuen Verordnung einig, doch gibt es noch einige Fragen, zu denen wir unterschiedliche Auffassungen vertreten. Auf einige davon möchte ich jetzt näher eingehen.

Das Parlament möchte weitere Einzelheiten wissen, und es ist klar, dass viele der ausführlichen Vorschriften, die wir aus der aktuellen Verordnung kennen, entfernt wurden. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass eines der Hauptanliegen dieses Vorschlags darin bestand, die grundlegenden Vorschriften klarer und logischer zu fassen. Das wiederum bedeutet nicht, dass die ausführlichen Vorschriften, die das einzigartige Gefüge der Standards für den ökologischen Landbau bilden, insgesamt verschwinden müssen. Ganz gewiss nicht. Doch denke ich, dass sie in den Durchführungsvorschriften besser aufgehoben sind, und der Inhalt dieser ausführlichen Vorschriften wird, wie ich Ihnen bereits bestätigte, von den ausführlichen Vorschriften der aktuellen Verordnung kaum abweichen.

Zu unserem Anliegen, den Umfang auf Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung, Kosmetika, Textilien und Fischkonserven auszudehnen, möchte ich sagen, dass wir nicht alle Schritte auf einmal ausführen können. Wir erweitern den Umfang derzeit erheblich um Wein und die Aquakultur. Die anderen Bereiche befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium und meiner Meinung nach würde eine Harmonisierung deren Entwicklung behindern. Die derzeitige Fassung sieht übrigens vor, diese Thematik erneut im Jahre 2011 zu prüfen.

Im Zusammenhang damit habe ich auch festgestellt, dass Sie gern eine doppelte Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag hätten. Es ist kein Geheimnis, dass eine Einführung der Mitentscheidung für landwirtschaftliche Angelegenheiten breit diskutiert wird. Das ist ein wichtiges Thema und ich begrüße diese Diskussion, wie ich bereits eindeutig geäußert habe. Doch handelt es sich um ein Thema, das auf horizontale Weise behandelt werden sollte, auf einer angemessenen Ebene und im richtigen Zusammenhang. Ich bezweifle, dass es irgendjemandem nützt, einen Ansatz auf Fall-zu-Fall-Basis zu verfolgen. Daher kann ich eine Änderung der Rechtsgrundlage für die neue Verordnung über ökologische/biologische Erzeugung, wie Sie sie vorschlagen, nicht akzeptieren.

Abschließend schlagen Sie vor, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, strengere Vorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Das kann ich nicht akzeptieren. Der eigentliche Zweck dieser Verordnung besteht darin, eine stabile Harmonisierung auf einer Ebene zu erreichen, die streng genug, aber auch flexibel genug ist, um Ausnahmen zu ermöglichen. Durch die Harmonisierung der Vorschriften auf relativ hohem Niveau bei gleichzeitiger Flexibilität gelangen wir meiner Meinung nach zum gleichen Ziel und verringern dabei das Risiko einer Ungleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer unter gleichen Bedingungen. Ich bin davon überzeugt, dass dies eine Möglichkeit ist, einen florierenden Binnenmarkt für ökologisch/biologische Erzeugnisse zu etablieren.

Es tut mir leid, dass ich so ausführlich geworden bin, aber es ist ein überaus wichtiges Thema, auf das ich ausführlich eingehen wollte.

 
  
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  Der Präsident. – Frau Kommissarin, es steht der Kommission frei, so lange zu sprechen, wie sie möchte und soviel zu sagen, wie nötig ist.

 
  
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  Marie-Hélène Aubert (Verts/ALE), Berichterstatterin. (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist die Lage der ökologischen Landwirtschaft heute recht paradox. Auf der einen Seite besteht eine große Nachfrage, weil diese Anbaumethode Arbeitsplätze schafft, die Umwelt, die Artenvielfalt und schließlich auch unser aller Gesundheit schützt. Auf der anderen Seite stellt die ökologische Landwirtschaft bisher nur etwas mehr als 1 % der europäischen Agrarproduktion und kaum mehr als 3 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche, das heißt, wenig. Ich glaube, wir sind dafür verantwortlich, die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in der Europäischen Union zu unterstützen.

In Hinblick auf die Quantität ist dies vielleicht ein wenig gewichtiges Thema, aber politisch und symbolisch von großer Bedeutung, weil die ökologische Erzeugung auch eine Art Durchbruch ist, indem sie dazu beiträgt, die gemeinsame Landwirtschaftspolitik wieder auf eine sehr viel nachhaltigere Form der Landwirtschaft auszurichten, was notwendig ist.

Während des ganzen Jahres 2006 haben wir auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags gearbeitet, der viele Bedenken hervorgerufen und Anlass zu starkem Protest gegeben hat, auch eine gewisse Hast, denn wir wurden ursprünglich gebeten, innerhalb von zwei Monaten unser Urteil zu einem Vorschlag abzugeben, der nicht wirklich sorgfältig ausgearbeitet worden war. Ich gebe jedoch gern zu, dass die Arbeit konstruktiv war, und dass regelmäßig Gespräche mit der Kommission und dem Rat stattfanden, um den ursprünglichen Vorschlag zu verbessern. Was hat sich der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung dieses Parlaments nun erhofft, mit all diesem Austausch, all diesen Gesprächen und dem Kommen und Gehen, zu erreichen? Sie haben auf die wichtigsten Punkte hingewiesen.

Zunächst einmal hoffte er, den Geltungsbereich dieser Verordnung auf Non-Food-Produkte auszuweiten, wie Textilen und Kosmetika, aber auch und vor allem auf Verpflegungsbetriebe, denn diese Betriebe sind eine ausgezeichnete Antriebskraft für die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in unseren Ländern. Es wäre falsch, sie nicht zu nutzen. Aus diesem Grund wollen wir auch eine doppelte Rechtsgrundlage – Artikel 37 und Artikel 95 –, die sich auf den Binnenmarkt und den Verbrauch beziehen. Sie scheinen nur Lob für unsere Arbeit, unseren Beitrag zu haben, und damit für die Tatsache, dass das Europäische Parlament sehr viel stärker einbezogen ist – einmal ganz abgesehen von der Mitentscheidung im Allgemeinen bei der Landwirtschaft, denn das ist eine andere Diskussion, die wir noch führen müssen.

Ich habe daher den Eindruck, dass, wenn wir diese Arbeit fortsetzen wollen und die MEP tatsächlich die Möglichkeit haben sollen, diese berühmten Erlasse zu prüfen, die bei der Anwendung dieser Verordnung eine entscheidende Rolle spielen werden, Sie diese zweifache Rechtsgrundlage akzeptieren sollten, und wir werden diese Aussprache fortsetzen.

Zweitens haben Sie daran erinnert, dass wir, angesichts eines recht unklaren Textes, sehr viel genauere Definitionen dessen gefordert haben, was mit Inspektion, Zertifizierung, Stoffen, die in der Praxis der ökologischen Erzeugung zugelassen oder nicht zugelassen sind, Bodengebundenheit, artgerechte Tierhaltung usw., gemeint ist. Außerdem haben Sie den sehr heiklen Punkt des Nichtvorhandenseins genetisch veränderter Organismen in der ökologischen Landwirtschaft angesprochen. Diese darf es überhaupt nicht geben, genauso wie Pestizide und chemisch-synthetische Stoffe.

Zur Frage der genetisch veränderten Organismen wollen wir den Verbrauchern auf jeden Fall bestätigen, dass es in der ökologischen Erzeugung keine GVO gibt, von der Saat bis zum Vertrieb. Der derzeitige Grenzwert von 0,9 %, der ein Grenzwert für die Befreiung von der Kennzeichnung ist, stiftet Verwirrung. Daher sollten wir unseres Erachtens auf diese Frage zurückkommen, um für den Nachweisgrenzwert für konventionelle Pflanzen und die ökologische Landwirtschaft zu optieren und damit, gleich, was geschieht, alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um eine, selbst zufällige, Kontaminierung biologischer Kulturpflanzen durch GVO zu verhindern.

Sie sagen, es sei nicht möglich, die strikteren Maßnahmen zu billigen, die die Mitgliedstaaten ergreifen könnten. Unseres Erachtens sollten die Spezifikationen privater und öffentlicher Stellen, die bereits bestehen und mit denen die Verbraucher vertraut sind, bestehen bleiben. Dies ist jedenfalls das, was wir wollen, und wenn es Flexibilität gibt, muss die Harmonisierung nach oben gerichtet sein, und nicht nach unten, wie wir es befürchten.

Sie haben einige Antworten gegeben. Ich glaube, dass diese Aussprache weitergehen wird, sicherlich über die morgige Abstimmung hinaus.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass diese Verordnung auch nicht das A und O ist und nicht alle Fragen zur ökologischen Landwirtschaft lösen wird. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik benötigen wir auch weit größere Unterstützung für die ökologische Landwirtschaft, als wir sie bisher haben.

 
  
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  Roberto Musacchio (GUE/NGL), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. – (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In meinem Ausschuss, dessen Stellungnahme von mir verfasst worden ist, wurde eine äußerst sorgfältige Arbeit geleistet, und das Ergebnis wurde einstimmig angenommen.

Dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit liegt der Umweltschutz selbstverständlich sehr am Herzen, doch in diesem speziellen Fall haben wir uns auf die Frage konzentriert, wie die Umwelt auch durch die Marktvorschriften geschützt werden kann. Ich sage das, weil der Schlüssel der von mir vorgelegten Stellungnahme in Folgendem liegt: Den Erzeugern, Verkäufern und Käufern ökologischer/biologischer Erzeugnisse muss mit absoluter Gewissheit und ohne den geringsten Zweifel klar sein, dass diese Lebensmittel wirklich ökologisch/biologisch und nicht etwa durch GVO kontaminiert sind. Meines Erachtens brauchen wir einen solchen „Nullschwellenwert“ für die Kontamination sofort; er darf nicht auf spätere Regelungen verschoben werden. Jeder, der ein Produkt verkauft – beispielsweise ein Luxusauto – darf es nicht dulden, dass dieses Erzeugnis auch nur einen einzigen Bolzen enthält, der nicht zu diesem Automobil gehört.

Das ist der Kernpunkt der Empfehlung, die unser Ausschuss gegeben hat, und wir hoffen, dass er klar in den endgültigen Text übernommen wird.

 
  
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  Agnes Schierhuber, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Frau Beer sehr herzlich für ihren wirklich engagierten Bericht danken. Biologische Landwirtschaft ist von großem öffentlichen Interesse; sie ist sehr breit gefächert und auch in den Mitgliedstaaten von sehr unterschiedlicher Bedeutung. Das Thema wird folglich auch sehr emotional und kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang stellen die gentechnisch veränderten Organismen in der biologischen Landwirtschaft immer ein großes Problem dar. Deshalb vertrete ich für die biologische Landwirtschaft den Grenzwert von 0,0 Prozent, denn was wir als gentechnikfrei ausweisen, muss auch gentechnikfrei sein. Hier ist vor allem auch noch die Frage der Koexistenz und der Haftung zu klären, Frau Kommissarin, und ich weiß, dass Sie hier auf unserer Seite sind.

Die Zukunft der biologischen Landwirtschaft liegt vor allem in den Händen der Konsumenten. Sie entscheiden, ob sie bereit sind, für natürliche und gentechnikfreie Lebensmittel mehr zu bezahlen. Die Umsatzzuwächse biologischer Produkte in den letzten Jahren bestätigen eindeutig, dass die Bevölkerung diese Qualität schätzt. Aber gerade in dieser Hinsicht ist es wichtig, dass der Käufer weiß, woher die Lebensmittel kommen. Wir müssen sicherstellen, dass die europäischen biologischen Kennzeichnungen nur für Produkte aus den Mitgliedstaaten verwendet werden, die auch diesen Kriterien entsprechen. Die künftige Verwendung von Logos, die beabsichtigte genaue Kennzeichnung der Produkte und die damit verbundene Möglichkeit der Rückverfolgung begrüße ich sehr, weil dadurch auch eine bessere Kontrolle möglich ist. Es ist notwendig, dass die Interessen der Produzenten und Konsumenten gleichermaßen berücksichtigt werden. Durch gemeinsame, abgestimmte Maßnahmen können auch bei der Wahrung der Subsidiarität zusätzliche Effekte sowohl für die europäische Landwirtschaft als auch für den Konsumenten erzielt werden. Die 197 eingereichten Änderungsanträge belegen allerdings, dass wir derzeit eigentlich noch nicht fähig sind, über den Bericht abzustimmen. Ich unterstütze daher die Berichterstatterin in Bezug auf die Änderungsanträge 37 und 39.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  María Isabel Salinas García, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Der ökologische Erzeugungssektor erbittet – oder vielmehr fordert – von uns eine klare und einfache gesetzliche Regelung, die den Bedürfnissen eines deutlich wachsenden Marktes entspricht.

Die Europäer konsumieren immer mehr ökologische Produkte, und wir müssen schnellstmöglich einen angemessenen Rahmen schaffen, der diesem Bedarf entspricht, wobei wir nicht nur die Interessen der Verbraucher, sondern gleichzeitig auch die der Produzenten und die Umweltinteressen im Allgemeinen schützen müssen.

Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der jetzt von uns diskutierte Bericht, bei dessen Behandlung es von Anfang Schwierigkeiten gab, ein gutes Ausgangsdokument dar. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um die Berichterstatterin, Frau Aubert, zu ihrer großartigen Arbeit zu beglückwünschen. Meiner Ansicht nach ist es ein guter Bericht, weil er zum Beispiel die spezifischen Merkmale der verschiedenen europäischen Regionen berücksichtigt, die Zuständigkeiten der einzelnen, an der Kontrolle der ökologischen Produkte beteiligten Behörden und Einrichtungen besser festsetzt und ein verbindliches einheitliches Logo einführt, worauf ich bei den Beratungen im Ausschuss ebenfalls bestanden hatte.

Ebenso sieht er meines Erachtens vor, dass für die Erzeugnisse aus Drittländern Vorschriften gelten müssen, die der europäischen Rechtsetzung entsprechen, wenn sie als ökologische Produkte in der Europäischen Union vermarktet werden sollen.

Schließlich glaube ich, dass der Bericht darauf gerichtet ist, ökologische Produktionsverfahren und den Öko-Verbrauch zu fördern und diesen im Wachstum begriffenen Sektor als die Elite unserer Landwirtschaft zu konsolidieren, da sich die ökologische Landwirtschaft durch ihre höherwertigen Erzeugnisse auszeichnen soll.

Andererseits wird jetzt eine weitere Debatte eröffnet, die wir bis vor kurzem nicht in unsere Überlegungen einbezogen haben: Es eröffnet sich die Möglichkeit, dass das Europäische Parlament ein größeres Mitspracherecht bei Beschlussfassungen erhält und durch das Mitentscheidungsverfahren einen Schritt weiter geht und eine doppelte Rechtsgrundlage für diese Verordnung fordert.

Ich möchte ganz deutlich erklären, dass wir als passionierte Europäer stets für größere Beschlussfassungsbefugnisse dieses Parlaments, des höchsten demokratischen Ausdrucks der Europäischen Union, eintreten. Aus diesem Grund werden wir morgen entsprechend abstimmen.

Allerdings möchte ich auch betonen, dass diese Verordnung eine soziale Forderung seitens des Sektors und der Verbraucher ist, und deshalb dürfen die folgenden Schritte, über die wir ab morgen entscheiden, nicht länger hinausgezögert werden, sondern wir müssen im Interesse der Rechtssicherheit der Produzenten und des Vertrauens der Verbraucher unsere Arbeit zügig fortsetzen, um eine Verordnung auf den Tisch zu legen, die der europäische Sektor schon seit langem fordert und die diese eindeutig biologische Landwirtschaft kennzeichnet, was der Sicherheit der Verbraucher dient.

 
  
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  Kyösti Virrankoski, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Ich danke der Berichterstatterin, Marie-Hélène Aubert, für ihren ausgezeichneten Bericht. Die ökologische Erzeugung ist ein spezieller Bereich der landwirtschaftlichen Produktion. Ihre Bedeutung wird künftig vermutlich zunehmen, weil die Verbraucher immer mehr auf die Qualität der Nahrung anstatt auf ihren Preis achten. Die ökologische Erzeugung bietet eine Möglichkeit, die Qualität, den Geschmack und die Haltbarkeit der Erzeugnisse zu verbessern und damit für die landwirtschaftlichen Betriebe einen Mehrwert zu erzeugen und deren Rentabilität zu steigern. Die ökologische Erzeugung ist jedoch ein schwieriger Bereich der Landwirtschaft, der ein ernsthaftes Engagement für die Betriebsführung des Betriebes erfordert. Selbst kleine Fehler lassen sich nur schwer wieder ausbügeln, da die Möglichkeiten der konventionellen Produktion nicht gegeben sind.

Die Agrarpolitik der EU ist im Allgemeinen durch die Kompliziertheit der Vorschriften und die Bürokratie gekennzeichnet. Hinsichtlich der ökologischen Erzeugung kann es Befürchtungen geben, dass die Belastungen eher noch größer werden. Der Landwirt muss sich außerordentlich gut mit den Rechtsvorschriften der EU wie auch der nationalen Gesetzgebung auskennen. Der jetzt vorliegende Verordnungsvorschlag bedeutet ein Mehr an Vorschriften. An sich ist das Ziel plausibel, da es darum geht, das Vertrauen der Verbraucher zu schützen, wenn es aber zu viele Gesetze gibt, dann kann das dazu führen, dass das Wachstum der ökologischen Landwirtschaft sich verlangsamt und viele Landwirte ganz einfach aufgeben. Dies würde dem Bereich insgesamt Schaden zufügen.

Herr Präsident, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie bilden zusammen einen sehr großen Sektor der europäischen Produktion. Innerhalb dieser Bereiche gibt es Raum für unterschiedliche Methoden und Ausrichtungen. Die ökologische Erzeugung kann sehr reizvolle Möglichkeiten bieten, besonders in den Regionen mit den rauesten natürlichen Bedingungen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Verordnung die Lebensmittelproduktion auf unserem Kontinent und ihren Erfolg im globalen Wettbewerb stärken wird.

 
  
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  Roberta Angelilli, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Italienerin möchte ich vorausschicken, dass Italien hinsichtlich der ökologischen/biologischen Erzeugung weltweit an vierter Stelle steht, und in der Europäischen Union sogar an erster. Deshalb unterstützen wir die Änderungen, die durch diesen Bericht an der Verordnung vorgenommen werden: die Änderungen in Bezug auf den Anwendungsbereich, die Flexibilität für die Mitgliedstaaten, die Kontrollen und den freien Verkehr von ökologischen/biologischen Erzeugnissen in der Europäischen Union.

Was hingegen die Kennzeichnung betrifft, so muss es unserer Auffassung nach eine absolute Garantie dafür geben, dass die Erzeugnisse auch wirklich ökologisch/biologisch sind, weshalb auch in keiner Stufe des Produktionsprozesses zufällige GVO-Kontaminationen stattfinden dürfen. Nach der derzeit geltenden Verordnung ist ein Schwellenwert für die zufällige GVO-Kontamination von 0,9 % für ökologische/biologische Erzeugnisse zulässig, der leider auch für die Produkte der konventionellen Landwirtschaft gilt.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass ein Schwellenwert für die zufällige Kontamination ökologischer/biologischer Erzeugnisse mit GVO festgelegt werden muss, um zu verhindern, dass es zu einem Einbruch beim Verbrauch kommt, weil das Vertrauen in Nahrungsmittel, die just aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer natürlichen Erzeugungsmethode ausgewählt und gekauft werden, erschüttert wurde.

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die Berichterstatterin hat einen guten Bericht vorgelegt, und das Parlament muss darauf bestehen, dass die Kommission und der Rat von diesem guten Bericht auch Gebrauch machen. Wir brauchen also die Mitentscheidung, zumal all das, was substanziell neu ist an dieser Verordnung, in den Bereich des Binnenmarktes fällt. Das, was die Landwirtschaft anbelangt, wurde ja schon zuvor geregelt und konnte im Wesentlichen übernommen werden. Daher die doppelte Rechtsgrundlage, auch weil Sie zu Recht festgestellt haben, dass viele Details in den Durchführungsbestimmungen geregelt werden sollten. Das Parlament muss sich ebenso wie der Rat ein Mitspracherecht bei diesen Durchführungsbestimmungen vorbehalten. Sie wissen, dass wir jetzt eine Regelung haben. Wenn wir die Verfassung hätten, wäre diese Frage ohnehin gelöst. Wir werden da in nächster Zeit etwas in den Clinch gehen müssen.

Zur Frage der GVO: Ich freue mich, dass Sie festgestellt haben, dass 0,9% keine Kontaminationsgrenze ist. Es ist eine Kennzeichnungsgrenze, es gibt kein Recht auf Kontamination. Unsere Fraktion hat aber Sorge, dass die technischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden, um die Kontamination zu verhindern und dass dann irgendwann die 0,9%-Grenze hoch gesetzt wird. Unsere Bestrebung ist es, eher nach unten zu gehen, weil wir sagen: Bei biologischen Produkten muss jegliche Kontamination völlig ausgeschlossen werden. Ich hoffe, Sie haben hierfür Verständnis und ergreifen die entsprechenden Maßnahmen.

 
  
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  Vincenzo Aita, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, die hier von uns erörterte Regelung kann durch das Parlament bei der morgigen Abstimmung im Plenum weitgehend verbessert werden. Denn eine Regelung wie die gegenwärtige, die für ökologische/biologische Erzeugnisse eine Kontaminationsschwelle von 0,9 %, d. h. den gleichen Schwellenwert wie für konventionelle Erzeugnisse, festlegt, hilft weder den Öko-Landwirten noch den Verbrauchern.

Auch aus den uns von der Frau Kommissarin genannten Zahlen geht hervor, dass diese Regelung dem ökologischen/biologischen Sektor schweren Schaden zufügen kann. Die Festlegung desselben Schwellenwerts für konventionelle und für ökologische/biologische Erzeugnisse stiftet nämlich Verwirrung unter den Verbrauchern, so dass sie sich nicht mehr für Ökoerzeugnisse entscheiden können, was auch dem landwirtschaftlichen Produktionssystem schadet, das in den letzten Jahren ein deutliches Wachstum in diesem Sektor zu verzeichnen hatte.

Daher meine ich, dass das Parlament wieder auf die Nulltoleranzschwelle zurückkommen sollte, um diese Erzeugnisse attraktiver zu machen, indem gewährleistet wird, dass sie in immer größeren Mengen konsumiert werden und den Verbrauchern ein zunehmender Schutz geboten wird. Ein ökologisches/biologisches Erzeugnis, für das ein Schwellenwert von 0,9 % erlaubt ist, macht keinen Sinn, und ebenso haben die Verbraucher kein Interesse daran, ein teureres Erzeugnis zu kaufen, das ihnen nicht mehr die notwendigen Garantien bietet und nicht frei von Schadstoffen ist.

 
  
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  Luca Romagnoli, im Namen der ITS-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weise den Versuch zurück, die eindeutige Angabe des Herkunftslands bei der Kennzeichnung der Erzeugnisse zugunsten eines EU-Labels, das lediglich dazu dienen würde, die Rückverfolgbarkeit zu behindern, nicht zuzulassen. Die Kommission versucht in ihrer üblichen Art und Weise, alles zu standardisieren anstatt zu harmonisieren. Ökologische/biologische Erzeugnisse erfreuen sich bei der Werbung dank der Bezeichnung „BIO“ günstiger Marktpositionen sowie eines beachtlichen Umsatzes im Vergleich zu anderen Erzeugnissen, und zwar trotz der höheren Verbraucherpreise.

Bisher haben die verwendeten Kennzeichnungen befriedigende Ergebnisse in Bezug auf die Differenzierung von Angebot und Nachfrage gezeitigt. Dies wäre gefährdet, wenn ein gemeinsames EU-Label das Bewusstsein der Verbraucher erschüttert. Die Verordnung muss eine Garantie für die Unabhängigkeit der Zertifizierungsstellen bieten, vor allem was die Beziehungen zu Unternehmern aus Drittländern anbelangt.

Wir brauchen ein Akkreditierungssystem, das auf strengen und transparenten Normen beruht – etwas, was die Kommission allerdings nicht will. Schlussendlich ist der Gedanke, ein EU-Ökologo für Erzeugnisse aus Drittstaaten vorzuschreiben, ohne dass genauere Informationen über die nationale oder regionale Herkunft der Erzeugnisse bereitgestellt werden, entschieden abzulehnen.

 
  
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  Ioannis Gklavakis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Geht man davon aus, was in der Europäischen Union nach mehr als 15 Jahren, in denen die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über ökologische Erzeugnisse umgesetzt worden sind, erreicht wurde, dann kann man durchaus von einem beträchtlichen Erfolg sprechen. Dies könnte aber natürlich noch besser ausfallen, denn wenn im Europa der 25 1,4 % aller landwirtschaftlichen Betriebe ökologischen Landbau betreiben und auf 3,6 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologische Erzeugnisse angebaut werden, dann heißt das, dass ein beträchtlicher Entwicklungsspielraum besteht.

Wie können wir aber die Verbraucher überzeugen, ökologischen Erzeugnissen den Vorzug zu geben und mehr Geld für ihre Ernährung auszugeben, damit die Landwirte durch die erhöhte Nachfrage ermutigt werden, sich in diesem Sektor zu betätigen? Sicherlich durch kontinuierliche und strenge Qualitätskontrollen und die Garantie, dass die Erzeugnisse frei von genetisch veränderten Organismen sind, vor allem aber durch eine angemessene Kennzeichnung, wodurch das Vertrauen der Verbraucher gestärkt wird. Und hier sollten wir auf das außerordentlich ernste Thema hinweisen, das gewöhnlich die Ursache dafür ist, dass das Vertrauen der Verbraucher erschüttert wird, nämlich die Einfuhr angeblich ökologischer Erzeugnisse aus Drittländern. Gegenüber importierten Bioprodukten müssen wir streng sein. Nur wenn sie unter Anwendung von Produktionsmethoden erzeugt worden sind, die den in der Gemeinschaft angewendeten Methoden entsprechen, sollten sie die Kennzeichnung „ökologisch“ erhalten, denn wir alle wissen, dass die Kosten für die Herstellung ökologischer Erzeugnisse in Drittländern in der Regel niedriger sind. Wenn die Vorschriften für die ökologische Erzeugung nicht eingehalten werden, dann dürfen diese eingeführten Erzeugnisse nicht als ökologisch bezeichnet werden – andernfalls würden wir die Verbraucher täuschen – und dann dürfen sie auch nicht mit den Erzeugnissen europäischer Landwirte, die sämtliche Vorschriften und Bestimmungen einhalten, konkurrieren.

 
  
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  Marc Tarabella (PSE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren, ich möchte zunächst meine Zufriedenheit zum Ausdruck bringen. Dieser Bericht über die biologische/ökologische Erzeugung und die Kennzeichnung von biologischen/ökologischen Erzeugnissen ist endlich zur Aussprache im Plenum angekommen, und dies zu einem wichtigen Zeitpunkt, da die Abstimmung im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung am 27. Februar mit einer Demonstration von Agrobiologen zusammenfiel, die sich zu Recht über die neuen Spezifikationen für den ökologischen Landbau beklagten, deren Ziel es war und ist, 0,9 % Kontaminierung zuzulassen, dem in der konventionellen Landwirtschaft zugelassenen Grenzwert.

Dieser Bericht, der das Ergebnis der unermüdlichen Bemühungen von Frau Aubert ist, der ich meine Anerkennung zolle, ist daher äußerst wichtig für den gesamten Sektor und gibt dem Parlament die einzigartige Möglichkeit, sich vom Rat und der Kommission zu distanzieren. Er ist wirklich unverzichtbar, vor allem jetzt, um ein starkes Zeichen hinsichtlich des Schutzes der ökologischen Landwirtschaft zu setzen.

Zu diesem Zweck habe ich im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments den Änderungsantrag 170 mit folgendem Wortlaut eingereicht: „Die Mitgliedstaaten sollten den notwendigen Rechtsrahmen auf der Basis des Vorsorgeprinzips und des Verursacherprinzips schaffen, um die Kontamination ökologischer Erzeugnisse mit GVO zu verhindern. Die Wirtschaftsteilnehmer sollten alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen treffen, um eine zufällige oder technisch nicht zu vermeidende Kontamination mit GVO zu verhindern. Das Vorhandensein von GVO in ökologischen Erzeugnissen wird ausschließlich auf zufällige und technisch nicht zu vermeidende Mengen mit einem Höchstwert von 0,1 % beschränkt.“

Kurz gesagt, ebenso wie es entscheidend ist, das eigentliche Wesen der ökologischen Erzeugung nicht dadurch zu verändern, übermäßig hohe Werte zufälliger Kontamination zuzulassen, ist es wichtig, einen Mindestwert beizubehalten, der für den Sektor akzeptabel ist und von ihm akzeptiert wird, um Landwirte nicht für zufällig kontaminierte Erzeugnisse zu bestrafen, die ihren Wert vollständig verlören, wenn eine Politik der Nulltoleranz verfolgt würde.

Ferner unterstützen wir die Verwendung von natürlichem Mineral-Stickstoffdünger, sowie jedem anderen natürlichen Mineraldünger, und schlagen daher in den Änderungsanträgen 168 und 169 vor, die Textpassage in Artikel 8 Absatz 1 d), in der das Verbot der Verwendung von Stickstoffdünger vorgesehen ist, zu streichen.

Überdies teile ich uneingeschränkt die Entscheidung des Rechtsausschusses des Parlaments, zwei Rechtsgrundlagen anzuwenden – die Artikel 37 und 95 des Vertrags –, denn es hat zwei Vorteile, auch auf die Zuständigkeit des Binnenmarktes hinzuweisen. Erstens würde dieser Bericht, für den der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung gestimmt hat, auf den gesamten Sektor Verpflegungsbetriebe – Caterer, Großküchen, Kantinen, Restaurants – und auf einige Erzeugnisse wie Nahrungsergänzungsmittel ausgeweitet. Zweitens könnten wir aufgrund der Zuständigkeit des Binnenmarktes von einem Konsultationsverfahren zu einem Mitentscheidungsverfahren übergehen, wodurch wir das entscheidende Recht erhielten, die Ausarbeitung dieser Verordnung zu überprüfen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Ernährung der Europäer hat.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Trotz des großen Interesses der Verbraucher, der Erzeuger und der Medien an ökologischer Landwirtschaft entwickelt sich der Sektor nach wie vor nur langsam. Wo liegen die Ursachen hierfür und was kann getan werden, um den Verbrauch und damit auch die Produktion ökologischer Lebensmittel zu steigern?

Das Wichtigste sind meiner Ansicht nach die Gewährleistung stabiler Entwicklungsbedingungen und eine angemessene Förderung. Dazu gehören eine entsprechende Zertifizierung, Kennzeichnung und Kontrolle einschließlich der Kontrolle der Einfuhren aus Drittländern. Mit anderen Worten: Wir brauchen gute Vorschriften.

Durch das geringe Volumen des ökologischen Sektors wird der Vertrieb ökologischer Erzeugnisse enorm teuer, und das macht ihn für die großen Einzelhandelsunternehmen nicht so attraktiv. Es wäre daher sinnvoll, wenn dieser Teil der Produktionskette ökologischer Nahrungsmittel durch externe Zuschüsse gefördert würde und die Öko-Landwirte sich organisieren würden.

Wichtig wäre auch, der ökologischen Landwirtschaft im Bereich der Bildung einen höheren Stellenwert einzuräumen und stärker für diesen Sektor zu werben.

 
  
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  Bernadette Bourzai (PSE).(FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Frau Aubert zu der ausgezeichneten Arbeit gratulieren, die sie seit Beginn des Mandats, zunächst zum Europäischen Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel und danach zu diesem Vorschlag für eine Verordnung, geleistet hat. Die Aufgabe war nicht einfach, weil der Vorschlag die starke und glaubwürdige Identität der ökologischen Landwirtschaft in Frage stellte.

Wir können mit den Fortschritten zufrieden sein, die der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in mehreren Punkten erreicht hat: eine strengere Definition der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, tierärztlicher Behandlung und einzelstaatlicher Ausnahmeregelungen; verstärkte Kontrolle bei der Zertifizierung, einschließlich der Überwachung eingeführter Erzeugnisse, sowie eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Verordnung und die Konsolidierung der Regelungsausschüsse. Ich unterstütze auch die zweifache Rechtsgrundlage, durch die wir ein Mitentscheidungsverfahren erreichen.

Ich bin jedoch weiterhin sehr besorgt über die Frage des, selbst zufälligen, Vorhandenseins von GVO in ökologischen Erzeugnissen. In der Verordnung heißt es, ein Erzeugnis könne nicht als „Erzeugnis aus ökologischer Landwirtschaft“ gekennzeichnet werden, wenn es GVO enthält, doch wird ein Grenzwert von 0,9 % für eine zufällige Kontaminierung mit GVO akzeptiert, was nicht hinnehmbar ist.

Deshalb rufe ich dazu auf, die Änderungsanträge 170 und 171 der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament anzunehmen, in denen gefordert wird, das Vorhandensein von GVO in ökologischen Erzeugnissen auf Ausnahmen zu begrenzen und den Begriff nicht zu verwenden.

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE).(HU) Wir müssen gewährleisten, dass umweltbewusste Verbraucher, die sich um ihre Gesundheit sorgen und diese schützen wollen, Produkte verwenden können, die frei von Chemikalien oder von Kontamination durch genetisch veränderte Organismen sind. Wir müssen daher klar angeben, ob ein Produkt aus biologischer Erzeugung stammt. Wir müssen garantieren, dass Produkte, die das auf ökologische Erzeugung verweisende Logo der Europäischen Union tragen, zu 100 % in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien der ökologischen Erzeugung hergestellt wurden.

In diesem Bereich können wir keinerlei Zugeständnisse machen, ebenso wenig aber auch bei der Verbraucherinformation. Wir müssen auch sicherstellen, dass die Menschen, wenn sie öffentliche Informationsdienste nutzen, wählen können, ob sie sich für biologische Lebensmittel entscheiden. Dies ist nicht nur eine Frage des Verbraucherschutzes, sondern es hat auch große Bedeutung aus Sicht der Agrarstrategie und des Marktschutzes.

Ein gut formulierter, allgemein anerkannter europäischer Standard und eine entsprechende Zertifizierung, gepaart mit der harmonisierten europäischen Kennzeichnung, werden das Vertrauen der Verbraucher stärken, die Nachfrage erhöhen und das Auskommen der Erzeuger sichern. Aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse und Traditionen in den verschiedenen Mitgliedstaaten müssen wir jedoch dafür sorgen, dass sie die Angelegenheit auch noch strikter regeln können.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich sagen, dass mir die engagierte Aussprache zu diesem äußerst wichtigen Thema sehr gefallen hat. Ich schätze auch Ihre Unterstützung für die wesentlichen Aussagen dieser Ideen. Was die schwierigeren Fragen betrifft, so hoffe ich, dass ich Ihnen darlegen konnte, dass wir viele Ihrer Ideen bis zu einem gewissen Grade beherzigen können.

Ich möchte mich zu drei verschiedenen Themen äußern. Erstens zur Kennzeichnung. Es ist unabdingbar, dass bei Benutzung des EU-Logos eine Angabe des Erzeugungsortes der Ausgangsstoffe zwingend notwendig ist. Dies gilt auch für importierte Erzeugnisse, und es sollte vollkommen klar sein, dass sie die gleichen Anforderungen erfüllen müssen, die auch für heimische Erzeugnisse gelten.

Das Thema Koexistenz wurde angesprochen. Es ist sehr wichtig, dass die Mitgliedstaaten ihre eigenen Entscheidungen zu den Vorschriften für Koexistenz und Haftung auf nationaler Ebene treffen. Sobald diese gentechnisch veränderten Erzeugnisse in einem Mitgliedstaat auftauchen, muss es Vorschriften zu Abständen und zur Reinigung von Maschinen geben, wenn sie von Feld zu Feld transportiert werden. Die Entscheidung muss in den einzelnen Mitgliedstaaten getroffen werden, um den Unterschieden bei der Erzeugung im nördlichen und südlichen Europa Rechnung zu tragen. Ich kann die Mitgliedstaaten nur ermutigen, diese Vorschriften zu erlassen.

Was den Schwellenwert betrifft, auf den anscheinend jeder von Ihnen eingegangen ist, so muss betont werden, dass der Kommissionsvorschlag keine Veränderungen bei den derzeit gültigen Vorschriften in Bezug auf die unvermeidbare Anwesenheit von genetisch veränderten Erzeugnissen vornimmt. Er benennt jedoch die Verantwortung des Öko-Erzeugers, die Anwesenheit von genetisch veränderten Erzeugnissen zu vermeiden.

Ich möchte nochmals betonen, dass es vor allem darum geht, die Verwendung von genetisch veränderten Erzeugnissen und deren Ableitungen in der ökologischen Erzeugung nach wie vor strikt zu untersagen, so dass sie der ökologischen Erzeugungskette vollständig fernbleiben. Die Vorschriften zu Tests an ausnahmslos jeder Charge ökologischer Erzeugnisse, die in den Verkauf gelangt, werden weniger restriktiv sein als die derzeitigen.

Was die Gemeinschaftsverpflegung betrifft, ebenfalls von vielen angesprochen, so ist es Großküchen heute und in Zukunft möglich, nach einzelstaatlichem Recht Erzeugnisse herzustellen, die sie als ökologisch/biologisch kennzeichnen können. Das ist ganz entscheidend. Eine EU-Vorschrift oder Rechtsgrundlage dazu würden wir nicht akzeptieren.

Ich kann die Änderungsanträge 20, 31, 35, 56, 71, 75, 99, 101 und 120 annehmen. Außerdem sind, wie ich bereits erwähnte, 68 der Änderungsanträge teilweise oder grundsätzlich akzeptabel. Die übrigen Änderungsanträge kann ich auf der Grundlage unserer Aussprache dazu nicht akzeptieren, ich beziehe mich hier insbesondere auf den Änderungsantrag mit dem Vorschlag einer doppelten Rechtsgrundlage. Die Tatsache jedoch, dass 77 Ihrer Änderungsanträge vollständig oder in Teilen akzeptiert sind, lässt klar erkennen, dass wir zu diesem Thema viel mehr Gemeinsamkeiten haben, als man auf den ersten Blick annehmen könnte.

Vielen Dank für diese leidenschaftliche Aussprache.

 
  
  

VORSITZ: DIANA WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Die Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Kommissarin. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM), schriftlich. – (EN) Manche Dinge sind wie Feuer und Wasser. Biologische Veränderungen sind mit genetischen Veränderungen unvereinbar.

Ein Nahrungsmittel kann nicht als biologisch/ökologisch bezeichnet werden, wenn es genetisch verändert wurde.

In Erwägung zu ziehen, ein genmanipuliertes Nahrungsmittel als organisch zu kennzeichnen, ist dermaßen lachhaft, dass wir fragen müssen, warum diese Möglichkeit in dieser Richtlinie zugelassen ist.

Etwa deshalb, weil die Kommission weiß, dass Koexistenz nicht funktionieren wird? Wenn wir die Koexistenzpolitik der Kommission mit genmanipulierten Sorten weiterführen, dann werden die biologischen Landbaubetriebe unweigerlich kontaminiert. Oder liegt es daran, dass die Kommission erkannt hat, dass bei weiterer Ausbreitung der Landwirtschaft mit genmanipulierten Sorten der ökologische Landbau zerstört wird, wenn wir „ökologisch“ nicht neu definieren? Das wäre grob ungerecht und betrügerisch gegenüber den ökologischen Landwirten, Verkäufern und Verbrauchern.

Daher möchte ich die Kollegen ersuchen, die Änderungsanträge 166/167, 170/171, 175 und 194 zu unterstützen und die Einbeziehung eines jeglichen Schwellenwertes für genetische Kontamination abzulehnen, was heißt, den Änderungsantrag 41 des Landwirtschaftsausschusses und alle anderen mit dieser Intention abzulehnen.

 

17. Zukunft der Eigenmittel der Europäischen Union (Aussprache)
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Alain Lamassoure im Namen des Haushaltsausschusses über die Zukunft der Eigenmittel der Europäischen Union (2006/2205(INI)) (A6-0066/2007).

Ich habe erfahren, dass der Berichterstatter heute aus familiären Gründen leider nicht anwesend sein kann. Er wird von Herrn Böge vertreten.

 
  
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  Reimer Böge (PPE-DE), stellvertretender Berichterstatter. – Frau Präsidentin! Bevor ich beginne, möchte ich im Namen des Haushaltsausschusses – und rechnen Sie das bitte nicht auf die Redezeit an – unser Unbehagen darüber ausdrücken, dass die vorgesehenen Zeiten sehr weit nach hinten verschoben worden sind. Das hat dazu geführt, dass der Kollege Lamassoure aus den genannten Gründen nicht mehr anwesend sein kann. Ich bitte Sie deswegen um Verständnis, weil ich gerade eben erst darüber in Kenntnis gesetzt worden bin, dass ich seinen Redetext in der Originalversion – also in Französisch – vortragen muss. Die Kabinen haben eine entsprechende Kopie. Deswegen wird es mit den fünf Minuten etwas knapp, weil Französisch leider nur meine dritte Fremdsprache ist.

(FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bericht über die Zukunft der Eigenmittel ist sehr wichtig. Ihr Haushaltsausschuss hat einen neuartigen politischen Ansatz beschlossen. Der dem Parlament vorgelegte Bericht ist ein erster Fortschrittsbericht.

Zunächst einmal ist dies eine wichtige Frage: Die Union steckt neben der politischen Krise in einer ebenso ernsten Haushaltskrise. Die Einigung über die Finanzielle Vorausschau wurde nur auf Kosten einer Stagnation des Gemeinschaftshaushalts erreicht. Der Haushalt sieht Mittel für die GAP und Beihilfen für die neuen Mitgliedstaaten vor, lässt jedoch beispielsweise keine Mittel für das Verkehrsnetz oder Galileo zu und praktisch gar nichts für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Wir haben kürzlich den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begangen. Wir haben uns über die Erfolge der Union gefreut, einer noch engeren Union, die mit den Verträgen gegründet wurde. Lassen Sie uns den Mut haben, anzuerkennen, dass die Union bei haushaltstechnischen Fragen in den letzten fünfzig Jahren immer weniger „eng“ geworden ist: Die Haushaltssolidarität hat nicht zugenommen; sie hat insgesamt sogar abgenommen. Vor zehn Jahren stellte der europäische Haushalt 1,17 % des BIP dar, heute erreicht der Haushalt von 2007 kaum 0,99 %.

In den ersten Verträgen wurde der Grundsatz einer Finanzierung der Gemeinschaftsausgaben durch Gemeinschaftsmittel festgelegt, das heißt, mit unmittelbar der Union zugewiesenen Steuermitteln: entweder einzelstaatlichen Mitteln wie Zöllen, oder auch einer echten europäischen Steuer, beispielsweise einer Steuer auf die Umsätze von Stahl- und Kohleunternehmen im Rahmen der EGKS.

Einige meiner Kollegen, die sehr um die Souveränität der Staaten besorgt sind, scheinen völlig vergessen zu haben, dass die Verträge, denen sie, zuweilen nach Referenden, beitraten, tatsächlich eine europäische Steuer vorsahen. Aber diese Steuer besteht nicht mehr, sie wurde nicht erneuert, und Zölle stellen heute nur noch 10 % der Mittel der Union dar. Künftig wird der Großteil dieser Mittel aus Beiträgen der nationalen Haushalte stammen, und dies ist der Grund für die Finanzkrise der Gemeinschaft. Die einzige Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen, besteht darin, auf den Geist und den Buchstaben der Römischen Verträge zurückzukommen, und dies durch eine Entlastung der einzelstaatlichen Haushalte und durch die Finanzierung der Gemeinschaftsausgaben durch neue Steuermittel, die direkt bereitgestellt werden, um diese Ausgaben zu decken.

Im Bewusstsein des Problems haben sich die führenden Politiker Europas darauf geeinigt, 2008-2009 zusammenzutreffen, um das gesamte Dossier des europäischen Haushalts wieder zu öffnen, wobei das Kapitel Eigenmittel und das Kapitel Ausgaben zusammengelegt werden. Diese Verpflichtung ist ausdrücklich in der Einigung über die Finanzielle Vorausschau festgelegt.

Nun zum politischen Ansatz, der neuartig ist. Angesichts des äußerst heiklen Charakters dieser Frage schlägt der Haushaltsausschuss vor, die Finanzausschüsse der nationalen Parlamente einzubeziehen, und dies gleich von Beginn unserer Arbeiten an. In zwei Jahren haben wir vier Sitzungen abgehalten, und der Berichterstatter ist in die Hauptstädte der Hälfte der Mitgliedstaaten gereist. Ziel ist es nicht, eine Einigung zwischen allen Parlamenten zu erreichen. Dies wäre weder rechtlich noch politisch möglich. Überdies besteht kein Verfahren, das eine Stellungnahme der nationalen Parlamente gestattet, aber wir können den Boden für die Kommission und den Rat bereiten, einige Missverständnisse aus dem Weg räumen, alle Übereinstimmungen und gemeinsamen politischen Ansätze zur Kenntnis nehmen und uns über Initiativen zu einigen, die auszuschließen oder genauer zu prüfen sind.

Der heutige Bericht ist daher ein Fortschrittsbericht, mit dem Bilanz der Themen gezogen werden soll, bei denen ein recht breiter Konsens mit den Gesprächspartnern besteht, die von den nationalen Parlamenten als Delegierte zu uns entsandt wurden. Dieser Konsens besteht auf drei Ebenen: ein Konsens zur Diagnose der Schwächen des derzeitigen Systems, ein Konsens über die politische Richtung einer Reform, und ein Konsens über den Inhalt einer ersten Etappe, die recht schnell beginnen könnte, und die vor allem darin bestehen würde, das derzeitige System zu vereinfachen. Statt Regeln zu gehorchen, die über die Jahre unendlich kompliziert geworden sind, würden die Beiträge der nationalen Haushalte einfach auf der Grundlage des BIP berechnet.

Bisher gibt es jedoch noch keinen Konsens über die Dringlichkeit und den Inhalt einer zweiten Phase. Für uns hat diese Phase entscheidende Bedeutung. Sie würde darin bestehen, unter den vorhandenen Steuermitteln die auszuwählen, die nach und nach an die Stelle der nationalen Beiträge treten könnten, ohne die Belastung für die Steuerzahler zu erhöhen. Zurzeit sind im Fortschrittsbericht nur die Steuern aufgeführt, die für diese Zuweisung genutzt werden könnten, ohne dazu Empfehlungen abzugeben. Dies wird der Zweck eines zweiten Berichts sein, den ich Ende des Jahres vorlegen werde, im Anschluss an eine abschließende interparlamentarische Konferenz zu diesem Thema, die der portugiesische Ratsvorsitz für den 4. und 5. November angekündigt hat.

(Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. Vielen Dank, Herr Böge. Ich denke, der Beifall unserer Kollegen spricht für sich.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Im Namen der Kommission möchte ich dem Haushaltsausschuss und seinem ständigen Berichterstatter, Alain Lamassoure, für die beeindruckende Arbeit an diesem Bericht zu einer besonders sensiblen Thematik danken. Auch ich möchte Herrn Böge für seine ausgezeichnete Präsentation applaudieren.

Außerdem möchte ich gemäß dem interinstitutionellen Standpunkt vom 17. Mai 2006 sowie im Rahmen des Konsultations- und Reflexionsprozesses, der zu dieser Prüfung führte, darauf verweisen, dass die Kommission die Ergebnisse des ausführlichen Meinungsaustausches, den sie mit dem Parlament zwecks Analyse der Lage durchführen wird, berücksichtigen wird. Aus diesem Grunde begrüße ich die heutige Aussprache.

 
  
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  Elisa Ferreira (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. – (PT) Das gegenwärtige System ist ungerecht und für die Bürger unverständlich. Zu diesem Schluss gelangte auch der Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Das System muss dringend einer Revision unterzogen werden, und deshalb begrüße ich diesen Initiativbericht und gratuliere dem Berichterstatter zu seiner ausgezeichneten Arbeit.

Europa muss mit ausreichenden Mitteln ausgestattet sein, um seine strategischen Ziele und insbesondere die Lissabon-Strategie und den sozialen und territorialen Zusammenhalt umzusetzen. Es ist an der Zeit, die Strategie des „juste retour“ zu beenden, die das Wesen des Gemeinschaftshaushalts zerstört und die Vorteile des Binnenmarktes ignoriert, indem sie im Haushalt nicht anerkannt werden.

Fest steht auch, dass die Diskussion über die Einnahmen eine Neubewertung der Prioritäten auf der Ausgabenseite erforderlich macht. Jetzt ist es noch zu früh, um über neue konkrete Einnahmequellen und Zeitpläne zu diskutieren. Gleichwohl muss sichergestellt sein, dass sie progressiv und transparent sind und die Steuerlast für die Bürger nicht erhöhen.

Das Parlament hat heute gezeigt, dass es eine wesentliche Rolle in diesem Prozess spielen will und kann. Der Prozess muss zum Wohle Europas und aller seiner Bürger fortgesetzt werden.

 
  
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  Gerardo Galeote (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für regionale Entwicklung.(ES) Zunächst möchte ich Herrn Böge zu seinem ausgezeichneten Französisch gratulieren, um das ich ihn sehr beneide, und natürlich geht mein Glückwunsch auch an den Berichterstatter, Herrn Lamassoure, der dazu beigetragen hat, den Anstoß zu einer äußerst wichtigen Debatte zu geben. Wir werden sehen, ob die anderen Gemeinschaftsinstitutionen den Mut haben, das Thema in Angriff zu nehmen.

Ich glaube, nahezu alle von uns stimmen den Hauptzielen des Berichts zu: einem europäischen System, das für die Bürgerinnen und Bürger verständlich ist und natürlich den Steuerdruck nicht erhöht. Dennoch möchte ich auf eine der Hauptforderungen des Ausschusses für regionale Entwicklung eingehen, bei der es um die Beibehaltung der Solidarität als grundlegende Säule der europäischen Integration geht, insbesondere nach den letzten Erweiterungen.

Der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt macht ein gerechtes und ausgewogenes Finanzierungssystem notwendig, das zum einen den relativen Wohlstand und zum anderen die Beitragskapazität der Mitgliedstaaten berücksichtigt. Dazu ist es erforderlich, dass wir die regressiven Elemente des bestehenden Systems streichen, dass die Rückzahlungen, die die wohlhabendsten Länder aus dem Gemeinschaftshaushalt erhalten, abgeschafft werden und dass, wie der Bericht vorschlägt, die Zukunft der Eigenmittel auf die Kriterien Gleichheit und Progressivität gegründet wird.

Die Vorteile der europäischen Aktionen, Frau Präsidentin, können nicht durch die Errechnung der Nettoüberschüsse gemessen werden, die beispielsweise nicht die innergemeinschaftlichen Handelsbilanzen berücksichtigt. Das zentrale Element der künftigen europäischen Finanzierung müssen meiner Ansicht nach Beiträge in Abhängigkeit vom Bruttosozialprodukt der Mitgliedstaaten sein.

 
  
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  Carlos Carnero González (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für konstitutionelle Fragen.(ES) Wir alle stimmen überein, dass unser Ziel eine effektivere und demokratischere Europäische Union sein muss, und dazu benötigen wir zwei Instrumente: die Verfassung, die sich im Ratifizierungsprozess befindet, und die materiellen Mittel zur Erreichung unserer Zielsetzungen.

Unsere Mittel sind weder ausreichend noch transparent und deshalb ist die derzeitige Lage nicht mehr tragbar. Es stimmt, dass die europäische Verfassung ein neues Gleichgewicht herstellt, in dem das Europäische Parlament als Haushaltsbehörde mehr Befugnisse hat, das trifft jedoch nicht für die Eigenmittel zu. Auch wenn dieses Gleichgewicht heute anscheinend akzeptabel ist, muss dieses Haus künftig die Möglichkeit haben, Rechtsvorschriften zu den Eigenmitteln auf der Grundlage von zwei Faktoren zu erlassen: erstens, einer direkten Beziehung zwischen Bürgern und Mitteln, und zweitens, der Abschaffung von Ausnahmen, Rabatten und Schecks.

Wenn der Bericht Lamassoure in diese Richtung geht, was er meines Erachtens tut, wird der Ausschuss für konstitutionelle Fragen im vorliegenden Fall und bei dem künftigen Text in die gleiche Richtung arbeiten.

 
  
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  Salvador Garriga Polledo, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Es ist beschämend, dass unser Berichterstatter, Herr Lamassoure, nicht an der Debatte über diesen wichtigen Initiativbericht teilnehmen kann, und es ist eine wirkliche Schande, dass unsere parlamentarische Arbeit anderthalb Stunden später beginnen muss, denn darunter leiden wir alle.

Auf jeden Fall wird die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten den Bericht von Herrn Lamassoure unterstützen, vor allem aus einem Grund: Die letzte Vereinbarung über die Finanzielle Vorausschau hat gezeigt, dass das System unzulänglich ist, und zwar trotz der Tatsache, auf die Herr Lamassoure in Ziffer 10 hinweist, dass wenn der Rat dem Beschluss von Edinburgh aus dem Jahre 1992 in Bezug auf 1,24 % des Bruttosozialprodukts der Europäischen Union für den Gemeinschaftshaushalt gefolgt wäre, wir 240 Milliarden Euro mehr haben würden, die ausgereicht hätten, um über diese Jahre ambitiösere Gemeinschaftsaktionen zu finanzieren, die für jeden einzelnen Mitgliedstaat viel effektiver gewesen wären.

Der Beschluss von Edinburgh von 1992 enthielt somit die Lösungen, doch die Mitgliedstaaten waren danach nicht in der Lage, sie umzusetzen, das sagt Herr Lamassoure selbst.

Deshalb müssen wir nach dem größtmöglichen Gemeinschaftshaushalt suchen und nicht nur neue Eigenmittel schaffen – um die es in der zweiten Phase im Bericht Lamassoure geht und über deren Notwendigkeit wir uns einig sind –, sondern wir müssen auch, wie der Berichterstatter ganz klar feststellt, eine direkte Verbindung zwischen den Eigenmitteln und den zu finanzierenden Politikbereichen, den Ausgaben, herstellen, aber auf der Basis einer grundlegenden Idee, Frau Präsidentin: der Solidarität. Das bedeutet, dass die von den Strukturfonds oder von den Agrarbeihilfen Begünstigten nicht für die Mängel zahlen sollten, die uns die Mitgliedstaaten auferlegen.

 
  
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  Catherine Guy-Quint, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Initiativbericht, den wir heute erörtern, bezieht sich auf einen Bereich, der für die Zukunft der Union entscheidende Bedeutung hat, die Frage ihrer Finanzmittel. Über die Mittel der Union zu sprechen, heißt, über ihre Unterhaltsmittel zu sprechen, vor allem aber sprechen wir über ihre Mittel, um Aufgaben wahrzunehmen und eine öffentliche Politik zu konzipieren. Wir sprechen über die Fortführung der europäischen Idee und der innovativen Politik, die allein Europa uns ermöglicht.

Ziel der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament ist es, diese beiden ehrgeizigen Ziele zu erreichen: die Fortführung des Projekts Europa und die politische und wirtschaftliche Innovation. Entscheidend ist es für das Parlament, den Mitgliedstaaten zu zeigen, dass das Europa der Vorhaben, das Europa des Teilens und der Solidarität möglich ist. Dies bedeutet, dass wir nicht auf unseren nationalen Vorteilen beharren dürfen. Es bedeutet, einen verantwortungsvollen Vorschlag des Parlaments in der Hoffnung anzunehmen, dass der Rat sich in Richtung eines transparenten, gerechten und effizienten Systems bewegt. Die Mittel der Union müssen heute tatsächlich vereinfacht werden. Das komplexe System ist für die Bürger und die europäischen Entscheidungsträger unverständlich geworden. Es ist ein ungerechtes und ungeeignetes System.

Unsere Arbeit, die wir gemeinsam mit den nationalen Parlamenten geleistet haben, hat uns davon überzeugt, dass die Einführung eines neuen Mittelhaushalts lange Zeit dauern wird und in zwei Etappen stattfinden muss. Derzeit beschränken sich die Verhandlungen über den Gemeinschaftshaushalt auf den Zusammenprall des Egoismus der Mitgliedstaaten. Hier wird ein falsches Prinzip festgelegt: das Prinzip der angemessenen Gegenleistung, das die europäische Solidarität untergräbt und unserem Vorhaben zuwiderläuft. Es ist das Gift der Europäischen Gemeinschaft. Der Begriff der Nettobilanz sollte aufgegeben werden.

Dank des Berichterstatters und der Änderungsanträge des Haushaltsausschusses wird im Text die Bedeutung der endgültigen Abschaffung aller Formen von Kompensationen und Rabattsystemen betont. Es ist daher sinnvoll, die Mehrwertsteuermittel zeitweise abzuschaffen, denn in ihrer derzeitigen Form rechtfertigen sie alle Fälle, in denen ein Rabatt gezahlt wird. Wir bestätigen auch die Optionen des Berichts Böge zur Finanziellen Vorausschau. Diese Reform der Einnahmen muss mit einer Reform der Ausgaben verbunden werden. In diesem Rahmen kann die Kofinanzierung der GAP erwogen werden, jedoch ohne Renationalisierung.

Wir müssen zunächst das ungerechte System kritisieren, damit wir Europa danach mit Mitteln ausstatten können, die gesunde und gerechte Grundlagen haben. Erst nachdem dies getan ist, schlägt Herr Lamassoure vor, eine Steuer einzuführen, die verschiedene Formen haben könnte, wobei die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten bestehen bleibt. Wir unterstützen den Gedanken einer konsolidierten Steuer, beispielsweise einer Körperschafts- oder Ökosteuer, wie dies Jacques Delors bereits 1991 vorgeschlagen hat, oder eine Steuer auf Finanztransaktionen, eine Steuer auf Devisengeschäfte.

In diesem Bericht schränken wir den Bereich des Möglichen nicht ein. Wir bereiten die zweite Phase unserer Arbeit vor. Wir stellen daher die Widersinnigkeit eines Systems fest, um es abschaffen zu können. Mit Ausnahme der Zölle und einiger Steuern auf landwirtschaftliche Tätigkeiten sind die anderen Einnahmen keine Eigenmittel.

Abschließend sei gesagt, dass die Ausstattung der Union mit wirklichen Finanzmitteln bedeutet, die Haushaltsautonomie Europas zu stärken, damit es nicht länger von der Blockademacht eines Mitgliedstaats abhängt. Es bedeutet auch, dem Haushalt wieder Kohärenz zu geben. Wer auch immer über Ausgaben entscheidet, muss gegenüber der Öffentlichkeit für die Einnahmen verantwortlich sein. Und schließlich bedeutet es, vom Gedanken der Rendite für investiertes Kapital wegzukommen, der seit Jahren alle unsere europäischen Vorhaben unterminiert und den Gedanken der Solidarität selbst zerstört, der die Grundlage Europas bildet, dessen 50. Jahrestag wir gerade begehen.

 
  
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  Jan Mulder, im Namen der ALDE-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Meine Glückwünsche an den abwesenden Herrn Lamassoure für seinen Bericht sowie an Herrn Böge, der den Bericht vertretungsweise vorgetragen hat. Wir alle wissen um die auf dem letzten Gipfel des Jahres 2005 gefassten Beschlüsse und um ihre Vorgeschichte. Gezanke ist meines Erachtens kein würdiges Schauspiel für Europa. Zur Lösung des Problems unserer Eigenmittel müssen wir andere Möglichkeiten finden, und der Bericht Lamassoure weist dafür den richtigen Weg.

Die große Mehrheit der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz kann den wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts Lamassoure zustimmen. Das Bruttonationaleinkommen stellt unserer Ansicht nach das wohl geeignetste Instrument zur Messung des Wohlstands der einzelnen Länder und zur Berechnung der darauf beruhenden Beiträge dar. Das sollte uns jedoch nicht daran hindern, zu einem späteren Zeitpunkt andere Optionen zu prüfen, wobei, wie von vielen meiner Vorredner ausgeführt wurde, diese nicht zu höheren Steuern führen dürfen, sondern für einen Teil der Einnahmen, die der Union zufließen, die bestehenden Steuern in Anspruch genommen werden müssen.

Wir teilen nicht die Ansicht, es sei bedauerlich, dass die 1992 in Edinburgh beschlossenen 1,24 % nicht genutzt wurden. Die Kommission hatte schon genug Schwierigkeiten zu überwinden, um den bestehenden Haushalt auszuführen. Jedes Jahr fließen so viele Millionen an die Mitgliedstaaten zurück, dass die Logik einer weiteren Aufstockung des Haushalts und noch höherer Ausgaben schwer zu rechtfertigen ist.

Haushalte müssen auf der Grundlage der tatsächlichen Erfordernisse berechnet werden, und bislang haben wir diese Obergrenze von 1,24 % noch nicht erreicht. Zufälligerweise ist die für die Landwirtschaft zuständige Kommissarin heute Abend hier anwesend, und ich kann ihr mitteilen, dass nach Auffassung der ALDE-Fraktion die obligatorische Kofinanzierung bestimmter Agrarausgabenbereiche einen erheblichen Vorteil für Europa bedeutet und von uns zukünftig nachdrücklich gefördert werden sollte; wer weiß, vielleicht kommt ihr noch ein guter Gedanke für die von ihr geprüften Lösungen für eine Sanierung im kommenden Jahr.

 
  
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  Zbigniew Krzysztof Kuźmiuk, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Frau Präsidentin! Frau Kommissarin! Ich möchte einige Anmerkungen zur Aussprache über die Zukunft der Eigenmittel der Europäischen Union machen.

Erstens: Das gegenwärtige System der Eigenmittel der Union ist nicht transparent und – was noch schwerer wiegt – ungerecht. Durch die „Weihnachtsgeschenke“ des Europäischen Rates auf seiner Tagung in Brüssel im Dezember 2005 ist es noch komplizierter geworden.

Zweitens: Wie dieses System zeigt, sind einzelne Mitgliedstaaten absolut nicht bereit, Politikbereiche zu finanzieren, von denen sie selbst wenig profitieren. Das beste Beispiel hierfür ist der britische Rabatt.

Drittens: Der Vorschlag für ein neues Eigenmittelsystem und insbesondere für eine neue europäische Steuer ist zumindest aus zwei Gründen inakzeptabel. Zum einen wurde damit die Steuerlast der Bürger steigen, zum anderen würden die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Steuerhoheit einbüßen.

Viertens: Die Aussagen im Bericht, wonach die Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik ineffektiv seien, geben Anlass zu ernster Sorge. Die Ernährungssicherheit in der Europäischen Union bildet einen der Eckpfeiler ihrer Existenz, und allein schon aus diesem Grund darf die Finanzierung der Landwirtschaft nicht in Frage gestellt werden. Der Vorschlag für eine Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik ist ebenfalls inakzeptabel.

 
  
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  Gérard Onesta, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (FR) Frau Präsidentin, vorhin waren hier im Plenarsaal sehr viele Menschen anwesend: Wir sprachen über die Erklärung von Berlin. Doch heute Abend können wir dieser Erklärung in einem Plenarsaal, in dem sehr viel mehr Plätze leer geblieben sind, vielleicht Substanz geben, denn wenn wir meinen, wir könnten Europa bauen, ohne es mit den dafür notwendigen Mitteln auszustatten, werden wir nicht sehr weit kommen. Tatsache ist, dass die Haushaltsmittel bisher von Strukturen abhängig waren, die mit sechs Ländern funktionierten, aber mit siebenundzwanzig Ländern unbrauchbar geworden sind. Das große Verdienst des Berichts von Alain Lamassoure besteht darin, dass er dies ganz deutlich kritisiert. Eine derart nationalisierte Finanzierung, bei der man jeden gezahlten Euro sozusagen mit einer Nationalflagge versieht und versucht, mehr zurückzubekommen, als man gegeben hat, funktioniert nicht. Diese Kritik ist ein Aspekt des Berichts, der der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz zusagt.

Es gibt jedoch Dinge, die uns sehr viel weniger gefallen. Wir verstehen nicht, warum wir uns selbst Beschränkungen auferlegen, wenn dies ein Initiativbericht ist. Natürlich hätten wir gern den Begriff „europäische Steuer“ gesehen. Ich bin sicher, wir sind hier in diesem Hohen Haus in der Mehrheit, wenn wir sagen, dass wir es wagen müssen, diesen Begriff zu verwenden, um die verdeckte europäische Steuer zu ersetzen: eine Prise MWSt. hier, einen kleinen Beitrag dort. Wir hätten es wagen sollen, diesen Begriff in den Bericht aufzunehmen. Warum sprechen wir im Übrigen über einen Übergangszeitraum, wenn wir doch sehr gut wissen, worin unser Ziel besteht? Indem wir versuchen, den einen zu schmeicheln und die anderen zu beruhigen, nehmen wir dem Bericht alle Stärke, obwohl die Ausgangspunkte ausgezeichnet waren.

Mein letzter Punkt ist sehr wichtig für unsere Fraktion: Warum legen wir uns vor dem Start des Wettkampfs selbst Hindernisse in den Weg, indem wir die Latte bei 1,24 % anlegen? Warum sollte sich das Parlament vor dieser heiligen Kuh verneigen, die es immer angeprangert? Wir wissen – und wir werden dies nächstes Jahr, 2008, erörtern –, dass diese Schwelle verhindert, dass die europäische Politik mit echten Mitteln unterstützt wird. Vergleichen wir es einmal mit dem, was unsere Nachbarn tun. In den Vereinigten Staaten legen sie 20 % ihres BIP zusammen.

Daher ist klar, dass der Bericht Lamassoure bedauerlicherweise hier und da Zugeständnisse machen musste, bis hin zur Selbstbeschränkung. Unsere Frage lautet: Wie können wir Alain Lamassoure dazu ermutigen, voranzuschreiten ohne zu scheitern? Die beste Antwort, die wir gegeben haben, lautet, sich zu enthalten.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Frau Präsidentin! Der Berichterstatter, Herr Lamassoure, hat eine korrekte Einschätzung getroffen: Es ist jetzt nicht die Zeit, dass Mitgliedstaaten ihre Souveränität in steuerlichen Angelegenheiten aufgeben. Das gegenwärtige System der Eigenmittel weist viele Mängel auf. Für den Rabatt an das Vereinigte Königreich gibt es keine Rechtfertigung. Auch die Sonderrabatte, die einige andere Mitgliedstaaten in dessen Schatten beim 2005er Gipfel erreicht haben, sind nicht gerechtfertigt. Unsere Aufmerksamkeit gilt ganz zu Recht dem so genannten Rotterdam-Effekt, der Überkompensation durch die 25 %ige Prämie für die Erhebung der Zölle. Dieses System kann ohne die gleichzeitige Berücksichtigung der Verteilung der Ausgaben der Union und insbesondere der Erstattungen an Mitgliedstaaten in Form von Agrarbeihilfen nicht reformiert werden. Die gemeinsame Finanzierung der Landwirtschaft wird in dem Bericht unter den Teppich gekehrt, und dort werden wir sie mit Sicherheit auch in der Halbzeitbewertung zur Finanziellen Vorausschau für 2007-2013 wiederfinden. Dann muss diesen Problemen Aufmerksamkeit gewidmet werden, und sie sollten nicht dadurch gelöst werden, dass der EU das Recht zur Erhebung von Steuern gegeben oder eine gemeinsame europäische Steuer eingeführt wird.

 
  
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  Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Frau Präsidentin! Es ist die Einführung einer EU-Steuer angesprochen worden, da offensichtlich einige der Ansicht sind, die EU habe viel zu wenig Geld. Das soll dadurch gelöst werden, dass die EU die Möglichkeit erhält, eine Steuer zu erheben, die direkt aus den Taschen der Bürger bezahlt wird. In Ziffer 6 des Berichts wird das Erfordernis der Einstimmigkeit bei Beschlüssen zu derartigen Fragen kritisiert. Offensichtlich soll die Möglichkeit geschaffen werden, widerstrebende Länder zu überrollen. Das ist ein bedauerlicher Standpunkt, insbesondere aus Sicht der Demokratie.

Die Juniliste widersetzt sich der Möglichkeit, dass die EU an den nationalen Steuern teilhaben könnte. Der Bericht zielt darauf ab, einen weiteren Schritt in Richtung auf einen EU-Staat mit Besteuerungsrecht, gemeinsamem Außenminister, gemeinsamen Streitkräften und gemeinsamer Währung zu gehen – ein furchtbarer Gedanke! Wir haben einen Änderungsantrag eingereicht, in dem wir das uneingeschränkte Recht der Mitgliedstaaten auf Selbstbestimmung auf steuerlichem Gebiet betonen. Unserer Ansicht nach setzt die Einführung einer EU-Steuer jeglicher Art das Einverständnis aller Mitgliedstaaten voraus. Das entspricht auch der Auffassung der Bürgerinnen und Bürgern in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten.

Wir Abgeordnete des Europäischen Parlaments müssen den Wünschen unserer Auftraggeber, d. h. den Ansichten der Bürgerinnen und Bürger, folgen und dementsprechend handeln. Ich hoffe deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir diesen verwerflichen Bericht bei der morgigen Abstimmung klar und deutlich ablehnen.

 
  
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  Petre Popeangă, în numele grupului ITS. – Raportul Lamassoure, excelent prezentat de domnul Böge, este o continuare logică a demersurilor anterioare în acest deosebit de seducător domeniu al reformării sistemului resurselor financiare proprii Uniunii Europene.

Demersul este, cel puţin în plan teoretic, deosebit de interesant, motivat de faptul că, pornind de la realitatea insuficienţelor actualului sistem de finanţare a bugetului Uniunii Europene, prezintă o foarte curajoasă propunere de reformare a acestuia. Am limitat aprecierea la planul teoriei, deoarece consider că în stadiul actual de dezvoltare economică diferită a statelor membre, adoptarea unui sistem de finanţare bazat în întregime pe surse de natură fiscală, nu mi se pare total realistă.

Fără a nega necesitatea reformei, mult mai pragmatică mi s-ar părea o abordare progresivă a acestei acţiuni, bazată pe menţinerea resursei tradiţionale, descrescătoare în timp, dublată de resurse de natură fiscală în pondere crescătoare. Menţionez, de asemenea, că propunerea privind extinderea principiului adiţionalităţii asupra unor politici a căror implementare antrenează resurse consistente de la bugetul comunitar, este puternic defavorabilă statelor membre mai puţin dezvoltate, precum România, deoarece antrenează în mod automat cofinanţări de la bugetul naţional în detrimentul finanţării propriilor programe.

În sfârşit, dintre mai multe observaţii pe care le am în legătură cu modificarea sistemului resurselor proprii, propusă de autori pentru etapa a doua a reformei, o să mă opresc doar la două: cea privind posibila alegere a TVA ca sursă proprie a bugetului Uniunii, acţiune pe care o apreciez ca fiind complicată, chiar în condiţiile înscrierii în documente a cotei-părţi destinate bugetului comunitar şi, de asemenea, cea privind impozitul pe profit, datorită faptului că în această materie nu există armonizare legislativă necesară, fiecare stat membru având în prezent reglementări proprii, fapt ce face ca această resursă să fie, cel puţin deocamdată, de neluat în considerare.

 
  
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  Hans-Peter Martin (NI). – Frau Präsidentin! Ich schaue in die Augen eines nicht nur von mir als hochintelligent eingeschätzten Menschen, Herrn Böge, und im Raum hier sind auch einige andere anwesend, von denen man doch weiß, dass sie eins und eins zusammenzählen können. Dann schaue ich mir diesen Bericht an, und denke: Wo seid Ihr denn? Wie unheimlich unrealistisch ist denn das? Als akademischer Diskurs mag es seinen Wert haben, aber allein dafür würden wir diesen Saal hier nicht brauchen.

Wer in dieser Welt kauft denn ein Produkt, von dem er nicht überzeugt ist, dass es den Preis wert ist? Wir müssen doch zuerst einmal das, was die EU leistet — und vor allen Dingen nicht leistet — korrigieren, zusammenfassen und uns dann zügig daran machen, die Finanzierung auf die richtige Ebene zu bringen: Agrarbereich, Kohäsionsfonds, das Weiterlaufen von so vielen Töpfen und Programmen, die sich eigentlich schon selbst hätten erledigen müssen. Da müssen wir doch zuerst anfangen.

Ich halte den Vorschlag — der auch aus Ihrem Land kommt, ich glaube sogar, aus Ihrer Fraktion, Herr Böge —, nämlich zu schauen, ob wir nicht in manchen Bereichen einfach wirklich nur Nettozahlungen haben, für vernünftig, weil er Kontrolle ermöglicht. Wenn es dann noch nicht reicht und wir Eigenmittel brauchen, dann kann man über vieles reden, aber nicht so falsch herum, wie es derzeit der Fall ist.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir dringend weniger Bürokratie und dafür mehr Demokratie brauchen, gerade auch in diesem Fall.

 
  
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  Richard James Ashworth (PPE-DE).(EN) Frau Präsidentin! Grundsätzlich ist das Ziel, das System der Eigenmittel einfacher, transparenter und für die Bürger leichter verständlich zu machen, begrüßenswert. Ich gratuliere Alain Lamassoure zu seiner geleisteten Arbeit, um die Debatte zu beleben und auf die Notwendigkeit von Veränderungen zu verweisen.

Ich schließe mich ihm an, dass das derzeitige Element auf Grundlage der Mehrwertsteuer zu kompliziert ist und einer Veränderung bedarf. Angesichts der anderen traditionellen Eigenmittel sehen wir jedoch keine Veranlassung für eine Veränderung. Ein Finanzierungssystem auf BNE-Basis ist unserer Ansicht nach sowohl logisch als auch fair, und wir unterstützen dieses System gern. Allerdings sehen wir nicht ein, dass diese Ressource zu einem echten Eigenmittel werden soll. Ganz im Gegenteil: Wir halten eine gesunde Debatte zwischen den Mitgliedstaaten als Zahlmeister und der Kommission als Dienerin für nützlich. Damit wird der Öffentlichkeit ganz klar signalisiert, dass die EU keine selbsttragende Einrichtung ist, sondern vielmehr dafür da ist, den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, ihre gegenseitigen Ziele zu erreichen.

Wir begrüßen auch die Möglichkeit, die Gemeinsame Agrarpolitik zu überprüfen. Das ist zweifellos eine schwierige Aufgabe, denn eine reformierte Gemeinsame Agrarpolitik muss die neuen Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer landwirtschaftlichen Grundlage unterstützen und gleichzeitig den EU-15 ermöglichen, mit öffentlicher Unterstützung Mittel an umweltbezogene Elemente zu überweisen und die allgemeinen Kosten in der Gemeinschaft zu reduzieren.

Daher begrüße ich das Prinzip der obligatorischen Kofinanzierung. Es ist der logischste Ansatz für eine Reform der Ausgabenseite und, wie aus dem Bericht zu ersehen ist, bietet er die Möglichkeit, die Notwendigkeit von Abzügen abzuschaffen.

Jedoch verweise ich abermals darauf, dass die Verhandlungen sehr schwierig sein werden und sicherlich für die bereits für 2008-2009 angesetzte Haushaltsbilanz besser geeignet wären. Aus diesen Gründen werde ich gegen den Bericht stimmen.

 
  
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  Jutta Haug (PSE). – Frau Präsidentin, Frau Kommissarin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute wieder einmal über die Zukunft der Eigenmittel. Das tun wir zurzeit eigentlich nur für das Protokoll. Die zuständige Kommissarin ist nicht da, die Ratsbänke sind vollständig leer und alle, die ich hier sehe, sind die Kollegen, die mit mir schon viele Stunden im Haushaltsausschuss diskutiert haben, als wir den Zwischenbericht von Alain Lamassoure erörtert haben. Wir haben noch einmal alle Argumente ausgetauscht, die wir schon 1990, 1994, 2001 und 2005 für die wesentlichen Punkte für eine Reform der Eigeneinnahmen hielten. Wir wollen ein einfacheres System als das, was wir zurzeit haben. Wir wollen mehr Gerechtigkeit, mehr Gleichheit unter den Mitgliedstaaten, auch auf der Einnahmenseite – weg mit allen Ausnahmen –, und wir wollen größere Transparenz auf der Einnahmenseite des Haushalts. Transparenz für alle Abgeordneten im Parlament, für die Mitglieder des Rates und vor allem für alle Bürgerinnen und Bürger. Es kann doch nicht so schwer sein für den Rat, sich diese Forderungen auch zu eigen zu machen. Wir können nicht so wie letzten Sonntag die berühmt-berüchtigten Sonntagsreden halten, aber keinen Schritt auf die Bürgerinnen und Bürger zu machen. Dabei ist es ja nicht damit getan, die Bürgerinnen und Bürger den Haushalt der Europäischen Union verstehen zu lassen. Es geht auch um mehr Demokratie.

Das Europäische Parlament als Vertreter der Völker Europas kann nur über die Ausgaben der Europäischen Union mitentscheiden, nicht aber über die Einnahmen. Das führt zu der ziemlich abstrusen Situation, dass der Rat uns unseren Teil an Verantwortung verweigert, aber gleichzeitig das Parlament als Ausgabenparlament diffamiert, das nur deshalb für die Erhöhung von Ausgaben sein könne, weil es nicht für die Einnahmen verantwortlich sei, diese also auch nicht zu rechtfertigen habe. Das gibt es doch nicht, werden jetzt einige von Ihnen sagen. Doch, das gab es! Ich habe es selbst erlebt. Innerhalb einer halben Stunde kamen beide Aussagen aus ein und demselben Mund ein und desselben Finanzministers.

Dabei ist das Parlament immer verhandlungsbereit. Nie wollten wir mit dem Kopf durch die Wand. Das hat auch jetzt wieder Alain Lamassoure in seiner charmanten Art mit seinem sehr moderaten Vorschlag einer zweiphasigen Reform der Eigenmittel bewiesen. Wir unterstützen ihn fast ausnahmslos, auch darin, dass er zurzeit nicht die nationale Steuerhoheit mit der Forderung nach einer europäischen Steuer antasten will. Diese Unterstützung – ich gebe es gerne zu – bekommt er auch von mir. Von mir, die ich, seit ich hier im Parlament bin, immer wieder gefordert habe: No representation without taxation. Sie sehen, das Europäische Parlament hat sich jetzt schon, ohne dass die Verhandlungen mit dem Rat bereits begonnen hätten, bewegt. Nun erwarten wir, dass sich auch der Rat in Vorbereitung der gemeinsam verabredeten Revision in Bewegung setzt. Er sollte endlich einmal kooperativ sein.

 
  
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  Gérard Deprez (ALDE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Zustimmung zu dem ausgezeichneten Bericht unseres Kollegen Alain Lamassoure zum Ausdruck bringen, der von unserem Kollegen, Herrn Böge, hervorragend vertreten wurde.

Zunächst einmal, ich unterstütze die verwendete Methode. Unser Berichterstatter hat richtig verstanden, dass die Reform der Finanzierung der Union nicht ohne die Zustimmung der Mitgliedstaaten geschehen kann – mit anderen Worten, ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente. Wir müssen den Kontakt zu ihnen halten, denn wir müssen sie überzeugen.

Zweitens, ich unterstütze – und das ist der Kernpunkt – die Struktur des Berichts, in dem eine umfassende Reform vorgeschlagen wird, die sich jedoch in zwei Phasen gliedert. Eine erste, dringlichere Phase, in der das derzeitige System von allen Krankheiten gereinigt wird, die es über die Jahre angesammelt hat. Schluss mit den kleinen Geschenken zwischen Freunden, Schluss mit den Rabatten, dem Rabatt auf Rabatte, den Ausnahmen, den Obergrenzen und dem erbärmlichen Feilschen. Die Sanierung hat Vorrang. Über die zweite Phase werden wir später Gelegenheit haben zu sprechen.

Ein letztes Wort noch, Frau Präsidentin. Vorrang für uns hat der Verfassungsvertrag. Sollte diese Haushaltsdebatte dies erschweren, müssen wir den Mut haben, sie zu vertagen.

 
  
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  Pierre Jonckheer (Verts/ALE).(FR) Frau Präsidentin, Herr Böge! Ich halte die Arbeit von Herrn Lamassoure und des Haushaltsausschusses für nutzbringend. Wir teilen seine Kritikpunkte und wir teilen – und dies schon seit langem, darf ich sagen – den zentralen Gedanken, dass wir ein neues Eigenmittelsystem brauchen.

Ich für meinen Teil möchte meine tiefe Enttäuschung gegenüber insbesondere Absatz 28 und folgende zum Ausdruck bringen, die meines Erachtens darauf abzielen, die Bevölkerung zu beruhigen, sich aber auf eine falsche Realität stützen. Eine falsche Realität in Hinblick auf die Behauptung, die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten müsse erhalten bleiben, während diese Steuerhoheit doch wegen des Steuerwettbewerbs innerhalb der Union in Wirklichkeit gar nicht existiert. Eine falsche Realität hinsichtlich der Steuerneutralität, weil dadurch eine zusätzliche Einschränkung für den EU-Haushalt geschaffen wird, während die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten sich unterscheiden und mit der Zeit entwickeln kann. Und schließlich eine falsche Realität hinsichtlich der Größenordnung des Haushalts.

Bei dieser Frage lehne ich das Argument von Herrn Mulder ganz und gar ab: Nein, wir haben nicht genug Geld. Nein, wir haben nicht genug Geld für Life+. Nein, wir haben nicht genug Geld für die Außenpolitik. Nein, wir haben nicht genug Geld für die Bildungs- und Forschungspolitik. Und Nein, wir haben auch nicht genug Geld für die transeuropäischen Netze. Dies war einer der Standpunkte des Parlaments, und ich verstehe nicht, dass wir in einem Initiativbericht einen Schritt zurückgehen.

 
  
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  Jeffrey Titford (IND/DEM).(EN) Frau Präsidentin! Ein guter Untertitel für diesen Bericht wäre „ein erster zaghafter Anfang“. EU-Berichte, in denen es heißt, dass sie Grundsätze respektieren, in diesem Falle die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten voll respektieren, sind mir immer suspekt. Das ist oftmals ein Vorspiel zu genau entgegengesetztem Handeln. Obwohl er das erwähnte Grundprinzip zu achten vorgibt, begibt sich dieser Bericht sofort in die Doppelbödigkeit, indem erklärt wird, dass Mitgliedstaaten die Union trotzdem für einen begrenzten, jederzeit widerrufbaren Zeitraum autorisieren können, direkt von einem Steuersatz zu profitieren.

Mit anderen Worten versucht die Europäische Kommission den Grundsatz zu etablieren, dass die EU direkt beim Steuerzahler in den Mitgliedstaaten Steuern erheben kann. Das ist ein überaus gefährlicher Präzedenzfall, der sich noch verschlimmert angesichts gestriger Enthüllungen über polizeiliche Durchsuchungen bei der Kommission, die gleichzeitig in mehreren Ländern stattfanden.

Weil ich den Begriff „Betrug“ gebraucht habe, wurde ich in diesem Hohen Hause bereits gerügt. Jedoch ist klar, dass die Polizei der Auffassung ist, dass dieses Wort seine Berechtigung hat.

In diesem Bericht wird auch die schrittweise Abschaffung des Britenrabatts gefordert, was ich absolut nicht unterstützen kann und bis zum Ende dafür kämpfen werde, um das abzuwenden. 40 Millionen Pfund pro Tag sind genug. Von Großbritannien kann nicht erwartet werden, noch mehr in das lecke EU-Finanzsystem einzuzahlen.

 
  
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  Sergej Kozlík (NI).(SK) In der Europäischen Union gibt es keine Eigen- und Nichteigenmittel. Es gibt lediglich das Geld der europäischen Steuerzahler und die mehr oder weniger komplizierten Mechanismen der Zuordnung dieser Mittel zum EU-Haushalt, was für den EU-Bürger allerdings nicht von Belang ist.

Was den Bürger dagegen sehr interessiert, ist die Art und Weise, wie diese Mittel ausgegeben werden. Im Hinblick auf deren effizientem Einsatz hegen nicht nur sie, sondern auch wir, die wir in den Abgeordnetenrängen sitzen, unsere Zweifel. Wenn wir nicht zunächst das Problem der effizienten und vertrauenswürdigen Nutzung der europäischen Haushaltsgelder lösen, wird dem europäischen Steuerzahler keine einzige Form der Bereitstellung von Mitteln für Ausgaben ausreichend transparent erscheinen.

Die klassische Buchhalterformel des „Soll und Haben“ wird in diesem Fall ersetzt durch „Soll und nur schwer zu haben“. Das erleben wir gegenwärtig. Die Debatte über die Zukunft unserer Eigenmittel ist zweifellos begrüßenswert, wobei dieses Problem aber in engem Zusammenhang mit der Reform der EU-Ausgaben steht.

 
  
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  Valdis Dombrovskis (PPE-DE).(LV) Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Eigenmittelsystem des EU-Haushalts hat sich seit seiner Einführung 1970 erheblich verändert. Die Rolle der herkömmlichen Eigenmittel und der Mehrwertsteuer-Eigenmittel innerhalb der EU-Haushaltseinnahmen ist allmählich geringer geworden, während die Rolle der BSP-gestützten Eigenmittel erheblich zugenommen hat. Diese Mittel, die fast als zusätzliche Eigenmittel bezeichnet werden könnten, bilden nun rund 75 % der Haushaltseinnahmen der EU. Auch wenn die Dominanz der Eigenmittel auf BNE-Grundlage gewährleistet, dass die Zahlungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten ihrem relativen Wohlstandsniveau entsprechen, erschwert sie die Finanzierung des EU-Haushalts dennoch erheblich. Anstatt sich auf die prioritären Themen, die in der EU gelöst werden können, zu konzentrieren, verwenden die Mitgliedstaaten den Großteil ihrer Zeit darauf, um ihre Beitragsniveaus zu feilschen.

Die Höhe der Finanzierung des EU-Haushalts wird weitgehend durch die Ergebnisse dieser Feilscherei bestimmt, wobei die zuvor von den Mitgliedstaaten selbst gemachten Zusagen häufig außer Acht gelassen werden. Als Folge wächst der EU-Haushalt erheblich langsamer als die Haushalte der Mitgliedstaaten, und zahlreiche für die Europäische Union insgesamt wichtige Prioritäten leiden unter ungenügenden Geldmitteln. Es ist wichtig, dass bei einer Reform des EU-Eigenmittelsystems ein ausreichender jährlicher Anstieg der EU-Haushaltseinnahmen gewährleistet wird. Dieser Zuwachs sollte proportional zum Wachstum der EU-Wirtschaft verlaufen und sich automatisch aus der Struktur des Eigenmittelsystems herleiten, anstatt das Ergebnis von Gefeilsche zwischen den Mitgliedstaaten zu sein. Eine solche Struktur stellt natürlich die bestehende Eigenmittelobergrenze von 1,24 % der BNE-Mittel der Europäischen Union nicht in Frage. Dies ist ein wichtiges Prinzip, das neben den anderen Grundsätzen der Gleichheit und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten betont werden sollte, und es ist ein einfaches System, das für die EU-Bürger verständlich ist. Was das Thema spezifische Lösungen, die die EU-Haushaltseinnahmen steigern würden, betrifft, so könnte ein größerer Anteil beispielsweise den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln zufließen, wenn ein genau vorgeschriebener Teil der Mehrwertsteuereinnahmen in den EU-Haushalt geleitet würde. Es ist wichtig, dass die Zahllast fair verteilt wird, d. h. im Verhältnis zum Wohlstandsniveau der Mitgliedstaaten. Der Verbrauch von Energieressourcen oder natürlichen Ressourcen ist nicht unmittelbar proportional zum Wohlstandsniveau, daher eignen sich Umwelt- und Energiesteuern nicht für das EU-Eigenmittelsystem. Autos in ärmeren Mitgliedstaaten der EU verbrauchen nicht weniger Kraftstoff als in reicheren Ländern. Tatsächlich ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass sie einen höheren Verbrauch haben, da es sich um ältere Fahrzeuge handelt. Demzufolge wäre die Zahllast für weniger entwickelte Mitgliedstaaten unverhältnismäßig hoch. Vielen Dank.

 
  
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  Neena Gill (PSE).(EN) Frau Präsidentin! Ich danke dem Berichterstatter für die gute Zusammenarbeit. Er hat die aktuelle Lage umfassend und fair bewertet und die Tür zu Gesprächen über mögliche künftige Lösungen aufgestoßen.

Allerdings glaube ich, dass wir die Ansichten des Parlaments zu früh offenbart haben. Sie sind lediglich ein Anfangsbeitrag zu dieser Aussprache, da wir 2008 die Chance haben, den Haushalt einer vollständigen Revision zu unterziehen. Wir müssen ein System finden, das transparent und verständlich ist und auf Gleichheit und Fairness zwischen den Mitgliedstaaten basiert. Es sollte die Schwerpunkte und Ziele unserer progressiven und erfolgreichen EU von morgen widerspiegeln.

Ich begrüße es sehr, dass der Bericht großen Wert auf die Verknüpfung zwischen Ausgaben und Einnahmen legt sowie auf die Notwendigkeit, beide Fragen gleichzeitig zu behandeln, wenn bei der Revision des EU-Haushalts echte Fortschritte erzielt werden sollen. Außerdem muss unbedingt erkannt werden, dass es bei der Frage der Eigenmittel nicht nur um den britischen Ausgleich geht. Das ist eine zu vereinfachende und fehlerbehaftete Sicht, die nicht dazu beiträgt, einen sinnvollen und konstruktiven Meinungsaustausch zu führen.

Abschließend begrüße ich die Tatsache, dass der Berichterstatter anerkennt, dass die Idee einer neuen EU-Steuer weder praktikabel noch populär wäre. Dies unterstreicht, dass das Parlament die im Zuge unserer ausführlichen Beratungen vorgetragenen Ansichten der einzelstaatlichen Abgeordneten berücksichtigt hat.

 
  
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  Kyösti Virrankoski (ALDE). – (FI) Frau Präsidentin! Der Berichterstatter, Herr Lamassoure, hat einen sehr achtbaren Bericht über die Eigenmittel der EU vorgelegt, für den ich ihm aufrichtig danke. In dem Bericht wird ein klares, transparentes und gerechtes System der Eigenmittel gefordert, und für diese Forderung gibt es triftige Gründe. Das gegenwärtige System ist kompliziert und schwer zu begreifen. Für die Eigenmittel gäbe es eine klare Obergrenze: 1,24 % des BNE. Das ist die wirksamste Garantie dafür, dass die Eigenmittel nicht außer Kontrolle geraten. Damit kann keine der Einnahmequellen der EU über diese Grenze hinausgehen, die im Übrigen durch Haushaltsabkommen sogar noch weiter abgesenkt wird.

Der größte Fehler in dem gegenwärtigen System ist der Rabatt für Großbritannien. Der Mitgliedstaat beispielsweise, den ich hier vertrete und der, was seine natürlichen Ressourcen und sein Nationaleinkommen angeht, ärmer ist als das Vereinigte Königreich, muss für diesen Nachlass jährlich etwa 130 Millionen Euro zahlen. Diese Summe entspricht den Betriebskosten einer Universität mittlerer Größe. Meiner Meinung nach sollte jeder Mitgliedstaat seine eigene Verantwortung tragen, weil man die Vorteile der EU nicht allein daran messen kann, wie groß die Rückflüsse aus dem EU-Haushalt sind, sondern an den vielfältigen und umfassenden Wirkungen des Binnenmarktes und der politischen Gemeinschaft.

 
  
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  José Albino Silva Peneda (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach meinem Dafürhalten ist das derzeitige EU-Finanzierungssystem überholt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es bei Beibehaltung des gegenwärtigen Systems sehr schwierig sein wird, einen anderen Finanzrahmen für die Zeit nach 2013 festzulegen, und die europäischen Bürger eine immer größere Distanz zu den europäischen Institutionen empfinden werden. Das System basiert nämlich auf Regelungen – von denen einige das Ergebnis sehr spezieller politischer Situationen sind und daher ursprünglich vorübergehenden Charakter hatten, sich dann aber als endgültig durchgesetzt haben –, die so undurchsichtig sind, dass es für einen normalen Bürger schwierig ist, sie zu verstehen. Wenn wir das derzeitige System beibehalten, gehen wir meiner Meinung nach weiter voran in Richtung Zerschlagung jener Grundwerte, die den Erfolg der Europäischen Union in den letzten Jahrzehnten ausgemacht haben.

In fast schon beschämender Art und Weise diskutieren wir, Fall für Fall, wer und wer nicht Nettozahler ist. Ich begrüße deshalb ausdrücklich den Bericht Lamassoure, in dem scharfsinnig, bedacht und mit Blick in die Zukunft Grundsätze, Empfehlungen und Methoden vorgeschlagen werden, die ich für angebracht halte. Gleichwohl möchte ich besonders hervorheben, dass diese Reform nicht ausschließlich den Finanzsektor betrifft. Die in Frage stehende Reform ist eine weit reichende und im Wesentlichen politische Reform, und deswegen darf die Diskussion darüber nicht ausschließlich dem Parlament und dem Rat und schon gar nicht dem Rat „Wirtschaft und Finanzen“ obliegen.

Eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg dieser Reform ist die Einbeziehung aller Institutionen – der europäischen und der nationalen – in das gesamte Verfahren. Deshalb möchte ich abschließend die vorgeschlagene Methode begrüßen, die den Nachdruck auf die Einbeziehung der nationalen Parlamente legt und sie fördert.

 
  
  

VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS
Vizepräsident

 
  
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  Göran Färm (PSE).(SV) Herr Präsident! Die Finanzierung des EU-Haushalts ist chaotisch. Es gibt nur eine Handvoll Experten, die das System verstehen. Aber eines wissen wir, nämlich dass es kurzsichtig und ungerecht ist. Daher gibt es gewichtige Gründe, es zu reformieren, ihm mehr Gerechtigkeit, Transparenz und Weitsicht zu verleihen.

Herr Lamassoure hat einen wichtigen Bericht erarbeitet, dem wir schwedischen Sozialdemokraten im Wesentlichen zustimmen. Insbesondere wollen wir, genau wie Herr Lamassoure, zu einer einfachen, geradlinigen und gerechteren Finanzierung gelangen, beispielsweise einem System auf BNE-Basis ohne Rabatte. Allerdings wollen wir der EU kein Besteuerungsrecht einräumen oder die Souveränität der Mitgliedstaaten in Steuerfragen aufs Spiel setzen. Gerade die Fähigkeit, die grundlegende nationale Souveränität in bestimmten Bereichen mit dem Vermögen zur Bündelung der Kräfte zu verbinden, um grenzüberschreitende gesellschaftliche Probleme zu lösen, ist das, was die EU meiner Ansicht nach ausmacht.

Mit der Schaffung einer echten EU-Steuer würde man den Ereignissen vorgreifen. Sollten wir jemals diesen Weg gehen, muss die Basis, müssen also die Bürger und die Mitgliedstaaten, von den Vorteilen dieses Systems überzeugt sein. So weit sind wir heute noch nicht. Ich freue mich, dass wir Mitglieder der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sichtweise, die der von Herrn Lamassoure nahekommt, ein gutes Stück vorangekommen sind. Damit haben wir einen breiten Konsens im Parlament, was für die Zukunft sehr wichtig sein kann.

 
  
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  László Surján (PPE-DE).(HU) Die ungarischen Christdemokraten unterstützen diesen Bericht. Gestatten Sie mir, auf das in der Debatte Gesagte zu antworten. Der vorliegende Bericht trifft keine Entscheidung über die Höhe des Haushalts, ebenso wenig will er eine europäische Steuer einführen, er durchdenkt nur ihre Möglichkeit und potenziellen Folgen.

Wir diskutieren diese Frage keinesfalls zu früh, sondern eher zu spät! Die Reform benötigt lange Zeit, denn ein Abbau der heiklen Balance von Ausnahmen greift die Interessen all derer an, die durch den einen oder anderen kurzzeitigen Handel ihre eigenen spezifischen Bedürfnisse durchsetzen konnten. Wir müssen dies hinter uns lassen.

Herrn Lamassoures ausgezeichneter Vorschlag versucht das derzeitige Chaos durch die Wiederherstellung der Ordnung und eine gerechtere Verteilung der Lasten zu ersetzen. Durch die Annahme des Vorschlags würden wir unter Beweis stellen, dass wir eine stärkere und effizientere Europäische Union sowie eine für ihre Bürger transparentere Union wollen.

 
  
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  Herbert Bösch (PSE). – Herr Präsident! Es war vorhin die Rede vom Zusammenhang zwischen der neuen Verfassung und der Debatte, die wir jetzt führen. Wer zahlt, der befiehlt, sagt bei uns der Volksmund. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass eine Union, die nur noch zu 85-90% von nationalen Beiträgen finanziert wird, mit ihrem Latein am Ende ist. Wir wissen das, und deshalb brauchen wir mehr europäische Eigenmittel. Wer sagt, wir könnten mit diesem System so weiter fahren wie bisher, die Dinge verbessern, die Integration erhöhen, mehr Politiken übernehmen, der lügt die Wählerinnen und Wähler an. Deshalb glaube ich, dass wir in Zukunft etwas pointiertere Berichte verfassen müssen.

Ich denke, der Kollege Lamassoure hat gute Arbeit geleistet. Aber wer soll denn den Mumm haben, Dinge zu sagen, die vielleicht nicht jedem Boulevardblatt passen? Wir brauchen mehr Eigenmittel, das heißt auch, wir müssen den Mut zu europäischen Steuern haben. Da können die Dinge auseinanderdriften, da kann man verschiedene Ansatzpunkte befürworten. Die Kommission hat schon ein paar vernünftige Vorschläge gemacht. Ich stimme diesem Bericht nur halbherzig zu, denn wir brauchen mehr europäische Eigenmittel, damit das Werk der europäischen Integration auch eine Zukunft hat.

 
  
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  Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE). – Domnule Preşedinte, doamnelor şi domnilor, doresc să îl felicit şi eu pe domnul Lamassoure pentru munca sa, chiar dacă nu este prezent, şi mai ales pentru dialogul său permanent cu parlamentele naţionale. Mă bucură mult faptul că acest raport a inclus ideile lor, precum şi cele exprimate în Comisia pentru bugete, de către parlamentarii europeni din noile state membre.

În primul rând, trebuie să recunoaştem deficienţele sistemului actual de resurse bugetare, ce s-a vrut iniţial a fi unul de tranziţie. Este un sistem opac, complex, dificil de explicat cetăţenilor Uniunii, unde fiecare stat are propriul său rabat britanic şi propria sa excepţie. Poate cel mai mare inconvenient este faptul că numai 15% din resursele bugetare sunt veritabil europene. Este o situaţie inacceptabilă. O perioadă de tranziţie este necesară; eliminarea, în primă fază, a resursei calculate din TVA şi înlocuirea ei cu contribuţii naţionale este un pas înainte. Acest lucru reduce complexitatea actuală şi face mai uşoară trecerea la a doua fază, a resurselor europene veritabile.

În etapa a doua, din punctul de vedere al României, este preferabilă alegerea unui impozit simplu, care să nu crească presiunea fiscală asupra cetăţenilor europeni, sau să permită unor state membre să beneficieze de compensări injuste.

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE).(HU) Wie wir dem Bericht Lamassoure sowie den Reaktionen darauf entnehmen können, steht das Europäische Parlament vor einer historischen Chance, da es dank der Interinstitutionellen Vereinbarung eine entscheidende Rolle im Haushaltsreformprozess spielen kann, indem es nicht nur die Ausgaben festlegt, sondern letztendlich seine Eigenmittel schaffen kann.

Die häufig kleinlichen, unwürdigen Streitereien über die Ausarbeitung des Finanzierungszeitraums 2007-2013 haben bestätigt, dass wir Einnahmequellen benötigen, die transparent und auf lange Sicht kalkulierbar sind, damit wir ausgewogene Entscheidungen treffen können.

Das Europäische Parlament hat diese Chance auf beispielhafte Weise genutzt. Wir haben uns nicht nur auf unsere eigenen Kräfte verlassen, sondern die nationalen Parlamente in die Aufgabe eingebunden und zahlreiche gemeinsame Treffen und Konsultationen organisiert. Zunächst waren die nationalen Parlamente aufgrund der politischen Probleme in ihren eigenen Ländern vor allem an kurzfristigen Lösungen interessiert, aber sie haben nun erkannt, dass ein langfristiges Denken erforderlich ist und dass wir zusammenarbeiten müssen, um eine Lösung zu finden, die in die Zukunft weist und der Zukunft ganz Europas dient.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Kommission teilt die Ansicht des Parlaments, dass das gegenwärtige System der Eigenmittel nicht optimal ist. Die Kommission hat wiederholt ihre Bereitschaft geäußert, verschiedene Möglichkeiten auszuloten, die zur Verbesserung und Vereinfachung des aktuellen Finanzierungssystems führen könnten. Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass der aktuelle Bericht eine erste Grundlage darstellt, auf der das Parlament in enger Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Parlamenten mögliche Optionen in der Zukunft prüfen wird, bevor es seinen endgültigen Standpunkt verabschiedet.

Die Kommission wird das Ergebnis aller interparlamentarischen Konferenzen als Beitrag im Beratungsprozess bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen.

Wie ich bereits erwähnte, verweist die Kommission erneut darauf, dass sie die alleinige Verantwortung für diesen Vorschlag tragen wird, wie schon in der Erklärung im Anhang zur Interinstitutionellen Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung vom Mai 2006 ausdrücklich vermerkt ist.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Richard Corbett (PSE), schriftlich. – (EN) Ich begrüße zwar den Tatendrang, der ins Blaue hinein in Überlegungen zu den künftigen Einnahmequellen der Europäischen Union gesteckt wurde, und weiß auch den ausdrücklichen Verweis auf die Notwendigkeit gleichzeitiger Reformen auf der Ausgabenseite zu schätzen, habe jedoch meine Zweifel, was einige Aspekte dieses Berichts angeht. Es wird ein zu starkes Augenmerk auf die eine Frage des britischen Ausgleichs gelegt, ohne anzuerkennen, dass dies keine Anomalie, sondern die Korrektur einer Anomalie darstellt.

Der Bericht lässt außerdem deutlich erkennen, dass die BNE-basierten Mittel nicht wirklich „Eigenmittel“ der Union darstellen, da hierbei keine Personen, sondern Mitgliedstaaten besteuert werden, was dadurch für die Bürger weniger sichtbar ist. Trotzdem sind es rechtlich gesehen Mittel, die der Union zustehen. Auch wenn diese Quelle weniger sichtbar ist, ist sie andererseits fairer als viele andere vorgeschlagene Einnahmequellen, da sie an das Wohlstandsniveau der Mitgliedstaaten gekoppelt ist. Auch ist es eine stabilere Quelle als manche andere, die vorgeschlagen wurden. Wir sollten an ihr festhalten!

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE) , schriftlich. – (FR) Dieser Bericht, in dem alle Möglichkeiten einer zweistufigen Reform untersucht werden, bietet einen nützlichen Überblick über die Arbeitshypothesen zur Reform der Eigenmittel der Union. Wir müssen uns eingehend mit den Kapiteln Einnahmen und Ausgaben befassen und dabei den Schwerpunkt auf die Wirtschafts-, Sozial-, Forschungs- und Innovationspolitik legen, ohne die Entwicklungsmöglichkeit zu vernachlässigen, die die GAP in den vergangenen fünfzig Jahren geboten hat. Ich hoffe, dass die Vereinbarungen, deren Grundlagen Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bilden, mit der Einstimmigkeitsregel bei Steuerfragen brechen.

Angesichts des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen den Beiträgen der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt ist es entscheidend, dass wir umgehend eine Reform des Systems der Eigenmittel durchführen, das einen Beitrag jedes Mitgliedstaats garantiert, der mindestens 1,24 % des BNE entspricht. Es ist an der Zeit, einem System der Kompensationen ein Ende zu setzen, das lange Zeit bestanden und zu ungerechtfertigten Vorteilen und milden Gaben geführt hat.

Europa, dessen Integration wir fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge fortsetzen, muss seine Inspiration aus dem Geist seiner Gründerväter ziehen, damit die Finanzierung der Union in den Augen unserer Mitbürger wieder gerechter und transparenter wird und unsere Bemühungen widerspiegelt, die Solidarität im Interesse des gemeinsamen Schicksals zu fördern, das wir alle teilen.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE) , schriftlich. – (FI) Zunächst möchte ich Herrn Lamassoure zu einem ausgezeichneten Bericht beglückwünschen. Er stellt die Mängel des gegenwärtigen Systems ausgezeichnet dar.

Kurz gesagt, das gegenwärtige Finanzierungssystem ist undemokratisch. Zuallererst verstehen die EU-Bürger nicht, in welchem Umfang und auf welche Weise die Union finanziert wird.

Zweitens sind nationale Parlamente in den Haushaltsverhandlungen reine Abnicker. Wenn die Regierungen die Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau abgeschlossen haben, dann wirft keines der nationalen Parlamente sie wieder um.

Drittens ist der Status des Europäischen Parlaments, eines Organs, das in direkten nationalen Wahlen gewählt wird, in den Haushaltsverhandlungen zumindest eigenartig. Das Europäische Parlament ist das einzige Parlament der Welt, das über die Ausgaben, nicht jedoch über die Einnahmen entscheidet.

Bekanntlich setzen sich die Eigenmittel der EU aus den Agrarabschöpfungen und den Zuckerabgaben, aus Einfuhrzöllen, die an den Außengrenzen der Union erhoben werden, aus der Mehrwertsteuer sowie aus den auf dem Bruttoinlandsprodukt basierenden Beiträgen der Mitgliedstaaten zusammen.

Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Mitgliedsbeiträge. In den verworrenen Haushaltsgesprächen geht das Augenmaß verloren. Jeder Mitgliedstaat rechnet sich aus, wie viel ihn die Union kostet und wie viel er zurückerhält. Dabei beträgt der gesamte Haushalt der Union gerade einmal 1 % des BNE des gesamten Raumes.

Die EU ist damit lediglich eine Art buchhalterische Übung. Es wird vergessen, dass die EU ein Projekt für den Frieden ist. So gesehen ist die EU ein preiswertes Projekt. Was wir brauchen, ist ein Finanzierungssystem, das dem Zweck der EU dient.

Aus diesem Grunde sollten wir dem Bericht von Herrn Lamassoure unsere Unterstützung geben.

 

18. Leitlinien für das Haushaltsverfahren 2008
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Ville Itälä im Namen des Haushaltsausschusses über die Leitlinien für das Haushaltsverfahren 2008 – Einzelpläne II, IV,V, VI, VII, VIII und IX – und über den Vorentwurf des Haushaltsvoranschlags des Europäischen Parlaments (Einzelplan I) für das Haushaltsverfahren 2008.

Einzelplan I – Europäisches Parlament

Einzelplan II – Rat

Einzelplan IV – Gerichtshof

Einzelplan V – Rechnungshof

Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Einzelplan VII – Ausschuss der Regionen

Einzelplan VIII – Europäischer Bürgerbeauftragter

Einzelplan IX – Europäischer Datenschutzbeauftragter

(2007/2013(BUD)) (A6-0069/2007).

 
  
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  Ville Itälä (PPE-DE), Berichterstatter. – (FI) Herr Präsident! Der Grundgedanke des Haushaltsplans für 2008 besteht darin sicherzustellen, dass 2008 das Jahr der Steuerzahler wird, was in der Praxis bedeutet, dass wir die Ausgaben weitgehend auf dem Niveau des Jahres 2007 halten. Die Inflationsrate muss auf das Niveau von 2007 angehoben werden. Dabei muss jedoch betont werden, dass dies nicht für die Gebäude gelten kann. Die Gebäudepolitik muss gesondert betrachtet werden, weil wir bereits derzeit so viele Verpflichtungen in Bezug auf Gebäude haben, dass die Aufwendungen in diesem Bereich sicherlich über dieses Niveau hinausgehen werden, aber so sind diese Angelegenheiten auch in dem vorliegenden Entschließungsantrag und im Bericht dargestellt. Für das Renommee des Parlaments ist es allerdings auch wichtig, dass wir sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler umgehen und nicht unbedingt alle diese wunderbaren Projekte, die hier vorgeschlagen worden sind, umsetzen. Die Menschen können kein Vertrauen in das Parlament haben, wenn wir jedes Jahr Geld nach der 20 %-Regel ausgeben, während wir jetzt im Jahr 2008, da es keine neue Erweiterung oder irgendwelche neuen Sprachen gibt, eine realistische Chance haben, das Niveau von 2007 beizubehalten und den Steuerzahlern zu zeigen, dass wir uns tatsächlich darum sorgen, wie viel Geld hier ausgegeben wird.

Einige wenige neue Projekte sind notwendig. Was die Informationspolitik angeht, müssen wir den Bürgern eine klare Botschaft darüber vermitteln, was hier passiert, und dies lässt sich am besten durch Besuchergruppen verwirklichen, was bereits seit vielen Jahren zu unseren Prioritäten zählt. Dies ist sicher die beste Form von Informationspolitik, während eine andere Frage die der kleinen lokalen Medien ist, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügen, um selbst zum Parlament reisen zu können. Die lokalen Medien sollten in der Lage sein, das Parlament häufiger zu besuchen, und wir Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen irgendeine Lösung finden, damit wir mehr Vertreter der lokalen Medien hierher einladen können, da dies nämlich diejenigen Medien sind, die die Menschen lesen und hören, und wenn diese positiv über uns berichten, dann wird sich das Renommee des Parlaments und der EU insgesamt mit Sicherheit verbessern.

Wir müssen uns auch stärker damit befassen, auf welche Art und Weise wir Rechtsvorschriften erlassen, und das bedeutet, dass wir über gute und ausreichende technische Möglichkeiten verfügen müssen. In diesem Zusammenhang gibt es einen Vorschlag, dass beispielsweise wir als Parlamentsmitglieder die Möglichkeit haben sollten, uns über unsere Mobiltelefone in die Computer einloggen zu können. Diesen Service gibt es in fast allen nationalen Parlamenten, nicht jedoch im Parlament der EU, und diese Dinge müssen spätestens 2008 in Ordnung gebracht werden.

Übersetzungsdienste sind ein Thema, über das wir täglich sprechen, und dabei geht es natürlich vor allem darum, wie gleichberechtigt alle Mitglieder behandelt werden, unabhängig davon, aus welchem Sprachenbereich sie kommen, und das ist zweifellos eine Frage, die grundlegender, vor allem struktureller Veränderungen bedarf. Diese Dienstleistungen müssen allerdings stets funktionieren.

Als weiteren Punkt möchte ich hervorheben, dass wir das gegenwärtige Niveau durchaus beibehalten könnten. Was allerdings die Gebäude angeht, und hier behaupten einige, dass 2008 das letzte Jahr ist, in dem Geld dafür ausgegeben werden kann, ist die Liste in der Tat sehr lang. Wir haben über Außenbüros in London, Stockholm und Paris gesprochen. Wir beginnen mit dem Ausbau des KAD-Gebäudes in Luxemburg zur gleichen Zeit, während ein anderes Organ, der Europäische Rechnungshof, dort ein größeres Bauvorhaben in Angriff nimmt. Hier in Brüssel haben wir abschließende Arbeiten an den neuen Gebäuden zu erledigen, wir haben Räumlichkeiten hier ganz in der Nähe, im so genannten Bananen-Gebäude erworben, das Sportzentrum ist zu vollenden... Die Liste könnte noch weiter fortgeführt werden, aber all das soll nur zeigen, dass nicht alles im Jahr 2008 begonnen oder umgesetzt werden kann; vielmehr sollte eine Prioritätenliste für Gebäude aufgestellt werden und wir sollten dann nach dieser Liste vorgehen.

Ich glaube, dass die Vorbereitungen in einem guten Geiste verlaufen sind und dass wir uns alle wünschen, dem Steuerzahler sagen zu können, dass das Jahr 2008 ausdrücklich zum Jahr der Steuerzahler erklärt worden ist.

 
  
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  Valdis Dombrovskis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (LV) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Namen der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten meine Unterstützung für den Ansatz des Berichterstatters aussprechen, dass die Höhe der Ausgaben des Europäischen Parlaments auf einem Bedarf basieren sollte, der nach sorgfältiger Evaluierung gerechtfertigt wird. Ich möchte mit meiner Rede jedoch auf meinen Vorschlag, den Verbrauch von Papier und Energie im Europäischen Parlament zu reduzieren, hinweisen. Die EU-Organe sollten ein Vorbild für umweltfreundliche Politiken sein und den Energieverbrauch senken. Leider nutzt das Europäische Parlament in verschiedenen Bereichen Ressourcen auf unangemessene Weise, beispielsweise durch übermäßigen Papierverbrauch und den Einsatz unnötiger intensiver Klimaanlagen im Sommer. Eine Reduzierung des Papierverbrauchs und eine vernünftigere Verwendung der Klimaanlagen würden sowohl der Umwelt nutzen als auch dem Haushalt des Europäischen Parlaments erhebliche Einsparungen ermöglichen. In der Praxis liegen alle Dokumente des Europäischen Parlaments in elektronischer Form vor. Mein Vorschlag sieht vor, den Umlauf von Druckversionen von Dokumenten zu reduzieren, indem festgelegt wird, dass gedruckte Exemplare vieler Dokumente auf Anfrage verfügbar wären, statt diese automatisch an alle Abgeordneten und Beamten zu verteilen. An jedem Arbeitstag erhalten die Abgeordneten und die Parlamentsbediensteten eine enorme Menge von Papierdokumenten. Der Großteil davon wird anschließend weggeworfen, da gegebenenfalls elektronische Versionen des Dokuments zur Verfügung stehen. Es wäre weitaus vernünftiger, den Abgeordneten und Parlamentsbeamten zu gestatten festzulegen, welche Dokumente sie künftig in Papierform erhalten und welche sie elektronisch lesen wollen. Die potenzielle Einsparung ist beträchtlich angesichts der Tatsache, dass der derzeitige Papierverbrauch des Europäischen Parlaments fast 850 Tonnen pro Jahr oder 3,4 Millionen Seiten pro Woche beträgt. Was die Klimaanlagen betrifft, sieht der Vorschlag eine Erhöhung der Lufttemperatur im Europäischen Parlament um wenige Grad im Sommer vor. Bis jetzt wurde die Temperatur in unnötiger und sogar unangenehmer Weise niedrig gehalten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Vladimír Maňka, im Namen der PSE-Fraktion. – (SK) Die Väter der Idee eines geeinten Europas wussten seinerzeit nicht, was in 50 Jahren sein würde, aber einer Sache waren sie sich gewiss: Europa kann nur errichtet werden, wenn wir es gemeinsam erbauen. Diese Worte Robert Schumans haben wir auf faszinierende Weise in den Slogan und das Logo der Europäischen Union übersetzt, das da lautet: „Gemeinsam“.

Im Haushalt 2008 legen wir großes politisches Gewicht auf Instrumentarien, um die europäischen Bürger besser zu informieren. Eines unserer Ziele besteht darin, die Unzulänglichkeiten auszumerzen, die dem Image Europas schaden, insbesondere im Hinblick auf die Wahlen 2009. Sehr geehrte Damen und Herren! Viele von uns haben gemeinsam mit Millionen Zuschauern am Samstagabend das großartige Konzert anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge verfolgt, das in Brüssel stattfand. Der allgemeine Eindruck war jedoch nicht der einer Erinnerungsfeier, sondern eher peinlich. Diese Aktion hätte einen wesentlich höheren symbolischen Stellenwert ausstrahlen können, wenn man dazu Künstler aus allen Mitgliedstaaten eingeladen hätte.

Wenn wir Probleme erfolgreich lösen wollen, bedarf es einer umfassenden Perspektive. Es reicht nicht, wenn nur wir im Europäischen Parlament Fortschritte in der Kommunikations- und Informationspolitik erreichen. Im Kommunikationsbereich müssen gerade in der Zusammenarbeit mit der Kommission und den europäischen Institutionen in den einzelnen Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen ergriffen und in regelmäßigen Abständen deren erfolgreiche Umsetzung überprüft werden. Unser Bemühen um einen umfassenden Ansatz und die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen wird schließlich zu mehr Transparenz und zum effizienteren Einsatz von Mitteln führen.

Verehrte Damen und Herren! Das Parlament hat vor kurzem beschlossen, ein bedeutsames Statut zur Regelung des Status der parlamentarischen Assistenten zu verabschieden. Deshalb möchte ich Sie auffordern, den Änderungsantrag anzunehmen, mit dem wir den Rat ersuchen, in dieser Angelegenheit eine endgültige Entscheidung zu fällen. Wie wir alle wissen, wird das Statut letztendlich auch zur Verbesserung der Qualität unserer Arbeit beitragen.

 
  
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  Anne E. Jensen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Itälä für seine konstruktive Arbeit an dem Bericht über den Haushalt des Parlaments 2008 danken. Er schlägt vor, dass die Ausgaben des nächsten Jahres im Prinzip auf dem Niveau von 2007 verbleiben, und dies können wir in der ALDE-Fraktion im Prinzip gerne unterstützen. Nach der Erweiterung ist 2008 natürlich ein Jahr der Konsolidierung, und es müssen sehr gute Argumente vorgebracht werden, um zusätzlichen Bedarf zu decken, wenn sich dies auf den Haushalt auswirken würde. Zugleich würden wir der Feststellung zustimmen, dass 2008 voraussichtlich das letzte Jahr sein wird, in dem wir den Überschuss von bis zu 20 % in den Verwaltungsausgaben der EU für den Kauf von Gebäuden nutzen können. Nicht zuletzt möchte ich betonen, was auch Herr Maňka sagte, nämlich dass wir jetzt ein Statut der Abgeordneten erhalten, dies muss durch ein Statut der Abgeordnetenassistenten hier im Parlament gestützt werden. In diesem Punkt steht der Rat nicht hinter uns, und ohne diese Unterstützung können wir die Dinge nicht in Ordnung bringen. Wir müssen diesbezüglich etwas unternehmen.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Die Ausgaben des Europäischen Parlaments sind rapide gewachsen. Dieser Anstieg lässt sich durch die Erweiterung der Union und die damit im Zusammenhang stehenden Erfordernisse für die Dolmetsch- und Übersetzungsdienste sowie die Räumlichkeiten erklären. Es gibt Schätzungen, wonach 60 % der Kosten auf die Forderung nach Mehrsprachigkeit und die Politik der mehreren Arbeitssitze zurückzuführen sind.

Bis jetzt sind sämtliche Aufwendungen aus den 20 % der administrativen Kosten der Union heraus bestritten worden, die inoffiziell mit der anderen Haushaltsbehörde, dem Rat, vereinbart worden sind. Was die Ausgaben des Parlaments angeht, stellt das Jahr 2008 eine Art Zwischenjahr dar. Die Finanzierung der neuen Räumlichkeiten ist geregelt, und eine neue Erweiterungsrunde ist nicht in Sicht. Entsprechend ist die Auffassung des Berichterstatters, dass das Parlament keine künstlichen Aufwendungen für sich dazu erfinden und das 20 %-Niveau nicht notwendigerweise anstreben sollte, richtig. Wenn wir das tun, dann besteht die Gefahr, dass die großen Fraktionen ihre eigenen politischen Ziele aus den allgemeinen Verwaltungsausgaben finanzieren, und das würde eine finanzielle Belastung für das Parlament nach 2008 darstellen.

 
  
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  Louis Grech (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich stimme dem Berichterstatter zu, dass die Institutionen bei ihren Schätzungen von genau definierten Anforderungen ausgehen sollten. Das sollte zu einer besseren Mitteleffizienz führen, gleichzeitig könnten Funktionsdopplungen vermieden werden. In diesem Zusammenhang erwarten wir, dass 2007 der abschließende Vorschlag für ein interinstitutionelles Übereinkommen für die beiden Ausschüsse, den Ausschuss der Regionen und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, vorliegen wird, mit dem eine ausgewogene Leitung der gemeinsamen Abteilungen sichergestellt werden soll.

Auf den ersten Blick scheint die Forderung angebracht, dass das Parlament das Finanzierungsniveau von 2007 beibehält. Wir sollten jedoch sicherstellen, dass die finanzielle Unabhängigkeit des Parlaments auf keinen Fall geschmälert wird, umso mehr, als das Abgeordnetenstatut, welches mehr als 100 Mio. Euro ausmacht, 2009 in Kraft tritt.

Der Richtwert von 20 % gemäß Rubrik 5 sollte als Obergrenze für den Haushalt beibehalten werden. Dieser Wert sollte uns die erforderliche Stabilität und Disziplin für die Gestaltung des Haushalts für 2008 verschaffen.

Zum Abschluss möchte ich Herrn Itälä für seinen Bericht danken.

 
  
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  Nathalie Griesbeck (ALDE). – (FR) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur, weil die für das Funktionieren der europäischen Institutionen notwendigen Finanzmittel hervorgehoben werden, sondern auch, weil die Rolle des Parlaments als Kontrollorgan betont wird und weil er die Arbeitsweise unseres Europa konkret zum Ausdruck bringt. Wie im Bericht unterstrichen wird, müssen wir unsere Finanzen stabilisieren, und unsere Haushaltsstrategie für 2008 muss vorsichtig sein. Um dies zu erreichen, müssen vorrangig die Leistungsfähigkeit unserer Dienststellen und die Umsetzung von Bediensteten verbessert werden.

Lassen Sie mich kurz drei Dinge anmerken. Erstens möchte ich meine Anerkennung für die sehr hohe Qualität der Übersetzungsdienste zum Ausdruck bringen, doch auch darauf hinweisen, dass es bei der Verteilung der Sprachfassungen immer größere Verzögerungen gibt, die sich negativ auf unsere vorgeschaltete Arbeit auswirken.

Zweitens möchte ich meine Forderung wiederholen, an den verschiedenen Arbeitsorten, in Straßburg und in Brüssel, gleichwertige technische Mittel und Informationstechnologie zur Verfügung zu stellen. In dieser Zeit der Erinnerung an die Unterzeichnung der Römischen Verträge möchte ich auch wiederholen, dass das Europäische Parlament einen ehrgeizigen Kommunikationsplan gegenüber den Medien haben sollte. Ich betone auch, dass die Information für die Bürger verbessert werden muss, beispielsweise, indem mehr für ihren Empfang während der Plenartagungen getan wird. Besuche sind für unsere Mitbürger häufig eine gute Möglichkeit, Europa zu entdecken. Daher würde ich es begrüßen, die Kapazitäten für den Empfang von Besuchern zu verbessern, vor allem in Straßburg, dem Sitz des Europäischen Parlaments.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Gyula Hegyi (PSE), schriftlich. – (EN) Vergangene Woche war die Kommission Ausrichterin einer wichtigen und interessanten Konferenz zur ökologischen Besteuerung – der Ökosteuer. Eine nachhaltige Entwicklung und eine wirkungsvolle Klimapolitik sind ohne politische und verwaltungsbezogene Regeln, wie strenge Vorschriften, Richtlinien, Gesetze und Verordnungen, nicht machbar. Aber als Teilnehmer in einer Marktwirtschaft müssen wir auch die Bedeutung von Finanzwerkzeugen verstehen. Ein angemessenes Steuersystem kann die Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie Verschmutzung und Umweltschäden reduzieren und die Nutzung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz fördern. Wie Kommissar László Kovács sagte, plant er, sich in seiner zweiten Amtshälfte auf die Steuern zu konzentrieren, um die Energieziele der EU voranzubringen und den Klimawandel zu bekämpfen. Das Europäische Parlament sollte EU-weit für eine solide und umweltbewusste Besteuerung eintreten, was zu nachhaltiger Entwicklung und zur Einsparung von Energie führen könnte.

 

19. Die Zukunft des Profifußballs in Europa – Sicherheit bei Fußballspielen (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

- den Bericht von Ivo Belet im Namen des Ausschusses für Kultur und Bildung über die Zukunft des Profifußballs in Europa (2006/2130(INI)) (A6-0036/2007) und

- den Bericht von Giusto Catania im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über die Initiative der Republik Österreich im Hinblick auf die Annahme eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Beschlusses 2002/348/JI des Rates vom 25. April 2002 über die Sicherheit bei Fußballspielen von internationaler Bedeutung (10543/2006 – C6-0240/2006 – 2006/0806(CNS)) (A6-0052/2007).

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, liebe Freunde des Fußballs und des Sports! Ich freue mich sehr, heute Abend hier die Kommission in der Aussprache zu Fußball zu vertreten. Ich denke, dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich das Parlament für den Sport engagiert. Ihre Unterstützung für unsere Initiativen für den Sport ist selbstverständlich sowohl willkommen als auch notwendig.

Zunächst möchte ich beiden Berichterstattern, Herrn Belet und Herrn Catania, zur Qualität ihrer Arbeit gratulieren. Die beiden Berichte betrachten Fußball aus unterschiedlichen Blickwinkeln, aber beide veranschaulichen das Wesen von Sport, seine Werte, sein Potenzial für die Erziehung, die Gesellschaft und die Wirtschaft.

Bevor ich zu den konkreteren Aspekten der Berichte komme, möchte ich ein paar Worte zum Weißbuch sagen. Dies wird eine wichtige Arbeit für die Zukunft des europäischen Sports sein. Das Weißbuch über den Sport soll im kommenden Juli verabschiedet werden. Das wird dann der Höhepunkt eines langen Prozesses sein und sollte vor dem Hintergrund allgemeinerer politischer Überlegungen gesehen werden.

Antrieb für die Pläne zu einem Weißbuch sind die Erwartungen der Vertreter des Sports. Sie möchten, dass sich EU-Entscheidungsträger ihrer Belange annehmen, darunter der Notwendigkeit, den Sport besser zu fördern und eine größere Rechtssicherheit zu erreichen. Das Weißbuch wird den gesamten Sport abdecken, es wird keine spezielle Orientierung auf den Fußball geben. Oberstes Anliegen dieser Initiative ist es erstens, den Sport in andere aktive Politikfelder der Union zu integrieren, damit er besser als Instrument für die EU-Politik genutzt werden kann. Zweitens wollen wir Bedingungen für eine optimalere Lenkung im europäischen Sport festlegen. Die wichtigsten Themen des Weißbuchs werden die soziale und wirtschaftliche Rolle des Sports, die Organisation von Sport und Lenkungsfragen sein.

Wir werden uns bei der Erarbeitung des Weißbuchs ganz stark auf die Berichte des Parlaments stützen. Die Kommission hat die Arbeit des Ausschusses sehr aufmerksam verfolgt und daraus bereits sehr großen Nutzen gezogen.

Beim Bericht von Herrn Belet begrüßt die Kommission die Initiative des Parlaments zur Zukunft des Profifußballs. Wir teilen viele der Bedenken, die im Bericht geäußert werden. Viele Fragen, die Herr Belet aufwirft, werden auch im Weißbuch eine Rolle spielen, wie etwa der soziale Zusammenhalt, der Schutz junger Arbeitnehmer, der soziale Dialog und die Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Wie im Entwurf Ihres Berichts bestätigt wird, ist es äußerst schwer, einen umfassenden europäischen Rechtsrahmen zu schaffen, der der Besonderheit des Sports Rechnung trägt, aber in der Rechtsprechung der Gemeinschaft werden die Besonderheit des Sports und die soziale und erzieherische Funktion des Fußballs in Europa anerkannt.

In punkto Freizügigkeit von Arbeitnehmern beispielsweise vertrat der Gerichtshof den Standpunkt, dass Sport nur Gemeinschaftsrecht unterliegt, wenn er eine Wirtschaftstätigkeit darstellt. Dies gilt sowohl für Profi- als auch für Amateursportler, und der Gerichtshof hat eine Ausnahme vom allgemeinen Gebot der Nichtdiskriminierung gewährt für Spiele, die rein sportlichen und nicht wirtschaftlichen Interessen dienen, zum Beispiel Spiele zwischen Nationalmannschaften.

In der Frage der Spieler aus der eigenen Jugend, der „home-grown players“, nimmt die Kommission die von der UEFA vorgeschlagenen Maßnahmen sehr aufmerksam zur Kenntnis. Wir würden uns dem Gedanken anschließen, dass die Jugendausbildung zu fördern und an die Vereine ein Signal zu senden wäre, dass sie in die Ausbildung und nicht nur in den Transfer von Spielern investieren sollten. Die Frage der Quoten von jungen lokalen Talenten prüfen wir allerdings noch, auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit.

Die Kommission begrüßt die Forderung des Parlaments nach einem verstärkten sozialen Dialog im Fußballsektor. Dies ist ein guter Mechanismus, um Fragen wie Mobilität, Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen zu beraten. Wir haben die Bemühungen der Sozialpartner zur Entwicklung eines strukturierteren Dialogs unterstützt, wo der Fußball auf europäischer Ebene die Führung übernommen hat.

Die Kommission wird die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen im gesamten Sportsektor weiter unterstützen und ihren offenen Dialog mit allen Sportgremien in dieser Frage fortführen.

Nicht zuletzt wird die Kommission Ihre Empfehlungen entsprechend den derzeitigen Zuständigkeitsbereichen der EU gebührend und realistisch prüfen. Die Forderung an die Kommission, einen Aktionsplan aufzustellen, der die Punkte enthält, mit denen sie sich befassen muss, ist einer eingehenden Überlegung wert.

Zum Bericht von Herrn Catania will ich zunächst unterstreichen, dass Sport eine positive Kraft für Erziehung, Kultur und soziale Integration sein kann. Doch in den letzten Jahren haben wir leider zunehmend Anzeichen von Gewalt und Rowdytum bei Sportveranstaltungen beobachtet. Vor zwei Wochen berieten die Sportminister in Stuttgart über dieses Problem. Sie betonten die Notwendigkeit verbesserter Vorbeugungsmaßnahmen, insbesondere eine Förderung der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, einschließlich der Fans.

Die Kommission hat den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten für eine bessere polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben gute Arbeitsbeziehungen zur UEFA und anderen Sportgremien aufgebaut. In Sachen öffentliche Ordnung und polizeiliche Kontrolle war wohl jeder erfreut über die ausgezeichneten Ergebnisse bei den Spielen der Fußballweltmeisterschaft im letzten Jahr in Deutschland. Das zeigt, dass eine gute Vorbereitung und Abstimmung mit anderen Mitgliedstaaten sehr effektiv für die Prävention von Kriminalität und vor allem von Rowdytum sind. Wie die ersten Statistiken zeigen, ist die Kriminalitätsrate in diesem Zeitraum überhaupt nicht gestiegen.

Der Beschluss 2002/348/EG des Rates verpflichtet die Mitgliedstaaten, nationale Fußballinformationsstellen einzurichten. Dies ist ein positiver Schritt in Richtung einer besseren Zusammenarbeit zwischen Polizeikräften und anderen Einrichtungen, die gegen Gewalt im Zusammenhang mit Fußball vorgehen. Die österreichische Initiative, um die es im Bericht von Herrn Catania geht, zielt darauf, das bestehende Netzwerk von Informationsstellen durch ein spezielles Netz von nationalen Fußballinformationsstellen zu ersetzen. Diese hätten Zugriff auf die personenbezogenen Daten von Rowdies oder „Risikofans“, die von den verschiedenen Mitgliedstaaten identifiziert wurden. Die Kommission begrüßt, dass diese Initiative im Bericht unterstützt wird, und nimmt die geäußerten Bedenken zum Menschenrechts- und Datenschutz, auf den die Kommission bekanntlich sehr großen Wert legt, gebührend zur Kenntnis.

Abschließend ist zu sagen, dass es zu begrüßen ist, dass der Sport jetzt wirklich auf der europäischen Tagesordnung steht. Der 50. Jahrestag der Römischen Verträge wirft in diesem Jahr sein Licht auf viele unserer Ziele, und wie gut es war, den Jahrestag vor zwei Wochen mit einem Fußballspiel in Manchester zu begehen. Eindrucksvoller kann man wohl nicht zeigen, dass der Sport und sportliche Werte auf der höchsten politischen Ebene echte Wertschätzung genießen.

 
  
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  Ivo Belet (PPE-DE), Berichterstatter. (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Bei dem bloßen Gedanken, Europa, die Europäischen Union, solle in Fragen, die den Sport betreffen, ein Wort mitzureden haben, stehen manch einem die Haare zu Berge, und die voraussehbare Antwort wird stets lauten, die EU besitze kein Mitspracherecht in diesem Bereich und sollte daher auch nicht versuchen, auf diesem Gebiet etwas zu unternehmen.

Wie uns allen bewusst ist und wie die Beteiligten nur zu gut wissen, ist dieser Standpunkt falsch. Der Sport, jedenfalls der Profisport, und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Aspekte des Profifußballs – um den es ja in diesem Bericht geht – werden, wie der Kommissar bereits erwähnte, durch das europäische Recht in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Sowohl die Kommission als auch der Europäische Gerichtshof werden eingeschaltet, wofür es in den letzten Jahren hinreichende Belege gab.

Professioneller Fußball ist selbstredend ein lukratives Geschäft. Das steht außer Frage. Er ist jedoch weitaus mehr. Er erfüllt eine wichtige soziale und erzieherische Funktion, und deshalb unterstreichen wir in dem vorliegenden Bericht die besonderen Merkmale, die nicht einfach übergangen werden dürfen. Die Besonderheiten des Sports sind in der Erklärung von Nizza sowie in dem Protokoll zum Vertrag von Amsterdam eindeutig festgeschrieben, weshalb wir bei der Anwendung der EU-Regelungen und –Rechtsvorschriften verpflichtet sind, dieser Tatsache Rechnung zu tragen.

Niemand fordert Ausnahmeregelungen oder so genannte Gruppenfreistellungen. Verlangt werden von uns jedoch Leitlinien der Kommission – keine Richtlinien, sondern Leitlinien, insbesondere zur Behebung der derzeit bestehenden Rechtsunsicherheit. Wir wollen, dass die Autonomie des Profisports voll geachtet wird. Selbstregulierung ist in diesem Bericht der zentrale Begriff, wodurch uns aber nicht das Recht verwehrt wird, die Entwicklung in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Der Ruf des professionellen Fußballs wurde in den vergangenen Monaten in zahlreichen EU-Ländern durch diverse Skandale schwer beschädigt, und darauf gibt es nur eine Antwort: verantwortungsvolle Führung. Deshalb fordern wir von den Verwaltungsorganen der UEFA, von den Fußballligen, von den Vereinen, sich entschlossen für ein transparentes Management zu entscheiden.

Eine Vielzahl von Abgeordneten dieses Parlaments wünscht sich des Weiteren mehr Solidarität und eine Umverteilung der Finanzressourcen im Fußball. Ich glaube nicht, dass es unsere Aufgabe ist, die Ressourcen im Profifußball umzuverteilen. Es liegt im Interesse der Proficlubs, der Ligen und der Verbände, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Fußball braucht einen ausgewogenen Wettbewerb, denn dieser steht heute mehr denn je unter Druck. Die Kluft zwischen den großen, zunehmend reicheren Vereinen und den kleineren Klubs wird ständig größer. Das ist deutlich sichtbar. Diese Entwicklung gefährdet die Zukunft des Sports, der uns so sehr am Herzen liegt, und sie gefährdet desgleichen die soziale Integrationsfunktion, die der Sport besitzt.

Deshalb stehen wir weiterhin, wie von dem Herrn Kommissar bereits angesprochen – und ich möchte diesen Punkt nochmals unterstreichen –, voll und ganz zu der von der UEAFA aufgestellten Regel der „Spieler aus der eigenen Jugend“. Nicht wir, sondern die Fußballgremien selbst müssen die Proficlubs verpflichten, als wesentliches Element der sozialen Komponente in die Ausbildung ihres eigenen Nachwuchses zu investieren. Daher verdient diese Regel unsere uneingeschränkte Unterstützung.

Der Verkauf von Fernsehübertragungsrechten stellt ein heikles Thema dar, weil es dabei um die wichtigste Einnahmequelle für Profivereine geht, aber auch weil es natürlich eine nationale Angelegenheit ist. Unsere einzige Forderung in dem vorliegenden Bericht richtet sich an die zuständigen Behörden und zuständigen Gremien des Fußballs, sich an einen Tisch zu setzen, um nach einer Lösung zu suchen, die mehr Solidarität zwischen den großen und den kleinen Vereinen gewährleistet. Dies erscheint mir als eine vernünftige und gerechtfertigte Forderung.

Herr Kommissar, Frau Präsidentin, wir rechnen damit, dass die Kommission bei der Ausarbeitung ihres Weißbuchs über den Sport die in dem vorliegenden Bericht enthaltenen Empfehlungen, die hoffentlich morgen auf Zustimmung stoßen werden, weitgehend berücksichtigen wird. Wir haben den Zuständigkeiten der EU in diesem Bereich maximal Rechnung getragen, denn es hätte wenig Sinn, uns etwas vormachen zu wollen, jedenfalls nicht, wenn es um einen so komplexen Sektor wie den Profifußball geht, an dem Millionen Jugendlicher ein unmittelbares Interesse haben.

Wir erwarten von der Kommission ein anspruchsvolles Dokument, und ich denke – davon gehe ich in der Tat aus, und Sie können dessen versichert sein –, dass Sie Ihrerseits mit der loyalen Unterstützung dieses Hauses rechnen können.

 
  
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  Giusto Catania (GUE/NGL), Berichterstatter. (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Herrn Kommissar dafür danken, dass er unsere Berichte unterstützt hat, wobei ich zugleich die Bedeutung dieser gemeinsamen Aussprache hervorheben möchte, denn ich glaube, dass die Zukunft des Fußballs grundsätzlich auch mit der Sicherheit der Stadien zusammenhängt. Aus diesem Grund ist die gemeinsame Behandlung der Zukunft des Profifußballs und der Sicherheit der Stadien ein konkreter Weg, um Überlegungen zur Zukunft des Sports und des Fußballs anzustellen.

Der Herr Kommissar hat Recht, wenn er sagt, dass es in den letzten Jahren auf den Tribünen immer wieder zu anhaltenden Gewalttätigkeiten gekommen ist, die den Charakter dieses Sports verändert haben: Der Wandel einer der beliebtesten und von der europäischen Bevölkerung am intensivsten verfolgten Sportarten ist gekennzeichnet von zu vielen gewalttätigen Zwischenfällen, Bekundungen von Intoleranz sowie fremdenfeindlichem und rassistischem Verhalten. Hierbei handelt es sich leider nicht um vereinzelte Vorkommnisse, sondern um ein Merkmal der allgemeinen Veränderung des Fußballs, der inzwischen zu einem großen Geschäft mit börsennotierten Fußballunternehmen geworden ist, bei dem astronomisch hohe Kapitalbeträge im Spiel sind. Dies hat meines Erachtens erheblich zu einer langsamen Veränderung der Sportveranstaltungen beigetragen.

Der Fußball ist heute ein sehr populärer Sport und besitzt zugleich einen so hohen Unterhaltungswert, dass sich Telekommunikationsunternehmen dazu veranlasst sahen, umfangreiche Investitionen zu tätigen, um Senderechte zu erwerben. Ich unterstütze den Vorschlag von Herrn Belet zum kollektiven Verkauf der Fernsehübertragungsrechte, was mir als ein praktikabler Weg erscheint, um zu verhindern, dass die großen Mannschaften zum Nachteil der kleineren Verbände „absahnen“.

Es gibt noch einen anderen Faktor, der äußerst wichtig für den Fußball ist und nicht nur die sportliche Leistung, sondern vor allem die Anwesenheit des Publikums betrifft. Es wäre unvorstellbar, Fußballspiele ohne Zuschauer anzusetzen: In einigen Fällen wurden extreme Maßnahmen ergriffen, die meines Erachtens den Unterhaltungswert des Sports beeinträchtigt haben. Da die Anwesenheit der Zuschauer in den Stadien entscheidend ist, müssen wir darauf bestehen, dass Fußballspiele immer vor einem Publikum ausgetragen werden, und deshalb müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um zu gewährleisten, dass die Fußballmannschaften in größtmöglicher Ruhe gegeneinander spielen und Gewalttätigkeiten und rassistisches Verhalten unterbleiben.

Die jüngsten dramatischen Ereignisse bei einer Begegnung in der ersten italienischen Liga (Serie A) zwischen Catania und Palermo im Rahmen der italienischen Fußballmeisterschaft, bei der ein Polizeibeamter ums Leben kam, sind meiner Meinung nach das extremste Beispiel dafür, was in den Stadien passieren kann und dass bestimmte Randgruppen gewaltbereiter Fans oft nicht nur mit den Anhängern der gegnerischen Mannschaft, sondern auch mit den Ordnungskräften aneinandergeraten. In jüngster Zeit haben wir zudem bedauerliche Zwischenfälle erlebt, in die nicht nur Fans, sondern auch Fußballspieler involviert waren: Oft waren die Raufereien zwischen den Spielern selbst das allerschlimmste Beispiel für Erziehung und Kultur in den europäischen Stadien. Deshalb muss vorbeugend eingegriffen werden, um zu verhindern, dass sich derartige gewalttätige Ausschreitungen in den Stadien wiederholen. Vorbeugende Maßnahmen bei Fußballspielen müssen gegenüber repressiven Maßnahmen und der Militarisierung der Stadien Priorität genießen.

Der Rat hat 2002 diesen Beschluss angenommen, der in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung einer nationalen Fußballinformationsstelle vorsieht, die als eine Kontaktstelle für den polizeilichen Informationsaustausch bei internationalen Fußballspielen fungiert. Die Ergebnisse dieser Maßnahme waren sehr positiv, was auch die Erfahrungen in den Stadien und die Beziehungen zwischen den Polizeikräften zeigen.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Fans, die zu Spielen ins Ausland fahren, konstant angestiegen. Daher müssen nach Auffassung des Rates die zuständigen Stellen ihre Zusammenarbeit verstärken. Ich halte Folgendes für äußerst wichtig: Die nationalen Fußballinformationsstellen, die die Aufgabe haben, die Fans in den Stadien zu beobachten und Informationen über die Art der organisierten Fanaktionen zu sammeln, sind ein nützliches und grundlegendes Instrument, das jedoch ausschließlich in Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften und unter Einhaltung der europäischen Richtlinien und der internationalen Übereinkommen zum Schutze personenbezogener Daten eingesetzt werden darf.

Wir müssen verhindern, dass die Flut gesammelter Daten für Ermittlungen der Justizbehörden oder für andere, nicht mit dem Fußball zusammenhängende Untersuchungen verwendet wird oder gar als Methode zur Kriminalisierung aller Fans herhalten muss. Daher ist Vorsicht bei der Erfassung dieser Daten geboten: Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die nationalen Stellen weg von einem Präventionsinstrument gegen Gewalttätigkeiten in den Stadien hin zu einem gesellschaftlichen Kontrollinstrument entwickeln, das unterschiedslos tätig würde. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag des Rates zur Änderung des betreffenden Beschlusses.

Wir müssen gewährleisten, dass dieser Beschluss im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt wird, um zu sicherzustellen, dass die Stadien nicht als rechtsfreier Raum betrachtet werden. Auch in den Stadien müssen die nationalen und internationalen Rechtsvorschriften eingehalten werden, eben um zu vermeiden, dass sich Akte willkürlicher Gewalt und Äußerungen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wiederholen.

 
  
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  Jean-Luc Bennahmias (Verts/ALE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. (FR) Herr Präsident, wir befinden uns immerhin in einer recht überraschenden Lage. Wir begehen den 50. Jahrestag der Gründung der Europäischen Union, und wenn wir unseren Mitbürgern erklären würden, dass die Europäische Union sich auch nicht eine Sekunde lang mit Sport beschäftigt hat, wären sie überrascht. Es war daher an der Zeit, dass sich die Europäische Union dieser Frage annimmt, und etwas tut, das wir, so glaube ich, im Europäischen Parlament getan haben. Ich möchte dem Hauptberichterstatter, Herrn Belet, für die Art und Weise danken, in der er seit sechs Monaten an diesem Bericht gearbeitet hat, einer gemeinsamen Arbeit verschiedener Ausschüsse und verschiedener Fraktionen dieses Parlaments.

Wir haben uns daher dieses Themas mit dem Ziel angenommen, das meines Erachtens von diesem Parlament geteilt wird, sowohl die europäische „Ausnahme“ in Hinblick auf den Sport zu respektieren, nicht zuletzt gegenüber der Form, in der der Profisport in den Vereinigten Staaten verwaltet wird, als auch die unterschiedlichen Gremien und Organisationen, die für den professionellen Fußball zuständig sind: Verbände, Profivereine, Spielervereinigungen, Agentengruppen usw. Ich glaube, auf dieser Ebene ist dieser Bericht nützlich, wenn es uns gelingt, Unterstützung für diese Standpunkte bei den verschiedenen Organisationen zu gewinnen, und sie damit in die Lage zu versetzen, sich diesen Bericht, über den wir morgen abstimmen, zu eigen zu machen. Unser vielseitiger Austausch mit diesen Organisationen, bei denen diese Frage größte Aufmerksamkeit gefunden hat, war sehr interessant, und hat es uns ermöglicht, eine Reihe von Vorschlägen auszuarbeiten.

Wir begrüßen daher, und ich nehme an, dies werden alle tun, die Empfehlungen und Vorschläge zur Ausbildung der Spieler, der Ausbildung junger Spieler und die Bemühungen der UEFA in dieser Hinsicht, um zu verhindern, dass junge Spieler sofort verkauft werden, und sie die Möglichkeit bekommen, in den Vereinen zu spielen, in denen sie ausgebildet wurden. Wir begrüßen die Empfehlung zu dem so genannten Handel mit jungen Spielern, an dem Hunderte junger afrikanischer Spieler beteiligt sind, für deren weiteren Einsatz keine Pläne bestehen. Wir begrüßen die Tatsache, dass in diesem Bericht hervorgehoben wird, dass Einwanderungsgesetze erlassen wurden, um eingehalten zu werden, auch in der Welt des professionellen Sports, auch in der Welt des Fußballs. Wir begrüßen ferner, wie der Kommissar sagte, die wiederholte Forderung nach einem unverzichtbaren sozialen Dialog. Wie Herr Belet unterstrich, geht es heute im Profifußball um enorme Summen, und es besteht hier ein Bedarf an einem sozialen Dialog, und natürlich an Regulierung und Umverteilung.

Eine Kritik wurde heute jedoch vorgebracht, die mich überrascht. Jeder, einschließlich aller Ausschüsse, redet über finanzielle Transparenz. Heute hörte ich einige meiner Kollegen die Vorstellung äußern, die alleinige Tatsache, dies auszusprechen, würde reichen. Nein, der Vorschlag, eine unabhängige Einrichtung zu schaffen – unter der Schirmherrschaft der UEFA vielleicht, aber unabhängig – würde es uns ermöglichen, uns wirklich in Richtung einer Kontrolle und Transparenz der Finanzen zu bewegen. Das ist die einzige Lösung. Es ständig zu wiederholen, reicht nicht. Das wäre das Gleiche, als sagte man zur Frage des Dopings, wir müssten das Doping zwar bekämpfen, aber ohne ein nationales, europäisches oder internationales Gremium dafür einzurichten. Wir sollten keine Heuchler sein: Wir brauchen eine solche Einrichtung.

Ich merke, dass meine Redezeit zu Ende geht. Ich hätte noch viel zu sagen. Ich begrüße natürlich auch die Bekämpfung von Diskriminierung und die Bekämpfung von Rassismus, Fragen, die häufig vom Europäischen Parlament und der Kommission behandelt werden, sowie von der ganzen Welt des Fußballs.

 
  
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  Toine Manders (ALDE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. – (NL) Frau Präsidentin! Im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa bin ich Schattenberichterstatter des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, doch möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Dossier im Binnenmarktausschuss initiiert wurde, um die Desintegration des Fußballs – wofür seinerzeit eine reale Gefahr bestand – mit möglicherweise einem zweiten Fall Bosman, nämlich dem Charleroi-Fall, zu verhindern.

Ich möchte der Arbeitsgruppe, insbesondere Herrn Belet, für die hervorragende Zusammenarbeit danken, aufgrund derer uns nun ein meiner Ansicht nach ausgewogener Vorschlag vorliegt, in dem sämtliche Aspekte des Profisports behandelt werden und in dem wir alle Beteiligten unmissverständlich dazu ermahnen, etwas zu unternehmen, um der im Lauf der Jahre entstandenen Situation abzuhelfen, die den Eindruck erweckt, als stünde der Profisport über dem Gesetz, so lange, bis ein Fall vor den Europäischen Gerichtshof gebracht wird und wir dann von einer wirtschaftlichen Einheit mit sozialen und kulturellen Werten sprechen. Die europäischen Rechtsvorschriften müssen indes eingehalten werden.

Daher möchte ich die Kommission fragen, ob sie meine Ansicht teilt, dass wir nicht über Amateursportarten sprechen, sondern dass der Profisport eine Unterhaltungsindustrie ist, die möglicherweise sogar unter die Dienstleistungsrichtlinie fallen sollte, und dass für diese Dienste, für diese Unterhaltungsindustrie wahrscheinlich letzten Endes ein Binnenmarkt geschaffen werden muss.

Wir diskutieren nämlich nicht über das Geschehen auf dem Spielfeld, sondern außerhalb des Spielfelds, insbesondere über die finanziellen Akteure in seinem Umkreis. Beim Wettbewerb auf europäischer Ebene zeigt sich, dass sehr viele Diskrepanzen bestehen, weil es unterschiedliche Auslegungen gibt. Woran liegt dies? Weshalb wurde noch kein Binnenmarkt errichtet und weshalb müssen die einzelnen Vereine innerhalb des nationalen Marktes operieren, um auf europäischer Ebene miteinander konkurrieren können? Wenn die betreffenden Gremien gegen eine Selbstregulierung sind, sollten nach meinem Dafürhalten die Politiker eingreifen.

Wir senden nun ein Warnsignal, bei dem es nicht um den Wunsch nach neuen Rechtsvorschriften geht – was sicherlich keine Ausnahme ist –, sondern womit signalisiert werden soll, dass die beteiligten Akteure ihre Probleme selbst lösen müssen; wenn nicht, wird hoffentlich die Kommission eingreifen und das Nötige veranlassen.

 
  
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  Gary Titley (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – (EN) Herr Präsident! Der Rechtsausschuss möchte die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern, dass eines der Dinge, die die Europäische Union tragen, die Rechtsstaatlichkeit ist. Die Rechtsstaatlichkeit hat den Binnenmarkt ermöglicht, mit all seinen Vorteilen und einigen Nachteilen, selbstverständlich unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips.

Wir erkennen an, dass es Aspekte von rein sportlichem Interesse gibt, die nichts mit wirtschaftlichem Interesse zu tun haben, die Sache der Sportgremien sind. Wir erkennen auch an, dass die Trennlinie schwierig zu ziehen ist, weshalb wir auch die Initiative des britischen Ratsvorsitzes zur Einleitung einer unabhängigen Überprüfung begrüßen.

Doch wir möchten die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern, dass in den EU-Verträgen eine große Bandbreite an Instrumenten zu Verfügung stehen, die man nutzen könnte, um junge Spieler zu schützen, den Bereich Spieleragenten zu regeln, Gruppenfreistellungen vom Wettbewerbsrecht zu gewähren und herauszufinden, ob Sportorganisationen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nach Artikel 86 des EU-Vertrages erbringen. Wir können also schon auf vieles zurückgreifen, um handeln zu können.

Natürlich wollen wir alle, dass der Fußball erfolgreich ist, dass die Mannschaften Erfolg haben – wir fördern Erfolg –, und wir wollen auch sicherstellen, dass Vereine wie Accrington Stanley gut versorgt sind und ihre Fans sie unterstützen können. Also hoffe ich doch, dass wir ausgehend von dieser unabhängigen Überprüfung ein vernünftiges und einheitliches Konzept erarbeiten können.

 
  
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  Thomas Mann, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Mein EVP-ED-Kollege Ivo Belet hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sein Bericht wagt die Balance zwischen der sozialen und wirtschaftlichen Dimension des Fußballs. Ich habe mit Clubmanagern, Spielern und Fans gesprochen und Änderungsanträge im Ausschuss für Beschäftigung eingebracht, die breite Zustimmung fanden.

Junge Spieler müssen von früh an durch Leistungszentren und durch viel Spielpraxis gefördert werden. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag der UEFA, immer eine Mindestanzahl von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs einzusetzen. Es müsste doch gelingen, Herr Kommissar Figel, dieses Prinzip auch rechtlich abzusichern. Ich bin dafür, dass Profi-Clubs ihre Spieler für die Nationalmannschaften abstellen und finanziell entschädigt werden, wenn es zu Verletzungen oder wochenlangem Ausfall kommt. Es wird Zeit für ein neues, gemeinsames Versicherungssystem bei UEFA und FIFA. Nominierungen für das eigene Land sind höchst stimulierend für die Spieler und gut für die Vereine. Soeben war Karlheinz Rummenigge hier im Europäischen Parlament.

Ich bin Mitglied eines deutschen Bundesligaclubs und gleichzeitig der Gruppe Friends of Football hier im Europäischen Parlament. Es geht um das Fairplay im Wettbewerb zwischen den Mannschaften. Derzeit sind manche Vereine hoch verschuldet und erhalten dennoch die Lizenz. Andere Clubs wirtschaften seriös, können sich jedoch bei begrenzten Finanzen nicht optimal verstärken. Da muss sich etwas bewegen. Kämpfen wir gemeinsam weiter gegen Rassismus. Im letzten Jahr erhielt unsere Entschließung die meisten Unterschriften in der Geschichte des Europäischen Parlaments. Bei Übergriffen muss konsequent reagiert werden, mit Spielen vor leeren Rängen, mit Punkteabzug, mit der Ächtung der Vereine, die nicht bereit sind, zu handeln. Auch bei der Prävention und Beseitigung von Doping darf es keine faulen Kompromisse geben.

Wir brauchen kein europäisches Kontrollorgan, das die Tätigkeiten der souveränen Fußballclubs überwacht. Was auf Dauer trägt, ist Zusammenarbeit. Deswegen müssen wir die Autonomie unserer Vereinsgremien und die Subsidiarität schützen. Ich setze auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Sportgerichte und auf die Kraft der Selbstregulierung bei UEFA, FIFA und unseren nationalen Verbänden.

 
  
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  Guy Bono, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, dem Berichterstatter Ivo Belet, dafür zu danken, dass er versucht hat, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Ausschüssen und Fraktionen unseres Parlaments zu finden.

Ich möchte jedoch auch gleich meine große Enttäuschung zum Ausdruck bringen. Wir haben einen Kompromiss zwischen den Fraktionen erreicht, nicht zuletzt zwischen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten. Dieser Kompromiss wurde im Ausschuss gebilligt, und heute sehen wir, dass entscheidende Punkte geändert wurden, vor allem hinsichtlich des unabhängigen Regelungsausschusses und des Rechtsstatus von Wirtschaftsunternehmen im Sportbereich. Dieser Bericht wird nicht der Beginn einer neuen Ära des Fußballs in Europa sein, und das bedauere ich sehr. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass er eine Form der Zusammenarbeit zwischen der UEFA und der Europäischen Union mit dem Ziel begründen kann, die Welt des Fußballs so weit wie möglich zu sanieren, denn, wie der UEFA-Präsident, Michel Plattini, erklärte, ist der Fußball in erster Linie ein Spiel, und dann ein Produkt, zuerst ein Sport, und dann ein Markt, und eine Form der Unterhaltung eher als ein Unternehmen.

Meine Damen und Herren! Zur Deregulierung, die sich aus dem Bosman-Urteil ergab, muss heute durch klare Regeln ein Gegengewicht gesetzt werden, um dem wichtigsten Sport in der Europäischen Union seine wirklichen Werte zurückzugeben. Die europäischen Fußballinstanzen verfügen nicht über alle notwendigen Garantien, um eine befriedigende Regulierung sicherstellen zu können. Abgesehen von ihren beschränkten Rechten sind sie zugleich Richter und Gerichtete. Sie handeln als kommerzielle Betreiber und Regulierer, Aufgaben, die nur schwer zu vereinbaren sind.

Bei diesem Punkt ist es bedauerlich, wie ich zu Beginn meiner Ausführungen sagte, dass die PPE-DE und die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa meinen doppelten Vorschlag nicht gebilligt haben, nämlich die Schaffung eines europäischen Rechtsstatus für Wirtschaftsunternehmen im Sportbereich und die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums zur Beobachtung der Spitzenvereine, dessen Hauptaufgabe darin bestünde, sicherzustellen, dass das finanzielle, wirtschaftliche und sportliche Gleichgewicht beim Fußball in Europa gewahrt wird. Ich hoffe jedoch, dass die Europäische Kommission diese Vorschläge gebührend zur Kenntnis nimmt, die nicht nur als eine Verteidigung gegenüber den heutigen Exzessen, sondern als ein Instrument zur Förderung eines fairen und geeinten europäischen Sportmodells gedacht sind.

In einer Zeit, in der wir den 50. Jahrestag der Römischen Verträge feiern, muss Europa seinen Bürgern zeigen, dass es für sie nicht nur ein Rahmen des Friedens und der Demokratie bleibt, sondern vor allem ein Rahmen, der sie vor den Auswüchsen eines uneingeschränkten Liberalismus schützt. Nur unter dieser Bedingung sind die Europäer stolz darauf, an diesem großen Vorhaben der Integration Europas teilzunehmen.

 
  
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  Karin Resetarits, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, werter Berichterstatter! Ich beginne gleich mit dem, was den Profisport in den letzten Jahren am meisten verändert hat: Geld. Am meisten Geld kann ein Profi vor allem durch den Verkauf der Fernsehrechte verdienen. Je größer der nationale Fernsehmarkt, umso höher die Einkünfte der Vereine, ihr Budget, ihre Kaufkraft. Es ist kein Zufall, dass in der Gruppenphase der Champions League fast ausnahmslos Vereine von großen Mitgliedstaaten spielen. Wie in anderen Bereichen der zügellosen Marktwirtschaft führt dieses Ungleichgewicht zu einer rasant wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Einerseits Milliardenunternehmen wie Real Madrid, andererseits Pleiteclubs wie Sturm Graz. Das ist unsportlich und unfair.

Was können kleine Mitgliedstaaten gegen dieses Ungleichgewicht tun? Wir brauchen neue Ligen, wir müssen raus aus diesem engen nationalstaatlichen Denken. Wir müssen europäischer werden, auch im Fußball. Außerdem bin ich dafür, dass wir Nachwuchstalente nicht kaufen und handeln, sondern so wie in den USA üblich per Los den Vereinen zuteilen. Schwächere Vereine bekommen mehr Lose, haben damit höhere Chancen als Spitzenclubs. Wenn Geld allein den Fußball bestimmt, verliert das wohl populärste Kulturgut Europas das, was es ausmacht: seinen Sportsgeist.

 
  
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  Dariusz Maciej Grabowski, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fußball ist nicht länger Sport und Unterhaltung, sondern hat sich zu einer Geldmaschine und einem Machtinstrument entwickelt. Er ist praktisch zu einer neuen Religion geworden. Wenn der Fußball nicht zu einem Instrument der Gesetzlosigkeit und Gewalt werden soll, müssen wir sein Umfeld in Bezug auf das Geschäftsgebaren einschließlich der Medienlandschaft rasch und radikal verändern. Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Ivo Belet, dafür danken, dass er diese wichtige Frage aufgegriffen, die meisten Probleme angesprochen und Lösungswege aufgezeigt hat. Meiner Ansicht nach sind grundlegende Entscheidungen notwendig, um der Monopolisierung des Fußballs durch reiche Unternehmen entgegenzuwirken.

Wir brauchen erstens uneingeschränkte Transparenz in Bezug auf die Einnahmen und Ausgaben aller Vereine; bei Verstößen dagegen müssen hohe Geldstrafen verhängt werden.

Zweitens muss es Beschränkungen bzw. Obergrenzen für die Erhöhung der Ausgaben der reichsten Vereine in den nächsten Jahren geben.

Drittens gilt es, Länder, Organisationen und Vereine, die in junge Menschen und Sporteinrichtungen investieren, finanziell und anderweitig zu unterstützen.

Viertens brauchen wir eine Vereinbarung mit der FIFA, um gegen Korruption und kriminelle Machenschaften im Fußball vorzugehen.

Polen will die Fußballeuropameisterschaft im Jahr 2012 ausrichten, bei der der Grundsatz des Fairplay und der gesunde Wettstreit siegen werden.

 
  
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  Ian Hudghton, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Herr Belet hat auf den Glauben an die Autonomie des Sports Bezug genommen. Ich stimme zu. Im Bericht werden Bereiche hervorgehoben, in denen mehr Zusammenarbeit oder sogar Regulierung angebracht sein könnte, aber die Struktur und Organisation des Fußballspiels gehören meines Erachtens nicht dazu. Die Organisation lokaler, nationaler und internationaler Ligen und Wettkämpfe sollte lieber den Fußballgremien überlassen bleiben.

Wenn wir hier bei uns den Begriff „national“ verwenden, dann meinen wir in der Regel „eines Mitgliedstaates“. Der Mitgliedstaat ist natürlich der Baustein der Europäischen Union, aber im Fußball trifft das nicht zu. Meine walisische Kollegin Jill Evans und ich haben die Änderungsanträge 28 und 29 eingereicht, die hoffentlich morgen auch angenommen werden. Just am heutigen Abend findet ein Fußballspiel statt, das deutlich macht, warum diese Änderungsanträge wichtig sind. Meine Fußballnation, Schottland, spielt gegen Italien, den Weltmeister. Mit unseren Änderungsanträgen wird lediglich klargestellt, dass „national“ im Fußball nicht zwangsläufig „Mitgliedstaat“ bedeutet, und in diesem Bericht oder in der Terminologie dieses Berichts sollte auf keinen Fall der Status von historischen Fußballnationen wie Schottland, Wales und England in Zweifel gezogen oder untergraben werden.

 
  
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  Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Fußball ist die mit Abstand beliebteste Sportart in Europa, und das Umfeld und die Atmosphäre im Zusammenhang mit dem Fußball haben nachhaltigen Einfluss auf junge Menschen. Dieser Einfluss ist umso stärker, als er spontan und nicht von oben aufgedrängt ist.

Es ist daher wichtig, dass Fußball nicht nur als ein Umfeld betrachtet wird, das von großen Geldmengen überflutet wird, in dem gegen Gesetze verstoßen wird und Gewalttaten verübt werden und in dem die obersten Spielklassen schon völlig abgehoben sind und die Bindung zu den Amateurligen, die das Fundament dieser Sportart bilden, völlig verloren haben. Gleichzeitig wage ich zu behaupten, dass die Amateurligen einen größeren sozialen Nutzen haben als der exklusive Profisport, in dem das Geschäft dem ursprünglichen Spaß an diesem Sport weitgehend Abbruch getan hat.

Ich schließe mich Herrn Belet an und appelliere an die EU dafür zu sorgen, dass Gebräuche und Gepflogenheiten des Profisports den Schüler- und Jugendfußball nicht beeinflussen und dass Kinder nicht aufgrund ihres Talents und ihrer Leistung gehandelt werden, als seien sie junge Gladiatoren. Diese Praxis beeinträchtigt das Recht der Kinder, ihre eigene Persönlichkeit in einer offenen Atmosphäre mit einem breiten Angebot an Wissen zu entwickeln, und mit ihr halten die strengen Maßstäbe der Erwachsenen Einzug in ihre Erziehung. Zugleich verlieren die Fußballvereine das Interesse daran, ihre Zeit und Mühen in die Entwicklung eigener Nachwuchsspieler zu investieren. Dies führt im Gegenzug dazu, dass die breite Beteiligung von Kindern an populären Sportarten eingeschränkt und die Auswahl verschärft wird, was eine kleine Zahl von Talenten zu einer Ware macht, während die Mehrheit außen vor bleibt.

Der Spitzenfußball beeinflusst nicht nur die eigenen Spieler und Zuschauer, sondern stellt auch eine Welt dar, in der Kinder und insbesondere Jugendliche ihre Vorbilder finden. Wir müssen daher versuchen zu gewährleisten, dass Fußballstadien nicht länger als Veranstaltungsorte für aggressives Verhalten dienen, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aus dem Fußball verschwinden und dass das Geschäft um den Fußball herum nicht – zu Recht oder Unrecht – mit Korruption in Verbindung gebracht wird.

 
  
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  Jeffrey Titford, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Die EU ist nicht für den Sport zuständig und sollte es auch nicht sein. Die Champions League und die G 14-Vereine im Vereinigten Königreich, in Spanien und in Italien sind gegen die Einmischung der EU in Fußballübertragungsrechte. Bayern München ist dafür; die englischen Vereine sind dagegen, und dennoch schlägt sich der britische Sportminister, Richard Caborn, hier auf die Seite der Deutschen. So viel zu den britischen Interessen!

Änderungsantrag 25, der klugerweise zurückgezogen wurde, sah das Hissen der europäischen Flagge bei Spielen der Champions League und der Europameisterschaft vor. Hatte man denn an die Schweiz gedacht, die 2008 Gastgeber der Europameisterschaftsendrunde sein wird? Oder daran, dass in der Champions League auch Russland, die Türkei und Norwegen dabei sind? Keines dieser Länder gehört zur EU, und es gibt keine EU-Mannschaft. In demselben Änderungsantrag wurde außerdem das Abspielen der europäischen Hymne bei diesen Spielen gefordert. Doch die „Ode an die Freude“ ist für 41 % der Bevölkerung und 58 % der britischen Bevölkerung völlig verfehlt. Wissen Sie, Schiller schrieb die „Ode an die Freude“ im Jahre 1785, und seine Worte „O Freunde, nicht diese Töne!“ mögen damals mehrdeutig gewesen sein, war Beethoven doch leider schon mit Taubheit geschlagen, als er die Neunte Sinfonie schrieb, aber heute sind sie angebracht. Und was „Ihr stürzt nieder, Millionen?“ betrifft, nun, da kann ich Ihnen sagen, mehr als 200 Millionen Menschen sagen Nein.

 
  
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  Patrick Gaubert (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Schattenberichterstatter meiner Fraktion im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres möchte ich zunächst dem Berichterstatter, Herrn Catania, danken, mit dem wir während des gesamten Verfahrens gut und erfolgreich zusammengearbeitet haben. Sportveranstaltungen sollen ein breites, familienorientiertes Publikum anziehen, das ein Recht darauf hat, Spiele in einem völlig friedlichen und sicheren Rahmen anzusehen. Tatsache ist, dass seit Jahren und auch erst kürzlich wieder bestimmte Personen Fußballstadien zu gewaltsamen oder rassistischen Demonstrationen nutzen. Diese Auswüchse sind völlig inakzeptabel.

Fußball ist der populärste Sport der Welt. Um diese Art von Vorfällen zu verhindern, besteht in den Mitgliedstaaten seit 2002 ein organisiertes und effizientes System zum Austausch von Informationen über die Risiken, die bestimmte Spiele, und insbesondere bestimmte gefährliche Fans, darstellen. Eine einheitliche, direkte Kontaktstelle wurde in allen unseren Mitgliedstaaten bestimmt. Diese nationalen „Fußball“-Informationsstellen bereiten internationale Spiele durch die Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen vor. Sie müssen daher ihren Informationsaustausch noch weiter verbessern und beispielsweise Standardformulare verwenden. Diese Kontaktstellen könnten so strukturierter und professioneller zusammenarbeiten.

Ich möchte Herrn Belet auch dazu beglückwünschen, dass er in seinen umfassenden Bericht mehrere Absätze zur Bekämpfung von Rassismus aufgenommen hat. Dies scheint mir angesichts der Zunahme aller Formen von Intoleranz in unserer Gesellschaft besonders wichtig zu sein. Fußball kann nur dann weiterhin eine soziale und erzieherische Rolle spielen, wenn Spiele ohne Gewalt stattfinden.

Meine Kollegen, Herr Belet, Herr Bennahmias, Frau Hazan, Herr Bono, und ich selbst werden eine schriftliche Erklärung zur Bekämpfung aller Formen von Menschenhandel und Ausbeutung von Kindern im Fußball einreichen. Ich fordere Sie auf, uns dabei zu unterstützen und diesen Text sobald wie möglich zu unterzeichnen.

 
  
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  Pier Antonio Panzeri (PSE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Catania für seinen Bericht sowie Herrn Belet für seine Arbeit, die ich ausgewogen finde, obgleich auch ich der Auffassung bin, dass mehr hätte getan werden können.

Fußball spielt mittlerweile eine überaus relevante Rolle, und in Anbetracht der anstehenden neuen Herausforderungen können wir uns nicht länger vormachen, sie könne allein durch die Fußballorgane bewältigt werden. Daraus ergibt sich der vom Europäischen Parlament anerkannte Handlungsbedarf, um eine ausgewogenere Entwicklung des Fußballsektors zu gewährleisten und zu versuchen, mit einem aktualisierten Ansatz auf die sich vollziehenden Veränderungen zu reagieren.

Darüber hinaus bringt, wie gesagt worden ist, die zunehmende Bedeutung des europäischen Fußballs weit reichende Konsequenzen für alle anderen Bereiche mit sich, was wir sehen können. Denken wir nur an das Sponsoring und den Wert der Fernsehrechte, die Vermarktung, die wachsende Anzahl der sich wiederum auf verschiedene Sektoren auswirkenden internationalen Wettbewerbe oder die neuen sozialen und kulturellen Probleme, die sie hervorrufen. Ich würde sogar sagen, dass diese neue, zunehmende gesellschaftliche Dimension des modernen Fußballs das öffentliche Verhalten, Moral, Doping, Gewalt und Rassismus und sogar die Ausbeutung junger Spieler mit einbezieht.

Es wurde über die großen Mannschaften gesprochen, doch sehr oft entgeht uns das wirkliche Ausmaß des Problems, weil wir zu sehr bei den großen Vereinen verweilen und nicht über deren Tellerrand hinausblicken, obwohl doch vor allem den unteren Spielklassen mehr Aufmerksamkeit als bisher gewidmet werden muss.

Deshalb ist es richtig zu empfehlen, dass der europäische Fußball strenger geregelt und all dies mit dem Europarecht und der Dynamik des Binnenmarkts verknüpft wird. Es ist richtig, eine modernere Form der Lenkungsstruktur durchzusetzen und zu versuchen, den gesellschaftlichen und kulturellen Einfluss des Fußballs im positiven Sinne zu erhöhen. Das Ziel, das wir uns setzen müssen, besteht nicht etwa darin, in den Verantwortungsbereich der UEFA vorzudringen und sie zu ersetzen, sondern vielmehr darin, politische Maßnahmen durchzuführen, die dabei helfen, diesen Tätigkeitsbereich besser zu verwalten. Doch eines muss klar sein: Die von den Fußballorganen kommenden Autonomieforderungen dürfen nicht zu der fixen Idee werden, jeder könne tun und lassen was er will und sich außerhalb des Gemeinschaftsrechts bewegen.

Wenn wir, wie es unsere Pflicht ist, die Fehlentwicklungen und den Niedergang in der Welt des Fußballs bekämpfen wollen, muss diese Aufgabe gemeinsam von den politischen und parlamentarischen Gremien sowie den Sportgremien wahrgenommen werden. Jeder muss sein Bestes für die Erreichung dieser Zielsetzung geben.

 
  
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  Luciana Sbarbati (ALDE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich begrüße die beiden Berichte.

Es wurde gesagt, dass Fußball heutzutage in Europa vor allem ein großes Geschäft sei, doch es ist auch wahr, dass er noch etwas anderes sein sollte. Gleichwohl bilden Millionengagen, mangelnde Transparenz, Gewalt als Aktion oder Reaktion sowie Rassismus oft das Spektakel, an das wir uns schon fast gewöhnt haben. All das gefährdet die erzieherische Rolle des Sports – und in diesem Fall des Fußballs. Was wir wirklich tun müssten ist gründlich über diese Rolle nachzudenken, angefangen beim Amateurfußball oder dem Schulsport, wo die positiven Werte des Wettkampfs immer mit der Einhaltung der Regeln verbunden werden müssen.

Obwohl die EU, wie bereits gesagt, keine ausdrückliche Zuständigkeit in diesem Bereich besitzt, bedeutet die Korrelation zwischen Fußball und Gewalt, die in ihrer ganzen Absurdität zum Ausbruch kommt und oft sogar die Spieler selbst involviert, dass wir uns alle zusammen engagieren müssen. Es ist unsere Pflicht, was wir ja auch zu tun versucht haben, gemeinsame Maßnahmen zur Verhütung und Unterdrückung von Rowdytum festzulegen und dabei mit den Fußballverbänden, der UEFA und den Polizeikräften zusammenzuarbeiten, um die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten.

Ich würde jedoch hinzufügen, dass wir uns auch die tieferen Ursachen, oder Mitursachen, ansehen müssen, für die diese Organisationen bisher nicht verantwortlich waren und die ermittelt und bekämpft werden müssen.

 
  
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  Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Belet dafür danken, wie er an die Erarbeitung dieses Berichts herangegangen ist. In einigen Bereichen und vor allem bei dem massiven Griff nach Macht, den dieser Bericht in seinen Erwägungsgründen fordert, teile ich seine Meinung ganz und gar nicht, aber ich begrüße es, wie professionell er sich beim Verfassen dieses Bericht verhalten hat.

Ja, es gibt Probleme im Fußball, aber keine, die wir europäischen Politiker nicht noch viel schlimmer machen können. Ja, es gibt kleine Gruppierungen von Leuten, die Fußballspiele als Vorwand für Gewalttätigkeiten benutzen, und sie sollten festgenommen und daran gehindert werden, dort zu erscheinen. Aber viele Ranger-Fans aus Glasgow in Schottland werden Ihnen sagen, dass Ordnungsmaßnahmen bei internationalen Spielen freundlich und umsichtig sein müssen und nicht feindselig und überzogen. Der EU Zuständigkeit in dieser Angelegenheit zu übertragen, wird diese Gewalt nicht beenden, und wir brauchen sie nicht, um bewährte Praktiken auszutauschen.

Dieser Bericht ist ein gutes Beispiel dafür, warum wir uns zurückhalten und vernünftig sein sollten. Der Sport wird am besten von denen gelenkt, die dort mitwirken. Viele Empfehlungen in diesem Bericht sind ja ganz vernünftig, aber wir sind Politiker, und wir können einfach nicht widerstehen, uns in Dinge einzumischen, zu denen wir kein Recht dazu haben. Sehen Sie sich doch nur den inzwischen zurückgezogenen Änderungsantrag 25 an; hören Sie sich die vielen Beiträge in dieser Aussprache an, und Sie verstehen, warum.

Meine Theorie ist, dass wir mit der Forderung nach diesen neuen Befugnissen versuchen werden, Probleme zu beheben, die es in Wirklichkeit nicht gibt, und die ganz unterschiedlichen Sportmodelle im Fußball zu verändern und anzugleichen versuchen, die momentan auf unserem Kontinent bestehen.

Als jemand, der seit 25 Jahren in den untersten Ligen dieser Sportart als Schiedsrichter tätig ist und während seiner Zeit in diesem Parlament schon viele Diskussionen zu diesem Thema gehört hat, bin ich der Meinung, dass wir hier sehr stark Gefahr laufen zu vergessen, dass Profifußballvereine – über die wir ja heute Abend sprechen – auf einzigartige Weise mit den Millionen Amateuren verbunden sind, die jedes Wochenende auf die Plätze überall in Europa laufen, und durch unser reichlich arrogantes Verlangen nach Einmischung könnten wir leicht der Solidarität Schaden zufügen, die die Menschen hier fördern und erhalten wollen.

 
  
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  Christa Prets (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte ebenfalls Herrn Belet für seine Initiative und Kooperation danken. Ich hoffe, dass wir bei dem, was wir an Kompromissen ausgearbeitet haben, auch bleiben können und dass wir nicht im letzten Moment noch vieles ändern und dann doch vor manchen in die Knie gehen.

Wir haben mit diesem Bericht die aktuellen Probleme, die sich dem heutigen Fußball stellen, angesprochen und auch getroffen. Was wir nicht wollen, ist mehr Regulierung auf EU-Ebene, sondern eine rechtliche Klarstellung zwischen den bestehenden Regeln, um die Aushebelung einer sinnvollen Fußballregel zu verhindern. Es geht nicht an, dass alle Probleme, die sich stellen, nachher dann zum Beispiel nur noch vor dem Europäischen Gerichtshof geklärt werden können. Wir wollten auch nicht den Kampf gegen große Klubs führen und so genannte Attacken gegen die Traditionsklubs führen, sondern uns für einen gerechten Ausgleich zwischen kleinen und großen Klubs einsetzen. Hier wäre z. B. die Lizenzvergabe zu nennen. Außerdem ist auf die Jugend wesentlich mehr Acht zu geben, wie das bisher der Fall ist.

 
  
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  Sharon Bowles (ALDE).(EN) Herr Präsident! Im Bericht von Herrn Belet geht es nicht um die Übernahme des Fußballs durch die EU, und die ALDE-Fraktion hat sich ganz besonders bemüht, Änderungsanträge einzureichen, um dies deutlicher zu machen. Es ist allerdings nichts daran auszusetzen, wenn sie den Austausch von bewährten Praktiken fördert.

Einige Punkte, wie etwa europäische Rechtsvorschriften für das Fußballgeschäft, werden im Rahmen der entsprechenden Unternehmens- oder anderen Vorschriften geregelt und benötigen keine besonderen Bestimmungen.

Fußball hat auch eine soziale und kulturelle Dimension. Die engsten Bindungen jedoch werden innerhalb der örtlichen Gemeinschaften geschmiedet. Deshalb gehen die Fans Woche für Woche zu Spielen, und deshalb investieren viele Vereine, wie der Reading Football Club in meiner Region, in Fußball in Gemeinschaftsprojekten. Gerade wegen dieser lokalen Bindungen sind nationale Verbände, Ligen und Vereine am besten geeignet, im Rahmen der Selbstregulierung die richtigen Entscheidungen zu treffen, und meiner Meinung ist dies – mit den passenden Abänderungen – die Aussage dieses Berichts.

 
  
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  Luis Herrero-Tejedor (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Wie es üblich ist, möchte ich mit einem Dank an den Berichterstatter, Herrn Belet, beginnen, der aber dieses Mal wirklich verdient ist, denn ihm ist es gelungen, mit allen Fraktionen und allen Mitgliedern einen Dialog zu führen.

Er selbst erinnerte uns am Anfang dieser Debatte, nicht die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass dies ein Bericht über den Profifußball ist, wodurch er ein zusätzliches Element erhält, das ich für entscheidend halte; ich möchte auch betonen, dass wir es hier mit einem Initiativbericht zu tun haben. Das heißt, zum ersten Mal befasst sich das Europäische Parlament mit dem Fußball und signalisiert, dass es sich für das Phänomen Fußball interessiert. Es gilt deshalb, die Hauptgründe unserer Anliegen ganz deutlich herauszustellen.

Wenn es um den Profifußball geht, müssen wir vor allem über Profifußballclubs und Zuschauer diskutieren. Ohne diese beiden Elemente würde das Problem, das wir anpacken wollen, nicht existieren. Deshalb stimme ich der Schlussbemerkung von Herrn Heaton-Harris vorbehaltlos zu: Es gibt keinen Platz für irgendwelche Spekulationen, die die entscheidende Rolle der bestehenden Fußballclubs nicht einbeziehen.

Wenn wir die Botschaft an die Zuschauer richten: „Seht, das Europäische Parlament will sich in die Welt des Fußballs einmischen, um das Fußballspektakel weniger spektakulär zu machen“, wenn wir den großen Vereinen, denen, die wirklich Anhänger haben, für die eine soziale Nachfrage besteht, erklären: „Seht, aufgrund des Solidaritätsprinzips werden Eure Einnahmen beschränkt, Ihr werdet keine großen Spieler unter Vertrag nehmen können und nicht in der Lage sein, diese Strukturen zu haben. Wir werden den Fußball weniger spektakulär machen, und die Fußballfans – und viele sitzen unter uns – werden mit Bestürzung reagieren, das versichere ich Ihnen, meine Damen und Herren.

Sie würden uns antworten: „Ihr macht Euch also Sorgen um den Fußball und signalisiert uns, dass Ihr das Spektakel weniger attraktiv machen wollt, indem Ihr gegen die großen Fußballclubs arbeitet.“ Das ist absurd. Deshalb möchte ich Sie bitten, meine Damen und Herren, diese Gesichtspunkte gründlich zu bedenken, wenn es um den richtigen Umgang mit den Medienrechten der Fußballclubs geht.

 
  
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  Emine Bozkurt (PSE). – (NL) Herr Präsident! Europa darf, wenn es um bezahlten Fußball geht, kein Schiedsrichter, aber auch nicht bloßer Zuschauer sein. Wir sollten zwar keine Befugnisse für uns beanspruchen, die wir nicht besitzen, solche Angelegenheiten wie Binnenmarktregeln oder die Bekämpfung von Rassismus und grenzüberschreitenden Betrügereien fallen jedoch in den Zuständigkeitsbereich der EU. Deshalb bin ich für Ziffer 8, aber gegen ein unabhängiges Kontrollorgan. Europa ist kein Schiedsrichter und sollte seine Nase nicht in Dinge stecken, zu deren Regelung die Fußballwelt durchaus selbst in der Lage ist.

Herrn Belet sei dafür gedankt, dass er in seinem Bericht mit großem Engagement für die Bekämpfung des Rassismus im Fußball plädiert. Im vergangenen Jahr habe ich die Initiative zu einer schriftlichen Erklärung über dieses Thema ergriffen, worauf in dem vorliegenden Bericht ausdrücklich verwiesen wird. Dank einer Rekordzahl von Unterschriften wurde daraus eine offizielle Entschließung, und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen für strengere Sanktionen sind von der UEFA und der FIFA übernommen worden. Diese hervorragende Zusammenarbeit sollte über den Bereich des Fußballs hinaus erweitert werden.

 
  
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  Manolis Mavrommatis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Ivo Belet und Herrn Giusto Catania zu dem sehr wichtigen Ergebnis gratulieren, das sie mit ihren Berichten über die Zukunft des Profifußballs in Europa erreicht haben. Vor allem aber möchte ich Ivo Belet dazu beglückwünschen, dass er sich in umfassender Weise darum bemüht hat, das Interesse der fünf Ausschüsse sowie einer großen Zahl von Trägern und Persönlichkeiten auf den Themenbereich Sport und Wirtschaft zu lenken. Das ist ein Beleg für die Bedeutung und die Dynamik des Fußballsports, der Millionen von sportbegeisterten Politikern – und natürlich nicht nur Politikern – auf der ganzen Welt wie ein Magnet in seinen Bann zieht.

Als der Fall Bosman 1995 in die Schlagzeilen kam, da erwartete niemand, dass die Europäische Union sich erstmals in großem Umfang dem Thema Sport zuwenden und für die Arbeitnehmer und vor allem die Fußballer einsetzen würde. Jetzt, 12 Jahre später, haben wir einen eigenen Initiativbericht, der neue Grundlagen legt und der Perspektiven aufzeigt, die den Werten der Europäischen Union und einer der beliebtesten Sportarten, sprich des Fußballs, angemessen sind.

Die Änderungsanträge, die von allen Ausschüssen gebilligt worden sind, und die Vorschläge, die an den Ausschuss für Kultur und Bildung, Medien, Sport und Multilingualismus sowie an den Rat gerichtet wurden, ebnen den Weg für einen raschen Vorschlag zur Schaffung eines Rechtsrahmens für den Sport, unabhängig davon, ob oder wann der Verfassungsvertrag, der einen solchen Rechtsrahmen vorsieht, angenommen wird.

Das sind die Gründe dafür, warum das Europäische Parlament den Bericht über den Fußball unterstützen sollte, denn wie allgemein anerkannt wird, würden damit bisherige Standpunkte und der derzeitige Status quo aufgegeben und würde das Gewicht hauptsächlich darauf gelegt werden, den Sport vor Ausschreitungen von „Fans“, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu schützen, die Gleichbehandlung kleiner und großer Vereine bei der Wahrnehmung der durch die Gemeinschaft verbürgten Rechte zu gewährleisten sowie Talente zu fördern, ohne sich dabei an dem kommerziellen Import Minderjähriger aus Drittländern zu beteiligen.

 
  
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  Joseph Muscat (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich zuerst meinen Kolleginnen und Kollegen anschließen und Herrn Belet für die wunderbare Arbeit danken, die er geleistet hat. Natürlich haben wir alle unsere kleineren oder größeren Vorbehalte zu dem vorgelegten Text, aber er hat bei der Koordinierung der Arbeit aller Ausschüsse gute Arbeit geleistet.

Außerdem möchte ich noch einen anderen Punkt hervorheben: Wir haben Glück, in diesem Bereich mit der UEFA über einen so zuverlässigen Partner zu verfügen. So, wie diese Organisation bisher gearbeitet hat, können wir darauf vertrauen, dass sie das, wovon sie regelmäßig spricht, auch in die Tat umsetzt. Wir haben also einen Partner, auf den wir uns verlassen können.

Ich will nur auf einen Aspekt eingehen, nämlich die Fernsehrechte. Das digitale Zeitalter sollte eine größere Auswahl für die Verbraucher ermöglichen. Leider ist die Auswahl für die Fernsehzuschauer in vielen unserer Mitgliedstaaten jetzt kleiner, und sie müssen für Dinge bezahlen, die sie früher kostenlos bekamen. Mit unserem Bericht setzen wir ein klares Zeichen für die Behörden, dass wir für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bezahlfernsehen und frei empfangbarem Fernsehen sorgen müssen.

 
  
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  Giuseppe Castiglione (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Catania und Herrn Belet für die Berichte, die sie diesem Parlament vorgelegt haben, danken und sie beglückwünschen.

Der Sport und insbesondere der Fußball stellt einen unveräußerlichen Teil der europäischen kulturellen Identität dar, er spielt zweifellos eine wichtige gesellschaftliche Rolle und kann ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Diskriminierung, Intoleranz, Rassismus und Gewalt sein. Diese positive Funktion und Rolle wird jedoch heutzutage in zunehmendem Maße durch diejenigen gefährdet, die die Spiele in den Stadien zu einem weiteren Austragungsort für Gewalt und Terror machen wollen. Die Sicherheit in den Stadien muss daher Priorität für uns haben, und das Schlüsselwort muss Prävention heißen.

Aus diesem Grunde schließe ich mich der in dem Bericht von Herrn Belet enthaltenen Aufforderung an die Mitgliedstaaten voll an, Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen Vereinen, Faninitiativen und Ordnungskräften einzuführen, um Gewalt und Rowdytum sowie sonstige kriminelle Handlungen, die wir immer öfter, auch bei Fußballspielen, erleben, zu bekämpfen. Desgleichen unterstütze ich die Forderung nach strikteren Sanktionen gegen jede Art von rassistischen und fremdenfeindlichen Handlungen in den Stadien sowie nach Anwendung entsprechender Disziplinarvorschriften durch die UEFA und die anderen Ligen gegen jeden, der für solche Handlungen verantwortlich ist.

Eine ebenso grundlegende Präventionsmaßnahme ist jedoch die Verstärkung und professionellere Gestaltung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den nationalen Stellen bei internationalen Spielen. Ebenso wichtig ist es, jene Fans in den Stadien zu beobachten, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen können, und Informationen über die Art der organisierten Fanaktionen zu sammeln, was ein entscheidendes Mittel für das Gastgeberland ist, um eine wirksame Risikobewertung in Bezug auf das Sportereignis durchführen und auf diesem Wege Behinderungen der Öffentlichkeit vorbeugen zu können.

Selbstverständlich gilt es, Missbräuche bei der Kontrolle aller Bürger zu verhindern und die Privatsphäre sowie die Vertraulichkeit personenbezogener Daten zu wahren; doch dürfen wir die Privatsphäre einiger Weniger nicht zum Nachteil der Sicherheit aller schützen. Noch darf das zum Vorwand werden, um den unkontrollierten Zutritt waschechter Verbrecher zu erlauben, mit der Begründung, dass echte Straftaten entkriminalisiert werden, nur weil sie im Rahmen einer Sportveranstaltung begangen wurden.

Wir müssen ein faires Gleichgewicht schaffen, indem wir gegensätzliche Erfordernisse miteinander in Einklang bringen. Dieses Gleichgewicht kann jedoch nur gefunden werden, wenn die individuelle Freiheit geachtet wird und die Rechte aller geschützt werden, vor allem das Recht auf Sicherheit, einschließlich des Rechts, in ein Stadion zu gehen und in Ruhe einer Sportveranstaltung beizuwohnen.

 
  
  

VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ
Vizepräsident

 
  
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  Richard Corbett (PSE). – (EN) Herr Präsident! Ich beglückwünsche die Berichterstatter und besonders Herrn Belet, mit dem ich gemeinsam an der unabhängigen Überprüfung des europäischen Fußballs mitgearbeitet habe, die letztes Jahr vom Rat eingeleitet wurde.

Der Fußball hat zahlreiche Probleme. Eines ist die Verknüpfung von Reichtum und sportlichen Erfolgen und die Konzentration von beidem in den Händen von immer weniger Vereinen in fast jeder Liga überall in Europa. Doch bei Maßnahmen, die die Fußballgremien treffen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken – wie etwa die Regelung, dass die Spieler aus der eigenen Jugend kommen sollten, oder die Pflicht, Fernsehrechte im Verbund mit einer Umverteilung auf alle Vereine zu verkaufen – könnte die Gefahr bestehen, dass sich herausstellt, dass sie nicht mit europäischem Recht vereinbar sind. Ich war erschrocken, als ich Kommissar Figeľ sagen hörte, die Kommission denke immer noch darüber nach und sei noch nicht zu einer Entscheidung gekommen. Deshalb müssen eben im Weißbuch vielleicht keine Ausnahmeregelungen, aber doch zumindest wohlwollende Auslegungen des EU-Rechts eingeräumt werden, mit denen die Besonderheit des Sports anerkannt wird. Deshalb sind die Beiträge von Herrn Titford und Herrn Heaton-Harris so fehl am Platze: Sie sollen die britische Regenbogenpresse auf den Plan rufen. Es ist doch Unsinn zu behaupten, die Europäische Union wolle hier die Macht an sich reißen: Es geht darum, bestehende Anforderungen im EU-Recht zu lockern, die ursprünglich für andere Zwecke konzipiert waren. Das brauchen wir. Es ist äußerst unredlich, dies völlig entgegengesetzt zu der eigentlichen Absicht darzustellen.

 
  
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  Jacek Protasiewicz (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst die beiden Berichterstatter, insbesondere aber Ivo Belet, zu den Ergebnissen ihrer Arbeit beglückwünschen. In dem Bericht von Herrn Belet werden alle wichtigen Aspekte des europäischen Fußballs beleuchtet, angefangen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen über das Management, den Wettbewerb, den Binnenmarkt und soziale Fragen bis hin zur Bekämpfung krimineller Verhaltensweisen wie Rassismus oder Doping sowie der Korruption bei Fußballveranstaltungen.

Dies scheint nur auf den ersten Blick ein leichtes Thema zu sein, denn der Fußball ist eine Sportart, die große Leidenschaften weckt. An der Zahl der Änderungsanträge, die der Berichterstatter zu bewältigen hatte, lässt sich ablesen, dass auch dieses Hohe Haus nicht gegen diese starken Emotionen gefeit ist. Einer davon war besonders wichtig, betraf er doch die Vermarktung der Fernsehübertragungsrechte an Fußballspielen. In früheren Debatten habe ich das kollektive System unterstützt, das eine gerechte Umverteilung der Einnahmen aus den Fernsehübertragungen sowie einen ausgewogeneren Wettbewerb und sportlichen Kampfgeist garantierte. Nunmehr unterstütze ich den mündlichen Änderungsantrag des Berichterstatters.

Als Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten möchte ich mich außerdem dafür bedanken, dass in dem Bericht auch Beschäftigungsfragen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen zwischen den Profispielern und den Vereinen, der gesetzlichen Regelung der Lage der Fußballvermittler und ihrer Transaktionen sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung für junge Fußballer einschließlich der Garantie, dass die besten von ihnen ein Platz in den Vereinsmannschaften erhalten, behandelt wurden.

Ich bin davon überzeugt, dass der Fußball die Grundlage für Entwicklung und Selbstverwirklichung schaffen kann, weshalb ich es auch begrüße, dass in dem Bericht von der Notwendigkeit gesprochen wird, die Vereine zu unterstützen, die jungen Menschen die entsprechenden Bedingungen bieten, damit sie trainieren und lernen können.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass im Bereich des Sports einschließlich des Fußballs die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der gesamten Europäischen Union tatsächlich zur Realität geworden ist, und ich hoffe, dies wird in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes der Union auch bald der Fall sein.

 
  
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  Maria Badia i Cutchet (PSE).(ES) Auch ich möchte dem Berichterstatter meinen Dank aussprechen, vor allem für seinen Willen zur Zusammenarbeit bei der Abfassung seines Berichts, in dem es um die Zukunft des Profifußballs geht und der nicht nur wichtig für den Profifußball ist, da er sich mit Problemen befasst, die in letzter Zeit in der gesamten Sportwelt aufgetreten sind: Gewalt in den Sportstätten, rassistische Handlungen, Doping, fehlende finanzielle Transparenz usw.

Ich möchte mich auf zwei Fragen konzentrieren: erstens, die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs, die zu einem steigenden Wert der Fernsehrechte geführt hat. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass der Bericht die Bedenken hinsichtlich der Regelung für Einkünfte aus dem Verkauf dieser Rechte aufgegriffen hat, die eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den verschiedenen Clubs hervorrufen können, obwohl ich bedauere – und das vermisse ich im Bericht –, dass nicht bedacht wurde, dass diese Einkünfte auch vom Einfluss des Clubs auf die Zuschauer in der ganzen Welt und nicht nur vom nationalen Übertragungsmarkt abhängen und dass keine Umverteilung von Mitteln aus dem Verkauf der Übertragungsrechte der nationalen Ligen zwischen den Clubs erfolgt.

Darüber hinaus freue ich mich, dass der Bericht die verschiedenen nationalen Fußballverbände der Europäischen Union in seine Überlegungen einbezieht, unabhängig davon, ob sie zu den Führungsstrukturen des Sports oder zu den von den Mitgliedsstaaten anerkannten Verbänden gehören.

Und schließlich hoffe ich, dass die Kommission diese Anregungen des Europäischen Parlaments bei der Erarbeitung ihres Weißbuchs über den Sport berücksichtigt.

 
  
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  Vasco Graça Moura (PPE-DE).(PT) Herr Präsident, Herr Kommissar! Jeder Bürger hat gemäß den Verfassungen der einzelnen Mitgliedstaaten das Recht auf Anrufung eines Gerichts, und auch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union räumt dieses Recht jeder Person ein, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind.

Die Bedeutung dieser Regelungen liegt auf der Hand: Keine Rechtsprechung oder Gerichtsbarkeit darf jemandem das Grundrecht auf Anrufung eines Gerichts versagen oder von vornherein ausschließen. Selbst dann nicht, wenn der tatsächlichen Wahrnehmung dieses Rechts in bestimmten Situationen Sachverhalte entgegenstehen könnten, die in der Rechtssprache als „Einrede der Unzuständigkeit“ bezeichnet werden. Jedoch muss gemäß dem genannten Artikel 47 das Vorliegen dieser Unzuständigkeit von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht anerkannt und zuvor diese Frage in Ausübung seiner Zuständigkeiten geprüft werden. Aus diesem Grund darf niemals angenommen werden, die Anrufung eines Gerichts durch eine physische oder moralische Person schließe jedwede Art von Disziplinarverstößen ein.

Die Wahrnehmung eines Rechts, das von allen Verfassungen und von der Europäischen Charta der Grundrechte anerkannt wird, darf nicht auf eine Rechtswidrigkeit – welcher Art auch immer – hinauslaufen. Deshalb verankert der Bericht Belet den richtigen Grundsatz, dass die Anrufung der Zivilgerichte, auch wenn dies unter sportlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist, nicht disziplinarrechtlich geahndet werden darf, und verurteilt die diesbezüglichen willkürlichen FIFA-Beschlüsse.

Die Zustimmung zu diesem Grundsatz würde dem Sport nicht nur mehr Transparenz verleihen, sondern darüber hinaus die hehren Grundsätze, auf denen der Rechtsstaat gründet, stärken.

 
  
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  Mario Mantovani (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Belet, für seinen Beitrag zu dem Bericht über die Zukunft des Profifußballs in Europa.

Meiner Ansicht nach durchlebt Europa gegenwärtig eine Periode besonderer Unsicherheit und befindet sich in einer Phase der Reflexion. Das wird auch an der menschlichen Dimension erkennbar, die für die europäischen Bürger so wichtig ist, nämlich der Sport im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen, und zwar wegen ihrer erzieherischen Funktion und der Rolle, die sie bei der sozialen und kulturellen Integration sowie bei der Bekämpfung der Diskriminierung spielen.

Dieser Integrationsprozess wurde teilweise durch die positiven Auswirkungen des Bosman-Urteils hervorgerufen, das 1995 erlassen wurde, um Freizügigkeit für Fußballspieler zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund muss jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass Profifußball eine Wirtschaftstätigkeit ist, die in Artikel 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft anerkannt wird.

Auf finanzieller Ebene wurde die geforderte Integration nämlich nicht vollständig verwirklicht, was teilweise auf die Wettbewerbsverzerrungen auf dem Fußballmarkt zurückzuführen ist, die durch die unterschiedlichen Steuersysteme in den verschiedenen Ländern der Union verursacht werden. Demzufolge erlaubt es eine günstige Besteuerung in einigen Ländern deren Vereinen, den Fußballern wesentlich höhere Gagen zu zahlen, als sie von den Budgets anderer Vereine verkraftet werden können.

Schließlich können wir nicht umhin hervorzuheben, ebenso mit Blick auf den Fußball, dass der Vorschlag zur Harmonisierung bei der Aufteilung der Fernsehrechte keine wirkliche Priorität darstellt. Und zwar wegen der historischen, kulturellen und vor allem den Markt betreffenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern der Europäischen Union, und auch wegen des Widerspruchs zum Subsidiaritätsgrundsatz, der ein Grundprinzip darstellt, das geachtet werden muss.

Herr Präsident, vor fünf Jahren wies ich in diesem Hohen Haus auf die Notwendigkeit einer Europäischen Sportagentur hin. Ich denke, heute ist sie nötiger denn je.

 
  
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  Ján Figeľ, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich danke beiden Berichterstattern und allen Abgeordneten, die das Wort ergriffen haben, denn es wurden viele interessante Punkte angesprochen. Morgen werden Sie über den genauen Inhalt des Berichts zu entscheiden haben, aber vieles von dem, was Sie geäußert haben, kann nicht nur für weitere Diskussionen noch genutzt werden, sondern auch für die Arbeit zum Vorteil des Fußballs und des Sports sowie Europas als einer Gemeinschaft.

Einer der wichtigen Punkte ist, wie Herr Belet ausführte, die beteiligten Gremien zu bitten, sich an einen Tisch zu setzen und nach Lösungen zu suchen. Eine der Botschaften lautet, zusammenzuarbeiten. Wir führen seit vielen Jahren einen engen und regelmäßigen Dialog mit Organen wie der UEFA und der FIFA. Die Studie zum europäischen Sport wurde diskutiert, und das wird sie auch jetzt noch.

Ich habe am Ende meiner einführenden Bemerkungen die sehr interessante Veranstaltung erwähnt, die vor kurzem in Manchester stattfand. Ich habe die geteilten Meinungen der britischen Kollegen vernommen. Fußball und das Vereinigte Königreich sind Synonyme. Wir können viele Botschaften über die Bedeutung der Zusammenarbeit um des Fußballs und seines Wohlergehens willen vermitteln.

Europa ist im Fußball eine Supermacht. Ich will nicht über Geopolitik sprechen, aber ich habe an internationalen Debatten teilgenommen, wo oft gesagt wurde, vor allem von afrikanischen Ländern, dass diese Dominanz den internationalen Beziehungen und dem Sport schadet. Die Afrikaner stehen den Europäern sehr kritisch gegenüber. Wir sollten darauf mit Klarheit und Glaubwürdigkeit reagieren.

Es gibt ein Profielement, aber auch ein Amateurelement. Dies ist eine sehr wichtige Pyramide für den Fußball und den Sport, wo beide Elemente und die Pyramide als Ganzes von Bedeutung sind. Geld ist nicht das Wichtigste, denn wenn das so wäre, dann würde die ganze Pyramide auf den Kopf gestellt, und das wäre schädlich.

Letztes Jahr haben wir zum Beispiel mit der FIFA vereinbart, über den Kinderfußball das Engagement in Afrika zu unterstützen, um den Sport und die Integration zu fördern. Dies ist Teil der Vorbereitungen auf die Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika.

Vor zwei Wochen haben wir uns mit den Sportministern in Stuttgart getroffen. Zwei negative Themen standen auf der Tagesordnung: Gewalt und Doping. Diese Probleme kommen auch in Ihrem Bericht zur Sprache. Die Minister haben sich darauf geeinigt, die Einrichtung eines europäischen Netzwerks von Anti-Doping-Organisationen voranzutreiben, als einen der Beiträge zur Sicherung der Transparenz und Glaubwürdigkeit unserer Maßnahmen. Auch die Gewalt wurde diskutiert. Wir werden mit dem Europarat und dem Europäischen Parlament im November eine Konferenz zu Sport und Rowdytum veranstalten.

Wir haben auch über Ökonomie und Sport sowie soziale Integration über den Sport gesprochen. So sind wir zum Beispiel übereingekommen, konkretere und zuverlässigere Daten zur Ökonomie des Sports zu erstellen, um zu sehen, welchen Beitrag er zum Arbeitsmarkt und zu Wachstum in unseren Ländern leistet. Das ist sehr wichtig.

Als Punkte für die Kommission und das kommende Weißbuch über den Sport verbleiben folgende Stichworte, die eine Art Mosaik für unsere Beziehungen im Sport darstellen: Besonderheit, Subsidiarität, Autonomie und natürlich Vielfalt – die nicht nur in der Kultur so sichtbar und wichtig ist –, Transparenz sowie auf Regeln basierende Aktivitäten und Beziehungen. All dies muss jedoch innerhalb des europäischen Rechtsrahmens verwirklicht werden, nicht außerhalb, was Sie ja nachdrücklich befürworten.

Abschließend ist zu sagen, dass wir uns jetzt im Prozess der Konsultation zum Weißbuch befinden. Wie gesagt, sobald diese Berichte morgen angenommen sind, werden sie uns bei diesen Vorbereitungsarbeiten helfen. Wir haben inzwischen 670 Beiträge erhalten, und über 200 davon sind kollektiver Art, das heißt im Namen von Vereinigungen und Verbänden. Deshalb müssen wir zusammenarbeiten, um es um Europa und seiner Glaubwürdigkeit willen richtig zu machen, denn Europa trägt auch eine allgemeinere internationale Verantwortung im Sport.

Europa ist die Wiege vieler Sportarten, auch des Fußballs, sowie des olympischen Ideals und Gedankenguts, und wir müssen die Werte dieser Traditionen und Aktivitäten in einem breiteren Raum der europäischen Zusammenarbeit wie auch international fördern.

Ich danke allen Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI) , schriftlich. – (IT) Fußball ist tief in der europäischen Identität und Kultur verwurzelt. Insbesondere, jedoch nicht nur, für junge Leute stellt er ein wesentliches Instrument des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der zwanglosen Erziehung und der wirtschaftlichen und regionalen Entwicklung dar. In letzter Zeit jedoch haben Justizskandale, manipulierte Meisterschaften, Gewalt, Rassismus, millionenschwere Ablösesummen und die Tatsache, dass wirtschaftliche Interessen über den Sportsgeist triumphieren, lediglich bewirkt, dass der Fußball seinem ursprünglichen Geist entfremdet wurde und sich die Menschen vom Fußball abwandten.

Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass die EU tätig wird, um in einem Sektor Ordnung zu schaffen, in dem wir weltweit führend sind. Ebenso wie er eine kulturelle Ausdrucksform ist, kann dieser Sektor auch weiterhin eine Quelle von Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätzen und sozialem Zusammenhalt sein. Ich hoffe daher, dass Fußball, und Sport im Allgemeinen, in Zukunft die notwendige Unterstützung erhalten, um die vielen Interessen, um die es dabei geht, zu regulieren. Vor allem hoffe ich, dass durch die Förderung von Aktivitäten, Begegnungen und Veranstaltungen auf lokaler und europäischer Ebene (und insbesondere durch die Förderung des Zugangs von jungen Leuten, einschließlich benachteiligter Jugendlicher) die kleineren Sportarten und Vereine entwickelt und geschützt werden können, die überall in Europa eine wichtige Rolle für die politische Bildung unserer Bürger spielen.

 
  
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  Iles Braghetto (PPE-DE) , schriftlich. – (IT) Ich bekunde meine Wertschätzung für die Arbeit, die der Berichterstatter geleistet hat, und erkläre mich damit einverstanden. Das Thema Fußball, und Sport im Allgemeinen, ist Ausdruck eines Teamgeistes und einer Spielkultur, die typisch für die westliche Zivilisation ist. Daher glaube ich, dass der richtige Ansatz nicht darin besteht, neue Rechtsvorschriften zu erlassen, sondern darin, die Welt des Fußballs zu Formen der Selbstregulierung zu bewegen, in die alle direkt Betroffenen – alle Beteiligten, einschließlich der Fans – einbezogen werden können.

Nach Rechtssicherheit sollte mithilfe von Leitlinien gesucht werden, die die Zusammenarbeit und Solidarität zwischen allen Akteuren von Sportereignissen gewährleisten. Ich möchte insbesondere die Notwendigkeit hervorheben, die Jugenderziehung, die Anwendung strikter Disziplinarmaßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt in den Stadien und von Rassismus, die Einbeziehung der Fans in die Lenkungsstruktur des Fußballs, die Ausarbeitung eines transparenten Kostenkontrollsystems, den fairen Wettbewerb zwischen den Vereinen und den Versicherungsschutz für Spieler zu fördern.

Aus all diesen Gründen wird die Annahme des Weißbuchs über die Rolle des Sports in Europa durch die Kommission ungeduldig erwartet, und die Ausarbeitung eines Aktionsplans für den europäischen Sport allgemein und den Fußball im Besonderen wäre äußerst begrüßenswert.

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE) , schriftlich. (EN) Aufgrund des Anstiegs relativ brisanter Vorfälle im Rahmen von Fußballspielen kann man die österreichische Initiative für eine Änderung der Regelung über die Sicherheit bei Fußballspielen nur begrüßen. Die Auswertung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit nach den Europameisterschaften im Jahre 2004 hat deutlich gezeigt, dass der internationale Informationsaustausch zu Risikofans verstärkt werden muss. Doch wie unser Berichterstatter Giusto Catania betont hat, kommt es darauf an, dass der Austausch personenbezogener Daten in Übereinstimmung mit den geltenden nationalen und internationalen Rechtsvorschriften erfolgt und nicht für andere Zwecke benutzt wird. Wegen der ständig steigenden Zahl von Fans, die zu Spielen ins Ausland reisen, bedarf es einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den nationalen Fußballinformationsstellen und einer wirklichen internationalen Dimension. Die Verhütung und Eindämmung von Gewalttätigkeiten und Störungen in Verbindung mit Fußballspielen durch einen internationalen Informationsaustausch, der es jedem Mitgliedstaat gestattet, eine wirksame Risikobewertung durchzuführen, muss das Ziel haben, zur Bekräftigung der moralischen und erzieherischen Werte des Fußballs und überhaupt des Sports generell beizutragen.

 
  
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  Lívia Járóka (PPE-DE) , schriftlich. – (HU) Ivo Belets Bericht über die Zukunft des Profifußballs in Europa ist ein sehr wichtiges Positionspapier. Es ist uns allen klar, dass Fußball viele Rollen in Europa spielt und dass diesem Sport eine wichtige soziale und kulturelle Funktion zukommt; diese beliebte Sportart ermöglicht Begegnungen von Menschen und den Austausch ihrer Meinungen untereinander, und sie fördert auch die soziale Partizipation.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind gesellschaftliche Probleme, die nicht nur in unserem Alltag, sondern auch in der Welt des Fußballs immer stärker zum Ausdruck kommen. Woche um Woche werden wir bei Fußballspielen aus erster Hand Zeugen schwerer rassistischer Zwischenfälle und – in Mittel- und Osteuropa – zunehmender romafeindlicher Stimmungen. Dieser Sport, der sich außerordentlicher Beliebtheit erfreut, ist heute eng mit Ausschreitungen von Hooligans und mit rassistisch motivierten Hassreden verbunden.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind in Fußballstadien weit verbreitet. In Mittel- und Osteuropa hallen die Fußballstadien von romafeindlichen Ausbrüchen wider, wobei es keine Rolle spielt, ob gerade eine Mannschaft mit Fans bzw. Förderern unter den Roma spielt.

Die Popularität dieses Sports muss Gelegenheiten schaffen, Rassismus zu bekämpfen, Menschen zu sensibilisieren und ein Beispiel zu geben. Die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten müssen sich zusammen mit den Fußballvereinen in den Kampf gegen den auf den Sportplätzen manifestierten Rassenhass einbringen. Es müssen bei jedem rassistisch motivierten Zwischenfall im Fußball noch schwerere Strafen als bisher erlebt verhängt werden; darüber hinaus ist es unbedingt erforderlich, dass sowohl die UEFA als auch die nationalen Fußballverbände die Disziplinarregeln streng und systematisch anwenden.

 

20. Erfüllung der Flaggenstaatpflichten – Zivilrechtliche Haftung und Sicherheitsleistungen von Schiffseignern (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

– den Bericht von Marta Vincenzi im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erfüllung der Flaggenstaatpflichten (KOM(2005)0586 – C6-0062/2006 – 2005/0236(COD)) (A6-0058/2007) und

– den Bericht von Gilles Savary im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die zivilrechtliche Haftung und die Sicherheitsleistungen von Schiffseignern (KOM(2005)0593 – C6-0039/2006 – 2005/0242(COD)) (A6-0055/2007).

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Es gibt nunmehr ein beachtliches gemeinschaftliches Regelwerk im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs, aber es bleibt noch viel zu tun. Die Kommission wollte dieses Regelwerk durch ein neues Maßnahmenpaket ergänzen, das der weiteren Verhütung von Schiffsunfällen und der besseren Berücksichtigung von deren Folgen dienen soll. Darüber hinaus hat die Kommission mit der Unterbreitung der sieben Vorschläge den Entschließungen zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr, die das Parlament nach dem Untergang des Öltankers „Prestige“ angenommen hat, so weit als möglich Rechnung getragen. Das ist unsere Antwort.

So werden die europäischen Seebehörden in der Lage sein, eine Vorbildwirkung auszuüben. Kein Schiff wird sich einer Kontrolle in den europäischen Häfen entziehen können. Die Kontrolle der Kontrolleure, d. h. der Klassifikationsgesellschaften, wird viel genauer sein. Durch eine klare Entscheidungskette wird die Aufnahme von in Seenot befindlichen Schiffen in einem Notliegeplatz möglich werden. Die Betreiber werden ihrer Verantwortung gegenüber ihren Passagieren bzw. Dritten besser nachkommen. Und schließlich wird ein systematischer Rücklauf von Erkenntnissen über Unfälle möglich werden.

Ich freue mich, dass das Europäische Parlament den von der Kommission vorgeschlagenen ehrgeizigen Ansatz unterstützt. Ihre Berichterstatter haben eine beachtliche Arbeit geleistet. Die Kommission hält an der parallelen Prüfung der sieben Vorschläge und an der Beibehaltung des „Paketansatzes“ weiterhin fest, um die Effizienz und die Kohärenz der vorgeschlagenen Maßnahmen zu gewährleisten. Aus technischen Gründen wollten Sie zwei dieser sieben Vorschläge im Voraus prüfen.

Durch die Unterbreitung eines Vorschlags über die Verantwortung der Flaggenstaaten möchte die Kommission eine Lücke im europäischen Sicherheitssystem schließen. Die Behörden der Mitgliedstaaten sind verpflichtet sicherzustellen, dass die unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe die Sicherheitsnormen anwenden. Ganz eindeutig muss die Situation in Europa verbessert werden. Es ist nicht normal, dass Mitgliedstaaten auf der mit der Pariser Vereinbarung eingeführten grauen – oder sogar schwarzen – Liste stehen. Es ist nicht normal, dass es so erhebliche Unterschiede bei der Rate der zurückgehaltenen Schiffe unter europäischer Flagge gibt – den Angaben der Pariser Vereinbarung zufolge von 0,9 % bis zu Extremfällen von 24,14 % im Zeitraum 2003-2005.

Sprechen wir Klartext. Es geht nicht darum, eine neue bürokratische Hürde für die Betreiber oder die nationalen Behörden einzuführen oder neue Sicherheitsvorschriften anzunehmen, vielmehr soll sichergestellt werden, dass die bereits geltenden Vorschriften tatsächlich angewendet werden. Der Vorschlag der Kommission zielt einfach darauf ab, die Vorschriften der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation, denen zufolge die Flaggenstaaten die internationalen Übereinkünfte umzusetzen haben, im Gemeinschaftsrecht zu verankern, und eine rein freiwillige Maßnahme, nämlich das Audit-System der IMO, verbindlich vorzuschreiben. Unser Ziel besteht also darin, unseren Seebehörden zu tadelloser Qualität zu verhelfen und auf diese Weise Einfluss auf die Qualität unserer Schiffe zu nehmen. So werden wir dazu beitragen, möglichen Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs zwischen den europäischen Seeverkehrsunternehmen vorzubeugen.

Nun zu dem zweiten Vorschlag. Dabei geht es darum, die Schiffseigner durch die Verstärkung des Haftungssystems stärker in die Verantwortung zu nehmen. Die Kommission schlägt vor, Mindestregeln aufzustellen, die für alle Mitgliedstaaten in diesem Bereich gelten – zivilrechtliche Haftung und finanzielle Sicherheitsleistungen – sowie Regeln festzulegen, die sowohl die Vorbeugung von Unfällen als auch den Ausgleich verursachter Schäden ermöglichen. Einige werden einwenden, dass es internationale Übereinkommen zu diesem Thema gibt. Denen möchte ich antworten, dass diese Übereinkommen mangelhaft sind, und zwei Aspekte vor Augen führen. Erstens sind nicht alle von ihnen in Kraft getreten; ihr Inkrafttreten verzögert sich sogar. Und zweitens wird es, auch wenn diese Übereinkommen wirklich eines Tages in ganz Europa gelten sollten, immer noch Situationen geben, die von ihnen nicht erfasst werden.

Zudem haben diese Übereinkommen einen grundsätzlichen Fehler. Sie verleihen einem Prinzip Gesetzeskraft, das es dringend zu modernisieren gilt: die Haftungsbeschränkung. Genauer gesagt, legen diese Übereinkommen die Grenze fest, ab der Schiffseigner ihr Recht auf Haftungsbeschränkung verlieren. Das Problem besteht dabei darin, dass diese Grenze so festgelegt ist, dass sie praktisch nicht überschritten werden kann – die Grenze des unentschuldbaren Fehlverhaltens. Eine unüberschreitbare Grenze bedeutet eine Vorzugsbehandlung für die Schiffseigner zu Lasten der Opfer, wenn der erlittene Schaden über die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Entschädigungshöchstgrenzen hinausgeht. Sie ist zugleich eine Vorzugsbehandlung der schlechten Reeder zu Lasten der guten. Reeder, die grob fahrlässig gehandelt haben – auf der Fehlerskala gleich unter dem unentschuldbaren Fehlverhalten angesiedelt – was zu einer großflächigen Verschmutzung geführt hat, sollten nicht mehr in den Genuss dieses Privilegs der Haftungsbeschränkung kommen.

Unser Vorschlag fügt sich in diesen Kontext ein. Er ist somit gleichzeitig eine unmittelbare Reaktion auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der internationalen Übereinkommen und ein erster Schritt zur Modernisierung sämtlicher dieser Texte.

Herr Präsident, angesichts der bereits vorgerückten Stunde heute Abend, möchte ich meine Ausführungen an dieser Stelle beenden. Ich werde vielleicht noch Gelegenheit haben, auf die Beiträge von Frau Vicenzi und Herrn Savary einzugehen, für deren ausgezeichnete Arbeit ich mich ganz herzlich bedanken möchte.

 
  
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  Marta Vincenzi (PSE), Berichterstatterin. – (IT) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einhaltung der internationalen Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten könnte Probleme lösen, die, wie wir wissen, wirtschaftlicher und sozialer Art sind und den Umweltschutz betreffen. Innerhalb der Kommission und im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr haben wir versucht, in der vorliegenden Richtlinie drei grundlegende Fragen hervorzuheben.

Da wäre als Erstes die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten die gemeinschaftlichen Pflichten mit den herkömmlichen Instrumenten erfüllen können, die sie bereits einsetzen, um die internationalen Regeln anzuwenden. Der zweite Punkt ist, dass nicht die Staaten die Anwendung der Vorschriften nachweisen müssen, sondern die Kommission die Verstöße gegen die Bestimmungen, und dass einige bereits in den IMO-Vorschriften vorgesehene Ermessensspielräume im Bereich der Verwaltung notwendig sind, um die Anwendung der Flaggenstaatpflichten den einzelstaatlichen Gegebenheiten anzupassen. Diese Arbeit, die das Ergebnis direkter Konsultationen mit Vertretern von Gesellschaft und Institutionen ist, wurde vom Verkehrsausschuss bewertet und unterstützt.

Ich möchte allen Beteiligten, angefangen bei den Abgeordneten, die Änderungsanträge eingereicht haben, meinen Dank aussprechen: Bei der Abstimmung Ende Februar wurden der geänderte Vorschlag und die legislative Entschließung einstimmig angenommen. Die akzeptierten, eingereichten und abgestimmten Änderungsanträge trugen zur Klärung eines Standpunkts bei, der von allen Fraktionen mitgetragen wird, nämlich dass die Verbesserung der Sicherheit auf See ohne zusätzliche Belastungen der öffentlichen Verwaltung möglich und notwendig ist. In diese Richtung gehen die Änderungen der Regelung für die Besichtigungen, die nicht mehr obligatorisch, sondern freiwillig erfolgen, das System der Mitteilungen an die Kommission, die inhaltlich vereinfacht wurden, und die Garantien für die Ausbildung des Personals verbunden mit der Pflicht, Praxiserfahrungen auf See zu vermitteln.

Um ein größtmögliches Einvernehmen zu fördern, habe ich darauf verzichtet, meine weiteren Änderungsanträge einzubringen, denn das Ziel besteht darin, auch im Plenum einen Konsens und eine ausgewogene Position zu erreichen, wie sie bereits im Ausschuss erzielt worden sind. Herr Barrot, wenn das Europäische Parlament mit breiter Stimmenmehrheit und inhaltlicher Zustimmung diesen Richtlinienvorschlag und den meines Kollegen, Herrn Savary, wie sie von uns mit den geschlossen für die Stärkung des Erika-Pakets eintretenden Fraktionen geändert und erörtert wurden, annimmt, können wir meines Erachtens darauf vertrauen, dass die Öffentlichkeit voll hinter uns steht. Die Bevölkerung ist sich heute der ernsten Probleme im Bereich der Seeverkehrssicherheit bewusst, und ich denke, es könnte uns gelingen, die Unschlüssigkeit der Gemeinschaftsorgane und etwaige Kehrtwenden der Europäischen Union zu verhindern. Wir hoffen, dass es heute, insbesondere wenige Tage nach der äußerst bedeutsamen Berliner Erklärung, nicht dazu kommen möge.

 
  
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  Gilles Savary (PSE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident! Ein Mal ist kein Mal und ist es nicht viel besser so? Wir werden ein Gesetzespaket für Seeverkehrssicherheit erlassen können, ohne dass es zuvor einen Unfall gab. Bei den früheren Anlässen hatten wir die Havarie der „Erika“ zu beklagen, eine Katastrophe mit Meeresverschmutzung und sehr komplizierter Wrackbergung, und den Untergang der „Prestige“, an den Sie sich als spanischer Staatsangehöriger mehr als manch anderer erinnern werden und der die Küsten sehr stark betroffen hat.

Deshalb denke ich, dass dem Kommissar dafür zu danken ist, dass er uns dieses Paket von sieben Texten vorgeschlagen hat, die ein umfassender Vorschlag der Kommission und des Europäischen Parlaments an den Rat bleiben müssen, auch wenn zwei davon ihrer Zeit ein wenig voraus sind. Wir haben hart daran gearbeitet und ich möchte in diesem Zusammenhang allen meinen Kollegen und insbesondere den anderen Fraktionen für die ausgezeichnete Arbeit danken, die wir leisten konnten, und für das überwältigende Abstimmungsergebnis, das wir erzielen konnten, und das von einem sehr starken Willen des Parlaments zeugt, heute wirklich seine Zustimmung zu diesem Sicherheitspaket für den Seeverkehr zu bekunden.

Natürlich habe ich die Aufgabe, Ihnen einen – wahrscheinlich recht komplizierten – Bericht über die zivilrechtliche Haftung von Schiffseignern und die finanziellen Sicherheitsleistungen zur grundlegenden Deckung der Schädigung Dritter vorzulegen. Wir sprechen hier weder von Schäden an zwei eventuell kollidierten Schiffen, noch von Schäden zwischen Gliedern der Seeverkehrskette, d. h. Charterern und Reedern, sondern von Schäden, die Dritten entstehen, insbesondere Umweltschäden.

Was uns die Kommission vorschlägt – und ich denke, dies ist wirklich das Mindeste, was von den Mitgliedstaaten verlangt werden sollte – das ist die Ratifizierung der großen Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation im Bereich der Haftung und der Entschädigung Dritter. Dazu gibt es ein allgemeines Übereinkommen, das alle Arten von Schäden erfasst, das LLMC-Übereinkommen, das von einigen Mitgliedstaaten nicht ratifiziert wurde, insbesondere in seiner Fassung von 1996. Das HNS-Übereinkommen, das die chemischen Risiken erfasst, wurde nicht ratifiziert. Wir sind heute völlig ungeschützt vor der Gefährdung durch Chemikalien, ganz zu schweigen von den Ölrisiken, und bekanntlich werden auf den europäischen Meeren oft sehr gefährliche Güter transportiert. Und dann gibt es noch zwei andere Übereinkommen: eins über den Schutz der zurückgelassenen Seeleute – Sie werden von diesen irrsinnigen Situationen gehört haben, in denen Seeleute nach dem Konkurs des Reeders das Schiff nicht verlassen konnten und monatelang an den Liegeplätzen ausharren mussten – und eins über die Haftung für Schäden durch Bunkerölverschmutzung, mit anderen Worten das Ablassen von Ölrückständen.

Was uns die Kommission also vorschlägt, ist die Ratifizierung dieser Übereinkommen. Das Parlament hat für diesen Vorschlag gestimmt und seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass alle diese Übereinkommen – insbesondere das Chemie-Übereinkommen – ratifiziert werden. Das war von der Kommission nicht direkt vorgeschlagen worden, aber wir möchten unseren Wunsch nach Ratifizierung hervorheben. Zweitens sind wir der Ansicht, dass ein System zum Entzug der Vorteile der Haftungsbeschränkung für die Schiffe eingeführt werden sollte, die Staaten angehören, die die Ratifizierung der Übereinkommen abgelehnt haben, egal ob es nun EU-Mitgliedstaaten oder Nicht-EU-Mitgliedstaaten sind, die sich dagegen sträuben. Meiner Ansicht nach verspricht sich Georg Jarzembowski sehr viel von diesem schärferen Vorgehen gegenüber Schiffen aus Staaten, die nicht ratifiziert haben, um sie so zu motivieren, es zu tun. In solchen Fällen lautet der Vorwurf nicht unentschuldbares Fehlverhalten sondern grobe Fahrlässigkeit, und grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass das Entschädigungs- und Haftungssystem wesentlich härter ist.

Schließlich haben wir den Vorschlag der Kommission gebilligt, eine Versicherungsbescheinigung einzuführen und diese durch Schaffung eines Amtes innerhalb der Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs oder anderswo zu kontrollieren, bei dem man Erkundigungen zur Gültigkeit der Bescheinigungen insbesondere für die Schiffe einholen könnte, die die Hoheitsgewässer durchfahren und keine Häfen anlaufen, um so eine höchstmögliche Sicherheit zu erreichen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass dies ein Text ist, der dem Europäischen Parlament Ehre macht und die Mitgliedstaaten in die Enge treibt. Ich gehöre zu denen, die erheblich darunter gelitten haben, als bei dem Untergang der „Erika“ einige Staats- und Regierungschefs, darunter der meines Staates, Europa mit den Worten in Frage stellten: „Erika, daran ist Europa Schuld; es gibt keine Vorschriften“. Ab heute nun gibt es eine Vorschrift. Sie ist äußerst streng und wir fordern den Rat und die Mitgliedstaaten auf, sie umzusetzen.

 
  
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  Luis de Grandes Pascual (PPE-DE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. – (ES) Ich spreche nicht nur in meinem Namen, sondern auch in dem von Antonio López-Istúriz, dem Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses für den Bericht Savary.

Wie Sie wissen, gehören die beiden Berichte von Frau Vincenzi und Herrn Savary, über die wir heute diskutieren, zu einem Ganzen, das wir als drittes Paket über die Sicherheit im Seeverkehr bezeichnen. Das Hauptziel der sieben Vorschläge des Pakets besteht in der Erhöhung der Sicherheit auf unseren Meeren. Da wir die beiden Berichte zusammen behandeln, wäre es unhöflich von mir, nicht den Bericht von Frau Vincenzi zu erwähnen, dem wir vorbehaltlos zustimmen.

Wenn Sie mir gestatten, möchte ich aber mehr auf den Bericht Savary eingehen. Der Bericht ist couragiert und entschlossen, er verdient mein Lob und meine Unterstützung. Es ist keine leichte Aufgabe – keiner der sieben Vorschläge im Paket ist es – und nicht für jeden einfach zu akzeptieren, da es um Haftung und Sicherheitsleistungen der Schiffseigner geht, und es ist völlig legitim, dass dieser Sektor versucht, diese Haftung abzuschwächen oder rechtsverbindliche Beschlüsse hinauszuzögern. Glauben Sie nicht, dass ich die Schiffseigner irgendwie kritisieren will. Das ist ihr gutes Recht und ihre Positionen sind legitim.

Auch ich habe ursprünglich versucht, nicht gegen die Strömung zu schwimmen, und argumentiert, dass die Kompetenz für solch einen globalisierten Bereich wie den Seeverkehr bei der IMO liegen sollte. Meine Meinung stand im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht des Parlaments, und schließlich bin ich überzeugt worden.

So ist es besser, und ebenso wurde im Fall der Forderung nach Doppelhüllenschiffen verfahren, die von der verehrten, leider verstorbenen Loyola de Palacio erhoben wurde. Erst fasste die Europäische Union diesen Beschluss, und dann die IMO. Wäre es umgekehrt gewesen, hätte das Unglück vor kurzem in Gibraltar sicherlich zu einer weiteren Katastrophe von gewaltigem Ausmaß geführt.

Ich möchte Ihnen zunächst für die Akzeptanz der Änderungsanträge danken, in denen wir die verbindliche Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens über die zivilrechtliche Haftung von Bunkerölverschmutzungsschäden verlangen. Ferner will ich mich auf den Punkt konzentrieren, der meiner Ansicht nach wichtig ist und für den ich Sie um Unterstützung bitte: Ich meine die Errichtung eines Solidaritätsfonds zur Deckung von Schäden, die durch Schiffe verursacht werden, für die keinerlei Sicherheitsleistung besteht.

Es geht darum, ein Vakuum zu füllen, um diese Möglichkeit zu schaffen, falls eines jener Schiffe einen Unfall verursacht, die entgegen der in dieser Richtlinie aufgestellten Pflichten unsere Gemeinschaftsgewässer ohne eine Bescheinigung über eine Sicherheitsleistung befahren. In keinem Fall dürfen die Schäden, die durch ein Schiff ohne Sicherheitsleistung verursacht werden, zu Lasten des Mitgliedstaats gehen, der letztendlich Opfer des Unfalls ist, sondern aus unserer Sicht muss dafür ein Konsortium aufkommen, das die Haftung für derartige Fälle übernimmt, wie andere, die im vergleichbaren Recht existieren.

 
  
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  Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Vizepräsident der Kommission! Die EVP-ED-Fraktion unterstützt im Wesentlichen die hervorragenden Berichte der Kollegin Vincenzi und des Kollegen Savary über die Flaggenstaatenpflichten auf der einen Seite und über die Haftung von Schiffseignern auf der anderen. Gleichzeitig bedanken wir uns bei den Berichterstattern für die kompetente Erarbeitung dieser Berichte.

Entgegen den Befürchtungen aus manchen Schifffahrtskreisen führen die beiden Richtlinien im Kern keine wirklich neuen Pflichten für die Schifffahrt und die Mitgliedstaaten ein, und sie beeinträchtigen insofern auch nicht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Flotte gegenüber den Mitbewerbern aus Drittstaaten. Vielmehr dienen die Vorschläge eigentlich nur dazu, bereits lange bestehende internationale Übereinkommen zum Seerecht endlich für alle Mitgliedstaaten verbindlich zu übernehmen. Wenn wir uns die einzelnen Vorschläge der Flaggenstaaten anschauen, ist es höchste Zeit, dass alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihren Verpflichtungen aus dem internationalen Übereinkommen hinsichtlich der Kontrolle ihrer eigenen Schiffe nachkommen. Dazu reicht es nicht nur, Konventionen zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Es kommt auch darauf an, dass die Mitgliedstaaten endlich die erforderlichen Sach- und Personalmittel bereitstellen, um die effektive Kontrolle ihrer eigenen Schiffe durchzuführen. Hinsichtlich der Haftung bei Schiffsunglücken gilt es doch eigentlich nur, dass alle Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht verpflichtet werden, das LLMC-Übereinkommen aus dem Jahre 1996 endlich anzuwenden. Unsere Forderung, dass das HNS-Abkommen aus dem Jahr 1996 sowie das Bunkerölübereinkommen aus dem Jahre 2001 auch endlich angewandt werden, kann doch wirklich keine Zumutung für die Schifffahrt und für die Mitgliedstaaten sein.

Insofern können wir durchaus unsere Position vertreten. Wir fordern im Interesse der Umwelt und der Bürger etwas, was ganz selbstverständlich ist, und ich hoffe, dass der Rat dies endlich verstehen und bereit sein wird, diese beiden Dossiers ebenfalls zu behandeln.

 
  
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  Willi Piecyk, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Wenn ich meiner Mutter erzähle, dass wir nach Fußball um 23.00 Uhr über maritime Sicherheit diskutieren, wird sie wahrscheinlich sagen: Ihr spinnt ein bisschen in Brüssel. Ich möchte meiner Mutter an dieser Stelle nicht widersprechen.

Dennoch ist es gut, dass die Kommission diesen Vorschlag vorgelegt hat, denn er ist notwendig. Wir haben im Ausschuss für die Verbesserung der Sicherheit auf See (MARE) gefordert, dass wir als Europäische Union im Bereich der Flaggenstaatenpflichten sowie Haftung und Entschädigung tätig werden. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den beiden Berichterstattern, meinen Kollegen Marta Vincenzi und Gilles Savary, besonders bedanken, denn beide Berichte sind in der Sache schwierig und politisch sehr strittig. Wir haben dazu bisher weder Jubel noch Euphorie noch Bravo-Rufe aus dem Rat vernommen. Deswegen sei an dieser Stelle noch einmal an den Rat gesagt – weil es offensichtlich Missverständnisse gab –: Wenn wir heute diese beiden Berichte diskutieren, heißt das nicht, dass das Paket Erika 3 mit seinen sieben Dossiers aufgegeben wird, sondern wir unterstreichen vielmehr die besondere politische Bedeutung dieser beiden Berichte. Deshalb wäre der Rat, der im Sinne von Gilles Savary versucht, die Formulierung grob fahrlässig auszulegen, selbst sehr grob fahrlässig, wenn er sozusagen diese falsche Wahrnehmung hätte.

Ich stimme dem Kollegen Jarzembowski zu: Die Haltung des Rates gegenüber dem Bericht Vincenzi ist sehr schwer vermittelbar. Wo liegt eigentlich das Problem dabei, gültige IMO-Regeln in europäisches Recht zu übernehmen? Und wo ist das Problem beim Bericht Savary, neben der Ölverschmutzung auch die chemische Verschmutzung in eine zivilrechtliche Haftung zu übernehmen? Das kann eigentlich nicht das Problem sein. Jedenfalls spricht der gesunde Menschenverstand dafür. Die Botschaft dieser beiden Berichte ist: Mehr Verantwortung der Mitgliedstaaten für Schiffe unter ihrer Flagge und mehr Verantwortung der Mitgliedstaaten und der Schiffseigentümer, wenn etwas passiert ist. Diese Dinge sind überfällig, denken Sie an Erika und an Prestige. Danke an die Kommission für die Vorlage. Danke an die Berichterstatter. Jetzt ist der Rat gefordert, sich dabei ordentlich zu benehmen und nicht grob fahrlässig zu sein.

 
  
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  Paolo Costa, im Namen der ALDE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Barrot, meine Damen und Herren! Ich bin lediglich hier, um zu bekräftigen, was bereits meine Kollegen zum Ausdruck brachten.

Die Sicherheit auf See ist ein zu ernstes Thema, um Gegenstand taktischer Manöver zu sein: zu ernst wegen der Erfahrungen, die wir gemacht haben, wegen der Unglücke, die wir erlebt haben, und zu ernst, um unsere Augen davor zu verschließen, dass der zunehmende Seeverkehr in Zukunft größere Gefahren mit sich bringen wird. Die Kommission hat deshalb vernünftig gehandelt, als sie jeden möglichen Weg auslotete, um allen Schwierigkeiten zuvor zu kommen und sich für alle Eventualitäten zu rüsten.

Das ist der, gewiss weder taktische noch banale, Grund, aus dem wir glauben, dass alle sieben Vorschläge – die darauf abzielen, die Klassifikationsformen zu harmonisieren, die Staaten zur Kontrolle der unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe zu verpflichten, die Durchführung von Schiffsbesichtigungen in den Häfen zu gewährleisten, für die Überwachung des Schiffsverkehrs zu sorgen, die Vorgehensweisen bei Unfällen festzulegen und die Haftung sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber Reisenden zu prüfen und zu regeln – zusammen vorangebracht werden müssen.

Die Tatsache, dass die beiden betreffenden Berichte mit breiter Mehrheit und einer sogar im wörtlichen Sinne einstimmig angenommen wurden, macht deutlich, wie die Interessen der europäischen Bürger, die wir zu vertreten haben, anerkannt wurden. Das bestätigt außerdem, dass dies der richtige Weg ist, der beschritten werden muss.

Die Annahme dieser ersten beiden Berichte heute Abend ist eine Botschaft, die sich an alle europäischen Organe richtet: an die Kommission, die sie uns vorgelegt hat, damit sie weiterhin an ihrem Standpunkt festhält, und an den Rat, damit er sich bereit zeigt, echte Fortschritte im Bereich Seeverkehrssicherheit zu erzielen, sodass wir es – Gott bewahre – später nicht bereuen müssen, nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben, als wir dies noch konnten, um mögliche Katastrophen zu verhindern.

 
  
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  Mary Lou McDonald, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte zu Beginn Frau Vincenzi und Herrn Savary für ihre wertvolle Arbeit danken. Es besteht kein Zweifel, dass der Seeverkehrssektor nur einer der Bereiche ist, in denen eine straffere Regulierung dringend geboten ist. Die Beflaggung von Schiffen ist ein zentrales Thema, dem der Internationale Transportarbeiterverband in seiner Kampagne gegen die Verwendung von Gefälligkeitsflaggen Priorität beimaß. Ich halte es für wesentlich, vor allem in Bezug auf den Bericht Vincenzi, dass der Bericht angenommen wird, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten ihre diesbezüglichen internationalen Verpflichtungen erfüllen.

Wir haben in diesem Sektor Auseinandersetzungen, wie etwa zu Irish Ferries und anderen, erlebt, wo das Umflaggen als Mittel benutzt wurde, um Arbeitnehmer zu entlassen und ihnen dann niedrige Löhne für unsichere Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen zu zahlen und das Arbeitsrecht im Land des Schiffseigners zu umgehen. Für die Arbeitnehmer im Schifffahrtssektor muss jetzt etwas mit der gesamten Bandbreite des internationalen Instrumentariums unternommen werden, um die Rechtslage in ihrem Sektor und die Qualität ihres Arbeitslebens zu verbessern.

Ich bin sicher, dass das Parlament diese Berichte annimmt. Es obliegt dem Rat und in der Tat den einzelnen Mitgliedstaaten, entsprechend zu reagieren und ihren Verpflichtungen nachzukommen.

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte Frau Marta Vincenzi und Herrn Gilles Savary meine Anerkennung und meinen Dank für ihre Berichte aussprechen. Hier handelt es sich um zwei Richtlinienvorschläge aus dem von der Kommission vorgelegten Paket, der ich dafür danken möchte, dass sie so umfassend auf die Erwartungen dieses Hohen Hauses reagiert hat.

Ich möchte mich auf die Frage der zivilrechtlichen Haftung konzentrieren. Zunächst einmal begrüße ich die Einführung von Höchstgrenzen, die meiner Ansicht nach ein ausreichend hohes Niveau der zivilrechtlichen Haftung gewährleisten, so dass in den meisten Fällen die Geschädigten angemessen entschädigt werden können. Ich stimme der Kritik, wonach diese Grenzen zu hoch sind, nicht zu, denn der Idealfall wäre ja, dass wir überhaupt keine Entschädigung zahlen müssten.

Ich befürworte auch die verbindlich vorgeschriebene Garantie für die zivilrechtliche Haftung, wobei es den Schiffseignern obliegt, bei den Behörden eines Mitgliedstaats eine Bescheinigung zu beantragen, aus der sich die bestehende Garantie für alle Schäden Dritter ergibt. Es ist positiv, dass diese Bescheinigung von den Mitgliedstaaten ausgestellt wird, da sich damit die Seriosität und die finanziellen Verhältnisse der Unternehmen leichter überprüfen lassen.

Ebenso begrüße ich die Pflicht, das Vorhandensein einer solchen Bescheinigung zu melden. Zu begrüßen ist meiner Ansicht nach auch, dass der Begriff des unentschuldbaren Fehlverhaltens weiter gefasst wurde und es somit möglich sein wird, den Betreffenden für die Verletzung von Vorschriften zur Verantwortung zu ziehen. Deshalb wird vorgeschlagen, für eine weite Auslegung des Begriffs „unentschuldbares Fehlverhalten“ zu sorgen, um den Begriff des professionellen Verhaltens berücksichtigen zu können.

 
  
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  Josu Ortuondo Larrea (ALDE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir leben in der Ära der Globalisierung, die ganz ohne Zweifel ihre Sonnen- und Schattenseiten besitzt, die es aber glücklicherweise gestattet, uns der erheblichen Auswirkungen der menschlichen Tätigkeit und Entwicklung auf unserem Planeten bewusst zu werden. Die marine Umwelt beispielsweise, die uns so viel für Nahrung, Freizeit und sportliche Betätigung zu bieten hat, ist einer ständigen Verschmutzung ausgesetzt, die vom Land und vom Meer aus erfolgt.

Ein Teil der Verschmutzung – der kleinste – ist die Folge unvermeidlicher Unfälle, doch die meisten werden durch Schiffseigner und Betreiber verursacht, die noch immer unverantwortlich handeln und die internationalen Bestimmungen und Sicherheitspraktiken ignorieren.

Es sei an die konkreten Fälle der „Prestige“ und der „Erika“ erinnert, doch wir dürfen auch nicht die täglichen Verschmutzungen durch unkontrollierte Einleitung von Bilgenwasser oder die Reinigung von Tanks vergessen. Deshalb sind wir verpflichtet, alle uns möglichen Kontrollen und Mittel anzuwenden, um diesem kriminellen Vorgehen ein Ende zu bereiten, und wir müssen alle Flaggenstaaten auffordern, ihrer Verantwortung nachzukommen, qualifizierte und erfahrene Inspektoren zu stellen, den Zustand der Schiffskörper durch ihre Hafenbehörden zu inspizieren und die Einhaltung der Vorschriften für die Entsorgung von Abfallstoffen zu gewährleisten.

Was den letzten Aspekt angeht, so möchte ich die Kommission drängen, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, um alle Schiffe zu verpflichten, automatische Geräte an Bord zu führen, die stündlich den Flüssigkeitsstand im Kielraum und den Tanks registrieren, eine Art Blackbox, wie sie Flugzeuge haben, um Straftaten gegen die marine Umwelt aufdecken zu können. Das ist der einzige Weg, um unser Ziel zu erreichen.

Abschließend möchte ich die beiden Berichterstatter zu ihrer hervorragenden Arbeit beglückwünschen.

 
  
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  Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. (FR) Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Gestatten Sie mir zunächst, Ihnen zu danken und Sie zu beglückwünschen. Ich denke, dass dieses Dossier, auch wenn es – was ich etwas bedauere – zu sehr später Stunde Thema ist, deutlich macht, in welchem Maße das Parlament nunmehr der Garant des allgemeinen europäischen Interesses ist. Ich möchte allen Abgeordneten danken, die wirklich hart an diesen Textvorlagen gearbeitet haben. Ich denke, wir haben es hier in der Tat mit einem Paket zu tun, das nicht wieder aufgeschnürt werden sollte. Diese sieben Vorschläge bilden eine Einheit. Mit ihnen können wir die gesamte Seeverkehrskette sicherer machen und daher sollten meiner Ansicht nach die Pakete erhalten bleiben.

Lassen Sie mich zuerst auf den Bericht von Frau Vicenzi eingehen. Ich möchte zu Beginn darauf hinweisen, dass dieses spezifisch europäische Konzept mit dem globalen Konzept innerhalb der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) nicht unvereinbar erscheint. Es stimmt jedoch, dass wir dank der Gemeinschaft in der IMO ein Konzept unterstützen können, das auf die bessere Anwendung der internationalen Normen durch alle Flaggenstaaten abzielt. Dies widerspricht nicht dem auf Gemeinschaftsebene verfolgten Konzept, mit dem bereits dafür gesorgt werden soll, dass jeder Mitgliedstaat eine Qualitätsflagge hat. In Zukunft wird es die eigentliche Qualität der Flaggen sein, die sie attraktiver machen, und die es uns ermöglichen wird, ihren hochrangigen gemeinschaftlichen Einsatz im Seeverkehr besser zu schützen. Auch die Schifffahrtsunternehmen werden ihre Vorteile aus einer solchen Verbesserung ziehen, da diese Qualitätsflaggen zu einer Verringerung der Hafenkontrollen führen werden. Deshalb danke ich also noch einmal Frau Vicenzi.

Des Weiteren möchte ich hinzufügen, Herr Präsident, und damit im Wesentlichen die Arbeit des Ausschusses untermauern, dass ich die Vorbehalte des Rates nicht teile, und ich komme somit auf einige Abänderungen zurück.

Mit den Abänderungen 25 und 26 ändern Sie die Aufstellung der Kriterien für die von den Seebehörden durchzuführenden ergänzenden Untersuchungen. Ich kann das akzeptieren, jedoch mit einer Einschränkung: Schiffe, die innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate nicht im Rahmen der Hafenstaatkontrolle überprüft wurden, dürfen von diesen Untersuchungen nicht ausgenommen werden. Die Abänderungen 25 und 26 sollten also überarbeitet, d. h. verbessert werden.

Zu den Abänderungen 43, 44 und 52 möchte ich sagen, dass sie den Vorschlag schwächen, indem sie die Anforderungen für die Einstellung von Besichtigern des Flaggenstaates reduzieren. Denken Sie nicht, dass eine hohe Qualifikation beibehalten werden sollte? Die Abänderungen 43, 44 und 52 stellen daher für mich wirklich ein Problem dar und ich kann sie nicht akzeptieren.

Auch wenn viele andere Abänderungen die Position präzisieren, so besteht doch bei einigen Abänderungen – Abänderung 2, Abänderung 6, Abänderung 13 und Abänderung 17 – die Gefahr, dass sie eine gewisse Verwirrung stiften, da sie auf Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation Bezug nehmen und über den von dem Vorschlag abgedeckten Bereich hinausgehen. Ich kann sie daher nicht akzeptieren.

Ich möchte schließlich noch auf die Abänderungen 4 und 12 eingehen, mit denen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten und den privaten Betreibern die Möglichkeit eingeräumt wird, sich direkt an den Ausschuss für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe zu wenden. Mit diesen Abänderungen wird das ausschließliche Initiativrecht der Kommission bei der Ausübung der ihr übertragenen Durchführungsbefugnisse missachtet. Sie sind daher für die Kommission nicht akzeptabel.

Soweit einige Bemerkungen, die meiner Zustimmung zu der von Frau Vicenzi geleisteten Arbeit, die sehr beachtlich ist, keinerlei Abbruch tun. Um es noch einmal zu wiederholen, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Mitgliedstaaten dem Beschreiten dieses Weges zustimmen sollten. Das ist absolut unerlässlich und es wird langfristig ein Wettbewerbsvorteil sein, Flaggen von hoher Qualität zu haben.

Nun komme ich, Herr Präsident, zu dem Vorschlag von Herrn Savary. Ich möchte ihm sehr herzlich danken. Er hat darauf hingewiesen, dass die beiden Vorschläge des heutigen Abends ihrer Zeit gewissermaßen vorausgehen. Ja, ganz genau. Wenn wir vorwärtskommen wollen, müssen wir Einiges versuchen, um die Mitgliedstaaten zu einer viel mutigeren und viel entschlosseneren Politik und Strategie zu verpflichten, um weitere Ölverschmutzungen zu verhindern.

Wird sich durch die Richtlinie der Schutz der Opfer erhöhen lassen? Ganz sicher! Wie Herr Savary sehr gut vor Augen geführt hat, stellt die Einführung eines Pflichtversicherungssystems für alle Schiffe, die in europäische Gewässer einfahren, eine Innovation im Seeverkehr dar. Die finanziellen Sicherheitsleistungen sollten zuverlässig und zugänglich sein, weshalb wir vorschlagen, dass die öffentlichen Behörden vorher die Werthaltigkeit der Versicherungsdeckung überprüfen, und weshalb wir verlangen, dass sich die Geschädigten direkt an die Versicherer wenden können, um ihre Ansprüche geltend zu machen.

Es wird auch für den Schutz der Opfer gesorgt, da ein Minimum an Entschädigung garantiert wird. Dieses Minimum entspricht den Normen des Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (in seiner Fassung von 1996), die übrigens in den meisten Fällen ausreichend sind. Es stimmt jedoch, dass die Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen die Begrenzung der zivilrechtlichen Haftungsbeschränkung von Schiffseignern vorsieht, damit die Opfer eine ihrem Schaden angemessene Entschädigung erhalten können.

Deshalb, Herr Präsident, verehrte Abgeordnete, kann man sagen, dass dieser Vorschlag für eine Richtlinie unser Seerecht deutlich voranbringt. Ich möchte mich noch einmal für den Mut bedanken, der aufgebracht werden musste, um einem gewissen Widerstand standzuhalten und diese Modernisierung des privaten Seerechts zu erreichen. Einige Grundsätze des geltenden Seerechts sind in der Tat nicht mehr gerechtfertigt. Sie führen dazu, dass die Betreiber aus der Verantwortung genommen werden. Wir aber haben das Ziel einer qualitativ hochwertigen Flotte – unsere eigene Flotte und die auf der Durchreise befindlichen Schiffe aus Drittstaaten.

Ich komme nun zu dem Vorschlag von Herrn Savary. Das Ziel ist also eine qualitativ hochwertige Flotte – unsere eigene Flotte und die auf der Durchreise befindlichen Schiffe der Drittstaaten – und die dem Schaden entsprechende Entschädigung der Opfer, was nach den bestehenden gesetzlichen Grundsätzen nicht möglich ist. Die entscheidenden Abänderungen 10 und 20 zur groben Fahrlässigkeit und zum unentschuldbaren Fehlverhalten gehen in diese Richtung. Wir unterstützen sie.

Sie haben auch Scharfsinn unter Beweis gestellt, denn Sie haben eine Reihe von Elementen des Vorschlags verbessert und klargestellt: mit den Abänderungen 9, 11, 14 und 19.

Sie haben neue Bestimmungen eingeführt, die uns wertvoll scheinen, insbesondere die Abänderungen 16 und 17 über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, unverzüglich die noch ausstehenden Übereinkommen zu ratifizieren.

Es bleiben jedoch noch einige Abänderungen, die wir zwar grundsätzlich akzeptieren, denen wir aber nicht gänzlich zustimmen können. Es handelt sich um die Abänderungen 23, 26 und 27, in denen es um die Errichtung eines neuen gemeinschaftlichen Amtes für die Verwaltung der Versicherungsbescheinigungen geht. Die Idee ist zweifellos verlockend, aber muss eine neue Struktur geschaffen werden, wo es doch die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs gibt? Welche Aufgaben soll sie erfüllen? Sie werden verstehen, dass wir eine genaue und weiterführende Prüfung der Auswirkungen dieser Abänderungen wünschen.

Ich komme nun zur Abänderung 25, die die Schaffung eines Solidaritätsfonds vorsieht. Wir sind von der Notwendigkeit dieser neuen Struktur nicht überzeugt. Ist dies angesichts der nach der Umsetzung der Richtlinie geringen Anzahl noch übriger Fälle wirklich angebracht? Und wie soll, abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten in Verbindung mit der Errichtung eines solchen Fonds verhindert werden, dass die „guten“ Schiffseigner für die „schlechten“ bezahlen?

Soweit im Wesentlichen meine Anmerkungen. Eine vollständige Liste der Abänderungen und des jeweiligen Standpunkts der Kommission dazu wird dem Sekretariat des Parlaments für die beiden betreffenden Vorschläge zugeleitet. Doch abgesehen von den wenigen Vorbehalten, die ich zu einigen Abänderungen vorgebracht habe, gestatten Sie mir, Herr Präsident, meiner Anerkennung für die bemerkenswerte parlamentarische Arbeit Ausdruck zu verleihen. Ich möchte noch einmal den Berichterstattern, Herrn Costa und allen Mitgliedern seines Ausschusses und ganz allgemein dem Parlament für diese ausgezeichnete Arbeit danken, die es uns, so hoffe ich, ermöglichen wird, auf dem Weg zu dieser Seeverkehrssicherheit voranzuschreiten, die wir angesichts der Entwicklung des Seeverkehrs heute mehr als je zuvor nötig haben. Dies auch im Hinblick auf die Tatsache, dass für das wiedervereinte Europa nunmehr neben dem Mittelmeer und dem Atlantik auch das Schwarze Meer und die Ostsee von Interesse sind. Wir haben daher die dringende Pflicht, Fortschritte zu erzielen. Ich danke dem Parlament, dass es das verstanden und uns in dieser Weise unterstützt hat.

 
  
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  Der Präsident. Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

 

21. Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in die GAP (Aussprache)
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über den Bericht von Csaba Sándor Tabajdi im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über die Integration der neuen Mitgliedstaaten in die GAP (2006/2042(INI)) (A6-0037/2007).

 
  
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  Csaba Sándor Tabajdi (PSE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, die Integration der zehn neuen Mitgliedstaaten ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Ich denke, dass ich in meinem Initiativbericht versucht habe, die Ergebnisse zu analysieren und Bilanz zu ziehen über diese Einbeziehung der zehn neuen Mitgliedstaaten, weil wir im Allgemeinen von der erfolgreichen Integration der zehn neuen Mitgliedstaaten sprechen, es aber einer exakten Analyse von deren Auswirkungen in den verschiedenen Bereichen bedarf.

Was die Folgen der Integration für die Landwirtschaft betrifft, so muss ich trotz aller Unstimmigkeiten sagen, dass diese Bilanz sehr positiv ist. Es gibt eine Win-Win-Situation. Das heißt, dass die 15 alten Mitglieder gewonnen haben, indem sie ihre Märkte ausgedehnt haben. Sie haben sich erfolgreich an der Privatisierung dieses Sektors in den neuen Mitgliedstaaten beteiligt. Es sind vor allem die Erzeuger, die gewonnen haben; es sind insbesondere die Händler und landwirtschaftlichen Erzeuger, aber die Auswirkungen waren für sie positiv, und die neuen Mitgliedstaaten haben auch gewonnen, trotz aller Diskriminierungen bei den Direktzahlungen. Sie haben gewonnen, weil sie für zwei Jahre ihre Agrarsubventionen um 50 % erhöht haben. Das ist ein großartiges Ergebnis und wir müssen nun über die Stabilität der Preise sprechen; z. B. über Garantien und den Binnenmarkt.

In Bezug auf die Erweiterung bestand die große Befürchtung, dass die neuen Mitgliedstaaten Turbulenzen auf dem Binnenmarkt auslösen. Das war nicht der Fall. Es kam zu keiner Turbulenz. Die Schutzklausel musste nicht angewandt werden. Das ist sehr wichtig und sehr positiv und, was die neuen Mitgliedstaaten anbelangt, so wussten deren Erzeuger die Mittel für Direktzahlungen und die Mittel für ländliche Entwicklung zu nutzen, und man kann sagen, dass sich die Lebensmittelsicherheit verbessert hat.

Die Erweiterung geht aber gleichzeitig auch mit Unstimmigkeiten einher. Es gibt keine Chancengleichheit zwischen den Erzeugern der 15 und der zehn Mitgliedstaaten, weil im letzten Jahr die Landwirte der neuen Mitgliedstaaten nur ein Drittel der Direktzahlungen aus dem Gemeinschaftshaushalt erhalten haben. Sie hatten zugegebenermaßen das Recht, diese Zahlungen aus ihren Staatshaushalten zu ergänzen, aber es gibt keine Chancengleichheit, so viel steht fest. Auch die von Anfang an vorgesehene Finanzierung von 25 % war inkonsequent; 50 oder 60 % wären gerechter und gerechtfertigter gewesen.

In Bezug auf den Haushalt hat es jahrelang keinen Wettbewerb zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten gegeben, aber es gibt einen Wettbewerb in der Finanziellen Vorausschau, weil der „Kuchen“ der gleiche bleibt: Nun müssen sich 27 Mitgliedstaaten den gleichen Kuchen teilen, weil nach dem Vorschlag von Herrn Schröder und Herrn Chirac der gemeinschaftliche Agrarhaushalt eingefroren wurde.

Meine Damen und Herren! In Bezug auf die neuen Mitgliedstaaten gibt es meiner Ansicht nach einige Unstimmigkeiten bei den laufenden Reformen. Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, insbesondere gegenüber Frau Fischer-Boel, dass es bei der Obst- und Gemüsereform sowie beim Weinanbau, auch wenn in diesem Fall historische Gründe vorliegen, eine neue Unstimmigkeit, eine neue Diskriminierung der neuen Mitgliedstaaten gibt.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ich in meinem Bericht versucht habe, Lehren für die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik zu ziehen, und meiner Ansicht nach könnte das, was Frau Fischer-Boel vorschlägt, nämlich nationale Rahmenbeträge als Teil der Reform des Weinanbaus, vielleicht ein gutes Beispiel für die Generalüberprüfung der gesamten zukünftigen Reform setzen, weil völlig klar ist, dass man bei 27 derart heterogenen Mitgliedstaaten vor allem auf die Subsidiarität und die Flexibilität setzen muss.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Bevor ich auf einzelne Punkte des Berichts eingehe, möchte ich Herrn Tabajdi und den Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für diesen Bericht danken. Es ist ein guter Zeitpunkt, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Man könnte sagen, dass dies eine gute Aufwärmübung für unsere Diskussion über den „Gesundheitscheck“ bei der Gemeinsamen Agrarpolitik ist.

Ich stimme dem Verfasser dieses Berichts voll und ganz zu, dass die Integration der zehn neuen Mitgliedstaaten bisher für beide Seiten ein Gewinn ist. Ich möchte drei verschiedene Aspekte herausgreifen. Erstens, die positive Entwicklung des Einkommens im Agrarsektor der neuen Mitgliedstaaten. Das ist meines Erachtens von größter Bedeutung, denn ein gutes Einkommen sichert nicht nur einen angemessenen Lebensstandard, sondern auch das langfristige Überleben des Agrarsektors. Wenn wir uns die Zahlen zum Einkommen in den zehn neuen Mitgliedstaaten ansehen, dann ist es im Zeitraum von 2004 bis 2006 bezogen auf das Jahr 2003 tatsächlich um 60 % gestiegen. Betrachtet man denselben Zeitraum bei den alten Mitgliedstaaten, den EU-15, dann stellt man einen Rückgang um 2 % fest. Das zeigt wohl eindeutig, welchen Nutzen die neuen Mitgliedstaaten aus ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinsamen Agrarpolitik bisher ziehen. Hoffentlich hat die Verteilung des Geldes dazu geführt, dass man in den ländlichen Gebieten die Bedeutung dieser Zugehörigkeit jetzt wirklich verstanden hat.

Ein weiteres Thema, mit dem sich der Berichterstatter befasst hat, ist der Handel, und dort hat eindeutig jeder von dem vergrößerten Arbeitsmarkt profitiert. Auch hier gewinnen beide Seiten, und ich hoffe, die Tendenzen, die wir festgestellt haben, werden auch in den kommenden Jahren anhalten.

Was die ländliche Entwicklung anbelangt, die ein sehr wichtiges Thema nicht nur in den neuen Mitgliedstaaten, sondern in der Europäischen Union insgesamt ist, so kann man die Probleme, die Sie in Ihrem Bericht anführen, meiner Meinung nach als Anfangsschwierigkeiten einstufen. Die neuesten Zahlen veranschaulichen dies. Die Zahlungen für die ländliche Entwicklung, die 2006 an die neuen Mitgliedstaaten geleistet wurden, beliefen sich insgesamt auf gut 2,7 Milliarden Euro und liegen damit um 21 % über den Zahlen von 2005. Ich hoffe, diese Gelder werden in den neuen Ländern konstruktiv verwendet, und ich bin optimistisch, dass es den neuen Mitgliedstaaten gelingen wird, das Programm für einen neuen Finanzierungszeitraum von 2007 bis 2013 vollständig umzusetzen.

Damit komme ich zum „Gesundheitscheck“. Formell gesehen unterliegt die Durchführung der GAP-Reform durch die neuen Mitgliedstaaten nicht der Revisionsklausel. Aber ich meine, wir sollten die Gelegenheit dieses „Gesundheitschecks“ nutzen und versuchen, in unseren Beratungen 2008 möglichst viele der gemeinsamen Probleme zu lösen, mit denen alle 27 Mitgliedstaaten zu kämpfen haben.

Ich freue mich schon auf eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsausschuss zu all diesen Fragen. Es liegt uns allen sehr viel daran, einen sehr starken Agrarsektor in der Europäischen Union zu haben.

 
  
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  Albert Deß, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte mich beim Berichterstatter Tabajdi recht herzlich für den gemeinsam gefundenen Kompromiss für den Bericht bedanken. Wenn ich vor dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten als Agrarpolitiker in Bayern bzw. Deutschland unterwegs war, haben viele Landwirte in Deutschland mit der Erweiterung schlimme Auswirkungen auf die Landwirtschaft in den alten EU-Mitgliedstaaten befürchtet. Es wurden starke Preiseinbrüche für bestimmte Agrarprodukte erwartet. Wenn ich dann in den Kandidatenländern unterwegs war, hatten auch hier Landwirte große Bedenken und auch Ängste im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union. Heute kann gesagt werden: Die Ängste in Ost und West waren weitgehend unbegründet.

Die Art und Weise, in der sich die neuen Mitgliedstaaten in die gemeinsame Agrarpolitik integriert haben, ist grundsätzlich positiv. Die Beteiligten – das wurde schon angesprochen – in den neuen Mitgliedstaaten haben im Wesentlichen von der Stabilisierung der Märkte und Preise und von den verbesserten Handelsmöglichkeiten profitiert. Die Sektoren der Lebensmittelverarbeitung und des Lebensmittelhandels in den EU-15-Staaten haben von den gestiegenen Ausfuhren und den großen Investitionsmöglichkeiten in den neuen Mitgliedstaaten profitiert. In dem Bericht wird festgehalten, dass die Einbindung der neuen Mitgliedstaaten bisher weitgehend erfolgreich verlaufen ist. Große Schwierigkeiten gab es auf dem Obst- und Gemüsemarkt und mit dem ungerechtfertigten, von Russland und der Ukraine verhängten Einfuhrverbot für polnische Waren. Die Kommission und der Rat werden aufgefordert, auf die besonderen Probleme der neuen Mitgliedstaaten schneller zu reagieren. Es wird in dem Bericht festgehalten, dass die Erzeugung von Biomasse und Bioenergie eine wichtige Rolle für die Zukunft des EU-Landwirtschaftssektors spielen wird. Die EVP-ED-Fraktion stimmt dem ausgehandelten Kompromiss zu, auch wenn es wegen einiger finanzieller Forderungen gewisse Vorbehalte gibt.

 
  
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  Bogdan Golik, im Namen der PSE-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Der Zeitpunkt, zu dem diese Sitzung stattfindet, ist meines Erachtens bezeichnend für die Beziehungen der EU zu den neuen Mitgliedstaaten. Es ist zehn Minuten vor Mitternacht. Wir sprechen über das wichtige Thema der Integration der neuen Mitgliedstaaten in die Gemeinsame Agrarpolitik, die die einzige gemeinsame Politik der Europäischen Union ist.

Vor allem möchte ich Herrn Csaba Tabajdi für die Erarbeitung dieses Berichts über die Auswirkungen der Integration der neuen Mitgliedstaaten in die GAP und seine monatelange intensive Arbeit an einem für uns so wichtigen Thema, wie es die neuen Mitgliedstaaten sind, danken.

In den ersten Jahren unserer Mitgliedschaft haben wir zahlreiche positive Aspekte der Integration erfahren, zum Beispiel einen verstärkten gesellschaftlichen Wandel in den ländlichen Gebieten, eine Verbesserung der Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln, einen verbesserten Tierschutz und einen Anstieg der Ausfuhren. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass der Agrarsektor der neuen Mitgliedstaaten in den Jahren vor deren Beitritt zur EU auf einer völlig anderen Basis funktionierte als der in den fünfzehn alten Mitgliedstaaten, nämlich ohne Direktzahlungen oder sonstige Instrumente, die eine stabile Produktion garantieren.

Umso ungerechter und unverständlicher ist da die Entscheidung, den neuen Mitgliedstaaten Direktzahlungen in geringerer Höhe zuzuweisen als sie die Landwirte der alten Europäischen Union erhalten, zumal die unzureichenden Produktionsquoten die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte in den neuen – nicht aber in den alten – Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Deshalb sollten wir, wenn wir das europäische Agrarmodell in seiner jetzigen Form beurteilen und über seine künftige Gestalt in den Jahren 2008-2009 sprechen, unbedingt versuchen, es besser den realen Gegebenheiten und Erwartungen der Gesellschaft in diesen Ländern anzupassen.

 
  
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  Tchetin Kazak, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, Herrn Tabajdi für seine ausgezeichnete Arbeit als Berichterstatter zu danken.

Ich habe seinen Bericht mit großem Interesse zur Kenntnis genommen: Ich fand ihn sehr informativ in Bezug auf mein Land, Bulgarien, auch aufschlussreich im Hinblick auf die Schwierigkeiten, mit denen die zehn neuen Mitgliedstaaten bei ihrer Kontaktaufnahme mit der GAP konfrontiert waren.

Im Heranführungszeitraum hat Bulgarien wie die zehn anderen Beitrittsländer erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Acquis communautaire umzusetzen und den erforderlichen institutionellen Rahmen für die Durchführung der GAP zu schaffen. Die von der Europäischen Union finanzierten Partnerschaftsprogramme lieferten bei der Verwirklichung dieses Ziels nützliche Hilfe.

Man muss jedoch feststellen, dass die Landwirte und die ländliche Gesellschaft in Bulgarien nicht auf die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen vorbereitet sind. Die Europäische Union hat Hilfe für die landwirtschaftliche Entwicklung in meinem Land gewährt. Wegen der komplizierten Anforderungen und des Ausbleibens rechtzeitiger Beschlüsse begann das SAPARD-Programm jedoch mit beträchtlicher Verzögerung und der größte Teil der Mittel wird erst nach dem Beitritt verwendet werden.

Mit Hilfe der Direktzahlungen, der Maßnahmen für die ländliche Entwicklung und der staatlichen Beihilferegelungen für die Landwirtschaft kann Bulgarien wie die zehn neuen Mitgliedstaaten insgesamt ein System errichten, das der Entwicklung seiner Landwirtschaft und ländlichen Gesellschaften angemessener ist. Einige Regelungen müssen jedoch noch weiter vereinfacht werden.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass in Bulgarien wie in den zehn anderen Ländern die schrittweise Einführung der Direktzahlungen bedauert wird. Wir wollen sie aber natürlich nicht in Frage stellen, da dies eine im Beitrittsvertrag eingegangene unwiderrufliche Verpflichtung ist.

Deshalb schlage ich Ihnen, liebe Kollegen, vor, diesen Initiativbericht von Herrn Tabajdi anzunehmen, da er meiner Ansicht nach sehr objektiv ist, wohlwollend über die Schwierigkeiten berichtet, denen die zehn neuen Mitgliedstaaten gegenüberstehen, und Empfehlungen enthält, die zur Verbesserung der GAP-Reform beitragen sollen.

 
  
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  Janusz Wojciechowski, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Der Bericht von Herrn Tabajdi bietet eine optimistische Darstellung der Auswirkungen der EU-Erweiterung. Ich räume ja ein, dass die Erweiterung sowohl für die neuen als auch die alten Mitgliedstaaten in der Tat einige positive Aspekte hatte, aber es gibt doch auch eine andere Seite der Medaille, die weniger zuversichtlich stimmt.

Die Europäische Union von heute ist nicht die, der wir beigetreten sind. Zum Zeitpunkt unseres Beitritts war die Union eine Art Agrar-Fanklub, während sie jetzt dabei ist, die Landwirtschaft schrittweise abzuschaffen. Die so genannten Reformen des Zucker-, Obst-, Gemüse-, Wein- oder Tabakmarktes dienen einzig und allein dem Zweck, den Landwirten Anreize zu geben, damit sie weniger oder am besten überhaupt nicht produzieren. Weniger landwirtschaftliche Erzeugnisse bedeuten weniger Probleme für die Bürokraten.

Wir sind der Europäischen Union in der Hoffnung beigetreten, unseren Agrarsektor zusammen mit den alten Mitgliedstaaten weiterentwickeln zu können. Statt dessen finden wir uns in einer Union wieder, in der wir die Landwirtschaft gemeinsam mit den alten Mitgliedstaaten abwickeln. Wir beteiligen uns an der kurzsichtigen Politik, die die Ernährungssicherheit in Europa gefährdet. Hier muss sich etwas ändern, da Europa sonst Hunger leiden wird, und ein hungriges Europa ist zu weiterer Integration nicht fähig.

 
  
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  Dumitru Gheorghe Mircea Coşea, în numele grupului ITS. – Domnule Preşedinte, doamnă comisar, apreciez raportul domnului Tabajdi, deşi acesta nu cuprinde niciun aspect legat de o ţară mai nouă, ca de exemplu România. Este un raport care reprezintă o lecţie pentru noile state membre şi aş vrea să subliniez un lucru care ne interesează foarte mult, şi anume că politica agricolă comună ar trebui să fie mai flexibilă în ceea ce priveşte specificul şi trăsăturile acestor două noi ţări membre, România şi Bulgaria.

România are o tradiţie în agricultură, dar şi moşteniri comuniste care o fac să aibă un mare decalaj faţă de agricultura europeană. De aceea, cred că dacă această politică agricolă comună europeană s-ar apleca mai mult asupra trăsăturilor specifice României, am putea să eliminăm mai repede aceste decalaje.

Sugerez doamnei comisar, precum şi autorului acestui raport, pe care îl felicit încă o dată, să se aplece asupra a trei propuneri pe care doresc să le fac: în primul rând, să se acorde o mai mare atenţie organizaţiilor de agricultori şi patronale din agricultură, deoarece în aceste noi ţări membre, ele sunt încă la început. În al doilea rând şi foarte important, să se acorde atenţie prevenirii riscurilor în agricultură, riscuri care sunt în ultimul timp majore din punct de vedere climatic, al catastrofelor naturale şi chiar al unor disfuncţionalităţi ale pieţei. Şi, în al treilea rând, un lucru important este sprijinirea proiectelor de dezvoltare rurală, mai ales în zonele frontaliere, pentru că avem de învăţat de la ţările care au o tradiţie mai îndelungată decât noi în cooperare.

 
  
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  Peter Baco (NI).(SK) Ich weiß die Initiative und die immense Arbeit des Berichterstatters zu schätzen. Der Bericht legt die diskriminierende Wirkung der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die Landwirtschaft der neuen Mitgliedstaaten offen dar. Dennoch wurde der Bericht im Interesse seiner Verabschiedung so formuliert, als herrschten fast paradiesische Zustände. Das Argument, sowohl die alten als auch die neuen Mitgliedstaaten müssten zufrieden sein, da die neuen mehr Gelder bekämen, während die alten dafür einen großen Anteil ihres Lebensmittelmarktes erhalten hätten, ist nicht stichhaltig. Dass sich die Lage in Teilen der EU stetig verschlechtert, während der Rest prosperiert, widerspricht nicht nur buchstäblich den Tatsachen, sondern auch dem Geist der Gemeinsamen Agrarpolitik und den Prinzipien der Europäischen Union. Der Agrarsektor des Europas der 15 konnte sich bereits im Zuge des Beitrittsprozesses entwickeln, während in den neuen Mitgliedstaaten die landwirtschaftliche Produktion um ein Drittel zurückging. Es stimmt nicht, dass die Landwirte in den neuen Mitgliedstaaten nicht in der Lage waren, sich dem Markt anzupassen. Politische Gründe waren dafür verantwortlich. Das Schlimmste daran ist, dass die Einschnitte in der Landwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten nun quasi für ewig in Form so genannter historischer Referenzpunkte zementiert sind, die dazu gedient haben, in diskriminierender Art und Weise unterstützende Parameter für die neuen Mitgliedstaaten einzuführen.

Diese gegensätzlichen Mechanismen der Gemeinsamen Agrarpolitik, die auf die alten und neuen Mitgliedstaaten wirken, bestehen auch nach dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union fort, wie der Einfluss der kürzlich verabschiedeten Produktreformen und der dramatische Anstieg von Lebensmittelimporten in die neuen Mitgliedstaaten zeigen. Allein in die Slowakei wurden im letzten Jahr etwa 60 % mehr Lebensmittel eingeführt als in der Vergangenheit. Entsprechend einem Zukunftsszenario für das Jahr 2020 geht man sogar davon aus, dass die neuen Mitgliedstaaten weiterhin die Rohstoffbasis für die Futtermittelerzeugung in der Tierproduktion, sowie für Biomasse im Energiesektor liefern werden. Der Mehrwert wird nach diesem Szenario dann allerdings in den 15 alten EU-Staaten geschaffen.

Die Botschaft des Berichts ist demnach klar. Frau Kommissarin! Es würde mich freuen, wenn Sie diese auch so verstehen würden, und nicht wie in Ihrer Erklärung dargelegt. Der interne Wettbewerb zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten der Union muss reformiert werden, um wirklich gemeinsame und einheitliche Verfahren für alle EU-Staaten zu erreichen und die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft zu erhöhen. Dabei sollten wir in erster Linie auf niedrigere Kosten, höhere Qualität und effektives Marketing setzen.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Drei Jahre sind bereits seit der großen Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten vergangen, deren Landwirtschaft durchweg sehr differenziert ist und mit Mitteln in beträchtlicher Höhe umstrukturiert werden muss.

Was den Bereich Landwirtschaft anbelangt, so hat die Europäische Union den neuen Mitgliedstaaten keine guten Bedingungen für ihre Integration angeboten. Die Produktionsquoten sind zu niedrig, und das Anfangsniveau der Direktzahlungen beträgt nur 25 % dessen, was die fünfzehn alten Mitgliedstaaten erhalten haben.

Auf dem Treffen der Agrarminister der fünfzehn alten Mitgliedstaaten im Juni 2003 in Luxemburg, als wir noch kein Stimmrecht hatten, wurden nachteilige Veränderungen in die GAP eingeführt. Dies alles hat dazu geführt, dass die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten an Tempo verloren hat, obwohl, das muss man betonen, die positiven Ergebnisse zu sehen sind.

In dem vorgestellten Bericht wird zu viel Optimismus verbreitet, es wird zu wenig von den Problemen und Schwierigkeiten und zu viel über Erfolge gesprochen. Im Zusammenhang mit der Überprüfung der GAP im nächsten Jahr muss hier weiter daran gearbeitet werden.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Herr Präsident! Die neuen Mitgliedstaaten mussten hohe soziale und wirtschaftliche Kosten auf sich nehmen, um die Anpassung an die Regeln der GAP-Bestimmungen zu vollziehen. Diese Kosten resultierten aus den historischen Bedingungen, aber auch aus den gegenüber den alten Mitgliedstaaten geringeren Direktzahlungen und der offenkundig mangelnden Bereitschaft der Kommission und des Rates, die neuen Mitgliedstaaten in irgendeiner Weise zu unterstützen. Hierbei geht es unter anderem um das Beerenobst, das russische und ukrainische Einfuhrverbot für polnische Erzeugnisse und die Einfuhr von Honig aus Drittländern.

Aus diesen Erfahrungen ergeben sich eine Reihe von Fragen. Gibt es tatsächlich so etwas wie eine Gemeinsame Agrarpolitik? Wenn ja – weshalb erhalten dann die neuen Mitgliedstaaten nicht die ihnen zustehende Hilfe, und zwar sowohl auf den Außenmärkten als auch auf dem Binnenmarkt? Warum wurde der Markt für gentechnisch veränderte Erzeugnisse geöffnet, die gesunde ökologische Produkte aus den neuen Mitgliedstaaten verdrängen? Was geschieht mit den einzelbäuerlichen Familienbetrieben, die in vielen Regionen der Europäischen Union das Rückgrat des Agrarsektors bilden und nun am Rande des Bankrotts stehen?

 
  
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  Димитър Стоянов (ITS). – Не съм мислил, че ще го кажа, но съм напълно съгласен с изказването на г-н Казак, с малкото допълнение, че в продължение на шест години Министерството на земеделието в България се държи от министър от неговата партия. Защо не направихте така, г-н Казак, че българските производители да знаят как да си поискат парите, които им се полагат от Европейския съюз. Десет години българите бяха подлъгвани с благините, които ги чакат в Евросъюза, а вместо това накрая получиха жестоки квоти и ужасна бюрокрация, която заплашва напълно да унищожи дребните производители в България. Докато общата земеделска политика не бъде направена така, че да може да достига до всички обикновени хора, без излишни административни пречки, аз в никакъв случай не мога да нарека тази политика обща.

 
  
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  Andreas Mölzer (ITS). – Herr Präsident! Gestatten Sie mir zu guter Letzt, um Mitternacht, noch einige kurze Anmerkungen. Wir müssen heute meines Erachtens mehr denn je darauf achten, dass unsere landwirtschaftlichen Strukturen erhalten bleiben und die Eigenversorgung gewahrt bleibt. Wir müssen auch das anhaltende Bauernsterben und die drohende Verödung ganzer Landstriche wegen der Landflucht als neue große Herausforderung erkennen. Wir müssen weiters dafür Sorge tragen, dass dem Wunsch jener 70 % der EU-Bevölkerung, die sich gegen gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel ausgesprochen haben, nachgekommen wird. Wir müssen schließlich im Zusammenhang mit den neuen EU-Mitgliedstaaten sensibel vorgehen und bedenken, dass sich mit dem EU-Beitritt Agrarprodukte dieser Länder häufig als Exportschlager erweisen, die dann zu Versorgungsengpässen im eigenen Land und zu ruinösen Preiskämpfen im Zielland führen.

 
  
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  Mariann Fischer Boel, Mitglied der Kommission. (EN) Zunächst zur Frage, ob der Zeitpunkt dieser Aussprache der Bedeutung der Integration der neuen Mitgliedstaaten gerecht wird. Da kann ich nur sagen, dass dieses Hohe Haus für seine Terminplanung selbst verantwortlich ist. Ich würde ganz klar sagen, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn sie heute Abend eher stattgefunden hätte, aber ich muss mich nach der Terminplanung des Parlaments richten.

Die Einführungsphase für Direktzahlungen war ein Punkt, zu dem sich fast alle von Ihnen geäußert haben. Sie wird auch in mehreren Ziffern des Berichts erwähnt. Ich möchte dazu erklären, dass die Einführungsphase nicht allein aus haushaltstechnischen Gründen eingeführt wurde. Die Kommission hat im Vorfeld des Beitritts alle maßgebenden Faktoren eingehend analysiert. Das war die Grundlage für die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Faktoren, auf die sich dann die Beitrittsstrategie für die Gemeinsame Agrarpolitik stützte. Außerdem brauchte die grundlegende Umstrukturierung in den neuen Mitgliedstaaten einen Schub. Dieser Beschluss wurde nicht vom Rat der 15 Mitgliedstaaten gefasst. Dieser Beschluss wurde 2002 in Kopenhagen mit allen neuen Mitgliedstaaten gefasst, die an den Gesprächen zur Einführungsphase für die Direktzahlungen teilnahmen. Alle saßen also mit am Tisch.

Nun zur Feststellung, unsere eigenen Reformen würden die Landwirtschaft vernichten. Da muss ich Ihnen eindeutig sagen, dass es doch wirklich darum geht, dass die europäische Landwirtschaft eine Zukunft hat, und ich bin sicher, wenn wir im Parlament, im Rat und in der Kommission zusammenarbeiten, können wir für die europäische Landwirtschaft eine Zukunft mit all der Stärke schaffen, die unser Sektor im Bereich der hochwertigen Erzeugnisse besitzt, die wir für die Zukunft brauchen werden, und ich denke, das Beispiel der gefrorenen Erdbeeren aus China beweist doch, dass wir vernünftige Lösungen finden können, wenn wir an einem Strang ziehen.

Außerdem wurde die Diskriminierung in der Gemeinsamen Agrarpolitik innerhalb des Wein- und Lebensmittelsektors angesprochen. Also bitte! Da haben wir doch wohl versucht, eine Lösung zu finden, damit sich die neuen Mitgliedstaaten gemeinsam den Erzeugerorganisationen im Obst- und Gemüsesektor anschließen können, indem sie einen höheren Kofinanzierungsanteil erhalten, indem ihre Sektoren, ihre Obst- und Gemüseerzeuger ermutigt werden, diesen Erzeugerorganisationen beizutreten, damit sie im Wettbewerb mit den großen Einzelhandelssektoren viel stärker auftreten können.

Statt zu streiten, sollten wir lieber zusammenhalten und nach sinnvollen Lösungen für die Gemeinsame Agrarpolitik in der Europäischen Union suchen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 11.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)

 
  
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  Joseph Muscat (PSE), schriftlich. – (MT) Auch in Malta sind die Landwirte und Dorfbewohner Opfer der betrügerischen Machenschaften der nationalistischen Regierung.

Vor Maltas Beitritt zur Europäischen Union suggerierte die maltesische Regierung dieser Gruppe von Menschen, die Regierung sei berechtigt, die Einfuhr ausländischer Waren zu verhindern, wenn durch den Import dieser Produkte innerhalb der ersten fünf Jahre der EU-Mitgliedschaft Probleme auftauchten. Dies wird mithilfe der so genannten Sicherheitsklausel garantiert.

Die Labour-Partei erklärte unverzüglich, dies sei nicht der Fall. Wir legten daraufhin dar, dass die Sicherheitsklausel lediglich in außergewöhnlichen Fällen und unter äußerst beschränkten Umständen zur Anwendung käme.

Darüber hinaus kann die maltesische Regierung nicht nach freiem Willen über die Anwendung der Klausel entscheiden. Stattdessen müsse sie sich zunächst an die Europäische Kommission wenden, die daraufhin eine Entscheidung trifft.

Nun hat die maltesische Regierung ihre Haltung geändert.

Trotz der andauernden Beschwerden seitens der Landwirte und Dorfbewohner behauptet Maltas Regierung, sie müsse sich an die Europäische Kommission wenden, um die Sicherheitsklausel in Anwendung bringen zu dürfen, es aber gegenwärtig einer entsprechenden Dringlichkeit entbehrt. Die Kommission bestätigt dies.

Die Zeit hat der Labour-Partei Recht gegeben.

 
  
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  Witold Tomczak (IND/DEM) , schriftlich. (PL) Im Jahr 2004 vollzog die Europäische Union ihre größte und bedeutendste Erweiterung ihrer Geschichte. Es ist daher wichtig, hier eine erste Bewertung vorzunehmen. Dabei geht es darum, ob diese Einschätzung ein möglichst wahrheitsgetreues oder aber ein verfälschtes Bild vermittelt, denn das spielt für die Zukunft der Landwirtschaft der EU eine große Rolle.

Ich weiß zu würdigen, vor welcher gewaltiger Aufgabe der Berichterstatter stand, bin aber dennoch nicht mit allen Kompromissänderungsanträgen einverstanden. Mit Zahlen kann man nicht streiten, und diese hier sagen deutlich, dass die neuen Mitgliedstaaten betrogen wurden. Das geht aus der offiziellen EU-Statistik hervor. Ich möchte hier die Agrarausgaben und die Ausgaben für die Entwicklung der ländlichen Gebiete je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in den Jahren 2007 und 2013 anführen:

2007: EU-10: 147,8 EUR/ha EU-15: 365,7 EUR/ha

2013: EU-10: 251,5 EUR/ha EU-15: 327,6 EUR/ha.

Quelle: „Finanzielle Vorausschau für 2007-2013: Arbeitsdokument des Europäischen Parlaments Nr. 9 vom 2.12.2004“ und „Erläuterungen zur GAP“. Europäische Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft, Oktober 2004.

Für die ärmeren Länder, die ihr wirtschaftliches Entwicklungsniveau dem der reicheren EU-Staaten angleichen sollen, wurden und werden heute und auch in Zukunft weniger Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt bereitgestellt! In ihrer jetzigen Form steht die GAP im Widerspruch zu ihren eigenen Zielen und Grundsätzen.

In Anbetracht der vorstehenden allgemeinen Einschätzung appelliere ich an Sie, entsprechend Ihrem Gewissen und Verantwortungsgefühl für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft zu stimmen.

 

22. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

23. Schluss der Sitzung
  

(Die Sitzung wird um 0.05 Uhr geschlossen.)

 
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