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Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 24. Mai 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.

5. Via Baltica (Aussprache)
Protokoll
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  Die Präsidentin. Als nächster Punkt folgt eine Erklärung der Kommission zur Via Baltica.

 
  
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  Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. (EN) Im Namen der Kommission und in Vertretung meines Kollegen, des Kommissionsmitglieds Dima, der aus ernsten gesundheitlichen Problemen heute verhindert ist, möchte ich die Situation darstellen und erläutern, warum sich die Kommission an den Gerichtshof gewandt hat.

Die polnischen Behörden haben für den Bau der Umgehungsstraße von Augustów, die durch das herrliche Rospuda-Tal in einem bewaldeten Natura-2000-Gebiet führt, trotz der vorherigen Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren grünes Licht gegeben. Ein Mahnschreiben, das unter anderem die Umgehung von Augustów zum Inhalt hatte, erging am 15. Dezember 2006 an die polnische Regierung, während die polnischen Behörden den Beschluss zur Genehmigung des Baubeginns am 2. und 9. Februar 2007 fassten.

Das Rospuda-Tal ist das letzte Torfmoorsystem seiner Art in Europa. Daher ist die Kommission der Auffassung, dass mit dem Projekt in seiner gegenwärtigen Form gegen die Vogel- und die Habitatrichtlinien verstoßen würde. Am 28. Februar 2007 gab die Kommission eine dringliche „reasoned opinion“ heraus, in der Polen aufgefordert wurde, innerhalb einer Woche das EG-Umweltrecht einzuhalten. Da die Kommission die Antwort der polnischen Behörden für unbefriedigend hielt, beschloss sie am 21. März, den Fall an den Gerichtshof zu übergeben. Die Entscheidung umfasst ein Ersuchen um Interimsmaßnahmen, was in der Hauptsache die Einstellung der Bauarbeiten bis zum Urteil bedeutet, um eine unumkehrbare Schädigung des betreffenden Natura-2000-Gebiets zu vermeiden.

 
  
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  John Bowis, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Frau Präsidentin! Vielleicht sollten wir zunächst Herrn Kommissar Dimas unsere besten Wünsche übermitteln und ihm eine baldige Genesung wünschen.

Lassen Sie mich zweitens meinen polnischen Freunden sagen, dass dies keine Frage der Kritik an Polen ist. Es gibt viele Mitgliedstaaten, die dem Druck des Parlaments und der Kommission ausgesetzt waren, wenn ein Vorschlag zur Erschließung der Umwelt potenziellen Schaden zufügt.

Ich denke aber, hier haben wir einen ernsten Fall, der zu einem Willenstest für die Kommission, für die Politik und gewiss auch für dieses Parlament wird. Es zeichnet sich nicht wieder gut zu machender Schaden für die Habitate einer Vielzahl von Arten ab, von Adlern bis zu Spechten, Auerhähnen, Wölfen und Luchsen. Ich begrüße es, dass die Kommission Schritte unternimmt und sich an den EGH wendet, der entscheiden möge, dass Polen dringend aufgefordert wird, bis zu einer ordentlichen umfassenden Entscheidung die Arbeiten einzustellen. Das ist vernünftig. Der Präsident des EGH hat das am 18. April zugesagt, und ich hoffe, das ist ein eindringliches Signal an die mit diesem Vorhaben befassten polnischen Behörden. Leider hat es jedoch den Anschein, Polen ignoriere das und setze die Bauarbeiten, zumindest teilweise, an zwei der Projekte in Nordostpolen fort.

Ich bitte daher die Kommission darauf zu drängen, dass wir ernsthaft nach alternativen Straßenverläufen suchen, denn wir meinen, und mein Ausschuss meint, dass es Alternativen gibt, die viel besser für die Umwelt wären. Diese müssten unserer Auffassung nach eingehend geprüft werden, dabei sind die Grundsätze der strategischen Umweltbewertung anzuwenden, und nur wenn diese befolgt werden, sollten wir dem Weiterbau an diesem Straßenverlauf unsere Zustimmung geben.

Ich hoffe, die Kommissarin wird diese Botschaft an ihren Kollegen weiterleiten, und ich hoffe, das wird zu seiner Besserung beitragen. Es trägt gewiss zur Besserung der polnischen Regierung bei, wenn wir die Vorschriften einhalten.

 
  
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  Thijs Berman, im Namen der PSE-Fraktion.(NL) Frau Präsidentin! Meine Fraktion steht in diesem Streit mit der polnischen Regierung hinter der Kommission.

Die Europäische Union hat mit ihren Umweltrichtlinien, beispielsweise der Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie, wesentliche Schritte in Richtung der nachhaltigen Entwicklung unseres Kontinents getan. Die Richtlinien sind ein großer Erfolg. Die Gebiete, in denen sie gelten, sind vielfach Bestandteil des Netzes Natura 2000, und dieses europäische Netzwerk von Naturschutzgebieten in den Mitgliedstaaten bildet das Kernstück der EU-Politik zum Schutz der Umwelt sowie zum Erhalt und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt. Natur- und Umweltschutz erhalten dadurch kräftige Impulse.

Bisweilen stößt dies auf lokaler und nationaler Ebene auf Ablehnung. Politiker geben umstandslos dem Druck kurzfristiger Wirtschaftsinteressen nach, statt mutig für eine saubere Umwelt zugunsten künftiger Generationen einzutreten.

Selbstverständlich ist die Via Baltica von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Das steht außer Frage. Zudem sind die Öffnung Nord- und Osteuropas und die Anbindung der baltischen Staaten zu Westeuropa unverzichtbar. Mehr Wohlstand und Prosperität in Polen liegen im Interesse ganz Europas.

Daher werden Milliarden Euro aus den Strukturfonds in dieses Land investiert, und jeder wird verstehen, dass sich die Einwohner der Stadt Augustów ein baldiges Ende der durch den LKW-Verkehr verursachten gefährlichen Lärmbelästigung herbeisehnen.

Der Verkehr muss über eine Umgehungsstraße aus dem Stadtzentrum verlagert werden. Aber zu welchem Preis? Das Rospuda-Tal ist eine einzigartige Gegend, ein besonderes Schutzgebiet gemäß der Vogelschutzrichtlinie, und aufgrund seines außergewöhnlichen Wertes muss es auch in den Geltungsbereich der Habitatrichtlinie fallen. Polen verfügt über einen enormen Naturreichtum und eine Landschaft von herausragender Schönheit. In diesen Ressourcen liegt der Schlüssel für Polens wirtschaftliche Zukunft.

In den Niederlanden standen wir vor nicht allzu langer Zeit vor einer ähnlichen Situation, als es um den Bau einer neuen Autobahn ging – der anschließend nicht genehmigt wurde –, die teilweise durch das Naardemeer führen sollte, das älteste Naturschutzgebiet unseres Landes, das unter die EU-Vogelschutzrichtlinie fällt. Die Situation war vergleichbar mit dem polnischen Naturschutzgebiet, in dem die Via Baltica geplant ist.

Die Kommission hat recht daran getan, die polnische Regierung vor dem Bau dieses Autobahnabschnitts zu warnen. Als EU-Mitgliedstaat ist Polen zum Schutz des Rospuda-Tals verpflichtet. Die polnische Regierung hat zwar Maßnahmen zum Ausgleich für die Zerstörung eines Teils des Naturschutzgebiets vorgeschlagen, doch die reichen nicht aus.

Mögliche alternative Strecken wurden unvollständig geprüft. Andere Streckenführungen wären denkbar, die verhindern könnten, dass dem Gebiet irreparabler Schaden zugefügt wird.

Der Petitionsausschuss dieses Parlaments wird Mitte Juni eine Untersuchungsmission zur Prüfung der Beschwerden polnischer Bürger entsenden, die nicht wollen, dass das Tal zerstört wird.

Wir werden sämtliche Beteiligten anhören und alle Argumente gegeneinander abwägen, doch eines hat Vorrang: Die Via Baltica darf eines der reizvollsten Naturschutzgebiete Europas nicht beeinträchtigen. Der Bau dieser Straße darf nicht gegen EU-Umweltrecht verstoßen, das auch von Polen unterzeichnet worden ist. Pacta sunt servanda: Verträge müssen eingehalten werden.

 
  
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  Paweł Bartłomiej Piskorski, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Frau Präsidentin! Den Fall Via Baltica und Rospuda-Tal können wir aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten, die sich nicht widersprechen müssen.

Da ist zunächst der praktische Aspekt, der die Menschen betrifft, die dort leben und diese Straßen nutzen. Nicht nur die Polen sind davon betroffen, sondern auch die Einwohner der baltischen Staaten und Skandinaviens. Das ist ein echtes Problem, das wir nicht ignorieren können. Viele Menschen sterben auf diesen Straßen. Die Menschen haben Anspruch darauf, dass Straßen nach dem höchstmöglichen Standard gebaut werden und sie bequem und sicher reisen können.

Ein weiterer Punkt ist die Verantwortung der Behörden für ihre Entscheidungen. Es stimmt nicht – auch wenn versucht wird, das Gegenteil zu beweisen –, dass es keine alternative Streckenführung gibt. Es gibt eine Alternative, und die lässt sich auch realisieren, nur braucht es dazu den erforderlichen politischen Willen. Über dieses Thema wird in Polen schon jahrelang diskutiert. Zusammen mit einer Gruppe polnischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments haben wir im vergangenen Jahr auf dieses Problem aufmerksam gemacht, als wir eine Anfrage an die Kommission richteten und die polnische Regierung aufforderten, dieses Vorhaben zu stoppen, da bei einem solchen Projekt die europäischen Normen schon in der Planungsphase berücksichtigt werden sollten.

Der zweite Punkt sind die Lehren, die daraus zu ziehen sind. Dies ist der erste Fall seiner Art in Polen und damit ein Präzedenzfall. Wir, die Mitglieder des Europäischen Parlaments, und die europäischen Institutionen müssen zum Wohle der Bürger und zur Verbesserung ihrer Sicherheit dafür Sorge tragen, dass alle Mitgliedstaaten ihre Investitionsvorhaben ordnungsgemäß und im Einklang mit den Richtlinien und Umweltschutznormen der Europäischen Union planen.

Das ist möglich. Hier gibt es keine Widersprüche. Die Lehren, die daraus zu ziehen sind, müssen sehr wirksam sein. Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa unterstützt deshalb vehement eine Lösung, die den schnellstmöglichen Bau der Via Baltica ermöglicht, aber auch rasch zu einem Umdenken führt, dass nämlich Entscheidungen, die der Umwelt schaden, schlecht sind und nicht um jeden Preis durchgesetzt werden sollten.

 
  
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  Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion. (LV) Danke, Frau Präsidentin und Frau Grybauskaitė! Zunächst möchte ich sagen, dass ich als lettischer Bürger und als jemand, der sich mit der Historie dieses Teilabschnitts der Straße vertraut gemacht hat, den Eindruck habe, dass es seit mehreren Jahren bekannt ist, dass man diesen Straßenabschnitt bauen würde. Möglicherweise geschah die Einwilligung der vorangegangenen polnischen Regierung in die Festlegung der Natura-2000-Gebiete nicht in bester Weise. Als Ergebnis dessen haben allerdings nicht nur die polnischen Bewohner zu leiden, vor allem die in der Ostregion, die diesen Straßenabschnitt täglich benutzen könnten, sondern auch ganze drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Estland, Lettland und Litauen – und nicht nur Bürger, die die Europäische Union bereisen, sondern auch ein großer Teil der Industrie, denn täglich passieren 4 500 Lastwagen die Stadt Augustów über diesen Straßenabschnitt. Ich hätte wirklich sehr gern, dass man sich auf einen Kompromiss einigt, so dass sich der ohnehin schon verzögerte Bau dieser Straße nicht noch weiter hinzieht. Mich bedrückt, dass diese drei baltischen Staaten faktisch nicht über eine normale, moderne Schnellstraße mit der Europäischen Union verbunden sind. Diese drei baltischen Staaten sind mit der Europäischen Union auch nicht über einen durch Polen führenden Schienenweg verbunden, denn es sieht so aus, als würde der Rail-Baltica-Abschnitt in diesem Gebiet auf die gleichen Schwierigkeiten mit der Einhaltung der Umweltauflagen treffen. Auch sind diese drei baltischen Staaten nicht einmal an den europäischen Strommarkt an der polnisch-litauischen Grenze angeschlossen. Daher rufe ich die Kommission und alle anderen Parteien, unter ihnen auch die polnische Regierung, die diese Entscheidung innerhalb einer vertretbaren Frist treffen kann, auf, über diese Frage nicht nur aus polnischer Sicht und aus der Sicht der Umwelterfordernisse in Europa, sondern auch aus der Sicht der Interessenlage dieser drei Mitgliedgliedstaaten der Europäischen Union nachzudenken. Ich danke Ihnen.

 
  
  

VORSITZ: DIANA WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  David Hammerstein, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (ES) Frau Präsidentin! Die polnische Regierung fordert die europäischen Institutionen heraus.

Das europäische Umweltrecht muss Anwendung finden. Die Habitat-Richtlinie ist da, um umgesetzt zu werden. Die Art und Weise, wie wir mit dieser Frage umgehen, wird von entscheidender Bedeutung sein. Entweder nehmen wir das Gemeinschaftsrecht und die Anwendung und Nutzung von europäischen Fonds für große Infrastrukturen ernst, oder das Ganze wird allmählich sinnlos.

Ich hatte das Vergnügen, das wunderschöne und einzigartige Gebiet des Rospuda-Tals zu besuchen, und kann feststellen, dass dieses Projekt absurd ist. Es ist auch aus technischer Sicht praktisch unmöglich aufgrund des zu durchquerenden Feuchtgebiets. Gleichzeitig kann ich erklären, dass es eindeutige Alternativen gibt, die leichter ausführbar und wirtschaftlicher sind und die dem gleichen Zweck dienen könnten wie diese Straße.

Die Menschen, die unter dem Lkw-Verkehr in Ostpolen, in Augustów, leiden, sind Geiseln in dem politischen Spiel, das die polnische Regierung im Zusammenhang mit anderen Fragen verfolgt. Es ist eine politische Herausforderung an die Europäische Kommission, die mit anderen politischen Themen verknüpft wird. Dabei sind es die Einwohner des Gebiets und die Natur, die unter den Auswirkungen leiden werden.

Darüber hinaus haben die Alternativen zu dieser durch den Wald verlaufenden Straße die Unterstützung der Voruntersuchung, der strategischen Umweltprüfung, die von der Beraterfirma Scott Wilson, einer international hoch angesehenen Beraterfirma, erstellt wurde. Es ist daher nicht wahr, dass die Option dieser Straße über die Via Baltica und durch das Rospuda-Tal die einzige Möglichkeit ist. Keinesfalls.

Die Seriosität dieses Parlaments und die Seriosität des europäischen Umweltrechts stehen auf dem Spiel. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission standhaft bleiben wird, und das heißt, keine Regionalfonds mehr bereitzustellen, bis Polen begreift, dass Teil des europäischen Clubs zu sein auch bedeutet, die Regeln zu befolgen.

 
  
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  Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Die meisten EU-Mitgliedstaaten, die 2004 und 2007 beigetreten sind, verfügen über ein gut ausgebautes Schienennetz.

Dieses Schienennetz ist in den letzten 15 Jahren leider verkleinert worden, und auch bei seiner Instandhaltung sind Einsparungen vorgenommen worden. Zudem haben die alten Eisenbahnunternehmen für ihre Betriebsdefizite vielfach nicht die staatlichen Ausgleichszahlungen erhalten, mit denen sie gerechnet hatten, wodurch neue Unternehmen, die sonst an der Teilnahme an Ausschreibungen interessiert wären, abgeschreckt werden. So besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Streckennetz immer weniger genutzt und das rollende Material unbrauchbar wird.

Diese Länder besaßen einmal auf dem Gebiet des Schienenverkehrs einen beträchtlichen Vorsprung gegenüber Westeuropa, doch der geht auf diese Weise verloren, und ihre Umwelt ist ebenfalls besonders anfällig.

Weniger Schiene bedeutet nicht weniger Verkehr. Um diesen Verkehr aufzufangen, richtet sich das ganze Augenmerk nunmehr auf Investitionen in Autobahnen. Solche Straßen hat es auch schon vor 15 Jahren gegeben, nur waren sie damals noch auf die stark befahrenen Strecken, vor allem um die Großstädte, beschränkt. Jetzt wird der zügige Neubau solcher Straßen betrieben.

Die Belange von Natur und Landschaft werden oft vernachlässigt, um Kosten einzusparen. Vorrang erhält die kürzestmögliche Strecke durch als leer angesehene Gebiete, und für Umgehungen, Tunnel oder Wildtierkorridore fehlt das Geld.

Polen ist nicht das erste oder einzige Land, das mit diesem Problem konfrontiert ist. Die gleiche Problematik stellte sich vor einigen Jahren in der Tschechischen Republik, die eine Verbindung von Prag nach Dresden plante, sowie in Bulgarien, als es um die Verbindung zwischen Sofia und Thessaloniki ging.

Wie hier mit wertvollen Naturschutzgebieten umgegangen wird, sorgt nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene für Schlagzeilen, weil internationale Natur- und Umweltschutzorganisationen darauf aufmerksam machen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Europäische Union für die Zerstörung der Umwelt mitverantwortlich ist, wenn sie sich an der Finanzierung solcher umweltschädlichen Projekte beteiligt. Seit Jahren fordere ich die Europäische Union eindringlich auf, jegliche Mitverantwortung in dieser Angelegenheit zurückzuweisen.

Am 2. Juli 2002 erklärte Kommissarin Wallström in Beantwortung meiner schriftlichen Anfragen, Polen müsse seine Via Baltica-Pläne anpassen. Ich möchte sie daran erinnern, dass nach dem ursprünglichen Plan die Via Baltica um dieses Schutzgebiet herumführte, diese Planung aber später revidiert wurde, um andere Städte besser bedienen zu können. Wofür sich die Europäische Union mit allem Nachdruck einsetzen sollte, ist die Rückkehr zu dem ursprünglichen Plan, der vor langer Zeit konzipiert wurde.

 
  
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  Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Frau Präsidentin! Zum Glück haben wir trotz der mit dem zunehmenden Wohlstand einhergehenden Verstädterung noch wertvolle Naturschutzgebiete innerhalb der Europäischen Union aufzuweisen. Diese Gebiete sind Bestandteil des Natura-2000-Netzes, das etwas sehr Wichtiges leistet, indem es für die Natur in der Europäischen Union einen rechtlichen Schutzstatus sichergestellt und beispielsweise zum Erhalt der biologischen Vielfalt beiträgt.

Diese Woche erst haben wir den Vorschlag von Herrn Adamou gebilligt, in dem es um den Einsatz für die Aufrechterhaltung der biologischen Vielfalt geht. Der Natura 2000-Status gewährleistet zudem, dass Naturschutzgebiete für die Nachwelt erhalten bleiben.

So sollte es zumindest sein. Offenbar begreifen das nicht alle Regierungen, wie sich im vergangen Jahr gezeigt hat. Die polnische Regierung will die neue Straße, die Via Baltica, quer durch das Natura 2000-Gebiet des Rospuda-Tals bauen.

Zusammen mit einer Delegation des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit habe ich das Rospuda-Tal besucht und konnte mich selbst davon überzeugen, wie einzigartig und wertvoll dieses polnische Naturschutzgebiet ist. Mir ist völlig unverständlich, dass kein Geringerer als der polnische Umweltminister dieses Vorhaben befürwortet, obwohl doch brauchbare Alternativen vorhanden sind. Gerade er sollte doch verstehen, welche katastrophalen Folgen dieses Projekt haben könnte.

Als Ausgleich für den Bau der Straße ist – trotz der nachteiligen Folgen für die Natur – geplant, eine Million Bäume im Norden der Region anzupflanzen. Ich weiß, dass dies ein ganz brisantes Thema in Polen ist. Aus Gründen der Verkehrssicherheit muss die Via Baltica schnell verwirklicht werden, allerdings unter entsprechender Anpassung an die regionalen Verhältnisse und mit möglichst geringen umweltschädlichen Auswirkungen.

Erfreulicherweise hat die Kommission Warnungen an die polnische Regierung ausgesprochen und, als sie keine Antwort auf ihre Ersuchen erhielt, den Europäischen Gerichtshof mit der Angelegenheit befasst. Hoffentlich wird das am 18. April ergangene Urteil des Gerichtshofs, wonach die polnische Regierung die Ausgleichsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung einstellen muss, ein Signal für die Zukunft sein – das Signal nämlich, dass die Mitgliedstaaten sich nicht einfach an kostbaren Naturschutzgebieten vergreifen dürfen.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE-DE).(PL) Frau Präsidentin! Der geplante Bau der Via Baltica hat – wie viele andere transeuropäische Verkehrskorridore auch – zu zahlreichen Kontroversen geführt. Wie aus der entsprechenden Statistik der Kommission hervorgeht, haben einige Mitgliedstaaten – nämlich Österreich, Spanien und Portugal – mit der Planung von Infrastrukturvorhaben in Natura-2000-Gebieten erhebliche Schwierigkeiten.

Im Moment will die polnische Regierung den Bau der Umgehungsstraße für Augustów, die durch das Rospuda-Tal führt, immer noch fortsetzen. Sie argumentiert damit, dass die Entscheidung über dieses Vorhaben vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union getroffen wurde, als die strengen Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie und der Habitatrichtlinie der EU für Polen noch nicht galten. Die Europäische Union bezichtigt Polen wegen seiner Investitionen in dieses Straßenbauprojekt der Verletzung dieser Richtlinien. Polen führt die Straßenverkehrssicherheit als Argument für den Bau der Umgehungsstraße an. Die Umweltkriterien, die dabei erfüllt werden müssen, scheinen jedoch vergessen.

Ungeachtet der momentanen Lage dürfen wir jedoch nicht zulassen, dass die Gespräche über die Umgehungsstraße zum Stillstand kommen. Hier muss ein für beide Seiten zufriedenstellender Kompromiss gefunden werden. Beide Argumente – Umweltschutz und Straßenverkehrssicherheit – sind gleichermaßen wichtig und betreffen Hunderte ähnlicher Projekte in Polen und anderswo. Wir müssen die Kooperationsmechanismen auf den verschiedenen Ebenen effizienter machen und die Regulierungskriterien der derzeitigen ökologischen und gesellschaftlichen Situation anpassen.

Ich fordere jedoch dazu auf, dass ähnliche Anträge auf eine Aussprache in Zukunft gleichberechtigt behandelt werden. Trotz der Unterstützung von über 60 Mitgliedern dieses Hohen Hauses ist eine Aussprache über die größte Umweltgefahr, wie sie vom Bau der Gaspipeline auf dem Grund der Ostsee ausgeht, bis heute nicht genehmigt worden. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass über 10 % der Seegebiete zum Natura-2000-Netzwerk gehören und niemand, wirklich niemand diesen Punkt im Europäischen Parlament zur Sprache gebracht hat.

Im Moment, da wichtige Biodiversitätsgebiete buchstäblich vor den Augen der Umweltschützer und ganz Europas zerstört werden, scheint niemand über die Umweltgefahr für unser einziges Binnenmeer, nämlich die Ostsee, sprechen zu wollen.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Die polnische PSE-Delegation im Europäischen Parlament weist seit langem auf die Notwendigkeit des Baus einer Umgehungsstraße für Augustów hin.

Allerdings wird sich die gewählte Konstruktionslösung für die neue Straße, die durch das Rospuda-Tal führt, mit Sicherheit negativ auf das in Europa einmalige Ökosystem des durch das Natura-2000-Programm geschützten Gebiets auswirken. Wird der Bau der Umgehungsstraße für Augustów durch das Tal genehmigt, sind irreparable Umweltschäden einschließlich der Vernichtung von 20 000 Bäumen die Folge. Zudem würden überaus seltene Pflanzen- und Tierarten verschwinden. Leider wird – und darüber müssen wir uns im Klaren sein – jede Alternative zur Umgehungsstraße die natürliche Umwelt in dieser Region beeinträchtigen. Wir sollten das Projekt wählen, das der einzigartigen Fauna und Flora im Rospuda-Tal am wenigsten schadet.

Vertreter der in Polen regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ haben uns vor den Wahlen versichert, dass die Via Baltica, die die Umgehungsstraße für Augustów einschließt, die wertvollsten Naturgebiete nicht berührt. Sie halten ihr Versprechen aber nicht ein. Die polnischen Behörden hatten Zeit, den Verlauf der Umgehungsstraße zu überdenken. Sie haben jedoch die Vorschläge der Naturschützer, wonach durch einen anderen Verlauf der Autobahn Umweltschäden vermieden und Gelder eingespart werden könnten, missachtet. Der Umweltminister hat die Chance, die Interessen der Einwohner von Augustów, die für eine Autobahn plädieren, mit denen der Umweltschützer in Einklang zu bringen, nicht genutzt. Die polnische Regierung ignoriert die Tatsache, dass dieses Projekt unglaublich teuer wird und die polnischen Steuerzahler stark belastet, da die Europäische Union den Bau der Straße in einem Gebiet, in dem nach der Habitat-Richtlinie die Umwelt nicht zerstört werden darf, finanziell nicht unterstützt. Wenn die Europäische Kommission das Projekt negativ bewertet, hätte Polen zudem bei Weiterführung der Bauarbeiten an dieser Straße eine Geldstrafe in Millionenhöhe zu zahlen. Diese Last werden dann die polnischen Steuerzahler zu tragen haben.

Der Vorschlag von Ministerpräsident Kaczyński, vor Ort ein regionales Referendum über die Umgehungsstraße für Augustów und ihren Verlauf durch das Rospuda-Tal durchzuführen, ist in meinen Augen nichts anderes als der Versuch der polnischen Regierung, sich der Verantwortung für die inneren Angelegenheiten zu entledigen, der außerdem zu einer unnötigen Polarisierung der polnischen Gesellschaft führt. Das Referendum fand zeitgleich mit den Kommunalwahlen in der Woiwodschaft Podlasie statt. Es war jedoch von Anfang an klar, dass die Ergebnisse des Referendums für den Europäischen Gerichtshof, der zurzeit mit der Sache befasst ist, nicht bindend sein würden. Deshalb ist das irrelevant; diese Art von Aktivitäten dient einzig und allein innenpolitischen Zielen. Ich möchte außerdem feststellen, dass nach polnischem Recht ein Referendum nur gültig ist, wenn über 30 % der Stimmberechtigten daran teilnehmen. Eine solche Beteiligung wurde bei dem Referendum am Sonntag nicht erreicht.

Die natürliche Umwelt gehört zu unseren wertvollsten Gütern, und trotzdem tun wir nicht genug, um sie zu schützen. Die polnische Regierung muss meines Erachtens ernsthafte Anstrengungen unternehmen und schnellstmöglich alternative Lösungen für dieses Problem finden.

 
  
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  Danutė Budreikaitė (ALDE). – (LT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Umgehungsstraße von Augustów sollte Teil der Via Baltica werden. Das ist sehr wichtig für die Stadt Augustów, durch deren Zentrum jährlich etwa 1,5 Millionen Fahrzeuge fahren.

Die Europäische Kommission hat den Europäischen Gerichtshof angerufen, um gegen den bereits vor dem Beitritt Polens zur EU begonnenen Bau der Umgehungsstraße von Augustów auf der Via Baltica durch Polen vorzugehen. Als Grund der Klage wird vorgebracht, dass gegen die Belange des Umweltschutzes im Rospuda-Tal, durch das der geplante Straßenabschnitt führen muss, verstoßen würde. Das Gebiet ist ein Schutzgebiet im Rahmen des Natura-2000-Programms.

Ähnliche Fragen des Umweltschutzes wurden jedoch nicht im Zusammenhang mit der Erdgasleitung NorthStream aufgeworfen, die durch ein Natura-2000-Schutzgebiet führen soll, was unvorhersehbare Folgen für die Ökologie haben kann.

Polen sucht nach Wegen zur Lösung des Problems, vielleicht durch den Bau eines erheblich teureren Tunnels. Allerdings möchten die Menschen in Augustów in Ruhe leben. Niemanden interessiert es, dass die Bewohner unter der Verschmutzung zu leiden haben.

Ich habe die Kommission gefragt, wie eine Lösung, abgesehen von einem Verbot des Baus der Umgehung, aussehen und welche Hilfe Polen erhalten könnte. Mir wurde erklärt, dass es der Kommission unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nicht zusteht, Mitgliedstaaten konkrete Lösungen zu diktieren oder Vorschriften im Hinblick auf Kosten zu machen.

Vielleicht ist es der Zeit, die Zuständigkeiten der Kommission zu überprüfen.

Werden die Bewohner der baltischen Länder gezwungen sein, ausschließlich auf dem Luftweg nach Europa zu reisen?

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Die natürliche Umwelt ist ein hohes Gut und heute eines der höchsten Güter überhaupt. Die Natur ist ein unabhängiger Bestandteil unseres Umfelds. Wir haben sie nicht geschaffen, und wir müssen sie unbedingt schützen.

Umweltschutz darf jedoch nicht zu einem Alibi für bestimmte kleine Gruppen von Umweltaktivisten werden, die Regionen und Regierungen erpressen. Aus Gründen, die eher politischer als ökologischer Natur sind, und wegen des zu erwartenden materiellen Gewinns versuchen diese Gruppen, den Bau von Straßen, Umgehungsstraßen und Flughäfen zu verhindern. Ein klassisches Beispiel für die missbräuchliche Verwendung von ökologischen Argumenten ist die Kampagne gegen den Bau eines Flughafens in Świdnik bei Lublin in Polen. Als Grund werden die Murmeltierkolonien genannt. Verschwiegen wird jedoch die Tatsache, dass dies nicht ihr angestammtes Habitat ist und die Tiere Experten zufolge sicher umgesiedelt werden könnten.

Ähnlich zweifelhafte Argumente bringen die Umweltschützer gegen andere Investitionsvorhaben in Mittel- und Osteuropa einschließlich der Via Baltica vor. Nicht erwähnt wird, dass bei einem Referendum in der polnischen Region, in der die Umgehungsstraße gebaut werden soll, sich eine große Mehrheit für dieses Projekt ausgesprochen hat.

Die europäischen Umweltschutzbestimmungen dürfen nicht automatisch – ohne Einzelfallprüfung – angewendet werden. Wir sollten hier unseren gesunden Menschenverstand gebrauchen und uns nicht von ideologisch geprägten Emotionen leiten lassen. Die Drohung mit dem ökologischen Schreckgespenst könnte dazu führen, dass die meisten Infrastrukturinvestitionen in den neuen Mitgliedstaaten nicht realisiert werden können. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Investitionen sich tatsächlich auf die Lebensqualität der Menschen auswirken, und dass das Recht der Menschen auf eine hochwertige Infrastruktur zumindest ebenso wichtig ist wie ökologische Erwägungen.

 
  
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  Stanisław Jałowiecki (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Es stimmt, dass Polen, das seit dem Start seines Reformprogramms vor 18 Jahren viel getan hat, den Straßenbau leider vernachlässigt hat. Das ist eine Tatsache.

Nun versuchen wir, den Rückstand rasch wieder aufzuholen, und das ist keineswegs leicht. Eines der Hindernisse auf unserem Weg sind die vom Umweltschutz auferlegten Beschränkungen. Wir sollten eines nicht vergessen: Als in Westeuropa Straßen gebaut wurden, die sich über einen beträchtlichen Teil seines Territoriums erstrecken, gab es für den Bau von Verkehrsnetzen keine solchen Beschränkungen. Heute hat sich das zu einem Konflikt ausgewachsen.

Die Natur ist in diesem Konflikt jedoch nicht ohne Stimme. Verschiedene Umweltgruppen sprechen im Namen der Umwelt. Sie sprechen allerdings oft zu laut und vergessen, dass der Mensch auch ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Bestandteil dieses Ökosystems ist. Der Mensch ist es, der in erster Linie geschützt werden muss.

Es ist bedauerlich, dass der Konflikt um die Bauarbeiten im Rospuda-Tal so eskaliert ist und – auch politisch gesehen – derart kompliziert geworden ist. Gibt es hier einen Ausweg? Gibt es eine vernünftige Lösung, die beide Seiten zufrieden stellt? Ich fürchte nein, und die Kommission muss nun eine Entscheidung treffen. Es muss etwas geschehen.

Ich meine, die Straße sollte gebaut werden. Allerdings sollte die Genehmigung für die Bauarbeiten einen Katalog strikter Bedingungen einschließen, die eingehalten werden müssen, um die Umweltschäden möglichst gering zu halten. Verluste lassen sich – wenn wir ehrlich sind – nicht vermeiden. Sie begleiten jede Zivilisation, denn Fortschritt gibt es nicht für umsonst. Alles hat seinen Preis.

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Der Via Baltica kommt vor allem im Hinblick auf die Stärkung des Zusammenhalts in der Europäischen Union eine große Bedeutung zu. Sie ist wichtig, um die zeitliche Distanz zwischen den baltischen Staaten, nämlich Litauen, Lettland, Estland und indirekt auch Finnland, und den übrigen Ländern der Europäischen Union zu verringern, und zwar mittels des Zugangs über Polen. Die Vorteile für die Union und Europa sind beträchtlich und spürbar.

Ich weiß auch um die überaus schwierige Situation der Einwohner von Augustów, denn die Zahl der Lastkraftwagen, Pkw und Busse, die diese Stadt passieren, wächst stetig. Für diese Menschen ist das kein Leben mehr. Diese Region Polens ist sehr reich an natürlichen Ressourcen: Pflanzen- und Tierwelt, Seen, Wälder und die Landschaft überhaupt. Jede Straße, die durch dieses Gebiet führt, wird die Umwelt beeinträchtigen. Es ist aber einfach unmöglich, diese Region völlig zu umgehen. Über diese Straße werden die Europäer Zugang zu der Landschaft dort haben, sie wird sie ihnen näher bringen. Wird die Straße nicht gebaut, bleibt die Region eine unzugängliche Festung.

Trotz der nicht immer professionellen Haltung der gegenwärtigen polnischen Regierung ersuche ich die Kommission, diese Aspekte zu berücksichtigen. Die Kommission und die polnische Regierung können und müssen intensiv nach einer Lösung suchen, die – ohne der Umwelt allzu großen Schaden zuzufügen – der Union wie den Bürgern nützt und von der sowohl die Einwohner von Augustów als auch die Autofahrer profitieren, die diese Region passieren. Mitte der 1990er-Jahre habe ich in meiner Eigenschaft als Verkehrsminister Polens dieses Projekt unterstützt, weil ich es für notwendig hielt. Auch heute befürworte ich den Bau der Via Baltica.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). – (PL) Frau Präsidentin! Als polnischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments ist es meine Pflicht, meine Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam zu machen, dass der Fall der Via Baltica zwei Seiten hat – eine ökologische und eine politische.

Das Schlimmste hierbei ist, dass sich auch die Europäische Kommission in die lokalen Wahlkonflikte eingemischt hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich feststellen, dass sich die Europäische Kommission in letzter Zeit zu oft und unnötig in Angelegenheit einmischt, die in die Zuständigkeit der polnischen Regierung und der lokalen Gebietskörperschaften fallen. Deshalb werden wir bald eine Menge zum Thema E-19 zu hören bekommen.

Hier erhebt sich die Frage, worum es der Kommission eigentlich geht. In Polen heißt es, sie wolle die Polen für den Autobahnbau zugeteilten Mittel blockieren. Die Kommission sollte sich vielleicht besser mit Fragen wie GVO in Europa befassen, denn hier liegen die Ursachen für eine drohende ökologische und biologische Katastrophe, oder auch mit den Schmidt-Farmen, die die Umwelt zunehmend und ungestraft verschmutzen. Es gibt viel zu tun, und es besteht keine Notwendigkeit, jene zu stören, die ehrliche Arbeit leisten.

 
  
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  Barbara Kudrycka (PPE-DE). – (PL) Frau Präsidentin! Die Europäische Kommission hat beschlossen, vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen Polen einzureichen, weil damit begonnen wurde, einen Straßenabschnitt zu bauen, der 1 500 Meter länger ist als die Straße, die derzeit von Lastkraftwagen benutzt wird, und der fünf Kilometer durch ein Natura-2000-Schutzgebiet führt. Der Zustand der Straße ist so schlecht, dass die Einwohner sie in „Straße des Todes“ umbenannt haben. Allein im Jahr 2006 gab es auf diesem Abschnitt nahe der Kleinstadt Augustów 14 Tote und 25 Verletzte. Wenn der Bau der Straße um drei bis fünf Jahre verschoben wird – so lange wird der Gerichtshof für die Behandlung des Falles mindestens brauchen – und das Investitionsverfahren dann vielleicht wieder von vorn beginnen muss, könnte es weitere 40 bis 70 Tote geben.

Ich möchte auch auf die Lärmbelastung durch die Tausenden von Lastkraftwagen hinweisen, die durch Augustów fahren, wie auch auf die möglicherweise tödliche Gefahr durch Unfälle mit Lastkraftwagen, die gefährliche Güter durch bebautes Gebiet transportieren.

Die Habitat-Richtlinie erlaubt in Ausnahmefällen Investitionen in Vorhaben in Natura-2000-Gebieten, wenn Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden. Am vergangenen Sonntag haben fast 92 % der Einwohner in einem Referendum für die geplante neue Strecke gestimmt. Ist diese Einstellung der Einwohner nicht Grund genug, um die beim Europäischen Gerichtshof eingereichte Klage zurückzuziehen?

Wenn die Kommission ihre Klage nicht zurückzieht, beweist sie damit, dass sie es nicht vermochte, die Ansichten der kleinen, aber einflussreichen Gruppe der Umweltschützer und der Ökoterroristen in der Generaldirektion Umwelt sowie die Erwartungen und Bedürfnisse der Einwohner, die der Kommission sowohl vom Bürgermeister als auch vom Marschall der Woiwodschaft präsentiert wurden, in ein gerechtes Gleichgewicht zu bringen.

Wenn die Alternativen zum Bau einer Brücke über das Rospuda-Tal die Kommission nicht zufrieden stellen, kann es zu einem ernsthaften Konflikt kommen, der die gegenwärtig genutzte Straße auf Dauer lahm zu legen und zu blockieren droht. Angesichts der Entschlossenheit der Einwohner – und ich weiß, wie entschlossen sie sind, weil ich als einzige von allen hier in diesem Hohen Hause dort lebe – muss man mit allem rechnen. Wenn diese Straße nicht bald gebaut wird, sollten wir vielleicht die Aufnahme von Verhandlungen mit Russland, Belarus und der Ukraine in Erwägung ziehen, bei denen es darum ginge, den Transitverkehr von den baltischen Staaten durch diese Länder zu leiten.

 
  
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  Katrin Saks (PSE). – (ET) Frau Präsidentin! Als Vertreterin Estlands möchte ich die Bedeutung der Via Baltica hervorheben. Aus historischer Sicht stellt sie für uns eine wichtige Verbindung mit den europäischen Ländern dar, und sie muss ausgebaut werden, so dass sie schnell und sicher wird. Heute ist sie beides nicht.

In diesem Frühjahr zum Beispiel brauchte man mit dem Pkw von Tallinn nach Warschau zwölf Stunden. Das dürfte nicht sein. So begrüßen wir von ganzem Herzen die mit dem Zehnten Rahmenprogramm für den Bau der Schnellstraße gebotenen Möglichkeiten. Das sei vorausgeschickt. Natürlich rechtfertigt eine gute Straße nicht die Abkehr von allen Umweltbelangen. Auch führen uns solche Straßen nicht in eine glückliche Zukunft. Leider wirft der polnische Vorfall einen Schatten auf das gesamte Projekt der Via Baltica, das insbesondere für das Baltikum von lebenswichtiger Bedeutung ist.

Wir hoffen, dass der Europäische Gerichtshof bald seine Entscheidung trifft und dass zwischen der Kommission und den polnischen Behörden möglichst rasch ein Kompromiss gefunden wird. Ich möchte noch einmal die Bedeutung aller Verbindungswege zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstreichen – seien es Straßen, Schienenwege oder Stromleitungen. Wir können uns nicht als Vollmitglieder der Europäischen Union fühlen, wenn es diese Verbindungswege praktisch nicht gibt oder sie in einem sehr schlechten Zustand sind.

 
  
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  Dalia Grybauskaitė, Mitglied der Kommission. (EN) Frau Präsidentin! Ich verstehe, wie sensibel diese Frage ist. Wir sprechen von transeuropäischen Netzen, von transeuropäischen Bauten und Straßen und von Menschen, die in der Nähe dieser Straßen wohnen.

Wir gehen davon aus, dass mit diesem Projekt vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union begonnen wurde. Im Namen der Kommission möchte ich jedoch betonen, dass man bestimmte Verfahren einhalten muss, ehe mit großen Programmen begonnen werden kann, insbesondere müssen Folgenabschätzungen vorgenommen werden. Die Kommission fordert Polen auf – so wie es jetzt in ihrer Verantwortung liegt –, die Folgenabschätzung so bald wie möglich vorzunehmen.

Demgegenüber – das in Beantwortung der Frage zum North-Stream-Vorschlag – wurde das betreffende Projekt noch nicht in Angriff genommen; die Folgenabschätzung läuft, und dieses Projekt kann erst begonnen werden, wenn die Folgenabschätzung abgeschlossen ist. Das ist eine andere Sache. Bei der Via Baltica ist es das Gegenteil. Hier hat es keine Folgenabschätzung gegeben; das Verfahren ist erst auf dem halben Weg, aber es wird schon gearbeitet.

Die Arbeiten laufen außerhalb des Rahmens von Natura 2000. Wir haben keine Informationen darüber, dass Polen gegen irgendeine Entscheidung des Gerichtshofs verstoßen würde. Ich kann auch bestätigen, dass bisher keine europäischen Finanzmittel in das Projekt geflossen sind.

Es sind ein paar Bemerkungen zu den Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der Kommission gefallen. Diese sind in den Europäischen Verträgen niedergelegt. Wenn Sie da etwas ändern wollen, müssen Sie die Verträge ändern.

 
  
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  Die Präsidentin. Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. (PL) Frau Präsidentin! Polen, Litauen und Lettland brauchen sowohl die Via Baltica und andere Investitionen in Straßenbauprojekte als auch Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Umwelt einschließlich des Rospuda-Tals. Wir können nicht einfach bestimmte Gebiete der Union von anderen Regionen und Ländern abschneiden, weil Umweltschutznormen erfüllt werden müssen.

Andererseits dürfen wir die Umwelt nicht ignorieren und auch nicht jede unserer Entscheidungen mit der notwendigen Verbesserung der Infrastruktur rechtfertigen. Experten zufolge gibt es alternative Strecken, die der Umwelt nicht solchen Schaden zufügen wie die gegenwärtigen Pläne. Wenn dem so ist, sollten wir uns auf ihre Umsetzung konzentrieren, anstatt hartnäckig an der weniger günstigen Lösung festzuhalten.

Dieses Problem hat in Polen heftige Emotionen hervorgerufen. Es scheint jedoch vernünftiger, eine Lösung zu finden, die auf Fakten basiert. Die Regierungskoalition in Polen hat diesem Thema eine ausgesprochen politische Dimension verliehen. Sie hat sogar ein Referendum vor Ort durchgesetzt, das eigentlich nur als Versuch gewertet werden kann, die Frage des Verlaufs der Via Baltica für eigene Zwecke zu nutzen, da das Referendum zur selben Zeit stattfand wie die Kommunalwahlen. Zudem ist das Referendum weder für den Europäischen Gerichtshof noch für die polnischen Behörden bindend.

Die beste Lösung für die Einwohner dieser Region sowie die künftigen Nutzer der Straße wäre ein Kompromiss auf europäischer Ebene, damit der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung keine Phrase bleibt.

 
  
  

(Die Sitzung wird um 11.35 Uhr unterbrochen und um 12.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 
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