Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt der Bericht von Herrn Andrejevs im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Bekämpfung von HIV/AIDS in der Europäischen Union und in den Nachbarländern (2006-2009) (2006/2232(INI)) (A6-0091/2007).
Georgs Andrejevs (ALDE), Berichterstatter. – (EN) Frau Präsidentin! Ich möchte eingangs der amtierenden Ratspräsidentin für ihre ermutigenden Worte in Bremen – und, wie ich hoffe, auch hier in unserer Aussprache – danken sowie ihr außerdem meinen Dank für ihr konsequentes Engagement im Kampf gegen HIV/AIDS aussprechen. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Grundsatzreferat auf der Konferenz in Bremen feststellte, ist die Bekämpfung von HIV/AIDS eine Aufgabe aller Mitgliedstaaten. Meines Erachtens sollte jede einzelne nationale Regierung dem deutschen Beispiel folgen und die volle politische Verantwortung übernehmen, indem sie den Kampf gegen HIV/AIDS zu einem Schwerpunktthema erklärt.
Das Parlament ist heute aufgefordert, über meinen Bericht über die Bekämpfung von HIV/AIDS in der Europäischen Union und in den Nachbarländern (2006-2009), der zahlreiche wichtige Vorschläge zur Bekämpfung dieser Krankheit enthält, abzustimmen. Etliche Kollegen haben einen Beitrag zur endgültigen konsolidierten Fassung geleistet, und ich möchte die Gelegenheit nutzen und allen meinen Kollegen, die als Schattenberichterstatter oder durch die Vorlage von Änderungsanträgen zu diesem Bericht beigetragen haben, danken. Ich weiß ihren wertvollen Beitrag sehr zu schätzen.
Bekanntlich wurden nach der Abstimmung im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit von den Fraktionen mehrere neue Änderungsanträge eingereicht, über die in der heutigen Sitzung abzustimmen ist. Die Mehrzahl dieser Änderungsanträge hat meine Unterstützung. Einigen konnte ich jedoch nicht zustimmen. Einer der Änderungsanträge würde, sollte er angenommen werden, in der Realität sogar dazu beitragen, dass zwei Mitgliedstaaten der EU auch weiterhin keine Daten an die Überwachungsorgane der EU im Bereich HIV/AIDS, insbesondere das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten, melden würden. Deshalb habe ich die zuständigen Behörden in diesen beiden Mitgliedstaaten in meinem Bericht aufgefordert, mit der Übermittlung der Daten zu beginnen. Alle anderen 25 Mitgliedstaaten melden ihre nationalen Daten anonym, was nicht im Widerspruch zum Schutz personenbezogener Daten steht.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den von der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa vorgelegten Änderungsantrag 4 lenken, bei dem es um den gleichberechtigten Zugang zu Arzneimitteln in der Europäischen Union geht, und Sie bitten, ihn zu unterstützen. Ich möchte Ihnen kurz die Beweggründe für diesen Änderungsantrag erläutern. Wie im Bericht bereits festgestellt wird, bestehen bezüglich des Zugangs zu antiretroviraler Behandlung und antiretroviralen Arzneimitteln Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gleichzeitig möchte ich Sie daran erinnern, dass Artikel 300 EG-Vertrag eine Rechtsgrundlage bietet, auf der die Kommission Verhandlungen im Namen aller Mitgliedstaaten durchführen kann, sofern der Rat die Kommission entsprechend ermächtigt. Wenn das Europäische Parlament und der Rat zugunsten dieses Vorschlags entscheiden würden, dann würde sich das Mandat der Kommission, was Anwendungsbereich und Dauer betrifft, nur auf jene konkreten Verhandlungen beschränken, also den Zugang zu antiretroviralen Arzneimitteln. Verhandlungen im Namen von 27 Mitgliedstaaten könnten in ein Ergebnis münden, das allen zugute kommt, und allen Bürgern der EU den gleichberechtigten Zugang zu diesen Arzneimitteln ermöglichen.
Abschließend möchte ich mich nochmals bei allen meinen Kollegen bedanken, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben. Die Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Pandemie werden nach der heutigen Abstimmung nicht enden, sondern in der Praxis fortgesetzt werden. Deshalb rufe ich alle nationalen Regierungen und die Kommission auf, Nichtregierungsorganisationen, soziale Organisationen und die Gesellschaft insgesamt im Kampf gegen HIV/AIDS zu unterstützen. Ich rufe dazu auf, ihnen durch die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Ressourcen das selbständige Handeln zu erleichtern und ihre Rolle im Kampf gegen diese Epidemie an vorderster Front zu stärken. Die Rolle der Zivilgesellschaft in diesem Kampf darf nicht unterschätzt werden, und wir müssen unsere uneingeschränkte politische Unterstützung gewährleisten.
VORSITZ: MIGUEL ANGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident
Ulla Schmidt, amtierende Ratspräsidentin. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments! Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, hier zu Ihnen sprechen zu können. Mein Dank gilt auch Herrn Andrejevs für den Bericht, den er vorgelegt hat, denn dieser Bericht macht eines deutlich: HIV/AIDS bleibt eine bedrohliche Erkrankung. Wir denken im Zusammenhang mit HIV/AIDS oft an Afrika – zu Recht. Dennoch ist HIV/AIDS auch ein Thema Europas, unseres Kontinents.
In Teilen unseres Kontinents verzeichnen wir mittlerweile ein schnelleres Anwachsen der Infektionen als in anderen Teilen der Welt, und wir haben leider in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Zunahme der Infektionen. Deshalb müssen wir dieses Thema zu unserem Thema machen, denn HIV/AIDS ist mehr als ein gesundheitspolitisches Problem. Es ist auch eine Frage der ökonomischen und gesellschaftspolitischen Entwicklung in den Staaten, die davon betroffen sind.
Deshalb bin ich sehr froh, dass es uns gelungen ist, mehr als 41 auf Regierungsebene vertretene europäische Staaten — Minister oder stellvertretende Minister, auch aus unseren Nachbarstaaten — zu der Konferenz in Bremen zusammenzubringen, dass wir die Bedeutung der Verknüpfung von Politik und Zivilgesellschaft beim Kampf gegen HIV/AIDS aufzeigen konnten und dass auch deutlich wurde, dass HIV/AIDS Chefsache werden muss. Ich bin der deutschen Bundeskanzlerin sehr dankbar für ihre klare Aussage und dafür, dass die Ergebnisse dieser Konferenz sowie die Schlussfolgerungen nicht nur Thema des Rates der Gesundheitsminister sein werden, sondern auch des Gipfels im kommenden Juni.
Die Erklärung von Bremen hat vor allem in vier zentralen Punkten klar zum Ausdruck gebracht, wo unsere Schwerpunkte sein müssen, und sie decken sich sehr stark mit dem, was Sie in Ihrem Bericht — und auch in der Erarbeitung — dargelegt haben.
Im Mittelpunkt aller Strategien muss die Prävention stehen, denn wir haben weder Medikamente noch Impfstoffe, die das Ausbreiten von HIV/AIDS verhindern.
Die Anerkennung, Achtung und Förderung der Menschenrechte der Erkrankten ist unverzichtbar. Dazu gehört auch der Schutz vor Diskriminierung und Stigmatisierung.
Der allgemeine Zugang zu Diagnose und Behandlung muss gewährleistet werden. Eben wurde zur Debatte gestellt, ob wir über Medikamentenpreise verhandeln können. Bremen hat einen Fortschritt gebracht: Die pharmazeutische Industrie hat klargelegt, dass zu einer guten Versorgung auch die Bezahlbarkeit der Medikamente gehört. Sie hat ihre Bereitschaft erklärt, mit der Kommission, dem Parlament und den Mitgliedstaaten einen Weg zu finden, je nach Mitgliedstaat über Preisverhandlungen den Zugang zu bezahlbarer Behandlung und zu Impfungen sicherzustellen. Das ist ein Fortschritt.
Auch das Engagement für Forschung und Entwicklung muss verstärkt werden. Wir müssen die Möglichkeiten in Europa besser vernetzen, und wir brauchen verstärkte Investitionen im Bereich Impfstoffe und Mikrobizide.
Ich glaube, dass wir mit dieser Konferenz ein Stück vorangekommen sind. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn wir Mitgliedstaaten gemeinsam mit dem Parlament und der Kommission dieses Thema als Topthema auf die Tagesordnung setzen und sagen: AIDS geht uns alle an. Es ist nicht nur ein Problem unserer Nachbarstaaten, sondern es ist ein Problem Europas. Es hat sehr viel mit unserer gesellschaftspolitischen und ökonomischen Entwicklung zu tun, und auch sehr viel damit, ob es uns gelingt, einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.
Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Andrejevs, und den Mitgliedern des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit für ihre ausgezeichnete Arbeit bei der Erstellung dieses Berichts danken. Ich möchte auch den anderen beiden Ausschüssen, dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und dem Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, für ihren Beitrag zu dieser wichtigen Problematik danken.
Außerdem freue ich mich sehr, dass Frau Schmidt, die deutsche Gesundheitsministerin, heute hier ist. Das ist das erste Mal in den drei Jahren meiner Tätigkeit als Kommissar, dass mein Partner aus dem Rat an einer solchen Aussprache im Plenum teilnimmt. Das freut mich sehr, zeigt es doch, wie wichtig die enge, entschlossene und sehr effektive Zusammenarbeit aller drei Institutionen bei der Bekämpfung dieser Krankheit ist.
HIV/AIDS: Ist das ein vergessenes Problem oder eine versteckte Krankheit? Denken wir, dass sie verschwinden wird, wenn wir nicht darüber reden? Nun, so funktioniert das nicht. Somit stellt sich die Frage, ob wir in unseren Anstrengungen nachgelassen haben. Setzen wir es als selbstverständlich voraus, dass wir das Problem überwunden haben, dass nichts unternommen werden muss oder dass das ein Problem für andere, für bestimmte Risikogruppen ist? Dass sie also etwas tun müssen und wir uns darüber keine Sorgen zu machen brauchen? Vielleicht haben die Menschen in der Vergangenheit so gedacht, aber ich bin froh, dass das heute nicht mehr der Fall ist. Wir wissen jetzt, dass es sich um ein Problem für die gesamte Gesellschaft handelt. Vielleicht zahlt die Gesellschaft jetzt den Preis für unsere Selbstgefälligkeit in der Vergangenheit, und es ist jetzt an der Zeit, neue wirksame Schritte zur Lösung dieses Problems einzuleiten.
Die meisten von Ihnen wissen, wie sehr es mich frustriert, dass in der Europäischen Union, die das höchste Bildungsniveau der Welt, die beste Gesundheitsfürsorge und den höchsten Lebensstandard hat, noch immer Menschen aufgrund der falschen Lebensführung sterben. Etwas dagegen zu unternehmen, das ist das Ziel unserer präventiven Bemühungen. Ich finde es frustrierend, ja peinlich, dass wir nach 20 oder 25 Jahren in Bezug auf HIV/AIDS noch immer über dieselben Fragen diskutieren. Wir müssen noch immer über die Einleitung derselben Maßnahmen diskutieren, Maßnahmen, die inzwischen in der Europäischen Union eigentlich selbstverständlich sein sollten. Wir müssen noch immer erklären, dass die Benutzung von Kondomen die effektivste Art ist, sich zu schützen. Das ist eine einfache Wahrheit. Wir müssen auch erklären, dass jeder gefährdet ist. Wir können nicht einfach zu einigen Gruppen sagen, dass sei ihr Problem und dass diejenigen, die nicht zu den Risikogruppen gehören, sich keine Sorgen zu machen brauchen. Wir müssen auch weiterhin betonen, dass man sich mit einfachen Präventivmaßnahmen wirklich schützen kann.
Wie Sie wissen, waren die Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage schockierend. Viele Menschen in der Europäischen Union glauben noch immer, dass sie sich durch einen Kuss, durch Trinken aus demselben Glas oder durch Benutzen derselben Toilettenbrille anstecken können. Es ist beschämend, dass es nach 25 Jahren noch immer Menschen gibt, die so wenig wissen. Noch schlimmer ist die noch immer verbreitete Ansicht, dass sich medizinisches Personal bei der Pflege von HIV-positiven Patienten anstecken kann.
Meines Erachtens müssen wir unsere Anstrengungen verstärken. Wir haben es jetzt mit einem Problem zu tun, von dem die Allgemeinbevölkerung betroffen ist, insbesondere junge Menschen und Frauen. Viele der Jugendlichen wurden erst nach den Kampagnen der 80er Jahre sexuell aktiv. Damals gab es eine große Welle von Kampagnen mit bekannten Persönlichkeiten – Schauspielern, Regierungschefs und Sängern –, die auf dieses Problem aufmerksam machten und die halfen, es zu einem Schwerpunktthema zu machen. Leider war dann damit Schluss. Wir dachten, wir hätten das Problem im Griff, aber das war nicht der Fall. Die nachfolgenden Generationen wuchsen auf, ohne sich dieser Problematik bewusst zu sein. Deshalb bin ich dem deutschen Ratsvorsitz, der Gesundheitsministerin und der Kanzlerin selbst sehr dankbar dafür, dass sie den Schwerpunkt erneut auf diese Krankheit und die einfachen Methoden, mit denen wir uns schützen können, gelegt haben.
Gleichzeitig muss unbedingt in die Forschung investiert werden, und das tut die Kommission. Es ist unbedingt erforderlich, in die Medizin zu investieren – ich will das bereits Gesagte nicht wiederholen – und den Zugang zu bezahlbaren und wirksamen antiretroviralen Medikamenten zu gewährleisten. Das sind wichtige Maßnahmen, die wir ergreifen können. Das ist für uns eine vorrangige Aufgabe, und, wie ich bereits sagte, freue ich mich, dass der Rat und der deutsche Ratsvorsitz wie auch das Parlament das ebenso sehen.
Wir werden unsere Kampagnen zur Erziehung der Jugendlichen wieder aufnehmen und verstärken. Wir werden wieder die Benutzung von Kondomen propagieren. Wir werden die Forschungstätigkeit zu Präventivmaßnahmen und Gesundheitsvorsorge weiterführen. Dabei werden wir geschlechterspezifisch vorgehen, weil uns klar ist, dass es Aspekte gibt, die bei Männern und Frauen unterschiedlich sind, und wir werden unsere Untersuchungen und Anstrengungen darauf abstimmen. Ich teile die Ansicht, dass wir innerhalb der Kommission für eine bessere Zusammenarbeit zwischen uns, zwischen den einzelnen für bestimmte Bereiche zuständigen Abteilungen sorgen und dieses Problem gleichzeitig als ein globales Problem behandeln müssen, und ich habe den entsprechenden Absatz im Bericht zur Kenntnis genommen. Wir wissen, dass die Nachbarländer, aber auch Entwicklungsländer betroffen sind, und wir haben auch eine Verantwortung für die Zusammenarbeit mit ihnen.
Ich möchte dem Berichterstatter und dem Parlament meine Anerkennung für den Bericht aussprechen. Er berührt wirklich alle wichtigen Probleme. Wir werden an der Lösung dieser Probleme arbeiten. In einigen Fällen, wie der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit innerhalb der Kommission, haben wir damit bereits begonnen. Wir werden ferner durch die Bereitstellung von Mitteln sowie über entsprechende Programme aktiv werden. So werden wir im Jahr 2007 an der Entwicklung vorbildlicher Verfahren bei der Bekämpfung riskanter Sexualpraktiken unter Jugendlichen und bei der Verhütung von HIV/AIDS bei Männern, die Sex mit Männern praktizieren, arbeiten sowie Ausbildungsprogramme für medizinisches Personal und NRO zur Verbesserung der Behandlung und Fürsorge für Menschen mit HIV/AIDS entwickeln.
Für uns besitzt diese Problematik sehr hohe Priorität. Es geht hier nicht nur um eine Politik oder Strategie, sondern das ist eine Frage der moralischen Verpflichtung. Meines Erachtens hat das System insgesamt unsere Bürger in den letzten 20 Jahren im Stich gelassen, und es ist jetzt an der Zeit, unsere Bemühungen wieder aufzunehmen und unsere Fehler zu korrigieren.
Der Präsident. Vielen Dank für Ihre Rede, Herr Kommissar, die vor Leidenschaft und Engagement nur so strotzte und auch größtenteils mit den Anliegen und Forderungen des Parlaments übereinstimmte.
Zita Gurmai (PSE), Verfasserin der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. – (HU) HIV/AIDS zählt heutzutage zu den gefährlichsten Krankheiten und kennt keine Grenzen. In den vergangenen zwei Jahren hat die Zahl der mit HIV infizierten Frauen und Mädchen in allen Regionen der Welt zugenommen, wobei die Infektionsraten in Osteuropa, Asien und Lateinamerika besonders schnell steigen. Maßnahmen gegen diese Epidemie können daher nicht auf das Gebiet der EU beschränkt sein, sondern bedürfen unbedingt der weltweiten Zusammenarbeit. Im Jahr 2005 kam es weltweit zu etwa fünf Millionen HIV-Neuinfektionen und starben drei Millionen Menschen an AIDS-bedingten Krankheiten, davon mehr als eine halbe Million Kinder.
Die andere zunehmend gefährdete Gruppe sind Frauen, da sich immer mehr Frauen, ohne es zu merken, mit dem HIV-Virus infizieren und Träger des Virus werden, das sich dann auf die Kinder übertragen kann. In einer Strategie zur Bekämpfung von HIV/AIDS sollte der Schutz von Frauen und Kindern im Vordergrund stehen. Zu den wirksamsten Instrumenten in dem Kampf zählen Prävention, Information, Mittel für die öffentliche Aufklärung, die verstärkte Nutzung der am besten geeigneten Kommunikationskanäle, Datenerhebung, Forschung sowie frühzeitige Diagnose und Therapie. Wir müssen eine qualitativ hochwertige, für alle zugängliche Gesundheitsversorgung sicherstellen, die ungeachtet vom Alter und Geschlecht der jeweiligen Person angeboten wird.
Antonios Trakatellis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Im Vorgehen gegen HIV/AIDS in der EU und in den Nachbarländern brauchen wir eine umfassende Strategie, die die Vorbeugung auf kommunaler Ebene und in diesen Ländern, aber auch, würde ich sagen, weltweit fördert.
Die Zahl der mit AIDS infizierten und der mit AIDS lebenden Personen nimmt ständig zu; täglich werden in der Welt 12 000 neue Infektionen registriert. Es gibt keinen Impfstoff zur Krankheitsvorbeugung, und keine Therapie hat sich bislang als erfolgreich erwiesen.
Gemäß dem alten Hippokrates-Wort – ‚Vorbeugen ist besser als Heilen’ – würde eine umfassende Strategie in der Förderung einer wirksamen Verhütung bestehen. Diese lässt sich erreichen durch Aufklärung der Öffentlichkeit – wie der Herr Kommissar sagte –, und so könnten alle erforderlichen Präventivmaßnahmen getroffen werden.
Ferner müssen wir bestimmte Schritte zur Ausmerzung von Vorurteilen hinsichtlich dieser konkreten Krankheit unternehmen. Mit der Krankheit infizierte Personen sehen sich ständig der Intoleranz und Diskriminierung ausgesetzt. Zusammen mit den Bemühungen um Prävention müssen wir natürlich gleichzeitig die Bereiche der Forschung und Innovation fördern, die es uns ermöglichen, über neue Medikamente und möglicherweise Impfstoffe zu verfügen.
Abschließend möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Andrejevs, für seine ausgezeichnete Arbeit danken. Wir haben hervorragend zusammengearbeitet, und dafür danke ich ihm. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Bericht in der Lage sein werden, eine außergewöhnliche Präventionsstrategie für die Europäische Union und die ganze Welt auszuarbeiten.
Dorette Corbey, im Namen der PSE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! AIDS ist nach wie vor eine Tragödie, nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in Europa, nicht nur unter Homosexuellen und Drogenkonsumenten, sondern auch unter Heterosexuellen und völlig Abstinenten. Deshalb möchte ich unserem Berichterstatter, Herr Andrejevs, der sich mit enormem Engagement dieser Arbeit gewidmet und einen hervorragenden Bericht verfasst hat, meinen Dank aussprechen.
Nach Ansicht unserer Fraktion müssen wir alle Register ziehen, um die AIDS-Epidemie zu stoppen, und dazu müssen wir investieren. Zunächst müssen wir in die Menschen, in die Frauen investieren. Wir müssen Prävention ernst nehmen. Wir müssen die Realität von Frauen, Jugendlichen, Sexarbeitern und Drogenkonsumenten ernst nehmen, und eben diese Realität müssen wir als Grundlage nehmen. Vernünftige Aufklärung an Schulen und in Krankenhäusern ist von wesentlicher Bedeutung, Aufklärung, die die moralischen Entscheidungen der Menschen respektiert und die auch die Beratung zu allen sexuell übertragbaren Krankheiten umfasst, da sie das AIDS-Risiko ansteigen lassen.
An zweiter Stelle müssen wir in neue Produkte, in Mikrobizide, investieren, in Produkte, die Frauen in die Lage versetzen, sich selbst vor AIDS zu schützen, in Arzneimittel und Impfstoffe, in anwenderfreundlichere Medikamente. Kondome für Männer und Frauen müssen leichter zugänglich sein.
Drittens, wir müssen in politische Innovation investieren. Wir müssen vorhandene Hindernisse unverzüglich überwinden. Arzneimittel und Impfstoffe sind oft für jene Gruppen, die sie am dringendsten benötigen, unerschwinglich. Die Gründe dafür sind hohe Entwicklungskosten von Medikamenten und die relativ kurzen Amortisierungszeiten, was neue Medikamente unerschwinglich teuer macht. Wir müssen diesen Problemen ins Auge sehen und sie als öffentliche Verantwortung begreifen. Auswege aus dieser Situation gibt es beispielsweise in Form mehr öffentlich-privater Partnerschaften zur Entwicklung von AIDS-Medikamenten und -Impfstoffen. Damit lassen sich möglicherweise die Kosten zum Teil reduzieren. Außerdem sollten wir alle sich bietenden Möglichkeiten ausschöpfen und Patente zum Gemeinwohl für ungültig erklären. Die TRIPS-Übereinkommen liefern hierfür geeignete Impulse.
Und schließlich bedarf es besserer Verhandlungen mit der pharmazeutischen Industrie, wenn es um die Bereitstellung lebenswichtiger Arzneimittel im Kampf gegen AIDS geht. Die Kommission kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, und den diesbezüglichen Änderungsantrag des Berichterstatters befürworte ich uneingeschränkt.
Marios Matsakis, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident, Frau Ministerin, Herr Kommissar! Ich gratuliere Professor Andrejevs zu seinem ausgezeichneten Bericht. AIDS stellt eine enorme Gefahr für die Gesundheit weltweit dar, die mit der besseren Behandlung der Erkrankten merkwürdigerweise noch zunimmt, da die Überlebensraten der Betroffenen dank besserer Behandlungsmöglichkeiten steigen und damit auch der Infektionspool immer größer wird.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und mich auf einen Aspekt konzentrieren, und zwar Infektionen, die auf die Benutzung infizierter Nadeln durch Drogenkonsumenten zurückzuführen sind. Viele Tausende von Menschen infizieren sich jedes Jahr auf diese Weise. Dieses Problem ließe sich zumindest in den EU-Mitgliedstaaten einfach lösen, wenn die Regierungen die simple Tatsache verstehen würden, dass Drogenabhängigkeit eine Krankheit und keine Straftat ist, und deshalb sollte dafür gesorgt werden, dass Drogenabhängige bei der Behandlung ihrer Krankheit Zugang zu sauberen, nicht infizierten Nadeln haben. Dies sollte unter ordnungsgemäßer medizinischer Aufsicht und Kontrolle und ohne Einbeziehung der Polizei oder der Justizbehörden geschehen. Ich hoffe, dass bei den Regierungen im Umgang mit kranken, drogenabhängigen Menschen schließlich medizinische Vernunft die Oberhand über die Holzhammermethode gewinnen wird.
Ich bin gespannt auf die Ausführungen des Kommissars und der Ministerin zu dieser Frage.
Bogusław Rogalski, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Es ist mir eine Freude, in einer so wichtigen Aussprache über die Bekämpfung von HIV/AIDS, einem der gravierendsten Probleme und der größten Bedrohungen der Gegenwart, zu diesen Haus sprechen zu dürfen.
Es hat den Anschein, als stünde die Welt dem Problem HIV/AIDS inzwischen recht gleichgültig gegenüber, als widme sie diesem Problem nicht genügend Aufmerksamkeit oder investierte nicht genügend Mittel, die der Schwere und dem Ausmaß des Problems gerecht werden würden. Die Wirklichkeit bildet dazu einen starken Kontrast: Weltweit sind fast 40 Millionen Menschen mit HIV infiziert, und über 95 % von ihnen leben in den Entwicklungsländern. Diese Tatsache sollte uns veranlassen, diese Länder stärker zu unterstützen. Beunruhigend ist, dass mehr als die Hälfte aller HIV-Neuinfektionen junge Menschen unter 25 Jahren betrifft. Die Zahl der Fälle in der Europäischen Union und ihren Nachbarländern nimmt in erschreckendem Maße zu. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass zu der Gruppe mit dem höchsten HIV-Infektionsrisiko Drogenabhängige, Migranten und Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, zählen. All diese Gruppen sind auf eine besondere Fürsorge und Unterstützung angewiesen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass alle Institutionen und Organisationen, die eine sicherere Lebensführung und Risikovermeidung propagieren, den Kampf gegen AIDS in ihre regulären Programme aufnehmen. Ferner sollte die Kommission ihre Nachbarschaftspolitik nutzen, um gefährdete Gebiete in Nachbarländern der EU unter besonderer Berücksichtigung der Enklave Kaliningrad zu unterstützen, wo die Gefahr ebenfalls in erschreckendem Maße zunimmt. Vor allem aber sollten wir uns auf klare Informationskampagnen über die Infektion mit HIV konzentrieren, denn das ist das wichtigste Mittel, um dieser Plage der Neuzeit Einhalt zu gebieten. Ich möchte nochmals betonen, dass wir nur durch Vorbeugung und Aufklärung – vor allem in der jungen Generation – eine Epidemie globalen Ausmaßes verhindern können.
Umberto Guidoni, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Frau Kommissarin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! AIDS ist noch lange nicht besiegt. Die Infektionen steigen weiterhin an und nehmen die Ausmaße einer globalen Epidemie an. Am beunruhigendsten ist, dass die Hälfte der Neuinfektionen Personen unter 25 Jahren betreffen.
In Europa sind mehr als 50 % der Bevölkerung davon überzeugt, dass man sich durch Küssen mit AIDS infizieren kann. Deshalb brauchen wir Informationskampagnen in einer korrekten wissenschaftlichen Sprache, um die Bevölkerung über Vorbeugungsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen und Risikoverhalten klar zu informieren.
Es gilt, jeder Form von Ghettoisierung entgegen zu treten, indem politische Strategien und Programme für die soziale Integration und die Beschäftigung von Menschen mit HIV entwickelt werden. Außerdem brauchen wir öffentliche Finanzmittel, um auf die Erfordernisse der öffentlichen Gesundheit ausgerichtete Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zu fördern, die auch ärmeren Patienten den Zugang zu Forschungsergebnissen garantieren.
Die Arzneimittel, die notwendig sind, um Millionen von Menschenleben zu retten, dürfen nicht als übliche Waren betrachtet werden, die den Marktgesetzen unterworfen sind. Wie in dem Bericht bekräftigt wird, muss das Recht aller Menschen auf Gesundheitsversorgung, medizinische Leistungen und Zugang zu Arzneimitteln gewährleistet werden.
Irena Belohorská (NI). – (SK) Ich möchte eingangs dem Berichterstatter für einen detaillierten Bericht danken, der sämtliche Aspekte des Kampfes gegen diese heimtückische Krankheit erfasst. Es ist bedauerlich, dass EuroHIV keine nationalen Daten aus Spanien oder Italien vorliegen, obwohl beide Länder von der Agentur als Hauptverbreitungsgebiete der Epidemie eingestuft werden und obwohl in einigen EU-Ländern die geschätzte Zahl der HIV-Infizierten nahezu dreimal so hoch ist wie die offizielle Zahl. Schätzungen zufolge gibt es in der Slowakei zehnmal mehr Infizierte, als aus der offiziellen Statistik hervorgeht.
Es ist verständlicherweise schwierig, genaue statistische Angaben zu beschaffen, weil es auch Patienten gibt, die eine Behandlung ablehnen und aus ärztlicher Sicht von der Bildfläche verschwinden. Dieses Problem kann der Gesetzgeber nicht lösen, und trotz Infektionsgefahr kann niemand zur Behandlung gezwungen werden. Oft ist es sogar schwierig, die Quelle der Infektion zu ermitteln. Im Falle der Syphilis ist die Identifizierung einer infizierten Person einfach. Bei HIV kann das sehr lange dauern. Was Kommissar Kyprianou über die Schwierigkeiten bei der Forschung gesagt hat, das kann ich nur unterstützen ebenso wie seine Bemühungen um eine Absicherung der Behandlung im Rahmen des 7. Rahmenprogramms.
Michael Cashman (PSE), Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. – (EN) Herr Präsident! Ich möchte eingangs den Berichterstatter zur Erarbeitung dieses äußerst wichtigen Berichts beglückwünschen.
Darf ich zunächst feststellen, dass AIDS und HIV natürlich vorurteilsfrei sind. Sind infizieren jeden, der dadurch verletzbar wird, dass er schlecht behandeltes Blut erhält, das in vielen Fällen kontaminiert weitergegeben wird, keinen sicheren Sex praktiziert oder unvorsichtig mit Injektionsnadeln umgeht, um nur einige Beispiele zu nennen.
Doch womit wir uns befassen müssen, das ist die Verhinderung der Übertragung. Meines Erachtens muss die ganze Frage der Information und Erziehung im Vordergrund stehen. Wir müssen die Menschen darüber informieren, wie sie sich schützen können. Wir müssen die Menschen über ihre Rechte und über den Zugang zu Arzneimitteln informieren. Gleichzeitig müssen wir Aufklärung betreiben bei Gruppen und Personen, die sich selbst nicht für gefährdet halten oder denken, sie werden von AIDS und HIV nicht betroffen.
Wenn wir uns insbesondere Afrika anschauen, wo Millionen und Abermillionen von Menschenleben zerstört worden sind, und wenn wir einen Blick auf Europa werfen, wo sich immer mehr junge Menschen mit dem HIV-Virus infizieren, dann darf es uns nicht nur um den Zugang zur Behandlung gehen, sondern auch um die Kosten der Behandlung. Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Kosten dieser Behandlung zu senken und sie allen zugänglich zu machen.
All jenen, die behaupten, Kondome könnten nicht wirksam vor der Übertragung des HIV-Virus schützen, entgegne ich, dass sie damit großen Schaden anrichten, der sogar Menschenleben kostet. Kondome sind wirksam. Der Tausch von Nadeln ist wirksam. Vorbildliche Verfahren sind wirksam und retten Leben. Und jene, die Abstinenz predigen? Nun, wenn Abstinenz in sexuellen Beziehungen funktionieren kann, dann ist sie natürlich auch wirksam. Aber, wenn Abstinenz nun nicht zur Wahl steht? Das 14-jährige Mädchen, das auf einer Landstraße in Afrika vergewaltigt wird: hat sie eine Wahl? Nein. Sie hat keine Wahl. Und deshalb sind Aufklärung und die Förderung von Informationskampagnen und die Beendigung der Diskriminierung, die das Leben von AIDS- und HIV-infizierten Menschen ruiniert, so wichtig.
Zum Schluss möchte ich jemanden zitieren, der in diesem Haus nicht allzu oft zitiert wird, und zwar Madonna. Madonna, den Popstar. Sie sagte einmal, wer sich offen zu seiner Sexualität bekennt, sei ein Held. Wer sich offen dazu bekennt, dass er HIV-positiv ist, und gegen die damit verbundene Diskriminierung und Wut angeht, der ist ein Krieger; ein Krieger deshalb, weil er die Schlachten schlägt, von denen er sich wünscht, dass die nächste Generation sie nicht zu schlagen braucht.
Ich befürworte den Bericht und empfehle ihn dem Hohen Haus.
Åsa Westlund (PSE). – (SV) Herr Präsident! Offiziellen Statistiken zufolge infizierten sich von 1998 bis 2005 in der EU mehr als 215 000 Menschen mit HIV. In Europa waren es fast 650 000 Personen, viele von ihnen unter 25 Jahre.
Einerseits macht mich das ausgesprochen traurig und niedergeschlagen. Zugleich bin ich aber auch entrüstet, denn wie Herr Kyprianou ganz richtig erklärt hat, geschieht das völlig unnötig. Diese Menschen hätten eine Infektion vermeiden können. Darum bin ich sehr froh, dass wir heute diese Aussprache haben. Ich freue mich über den zur Abstimmung vorliegenden Bericht sowie darüber, dass sich Kommission und Rat bereit erklärt haben, diesen Fragen Vorrang einzuräumen.
In Wirklichkeit geht es nämlich darum, etwas gegen die Unwissenheit über die Infektionswege von HIV und AIDS zu tun. Daran zeigt sich, dass wir uns noch gezielter für Aufklärung und für Offenheit in der Frage der Sexualität einsetzen müssen. Wir müssen es wagen, über Gleichstellung und sexuelle Selbstbestimmung zu sprechen. Die Tatsache, dass vor allem die schwächsten Gruppen in der Gesellschaft von HIV und der Ausbreitung der Infektion betroffen sind, zeigt, dass wir neue Methoden brauchen, um wirklich alle Gesellschaftsgruppen zu erreichen. Die Tatsache, dass es um sozial Schwache geht, wird uns auch bei unseren Bemühungen zur Verhinderung der Stigmatisierung von HIV-Infizierten vor einige sehr große Herausforderungen stellen. Dieser Frage muss sehr hohe Priorität eingeräumt werden.
Ich bin auch sehr froh darüber, dass im Bericht die Unterstützung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria hervorgehoben wird. Das ist eine äußerst wichtige Arbeit, die wir hoffentlich noch stärker unterstützen können. Sehr zufrieden bin ich auch damit, dass der Bericht und mehrere Änderungsanträge auf die Bedeutung des gleichzeitigen Kampfes gegen Tuberkulose und HIV hinweisen. Ich bin dankbar, dass wir versprochen haben, gemeinsame Arbeit zu leisten, um diese völlig unnötige Infektionsverbreitung zu bekämpfen.
Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Die heutige Diskussion über die Bekämpfung von HIV/AIDS in der Europäischen Union und in den Nachbarländern ist wichtig, weil wir die Fakten auch hier in diesem Haus manchmal vergessen.
HIV/AIDS bleibt eine bedrohliche Krankheit, und das nicht nur in den afrikanischen Ländern, sondern auch in unseren Mitgliedstaaten und Nachbarländern. Es gibt einen Anstieg bei den HIV-Infektionen, und die geschätzte Zahl der Infizierten – das wurde heute bereits mehrmals gesagt – ist dreimal so hoch wie die offizielle Zahl.
Es ist schön, dass sich alle europäischen Institutionen einmal mehr für einen effizienten Kampf gegen diese bedrohliche Krankheit aussprechen. Ich kann die Frustration von Kommissar Kyprianou nur teilen: Nach vielen Jahren, in denen wir glaubten, die Information sei auch bei der neuen Generation angekommen, sehen wir uns nun mit diesen Zahlen von Neuinfektionen und mit solchen Fehlinformationen konfrontiert. Es ist nicht nur zur Verhinderung von HIV-Neuinfektionen notwendig, Informationskampagnen voranzutreiben, sondern auch, um eine Stigmatisierung der Betroffenen zu verhindern und die notwendige Aufklärung zu leisten. Denn es ist schon sehr verwunderlich, dass man noch immer daran glaubt, dass man sich durch einen Kuss oder über ein Wasserglas infizieren kann, und dass in diesem Bereich, bei dem Aufklärung und Prävention ansetzen müssten, viel zu wenig getan wird.
Es erschüttert mich auch immer wieder zu sehen, wie Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen der zuständigen Minister und Ministerinnen in manchen Mitgliedstaaten von manchen religiösen Gruppen aufgenommen werden. Auch hier müssen wir ganz klar politisch Flagge zeigen.
Es geht auch darum, dass bestehende EU-Gesetze eingehalten werden. Wir müssen darauf drängen, dass in allen Mitgliedstaaten die Richtlinie, die die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, die Verarbeitung und die Verteilung von menschlichem Blut festlegt, vollständig umgesetzt wird, auch zum Schutz der Menschen in unseren Mitgliedstaaten.
Ulla Schmidt, amtierende Präsidentin des Rates. Herr Präsident! Ich möchte mich bei Ihnen allen, liebe Abgeordnete des Europäischen Parlaments, und auch bei der Kommission für die Diskussion bedanken, die wir hier geführt haben, denn sie zeigt ganz deutlich, dass der Kampf gegen Stigmatisierung, Tabuisierung und Diskriminierung eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass wir gemeinsam alles dafür tun, die Neuinfektionen so gering wie möglich zu halten und da, wo Menschen infiziert sind, ihnen auch einen uneingeschränkten Zugang zu Behandlungen zu garantieren.
Ich bin froh, dass hier deutlich geworden ist – auch noch einmal durch die große Konferenz in Bremen –, dass HIV/AIDS Chefsache sein muss. Ich bin fest davon überzeugt: Nur wenn die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union dies zu ihrer eigenen Sache machen, werden wir überall, auch in unseren Nachbarländern, dafür sorgen können, dass die notwendige Infrastruktur aufgebaut wird, um die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und vor allen Dingen auch mit den Betroffenen zu einem fruchtbaren Ergebnis zu führen und die Punkte, die angesprochen worden sind, auch umsetzen zu können.
Als Erstes müssen wir uns über Präventionen, über Informationen Gedanken machen: Wie erreichen wir die Jungen? Wie erreichen wir die Migranten? Wie erreichen wir diejenigen, an die schwierig heranzukommen ist, wie zum Beispiel Frauen, die zur Zwangsprostitution gezwungen werden? Das geschieht nur in enger Zusammenarbeit zwischen politisch Verantwortlichen und denen, die in der Zivilgesellschaft Verantwortung übernehmen und mit uns zusammenarbeiten. Wenn wir über Zwangsprostitution sprechen, so wird deutlich, dass es dabei nicht allein um ein gesundheitspolitisches Thema geht. Die Regierungen müssen alles tun, um Frauen zu schützen.
Drittens: Nur wenn wir offen über Infektionsmöglichkeiten reden, ist Prävention möglich. Dies kann auch einen Ansatz dafür liefern, in unseren Ländern eine Drogenpolitik zu verfolgen, die Drogen nicht kriminalisiert. Man muss zwar Maßnahmen, auch rechtliche, gegen Drogendealer treffen, gleichzeitig aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die erkrankt sind, weil sie süchtig sind, etwa Zugang zu sauberen Nadeln haben, und ihnen niedrigschwellige Angebote machen. All dies gehört dazu. Das ist ein schwieriger Weg, auch in unseren Nachbarländern, zumal dort den Mitgliedstaaten und ihren Regierungen vorgeworfen wird, sie würden mit einer solchen Politik selbst als Dealer auftreten und die Drogenabhängigkeit fördern. In vielen Ländern ist dies immer noch ein Tabuthema.
Deshalb war ich in Bremen sehr froh, dass die Minister aus den neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten bereit waren, sehr offen über diese Punkte zu sprechen. In diesem offenen Ansprechen der Probleme, in dieser Enttabuisierung sehe ich einen Weg, in dem weiterzukommen, was wir uns alle erhoffen.
Insofern: Wenn wir die best practices auch im Bereich der Prävention zusammenführen, wenn wir uns austauschen, wenn wir gemeinsam in Forschung und Entwicklung investieren und dieses Thema als unser Thema annehmen, dann sind wir schon einen Schritt weitergekommen.
Zweitens: Ich bin sehr dafür, dass das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und die Kommission gemeinsam erkennen, dass zu einem wirklichen Kampf gegen HIV/AIDS auch die Infrastruktur für Prävention gehört, eine Infrastruktur, die eine Gesundheitsversorgung ermöglicht und die auch dafür sorgt, dass die Menschen, die Zugang zur Behandlung haben, auch qualifizierte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vorfinden.
Drittens: Wir müssen dafür sorgen, dass in jedem Mitgliedstaat der Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sichergestellt werden kann, indem wir zulassen, dass 10 % des Gesundheitsbudgets für HIV-Impfungen oder auch Behandlungen ausgegeben werden.
Ich bin dankbar, dass wir hier diskutieren konnten, und sehr froh, dass wir das Thema in intensiver Zusammenarbeit auch weiter behandeln werden – für die Menschen, die mit uns leben, und zum Schutz der jungen Menschen vor einer Infizierung durch HIV/AIDS.
Markos Kyprianou, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Ich möchte mich bei allen Abgeordneten und der Frau Ministerin für eine sehr interessante Aussprache bedanken.
Bekanntlich lautet das Motto unserer diesjährigen HIV/AIDS-Kampagne „AIDS … Schon vergessen?“ Leider müssen wir die Menschen – einschließlich von Entscheidungsträgern, wie ich mit Bedauern feststellen muss – immer noch an die Existenz dieser Krankheit erinnern.
Das muss in unterschiedlicher Form erfolgen. Zunächst einmal möchte ich mit Blick auf die Entscheidungsträger wiederholen, was die Ministerin bereits gesagt hat, dass nämlich Ausgaben in diesem Bereich keine Kosten darstellen, sondern eine Investition. Daran müssen wir unsere führenden Vertreter und Entscheidungsträger erinnern. Auch ist die Bekämpfung von HIV/AIDS in unseren Nachbarländern und in Entwicklungsländern nicht nur eine moralische Verpflichtung gegenüber unseren Partnern in Drittländern, sondern auch Selbstschutz. Wir müssen alle praktischen Argumente benutzen, um diejenigen, die die Entscheidungen treffen, zu überzeugen.
Natürlich bin ich ebenfalls der Meinung, dass der Schwerpunkt auf der Prävention liegen muss, da die Krankheit bis jetzt nicht heilbar ist. Mittels Aufklärung und Information kann das jedoch effektiver geschehen. Das muss auf sehr ausgewogene Weise geschehen. Einerseits müssen wir den Menschen, vor allem jungen Menschen, vermitteln, dass es sich um eine gefährliche Krankheit handelt. Es ist nicht wie bei einer Grippe: Man kann nicht einfach Antibiotika nehmen und wird geheilt. Man kann daran sterben. Wir müssen die Risiken der Krankheit aufzeigen, aber nicht in einer Weise, die die Infizierten ausgrenzt, stigmatisiert oder diskriminiert. Eine Stigmatisierung behindert auch den Umgang mit der Krankheit, weil sich die Menschen vor dem Stigma fürchten. Viele lassen sich nicht testen und wissen nicht, dass sie infiziert sind. Sie infizieren schließlich andere, anstatt sich um eine Behandlung zu bemühen.
Das ist ein schwieriger Balanceakt, aber das ist unsere Aufgabe, und der müssen wir uns stellen. Wie schon gesagt wurde, praktizieren junge Menschen heute leider kaum sicheren Sex. Wie ich bereits in meinen einführenden Bemerkungen feststellte, müssen wir die jungen Menschen immer wieder daran erinnern, dass sie Kondome benutzen sollen. Das ist eine wirksame Möglichkeit, sich zu schützen. Abstinenz sollte aufgrund moralischer oder religiöser Überzeugungen praktiziert werden und nicht als Schutz vor der Krankheit, denn wir wollen, dass die Menschen wissen, wie sie sich schützen können, wenn sie sich für den Geschlechtsverkehr entscheiden. Jeder hat ein Recht auf seine moralischen Überzeugungen und kann sie zur Grundlage seines Handelns machen, aber auch das entsprechende Wissen muss vorhanden sein. Die Menschen müssen wissen, wie sie sich schützen können.
Wie ich sagte, werden wir den Schwerpunkt auch auf Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen legen, vor allem auf Schutzmaßnahmen für Frauen und insbesondere Maßnahmen, die Frauen ergreifen können und die nicht das Einverständnis des männlichen Partners erfordern. Deshalb stimme ich dem entsprechenden Abschnitt des Berichts voll und ganz zu.
Die Zivilgesellschaft stellt für uns einen sehr wichtigen Faktor dar. Wir müssen Partnerschaften aufbauen – nicht nur mit den europäischen Institutionen, sondern auch mit den europäischen Bürgern –, und deshalb haben wir vor, sehr eng mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, und tun dies auch bereits. Wir haben 2005 ein Forum der Zivilgesellschaft im Bereich HIV/AIDS eingerichtet, das sich zu einem Hauptaspekt unserer Arbeit bei der Bekämpfung von HIV/AIDS in Europa entwickelt hat. Das Forum der Zivilgesellschaft ist gestern und heute in Luxemburg zusammengekommen, um diese wichtige Problematik zu erörtern. Es setzt sich aus NRO, Frauengruppen, Gruppen für Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, Sexarbeitern, Häftlingen und Drogenkonsumenten zusammen. Wir müssen die gesamte Gesellschaft in den Umgang mit dieser Problematik einbeziehen.
Ich stimme Herrn Matsakis zu. Wir müssen etwas im Hinblick auf Drogenabhängige und den Austausch von Nadeln unternehmen, denn das ist eine Gesundheitsfrage und nicht eine Frage der Kriminalisierung, da teile ich seine Ansicht.
Wir müssen auch das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten erwähnen, das Instrument, das wir geschaffen haben und das ein sehr effektiver Mechanismus bei der Überwachung und Bekämpfung dieses schlimmen Problems ist. Deshalb glaube ich, dass diese Aussprache und hoffentlich weitere Aussprachen nicht nur dazu beitragen werden, den Blick derjenigen zu schärfen, die die richtigen Entscheidungen treffen müssen, sondern dass sie auch zur Aufklärung der europäischen Bürger darüber beitragen werden, dass dieses Problem nach wie vor existiert. Ich versichere Ihnen im Namen der Kommission, dass dieses Problem auch künftig einen unserer Schwerpunkte bilden wird.
Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich halte es für gerechtfertigt, Herrn Andrejevs nochmals zu diesem großartigen Bericht zu beglückwünschen, den er erarbeitet hat. Diese Aussprache war meines Erachtens eine der erfreulichsten der letzten Zeit, wobei großes Einvernehmen zwischen dem Rat, der Kommission und dem Parlament herrschte. Dies war eine Debatte, die Engagement beweist und meiner Meinung nach Hoffnung weckt, wenn es um die Frage geht, wie die Europäische Union als Ganzes vorgehen und die institutionelle Zusammenarbeit bei einem Problem aussehen soll, das zu den vordringlichsten Sorgen aller Seiten gehört.
Die Abstimmung findet um 12.00 Uhr statt.
Schriftliche Erklärungen (Artikel 142 der Geschäftsordnung)
Véronique Mathieu (PPE-DE), schriftlich. – (FR) AIDS ist die größte Epidemie der Geschichte; sie betrifft alle Regionen, alle sozialen Schichten, alle Altersklassen. Heutzutage infiziert sich alle sechs Sekunden ein Mensch.
Das Europäische Parlament muss einer an Kraft verlierenden Kampagne wieder neuen Schwung verleihen, und ich begrüße den Initiativbericht, über den wir heute abstimmen.
AIDS wird langsam vergessen, aber wir sind nach wie vor mit der Krankheit konfrontiert. Die Krankheit breitet sich aus, insbesondere bei jungen Menschen, Frauen, Migrantengruppen und in den neuen Mitgliedstaaten der EU. Die jungen Europäer sind immer weniger wachsam und scheinen Behandlungsmöglichkeiten mit Heilung zu verwechseln. Erinnern wir daran: AIDS ist auch heute noch eine tödliche Krankheit.
Die Krankheit kennt keine Grenzen, und mehr denn je muss unsere Solidarität grenzüberschreitend sein. Daher freue ich mich, dass der Bericht nicht nur europäische Aktionen zur Vorsorge, Information und Forschung, sondern auch internationale Aktionen im Rahmen der Nachbarschaftspolitik und des TACIS-Programms empfiehlt.
Beim Kampf gegen AIDS handelt es sich nicht nur um die Bekämpfung einer Pandemie, sondern auch um die Förderung der Gesundheit und der sexuellen Rechte sowie auch der Rechte der Frau. Dies ist nicht nur eine gemeinsame politische Maßnahme, sondern eine universelle Pflicht.
Alessandro Battilocchio (NI), schriftlich. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Daten zum gegenwärtigen Stand der Bekämpfung von AIDS sind erschreckend: Mehr als 39 Millionen Menschen weltweit leben mit HIV und 4,3 Millionen Menschen haben sich im Jahr 2006 neu mit HIV infiziert. Besorgnis erregend sind auch die Angaben zur Europäischen Union, wo die Zahl der Neuinfektionen in den letzten sieben Jahren drastisch gestiegen ist.
Deshalb bedarf es schnellstens eines neuen Konzepts seitens der nationalen und europäischen Institutionen. Sie müssen gezielte Präventionsmaßnahmen für die Risikogruppen ausarbeiten sowie Informationskampagnen und Sexualkundeunterricht an den Schulen fördern, denn über die Hälfte der Neuinfektionen betreffen Jugendliche unter 25 Jahren. Auf globaler Ebene haben die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft die Pflicht, sowohl den Zugang zu auch für die ärmsten Länder erschwinglichen Arzneimitteln und Behandlungsmaßnahmen zu gewährleisten und gegen die Lobby der Pharmaunternehmen anzugehen als auch die Forschungsarbeiten fortzuführen, um so schnell wie möglich innovative neue antiretrovirale Medikamente, Impfstoffe und Mikrobizide zu entwickeln.
In Anbetracht dieser Situation fordere ich alle Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, einschließlich Italien, auf, die für den Globalen Fonds zugesagten Mittel freizugeben. Die italienische Regierung muss sich schnellstens durch ihren finanziellen Beitrag, d. h. konkret 260 Millionen Euro, am Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria beteiligen.
(Die Sitzung wird um 11.50 Uhr unterbrochen und um 12.00 Uhr wieder aufgenommen.)