Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Erklärung der Kommission: Stärkung der europäischen Rechtsvorschriften im Bereich der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Die Arbeitnehmer zu unterrichten und anzuhören, ist ein wichtiges Element der Antwort des europäischen Sozialmodells auf die Herausforderungen der Globalisierung, des wirtschaftlichen Wettbewerbs und des technologischen Wandels. Zu dieser Antwort gehören auch die Bewältigung des Wandels, die Antizipation des Wandels und der soziale Dialog.
Ich muss das Hohe Haus nicht daran erinnern, welche Bedeutung die Kommission den Europäischen Betriebsräten beimisst. Sie versetzen uns in die Lage, das Ungleichgewicht zu verringern, das sich aus einer unzureichenden Vertretung ergibt, also dadurch, dass eine wachsende Zahl von Entscheidungen auf supranationaler Ebene fällt, während die Rechtsvorschriften zur Unterrichtung der Arbeitnehmer und Problemlösung vorwiegend auf nationaler Ebene zur Anwendung kommen.
Sie bieten Hilfestellung für die Sozialpartner in jedem Land und vereinfachen das generelle Verständnis für die strategischen Probleme von Unternehmen und die Suche nach Lösungen. Insbesondere erlauben sie die Antizipation und Bewältigung des Wandels. Im Zeitalter der Globalisierung muss sich Europa mit vielen wirtschaftlichen und sozialen Problemen auseinandersetzen.
Uns allen ist bewusst, dass Unternehmensumstrukturierungen nicht nur von den betroffenen Mitarbeitern gefürchtet werden, sondern auch von anderen Bürgern. Wir wissen auch, dass es zur Auseinandersetzung mit diesem Phänomen nur eine mögliche Vorgehensweise gibt, nämlich entschlossen, aktiv und dynamisch zu handeln. Die EU muss zur Vorbereitung auf Veränderungen infolge von Umstrukturierungen und zu deren verantwortungsvoller Bewältigung – mithilfe der Strukturfonds, insbesondere des Europäischen Sozialfonds, oder durch den politischen Dialog im Rahmen des von der Kommission eingerichteten Forums „Umstrukturierung“ – sowie zur Umsetzung des Rechtsrahmens der Gemeinschaft für die Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern beitragen.
Die jüngste Situation im VW-Autowerk hat ganz besonders gezeigt, wie notwendig die frühestmögliche Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer im Entscheidungsprozess ist, damit sie auf die Umstrukturierung vorbereitet sind und damit diese im besten Interesse aller durchgeführt wird. Die Europäischen Betriebsräte müssen in der Lage sein, diese Funktion im Rahmen supranationaler Prozesse auszuüben. Wie ist dieses Ziel zu erreichen? Zuallererst muss bei der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer unbedingt auf die Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften geachtet werden. Ich möchte jedoch betonen, dass die Aufgabe der Wahrung des Gemeinschaftsrechts in erster Linie den Mitgliedstaaten zufällt.
Es sollten auch Fragen zur Revision der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte gestellt werden. Mir ist wohl bewusst, was für eine sensible Angelegenheit das ist. Wie Sie wissen, hat die Kommission 2004 das Verfahren zur Revision der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte eingeleitet. In Rahmen der Mitteilung von 2005 über Umstrukturierung und Beschäftigung ermutigte die Kommission die europäischen Sozialpartner, Verhandlungen hierzu aufzunehmen. Die Sozialpartner haben die Billigung und Bewertung der gemeinsamen Texte zu den Europäischen Betriebsräten und Umstrukturierungen in ihre Arbeitsprogramme für den Zeitraum 2006-2008 aufgenommen. Wir sehen den Ergebnissen dieser Arbeit mit großem Interesse entgegen.
Ich weiß, dass die Sozialpartner in der Frage der Europäischen Betriebsräte unterschiedliche Ansätze verfolgen. Alle sind sich einig, dass der soziale Dialog auf nationaler Ebene immer notwendiger wird, und viele sind sich darüber im Klaren, dass die Arbeit der Europäischen Betriebsräte oft übersehen oder unterschätzt wird. Die Frage ist, ob eine Revision des europäischen Rechtsrahmens dazu beitragen wird, dass sie besser funktionieren, oder es ob genügen würde, den Austausch bewährter Konzepte zwischen den Sozialpartnern auszubauen. Wir begrüßen alle Vorschläge, die zur Entwicklung des Rechtsrahmens beitragen. Diese Entwicklung dürfte nützlich sein, um eine größere Geschlossenheit und Wirksamkeit zu gewährleisten, wenn es um die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer geht, und damit für mehr Rechtssicherheit in Fällen sorgen, bei denen erhebliche Veränderungen in der Unternehmensgröße anstehen, und den Umfang des Prozesses der Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern auf europäischer und nationaler Ebene und die Rolle, die sie dabei spielen müssen, klarstellen.
Natürlich finden bei der Initiative der Kommission Maßnahmen Berücksichtigung, die die Sozialpartner auf den Weg gebracht haben, um die Nutzung bewährter Verfahren zu unterstützen. Auch die Anforderungen des Wirtschafts- und Sozialausschusses werden berücksichtigt. Die Kommission wird die Suche nach Lösungen unterstützen, die sich aus der Partnerschaft entwickeln, und wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte miteinander verbinden. Diese Herangehensweise findet auch in der Mitteilung der Kommission zu Umstrukturierung und Beschäftigung von 2005 sowie in der Mitteilung über die soziale Verantwortung der Unternehmen von 2006 Rückhalt. Die Kommission sieht der Entschließung des Parlaments zu diesem Thema, die eine wichtige Rolle bei den nächsten Schritten der Kommission spielen wird, mit Erwartung entgegen. Die Kommission ist bereit, die Frage der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer mit dem Parlament zu diskutieren. Ich danke Ihnen.
Gabriele Stauner, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich ausdrücklich bei Kommissar Špidla für die Ausführungen zum Thema Information und Anhörung der Arbeitnehmer. Wir alle wissen, wie wichtig Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer für den Betriebsfrieden und eine zufriedene und motivierte Arbeitnehmerschaft sind. Deshalb liegen diese Rechte auch und vor allem im Interesse der Unternehmen und der Arbeitgeber.
Wir in Europa können stolz auf unsere Tradition der Beteiligung der Arbeitnehmer sein! Der Erfolg unserer Wirtschaft beruht nicht zuletzt auf diesen Rechten. Obwohl Konsultationsrechte in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet sind — in dem Land, aus dem ich komme, geht die Beteiligung der Arbeitnehmer z. B. bis hin zur Mitbestimmung im wirtschaftlichen Bereich —, gehören Informations- und Konsultationsrechte zweifellos zu dem, was wir das Europäische Sozialmodell nennen.
Die Krönung der Rechtsetzung auf EU-Ebene ist bekanntlich die Richtlinie über den europäischen Betriebsrat aus dem Jahre 1994. Sie hat sich dem Vernehmen nach auch gut bewährt, denn Bedarf dafür haben wir auch daran ersehen können, dass einige der in verschiedenen Ländern arbeitenden Unternehmen bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie auf freiwilliger Basis solche Betriebsräte gegründet hatten.
Ich bin auch der Meinung, dass es jetzt, im Jahre 2007, an der Zeit ist, diese Richtlinie zu überarbeiten. Die Richtlinie von 1994 hatte dafür eigentlich schon das Jahr 1999 als Termin gesetzt. Vieles hat sich seit dem Erlass der Richtlinie geändert. Die wirtschaftlichen Strukturen der Unternehmen haben sich geändert, die Globalisierung ist weiter fortgeschritten, aber auch die Ansprüche der Arbeitnehmer und ihrer Interessenvertretungen sind gewachsen.
Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger in Europa leisten wir gerne unseren Beitrag zu einer Anpassung an die veränderte Unternehmens- und Arbeitswelt, denn wir alle wissen: Nur ein verantwortungsvoll und sozial handelnder Unternehmer wird in der Zukunft erfolgreich sein, und ein gut informierter und in Unternehmensentscheidungen einbezogener Arbeitnehmer wird seine Arbeitskraft voll und mit Überzeugung in seinen Betrieb einbringen.
Stephen Hughes, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Airbus, Alcatel, Lucent und Delphi Systems sind nur die jüngsten eines nicht enden wollenden Stroms von Fällen umfassender Umstrukturierung, die Arbeitnehmerdelegationen veranlasst haben, uns aufzusuchen, um sich über Verstöße gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsgesetze der EU, nicht nur gegen die Euro-Betriebsratsrichtlinie, sondern auch gegen andere Richtlinien: die über Massenentlassungen und den Übergang von Unternehmen aus den siebziger Jahren und die Richtlinie über die Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.
Wir haben ein ziemlich umfassendes Paket von Gesetzen zur Unterrichtung und Anhörung, aber die Unstimmigkeiten und Widersprüche zwischen ihnen und die in ihnen enthaltenen Schlupflöcher bringen es mit sich, dass sie häufig überhaupt umgangen werden. Oft bemüht man sich nicht rechtzeitig um eine Unterrichtung oder Anhörung, um Arbeitsplatzverluste zu verhindern oder zu mildern.
Wir brauchen dringend eine eindeutige Definition der Begriffe Unterrichtung und Anhörung im EU-Recht. In einigen unterschiedlichen Richtlinien haben wir unterschiedliche Begriffe. In der Betriebsratsrichtlinie wird keiner der beiden Begriffe eindeutig definiert, und die späteren Richtlinien zur Betriebsverfassung sowie der allgemeine Rahmen haben andere Definitionen. Das öffnet Tür und Tor für Missbrauch und Umgehung. Die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Betriebsratsrichtlinie liegt jetzt klar auf der Hand: Sie hätte schon vor acht Jahren überarbeitet werden müssen.
Die Mängel und Schlupflöcher sind wohlbekannt: keine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung, keine volle Anerkennung der Rolle der Gewerkschaften, keine Unterstützung durch Sachverständige, unzureichende Sanktionen, Missbrauch der Regeln zur Vertraulichkeit bei der Zurückhaltung von Informationen und so weiter. Um diese Mängel muss man sich jetzt kümmern, um den Arbeitnehmern die von ihnen benötigten effektiven Werkzeuge an die Hand zu geben.
Ich weiß um die Auffassung, eine Überarbeitung sollte nicht in Angriff genommen werden, weil am Ende nicht ein stärkeres, sondern ein schwächeres Instrument herauskommen könnte. Meine Fraktion ist der Ansicht, dass die Umgehung und der Missbrauch dieser Gesetzgebung heute ein solches Ausmaß und eine solche Breite erreicht haben, dass wir nichts zu verlieren haben, wenn wir auf einer Überarbeitung bestehen. Ich fordere den Herrn Kommissar auf, diese Rechtsvorschrift als eine dringliche Angelegenheit zu behandeln.
Ilda Figueiredo, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Heute, da wir in meinem Land Portugal den 33. Jahrestag der Aprilrevolution feiern, ist es mir eine besondere Freude, hier in diesem Hohen Haus zur Stärkung der Rechtsvorschriften für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu sprechen.
Bekanntlich ist in den Richtlinien über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer und über die Europäischen Betriebsräte festgelegt, dass Informationen in Bezug auf die Entwicklung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte des Unternehmens und zu Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können, zur Verfügung gestellt werden müssen. Doch die Erfahrung lehrt, dass das nicht genug ist und nichts an den immer ernsteren Problemen von Unternehmensumstrukturierungen und –verlagerungen ändert, die gravierende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben.
Nach wie vor berichten Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen von solchen Problemen in der Hightechindustrie, so bei Alcatel-Lucent, Delphi und Yasak, bei Schuhwaren, zum Beispiel Rodhe, in der Kfz-Branche und im Textilsektor. Die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft müssen deshalb viel weiter gehen.
Die Arbeitnehmerorganisationen müssen zu jeder Zeit umfassend informiert sein und während des gesamten Prozesses, in den Europäischen Betriebsräten, eine zentrale Rolle spielen, auch mit einem Vetorecht.
„Flexi-insecurity“ als Gegenteil von „Flexicurity“, die Liberalisierung von Entlassungen und der inakzeptable Angriff auf die von den Arbeitnehmern über Jahre gewonnenen Rechte dürfen auf keinen Fall weiter fortschreiten.
Ich hoffe, Sie können Antworten auf die Fragen finden, vor denen Sie stehen, Herr Kommissar.
Der Präsident. – Das Gedenken an die Nelkenrevolution wird ihm sicherlich die Antwort an Sie erleichtern, Frau Figueiredo.
Ieke van den Burg (PSE). – (NL) Herr Präsident! Ich werde versuchen, meine Erklärung innerhalb einer Minute abzugeben; sie bezieht sich vor allem auf die Finanzmärkte und die dortigen gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich der Private Equity-Fonds und der Hedgefonds, die über die Aktionärsrechte Einfluss auf die Unternehmen gewinnen. Ich finde es höchst enttäuschend, dass die jetzige Kommission keine Vorschläge zu den Arbeitnehmerrechten, insbesondere in diesen großen transnationalen Konzernen, vorgelegt hat, während alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die Rechte der Aktionäre zu verbessern. Zu diesem speziellen Thema haben wir im Februar dieses Jahres einen Bericht angenommen. Offenkundig besteht ein immenses Ungleichgewicht zwischen einerseits den Maßnahmen zugunsten der Aktionäre, damit sie größeren Einfluss auf die Unternehmen erhalten – was sie unter ihren eigenen, rein finanziellen Gesichtspunkten tun können –, und andererseits den Folgen für die Beschäftigung, für die Qualität der Arbeit oder für die Arbeitnehmerrechte, die völlig unberücksichtigt bleiben. In diesem Bereich halte ich es für unabdingbar, das Gleichgewicht so schnell wie möglich wiederherzustellen. Ratsam wären vielleicht eine Neuauflage der Fünften Gesellschaftsrechtsrichtlinie und dafür zu sorgen, dass bei der Betriebsaufsicht ein besserer Ausgleich zwischen den Interessen der Aktionäre und denen der Arbeitnehmer erreicht wird.
Harald Ettl (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Die letzten Fälle in der Europäischen Union haben gezeigt, dass Information und Konsultation im Rahmen des Europäischen Betriebsrates nur sehr mangelhaft funktionieren. Wir sind jetzt soweit, dass Belegschaftsvertretungen in verschiedenen Ländern gegeneinander ausgespielt werden – Frankreich, Deutschland usw. Es handelt sich hier aber nicht um ein Länderspiel! Konsultation und Information im Rahmen des Gremiums des Europäischen Betriebsrats, das ist einfach mehr. Deshalb besteht hier Änderungsbedarf. Ich erinnere daran, dass die erste Revision bereits 1999 hätte erfolgen sollen. 2004 wurde das Thema wieder aufgegriffen, und jetzt sind wir soweit, dass wir den Revisionsbedarf erkennen.
Ich bin sehr froh, dass gerade Kollegin Stauner von der PPE dieses Thema für uns aufbereitet hat, weil der erste Geburtshelfer der Europäischen Betriebsratsrichtlinie der deutsche Regierungschef Kohl war! Damals hatten wir aber noch eine ganz andere industrielle Situation. Vieles hat sich geändert. Die Betriebsstrukturen sind kleiner geworden, die Kommunikationsmechanismen sind anders. Vieles in diesem Sektor muss geändert werden. Ich kann nur dazu aufrufen, rechtzeitig die Gelegenheit zu ergreifen, die Revision vorzunehmen. Novellieren wir den Europäischen Betriebsrat! Novellieren wir die Regelungen und passen wir sie an die Realitäten an! Es ist demokratiepolitisch ungeheuer wichtig, dass dies in den Betrieben funktioniert, denn wenn es nicht funktioniert, haben wir ein riesiges Konfliktpotenzial, dem vorgebeugt werden muss.
Darum kann ich Sie, Herr Kommissar, nur ersuchen, das rasch in Bewegung zu setzen und auch dem Rat die entsprechenden Impulse dafür zu geben.
Kader Arif (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dreizehn Jahre nach der Verabschiedung der Richtlinie über die europäischen Betriebsräte bleibt noch viel zu tun, damit diese Vorschriften ihre Ziele in vollem Umfang erreichen.
Im Laufe der letzten Monate haben zahlreiche Unternehmen umfangreiche Umstrukturierungen ohne Anhörung oder unter Missachtung dieser Richtlinie und anderer europäischer Gesetze vorgenommen, ohne dass dies je Sanktionen für eines dieser Unternehmen zur Folge gehabt hätte. Die Krisen, von denen heute Airbus betroffen ist, gestern Alcatel und Volkswagen betroffen waren und morgen vielleicht Peugeot betroffen sein wird, sind deutliche Beispiele für die Versäumnisse im europäischen sozialen Dialog.
Im Falle von Airbus beklagten die Gewerkschafter und Arbeitnehmer, die wir im Parlament oder vor Ort getroffen haben, zu Recht, dass es keine vorherige Anhörung und wirkliche Abstimmung zum Umstrukturierungsplan Power 8 gegeben hat. Obwohl die Ursache für die derzeitigen Schwierigkeiten bei Airbus bekanntlich Managementfehler sind, während die Kompetenz der Arbeitnehmer dessen Erfolg gesichert hat, werden diese als Letzte unterrichtet und sind die Ersten, die von diesem Plan höchst schmerzlich betroffen sind. Die Manager hingegen sind geschützt und durch den millionenschweren goldenen Handschlag abgesichert. Wir können nicht länger eine Situation hinnehmen, in der die Arbeitnehmer aus der Presse von ihrer Entlassung erfahren. Es ist dringend größere Transparenz geboten.
Wir, die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament, fordern seit Jahren eine Überarbeitung der Texte dahin gehend, dass die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer frühzeitig, in regelmäßigen Abständen und auf allen Entscheidungsebenen gesichert wird, so dass diese wirklich auf den Entscheidungsprozess Einfluss nehmen können. So müssten die Arbeitnehmervertreter einen Sitz im Aufsichtsrat der Unternehmen haben. Das ist ein wesentliches Element für die Information der Arbeitnehmer und ihre Einflussnahme auf strategische Entscheidungen. Dann ließe sich überprüfen, ob diese Umstrukturierungen wirklich unerlässlich für das Unternehmen sind und nicht allein durch Managementfehler oder das Streben nach schnellem Profit bedingt sind.
Wir erachten es auch als unerlässlich, dass gesichert wird, dass die Unternehmen innerhalb der EU ihren sozialen und finanziellen Verpflichtungen nachkommen und sich verantwortungsbewusst und fair gegenüber allen Beteiligten – den Arbeitnehmern, Gewerkschaften, lokalen und regionalen Körperschaften sowie der Bevölkerung in ihrem Standortbereich – verhalten. Die Kommission muss die Verpflichtung übernehmen, die Unternehmen zu einem verantwortungsbewussten Handeln zu veranlassen, auch indem sie Rechtsvorschriften zu deren sozialer Verantwortung vorsieht.
Ich erachte es in einem globalisierten Umfeld und einer sich ständig verändernden Situation heute ebenso wie vor 13 Jahren als unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die volle Umsetzung der geltenden Richtlinien gewährleistet wird, auch durch Sanktionen gegen verantwortungslose Unternehmen, in erster Linie jedoch durch eine Revision der bestehenden Richtlinien, um in der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie der Betriebsräte weiter voranzukommen. Wir erneuern damit unser entschiedenes Bekenntnis zu einem sozialen Europa.
Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Ich möchte dem Herrn Kommissar für seine freundlichen Worte danken, auch wenn wir uns mehr Details zum Zeitplan und zu den Maßnahmen für eine größere Transparenz und verantwortungsvolle Führung der Unternehmen gewünscht hätten.
Arbeitnehmermitbestimmung ist gefordert, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit und Qualität der europäischen Industrie bei emblematischen Projekten wie Airbus und anderen, weniger bekannten, aber wichtigen Unternehmungen, aufrechterhalten wollen, um Europa zu der wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu machen, die wir uns wünschen. In diesem Zusammenhang ist Delphi eine schmerzende Wunde in meinem Land.
Es ist nicht rechtens, unsere Probleme ausschließlich der Globalisierung zuzuschreiben, denn bei näherem Hinsehen werden wir feststellen, dass die Auftragsbücher sowohl von Airbus und als auch von Boeing voll sind, und deshalb werden eher mehr als weniger Arbeitskräfte benötigt, in Europa und auch anderswo.
Ich möchte die Kommission aufrufen, neben der Beteiligung der Arbeitnehmer, die wir hier fordern, jetzt neue Maßnahmen zu erwägen, um die Transparenz in der Tätigkeit und den Entscheidungen der Führungskräfte zu gewährleisten, die mit ihren gut abgesicherten Verträgen und exorbitanten Gehältern Nachlässigkeit, mangelnde Transparenz und kriminelle Fehler zulassen, gegen die die Europäische Gemeinschaft im Moment kein ausreichendes Instrument besitzt.
Herr Kommissar, beabsichtigt die Kommission, Instrumente zu schaffen, um diese verantwortungslose Macht im Kontext der so genannten sozialen Verantwortung der Unternehmen und ihrer bisher nicht verbindlichen Verhaltenskodizes einzuschränken? Könnten Maßnahmen ergriffen werden, um die Führungskräfte zu einer transparenteren Führungstätigkeit, zunächst gegenüber den Arbeitnehmern, aber auch gegenüber der Gesellschaft zu zwingen? Wenn wir von einer verantwortungsvollen europäischen Unternehmensführung sprechen, dürfen wir uns nicht länger mit dieser Situation abfinden.
Matthias Groote (PSE). – Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es muss anscheinend immer erst etwas Schlimmes passieren, bevor die Kommission sich zu einem so wichtigen Thema wie der Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer im Bereich der Unterrichtung und Anhörung äußert.
Das Power8-Sanierungsprogramm von Airbus und die damit verbundenen drohenden Entlassungen und Werksverkäufe haben die Airbus-Mitarbeiter in Europa bis ins Mark getroffen. In der Diskussion mit den Betriebsräten der betroffenen Standorte Varel und Nordenham und bei einem Treffen mit Gewerkschaftsvertretern aus ganz Europa, das kürzlich in Brüssel stattgefunden hat, wurde von Seiten der Arbeitnehmer immer wieder vorgebracht, dass die Unterrichtung und Anhörung der Airbus-Mitarbeiter mangelhaft gewesen sei. Aus diesem Grund müssen die Rechte der europäischen Betriebsräte erstens endlich vollständig umgesetzt und zweitens erweitert und vertieft werden.
Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht umfassend informiert und angehört werden, wenn ihr Unternehmen umstrukturiert wird oder womöglich Entlassungen anstehen. Dieser unhaltbare Zustand kann nur dadurch behoben werden, dass die längst überfällige Revision der EBR-Richtlinie nun endlich auf den Weg gebracht wird. Mir ist bis heute kein Unternehmen in Europa bekannt, welches durch seinen Betriebsrat in Schwierigkeiten geraten ist. Ganz im Gegenteil, durch die Anhörung und frühzeitige Information der Mitarbeiter könnten sicherlich viele Unternehmen und Arbeitsplätze in Europa gerettet und Managementfehler ausgebügelt werden.
Nach 13 Jahren ist es an der Zeit, dass diese Gesetzgebung komplett auf den Weg gebracht wird, um den sozialen Frieden in Europa zu sichern!
Alejandro Cercas (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr Kommissar! Schon vor 13 Jahren wurde, liest man die Texte, darauf hingewiesen, dass wir den sozialen Dialog als Kennzeichen des europäischen Sozialmodells in unser Primärrecht aufnehmen müssen. Aus diesem Grund ist die Richtlinie entstanden.
Vor 13 Jahren wurde betont, dass der Binnenmarkt eine grenzüberschreitende Dimension hat und dies zu Problemen unter den Arbeitnehmern in den transnationalen Unternehmen führen könnte, da diese die Entscheidungen in Absprache mit allen Seiten treffen müssten, ohne einige wenige oder alle zu benachteiligen. Nach dem, was wir bei Delphi, Renault und Airbus erlebt haben, sind wir uns jetzt noch mehr der dringenden Notwendigkeit bewusst, diese Mechanismen zu verbessern.
Europa läuft Gefahr, dass ein Mangel an Legitimität unter den Arbeitnehmern entsteht, da sie zwei ganz kritische Dinge gleichzeitig erleben, Herr Kommissar. Erstens stellen sie fest, dass wir keinerlei Instrumente besitzen, aber zugleich hören sie uns in Europa sagen, dass wir an ihrer Seite stehen und wir sie angesichts der Globalisierung und Umstrukturierung nicht allein lassen.
Deshalb ist die Revision der Richtlinie, wenn auch nicht ausreichend, so doch notwendig, denn es zeigt sich, dass sie weder angewendet wird, noch von Nutzen ist, um den äußerst ernsten Problemen Rechnung zu tragen, die wir vor Ort erleben und die einen ganz erheblichen Teil der europäischen Bevölkerung in Konfrontation zueinander und zu Brüssel bringt.
Diese Sache drängt, Herr Kommissar. Wir müssen weiter vorankommen. Wir werden Sie uneingeschränkt unterstützen, wenn Sie sich einer so schwierigen und riskanten Situation widmen.
Karin Jöns (PSE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ungewissheit ist immer etwas Schlimmes, erst recht, wenn es um die Zukunft der Arbeitsplätze geht. Das Damoklesschwert der Entlassung hängt nun bereits seit Januar über Tausenden von Airbus-Mitarbeitern. Das ist ein untragbarer Zustand! So kann man doch nicht mit Menschen umgehen! In meinem Wahlkreis war, als Power8 aufkam, erst von 1 200 Entlassungen die Rede, dann von 700, dann wieder ausschließlich von Entlassungen unter der Leiharbeitnehmerschaft, und jetzt hört man, Airbus wolle gar wieder Neueinstellungen vornehmen. Da kann einem doch nur noch schwindlig werden!
Das Vorgehen der Konzernspitze von EADS ist, wie wir alle wissen, kein Einzelfall mehr. Das haben wir heute mehrfach gehört. Dass es so etwas trotz der Europäischen Betriebsratsrichtlinie gibt, ist einfach skandalös und macht den Handlungsbedarf wirklich deutlich! Deshalb muss die Arbeitgeberseite dringend, was Information und Konsultation der Arbeitnehmerschaft betrifft, durch konkretisierte Vorschriften stärker in die Pflicht genommen werden. Vor allem müssen wir dafür sorgen, dass Verstöße dagegen überall in der EU rigoros sanktioniert werden und ArbeitnehmerInnen und ArbeitnehmervertreterInnen auch in den Aufsichtsräten vertreten sind.
Ich erwarte wirklich, Herr Kommissar Špidla, dass die Kommission nun endlich die längst überfällige Novellierung der Richtlinie anpackt. Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der EU stehen und fallen bekanntlich mit sicheren und guten Arbeitsplätzen!
Vladimír Špidla, Mitglied der Kommission. (CS) Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Zunächst einmal, es wurde eine Reihe von Fällen genannt, in denen die Richtlinie über Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß angewendet wurde. Das ist in der Tat geschehen, die Kommission ist in jedem einzelnen Fall tätig geworden, und in einigen Fällen hat sich die Situation deutlich verbessert.
Ich möchte jedoch unterstreichen, dass die Richtlinie nicht so schwach ist, wie sie in einigen Meinungsäußerungen erscheint. Wie sie angewendet wird, liegt letztendlich im Ermessen der Staaten. Ich möchte darauf hinweisen, dass in letzter Zeit eine Reihe von Unternehmen vor französischen und belgischen Gerichten wegen Nichteinhaltung der Richtlinie verklagt wurde, und dass in einigen Fällen, beispielsweise bei British Airways, der Umstrukturierungsprozess gestoppt wurde, bis das Gesetz zur Anhörung und Unterrichtung vollständig umgesetzt worden ist. Es gibt also Möglichkeiten für ein relativ wirksames Vorgehen, was wir meiner Meinung nach nicht vergessen sollten.
Die zweite Frage, die zur Sprache kam, war die der in Aussicht stehenden Revision der Richtlinie. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kommission eine Revision dieser Richtlinie eingeleitet hat, und dass wir auf jeden Fall zu einer Lösung beitragen wollen, die zu einem stabilen, wirksamen sozialen Dialog und Konsultationsverfahren und zum Recht der Anhörung der Arbeitnehmer und deren Unterrichtung führt. Dies ist das Ziel der Kommission, und ich bin sicher, dass wir es in dieser Wahlperiode erreichen.
Der Präsident. – Ich danke Ihnen vielmals, Herr Kommissar.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung über die am Ende der Aussprache eingebrachten Änderungsvorschläge(1) findet während der nächsten Tagung in Brüssel am Donnerstag, dem 10. Mai, statt.
Glyn Ford (PSE) , schriftlich. – (EN) Der Grund für diese Erklärung und die Entschließung im nächsten Monat ist die unerträgliche Situation im Zusammenhang mit Airbus in Europa. Eine Verquickung von Missmanagement, unlauterem Wettbewerb und mangelndem Einschätzungsvermögen hat den Erfolg dieser vitalsten Branche unter den europäischen Industrien in Gefahr gebracht. Für mich ist es unvorstellbar, dass die USA mit Boeing den Weltmarkt im Bereich der Mittelstrecken- und Großflugzeuge völlig dominieren. Boeing hat seine zivilen Verkäufe sowie die Forschung und Entwicklung durch Verträge mit den Militärs sowie mit der militärischen Forschung und Entwicklung untermauert: ein Armutszeugnis für die gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Europas.
Dennoch, das Hauptproblem besteht hier darin, dass Airbus trotz massiver Kredite seitens der EU und nationaler Regierungen wie irgendein Tante-Emma-Laden geführt wurde, ohne die geringste Anhörung der Belegschaft. Die Arbeitnehmer besitzen eine der wichtigsten Ressourcen für ein Industrieunternehmen – Fachwissen und Erfahrung. Mag gut sein, dass das Management, wenn es darauf gebaut hätte, einige seiner schlimmsten Fehler hätte vermeiden können. Jetzt droht mindestens 10.000 Familien der Verlust des Arbeitsplatzes.
Wenn dieses Unternehmen, ein Pionierunternehmen der europäischen Industrie, seinem bedeutendsten Vermögen, seinen Arbeitskräften, so wenig Beachtung schenkt, kann es für die Kommission nur an der Zeit sein, die Gesetzgebung, die mit Sicherheit nicht streng genug ist, zu stärken und zu festigen.